2.1
Händehygiene
Günter Kampf und Axel Kramer
Die Hände des Personals gelten als wichtigster Überträger von Krankheitserregern.
Deshalb gehört die Händehygiene zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von nosokomialen
Infektionen (NI, hospital associated infections, HAI), und keine andere Maßnahme der
Krankenhaushygiene hat eine so starke epidemiologische Evidenz für den präventiven
Nutzen für den Patienten.
Durch Verbesserung der Compliance der Händehygiene kann die Rate von HAI signifikant
gesenkt werden (Pittet et al. 2000). Die Maßnahmen der Händehygiene dienen dem Schutz
vor der Verbreitung nosokomialer Erreger (transiente Mikroorganismen), der Reduktion
der residenten Flora und der Entfernung von Verschmutzungen (Kramer et al. 2000).
2.1.1
Kolonisation der Hände und Überleben von Krankheitserregern auf Händen
Grundsätzlich unterscheidet man bei der Besiedlung der Hände zwischen residenter und
transienter Hautflora sowie Infektionsflora (Kampf und Kramer 2004).
Die residente Hautflora besteht aus den permanenten Bewohnern der Haut, die vor allem
auf der Hände:KolonisationOberfläche der Haut, unter den oberflächlichen Zellen des
Hände:Krankheitserreger, ÜberlebenStratum corneum und in den Haarfollikeln gefunden
werden. Hierzu zählen S. epidermidis, S. hominis, Mikrokokken, Propioni- sowie Corynebakterien.
Die transiente Hautflora besteht aus Bakterien, Pilzen oder Viren, die nur zeitweise
auf der Haut nachgewiesen werden. Nosokomiale Infektionserreger werden in unterschiedlicher
Häufigkeit an den Händen nachgewiesen. Transiente Infektionserreger können unterschiedlich
lange auf Händen persistieren. Bakterien und Hefepilze überleben meist eine Stunde
oder länger. Bei Viren reicht die Dauer der Persistenz von 10 Minuten bis zu mehreren
Stunden (Details Online-Ergänzung 2.1).
2.1.2
Übertragung nosokomialer Infektionen durch Hände
nosokomiale Infektion(en):Übertragung durch HändeVerschiedene Arten HAI wurden über
die Hände von Hände:nosokomiale Infektion(en), ÜbertragungMitarbeitern übertragen,
vor allem SSI, Septikämien oder Pneumonien (Kampf et al. 2009). Infektion(en):nosokomiale\t\"Siehe
nosokomiale Infektion(en)Verbesserte Händehygiene, insbesondere mit alkoholischen
Händedesinfektionsmitteln, gilt weltweit als die wesentliche Maßnahme, um die Übertragung
von NI zu vermeiden (Kampf und Kramer 2004, Kampf et al. 2009, NN 2009).
2.1.3
Schutz vor Kontamination durch Schutzhandschuhe
Sie sollten immer dann angelegt werden, wenn der Kontakt mit Erregern vorhersehbar
oder wahrscheinlich ist bzw. wenn eine massive Verunreinigung mit Körperausscheidungen,
Sekreten und Exkreten möglich ist.
Typische Beispiele aus der klinischen Praxis sind Blutentnahmen, die Pflege inkontinenter
Patienten, Waschen von MRSA-Patienten, Umgang mit Beatmungsschläuchen, Entleerung
Schutzhandschuhevon Wasserfallen, endotracheales Absaugen, Tracheostomapflege, Entsorgung
von Sekreten, Exkreten und Erbrochenem sowie die Entfernung von Drainagen, Verbänden
oder kontaminierten Materialien.
Nach Beendigung der Tätigkeit, ggf. auch zwischen der Verrichtung verschiedener Tätigkeiten
an einem Patienten, sind die Handschuhe im Allgemeinen abzulegen. Anschließend ist
eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen, da Handschuhe keinen absolut sicheren
Schutz vor einer Kontamination der Hände gewähren. So konnte nach Ablegen der Handschuhe
eine Neukontamination der Hände mit VRE von 13,6 % nachgewiesen werden (Tenario et
al. 2001). Diese kann durch unbemerkte Perforation der Handschuhe, aber auch durch
Kontamination der Hände beim fehlerhaften Ausziehen der Handschuhe erfolgen. Behandschuhte
Hände sollten nur in Ausnahmefällen desinfiziert werden, z. B. in Situationen, in
denen ein häufiger Handschuhwechsel erforderlich ist, aber erfahrungsgemäß häufig
nicht durchgeführt wird. Das klassische Beispiel ist die venöse Blutentnahme. Jedoch
sind drei Voraussetzungen zu berücksichtigen (Kramer et al. 2000):
•
Der Handschuh muss nachweislich desinfizierbar sein (Häufigkeit, Materialverträglichkeit,
Handschuhfabrikat, Desinfektionsmittel).
•
Der Handschuh weist keine bemerkten Perforationen auf und ist nicht mit Blut, Sekreten
oder Exkreten kontaminiert.
•
Es besteht keine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Kontamination mit chemoresistenten
Viren oder multiresistenten Erregern.
2.1.4
Möglichkeiten zur Elimination von Kontaminationen
Einfache Händewaschung
Die einfache Händewaschung beinhaltet die Anwendung einer Waschlotion ohne antimikrobielle
Wirkung mit dem Ziel, die Hände zu reinigen.
Die Händewaschung ist einmalig zu Arbeitsbeginn indiziert, um Schmutz und Bakteriensporen
zu entfernen. Risikoabhängig kann sie auch vor Essenzubereitung und -Händewaschung:einfacheverteilung,
nach Toilettenbenutzung außer bei Durchfall und nach dem Naseputzen außer bei Atemweginfektionen
durchgeführt werden.
Waschlotionen müssen frei von Pathogenen sein. Wegen der Hautverträglichkeit sollte
der pH-Wert neutral oder schwach sauer sein. Nach dem Waschen muss die Haut trocken
sein, um Hautschäden vorzubeugen. Die Hautverträglichkeit von Seifen ist in allen
Merkmalen (transepidermaler Wasserverlust, Entfettung, Hautrauhigkeit, Schuppung,
Austrocknung) signifikant schlechter als die Anwendung alkoholischer Händedesinfektionsmittel
(Kramer et al. 2003).
Die Verwendung von Einmalflaschen ist zu empfehlen, weil die Aufbereitung und das
Nachfüllen mit Kontaminationsrisiken verbunden sind. Seifenstücke gelten als nicht
zulässig (Kramer et al. 2000).
Hygienische Händewaschung
Die hygienische Händewaschung beinhaltet die Anwendung einer antimikrobiellen Waschlotion
mit dem Ziel, die Hände zu reinigen und gleichzeitig eine gewisse bakterizide Händewaschung:hygienischeWirkung
zu erzielen. Im Krankenhaus ist sie keine Alternative zur Händedesinfektion (Kramer
et al. 2000).
Hygienische Händedesinfektion
Die hygienische Händedesinfektion beinhaltet die Anwendung eines alkoholischen Händedesinfektionsmittels
nach tatsächlicher oder fraglicher Kontamination der Hände bzw. vor bestimmten Tätigkeiten.
Vor folgenden Situationen wird die hygienische Händedesinfektion empfohlen (Abb. 2.1
):
•
Betreten der reinen Seite der Personalschleuse von OP-Abteilungen, Sterilisationsabteilungen
und anderen Reinraumbereichen,
•
invasive Maßnahmen, z. B. Legen eines Katheters, Angiographie, Bronchoskopie, Endoskopie,
Injektion oder Punktion, auch wenn dabei Handschuhe getragen werden,
•
Kontakt mit in besonderem Maß infektionsgefährdeten Patienten, z. B. Patienten mit
Leukämie, Polytrauma, Bestrahlung oder Verbrennung,
•
Tätigkeiten mit Kontaminationsgefahr, z. B. Bereitstellung von Infusionen, Herstellung
von Mischinfusionen, Aufziehen von Medikamenten.
Abb. 2.1
Die fünf Momente der Händedesinfektion, angelehnt an die Empfehlung der WHO.
Die hygienische Händedesinfektion wird zudem nach folgenden Situationen empfohlen:
•
Kontakt mit potenziell/definitiv infektiösem Material oder infizierten Körperregionen,
•
Kontakt mit potenziell kontaminierten Gegenständen, Flüssigkeiten oder Flächen, z.
B. Urinsammelsysteme, Beatmungsgeräte, Trachealtuben, Drainagen, Schmutzwäsche, Abfall,
•
Kontakt mit Patienten, von denen Infektionen ausgehen können oder die mit Erregern
von besonderer krankenhaushygienischer Bedeutung besiedelt bzw. infiziert sind, z.
B. MRE, Durchfallerkrankungen,
•
Ablegen von Schutzhandschuhen, wenn ein Erregerkontakt oder eine Verunreinigung stattgefunden
haben kann.
Darüber hinaus ist vor und nach jedem Kontakt mit Wunden bzw. mit dem Bereich der
Einstichstellen von Kathetern und Drainagen eine hygienische Händedesinfektion zu
empfehlen.
Die hygienische Händedesinfektion ist so durchzuführen, dass die transiente Flora
noch auf den Händen weitestgehend abgetötet wird. Das alkoholische Händedesinfektionsmittel
ist über sämtliche Bereiche der trockenen Hände mit besonderer Berücksichtigung der
Fingerspitzen, Daumen, Innen- und Außenflächen, Handgelenke, Interdigitalräume und
Nagelfalze einzureiben. Die Hautareale sollen für die Dauer der deklarierten Einwirkzeit
feucht benetzt sein.
Es ist eine Einreibetechnik zu wählen, die sicherstellt, dass beide Hände möglichst
vollständig benetzt sind.
Bei mutmaßlicher/wahrscheinlicher Viruskontamination muss ein gegen die entsprechenden
Viren wirksames Präparat verwendet werden (valide Prüfergebnisse).
Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind innerhalb von 30 Sekunden hoch wirksam
gegenüber Bakterien einschließlich MRE, Hefepilzen und behüllter Viren (Kampf und
Kramer 2004). Unter praxisnahen Bedingungen erfüllen die meisten Flüssigpräparate
die Wirksamkeitsanforderungen der EN 1.500, wobei einige die erforderliche Wirksamkeit
bereits innerhalb 15 Sekunden erreichen. Für eine akzeptable Benetzung der Hände ist
jedoch das Verreiben des Präparats für 22–28 Sekunden erforderlich. Bei kürzeren Einreibezeiten
wie z. B. 15 Sekunden ist die Mehrzahl der Hände unvollständig benetzt (Kampf et al.
2008). Dagegen benötigen viele handelsübliche alkoholische Gele mit niedrigem Alkoholgehalt
1 Minute (Kramer et al. 2002) und waren wegen der geringeren Wirksamkeit trotz verbesserter
Compliance ohne Einfluss auf die NI-Rate (Rupp et al. 2008). Bisher wurde in der Literatur
nur ein ethanolisches Gel als so wirksam beschrieben, wie es von Flüssigpräparaten
gefordert wird (Kampf et al. 2002).
Gegenüber unbehüllten Viren sind nur wenige alkoholische Desinfektionsmittel innerhalb
einer klinisch vertretbaren Einwirkzeit wirksam (Kramer et al. 2006). Diese Präparate
weisen eine unterschiedliche Einwirkzeit (1 bzw. 2 Minuten) auf und sind aufgrund
der Zusammensetzung unterschiedlich gut hautverträglich (Kampf et al. 2010). Für die
Praxis gilt es abzuwägen, dass Wirksamkeit und Verträglichkeit insbesondere bei häufiger
Anwendung in akzeptablem Verhältnis zueinander stehen.
Die Effektivität der Händedesinfektion ist nachgewiesen sowohl anhand der Senkung
der HAI-Rate insgesamt (Capretti et al. 2008) als auch für spezielle Merkmale wie
Senkung von ZVK-assoziierten Blutstrominfektionen (Larson et al. 2007, Capretti et
al. 2008), Harnweginfektionen und SSI (Hilburn et al. 2003), Herabsetzung von MRSA-Infektionen
und der Nachweisrate klinischer MRE-Isolate (Johnson et al. 2005, Kaier et al. 2009,
Gagne et al. 2010) sowie die Ausbruchbeherrschung gesichert (Simor et al. 2002, Cheng
et al. 2007, Fung et al. 2007, Armbrust et al. 2009).
In einer prospektiven, kontrollierten, randomisierten Studie erhielt die Hälfte der
Mitarbeiter einer öffentlichen Stadtverwaltung für die Dauer eines Jahres zusätzlich
zur Möglichkeit der Händewaschung Händedesinfektionsmittel. In der Interventionsgruppe
war die Anzahl der Erkrankungsepisoden und Erkrankungstage wegen Durchfall, Schnupfen,
Fieber und Husten signifikant reduziert. Für die Diarrhö betraf das auch die Anzahl
der Fehltage (Hübner et al. 2010). Vergleichbare Ergebnisse wurden in Kinderkollektiven
sowie bei Schülern und Studenten bezüglich der Reduktion von Durchfall- (Sandora et
al. 2005) und respiratorischen Erkrankungen (White et al. 2001, Lee et al. 2005) sowie
der Reduktion von Fehltagen (Guinan et al. 1997, Hammond et al. 2000) erzielt.
Die Compliance der Händehygiene liegt im Gesundheitswesen durchschnittlich bei ca.
50 %, d. h., nur bei etwa der Hälfte der Situationen mit erforderlicher Händedesinfektion
wird diese durchgeführt. Durch die Verbesserung der Compliance von 48 % auf 66 % konnte
gezeigt werden, dass die Rate nosokomialer Infektionen um 41 % sinkt (Pittet et al.
2000). Keine andere Einzelmaßnahme der Krankenhaushygiene hat einen so großen nachweislichen
präventiven Nutzen. Die Compliance der Händehygiene kann z. B. durch Verwendung hautverträglicher
Händedesinfektionsmittel, einfachen Zugang zum Desinfektionsmittel, Verbrauchsanalysen,
Surveillance von HAI, Schulung und Förderung der Händehygiene, Appell an die Vorbildfunktion
der Vorgesetzten, Vermeidung von Personalengpässen in der Patientenversorgung (Kampf
et al. 2009), Art des Spenders (höhere Compliance bei automatischem Spender) und elektronische
Erfassung der Händedesinfektion (Boyce et al. 2009, Sahud und Bhanot 2009; Online-Ergänzung
2.1) verbessert werden.
Chirurgische Händedesinfektion
Die chirurgische Händedesinfektion wird präoperativ mit dem Ziel durchgeführt, die
transiente Flora der Hände zu eliminieren und die residente Flora der Hände für die
Dauer der OP größtmöglich zu reduzieren.
Durch die chirurgische Händedesinfektion soll das SSI-Händedesinfektion:hygienische\"\r\"HaendedeshygRisiko
gesenkt werden, da OP-Handschuhe in bis zu 40 % bemerkt oder unbemerkt perforieren
(Harnoss et al. 2009) und perforierte OP-Handschuhe mit einem höheren SSI-Risiko verbunden
sind (Cruse und Ford 1973, Misteli et al. 2009). Die Verwendung einer nichtmedizinischen
Seife anstelle eines iodhaltigen Händedesinfektionsmittels hatte einen SSI-Ausbruch
zur Folge (Grinbaum et al. 1995)
Die chirurgische Händedesinfektion ist vor allen operativen Eingriffen durchzuführen
(Oldhafer et al. 2007) bzw. vor sonstigen Eingriffen mit gleichen Anforderungen an
die Asepsis. Es wird empfohlen, die Hände zu Dienstbeginn zu waschen, spätestens aber
vor Anlegen der OP-Bereichskleidung in der OP-Schleuse (Kramer et al. 2008). Die Hände
und Fingernägel der Mitarbeiter müssen sauber sein, wenn sie den OP-Trakt betreten.
Spätestens in der OP-Personalschleuse müssen die Hände kurz (etwa 10 Sekunden) mit
Flüssigseife gewaschen werden. Bei optisch sauberen Händen ist routinemäßig keine
Waschung vor der Desinfektionsphase erforderlich. Fingernägel sind bei Verschmutzung
mit weicher, thermisch desinfizierter (oder steriler) Kunststoffbürste, ggf. zusätzlich
mit Holzstäbchen oder Metallnagelreiniger zu säubern. Hände und Unterarme sind wegen
der Wegbereitung von Hautirritationen nicht mit der Bürste zu behandeln. Anschließend
werden die Hände mit frischem Einmaltextil- oder Papierhandtuch getrocknet. Vor dem
Anlegen der OP-Bereichskleidung wird eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt.
Zur Desinfektion werden Hände und Unterarme nach der vom Hersteller angegebenen Einwirkzeit
vollständig mit dem Desinfektionsmittel benetzt. Anschließend trocknen die Hände an
der Luft, bevor die OP-Handschuhe angelegt werden (Oldhafer et al. 2007).
Alkohole, insbesondere Propan-1-ol (60 %), sind gegen die residente Flora der Hände
hoch wirksam. Die Anwendung von Propan-1-ol (60 %) über 3 Minuten wurde deshalb zum
Referenzverfahren für die chirurgische Händedesinfektion ausgewählt. Durch die Referenzdesinfektion
lässt sich die Koloniezahl der Hände um 2,7 log10-Stufen reduzieren (Sofortwirkung).
Nach 3 Stunden unter dem OP-Handschuh ist die Koloniezahl der Hände noch immer um
2,2 log10-Stufen niedriger (Kampf und Ostermeyer 2004). Ein Präparat zur chirurgischen
Händedesinfektion darf im Vergleich zur Referenzdesinfektion weder in der Sofort-
noch in der Langzeitwirkung signifikant schlechter sein. Präparatabhängig sind auch
innerhalb von 1,5 Minuten gleichwertige Wirksamkeitsergebnisse erzielbar wie nach
3-minütiger Anwendung (Kampf et al. 2005). Dabei hat die Anzahl der applizierten Portionen
keinen Einfluss auf die Wirksamkeit, solange die Hände über die Dauer der Einwirkungszeit
mit dem Präparat benetzt gehalten werden (Kampf und Ostermeyer 2004).
OP-Handschuh
Bei bemerkter intraoperativer Handschuhbeschädigung müssen neue sterile OP-Handschuhe
angelegt werden.
Vor dem Anlegen der neuen OP-Händedesinfektion:chirurgische\"\r\"HaendedeschirHandschuhe
ist eine alkoholische Händedesinfektion für mindestens 30 Sekunden durchzuführen (Kampf
et al. 2008, Kampf et al. 2009). Ist die Hand OP-Handschuhdurch Blut verschmutzt bzw.
hat sich Handschuhsaft angesammelt, ist sie vor der Desinfektion mit einem sterilen
Tuch zu reinigen. Hat sich die Perforation kurz vor OP-Ende ereignet, kann es ausreichen,
einen neuen sterilen Handschuh über den perforierten Handschuh zu ziehen (AWMF-Leitlinie
2008).
Für die Viszeralchirurgie wird aufgrund des Anstiegs der Perforationsrate und des
ab 90 Minuten nachweisbaren Bakterientransfers durch die Perforationen ein Wechsel
der OP-Handschuhe für Operateur und ersten Assistenten nach 90 Minuten, für weitere
Assistenten und OP-Schwestern nach 150 Minuten empfohlen (Partecke et al. 2009, Harnoss
et al. 2009). Indikatorhandschuhe zeigten die Perforation in bis zu 83 % nicht an
(Thomas et al. 2001).
2.1.5
Hautschutz und Hautpflege
Handschutz und Handpflege sind als berufliche Pflicht aufzufassen, weil eine geschädigte
Haut nicht mehr so gut desinfizierbar ist und in ein irritativ toxisches Kontaktekzem
mit Berufsunfähigkeit münden kann.
Eine gesunde Haut ist Voraussetzung für eine effektive Händedesinfektion (Mäkela 1993).
Bereits kleinste Risse bzw. Mikrotraumen können zum Erregerreservoir werden (Forrester
und Roth 1998), Hautinfektionen verursachen und die Erreger verbreiten. Um der Hautirritation
vorzubeugen, müssen Hautschutz und Hautpflege systematisch und konsequent erfolgen.
Hautschutzpräparate werden bereits vor dem Kontakt mit Wasser und Desinfektionsmitteln
aufgetragen. Hautpflegeprodukte werden sinnvollerweise nach Seifenwaschung oder anderer
Hautbelastung, in Arbeitspausen, nach Dienstschluss und in der Freizeit angewandt.
