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Abstract
Fragestellung: Remdesivir zeigte in einer placebokontrollierten Studie bei Patienten
mit schwerer COVID-19-Infektion einen klinischen Nutzen. Ist Remdesivir auch bei Patienten
mit einer mittelschweren Erkrankung wirksam?
Hintergrund: Remdesivir ist ein Virustatikum, das ursprünglich zur Behandlung der
Hepatitis und der Ebolainfektion entwickelt wurde. Die Substanz hat in einer randomisierten
Studie bei Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung ihre Wirksamkeit belegt [1].
Ungeklärt ist aber, ob Remdesivir auch bei Patienten mit mittelschwerer Erkrankung
wirksam ist. Remdesivir ist in der Zwischenzeit in den USA und Europa zur Behandlung
der COVID-19-Infektion zugelassen.
Patienten und Methodik: Die randomisierte, offene Studie mit hospitalisierten Patienten
mit akuter SARS-CoV-2-Infektion mit respiratorischem Syndrom und mäßiger COVID-19-Pneumonie
wurde vom 15. März bis zum 18. April 2020 in 105 Krankenhäusern in den USA, Europa
und Asien durchgeführt. Das Datum der letzten Nachuntersuchung war der 20. Mai 2020.
Die Patienten wurden in einem Verhältnis von 1 : 1 : 1 randomisiert und erhielten
eine zehntägige Therapie mit Remdesivir (n = 197), eine fünftägige Therapie mit Remdesivir
(n = 199) oder eine Standardbehandlung (n = 200). Remdesivir wurde am Tag 1 intravenös
in einer Dosis von 200 mg und anschließend in einer Dosis von 100 mg/Tag verabreicht.
Ergebnisse: Der primäre Endpunkt war der klinische Status der Patienten am Tag 11
auf einer 7-Punkte-Ordinalskala, die von Tod (Kategorie 1) bis Krankenhausentlassung
(Kategorie 7) reichte. Von den 596 randomisierten Patienten begannen 584 mit der Studie
und erhielten Remdesivir oder eine Standardbehandlung. Das mittlere Alter betrug 57
Jahre, 227 waren Frauen. 56 % hatten vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 42
% eine Hypertonie und 40 % Diabetes mellitus. Insgesamt 533 (91 %) Patienten beendeten
die Studie. Die mediane Behandlungsdauer betrug fünf Tage für Patienten in der 5-Tage-Remdesivir-Gruppe
und sechs Tage für Patienten in der 10-Tage-Remdesivir-Gruppe.
Am Tag 11 hatten Patienten in der 5-Tage-Remdesivir-Gruppe eine statistisch signifikant
höhere Wahrscheinlichkeit für einen besseren klinischen Status als Patienten, welche
die Standardbehandlung erhielten (Odds Ratio: 1,65; 95 %-Konfidenzintervall: 1,09-2,48;
p = 0,02). Die Verteilung des klinischen Status am Tag 11 zwischen der 10-Tage-Remdesivir-
und der Standardtherapiegruppe war nicht signifikant unterschiedlich. Bis zum Tag
28 waren neun Patienten gestorben: zwei (1 %) in der 5-Tage-Remdesivir-Gruppe, drei
(2 %) in der Zehn-Tage-Remdesivir-Gruppe und vier (2 %) in der Standardtherapiegruppe.
Übelkeit (10 % vs. 3 %), Hypokaliämie (6 % vs. 2 %) und Kopfschmerzen (5 % vs. 3 %)
traten bei den mit Remdesivir behandelten Patienten im Vergleich zur Standardtherapie
häufiger auf.
Schlussfolgerungen: Unter den Patienten mit moderater COVID-19-Erkrankung wiesen diejenigen,
die eine 10-Tage-Therapie mit Remdesivir erhalten hatten, elf Tage nach Behandlungsbeginn
keinen statistisch signifikanten Unterschied im klinischen Status im Vergleich zur
Standardtherapie auf. Patienten, die zu einer 5-Tage-Therapie mit Remdesivir randomisiert
worden waren, hatten einen statistisch signifikanten Unterschied im klinischen Status
im Vergleich zur Standardtherapie.
Spinner CD, Gottlieb RL, Criner GJ et al. Effect of remdesivir vs standard care on
clinical status at 11 days in patients with moderate COVID-19: A randomized clinical
trial. JAMA 2020; 324: 1048-57
Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen
Insgesamt ist Remdesivir wahrscheinlich wirksam
Die randomisierte offene Studie aus den USA hat eine Reihe von Problemen. Es ist logisch
nicht nachvollziehbar, warum eine Therapie mit Remdesivir über zehn Tage nicht wirksam
sein soll, während sie über fünf Tage wirksam ist. Die Erklärung liegt wahrscheinlich
darin, dass die 10-Tage-Therapie nur von 38 % der Patienten, die in diese Gruppe randomisiert
wurden, beendet wurde. Die Studie leidet darüber hinaus unter dem offenen Studiendesign.
Es kann möglicherweise unterstellt werden, dass die Patienten in der Standardtherapiegruppe
intensiver behandelt wurden als die Patienten in den beiden Remdesivir-Gruppen. Interessant
ist auch, dass für alle sekundären Endpunkte der Studie zwischen der fünftägigen und
der zehntägigen Behandlung mit Remdesivir keine Unterschiede bestanden.
Es gibt inzwischen drei randomisierte Studien zum Einsatz von Remdesivir bei der COVID-19-Erkrankung.
Die erste Studie aus China konnte keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern. Dies
lag daran, dass sie vorzeitig abgebrochen wurde und die geplante Patientenanzahl nicht
erreicht worden war [2]. Die ACTT-1-Studie war größer und schloss Patienten ein, die
entweder Sauerstoff benötigten oder die intubiert werden mussten [1].
Insgesamt ist Remdesivir wahrscheinlich wirksam, wobei die Therapieeffekte in indirekten
Vergleichen geringer sind als beim Einsatz von Dexamethason bei Patienten, die beatmet
werden müssen [3].
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