Einführung
COVID-19 wurde von der Weltgesundheitsorganisation zur Pandemie erklärt. Die Krankheit
wird durch das schwere akute Atemnotsyndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) verursacht
und ist höchst ansteckend. Eine aktuelle systematische Übersicht mit 53.000 Patienten
ergab, dass 80 % der Patienten an einer leichten Erkrankung, 15 % an einer mittelschweren
Erkrankung und etwa 5 % an einer schweren Erkrankung leiden, die eine Aufnahme auf
der Intensivstation (ITS) erfordert [1]. In dieser Übersichtsarbeit betrug die Sterberate
3,1 %. Von 136 Patienten mit schwerer COVID-19-Pneumonie und innerklinischem Kreislaufstillstand
in einem tertiären Krankenhaus in Wuhan, China, hatten 119 (87,5 %) eine respiratorische
Ursache des Kreislaufstillstands [2]. Bei dieser Patientenkohorte war der initiale
Herzrhythmus bei Kreislaufstillstand in 122 Fällen (89,7 %) eine Asystolie, in 6 Fällen
(4,4 %) eine pulslose elektrische Aktivität und in 8 Fällen Kammerflimmern/pulslose
ventrikuläre Tachykardie (VF/pVT; 5,9 %). In einer weiteren Fallserie von 138 hospitalisierten
COVID-19-Patienten entwickelten 16,7 % der Patienten Arrhythmien; 7,2 % hatten eine
akute Schädigung des Herzens [3]. Obwohl also wahrscheinlich die meisten dieser Patienten
mit Kreislaufstillstand einen nichtdefibrillierbaren Herzrhythmus aufweisen, der durch
Hypoxämie verursacht wird (obwohl Dehydration, Hypotonie und Sepsis ebenfalls dazu
beitragen können), werden einige einen defibrillierbaren Rhythmus haben, der mit Arzneimitteln
in Verbindung stehen kann, die ein verlängertes QT-Syndrom verursachen (z. B. Chloroquin,
Azithromycin), oder durch eine Myokardischämie verursacht sein kann. In der Fallserie
der 136 Kreislaufstillstände aus Wuhan überlebten 4 (2,9 %) Patienten mindestens 30 Tage,
aber nur einer von ihnen hatte ein günstiges neurologisches Ergebnis [2].
Risiken im Zusammenhang mit kardiopulmonaler Wiederbelebung (CPR) bei Patienten mit
COVID-19
Übertragungswege von SARS-CoV-2
Die Übertragung von SARS-CoV‑2 erfolgt hauptsächlich über Atemwegssekrete, entweder
direkt vom Patienten oder durch das Berühren kontaminierter Oberflächen. Atemwegssekrete
werden entweder als Tröpfchen (>5–10 μm Durchmesser) oder als Luftpartikel (<5 μm)
bezeichnet. Tröpfchen fallen auf Oberflächen in bis zu 1–2 m Entfernung von den Atemwegen
des Patienten, während Luftpartikel längere Zeit in der Luft schweben können [4].
Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Die minimale persönliche Schutzausrüstung (PSA) zum Schutz vor Tröpfchen besteht aus:
Einmalhandschuhen,
kurzärmligem Schutzkittel,
flüssigkeitsbeständiger chirurgischer Maske,
Augen- und Gesichtsschutz (flüssigkeitsbeständiger Mund-Nase-Schutz mit integriertem
Visier oder Vollgesichtsschutz/Visier oder Schutzbrille aus Polycarbonat oder Gleichwertiges).
Die minimale PSA für Luftpartikel umfasst:
Einmalhandschuhe,
langärmligen Schutzkittel,
Atemschutzmaske FFP3 oder N99-Maske/Beatmungsgerät (FFP2 oder N95, falls FFP3 nicht
verfügbar)*,
Augen- und Gesichtsschutz (Vollgesichtsschutz/Visier oder Schutzbrille aus Polycarbonat
oder Gleichwertiges). Alternativ können motorbetriebene Luftreinigungs-Atemschutzgeräte
(PAPRs) mit Hauben verwendet werden.
*Die Europäische Norm (EN 149: 2001) klassifiziert FFP-Atemschutzmasken in drei Klassen:
FFP1, FFP2 und FFP3 mit einer Mindestfiltrationswirkung von jeweils 80 %, 94 % und
99 %. Das US-amerikanische National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH)
klassifiziert Atemschutzmasken mit Partikelfilterung in neun Kategorien, basierend
auf ihrer Ölbeständigkeit und ihrer Effizienz bei der Filterung von Partikeln in der
Luft. N bedeutet nicht ölbeständig; R ist mäßig ölbeständig und P ist stark ölbeständig
– „öldicht“. Auf die Buchstaben N, R oder P folgen die numerischen Bezeichnungen 95,
99 oder 100, die die minimale Filtrationseffizienz des Filters von 95 %, 99 % und
99,97 % der in der Luft befindlichen Partikel (<0,5 μm) angeben [5, 6].