Der protektive Effekt von Hautschutzpräparaten wurde in Hautirritationsmodellen (Frosch
und Korte 1994, Fluhr et al. 1999, Gehring 2004) und im OP-Arbeitsbereich (Berndt
et al. 2001) nachgewiesen. Für die Wirksamkeit erwies sich die regelmäßige, häufige
und korrekte Anwendung rückfettender Externa als entscheidend, weniger der zeitliche
Bezug zur Wasser- und Desinfektionsmittelexposition (Berndt et al. 2001).
Hautpflegemittel sollen wegen der Kontaminationsgefahr bei der Entnahme in Spendern
oder Tuben bereitgestellt werden.
Bei Gefährdung der Haut durch Arbeiten im feuchten Milieu – dazu gehört auch das Tragen
flüssigkeitsdichter Handschuhe > 2 Stunden – muss der Arbeitgeber eine persönliche
Schutzausrüstung (PSA) bereitstellen, eine Betriebsanweisung und einen Hautschutzplan
erstellen, die Möglichkeit zur Reduzierung der Feuchtigkeitsexposition einschließlich
Ersatzstoffprüfung überprüfen und die arbeitsmedizinische Vorsorge und Überwachung
gewährleisten (TRGS 531). Im Hautschutzplan sind die Präparate für Reinigung, Schutz
und Pflege der Haut festzulegen. Bei beginnenden Hautschäden ist unverzüglich der
betriebsärztliche Dienst zu konsultieren.
Bei der Auswahl von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten ist der Hauttyp (seborrhoisch
oder sebostatisch) zu beachten. Wegen des Risikos der Sensibilisierung und der Penetrationsförderung
durch Harnstoff sind Produkte ohne Duft- und ohne Konservierungszusatz mit einem Harnstoffgehalt
< 3 % zur bevorzugen. Wegen der besseren Hautverträglichkeit sind natürliche Fettsäuren
Mineralölderivaten überlegen.Hautschutz\"\r\"Hautschutz
Hautpflege\"\r\"Hautschutz
2.1.6
Umgang mit Desinfektionsmittelspendern
Überall dort, wo eine Händedesinfektion durchgeführt werden muss, sind Desinfektionsmittelspender
vorzuhalten, z. B. bettseitig im Patientenzimmer, am Eingang und Ausgang des Patientenzimmers,
am Visiten- oder Verbandwagen, in der Sanitärzelle und in Schleusen. Spender müssen
so gewartet werden, dass ihre mikrobielle Besiedelung verhindert wird.
Kittelflaschen können ergänzend verwendet werden, wenn keine Wandspender möglich sind.
Üblicherweise werden Desinfektionsmittelspender mit Einmalflaschen Desinfektionsmittelspender:Umgangbestückt
(detaillierte Anforderungen an Seifen- und Desinfektionsmittelspender Online-Ergänzung
2.1). Rechtlich ist ein Umfüllen möglich, sofern das unter der unmittelbaren fachlichen
Verantwortung des anwendenden Arztes oder Apothekers erfolgt. Der Umfüllende haftet
für sein hergestelltes Produkt. Ein umgefülltes Desinfektionsmittel darf nicht an
andere abgegeben werden. Aus medizinischer Sicht und aus haftungsrechtlichen Gründen
müssen hygienische Mindeststandards beachtet werden. Diese umfassen die Reinigung
und Sterilisation der Desinfektionsmittelbehälter vor der Neubefüllung, das Umfüllen
unter aseptischen Behältnissen (sterile Werkbank), Dokumentation der Chargennummer
bzw. Umfülldatum und Durchführung durch geschultes Personal (Hengesbach und Schneider
2006). Die Notwendigkeit für dieses Vorgehen kann daraus abgeleitet werden, dass Bakteriensporen
in alkoholbasierten Desinfektionsmitteln überleben können und auf diesem Weg theoretisch
z. B. in eine Wunde gelangen können (Risiko von Gasbrand und Tetanus; Weuffen et al.
1998, Danchaivijitr et al. 2005). Das tatsächliche Risiko ist jedoch minimal. So konnten
im Händedesinfektionsmittel nach längerem Stehenlassen der geöffneten Flasche in 18
% der Proben Bakteriensporen gefunden werden, jedoch weniger als eine Spore pro 10
ml Händedesinfektionsmittel. In keinem Fall wurden Sporen pathogener Bakterienspezies
identifiziert (Kampf et al. 2005).
2.2
Antiseptik
Ojan Assadian und Axel Kramer
2.2.1
Begriffsbestimmung der Antiseptik, Indikationen und Anforderungen an Antiseptika
Händehygiene\""\r""Haendehyg
Unter Antiseptik:DefinitionAntiseptik (griech. anti = gegen, sepsis = Fäulnis) werden
alle Maßnahmen zur Abtötung oder Inaktivierung von Mikroorganismen am oder im lebenden
Gewebe verstanden, die aus prophylaktischer Indikation (prophylaktische Antiseptik)Antiseptik:prophylaktische
einer unerwünschten Kolonisation oder Infektion vorbeugen oder aus therapeutischer
Indikation (therapeutische Antiseptik)Antiseptik:therapeutische diese behandeln sollen.
Hauptdomänen für den Einsatz von Antiseptika sind die Haut-, Schleimhaut- und Wundantiseptik.
Demgegenüber wird die Anwendung von Bioziden zur Unterbrechung von Infektionsketten
auf unbelebten Flächen oder Gegenständen als Desinfektion bezeichnet.
Die Indikation zur Antiseptik ergibt sich auf intakter Haut, Schleimhäuten oder Wunden
immer dann, wenn DesinfektionInfektionen verhindert oder behandelt werden sollen.
Die Übergänge zwischen prophylaktischem und Antiseptik:Indikationtherapeutischem Einsatz
zur Behandlung der klinisch manifesten Infektion, der Sanierung unerwünschter Kolonisation
oder der Normalisierung einer Dysbiose sind von Fall zu Fall fließend. Zur prophylaktischen
Anwendung, die i. A. einmalig oder kurzfristig wiederholt stattfindet, werden rasch
wirksame bakterizide (bzw. virozide) Wirkstoffe benötigt. Für therapeutische Indikationen
sind aufgrund der wiederholten Applikation und langfristigen Einwirkung ggf. auch
bakteriostatische (bzw. virostatische) Wirkstoffe ausreichend.
Die grundlegenden Wirkungsanforderungen an Antiseptika:AnforderungenAntiseptika sind
im Basistest Phase 1 der EN 1040 und 1275 definiert. In Phase 2 wird gemäß EN 12054
die Testung unter praxisbezogenen Bedingungen im quantitativen Suspensionstest mit
S. aureus, E. faecalis, P. aeruginosa und C. albicans für Wunden mit der Modellbelastung
4,5 % heparinisiertes Blut + 4,5 % Rinderserumalbumin empfohlen (Pitten et al. 2003).
Noch besser entspricht das Zellkulturmedium MEM mit Salzen, L-Glutamin und 10 % fetalem
Kälberserum der Zusammensetzung von Wundflüssigkeit (Campbell et al. 2003). Ohne Belastung
wird innerhalb der empfohlenen Einwirkungszeit eine Reduktion der Testorganismen ≥
5 log, bei Belastung ≥ 3 log gefordert (Pitten et al. 2003).
Die Gewebeverträglichkeit wird zunächst in Zell- und Gewebekulturen einschließlich
dreidimensionaler In-vitro-Modelle ermittelt, ggf. danach tierexperimentell (Geerling
et al. 2002) oder, wenn der Wirkstoff toxikologisch und präklinisch als ausreichend
untersucht gilt, für Wundantiseptika ohne Zwischenstufe direkt an Meshgraft-Entnahmestellen.
Generell müssen Antiseptika folgende zusätzliche Anforderungen erfüllen:
•
rasche Gewährleistung wirksamer lokaler Konzentrationen,
•
fehlende Resistenzentwicklung, insbesondere keine Kreuzresistenz zu Antibiotika,
•
fehlendes Risiko toxischer, allergischer und anaphylaktischer Nebenwirkungen einschließlich
Langzeitnebenwirkungen (Mutagenese, Karzinogenese, Teratogenese),
•
Akzeptanz bezüglich Schmerzempfindung, Geruch und ggf. Geschmack,
•
ausreichende Stabilität im oder am Gewebe,
•
kein bzw. nur geringer Eiweißfehler,
•
geeignete galenische Zubereitung,
•
ggf. Sterilität (z. B. für Wunde und Auge).
Aufgrund des Umfangs des Themas wird nachfolgend zur Erläuterung des antiseptischen
Konzepts die Wundantiseptik ausgewählt. Für die weiteren Anwendungsbereiche werden
abschließend nur die Auswahlprinzipien aufgezeigt.
2.2.2
Wundantiseptik
Indikationen
Antiseptik:Wunden"\t""Siehe WundantiseptikWundantiseptika sind nur nach sorgfältiger
Indikationsstellung anzuwenden. Andernfalls können Wundheilungsstörungen verursacht
werden.
Die Auswahl richtet sich nach Art und Lokalisation der Wunde sowie den pharmakologischen
Eigenschaften der Wirkstoffe. Ein wichtiges Auswahlkriterium ist das Verhältnis zwischen
antimikrobieller und zytotoxischer Wirkung.
Generell trifft folgender Grundsatz zu: Es soll nichts auf Wunden angewendet werden,
was nicht auch am Auge anwendbar ist.
Eine Kolonisation von Wunden ist nach allgemeiner Einschätzung für den Wundheilungsverlauf
akuter, heilender Wunden irrelevant. Kritisch ist allerdings eine Kolonisation bei
ischämischen Verläufen diabetischer Fußulzera (Schmidt et al. 2000), schlecht heilenden
chronischen Wunden oder die Kolonisation mit MRE. Unstrittig ist die Behandlung der
infizierten Wunde, die im Allgemeinen mit klinischer Symptomatik und erhöhten Werten
von Leukozyten, C-reaktivem Protein und erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit einhergeht,
da ansonsten der Wundheilungsprozess behindert wird und mit Defektheilung zum Abschluss
kommt. Im ungünstigen Fall kann sich die Wundinfektion ausbreiten und in eine Septikämie
münden.
Für die Auswahl der Wundantiseptika ist zwischen der Anwendung auf akuten und chronischen
Wunden zu unterscheiden.
Verletzungen sind über den Mechanismus Kontamination und Verschleppung der Erreger
in die Tiefe mehr oder stark infektionsgefährdet. Aus diesem Grund ist die antiseptische
Primärversorgung verschmutzter Wunden einschließlich Verätzungen und Verbrennungen
notwendig (Tab. 2.1
). Bei Biss- und Stichverletzungen steht die erforderliche Tiefenwirkung des Antiseptikums
im Vordergrund (Kramer et al. 2010).
Tab. 2.1
Indikationen der Wundantiseptik.Vorratsschädlinge\"\r\"VorratsschaedlingWundantiseptik:sinnvolleWundantiseptik:notwendigeGesundheitsschädlinge\"\r\"Gesundheitsschaedlinge
Indikation
Notwendig
Sinnvoll
Keine
•
Primärversorgung verschmutzter, kontaminierter bzw. infizierter akuter und chronischer
Wunden einschließlich beruflicher Stich- und Schnittverletzung mit Infektionsgefährdung
•
Verbrennungswunde
•
infiziertes Dekubitalulkus
•
chirurgisch eröffneter Abszess
•
Kolonisation mit MRE (z. B. MRSA, ESBL)
•
Große Weichteilverletzungen (zuerst Débridement, dann Antiseptik)
•
intraoperative Spülung, z. B. vor Implantation
•
Spül-Saug-Drainage von Peritoneum, Pleura und Mediastinum bei Empyem
•
nach Exzision chronischer Entzündungsherde
•
Schlussspülung bei großflächigem operativem Eingriff
•
offene Fraktur
•
Einlagerung autologer Knochenspäne oder Knorpeltransplantate
•
Wundkolonisation ohne klinische Zeichen einer Infektion, Ausnahme: Besiedlung mit
MRE
•
reizlose OP-Wunde am 2. Tag
•
heilende Bagatellwunde
•
einheilendes Meshgraft-Transplantat und Entnahmestelle
Beispiele für die Herabsetzung der Infektionsmorbidität durch Antiseptika sind die
antiseptische Behandlung kontaminierter bzw. infizierter Wunden z. B. nach ausgedehntem
Trauma oder bei frischer Bagatellverletzung (Kramer et al. 2004, Roth et al. 2007),
die Anwendung bei sekundär heilenden Wunden und die intraoperative Spülung im OP-Gebiet
insbesondere vor Implantation von Endoprothesen bei möglichem Verzicht auf systemische
Antibiotikaprophylaxe. In Verbindung mit chirurgischem Débridement können auch große
Weichteilverletzungen, Weichteilphlegmonen und Osteomyelitiden mit Antiseptika (z.
B. feuchte Abdeckung bzw. Spül-Saug-Drainage und reguliertes Vakuum) behandelt werden.
Das Gleiche gilt für das superinfizierte Ulcus cruris und Verbrennungen (Kramer und
Willenegger 1994).
Als Sonderfall der akuten Infektion sind postoperative Wundinfektionen (surgical site
infections, SSI) anzusehen. OP-Wunden nach Eröffnung mikrobiell besiedelter Organe
(z. B. Darm) erfordern ebenso wie intraabdominelle und intrathorakale Infektionen
die Einbeziehung von Antiseptika in das Konzept der Infektionsprophylaxe bzw. -behandlung,
z. B. mittels Peritonealspülung (Effenberger 1988), sowie Spüldrainage bei Pleuraempyem
und Mediastinitis (Neef et al. 1996).
Im Unterschied zur Versorgung von Traumen in Regionen mit funktionierender Notfall-
und spezialisierter Anschlussbehandlung unterscheidet sich bei zivilen Katastrophensituationen
oder militärischen Einsätzen das Intervall zwischen Trauma und medizinischer Erstversorgung
deutlich. Bei militärischen Einsätzen werden nur etwa 80 % der Verwundeten innerhalb
von 12 Stunden versorgt (Harke et al. 2002). Daher sind die möglichst rasche Antibiotikaprophylaxe
und antiseptische Primärversorgung der Wunden beim Out-of-Area-Einsatz wichtig und
unterliegen keinen restriktiven Überlegungen in Bezug auf Resistenzentwicklung und
Zytotoxizität. Rettungsmannschaften müssen ein geeignetes Antibiotikum + Antiseptikum
mitführen. Um eine anhaltende antiseptische Wirkung in Verbindung mit der Penetration
des Antiseptikums in das verletzte Gewebe zu ermöglichen, soll nach kurzer Spülung
und satter Benetzung des verletzten Areals ein mit dem Antiseptikum durchtränkter
Verband angelegt werden. Bei der antiseptischen Erstversorgung steht die rasch einsetzende
Wirksamkeit im Vordergrund, die für die Dauer des Verbands bis zur chirurgischen Versorgung
anhalten soll.
Bei diagnostizierter Wundinfektion(en):BehandlungsgrundsätzeWundinfektion sind folgende
Grundsätze einzuhalten:
•
Lokal begrenzte Infektionen werden mit Antiseptika behandelt.
•
Wundinfektionen mit beginnender Allgemeininfektion sowie manifeste systemische Infektionen
werden mit systemischen Antibiotika, ggf. in Kombination mit Antiseptika, behandelt.
Eine Ausnahme stellen Infektionen dar, bei denen mit rascher lebensbedrohlicher Generalisierung
zu rechnen ist, z. B. das Staphylokokkenkarbunkel im Abflussgebiet von zum ZNS führenden
Venen und Lymphgefäßen (meist im Oberkiefer- oder Orbitabereich) oder die streptokokkenbedingte
akute nekrotisierende Fasziitis. Diese Formen werden grundsätzlich frühzeitig hoch
dosiert systemisch und zusätzlich antiseptisch behandelt. In allen Fällen ist das
Primat der chirurgischen Herdsanierung zu beachten: „Ubi pus, ibi evacuo“.
Vorbereitung des Wundgrunds vor Antiseptik
Ohne korrekte chirurgische Wundversorgung einschließlich Wundnachsorge versagt das
beste Wundantiseptikum.
Das Débridement abgestorbenen bzw. zerstörten Gewebes ist Wundantiseptik:Indikationen\"\r\"WundantiseptikIndVoraussetzung
für eine rasche Wundheilung und eine wichtige Maßnahme der Infektionsprävention. Das
chirurgische Débridement ist die effektivste Methode und hat den Vorteil, dass das
weitere Wundmanagement unmittelbar danach beginnen kann. Alternativ kommt bei chronischen
Wunden der Einsatz von Larven der Goldfliege (Lucillia sericata) in Betracht. Im Unterschied
dazu ist das enzymatische Wunddébridement bei kolonisierten/infizierten Wunden kritisch
zu sehen (Kramer et al. 2004). Finden sich im Spätstadium einer Wundheilungsstörung
trockene Nekrosen, ist die chirurgische Nekrosektomie indiziert.
Grundsätzlich ist anzustreben, traumatische Wunden durch Débridement, Wundkorrektur
und nachfolgende Antiseptik in primär heilende Wunden zu überführen.
Erfahrungen der Kiefer-Gesichts-Chirurgie zeigen, dass in Verbindung mit Antiseptik
auch nach einer Wundlatenzzeit von mehr als 6 Stunden aufgrund der guten Durchblutung
des Gesichts eine primäre Wundnaht zu komplikationsloser Heilung führt.
Weitere wichtige Kriterien der Wundversorgung sind gewebeschonendes Vorgehen bei Gewährleistung
der Gewebedurchblutung einschließlich geringer Traumatisierung der Wundränder (schonendes
Greifen von Hautlappen, spannungsarme Wundnaht), Vermeidung von Austrocknung und extremen
Temperaturschwankungen sowie die Auswahl des Nahtmaterials.
In physiologisch kolonisierten Bereichen kann durch lokale Infektion eine Nahtinsuffizienz
verursacht werden. So werden Nähte im Kolon aufgrund der höheren Kolonisationsdichte
häufiger insuffizient als Nähte am Magen. In Gegenwart von Nahtmaterial reichen bereits
102 Staphylokokken je g Gewebe zur Auslösung einer Wundinfektion (Elek und Conen 1957).
Nach Vincent (2003) ist der Anteil an implantierten Fremdkörpern, z. B. chirurgisches
Nahtmaterial, als primäre Ursache einer nosokomialen Wundinfektion als gering, ihr
Beitrag zur Aufrechterhaltung einer Infektion jedoch als hoch einzuschätzen. Daher
empfiehlt sich der Einsatz von antiseptisch imprägniertem Nahtmaterial speziell für
kontaminierte Wunden bzw. bei Naht in kolonisierten Geweben, bei Verschluss von anatomischen
Regionen mit hohem Infektionsrisiko, z. B. Leistenregion und Sternum, sowie immer
dann, wenn die Folgen der Infektion besonders dramatisch sind, z. B. Hüft- und Knieendoprothesenimplantation
oder Sternumverschluss (Kramer et al. 2008).
Bei chronischen Wunden besteht die Strategie darin, den Circulus vitiosus Minderdurchblutung
→ Nekrose → Infektion → Nekrose durch Wundbehandlung (Débridement, Stimulation der
Entzündung, ggf. Antiseptik) und gleichzeitige Behandlung der Grundkrankheit zu durchbrechen.
Bei guten Durchblutungsverhältnissen und nach antiseptischer Sanierung bzw. in Abwesenheit
einer Infektion sowie von Nekrosen kann auch eine chronische Wunde durch geeignete
chirurgische Techniken (Haut-Muskel-Lappen u. Ä.) einzeitig verschlossen werden (Bruck
et al. 1991).
Charakteristik ausgewählter Wirkstoffe zur Wundantiseptik
Octenidindihydrochlorid
Wundantiseptik:Wundgrundvorbereitung
Die antimikrobielle Wirkung erstreckt sich gleichermaßen auf grampositive und gramnegative
Bakterien sowie Pilze; zusätzlich werden bestimmte Virusspezies erfasst (Koburger
et al. 2010). Die Wirkung bleibt in Gegenwart von Blut und Eiweißen erhalten. Durch
Bindung an die Zellmatrix wird ein postantiseptischer Effekt erzielt. Octenidin wird
nicht resorbiert, und es sind keine Langzeitrisiken einschließlich Allergien bekannt.
Octenidinbasierte Präparate dürfen wegen der Gefahr aseptischer Nekrosen nicht unter
Druck in Gewebe, z. B. bei Stichverletzung, eingebracht werden (Hübner et al. 2010).
