Die Sprachen- und Bildungspolitik in Estland wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dabei spielen der historische Hintergrund, die nationalen Minderheiten und die aktuellen sprachlichen Trends eine bedeutende Rolle. Der frühe Fremdsprachenerwerb ist in Estland ein wichtiges sprachpolitisches Thema der letzten Jahre. Verschiedene Interessengruppen haben sich über Ziele, Nutzen, Durchführbarkeit und Folgen des frühen Fremdsprachenlernens geäußert. In einigen Fällen hat dies zu heftigen, unter anderem politischen Diskussionen geführt. Die sprachpolitischen Entscheidungen, von denen die Rahmenbedingungen des Sprachunterrichts abhängen, werden bislang außerhalb der eigentlichen Lernorte – Kindergärten und Schulen – getroffen. Aber es ist wichtig, dass möglichst alle betroffenen Gruppen frühzeitig in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
Im vorliegenden Beitrag wird ein Überblick über den Fremdsprachenunterricht und dessen curriculare Regelungen in Estland gegeben. Am Beispiel des frühen Fremdsprachenlernens wird gezeigt, wie ein Bildungsanliegen zum politischen Thema werden kann und welche Aspekte in diesem Fall in den Vordergrund treten. Zur Veranschaulichung werden die Curricula und Rahmendokumente herangezogen. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, wie es zu gewährleisten wäre, dass alle Kinder in Estland gleiche Chancen auf frühe Sprachlernangebote haben.