Einige Gesundheitssysteme sind mit einem Mangel an Personal und Ausrüstung – inklusive
Beatmungsgeräten – konfrontiert, was die Behandlung kritisch kranker Patienten während
der COVID-19-Pandemie erschwert. Entscheidungen über Triage und Zuweisung von Gesundheitsressourcen,
einschließlich der Durchführung einer CPR und anderer Notfallversorgung, müssen von
einzelnen Gesundheitssystemen auf der Grundlage ihrer Ressourcen, Werte und Prioritäten
getroffen werden. Allerdings sieht es der ERC als absolut inakzeptabel an, die Sicherheit
von Angehörigen der Gesundheitsberufe zu gefährden.
Das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) hat eine systematische
Übersicht erarbeitet, die die folgenden drei Fragen behandelt [7]:
Sind Thoraxkompressionen oder Defibrillation eine aerosolerzeugende Maßnahme?
Erhöhen Thoraxkompression, Defibrillation oder CPR (alle CPR-Interventionen, die Thoraxkompression
einschließen) die Infektionsübertragung?
Welche Art von PSA wird von Personen benötigt, die Thoraxkompression, Defibrillation
oder CPR durchführen, um eine Infektionsübertragung vom Patienten auf den Helfer zu
verhindern?
Die Evidenz bei der Beantwortung dieser Fragen ist gering und umfasst hauptsächlich
retrospektive Kohortenstudien [8, 9] und Fallberichte [10–15].
In den meisten Fällen sind Thoraxkompressionen und die Defibrillation mit allen anderen
Wiederbelebungsmaßnahmen zusammengefasst, was bedeutet, dass in diesen Studien erhebliche
Begriffsverwirrung herrscht. Die Aerosolerzeugung durch Thoraxkompressionen ist plausibel,
da sie kleine, aber messbare Atemzugvolumina erzeugen [16]. Thoraxkompressionen ähneln
einigen Techniken der Physiotherapie, die mit Aerosolerzeugung verbunden sind [17].
Außerdem befindet sich die Person, die Thoraxkompressionen durchführt, in unmittelbarer
Nähe der Atemwege des Patienten.
Die systematische Übersicht des ILCOR ergab keine Hinweise darauf, dass durch Defibrillation
Aerosole entstehen. In diesem Fall wäre die Dauer der Aerosolentstehung kurz. Darüber
hinaus ermöglicht die Verwendung von Klebepads, dass die Defibrillation ohne direkten
Kontakt zwischen dem Anwender des Defibrillators und dem Patienten durchgeführt werden
kann.
Die ILCOR-Behandlungsempfehlungen lauten:
Wir unterstellen, dass Thoraxkompressionen und kardiopulmonale Wiederbelebung das
Potenzial haben, Aerosole zu erzeugen (schwache Empfehlung, sehr geringe Evidenz).
Wir empfehlen, dass in der aktuellen COVID-19-Pandemie Laienhelfer* eine Reanimation
mit alleiniger Thoraxkompression und Anwendung eines Public-Access-Defibrillators
(öffentlich zugänglicher automatisierter Defibrillator) in Betracht ziehen (Empfehlung
eines bewährten Vorgehens).
Wir regen an, dass bei der aktuellen COVID-19-Pandemie Laienhelfer, die dazu bereit,
geschult und in der Lage sind, Kindern zusätzlich zu Thoraxkompressionen auch Atemspende
geben können (Empfehlung eines bewährten Vorgehens).
Wir schlagen vor, dass bei der aktuellen COVID-19-Pandemie Angehörige der Gesundheitsberufe
während der Wiederbelebung eine persönliche Schutzausrüstung für aerosolerzeugende
Verfahren verwenden sollen (schwache Empfehlung, sehr geringe Evidenz).
Wir empfehlen, dass es für Angehörige von Gesundheitsberufen sinnvoll sein kann, eine
Defibrillation in Betracht zu ziehen, bevor sie die persönliche Schutzausrüstung gegen
Aerosole anlegen, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass der Nutzen die Risiken überwiegt
(Empfehlung eines bewährten Vorgehens).
*Kommentar – nach Ansicht des ERC gilt dies sowohl für geschulte Ersthelfer wie für
Laienhelfer.