Octenidin wirkt als kationenaktive Substanz an der Zellmembran und führt zur Zerstörung
der Zellfunktion. Die Wirkung tritt in vitro innerhalb von 30–60 Sekunden Octenidin:Wundantiseptikein
(Koburger et al. 2010). Frühere Befunde zur höheren Zytotoxizität im Vergleich zu
Iodophoren und Polihexanid bedürfen der kritischen Interpretation, weil Octenidin
mit Zellen Komplexe bildet, wobei die Wirksamkeit durch Wirkstofffreisetzung in geringen
Mengen erhalten bleibt, während die Zytotoxizität drastisch reduziert wird. Durch
diese Art der „Wundversiegelung“ dürfte eine nachfolgende Wundkolonisation unterbunden
werden (Müller und Kramer 2007).
Polihexanid
Polihexanid ist bakteriozid und fungizid sowie gegen Akanthamöben wirksam, wobei die
Wirkung erreger- und konzentrationsabhängig vergleichsweise langsam eintritt (0,04-prozentig
in vitro innerhalb von 5–20 Minuten), aber wie bei Octenidin remanent anhält. Polihexanid
ist das einzige bekannte Antiseptikum, das die Wundheilung fördert. Es sind keine
resorptiv-toxischen Wirkungen bekannt. Zur Peritonealspülung ist es wegen Unverträglichkeit
kontraindiziert (Hübner et al. 2010).
Ursache der Gewebeverträglichkeit ist die selektive Wirkung gegenüber sauren Lipiden
bakterieller Zellmembranen bei nur geringer Beeinflussung neutraler Lipide Polihexanid:Wundantiseptikhumaner
Zellmembranen. Der vergleichsweise langsame Wirkungseintritt ist bei der Sanierung
von MRSA-Trägern nachteilig. Als aussichtsreiche Möglichkeit zur Peritonealspülung
zeichnet sich die Kombination von Polihexanid mit membranbildenden Phospholipiden
ab, wodurch mikrobiozid wirksame Emulsionen und Liposomen mit noch weiter reduzierter
Toxizität entstehen (Müller et al. 2011).
Polihexanid darf nicht in Kombination mit anionischen Tensiden und anderen wundreinigenden
Seifen, Salben, Ölen, Enzymen u. Ä. angewendet werden (Kramer und Roth 2009).
Poly-1-vinyl-2-pyrrolidon-Iod (PVP-Iod)
PVP bindet elementares Iod ohne feste chemische Bindung. Die Eigenschaften des Iods
bleiben erhalten, abhängig von der umgebenden Iodkonzentration wird lediglich die
Lösungsfähigkeit verändert, wodurch über längere Zeit freies Iod zur Verfügung steht.
Es wirkt nicht remanent; die Wirkung hält nur so lange an, wie die Anwesenheit von
Iod im PVP-Trägermolekül gegeben ist. Der Wirkungseintritt ist ebenso rasch wie bei
Octenidin.
Polividon-Iod wirkt mikrobiozid gegen grampositive und gramnegative Bakterien, Pilze
und Protozoen, bei längerer Einwirkungszeit sporozid und zusätzlich gegen eine Reihe
von Viren. Aufgrund der allergenen Potenz, der Resorptionstoxizität für die Schilddrüse
und der fehlenden Remanenz ist PVP-Iod entbehrlich zur Wundantiseptik (Kramer et al.
2008); einzige Ausnahme ist die Versorgung von Biss- und Stichverletzungen in Kombination
mit Ethanol wegen der Gewebepenetration (Arasteh et al. 2002, Kramer et al. 2010).
Bei Zusatz von 20 % Schafblut wird die Wirkung von PVP-Iod aufgehoben. Bei Spülung
kontaminierter traumatischer Wunden war PVP-Iod nicht wirksamer als Ringer-Lösung,
während Polihexanid die SSI-Rate signifikant reduzierte (Roth et al. 2007). Iodophore
sind besser gewebeverträglich als chlorhexidinhaltige Präparate. In vitro setzt bei
scheinbar abgetöteten Zellen nach Abspülen des Wirkstoffs die Proliferation wieder
ein (revitalisierender Effekt; Müller und Kramer 2006). In vitro und tierexperimentell
ist 0.5 % PVP-Iod im Unterschied zu Octenidin knorpelverträglich. Genotoxische, karzinogene
und teratogene Gefährdungen sind nicht bekannt (Kramer et al. 2008).
Als liposomale Zubereitung konnte die Gewebeverträglichkeit von PVP-Iod bei erhaltener
Wirksamkeit verbessert werden, sodass die liposomale PVP-Zubereitung einer chlorhexidinimprägnierten
Auflage bei Anwendung auf Meshgraft an Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen war
(Reimer et al. 2000).
Bei Anwendung von Iodophoren gelten folgende Kontraindikationen: Hyperthyreose, Dermatitis
herpetiformis Duhring, Überempfindlichkeit gegen Iod, Radioiodtherapie, Peritoneallavage.
Jede Anwendung ist sorgfältig abzuwägen und die Schilddrüsenfunktion zu kontrollieren
bei blander Knotenstruma, Gravidität, Stillzeit, großflächiger Anwendung bei Früh-
und Neugeborenen sowie bei Säuglingen bis zum 6. Lebensmonat.
Nur bei Anwendung am Auge (präoperativ und zur Prävention der Ophthalmia neonatorum)
bleibt die resorbierte Iodmenge unterhalb schilddrüsenkritischer Werte (Kramer et
al. 2008).
Chlorhexidindiglukonat
Im Molekül ist endständig p-Chloranilin PVP-Jod:Wundantiseptik\"\r\"PFPJodenthalten,
dessen Freisetzung und metabolische Abspaltung als Ursache für die vergleichsweise
hohe Zytotoxizität, Mutagenität Chlorhexidin:Wundantiseptikund Neurotoxizität anzusehen
ist (Kramer et al. 2008).
Bei gramnegativen klinischen Isolaten wurde eine Wirkungsschwäche nachgewiesen. In
vitro ist eine Resistenzentwicklung induzierbar. Anaphylaktische und allergische Nebenwirkungen
sind beschrieben. Wegen des Biokompatibilitätsindexes < 1 ist Chlorhexidin als Wundantiseptikum
entbehrlich (Müller und Kramer 2008).
Vergleich von Wundantiseptika
Für den Vergleich von Wundantiseptika eignet sich der Biokompatibilitätsindex (BI),
der Quotient von IC50 im Zytotoxtest und der Konzentration, die im Wundantiseptika:Biokompatibilitätsindexquantitativen
Suspensionstest gegenüber Bakterien mindestens 3 lg-Stufen Reduktion ergibt. Bei einem
Wert > 1 überwiegt die Wirksamkeit im Vergleich zur Zytotoxizität und umgekehrt (Tab.
2.2
).
Tab. 2.2
Biokompatibilitätsindex ausgewählter antiseptischer Wirkstoffe (Müller und Kramer
2008)
Wirkstoff
BI
E. coli
S. aureus
OctenidindihydrochloridPolihexanidChlorhexidindiglukonatPVP-Iod (auf I2 bezogen)TriclosanSilberprotein
(auf Ag bezogen)SilbersulfadiazinAgNO3
1,731,510,830,680,230,22< 0,0002< 0,0002
2,111,360,980,680,110,46< 0,0002< 0,0002
Ungeeignete bzw. obsolete Wirkstoffe
Lokalantibiotika wie Neomycin, Kanamycin oder Mupirocin sind aufgrund fehlender Resorption
und/oder systemischer Toxizität nur lokal anwendbar. Ihr Einsatz zur Wundantiseptik
ist aufgrund des engen Wirkungsspektrums, der überwiegend bakteriostatischen Wirkung,
des Risikos der Resistenzentwicklung und wirkstoffabhängig wegen der sich durch Resorption
aus Wunden ergebenden toxischen Risiken (Oto-, Nephro-, Neurotoxizität) sowie der
allergenen Potenz zur Wundantiseptik abzulehnen (Kramer et al. 2004).
Vor allem wegen des Risikos der Resistenzentwicklung sind systemische Antibiotika
nicht topisch anzuwenden. Die systemische Anwendung von Antibiotika ist indiziert,
wenn eine Ausbreitung von Krankheitserregern auf dem Blut-Lymph-Weg befürchtet werden
muss.
Bezüglich weiterer Wirkstoffe, die ihre Bedeutung zur Wundantiseptik verloren haben,
Tabelle 2.3
.
Tab. 2.3
Merkmale obsoleter oder entbehrlicher Wirkstoffe zur Wundantiseptik (Kramer et al.
2004)WasserstoffperoxidTriclosanSilberverbindungenQuecksilberverbindungen, organischeQuatsPhenolderivateNitrofural8-Chinolinol
Wirkstoff
Nachteile
Eignung zur Wundantiseptik
8-Chinolinol
Unzureichend wirksam, mutagen, neurotoxisch, allergen, tierexperimentell karzinogen
Entbehrlich
Farbstoffe
Unzureichend wirksam, zytotoxisch, allergen, z. T. systemische Risiken
Obsolet
Nitrofural
Unzureichend wirksam, mutagen, allergen, induzierte benigne Tumoren, Resorption aus
Wunden, Resistenzentwicklung möglich
Entbehrlich
Organische Quecksilberverbindungen
Erregerabhängig z. T. unwirksam, systemische Nebenwirkungen, Sensibilisierung, Umweltbelastung
Obsolet
Phenolderivate
Zytotoxisch, resorptive Risiken, z. T. mutagen
Entbehrlich
Quats
Unzureichend wirksam, hoher Eiweißfehler, zytotoxisch, resorptive Risiken, Resistenzentwicklung
möglich
Entbehrlich
Silberverbindungen
Hoher Eiweißfehler, Resistenzentwicklung, zytotoxisch, systemische Risiken
Entbehrlich
Triclosan
Einseitiges Wirkungsspektrum gegen grampositive Bakterien, Resistenzentwicklung in
vitro, Resorption, allergene Potenz
Entbehrlich, in Nahtmaterial Senkung von SSI ohne toxische Risiken
Wasserstoffperoxid 3 %
Unzureichend wirksam, Inaktivierung durch Blut, zytotoxisch
Reinigung intakter Haut, zur Wundantiseptik obsolet
Neben den genannten Antiseptika stehen weitere hochwirksame antimikrobielle Wirkstoffe
zur Verfügung, die angesichts der zunehmenden bakteriellen Resistenz gegenüber Antibiotika
in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnten. Ein Beispiel für einen vielversprechenden
Kandidaten ist Chitosan, ein hydrophiles polykationisches Polymer, das aus Chitin,
dem Hauptbestandteil von Crustaceen-Schalen, durch partielle chemische Desacetylierung
im alkalischen Milieu gewonnen werden kann. Im Gegensatz zu synthetischen Polymeren
unterscheidet sich dieser Naturstoff durch praktisch fehlende Toxizität und hohe Biodegradibilität
bei zugleich antimikrobieller Wirkung von herkömmlichen antimikrobiellen Wirkstoffen
(Heisig et al. 2007). Aktuelle Forschungsergebnisse werden über zukünftige Anwendungsmöglichkeiten
Aufschluss geben.
Für die Wirkstoffauswahl gilt die goldene Regel der Antiseptik: Nicht das wirksamste
Antiseptikum ist am geeignetsten, sondern das geeignetste Antiseptikum ist am besten.
Für akute Wunden ist Octenidin, für chronische Wunden Polihexanid als Wirkstoff der
ersten Wahl einzustufen. PVP-Iod ist Mittel der ersten Wahl bei akuten Bissverletzungen
sowie bei Stich- und Schnittverletzungen mit HBV-, HCV- bzw. HIV-Infektionsgefährdung
nach der Phase des Blutenlassens bzw. induzierten Blutens in Kombination mit Ethanol/Propan-2-Wundantiseptika:ungeeignete/obsoleteol.
Erfolgskontrolle der Wundantiseptik
Die Effektivität der antiseptischen Wundbehandlung muss in kurzen Intervallen klinisch
beurteilt werden, ggf. ergänzt durch mikrobiologische Diagnostik, um die Anwendungsdauer
auf das erforderliche Minimum zu begrenzen.
Leider werden bei chronischen Wunden Antiseptika ohne Berücksichtigung des Therapieerfolgs
nicht selten Wochen oder Monate angewendet, ohne die eigentliche Wundantiseptik:ErfolgskontrolleUrsache
der chronischen Wunde zu behandeln. Daraus resultiert letztendlich auch bei gut verträglichen
Präparaten eine verzögerte Wundheilung.
2.2.3
Hautantiseptik
Wundantiseptik\"\r\"Wundantiseptik
Die Hautantiseptik ist vor allen durchtrennenden Eingriffen der Haut notwendig, d.
h. vor Injektion, Punktion und präoperativ sowie bei Kolonisation mit MRE.
Die Wirksamkeit muss sowohl die transiente als auch die residente Hautflora erfassen.
Vor der HautantiseptikDurchtrennung der Haut sind Alkohole Wirkstoff der Antiseptik:Haut\t\"Siehe
Hautantiseptikersten Wahl (Assadian und Kramer 2011). Die Anwendung wässriger Präparate
auf Basis von Octenidin kann bei Patienten mit krankhafter Hautveränderung, an Haut-Schleimhaut-Übergängen
oder bei unreifen Neonaten notwendig sein. Bei Sanierung einer Kolonisierung mit MRE
sind octenidinbasierte Antiseptika Mittel der Wahl (Hübner et al. 2009).
Vor Infektion oder Punktion ist die deklarierte Einwirkungszeit in Abhängigkeit vom
Hautareal (talgdrüsenarm oder -reich) zu beachten. Bei der präoperativen Hautantiseptik
ist man, da der Talgdrüsenanteil regional unterschiedlich ist und der Fettgehalt der
Haut individuellen Schwankungen unterliegt, auf der sicheren Seite, wenn auch auf
talgdrüsenarmen Arealen die präoperative Hautantiseptik mit der Einwirkungszeit des
Präparats durchgeführt wird, wie sie für die chirurgische Händedesinfektion deklariert
ist.
Durch Anwendung von Hautantiseptika an der Insertion von ZVK und Dialysekathetern
ist eine signifikante Reduktion der Mikroflora an der Katheterinsertionsstelle erreichbar
(O'Grady et al. 2002). Da in den USA und vielen europäischen Staaten zur Prophylaxe
von ZVK-Infektionen entweder PVP-Iod oder Chlorhexidindiglukonat eingesetzt wird,
wurden die meisten Studien zu diesem Thema mit diesen beiden Wirkstoffen durchgeführt
(Assadian 2004), obwohl Octenidin in Kombination mit Alkoholen genauso effektiv ist
(Dettenkofer et al. 2002). In einer prospektiven randomisierten Studie war nach Anwendung
2-prozentiger wässriger Chlorhexidinlösung oder 0,5-prozentiger alkoholischer Chlorhexidinlösung
die Zentralvenenkatheter-Kolonisation signifikant geringer als nach Anwendung 10-prozentiger
wässriger PVP-Iodlösung (Valles et al. 2008).
2.2.4
Antiseptische Indikationen auf Schleimhäuten, dem Auge, im Gehörgang und in Gelenken
mit Hinweisen zur Wirkstoffauswahl
Die Antiseptik ist generell die dominierende Maßnahme zur Reduzierung endogener Infektionen.
Aufgrund dieser Erkenntnis hat sich die Studienlage in den letzten Jahren deutlich
verbessert. Die nachfolgenden Indikationsempfehlungen begründen sich auf Wirksamkeitsstudien
an den jeweiligen Biotopen sowie auf klinischen Studien und wurden z. T. zusätzlich
aus Analogieschlüssen zu etablierten Indikationen im Bereich der Haut- und Wundantiseptik
abgeleitet (Tab. 2.4
, weiterführende Literatur in Assadian und Kramer 2008).
Tab. 2.4
Gewichtung prophylaktischer antiseptischer Indikationen und derzeit überwiegend eingesetzte
Wirkstoffe (jeweils in Klammern aufgeführt).Phenoxyethanol, Antiseptik, MundhöhleChlorhexidin:Antiseptik,
MundhöhleAntiseptik:Ohr(en)Antiseptik:MundhöhleAntiseptik:GenitaleAntiseptik:Gelenk(e)Antiseptik:Cavum
nasiAntiseptik:Auge(n)
Biotop
Indikation
Obligat
Sinnvoll
Hinweise auf Effektivität
Mundhöhle
Gingivitis- und Parodontitisprophylaxe bei Unfähigkeit zur mechanischen Zahnreinigung
(Chlorhexidin); Sofortmaßnahme bei akzidenteller Kontamination (alkoholisches PVP-Iod);Sanierung
von MRE-Carriern (Octenidin); Wurzelkanalantiseptik (Natriumhypochlorit); Infektionsprophylaxe
bei aggressiver Krebschemotherapie und zur Prophylaxe der Bestrahlungsmukositis (Zinn-
und Aminfluorid)
Kariesprophylaxe in Risikogruppen (Chlorhexidin + Fluoride); vor Injektionen, z. B.
bei Leitungsanästhesie (Octenidin + Phenoxyethanol); bei Beatmungspatienten (Chlorhexidin,
Octenidin, Polihexanid)
Endokarditisrisiko und Risiko der Knie- oder Hüftendoprotheseninfektion (Octenisept®)
in Kombination mit Antibiotikaprophylaxe; vor und während zahnärztlicher Behandlung
(Octenidin); prä- und postoperativ bei oralchirurgischen Eingriffen (Octenidin)
Genitale
Vor Katheterisierung der Harnblase; vor transurethralen und transvaginalen Eingriffen
(Octenidin)
Perineal vor transurethraler Katheterisierung; präpartale Vaginalantiseptik (Octenidin)
Antiseptische Meatuspflege bei liegendem Dauerkatheter (Octenidin)
Auge
Präoperativ (PVP-Iod 1,25 %, Polihexanid), akzidentelle Kontamination (PVP-Iod 2,5
%)
Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum (PVP-Iod 1,25 %)
Intra-, postoperative Prophylaxe okulärer Infektionen bei epidemiologischer Risikosituation
(PVP-Iod, Polihexanid)
Cavum nasi
Vor operativen Eingriffen einschließlich Endoskopie im Bereich der Nasenhöhle und
Nasennebenhöhlen; MRE-Kolonisation (Octenidin 0,05 %)
S.-aureus-Kolonisation vor chirurgischen Eingriffen (Octenidin 0,05 %)
Ohr
Präoperativ: Ohrmuschel (alkoholbasierte Hautantisep-tika); Mittelohr (Polihexanid
0,02 % oder 1,25 % PVP-Iod)
Gelenk
Empyem (PVP-Iod 1 %, gründlich mit Ringer nachspülen)
Die therapeutische Anwendung von Antiseptika bei klinisch manifesten Infektionen kann
aus Platzgründen nicht behandelt werden, gewinnt aber als Alternative zur Anwendung
von Chemotherapeutika zunehmend an Bedeutung.
Für die Schleimhautantiseptik ist Octenidin vom Grundsatz her wegen der höheren und
rascher einsetzenden Wirksamkeit Polihexanid und Chlorhexidin überlegen.
2.3
Vorbedingungen für und Anforderungen an Reinigung und Desinfektion
Jürgen Gebel und Anke Carter
Vor der Entscheidung zu einer Reinigungs-, Desinfektions- oder Sterilisationsmaßnahme
steht zunächst eine Risikoanalyse, also die Frage nach den Anforderungen, die der
Gegenstand nach der Aufbereitung erfüllen muss.
Antiseptik\"\r\"AntiseptikVorbedingungen und Anforderungen stehen demgemäß in einem
untrennbaren Zusammenhang. Entsprechend der Biozidgesetzgebung ist jeder Anwender
verpflichtet, vor dem Einsatz von Bioziden eine Gefährdungsabschätzung durchzuführen.
Das bedeutet, dass er feststellen muss, ob von dem Gegenstand oder der Fläche für
Patienten und/oder Mitarbeiter eine mikrobielle Gefährdung ausgeht (Bundesministerium
für Umwelt 2002).
Kann die Gefährdung allein durch eine Reinigung abgestellt werden, ist diese ausreichend.
Ansonsten muss als striktere Maßnahme z. B. die Desinfektion, evtl. mit anschließender
Sterilisation, in Erwägung gezogen werden.
Hauptvektoren sind bei allen personengebundenen Tätigkeiten die Hände. Sie gilt es
regelmäßig und bei bestimmten Prozessen so zu behandeln, dass von ihnen keine Gefahr
für eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern ausgeht. Im Allgemeinen reicht eine
Händewaschung; im medizinischen Bereich ist jedoch die hygienische Händedesinfektion
in Bezug auf das damit verbundene Risiko die Regel. Bei operativen Eingriffen wird
eine chirurgische Händedesinfektion verlangt. Um den Schutz für das Personal und den
Patienten zu erhöhen, sind in vielen Anwendungsszenarien Handschuhe (steril oder unsteril)
angeordnet. Abhängig vom vorliegenden Erregerspektrum leitet sich die Auswahl des
Produkts mit dem dazugehörigen Wirkspektrum ab. So wird die Maßnahme an die gegebenen
Umstände angepasst. Gleiches gilt bei Gegenständen und Flächen. Das Erregerspektrum
der Umgebung und der mögliche Transmissionsgrad bedingen den Grad der Maßnahme.
2.3.1
Vorbedingungen für die Reinigung
Hände, Haut, Gegenstände und Flächen verschmutzen in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen
und des Einsatzes mit organischen und anorganischen Materialien. Damit ist in Reinigung:VorbedingungAbhängigkeit
von der weiteren Anwendung besonders in Zusammenhang mit dem Setting Krankenhaus ein
Infektionsrisiko verbunden.
2.3.2
Reinigung
Für die Reinigung stehen für die verschiedenen Einsatzzwecke die unterschiedlichsten
Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen zur Verfügung. Im Folgenden wird ein Überblick
über die jeweiligen Reinigungsverfahren gegeben.
Hände: Für die Reinigung wird meist unter Zugabe Reinigung:Hände\t\"Siehe Händereinigungvon
Wasser eine tensidische Seifenlösung in den Händen aufgeschäumt und Hände:Reinigung\t\"Siehe
Händereinigungmittels mechanischer Scherkräfte durch Aneinanderreiben der beiden Handflächen
und Händereinigungeinzelnen Finger eine Reinigung erzielt. Nach dem Einreibeprozess
werden die Seifenlösung gründlich abgespült und die Hände sorgfältig getrocknet. Grundbedingungen
an die Hände sind: kein Schmuck, keine Verletzungen, saubere kurze Fingernägel, gute
Pflege.
Haut: Vor Injektion und Punktion, aber auch vor Reinigung:Haut\t\"Siehe Hautreinigungoperativen
Eingriffen muss das Hautareal gereinigt und von Körperfett befreit Haut:Reinigung\t\"Siehe
Hautreinigungwerden, damit keine Partikel durch den invasiven Eingriff in die Haut
Hautreinigungeingetragen werden und die präoperative Antiseptik mit alkoholhaltigen
Wirkstoffen ihre volle Wirksamkeit entfalten kann. Die Reinigung kann sowohl mit tensidhaltigen
Produkten als auch mit alkoholhaltigen Lösungen erfolgen. In der Regel werden zur
Unterstützung der Mechanik saubere flusenfreie Tücher eingesetzt.
Flächen: Im Allgemeinen wird mit „Flächen“ ein Überbegriff Reinigung:Flächen\t\"Siehe
Flächenreinigungfür Oberflächen vom Fußboden bis hin zum OP-Tisch abgedeckt. Für den
Flächen:Reinigung\t\"Siehe FlächenreinigungKrankenhausbereich hat sich die Unterteilung
in „patientennah“ und „patientenfern“ als Flächenreinigungpraktikabel im Hinblick
auf die Ableitung des Risikos für den Patienten erwiesen. Flächen im medizinischen
Bereich mit häufigem Hand- und Hautkontakt sollen leicht zu reinigen und zu desinfizieren
sein. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Materialien gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsverfahren
ausreichend beständig sein müssen.
Das ist durch geeignete Tests zu bestätigen. Hierfür wird u. a. die DIN EN ISO 4628-1
(2003) herangezogen, bei der es im Wesentlichen um die Beständigkeit von Lacken und
Anstrichen geht. Dabei werden die Lacke in dünner Schicht auf Anstrichträger (z. B.
Glasflächen) aufgetragen und 24 Stunden bei Raumtemperatur und 14 Tage bei Normalklima
(23 °C, 50 % Luftfeuchte) getrocknet. Anschließend werden unterschiedliche Reiniger
oder Desinfektionsmittel aufgebracht und für die wirksamen Konzentrationen und Einwirkzeiten
auf der Fläche belassen. Mittels Spektralphotometer, Reflektometer und Schichtstärkenmessgerät
werden evtl. Farb- und Glanzveränderungen, Blasen- und Rissbildung, Quell- und Schrumpfverhalten
sowie die Haftfestigkeit bestimmt. Ähnliche Verfahren gibt es auch für die Versiegelungen
von Bodenbelägen. Doch schon bei der Auswahl zu testender Reinigungs- und Desinfektionsmittel
stellt sich das Problem, welche Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen eingesetzt
und welche Einsatzkonzentration und Kontaktzeit zugrunde gelegt werden sollen. Hier
sollten dringend harmonisierte Testprozedere erarbeitet werden.
MP: In Deutschland besteht Konsens, dass die maschinelle Reinigung aufgrund ihrer
besseren Standardisierbarkeit gegenüber manuellen Reinigungsverfahren zu bevorzugen
ist. Dennoch werden noch manuelle Verfahren eingesetzt. Zur Erarbeitung einer Leitlinie
für die standardisierte manuelle Reinigung sowie chemische Desinfektion (im Folgenden
manuelle Reinigung und Desinfektion) von MP wurde 2008 eine AG aus Vertretern der
Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV), der DGKH und des Arbeitskreises
für Instrumentenaufbereitung (AKI) gebildet. Basierend auf den Ergebnissen bei der
Erarbeitung der Leitlinie von DGKH, DGSV und AKI für die Validierung und Routineüberwachung
maschineller Reinigungs- und thermischer Desinfektionsprozesse für MP und zu Grundsätzen
der Geräteauswahl erfolgen die Arbeiten in der Gruppe mit folgenden Zielstellungen:
•
Erarbeitung von Arbeitsabläufen für die Teilschritte der manuellen Reinigung und Desinfektion
wie Vorreinigung, Reinigung, Zwischenspülung, Desinfektion. Nachspülung und Trocknung,
•
Erarbeitung von Musterflussdiagrammen für die Kombination einzelner standardisierter
Teilschritte der manuellen Aufbereitung in Abhängigkeit von Design und Klassifizierung
der MP,
•
Erarbeitung von Methoden zur Überprüfung der eingesetzten Verfahren der Reinigung
und Desinfektion sowie zur Feststellung von Chemikalienresten nach manueller Reinigung
und chemischer Desinfektion.
Bei der manuellen Reinigung und Desinfektion sind u. a. Wasserqualität, Reinigungs-,
Desinfektionsmittel, Beschaffenheit der MP, Kontaminationsgrad der Instrumente und
verwendete Hilfsmittel (Bürsten, Wasser- und Druckluftpistolen, Ultraschallbad) zu
beachten.
Angesprochen wird in der Leitlinie auch der Umgang mit MP „Kritisch B“. Nach RKI/BfArM-Empfehlung
sind diese maschinell zu reinigen und thermisch zu desinfizieren. Diesem Grundsatz
wird auch bei der Erstellung der Leitlinie gefolgt. Lediglich in begründeten Ausnahmen
und nach durchgeführter Analyse und Bewertung des Risikos sind die manuelle Reinigung
und chemische Desinfektion eine mögliche Option. Ein nicht beschafftes RDG ist für
die AG kein Grund, auf manuelle/chemische Verfahren auszuweichen.
Werden MP mit einem standardisierten Verfahren behandelt, sind sämtliche manuellen
Teilschritte zu dokumentieren; ebenso soll der Erfolg überprüft werden.
An Verfahren zur Überprüfung der Qualität der Reinigung und Desinfektion wird zurzeit
innerhalb der Leitliniengruppe gearbeitet. Die AG plant, die Leitlinie 2011 zu veröffentlichen
(DGKH, DGSV, AKI 2009).
2.3.3
Überprüfung der Reinigung
Reinigung:Medizinprodukt(e)\"\r\"MPReinZur Überprüfung der Reinigung werden i. d.
R. Reinigung\"\r\"ReinigungBioindikatoren herangezogen, die die Qualität der Aufbereitung
nach dem Reinigungsprozess entweder visuell oder mittels Reinigung:ÜberprüfungProteinbestimmung
belegen.
Da eine visuelle Kontrolle erheblichen subjektiven Einflüssen unterliegt, wird derzeit
in Arbeitsgruppen von DGKH, DGSV und AKI an der Optimierung quantitativer Nachweisverfahren
gearbeitet. Dabei wird zurzeit die OPA-Proteinbestimmung favorisiert (DGKH, DGSV,
AKI 2009).
2.3.4
Mikrobiologische Anforderungen an Hände-, Flächen-, Instrumenten- und Wäschedesinfektionsmittel
Die Anforderungen ergeben sich durch die Anwendungsgebiete. Diese werden entsprechend
den normativen Vorgaben des CEN Technical Committee 216 „Chemical disinfectants and
antiseptics” (CEN 2007) in den human- und veterinärmedizinischen Bereich sowie den
Bereich Lebensmittel, Industrie, Haushalt und öffentliche Einrichtungen eingeteilt.
Die Desinfektion dient dem Schutz von Patienten, Personal oder anderen Personen, die
mit Krankheitserregern in Kontakt kommen. Einsatzgebiete sind Flächen, Räume oder
Situationen, für die die Desinfektionsmittel konzipiert sind. Es handelt sich v. a.
um Bereiche, die mit der Behandlung von Patienten befasst sind, aber auch um Akupunkturstudios,
Einrichtungen für Podologie, Wäschereien und Patientenküchen. Außerdem gibt es Bedarf
zur Intervention im Fall von gehäuftem Auftreten (Ausbrüchen) spezieller Infektionskrankheiten
in Schulen, Kindergärten, Altenheimen, Schwesternwohnheimen u. a. Orten des Gesundheitsdiensts
wie auch am Arbeitsplatz und/oder im häuslichen Umfeld. Andere Anwendungsgebiete sind
Dienstleistungsunternehmen wie Friseure, Maniküre, Pediküre, Piercing- und Tattoo-Studios.
Die Anwendung von Desinfektionsmitteln im medizinischen Bereich beinhaltet die Behandlung
von Händen, Haut, Flächen (Oberflächen), Instrumenten und Wäsche.
Die hygienische Händedesinfektionsmittel:WirkungsspektumHändedesinfektion muss auf
jeden Fall vegetative Bakterien und C. albicans umfassen. Gleichzeitig wird eine Wirksamkeit
gegen behüllte Viren empfohlen.
Gegebenenfalls ist eine umfassende virozide Wirksamkeit erforderlich.
Das Wirkungsspektrum zur Hautdesinfektionsmittel, WirkungsspektrumHautantiseptik muss
in jedem Fall vegetative Bakterien und Hefen umfassen.
Zusätzlich ist die Entfernung der oberflächlichen Hautlipide und lipophiler Anschmutzungen
erwünscht.
Das Wirkungsspektrum zur Flächendesinfektionsmittel:WirkungsspektrumFlächendesinfektion
muss in jedem Fall vegetative Bakterien und Hefen umfassen.
Je nach vorliegender Erkrankung müssen zusätzliche Krankheitserreger wie M. tuberculosis,
Pilzsporen, Sporen von C. difficile, Noro-, Adeno- oder Papillomviren sicher inaktiviert
werden.
Die Gebrauchslösung für Instrumentendesinfektionsmittel soll eine effiziente Desinfektions-
und Reinigungswirkung sowohl auf Oberflächen als auch in Lumina besitzen.
Letzteres ist erforderlich, um die Kontamination zu entfernen und die darin enthaltenen
Mikroorganismen für das Desinfektionsmittel zugänglich zu machen.
Instrumentendesinfektionsmittel:WirkungsspektrumInstrumentendesinfektionsmittel müssen
bakterizid i. d. R. einschließlich Wirksamkeit gegen Mykobakterien (Bansemir et al.
1996, Gebel et al. 2000) und H. pylori (Cronmiller, Nelson et al. 1999), fungizid
und virozid wirksam sein.
Ferner soIlen Instrumentendesinfektionsmittel für den Benutzer ungiftig sein und empfindliche
Bestandteile der Instrumente nicht beschädigen.
Das erforderliche Wirkungsspektrum zur Wäschedesinfektionsmittel:WirkungsspektrumWäschedesinfektion
muss Bakterien, ggf. einschließlich Mykobakterien, Dermatophyten, Sprosspilze und
Viren (begrenzt virozid) umfassen.
Bei wahrscheinlicher oder bekannter Kontamination durch besonders resistente Krankheitserreger
ist die erregergezielte Auswahl zu beachten (RKI 1995). Materialien, die nicht gewaschen
werden können, müssen mit Wasserdampf, Formaldehyddampf oder mittels chemischer Desinfektion/Reinigung
desinfiziert werden.
Nach den deutschen Regularien (RKI 1995, HVBG 1997) wird die Wäsche in 3 Gruppen unterteilt:
•
Extrem gefährliche infektiöse Wäsche z. B. und von Patienten, die an Wäsche:UnterteilungPocken
oder hämorrhagischem Fieber leiden. Sie muss innerhalb der Stationen desinfiziert
und darf erst danach zusammen mit der potenziell Wäsche:extrem infektiöseinfektiösen
Wäsche gewaschen werden.
•
Infektiöse Wäsche stammt von Infektionsstationen, mikrobiologischen Laboratorien und
aus der Pathologie und
muss mit Methoden und Verfahren gemäß der RKI-Liste (RKI 2007) desinfiziert werden.
Wäsche:infektiöseTextilien und Waschwasser müssen vor dem ersten Ablassen des Wassers
desinfiziert werden (Alexander et al. 1995, RKI 2000).
•
Jede andere Wäsche muss als potenziell infektiös mit einem Wasch- und Desinfektionsmittel
in einem Durchgang gewaschen werden.Wäsche:extrem infektiöse
Händedesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVorauss
Flächendesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVorauss
2.3.5
Desinfektionsmitteltestung
Instrumentendesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVorauss
Die Evaluation und Listung von Desinfektionsmitteltestung:VerantwortlichkeitenDesinfektionsmitteln
und -prozessen wird von nationalen Institutionen vertreten.
In Deutschland sind das im humanmedizinischen Wäschedesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVoraussBereich
der VAH (2006), bis 2004 die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Medizin (DGHM-DMK
2004), das RKI (2007) sowie die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Viruskrankheiten
(DVV; DVV/RKI 2008). Weitere europäische Länder sowie die USA haben eigene Prüfsysteme
installiert. Hierzu zählen u. a. die Société Française d'Hygiène Hospitalière (SFHH
2006), die Association of Official Analytical Chemists (AOAC 2002), das British Standards
Institute (BSI 1991), die Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie
und Präventivmedizin (ÖGHMP 2005) und das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic
2006).
Darüber hinaus werden auf europäischer Ebene Standardmethoden zur Wirksamkeitsprüfung
von Desinfektionsmitteln verabschiedet. Diese Normen werden in diversen technischen
Komitees der europäischen Normierungsinstitution Comité Européen de Normalisation
(CEN) in Zusammenarbeit mit den nationalen Institutionen erstellt und anschließend
in nationale harmonisierte Normen überführt (z. B. DIN-EN). Die Normen beinhalten
spezielle Anforderungen an das Produkt, die Verfahrensweise, an Institutionen und
Personen. Obwohl die Normen rechtlich nicht bindend sind, müssen Hersteller von Desinfektionsmitteln,
die von diesen Normen ganz oder teilweise abweichen, nachweisen, dass ihre Produkte
so sicher sind, wie wenn sie nach den für sie zutreffenden Normen getestet worden
wären.
1990 wurde vom CEN das Technical Committee (TC) 216 zur Standardisierung der Testmethoden
für die Wirksamkeitsprüfung chemischer Desinfektionsmittel und Antiseptika eingerichtet.
Es untergliedert sich in drei Arbeitsgruppen für „Humanmedizin“ (WG1), „Veterinärmedizin“
(WG2) und „Lebensmittelbereich“ (WG3). Gespiegelt werden diese drei Arbeitsgruppen
in den nationalen Normungsgremien, z. B. in Deutschland im DIN. Übergeordnet wurde
eine horizontale Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Normungsarbeiten der einzelnen
Arbeitsgruppen harmonisieren soll. Neben den Basistests wurde von dieser Normenarbeitsgruppe
auch der Leitfaden für die Anwendung europäischer Normen (prEN 14885; CEN 2007) erarbeitet.
Die zentralen Entscheidungen für diesen Bereich werden im übergeordneten TC 216 getroffen.
Das CEN-CEN-TestprogrammTestprogramm für chemische Desinfektionsmittel:CEN-Testprogramm
Antiseptika:CEN-TestprogrammDesinfektionsmittel und Antiseptika beinhaltet drei Phasen:
•
den qualitativen Suspensionsversuch (Phase 1) zur Abschätzung der bakteriziden/bakteriostatischen
bzw. fungiziden/fungistatischen Wirksamkeit mit Vortestung zur Ermittlung der Neutralisierung,
•
Tests unter praxisnahen Bedingungen (Phase 2) in Form des quantitativen Suspensionsversuchs
mit praxisnaher Belastung (Phase 2/Stufe 1) und Tests mit kontaminierten Keimträgern
im Labormaßstab (Phase 2/Stufe 2),
•
Feldversuche unter praktischen Bedingungen (Phase 3).
Mit den qualitativen Tests wird die Beziehung zwischen wirksamen Desinfektionsmittelkonzentrationen
und Einwirkzeiten für verschiedene Mikroorganismen untersucht. Zusammengefasst erlauben
die In-vitro-Tests von Phase 1 und Phase 2/Stufe 1 Aussagen hinsichtlich der mikrobioziden
Wirksamkeit bei verschiedenen Konzentrationen, Einwirkzeiten und Temperaturen. Die
Absterbekinetik, die sich nur in quantitativen Tests errechnen lässt, wird zusätzlich
mit organischer Belastung, z. B. Protein oder Blut, bestimmt. Die Ergebnisse dieser
Tests allein reichen jedoch nicht aus, um ausreichende Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit
der Produkte unter praktischen Bedingungen zu machen. Vielmehr bestimmen diese Tests
die Bedingungen für weitere Versuche. Erst mittels dieser Tests unter praxisnahen
Bedingungen (Phase 2/Stufe 2) lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, ob die Produkte
in der Praxis ausreichend wirksam sind.
In Deutschland werden sowohl die harmonisierten Normen als auch die vom VAH weitergeführten
„Standardmethoden der DGHM zur Prüfung chemischer Desinfektionsverfahren“ (Gebel et
al. 2001) als Prüfverfahren angewendet. Bei den Standardmethoden handelt es sich um
eine Zusammenstellung der derzeit gültigen Testmethoden für die Wirksamkeitsprüfung
von Desinfektionsmitteln in den Bereichen Hände/Desinfektionsmitteltestung:StandardmethodenHaut
(Antiseptik), Flächen, Instrumente und Wäsche. Sie beinhalten Anweisungen für die
Stammhaltung der Testorganismen, die Herstellung der Prüfsuspensionen (suspendierte
Testorganismen), Desinfektionsmittellösungen usw. In diese Standardmethoden sind die
harmonisierten Normen weitgehend integriert. Darüber hinaus existieren spezifische
Prüfverfahren, z. B. die Prüfung zur Fungizidie auf rohem Holz. In dem Anforderungskatalog
für die Aufnahme chemischer Desinfektionsverfahren in die Desinfektionsmittelliste
des VAH (DGHM 2002) werden die Anforderungen an die Prüfverfahren aufgelistet.
Die Verwendung VAH-gelisteter Präparate erfüllt die Qualitätssicherungsanforderungen
der Hygieneverordnungen der Länder.
Die Umsetzung der europäischen Biozidrichtlinie erfordert auch die Desinfektionsmittelliste(n):VAHWirksamkeitsdarstellung
der einzelnen bioziden Substanzen. Derzeit erarbeitet eine Arbeitsgruppe eine Guideline,
die die Anforderungen festlegt. Momentan werden die EN-Standards als Maßstab gesetzt,
sofern sie die Anwendungsbedingungen erfassen. Sofern keine geeigneten Testverfahren
verfügbar sind, können auch andere Verfahren – z. B. OECD-Testverfahren oder nationale
Richtlinien – herangezogen werden.
Grundsätze: Für die Desinfektionsmittelprüfung liegt eine Vielzahl von Prüfmethoden
vor, die zwar nicht alle Anwendungsfälle der Praxis abbilden kann, jedoch standardisierte
Bedingungen gewährleistet, Desinfektionsmitteltestung:Grundsätzesodass ein objektiver
Vergleich verschiedener Präparate möglich ist.
Die Anforderungen der Prüfmethoden werden erfüllt, wenn die geforderte Reduktion im
Vergleich mit der Ausgangskonzentration der Testorganismen erreicht wird.
Dabei werden die Koloniezahlen als Logarithmen angegeben. Anzumerken ist, dass eine
Reduktion der Testorganismen um eine Zehnerpotenz bedeutet, dass bei einer Ausgangskonzentration
von 107 eine Inaktivierung von 1.000.000 Testorganismen, bei 105 jedoch nur eine Inaktivierung
von 10.000 Testorganismen erfolgt.
Wirkungsbeeinflussende Faktoren: Die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln wird vom
Krankheitserreger selbst (Spicher und Peters 1976, Russell et al. 1986, Kaulfers 1995,
McDonnell und Russell 1999) und von deren Menge,Desinfektionsmittel:wirkungsbeeinflussende
Faktoren Umgebungsfaktoren (organische Belastung wie Blut, Sputum usw., Vorhandensein
protektiver bzw. interagierender Substanzen, Temperatur, pH-Wert, Luftfeuchtigkeit;
Spicher und Peters 1981, 1995), Einbettung in Biofilme (Exner et al. 1987, Donlan
2001), dem kontaminierten Objekt und der Anwendungsmethode beeinflusst (Spicher 1996).
In den Prüfmethoden wird dem durch das Hinzufügen verschiedener Belastungssubstanzen
Rechnung getragen.
Testorganismen: Da die Resistenz der Mikroorganismen stark von der Art der Vorkultur
abhängt, ist es wesentlich, dass diese festgelegt ist und eingehalten wird. Gleiches
gilt Desinfektionsmitteltestung:Testorganismenfür die Stammhaltung. Die in den Methodenbeschreibungen
der nationalen Fachgesellschaften vorgegebenen Verfahrensweisen beziehen sich auf
DIN EN 12353 (CEN 2007). Bei der Auswahl der Bakterienspezies wurden Vertreter der
grampositiven (S. aureus, E. hirae, E. faecium) wie auch der gramnegativen Spezies
(P. aeruginosa, E. coli, P. mirabilis) berücksichtigt. Die Einbeziehung von C. albicans
ist seit langem üblich. Da bei immunsupprimierten Patienten Schimmelpilze zunehmend
eine Rolle spielen und diese i. d. R. resistenter als Hefen sind, wurde zusätzlich
A. brasiliensis als weitere Prüfspezies etabliert. Zusätzlich können je nach Anforderung
weitere Testorganismen einbezogen werden. Zum Nachweis der Wirksamkeit gegen Tuberkuloseerreger
wird aus Sicherheitsgründen der apathogene Stamm M. terrae eingesetzt (Sonntag und
Hingst 1985). Mit M. avium wurde insbesondere durch die europäische Normung eine z.
T. resistentere Spezies als M. terrae mit klinischer Relevanz insbesondere bei immunsupprimierten
Patienten eingeführt. Bei den Virusspezies wird deutlich, dass in der Human- und Veterinärmedizin
unterschiedliche Viren als Krankheitserreger infrage kommen. Bei den DVG-Methoden
ist die Trennung der Prüfung in behüllte und unbehüllte Viren seit Jahren eingeführt.
Diese Betrachtungsweise wurde für die Humanmedizin erst 2004 (RKI 2004) übernommen.
In der europäischen Normung ist im Bereich der Humanmedizin die Testung gegenüber
Sporen noch in Bearbeitung. Da Erkrankungen durch Sporen von C. difficile deutlich
zunehmen (McDonald et al. 2007) und bei diesen Erkrankungen auch Sporen von den Patienten
ausgeschieden werden, ist es sinnvoll, diese in den Testmethoden zu berücksichtigen.
Der Stellenwert der sporoziden Desinfektion sowohl im Lebensmittelbereich als auch
in der Veterinärmedizin spiegelt sich in EN 14347 (CEN 2005) und EN 13704 (CEN 2002)
wider.
Die Wirksamkeit gegen Prionen kann mit den etablierten Methoden nicht geprüft werden.
Ein mögliches Verfahren für eine derartige Prüfung wurde vom RKI veröffentlicht (Bertram
et al. 2004).
2.3.6
Nationale Anforderungen
In der VAH-VAH-ListeListe sind Verfahren für die routinemäßige und prophylaktische
Desinfektion zur Verhütung von Infektionen im Krankenhaus, in der ärztlichen und zahnärztlichen
Praxis, in öffentlichen Bereichen (Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten usw.)
sowie anderen Bereichen, in denen Infektionen übertragen werden können, zusammengefasst.
Für die Aufnahme sind Gutachten gemäß den Standardmethoden der DGHM zur Prüfung chemischer
Desinfektionsmittel (Tab. 2.5
) und den entsprechenden Anforderungen (Gebel et al. 2001, DGHM 2002) erforderlich.
Tab. 2.5
Standardmethoden des VAH/der DGHM.
Testorganismen
Aussage
Bestimmung der bakteriostatischen bzw. fungistatischen Wirkung (qualitativ)
S. aureus, E. faecium, E. hirae, E. coli, P. mirabilis, P. aeruginosa, C. albicans
Ermittlung der MHK und geeigneter Neutralisationsmittel
Bestimmung der bakteriziden bzw. fungiziden Wirkung im qualitativen Suspensionsversuch
S. aureus, E. faecium, E. hirae, E. coli, P. mirabilis, P. aeruginosa, C. albicans
Ermittlung der wirksamen Konzentrations-Einwirkzeit-Relationen und Resistenzvergleich
Bestimmung der bakteriziden, tuberkuloziden, mykobakteriziden bzw. fungiziden Wirkung
im quantitativen Suspensionsversuch
S. aureus, E. faecium, E. hirae, E. coli, P. mirabilis, P. aeruginosa,C. albicans,
M. terrae
1, 2
, M. avium
2
,A. niger3
Abgrenzung unwirksamer bzw. wirksamer Konzentrations-Einwirkzeit-Relationen und Ermittlung
der Reduktion
Händedesinfektion – praxisnaher Versuch auf den Händen
E. coli
Ermittlung der Reduktion
Hautantiseptik – praxisnaher Versuch auf talgdrüsenarmer und -reicher Haut
Autochthone Hautflora
Flächendesinfektion – praxisnaher Versuch auf nichtporösen Oberflächen
S. aureus, E. hirae, P. aeruginosaC. albicans, M. terrae
1, 2
, M. avium
2
,A. niger
3
Flächendesinfektion – fungizide Wirkung auf unbehandeltem Holz
C. albicans, T. mentagrophytes
Instrumentendesinfektion – praxisnaher quantitativer Keimträgertest
S. aureus, E. hirae, P. aeruginosaC. albicans, M. terrae
1, 2
, M. avium
2
,A. brasiliensis3
Wäschedesinfektion – Einlegverfahren (praxisnah)
S. aureus, E. hirae, E. coli, P. aeruginosa, C. albicans, M. terrae
1, 2
, M. avium
2
Chemothermische Wäschedesinfektion Einbadverfahren (praxisnah) < 60 °C
Chemothermische Wäschedesinfektion Einbadverfahren (praxisnah)360 °C
E. faecium
1
tuberkulozide Wirksamkeit (zusätzlich).
2
mykobakterizide Wirksamkeit (zusätzlich).
3
optional zusätzlich zu C. albicans.
Die Desinfektionsmittelliste(n):RKIDesinfektionsmittelliste des RKI gemäß § 18 IfSG
ist für behördlich angeordnete Desinfektionsmaßnahmen im Rahmen dieses Gesetzes vorgesehen.
Die besonderen Anforderungen an die Prüfmethoden des RKI ergeben sich somit aus dem
Anwendungszweck der Liste, d. h., dass die in dieser Liste aufgeführten Produkte eine
umfassende Wirksamkeit besitzen und auch bei deutlichen Verschmutzungen noch wirksam
sein müssen.
Das Desinfektionsmitteltestung\"\r\"DesinfMittelTestRKI hat Methoden für die Flächen-
und Robert Koch-Institut, DesinfektionsmitteltestungInstrumentendesinfektion beschrieben
(RKI 1994a, b, 1995, Bräuniger et al. 1995, Peters et al. 1995, Instrumentendesinfektion:PrüfmethodenPeters
und Bräuniger 1997). Der Wirkungsbereich Flächendesinfektion:Prüfmethoden, RKIA umfasst
Bakterien einschließlich Mykobakterien und Pilze, der Wirkungsbereich B Viren und
der Wirkungsbereich C Sporen. Die Prüfungen werden vorwiegend an Desinfektion:Wirkungsbereichebesonders
resistenten Mikroorganismen wie Mykobakterien und unbehüllten Viren durchgeführt,
die in geronnenes Schafblut eingebettet sind.
Bei der Fläche muss das Produkt bei Einwirkzeiten von 1, 2 oder 4 Stunden eine Reduktion
von mindestens 4 log10-Stufen erreichen. Instrumentendesinfektionsmittel müssen innerhalb
1 Stunde eine Reduktion um 5 log10-Stufen aufweisen.
Für beide Verfahren gilt, dass das Produkt mindestens die gleiche Wirksamkeit aufweisen
muss wie ein parallel mitgeführter Formaldehydstandard.
Die Prüfmethode für die Wäschedesinfektion, die auch in den DGHM-Methoden aufgeführt
ist, wurde im RKI entwickelt und mit einigen Modifikationen erstmalig 1998 von der
Desinfektionsmittel-Kommission der Wäschedesinfektion:PrüfmethodenDGHM veröffentlicht.
Vergleichende Studien im RKI haben gezeigt, dass diese Modifikationen keinen Einfluss
auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse haben. Die Beurteilung chemischer und chemothermischer
Waschverfahren wird vom RKI in ähnlicher Weise wie vom VAH durchgeführt. Dabei werden
chemische Verfahren mittels quantitativer Suspensionsversuche gegenüber M. terrae
und chemothermische Verfahren (60–70 °C) in Trommelwaschmaschinen mit durch Blut und
Testorganismen kontaminierte Batistläppchen geprüft. Für beide Anwendungsbereiche
umfasst das Wirkungsspektrum Bakterien einschließlich Tuberkuloseerreger. Bei Temperaturen
> 60 °C wird der thermostabile E. faecium eingesetzt. Wirksame Verfahren müssen eine
Reduktion der Testorganismen um 7 log10-Stufen zeigen. Zusätzlich kann der Wirkungsbereich
B durch Testung des thermostabilen Parvovirus ausgelobt werden.
Die Prüfung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteltestung:gegen VirenDesinfektionsmitteln
gegen Viren im humanmedizinischen Bereich erfolgt entsprechend entweder der Europäischen
Norm (CEN 2006) oder der DVV/RKI-Leitlinie (DVV/RKI 2008).
Beide beinhalten derzeit ausschließlich Suspensionstests. Die DVV/RKI-Leitlinie ermöglicht
eine differenziertere Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit gegen behüllte und unbehüllte
Viren. Sie berücksichtigt außerdem ein größeres Spektrum als die Europäischen Normen,
da sie weitere Testviren einbezieht.
2.3.7
Anforderungen der harmonisierten Normen in Europa (CEN)
Auf europäischer Ebene wird ein Basistest als Phase-1-Test eingesetzt. Er gilt für
alle Präparate und soll die grundsätzliche Fähigkeit eines Produkts bestätigen, Bakterien
(EN 1040 1997), Pilze (EN 1275 1997) und Sporen (EN 14347 2005) abzutöten bzw. zu
inhibieren. Als Testorganismen sind S. aureus und P. aeruginosa für die Prüfung auf
Bakterizidie, C. albicans und A. brasiliensis für die Prüfung auf Fungizidie und Sporen
von B. subtilis und B. cereus für die Prüfung auf Sporozidie etabliert. Bei den Bakterien
wird eine Reduktion der Lebendkoloniezahl im Basistest um 5 log10-Stufen, bei C. albicans
bzw. den Sporen von A. brasiliensis um 4 log10-Stufen und den Sporen von B. subtilis
und B cereus um 3 log10-Stufen gefordert.
Bezüglich eines Überblicks über die EN-Standards, die für alle Arbeitsgruppen im CEN
TC 216 bindend sind, Tabelle 2.6
.Desinfektion:Vorbedingungen\"\r\"DesinfVorgedAnford
Tab. 2.6
Verbindliche europäische Prüfnormen zu Anforderungen, Aufbewahrung der Testorganismen
und Basistests für alle drei Arbeitsgruppen im CEN TC 216.
Standard
Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
Alle Einsatzgebiete – Allgemeines
prEN 14885
Leitfaden für die Anwendung der Europäischen Normen für chemische Desinfektionsmittel
und Antiseptika
prEN 12353
Aufbewahrung von Testorganismen für die Prüfung der bakterioziden, mykobakterioziden,
sporoziden und fungiziden Wirkung
Phase 1
prEN 1040
Bakteriozide Wirkung – Basistest
prEN 1275
Fungizide Wirkung – Basistest
EN 14347
Sporozide Wirkung – Basistest
Übersicht über den derzeitigen Stand der europäischen Desinfektion:Anforderungen\"\r\"DesinfVorgedAnfordPrüfnormen
im CEN TC 216 für den humanmedizinischen Bereich (WG1) Tabelle 2.7
.Reinigung:Anforderungen\"\r\"DesinfVorgedAnford
Tab. 2.7
Europäischen Prüfnormen für den humanmedizinischen Bereich im CEN TC 216.
Produktanwendung
Phase/Stufe
Flächendesinfektion geringe und hohe Belastung
Instrumentendesinfektion geringe und hohe Belastung
Chemothermische Wäschedesinfektion
Bakterizidie
2/1
prEN 13727(Nov. 2009)
prEN 13727(Nov. 2009)
prEN 13727(Nov. 2009)
2/2
WI00216049(Feb. 2011)
EN 14561
WI00216075(Feb. 2010)
Fungizidie
2/1
prEN 13624(Jan. 2010)
prEN 13624(Jan. 2010)
prEN 13624(Jan. 2010)
2/2
EN 14562
EN 14562
WI00216075(Feb. 2010)
Levurozidie
2/1
prEN 13624(Jan. 2010)
prEN 13624(Jan. 2010)
prEN 13624(Jan. 2010)
2/2
∗
∗
WI00216075(Feb. 2010)
Mykobakterizidie/ Tuberkulozidie
2/1
EN 14348
EN 14348
EN 14348
2/2
∗
EN 14563
WI00216075(Feb. 2010)
Virozidie
2/1
prEN 14476(Dez. 2009)
prEN 14476(Dez. 2009)
∗
2/2
WI00216070(Nov. 2009)
WI00216070(Nov. 2009)
∗
Sporozidie
2/1
WI00216068(Apr. 2010)
WI00216068(Apr. 2010)
∗
2/2
∗
WI00216069(noch kein Entwurf)
∗
∗
Derzeit noch keine Normvorlage erarbeitet.
2.4
Desinfektion unbelebter Materialien
Walter Koller, Manfred Rotter und Miranda Suchomel
2.4.1
Definition der Desinfektion
Desinfektion ist die gezielte Reduktion eines definierten Anteils bestimmter unerwünschter
Mikroorganismen durch chemische oder physikalische Inaktivierung, sodass sie unter
den gegebenen Umständen keine Schäden (Infektion, Verderbnis) verursachen können.
Etymologisch bedeutet „Desinfektion“ die Entfernung einer Infektion, was nach heutiger
Auffassung eher für die antimikrobielle Chemotherapie als für die Desinfektion:DefinitionDesinfektion
jetzigen Sprachgebrauchs zutrifft. Vielmehr versteht man unter Desinfektion eine gezielte
Maßnahme, um Mikroorganismen unschädlich zu machen und damit den Gegenstand, auf oder
in dem sie sich befinden, in einen Zustand zu versetzen, dass er nicht mehr infizieren
kann. Nach Reber (1973) ist Desinfektion die gezielte Eliminierung bestimmter unerwünschter
Mikroorganismen mit dem Zweck, deren Übertragung durch Eingriffe in deren Struktur
oder Stoffwechsel unabhängig von ihrem Funktionszustand zu verhindern, oder kürzer:
„Desinfektion ist gezielte Entkeimung.“ Diese Definition berücksichtigt, dass Desinfektionsmaßnahmen
gezielt durchzuführen sind und den gegebenen Umständen, also dem Desinfektionsgut
und dem Zielobjekt (vegetative Formen, Bakteriensporen, Viren), adäquat sein müssen.
Von einem Desinfektionsverfahren verlangt man allerdings nicht, dass es alle Individuen
unerwünschter Mikroorganismen inaktiviert.
Das Wort „Keim“ stand früher für die heutigen Begriffe „Mikrobe“ oder „Mikroorganismus“
und findet sich noch in zahlreichen Fachausdrücken wie „Keimzahl“, „Keimtötung“, „Luftkeime“
usw.
2.4.2
Physikalische Desinfektionsverfahren
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen physikalischen und chemischen Desinfektionsverfahren.
Als physikalische Verfahren werden Filtration, Hitze-, Plasma- und Strahleneinwirkung
verwendet.
Thermische Desinfektionsverfahren
Bei der thermischen Desinfektion muss in einer bestimmten Zeiteinheit eine zur Inaktivierung
ausreichende Wärmemenge auf die Mikroorganismen übergehen. Außer direkter Flammeneinwirkung
beim Ausglühen kommen nur Heißwasser, Wasserdampf und Luft als Wärmeträger in Frage.
Die Wärmekapazität (spezifische Wärme) von Wasserdampf ist weitaus größer als die
von Luft.
Feuchte Hitze ist das für die Desinfektion bevorzugte Prinzip, angewandt als Wasserdampf
oder Heißwasser.
Mikroorganismen werden aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegen Hitze in 4 Resistenzgruppen
(R) eingeteilt:
•
R1: Abtötung durch strömenden Wasserdampf in 1–2 Minuten: Mikroorganismen:Hitzeresistenznicht
sporenbildende Bakterien, vegetative Form der Sporenbildner, Pilze und ihre Sporen,
Viren, Protozoen, Würmer und ihre Eier, Arthropoden aller Entwicklungsstadien,
•
R2: Abtötung durch strömenden Wasserdampf in 10 Minuten: Bazillensporen geringer Thermoresistenz,
z. B. von B. anthracis, und Kultursporen aerober Erdbazillen,
•
R3: Abtötung durch strömenden Wasserdampf nach mehreren Stunden: native Erdsporen,
z. B. C. tetani und C. botulinum,
•
R4: Abtötung nur durch gespannten Wasserdampf, z. B. 135 °C > 20 Minuten: Pathogene
dieser Resistenzstufe sind Prionen und höchst thermoresistente thermophile Bakterien,
wobei letztere keine medizinische Bedeutung haben.
In der Liste des RKI (2007) der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren für
Entseuchungen gemäß § 10c IfSG werden die Wirkungsbereiche der Verfahren durch Buchstaben
gekennzeichnet (Tab. 2.8
).
Bei der Anwendung von Hitze zur Desinfektion ist zu beachten, dass die Wärmeenergie
an die Mikroorganismen herankommen muss. Diese können durch Einschluss in Schmutzpartikel
(z. B. Ausscheidungen, Blut, Erde) vor der Wärmeeinwirkung für kürzere oder längere
Zeit geschützt sein. Dieser Schutzmechanismus kann insbesondere durch Koagulation
von umgebenden Eiweißen zum Tragen kommen.
Tab. 2.8
Wirkparameter und Wirkungsbereiche thermischer Desinfektionsverfahren (in Anlehnung
an die RKI-Liste 2007).Wäschedesinfektion:WaschmaschinenVerbrennenKochen:mit WasserHeißwasserdesinfektionDampf-Vakuum-VerfahrenDampfströmungsverfahren
Verfahren∗
Temperatur(°C)
Einwirkung(min)
Wirkungs-bereich∗
Verbrennen
ABCD
Kochen mit Wasser
100
3
AB
15
ABC
Reinigungsgeräte mit Heißwasserdesinfektion
93
10
AB
Wäschedesinfektion in Waschmaschinenmit Heißwasser
85
15
AB
90
10
AB
Dampfströmungsverfahren
100
5
AB
15
ABC
Fraktionierte Dampf-Vakuum-Verfahrenmit Sattdampf
75
20
AB
80
10
AB
95
5
AB
105
1
AB
5
ABC
∗
A: Abtötung vegetativer Bakterien einschließlich Mykobakterien sowie von Pilzen einschließlich
Pilzsporen, B: Inaktivierung von Viren, C: Abtötung von Sporen des Erregers des Milzbrands,
D: Abtötung von Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf
Als thermische Desinfektionsmaßnahmen dominieren Pasteurisieren, Auskochen, Einwirkung
von Heißwasser, Dampfdesinfektion, Verbrennen und Ausglühen.
•
Pasteurisieren ist die kurzzeitige, schonende Erhitzung von Flüssigkeiten zur Inaktivierung
von vegetativen Bakterien und Pilzen als Langzeitpasteurisierung (z. B. 30 Minuten
bei 62–65 °C), PasteurisierenKurzzeitpasteurisierung (ca. 40 Sekunden bei 71–74 °C),
Hocherhitzung (10–15 Sekunden bei 85 °C) und Ultrahocherhitzung (< 1 Sekunde bei 135–150
°C).
•
Auskochen ist eine robuste, aber problematische Desinfektionsmethode, denn sie birgt
wie die anderen thermischen Desinfektionsmethoden das Risiko, dass von eiweißhaltigen
Substraten eingehüllte AuskochenErreger (z. B. HBV!) durch Hitzekoagulation des Eiweißes
vor der Wirkung der Hitze geschützt werden. Das lässt sich durch alkalische Zusätze
zum Wasser (1–2 % Soda oder bestimmte Waschmittel; vgl. Thermodesinfektion von Textilien!)
weitgehend hintanhalten. Wenn immer möglich, soll nur gereinigtes Gut desinfiziert
werden! Auskochen bewirkt keine Sterilisation!
•
Heißwasser mit Temperaturen zwischen 80 und 95 °C findet zur Desinfektion z. B. in
maschinellen Dekontaminationsverfahren für Geschirr und Instrumente sowie bei der
thermischen HeißwasserdesinfektionWäschedesinfektion Verwendung.
•
Die Dampfdesinfektion macht sich das bessere Eindringen des Dampfes in poröses Desinfektionsgut
und die größere Wärmeabgabe des Dampfes zunutze. Entsprechend dem Dampfdruck arbeiten
die Verfahren mit Dampfdesinfektionunterschiedlichen Temperaturen. Im strömenden Wasserdampf,
z. B. im Koch-Dampftopf, erreicht man Temperaturen von maximal 100 °C (abhängig vom
äußeren Luftdruck).
Moderne Dampfdesinfektionsgeräte arbeiten bei leichtem Überdruck mit Temperaturen
von etwa 105 °C.
•
Für empfindliches Desinfektionsgut (Pelze, Leder, Bücher) wird im Allgemeinen das
Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren (VDV) mit Temperaturen um 60–70 °C angewandt, wobei
entsprechend dem geringeren Dampfdruck des Wassers in der Desinfektionskammer subatmosphärischer
Druck (–0,6 Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahrenbar bei 75 °C) herrscht. Die Kombination
von Dampf mit chemischen Desinfektionsmitteln (z. B. Formaldehyd) verbessert die Wirkung.
•
Verbrennen ist eine sichere Desinfektionsmethode, sofern das Desinfektionsgut zur
Gänze zerstört wird. Es genügt nicht, dass bei der Verbrennung der Kadaver infizierter
Versuchstiere nur die Verbrennenäußeren Schichten verbrannt werden. Auch im Krankenhaus
anfallende Verbände, Einmalröhrchen mit Blutresten oder Bakterienkulturen müssen in
speziellen Verbrennungs- oder Pyrolyseanlagen vollständig verascht werden.
•
Durch Ausglühen können einfache Metallinstrumente wie Platinösen oder Spatel desinfiziert
werden.
•
Abflammen stellt insbesondere dann, wenn der Ausglühenabgeflammte Gegenstand die Hitze
rasch ableitet (Metall), keine verlässliche Desinfektionsmethode dar.Abflammen
Aktinische Desinfektionsverfahren
Desinfektionsverfahren:thermische\"\r\"DesinfVerftherm
Ionisierende Strahlen (γ- und β-Strahlen) ionisierende Strahlen, Desinfektionwerden
zur Sterilisation medizinischer Einmalartikel verwendet. Die Verfahren sind sicher
wirksam, aber wegen der nötigen Schutzvorrichtung aufwändig. Die Einwirkung derartiger
Strahlen kann das Sterilisationsgut verändern, sodass Vorprüfungen vor dem Routineeinsatz
nötig sind.
Zur Verminderung der Erregerzahl können auch UV-Strahlen der Wellenlänge zwischen
240 Desinfektionsverfahren:aktinischeund 280 nm (Wirkungsoptimum zwischen 250 und
265 nm) herangezogen werden. Sie wirken durch Energieeinbringung (Lichtquanten) in
die DNA der UV-Strahlen:DesinfektionMikroorganismen.
UV-Strahlen besitzen kein Durchdringungsvermögen für feste Stoffe, wohl aber für Luft
und Flüssigkeiten, in denen allerdings ihre Wirkung durch Partikel und gelöste Stoffe
gehemmt werden kann.
Die Desinfektion durch UV-Strahlen wird meist für Trinkwasser angewandt. Als UV-Strahlenquelle
für die Wasserdesinfektion haben sich kalte Quecksilberdampf-Niederdruckstrahler gegenüber
Hochdruckstrahlern wegen der besseren Strahlungsleistung und längeren Lebensdauer
durchgesetzt. Wird destilliertes Wasser verwendet, ist die UV-Absorption sehr gering.
Das kann aber bei UV-Bestrahlung von Leitungswasser anders sein, da selbst schwebstofffreie
Wässer durch gelöste Stoffe eine ins Gewicht fallende Absorption der UV-Strahlen besitzen
können. Es ist also stets vor Anschaffung einer UV-Wasserdesinfektionsanlage die UV-Durchlässigkeit
des zur Verfügung stehenden Wassers zu prüfen.
Die Wirkung physikalischer Desinfektionsverfahren, vor allem thermischer, ist sicherer
als die chemischer Verfahren.Desinfektionsverfahren:physikalische\"\r\"DesinfVerfphysik
2.4.3
Chemische Desinfektionsverfahren
Anwendung
Die meisten Desinfektionsmittel werden als Lösung, manche als Gas angewandt.
Anwendungsformen chemischer Desinfektionsverfahren sind Tauchbad, Wisch-, Einreibe-
und Sprühverfahren sowie Begasung.
•
Eine typische Anwendungsart ist das Tauchbad, das früher die Instrumentendesinfektion
dominierte. Der Desinfektionseffekt kann bei diesem Verfahren partiell ausbleiben,
wenn nicht alle Flächen des Desinfektionsguts von der TauchbadWirkstofflösung benetzt
werden (unvollständiges Eintauchen, Luftblasen, hohe Grenzflächenspannung) oder Blut-
und Eiweißreste durch Koagulation den Desinfektionseffekt beeinträchtigen bzw. verhindern.
Eine besondere Herausforderung ist die Desinfektion englumiger Hohlkörper, wie z.
B. Spül- und Manipulationskanäle von Endoskopen. Diese müssen aktiv mit Desinfektionslösung
durchspült werden.Da der Desinfektionseffekt mit zunehmender Verschmutzung abnimmt,
müssen Tauchbäder regelmäßig erneuert werden.
Die Tauchbaddesinfektion ist nicht nur wegen fehlender Standardisierbarkeit, sondern
auch wegen der Gefährdung des ausführenden Personals abzulehnen.
•
Die Wischdesinfektion wird an Flächen angewandt. Da der mechanische Effekt für den
Desinfektionserfolg eine wichtige Rolle spielt, ist diese Anwendungsform der Sprühdesinfektion
Wischdesinfektionvorzuziehen. Letztere führt zugleich zu einer höheren Belastung der
Atemluft mit Desinfektionsmittel und kann bei manchen Wirkstoffen (z. B. Alkohole)
Verpuffungs- oder SprühdesinfektionBrandgefahr bedeuten.
•
Einreibeverfahren werden bei der Händedesinfektion angewandt.
•
Die Desinfektion durch Begasen mit Alkohol- oder Desinfektion:EinreibeverfahrenPersäuredämpfen,
Formaldehyd-, Ethylenoxidgas oder H2O2-Plasma kann nicht als „sichere“ Anwendungsform
betrachtet werden. Der Desinfektionseffekt tritt nur unter Begasenschwer kontrollierbaren
Bedingungen ein, die nur durch besondere Einrichtungen (Desinfektionskammern) und
spezielle Steuereinrichtungen hergestellt werden können. Außerdem muss diese Form
der Desinfektion von besonders geschultem Personal durchgeführt werden.
Wirkstoffe
Kapitel 2.7.
Phenole
Phenol (Carbolsäure) wurde bereits 1867 von Lister zur Antiseptik benutzt. Heute haben
nur noch seine Derivate Phenol(e)Bedeutung für die Desinfektion, weil die Substitution
von H-Atomen zur Carbolsäure\t\"Siehe Phenol(e)Steigerung des antimikrobiellen Effekts
bei reduzierter Toxizität führt.
Zusatz von anionischen Detergenzien kann die Wasserlöslichkeit steigern (Kresolseife
= „Lysol“). Im sauren Bereich sind Phenole aktiver als im alkalischen. Organische
Substanzen wie Serum, Milch, Öle und Seifen reduzieren die Wirkung. Das antimikrobielle
Wirkungsspektrum umschließt Pilze und Bakterien, wobei Mykobakterien erst durch höhere
Konzentrationen erfasst werden. Phenole entfalten keine sporozide Wirkung.
Typisches Anwendungsgebiet der Phenol(e):AnwendungsgebietPhenole ist die Flächendesinfektion.
Die für die Händedesinfektion erhältlichen einkernigen Phenolpräparate müssen heute
als zu wenig wirksam angesehen werden. Als Zusatz zu alkoholischen Präparaten können
sie jedoch die Wirkung steigern. Für die Instrumentendesinfektion stehen heute aktivere
Wirkstoffe zur Verfügung. Die Wäschedesinfektion wird schon aus verfahrenstechnischen
Gründen besser thermisch oder chemothermisch als mit Kresolen durchgeführt.
Triclosan wird immer noch in Detergenzien zur Händedesinfektion ausgelobt. Sowohl
für die hygienische als auch für die chirurgische Händedesinfektion sind diese Seifen
zu wenig wirksam. Allerdings können manche für eine „desinfizierende Händewaschung“
(früher „Händedekontamination“) verwendet werden, wenn sie – entsprechend den europäischen
Prüfnormen (CEN) geprüft – besser als Seife ohne antimikrobiellen Zusatz wirken.
Alkohole
Die mikrobiozide Wirkung, die man auf Proteindenaturierung zurückführt, nimmt mit
der Kettenlänge zu. Daneben gilt: n-primäre Alkohole sind wirksamer als isoprimäre
und diese wirksamer als sekundäre und tertiäre.
Als Rangordnung nach steigender Wirksamkeit ergibt sich also Methanol < Ethanol <
Isopropanol < n-Propanol. Die Wirkung der letzteren drei für die Desinfektion verwendeten
Alkohole ist vergleichbar bei folgenden Alkohol(e):WirksamkeitKonzentrationen (v/v
%): Ethanol 77 % – Isopropanol 60 % – n-Propanol 42 %.
Um Irrtümer zu vermeiden, sollten Konzentrationen von Alkoholen zur Desinfektion in
Volumenprozent angegeben werden. Bei Ethanol entsprechen einander folgende Konzentrationsangaben
(Masseprozent/Volumenprozent): 60/67,5; 62/70; 70/76,5; 73/80; 80/85; 85/90; 90/93;
92/95.
In jedem Verhältnis mit Wasser mischbar sind neben Methanol und Ethanol die Alkohole
der Propylreihe. Ohne Anwesenheit von etwas Wasser sind Alkohole schlechter wirksam.
Für die Desinfektion trockener Objekte sollen sie also nicht konzentriert verwendet
werden. Bei Verdünnung mit Wasser werden sie ab einem gewissen kritischen Mischungsverhältnis
allerdings sehr schnell unwirksam. So unterbricht das Spülen einer mit Alkohol benetzten
Hand sofort die Wirkung. Anwesenheit von organischem Material beeinträchtigt die Wirkung
dagegen nur wenig. Das mikrobiozide Wirkungsspektrum erstreckt sich auf Bakterien,
Pilze und teilweise auf Viren. Alkohole sind ohne Effekt gegen Bakteriensporen, können
solche sogar enthalten und müssen deshalb für die Verwendung zur chirurgischen Händedesinfektion
und zur Hautantiseptik sporenfrei gemacht werden.
Wegen der fehlenden Sporozidie dürfen sterile Instrumente nicht in Alkohol aufbewahrt
werden!
Alkohole gehören zu den am schnellsten wirkenden Desinfektionsmitteln. Das Desinfektionsgut
muss aber während der gesamten Einwirkungszeit damit nass gehalten werden, was wegen
ihrer schnellen Verdunstung speziell zu beachten ist.
Typische Alkohol(e):AnwendungsgebieteAnwendungsgebiete sind Händedesinfektion und
Hautantiseptik. Weniger gut eignen sie sich zur Flächendesinfektion, bei der die Brand-
und Explosionsgefahr zu beachten ist.
Ethanol und Propanol sind keine allergisierenden Desinfektionsmittel, was angesichts
ihres Haupteinsatzgebiets wichtig ist. Ohne rückfettende und hautpflegende Zusätze
führen sie jedoch zu Irritationen und Trockenheit der Haut. Man verwendet daher nicht
die reinen Alkohole, sondern geeignete Präparationen, die kosmetische Substanzen zur
Wasserrückhaltung und Rückfettung enthalten.
Aldehyde
Wegen seines breiten mikrobioziden Wirkungsspektrums und der Möglichkeit, es gasförmig
anzuwenden, hat Formaldehyd Alkohol(e)\""\r""Alkoholeschon früh Anwendung in der Desinfektion
gefunden. Heute werden daneben auch andere Aldehyde, wie z. B. Glutaral, Bernsteinsäuredialdehyd
oder Glyoxal, verwendet.
Aldehyde:AnwendungsgebieteAldehyde sind besonders zur Instrumentendesinfektion, aber
nur bedingt auch zur Flächendesinfektion geeignet. Sie wirken zuverlässig und materialschonend.
Limitierende Faktoren sind ihre Eiweißfixierung, ihre Geruchsbelästigung, ihr langsamer
Wirkungseintritt sowie toxische und allergische Risiken.
Formaldehyd ist bei Zimmertemperatur ein stechend riechendes, farbloses Gas. Formalin
(syn. Formol) ist eine 35- bis 40-prozentige Lösung von Formaldehyd in Wasser. Bei
längerem Stehen und bei Lichteinwirkung bilden sich in der Lösung die beiden Polymere
des Formaldehyds, FormalinParaformaldehyd und Trioxan. Um die Entstehung und Präzipitation
dieser schwerlöslichen Stoffe zu vermeiden, wird Formalin in dunklen Flaschen aufbewahrt
und mit Stabilisatoren, meist Methanol, versetzt.
Die antimikrobielle Wirksamkeit von Formaldehyd beruht auf Alkylierungsprozessen an
Zellprotein und Nukleinsäuren. Sie ist gut gegenüber Bakterien und den meisten Viren,
weniger gut gegen Pilze. Gegenüber HBV und Formaldehyd:WirksamkeitBakteriensporen
wirkt Formaldehyd nur bedingt (hohe Konzentrationen, lange Einwirkungszeit, erhöhte
Temperatur).
Gasförmig findet Formaldehyd Verwendung zur Desinfektion von Geräten und Utensilien
(z. B. Beatmungs- und Narkosezubehör, Matratzen) sowie zur Raumdesinfektion. Diese
Anwendungsform ist Formaldehyd:Anwendungsbereicheanfällig gegen Einflüsse, die seine
Wirkung beeinträchtigen, und damit unsicher. Für die Raumdesinfektion, die nur noch
im Rahmen der Schlussdesinfektion nach Aufenthalt von hochkontagiösen Patienten (z.
B. Lassafieber, Milzbrand) durchgeführt wird, verdampft man – am besten in zeitgesteuerten
Automaten – Formalin bis zu einer Konzentration von 15 g/m3 (ca. 5 g Formaldehyd/m3).
Die Einwirkungszeit beträgt mindestens 6 Stunden. Danach neutralisiert man das Gas
teilweise durch Verdampfen von Ammoniak, wobei sich Hexamethylentetramin bildet, das
sich als pulverförmiges Präzipitat niederschlägt. Die relative Luftfeuchte muss um
80–90 %, die Raumtemperatur bei 18 °C liegen. Danach werden der Raum gelüftet und
alle Oberflächen einer Scheuerdesinfektion unterzogen.
Formaldehyd ist – im Allgemeinen in Kombination mit höheren Aldehyden und Quats –
Bestandteil von Präparaten für die Flächen- und Instrumentendesinfektion. Für letztere
ist vor allem die unverändert gute Wirkung in Anwesenheit von Blut vorteilhaft.
Einzelne Wäschestücke können durch Einlegen in Formaldehydlösung während 5 Stunden
(3,0 %) oder 12 Stunden (1,5 %) desinfiziert werden.
Formaldehydabspaltende Substanzen wie Paraformaldehyd, Hexamethylentetramin und Hexaminiumsalze
sind wegen ihrer unsicheren Wirkung für Desinfektionszwecke unbrauchbar.
Formaldehyd wird ferner zur Konservierung von Immunseren und Kosmetika sowie zur Virus-
und Toxininaktivierung bei der Impfstoffherstellung in Endkonzentrationen von 0,05–0,5
% eingesetzt.
Formaldehyd ist ein starkes Allergen und sollte deshalb in Konzentrationen ≥ 0,3 %
nicht an der Haut angewandt werden.
Der MAK-Wert liegt bei 0,6 mg/m3 (= 1 ml/m3 = 0,5 ppm), der MRK-Wert bei 0,12 mg/m3.
In den vergangenen Jahren wurden kanzerogene Eigenschaften aus Formaldehyd:MAK-WertTierversuchen
mit hohen Formaldehydkonzentrationen in der Atemluft bekannt, was Warnungen vor seinem
Gebrauch – auch als Desinfektionsmittel – nach sich zog. Bis heute sind Formaldehyd:Langzeitgefährdungaber
keine Daten bekannt, die eine kanzerogene Wirkung bei Menschen belegen, die erträglichen
(Reizgas!) Konzentrationen exponiert waren.
Formaldehyd ist ein hinsichtlich seiner umfassenden Wirksamkeit und deren nur unbedeutender
Beeinflussung durch organische Belastungen sowie seiner Wirkung in der Gasphase zumindest
in infektiologischen Risikosituationen nach wie vor ein bewährter Desinfektionswirkstoff.
Vor allem aufgrund der Neueinstufung von Formaldehyd durch die IARC, aber auch wegen
der übrigen wenig anwenderfreundlichen Eigenschaften und vor allem wegen des Risikos
der neurotoxischen Langzeitgefährdung, wie es sich vor allem aus der Existenz des
Sick-Building-Syndroms ableitet, verlieren formaldehydbasierte Flächendesinfektionsmittel
in Gesundheitseinrichtungen aufgrund geeigneter Alternativen zunehmend an Bedeutung
(Schwebke et al. 2007).
Wegen der toxischen Risiken, der lokalen Reizwirkung und der Verfügbarkeit unkritischerer
Alternativen ist der Einsatz von Formaldehyd zur routinemäßigen Flächendesinfektion
nicht mehr zu empfehlen. Das gilt auch für den Rettungsdienst.
In besonderen Situationen und im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Infektionskrankheiten
kann im Rahmen behördlicher Desinfektionsmaßnahmen eine Desinfektion mit Formaldehyd
bzw. formaldehydhaltigen Desinfektionsmitteln erforderlich sein. Hierbei ist durch
Arbeitsschutz- und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass der Grenzwert
eingehalten und Personal sowie Dritte nicht gefährdet werden (Schwebke et al. 2007).
Glutaral (Glutaraldehyd)
Formaldehyd\""\r""Formaldehydwirkt besser sporozid als Formaldehyd und wird deshalb
in der Instrumentendesinfektion eingesetzt. Bei alkalischem GlutaralpH (7,5–8,5) ist
seine Aktivität am höchsten,Glutaraldehyd"\t""Siehe Glutaral seine Stabilität aber
schlechter (Zerfall innerhalb von 2 Wochen).
Die „Sterilisation“ von thermolabilen Geräten (z. B. Endoskopen) durch Einlegen in
eine Glutarallösung ist ein unsiche res Verfahren, weil nicht alle Innenflächen sicher
erreicht werden und das anschließend nötige Abspülen mit sterilem Wasser ein Kontaminationsrisiko
birgt. Glutaral wird auch zur Flächendesinfektion eingesetzt, was allerdings häufig
zur Geruchsbelästigung führt.
Für Bernsteinsäuredialdehyd – zumindest in Kombination mit Formaldehyd und Tensiden
– wurde zusätzlich eine virozide Wirkung gegen HBV nachgewiesen. Damit ist dieses
Präparat für die BernsteinsäuredialdehydInstrumentendesinfektion prädestiniert.
Glyoxal wird in Desinfektionsmitteln nur als wirkungsverstärkender Zusatz verwendet.
Oberflächenaktive Verbindungen
GlyoxalOberflächenaktive Stoffe (Tenside) bewirken durch Anreicherung an den Grenzflächen
zwischen zwei Medien eine Senkung der oberflächenaktive Verbindungen\t\"Siehe TensideGrenzflächenspannung.
Manche dieser Netzmittel sind auch antimikrobiell wirksam, sodass sie als „desinfizierende
Waschmittel“ verwendet werden können.
Tenside lassen sich nach ihrem Aufbau in 4 Gruppen einteilen: anionische, kationische,
amphotere und nicht ionogene Tenside (Tab. 2.9
).
Antimikrobiell wirksam sind vor allem die kationenaktiven und amphoteren Substanzen.
Tab. 2.9
Einteilung der Tenside.Tenside:Einteilung
Tensid
Wirkungspektrum
Beispiele
Anionisch
Teilweise mikrobiostatisch und wirksam gegen manche behüllte Viren
Carboxylseifen, Sulfate von Fettsäuren, Polyglykolether und Alkylolamide, Sulfonate
Kationisch
Mikrobiozid
Quaternäre Verbindungen (Quats), aliphatische Amine und Diamine, Guanidine, Diguanidine
Amphoter
Mikrobiozid
Alkylgycin, Alkylbetaine und Sulfobetaine
Nicht ionogen
Nicht mikrobiozid
Substituierte Polyalkohole, Glykoletherderivate, z. B. substituierte Polyalkohole
Kationische Verbindungen
Quaternäre Verbindungen (Quats):
Tenside:kationischeSie sind durch eine Quatspositiv geladene hydrophile Gruppe Tenside:quaternäre
Verbindungen\t\"Siehe Quatsgekennzeichnet, die als Ammonium-, Sulfonium-, Phosphonium-,
Iodonium- oder Arsonium-Gruppe Verbindungen, quaternäre\t\"Siehe Quatsvorhanden sein
kann. Die wichtigsten sind die quaternären Ammoniumverbindungen wie Benzalkoniumchlorid,
Cetylpyridiniumchlorid und Didecyldimethylammoniumchlorid. Die antimikrobielle Wirkung
dieser Substanzen tritt schon in sehr niedrigen Konzentrationen auf. Sie ist zunächst
wachstumshemmend (mikrobiostatisch), bei längerer Einwirkungszeit oder höheren Quats:WirksamkeitKonzentrationen
mikrobiozid. Die meisten grampositiven Bakterien werden schon durch Konzentrationen
von 50–100 mg/l, gramnegative erst durch mindestens 200 mg/l oder wie manche Pseudomonas-
oder Enterobacteriaceae-Spezies erst durch noch viel höhere Konzentrationen abgetötet.
Bei diesen kann es sogar vorkommen, dass sie sich in der Gebrauchsverdünnung vermehren.
Die Desinfektionswirkung von quaternären Ammoniumverbindungen wird durch Anwesenheit
von Eiweiß und anionischen Seifen stark beeinträchtigt. Auch hartes Wasser und Eisenionen
führen zu Wirkungseinbußen. Alle diese Faktoren lassen Desinfektionsmittel, die als
einzigen Wirkstoff nur quaternäre Ammoniumbasen enthalten, als zu unsicher für die
Anwendung im Krankenhaus erscheinen. Ihr Zusatz zu anderen Wirkstoffen kann jedoch
Wirkungssteigerung und -verlängerung (Nachwirkung) bewirken.
Das antimikrobielle Wirkungsspektrum von Quats ist im Vergleich zu anderen Substanzen
eng. Sie entfalten eine gute Aktivität gegen grampositive, eine schlechtere gegen
gramnegative und – selbst in Konzentrationen von Quats:Wirkungsspektrum5–7 % – keine
Wirkung gegenüber Mykobakterien und Bakteriensporen. Auch für die Abtötung von Pilzen
werden hohe Konzentrationen (2–5 %) benötigt.
Aliphatische Amine und Diamine, z. B. Alkylamin-Benzoat, sind langkettige Amine von
Fettsäuren mit 12–16 C-Atomen. Sie finden Verwendung als Amine:aliphatischewirkungsverstärkender
Zusatz zu Desinfektionsmitteln und als Diamine, aliphatischeAlgizide.
Von den Guanidinen und Diguanidinen findet in der Medizin das Diguanidin Chlorhexidin
meist als Diglukonat Anwendung. GuanidineChlorhexidin ist in niedrigen Konzentrationen
Diguanidinebakteriostatisch, in 500- bis 2000-fach höherer Konzentration bakteriozid
wirksam. Wie bei den Quats kann diese große Differenz zwischen minimaler Chlorhexidinbakteriostatischer
und minimaler bakteriozider Konzentration zu Fehlergebnissen bei Desinfektionsmittelprüfungen
führen, weil die Testorganismen durch den an ihrer Oberfläche adsorbierten Wirkstoff
zwar an der Vermehrung gehemmt werden, sodass sie inaktiviert erscheinen, es aber
nicht wirklich sind. Gegenüber Mykobakterien und Pilzen besteht geringe, gegenüber
Bakteriensporen bei Zimmertemperatur keine Aktivität. Kochen von Lösungen (z. B. Augentropfen)
mit 0,01-prozentigem Chlorhexidin führt jedoch angeblich zu Sterilität. Anwendungsgebiete
sind neben seiner Verwendung als Konservierungsmittel in pharmazeutischen Zubereitungen
die Händedesinfektion und die Antiseptik (Kap. 2.2). Alkoholische Präparationen können
zu ihrer hohen, durch Alkohol bedingten Sofortwirkung mittels Chlorhexidinzusatz eine
Nachwirkung erhalten. Solche Präparationen werden für die chirurgische Händedesinfektion
verwendet.
Amphotere Substanzen
Amphotenside vereinigen elektropositive und -negative Gruppen in einem Molekül. Je
nach pH-Wert der Lösung verhalten sie sich als (negativ geladene) anionische (bei
pH 8) oder (positiv geladene) Amphotensidekationische Tenside (bei pH < 4). Dazwischen
sind sie elektrochemisch ausgeglichen. Sie weisen den quaternären Ammoniumbasen vergleichbare
Eigenschaften auf, sind jedoch im Gegensatz zu diesen wirksam gegen Mykobakterien
und weniger leicht durch Eiweiß zu inaktivieren. Angeblich kommt es durch sie auch
nicht zur Selektion resistenter Stämme. Wegen ihrer guten Hautverträglichkeit wären
sie als waschende Händedesinfektionsmittel prädestiniert, sind aber für die Anforderungen
im medizinischen Bereich zu wenig wirksam. In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie
werden sie vielfach eingesetzt. Es existieren auch Flächendesinfektionsmittel auf
Basis amphoterer Substanzen.
Halogene
Die Halogene Fluor (F), Chlor (C), Brom (Br) und Iod (I) sind mikrobiozid hoch wirksam.
In der Medizin werden nur Cl und I Tenside\"\r\"Tensidezu Desinfektionszwecken verwendet.
Chlor
Chlor (Cl2) ist ein gelbgrünes, stechend riechendes, toxisches Gas. Es ist schwerer
als Luft. Die Lösung in Wasser wird als Chlorwasser bezeichnet. Dabei bilden sich
reversibel unterchlorige Säure (ChlorHOCl) und Chlorwasserstoff (HCl). Die unterchlorige
Säure zerfällt in Chlorwasserstoff und naszierenden Sauerstoff. Die durch letzteren
hervorgerufenen Oxidationsvorgänge bedingen neben mikrobioziden Effekten auch das
Ausbleichen von Farbstoffen.
Für die mikrobiozide Wirkung, die unter geeigneten Bedingungen das gesamte Spektrum
der Viren und Mikroorganismen einschließt, werden mehrere Mechanismen verantwortlich
gemacht: Freisetzung von naszierendem Chlor:WirkungSauerstoff, Verbindung des Chlors
mit Imino- und Aminogruppen von im Zytoplasma enthaltenen Stoffen zu toxischen Chloraminen,
Bildung unterchloriger Säure, die ihrerseits oxidierend und chlorierend wirkt. In
wässriger Lösung ist hauptsächlich unterchlorige Säure für die mikrobiozide Wirkung
verantwortlich.
Im schwach sauren Bereich tritt der Desinfektionseffekt wesentlich rascher ein als
im alkalischen. Temperaturerhöhung führt wie bei den meisten Desinfektionsmitteln
zu einer Steigerung der Desinfektionswirkung. Organische Substanzen beeinträchtigen
die Wirkung von Chlor erheblich (Chlorzehrung), Sulfide, Thiosulfat und Eisensalze
können sie völlig aufheben.
Chlor wird für die Desinfektion gasförmig als Cl2 oder als Chlordioxid (ClO2), aber
auch in Form von Chlor abspaltenden Verbindungen angewandt. Die wichtigsten dieser
Verbindungen sind Salze der unterchlorigen Säure (Hypochlorite) und Chloramine.
Aus anwendungstechnischen Gründen werden Chlor- und Chlordioxidgas nur zur Wasserdesinfektion
verwendet. Wegen der Chlorzehrung können für Chlorgas keine fixen Dosierungsangaben
gemacht werden, sondern es muss von der nach Verbrauch durch organische Substanz zurückbleibenden
Konzentration des „Restchlors“ (verfügbares freies Chlors) Chlorgasausgegangen werden,
die meist in mg/l (ppm) angegeben wird. Für Trinkwasser soll sich diese Konzentration
nach halbstündiger Einwirkung um 0,3 mg/l, für Schwimmbadwasser um 0,3–0,5 mg/l und
für Abwässer um 10–30 mg/l bewegen.
Das anstelle von Chlorgas vielfach verwendete Chlordioxidgas wirkt stärker bakteriozid,
ist in seiner Wirkung stabiler gegen Veränderungen des pH-Werts und führt bei Anwesenheit
von Phenolen im Trinkwasser, im Gegensatz zu Chlorgas, nicht Chlordioxidgaszur Bildung
von Haloformen und Chloraminen sowie kaum zu geschmacklich und geruchlich unangenehmen
Chlorphenolen.
Chlorabspaltende Substanzen werden außer zur Wasserdesinfektion im kleinen Maßstab
auch zur Desinfektion von Wäsche, Flächen, Händen, Ausscheidungen und Früchten sowie
vor allem im Sanitär- und Küchenbereich verwendet.
Zur immer noch manchmal beworbenen Desinfektion von Fütterungsutensilien für Säuglinge
sind Chlorverbindungen nicht zu empfehlen, weil mit physikalischen Verfahren wie Auskochen,
Dampfdesinfektion oder Autoklavieren sicherere Desinfektionsverfahren für Babyfläschchen
und Schnuller zur Verfügung stehen.
Hypochlorite führen zu einem rascheren Eintritt des Desinfektionseffekts als Chloramine,
zerfallen aber auch schneller. Nicht stabilisierte Hypochlorit-Lösungen müssen deshalb
sofort nach HypochloriteZubereitung verwendet werden!
Am häufigsten wird Natriumhypochlorit (NaOCl), das in Handelspräparaten mit Stabilisatoren
angeboten wird, verwendet.
Der billige Chlorkalk, eine Mischung aus Calciumhypochlorit, -chlorid und -hydroxid,
wird meist in Krisenzeiten zur Trinkwasser- und Scheuerdesinfektion gebraucht.
Chloramine können als anorganische oder organische Substanzen vorliegen. Sie spalten
Chlor langsam ab, wodurch die Wirkung zwar protrahiert eintritt, aber länger anhält.
Zu nennen ist vor allem Chloraminedas als „Chloramin T“ vielfältig eingesetzte Tosylchloramidnatrium.
Andere Chlorabspalter sind z. B. Di- und Trichlorisocyanursäure. Sie werden ebenfalls
zur Wasserdesinfektion verwendet.
Iod
DichlorisocyanursäureEbenso wie Chlor wird Iod (I2) seit langem Trichlorisocyanursäurezu
Desinfektionszwecken benutzt. Seine schlechte Wasserlöslichkeit (Iodwasser) wird durch
Zusatz von Kaliumiodid erhöht (z. B. Lugol-JodLösung). Gut löst es sich in Benzol,
Chloroform, Ether und Ethanol. Die alkoholische Lösung von Iod und Kaliumiodid wird
als Iodtinktur bezeichnet.
Die mikrobiozide Wirkung aller iodhaltigen Präparationen hängt von der Freisetzung
elementaren Iods ab, die vom pH-Wert und von der Konzentration des jeweiligen Desinfektionsmittels
bestimmt wird. Das Jod:WirkungWirkungsspektrum ist breit und erstreckt sich bei langen
Einwirkungszeiten (Stunden) auch auf Bakteriensporen. Die Wirkung wird durch Anwesenheit
organischer Substanzen stark eingeschränkt, was sich vor allem bei niedrigen Konzentrationen
auswirkt. Der Zusatz von Kaliumiodid bewirkt ebenfalls eine erhebliche Reduktion des
mikrobioziden Effekts durch Bildung von Periodiden oder Triiodiden.
Die Färbung des Desinfektionsguts durch iodhaltige Desinfektionsmittel beschränkt
die Anwendung auf die Hautantiseptik. Seine allergisierende Wirkung hat zur Suche
nach Iodersatzmitteln geführt.
Iod wird in mindestens 3 Kategorien von Zubereitungen angewandt:
•
als Lösung von anorganischem, elementarem Iod, z. B. in wässriger oder alkoholischer
Lösung mit Kaliumiodid,
•
als Iod in Verbindung mit oberflächenaktiven Substanzen, z. B. Poloxamer-Iod-Komplex,
•
als Iod in Komplexbindung mit nicht oberflächenaktiven Stoffen wie Polyvinylpyrrolidon
(PVP).
Die anorganischen Zubereitungen wie Lugol-Lösung verursachen bisweilen Haut- und Schleimhautirritation
sowie Allergien und sollten deshalb, außer im Notfall, nicht häufig oder für längere
Zeit (z. B. unter einem Verband) auf Haut, Lugol-LösungSchleimhaut oder Wunden verbleiben.
Die ebenfalls zu solchen Zubereitungen zählende Iodtinktur kann schon wegen des hohen
Alkoholgehalts nicht auf Schleimhaut oder Wunden angewendet werden.
Manche oberflächenaktive Substanzen, aber auch solche ohne Tensidcharakter, bilden
mit Iod Komplexe, aus denen elementares Iod langsam freigesetzt wird. Diese Komplexierung
führt dazu, dass derartige Präparationen kaum mehr anfärben (die Farbe lässt sich
zumindest leicht wieder abwaschen) und wesentlich besser verträglich sind. Die weiteste
Verbreitung unter diesen Iodophoren hat PVP-Iod gefunden, das außer zur Händedesinfektion
und für antiseptische Indikationen (Kap. 2.2) auch zur Flächen-, Instrumenten- und
Wäschedesinfektion empfohlen wurde. Es stehen aber wirksamere Desinfektionsmittel
zur Verfügung. Die Reduzierung der Wirkung in Gegenwart organischer Substanzen muss
als Nachteil gewertet werden.
Metalle und Metallsalze
Die Metalle Cadmium, Silber, Kupfer und Quecksilber entfalten in wässrigem Milieu
eine Halogene\""\r""Halogenemikrobiozide Wirkung, die in der angegebenen Reihenfolge
von Cadmium zu Quecksilber abnimmt. Messing, eine Legierung von Kupfer und Zink, weist
diese Eigenschaft mit einer Aktivität zwischen der von Silber und Kupfer ebenfalls
auf, Platin, Gold und Aluminium besitzen sie aber nicht. Der mikrobiozide Effekt heißt
Oligodynamie. Er kommt in wässrigem Milieu durch kleinste Mengen von abdissoziierten
Metallionen zustande. Leider wird dieser Effekt von vielen schwer kontrollierbaren
Faktoren beeinflusst. In der Praxis machte man vom oligodynamischen Effekt z. B. bei
der Anwendung von dünnen Silberfolien auf großen Wundflächen, bei der Spülung von
Hohlorganen mit kolloidalen Silberlösungen und bei der Trinkwasserdesinfektion Gebrauch.
Auf Türklinken, Haltevorrichtungen und Beschlägen aus Messing oder Kupfer überleben
deshalb vor allem gramnegative Bakterien nicht.
Die antimikrobielle Ausstattung von Gegenständen des täglichen Bedarfs und zunehmend
auch im Gesundheitsbereich mit Metallen in nanokristalliner Form hat weltweit in den
letzten Jahren ein starkes, kritikloses Ausmaß erlebt. Wenn auch je nach eingesetzter
Technologie und chemisch-physikalischen Möglichkeiten der beteiligten Komponenten
(Material, Wirkstoff, Imprägnierungsverfahren) eine Wirksamkeit von Objekten durch
Beschichtung oder Imprägnierung mit antimikrobiellen Stoffen gegen bestimmte Mikroorganismenspezies
erzielt werden kann, ist die Bezeichnung „antimikrobiell“ weder mit einer spezifischen
Infektionsprävention verknüpft noch liegen ihr einheitliche Kriterien zugrunde. Jedes
als „antimikrobiell“ gekennzeichnete Produkt muss neben dem Nachweis der antimikrobiellen
Wirkung auch unter praxisrelevanten Bedingungen einen belegten oder zu erwartenden
Vorteil im Sinne der Infektionsprävention für den Einzelnen und das Allgemeinwohl
vorweisen können. Der Nutzen der antimikrobiellen Imprägnierung oder Beschichtung
für den jeweils vorgesehenen Anwendungsbereich muss in einer Nutzen-Risiko-Bewertung
gegen mögliche Risiken und Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt abgewogen werden.
Vor allem ist zu berücksichtigen, ob die Wirkung mit üblichen hygienischen Maßnahmen
(Reinigung, Desinfektion) wirksamer und unkritischer erreicht werden kann (Kramer
et al. 2010)
Metallsalze (Silber- und manche Zinnsalze) wirken mikrobiozid, Quecksilber- und Kupfersalze
vorwiegend mikrobiostatisch.
Silbersalze
Metallsalze:Wirkungsind, außer bei unsachgemäßer Anwendung (siehe Argyrose), nicht
toxisch, können aber in hoher Konzentration zu Verätzungen führen. Sie werden außer
zur Wasserdesinfektion heute nur Silbersalzenoch in geringem Ausmaß zur Antiseptik
verwendet (Kap. 2.2). Nanotechnologische Silberapplikationen finden sich zunehmend
als mikrobiostatische Ausrüstung von Kleidung und Gebrauchsgegenständen.
Quecksilber und seine anorganischen Verbindungen sind stark toxisch, seine organischen
Verbindungen weniger giftig und besser hautverträglich. Ihre Verwendung als Desinfektionsmittel
muss heute als Quecksilberobsolet betrachtet werden, weil die Wirkung fast immer nur
mikrobiostatisch und eine sichere Abtötung somit nicht gegeben ist.
In der Desinfektion spielen organische Zinnverbindungen eine gewisse Rolle. Bei Kombination
mit rasch wirkenden Stoffen soll ein guter Desinfektionseffekt mit lang anhaltender
Nachwirkung erzielbar sein. Sie finden z. B. Zinnverbindungen, organischeals Tributylzinnbenzoat
in Präparaten für die Flächen- und Wäschedesinfektion Anwendung, wobei aber toxikologische
Risiken nicht ausgeschlossen sind.
Oxidanzien
Neben den Halogenen existieren einige Stoffe, Metalle\""\r""Metalledesderen mikrobiozide
Wirkung ebenfalls auf Oxidationsvorgänge Metallsalze\""\r""Metalledeszurückzuführen
ist. Es handelt sich dabei um sauerstoffreiche und leicht Sauerstoff freisetzende
Verbindungen wie Ozon, anorganische und organische Peroxide sowie Persäuren.
Ozon
Das für den Respirationstrakt giftige Gas ist noch in Verdünnungen von 10–6 an seinem
charakteristischen Geruch erkennbar. In Wasser und bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit
zerfällt es Ozonrasch.
In wässrigem Milieu umfasst das Wirkungsspektrum sämtliche Formen von Mikroorganismen
bei Anwendungskonzentrationen von maximal 5 mg/l. Trockene Ozon-Luft-Gemische haben
hingegen keinen mikrobioziden Effekt. Wie die Ozon:WirkungsspektrumHalogene wird auch
Ozon durch zahlreiche organische und anorganische Verbindungen verbraucht (Ozonzehrung).
Unter Lichteinwirkung zerfällt es rascher als im Dunkeln. Bei niederen Temperaturen
ist sein mikrobiozider Effekt besser als bei höheren.
Ozon wird ausschließlich für die Wasserdesinfektion (Trinkwasser, Schwimmbadwasser)
eingesetzt. Für die Luftdekontamination ist es ungeeignet.
Anorganische und organische Peroxide
Wasserstoffperoxid (H2O2) ist das am häufigsten verwendete Peroxid. Für medizinische
und pharmazeutische Peroxid(e):anorganischeZwecke ist eine 30-prozentige Lösung im
Handel, die licht- und Peroxid(e):organischewärmegeschützt sowie frei von Alkalien
und Schwermetallsalzen gehalten werden muss.
Wegen der starken Zehrung durch organisches Material und der schlagartigen Inaktivierung
durch Peroxidasen, die reichlich in Gewebe vorhanden sind, ist die mikrobiozide Wirkung
nur schwach und unzuverlässig.
Für die Händedesinfektion stehen mit den niederen Alkoholen besser wirksame Substanzen
zur Verfügung, jedoch resultiert aus einer Kombination beider Wirkstoffe eine Wirkungsverbesserung
einschließlich einer Sporenelimination im Produkt.
Persäuren
Persäuren sind oxidierte organische Säuren mit einem zusätzlich in die Carboxylgruppe
eingefügten Sauerstoffatom.
Unter normalem Atmosphärendruck und bei Zimmertemperatur sind sie fest oder Persäurenflüssig.
Praktisch alle Persäuren sind in Anwendungskonzentration chemisch instabil, was ihre
Handhabung in der Praxis erschwert.
Für Desinfektionszwecke haben Perameisen-, Perpropion-, Perphthal- und vor allem Peressigsäure
eine gewisse Bedeutung erlangt, wobei toxische Risiken und die korrosive Wirkung den
Indikationsbereich limitieren. Sie wirken in Konzentrationen von > 2 % ätzend und
korrodieren Metalle bereits in Anwendungsverdünnungen. Konzentrierte Peressigsäure
ist brennbar und explosiv. Sie soll im Kühlschrank gelagert werden. Die Gebrauchslösung
zerfällt rasch und muss täglich frisch zubereitet werden. Die mikrobiozide Wirkung
dieser Oxidationsmittel ist bei guter Vorreinigung des Desinfektionsobjekts ausgezeichnet,
das Wirkungsspektrum sehr breit. Selbst Pilze und Bakteriensporen werden schon in
Konzentrationen von 0,5 % innerhalb weniger Minuten inaktiviert. Dies triff auch für
Viren einschließlich HBV zu. Vegetative Bakterienzellen werden schon durch 0,05- bis
0,005-prozentige Lösungen abgetötet.
Mit Ausnahme von Blut beeinträchtigt die Anwesenheit von organischem Material die
Desinfektionswirkung dieser Persäuren ebenso wenig wie pH-Verschiebungen oder tiefe
Temperaturen.
Problematisch ist das neurotoxische, mutagene und kokarzinogene Potenzial dieser Stoffgruppe.
Bevorzugtes Anwendungsgebiet ist die Instrumentendesinfektion (vor allem die maschinelle
Aufbereitung für gastroenterologische Endoskope). Für die sporozide oder virozide
Flächendesinfektion sind organische Peroxide zu bevorzugen. Beim Umgang mit Persäuren
sind Hautkontakt und Inhalation der Dämpfe zu vermeiden.Oxidanzien\""\r""Oxidanzien
Säuren und Laugen
Diese Stoffe sind keine Desinfektionsmittel im eigentlichen Sinn. Starke Säuren wie
konzentrierte Schwefelsäure und Laugen wie Natron- oder Kalilauge zerstören zwar Mikroorganismen,
schädigen aber auch meist das Desinfektionsgut.
SäurenLaugen wie Natron- oder Kalilauge inaktivieren Picornaviren ebenso wie Kalkmilch,
die zur Desinfektion von Ausscheidungen (Stuhl, Harn, Sputum) eingesetzt werden kann.
Kalkmilch wird Laugenhergestellt, indem Ätzkalk (gebrannter Kalk, CaO) mit 4 Teilen
Wasser vermengt wird. Sie ist stark ätzend (Schutzbrillen!). Zur Desinfektion wird
Stuhl zu gleichen Teilen und Harn im Verhältnis von 2:1 mit Kalkmilch vermengt, die
mindestens 6 Stunden einwirken muss. Kalkmilch ist unwirksam gegen Tuberkuloseerreger.
Organische Säuren wie Milch- und Zitronensäure können in speziellen maschinellen Verfahren
nach guter Vorreinigung und bei erhöhter Temperatur zur Reinigung und Desinfektion
von Dialysegeräten, aber auch von Mundduschen verwendet und wirkungsverstärkend anderen
Desinfektionsmitteln zugesetzt werden. Mit anderen organischen Säuren wie Ascorbin-,
Sorbin-, Essigsäure u. a. dienen sie auch als Konservierungsmittel.
Zu Guanidinthiocyanat Kapitel 3.3.Desinfektionsmittel:chemische\""\r""DesinfVerfchemWirkst
2.4.4
Prüfung von Desinfektionsverfahren
Die wichtigste Aussage der Prüfung Desinfektionsverfahren:chemische\""\r""DesinfVerfchemeines
Desinfektionsverfahrens ist zweifellos die über seine Wirksamkeit. Zur vollständigen
Charakterisierung eines Desinfektionsverfahrens gehören allerdings auch die Untersuchung
und Beschreibung toxikologischer, allergologischer und sicherheitstechnischer Momente
sowie von Beeinflussungen der Qualität des Desinfektionsguts und anderen Materials.
Hier wird nur die mikrobiologische Prüfung angesprochen.
Prüfungen von Desinfektionsverfahren werden als „Typprüfungen“ vor ihrer allgemeinen
Verwendung oder als „Praxisprüfung“ während und am Ort der praktischen Anwendung durchgeführt.
Typprüfung
In den verschiedenen Ländern existieren unterschiedliche, meist von den jeweiligen
Fachgesellschaften für Hygiene und Mikrobiologie empfohlene Prüfanordnungen.
Desinfektionsverfahren:TypprüfungDesinfektionsverfahren, für die durch Gutachten belegbar
ist, dass sie den jeweiligen Anforderungen genügen, können in die „Liste der geprüften
und anerkannten Desinfektionsverfahren“ der jeweiligen Körperschaft aufgenommen werden
und/oder erhalten ein Zertifikat (Tab. 2.10
). In der Schweiz müssen Desinfektionsmittel je nach Anwendungsbereich vom Bundesamt
für Gesundheit oder vom Schweizerischen Heilmittelinstitut zugelassen werden.
Tab. 2.10
Desinfektionsmittellisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.Desinfektionsmittelliste(n).VAHDesinfektionsmittelliste(n).swissmedDesinfektionsmittelliste(n).Rote
Liste Service GmbHDesinfektionsmittelliste(n).RKIDesinfektionsmittelliste(n).ÖGHMPDesinfektionsmittelliste(n).DVGDesinfektionsmittelliste(n).BAGDesinfektionsmittelliste(n)
Institution
Anwendungsbereich
Letztgültige Ausgabe
Verbund für angewandte Hygiene (VAH)
Humanmedizin (Hände, Haut, Fläche, Instrumente, Wäsche)
1. September 2011 (Broschüre)31. August 2011 (Online-Version)
Robert Koch-Institut (RKI)
Humanmedizin (thermische und chemische Verfahren für den Seuchenfall)
30.10.2007
Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG)
Tierhaltung
12. Liste, September 2010(Online-Version)
Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG)
Lebensmittel
6. Liste September 2010(Online-Version)
Rote Liste Service GmbH
Humanmedizin (Hände, Fläche, Instrumente)
April 2011 (Buch)
Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP)
Humanmedizin (Hände, Fläche, Instrumente, Geschirr, Mundduschen, Wäsche, Abfall)
Januar 2011 (online)
Bundesamt für Gesundheit (BAG)
Human- (gesunde Hände und gesunde Haut, Fläche) und Veterinärmedizin
Lfd. öffentl. Produkteregister (online)
Schweizerisches Heilmittelinstitut (swissmedic)
Human- und Veterinärmedizin (Wunddesinfektion, Instrumente) und Veterinärmedizin
1. November 2010, lfd., Liste der zugelassenen Human- und Tierarzneimittel und Medizinprodukte
(online)
Da für alle Desinfektionsverfahren bestimmte Voraussetzungen gelten, sind diese bei
den Prüfungen zu berücksichtigen. Diese die Wirksamkeit eines Desinfektionsverfahrens
begrenzenden Bedingungen betreffen die Technik des Verfahrens selbst, z. B.
•
bei physikalischen Desinfektionsverfahren Temperatur, Druck und Zeit,
•
bei chemischen Desinfektionsverfahren Art, Konzentration und Beständigkeit der Wirkstoffe,
Einwirkzeit und Temperatur,
•
für das Desinfektionsgut Widerstandsfähigkeit gegen Temperatur, Feuchte, Druck, Strahlung
und Wirkstoffe, Durchdringbarkeit des Desinfektionsguts und ggf. auch seiner Verpackung
für Dampf, Strahlung und Wirkstoffe,
•
die zu inaktivierenden Mikroorganismen, d. h. vegetative Mikroorganismen, Bakteriensporen,
Viren,
•
Milieufaktoren wie organische Ballaststoffe, spezifische Hemmstoffe, Wassergehalt
und pH-Wert am Ort der Desinfektion.
Daraus ergibt sich, dass in der Regel eine ganze Palette von Versuchen zur Charakterisierung
eines Desinfektionsverfahrens nötig ist. Üblicherweise gehen Versuche in vitro (Suspensionsversuche)
einer „praxisnahen Prüfung“ voraus, um Erkenntnisse über Wirkungsspektrum, -art (Mikrobiostase
oder -zidie), Verhalten gegenüber belastenden Faktoren und zur Identifizierung von
neutralisierenden Stoffen zu erhalten.
Praxisprüfung
Praxisprüfungen sollen beweisen, dass ein „typgeprüftes“ Verfahren auch in der aktuellen
Anwendungssituation wirksam ist. Darunter können zweierlei Arten von Untersuchungen
Desinfektionsverfahren:Praxisprüfungverstanden werden:
•
Die eine wird als Abnahmeuntersuchung nach Neuinstallation oder Überholung von Desinfektionsgeräten
und darüber hinaus als regelmäßig wiederkehrende Überprüfung für manche Desinfektionsverfahren
von der Gesundheitsbehörde gefordert und von Fachleuten durchgeführt. Die Methode
solcher Prüfungen entspricht im Wesentlichen der „Typprüfung“.
•
Die andere Art der „Praxisprüfung“ besteht in Tests, die der Anwender in Eigenregie
durchführt.
Häufig werden vom Anwender mikrobiologische Kulturen verlangt, die zeigen sollen,
dass die desinfizierten Güter frei von unerwünschten Mikroorganismen sind. Die Ergebnisse
solcher Kulturen sind allerdings mit großen Vorbehalten zu betrachten: Vielfach fehlen
in der Praxis hohe Inokula oder resistente Mikroorganismen; zudem werden oft zweifelhafte
Rückgewinnungs- und Nachkulturtechniken (keine Verwendung geeigneter Neutralisatoren,
Verwendung von Selektivnährböden oder hypotonen Lösungen usw.) verwendet; deshalb
können überlebende Mikroben nicht anwachsen. Von einem günstigen Ergebnis solcher
Kulturen wird u. U. zu Unrecht auf eine gute Desinfektionswirkung geschlossen! Derartige
Praxisversuche sind allerdings dann wertvoll, wenn mit ihrer Hilfe ein vermutetes
Versagen eines Desinfektionsverfahrens demonstriert werden soll.
Als Beispiele für derartige Praxistests durch den Anwender seien genannt:
•
Nachweis größerer Mengen vermehrungsfähiger Mikroorganismen (z. B. mithilfe von Eintauchobjektträger-
oder Plattenkulturen) in Desinfektionslösungen, die mit einer Infektionsepisode in
Zusammenhang stehen,
•
Nachweis großer Mikrobenmengen in Lappen, Bürsten und anderen Reinigungsutensilien,
die bei der Desinfektion verwendet werden,
•
Nachweis großer Mikrobenmengen auf Essgeschirr, Instrumenten oder Behältern, die mit
schlecht reinigenden (Kontamination durch schmutzige Waschflotte!) und mangelhaft
desinfizierenden Waschmaschinen gewaschen wurden.
Mikrobiologische Kulturen eignen sich also nur sehr bedingt für Prüfungen, die der
Anwender selbst und ohne Zuhilfenahme von Fachleuten durchführt. Dessen ungeachtet
ist es äußerst wichtig, dass der Anwender seine Desinfektionsverfahren mit anderen
Methoden regelmäßig kontrolliert.
Auswahl eines geeigneten Desinfektionsverfahrens
Die von den Fachgesellschaften für Hygiene und Mikrobiologie oder von Regulationsbehörden
herausgegebenen Listen (Tab. 2.10) über gutachterlich geprüfte und Desinfektionsverfahren:Auswahlfür
geeignet befundene Verfahren (Präparate mit Anwendungsempfehlung) geben dem Anwender
eine gute Orientierungshilfe für die Verfahrensauswahl im Krankenhaus. Die Empfehlungen
der entsprechenden Liste des RKI (2007) orientieren sich an den erschwerten Bedingungen
der kommunalen Seuchenbekämpfung.
2.4.5
Desinfektionsmaßnahmen
Händedesinfektion
Desinfektionsverfahren:Prüfung\""\r""DesinfVerPruefBei der Infektionsübertragung spielen
die Hände eine doppelte Rolle. Sie dienen Mikroorganismen als Vehikel, indem sie mikrobielle
Kontaminationen aufnehmen und an anderer HändedesinfektionStelle deponieren. Sie können
aber auch als Infektionsquelle fungieren, weil sich Erreger in den oberen Schichten
der Haut oder auch in infizierten Läsionen der Weichteile vermehren und von dort an
die Kontaktstelle freigesetzt werden. Die Maßnahmen zur Verhütung einer Übertragung
orientieren sich im konkreten Fall daran, ob die Hände als Mikrobenvehikel oder als
Infektionsquelle ausgeschaltet werden sollen (RKI 2000 Abb. 2.2
). Wegen der unterschiedlich schwierigen Eliminierung der drei Kategorien von Hautmikroben
sowie Viren an den Händen und deren unterschiedlicher pathogenetischer Bedeutung unterscheiden
sich die Strategien zur Verhütung ihrer Übertragung (Tab. 2.11
).
Abb. 2.2
Wirking verchiedener Verfahen (je 5 min) zur chirurgischen Händevorbereitung.
Tab. 2.11
Strategien zur Verhütung von Keimübertragungen durch die Hände (Rotter 2004).Hände:Keimübertragung,
Verhütung
Situation und Ziel
Strategie
Verhinderung der Abgabe von transienter Flora
Hände sind noch sauber
„Hände sauber halten“ (Nichtkontamination) durch Nichtberührungstechnik
•
Handschuhe
Hände sind kontaminiert
„Hände sauber machen“ (Eliminierung von transienter Flora) durch
•
nach Kontakt ohne bekannte oder vermutete „gefährliche“ Kontamination
•
Händewaschen oder
•
desinfizierende Händewaschung oder
•
hygienische Händedesinfektion
•
nach Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten durch infektiösen Patienten und nach
Arbeiten im Laboratorium
•
„Abtöten von Krankheitserregern noch auf den Händen“
•
hygienische Händedesinfektion ggf. mit speziellem Wirkspektrum
Reduktion der Abgabe von transienter und residenter Flora
Vor Operationen
„Mikrobenabgabe verhindern“ durch
•
chirurgische Händedesinfektion plus
•
Handschuhe (chirurgische, steril)
Vor Patientenpflege in der Schutzisolierung
„Mikrobenabgabe verhindern“ durch
•
desinfizierende Händewaschung oder
•
hygienische Händedesinfektion plus
•
Handschuhe (steril)
Besiedelung der Hände mit pathogenen Bakterien
„Hautkrankheit (Ekzem) behandeln“ und
•
desinfizierende Händewaschung plus
•
Handschuhe
Verhütung der Infektionsübertragung aus infizierten Handläsionen
Infizierte Läsionen an den Händen
Keine Tätigkeiten mit Infektionsrisiko oder nur mit speziellen Schutzmaßnahmen (Operieren,
Umgang mit Speisen oder Medikamenten)
Details zur Händehygiene Kapitel 2.1.
Krankenhaustextilien und Betten
Krankenhaustextilien
Desinfektion:Krankenhaustextilienumfassen im Wesentlichen Bettwäsche, Textilien für
OP-, Eingriffs- und Krankenhauswäsche:DesinfektionUntersuchungsräume sowie die Berufswäsche
des medizinischen Personals. Im Sinne Krankenhaustextilien"\t""Siehe Krankenhauswäscheder
Unterbrechung von Infektionsketten werden diese Textilien häufig gewechselt. Die Wiederaufbereitung
muss sicherstellen, dass unerwünschte Mikroorganismen sicher beseitigt werden. In
Situationen mit hohem Beschmutzungs- und Kontaminationsrisiko werden häufig Schürzen,
Schutzgewänder und -tücher aus Einmalware verwendet, oft zum Schutz der exponierten
Textilien.
Die Aufbereitung von Krankenhaustextilien in Wäschereibetrieben erfordert geeignete
Hygienemaßnahmen (ÖGHMP 1981). Bettdeckendesinfektion und -reinigung stellten bis
zur Einführung waschfester und hitzeunempfindlicher synthetischer Gewebe ein Bettdecken:Desinfektiongroßes
Problem des Krankenhausbetriebs dar, weil die ursprünglich Desinfektion:Bettdeckenverwendeten
Schafwolldecken gegen Wasch- und Desinfektionsmittel empfindlich sind. Mit desinfizierenden
chemischen Reinigungsverfahren war es bis dahin kaum möglich, den hygienischen Anforderungen
zu genügen.
Die bei der chemischen Reinigung eingesetzten organischen Lösungsmittel (meist Perchlorethylen)
entfernen nur die wasserunlöslichen Verschmutzungen von den Fasern, nicht jedoch die
wasserlöslichen. Zu deren Abtragung werden Netzmittel oder Emulgatoren (sog. Reinigungsverstärker)
zugesetzt. Zur Vermeidung der Faserschädigung ist es wesentlich, den Wassergehalt
bei 60–70 % relativer Feuchte zu halten. Diese Reinigungsflotten sind nicht imstande,
das Reinigungsgut chemisch zu desinfizieren. Auch die Betriebstemperaturen reichen
hierzu nicht aus. Verschiedene Firmen versuchten deswegen, für den Zusatz zur Reinigungsflotte
geeignete Desinfektionsmittel zu entwickeln. Ihre Wirkung wurde jedoch durch den geringen
Wassergehalt beeinträchtigt, der verhinderte, dass diese Mittel in organischen Schmutzteilchen
eingeschlossene Mikroorganismen erreichten.
Ein anderer Weg, auf dem man versuchte, die chemische Reinigung von Decken mit einer
Desinfektion zu kombinieren, war das Aufsprühen von auf 100–110 °C erhitztem Perchlorethylen
auf die Decken. Auch dieses Verfahren hat sich nicht durchgesetzt.
Die Bettenaufbereitung (Kap. 6.2) umfasst die Bettwäsche (Leintuch und Überzüge),
Decke und Polsterinlet, Inkontinenzeinlagen, Matratze mit Überzug und Kern und das
Bettgestell. Bettwäsche, Decken und Inlets Bettenaufbereitungwerden desinfizierend
gewaschen, meist auch Inkontinenzeinlagen; diese benötigen aber wegen der starken
Anschmutzung besondere Waschverfahren.
Matratzen werden am wirksamsten in Desinfektionsgeräten mit Vakuumentlüftung und Wasserdampf
behandelt. Wasch bare erregerdichte Matratzenüberzüge sind günstiger als solche, die
nur eine Wisch- oder Sprühdesinfektion erlauben. Reinigung und Desinfektion des Bettgestells
werden manuell oder in Wasch- und Desinfektionsgeräten durchgeführt.
Bei der kontrovers diskutierten Frage nach Notwendigkeit, Frequenz und Art der Bettendesinfektion
sollte bedacht werden, dass jeder Patient Anrecht auf ein sauberes Bett hat, das frei
von unerwünschten Erregern ist. Besondere Bedeutung kommt dabei den unmittelbaren
Kontaktflächen zu (Bettwäsche, Holme im Griffbereich). Eine manuell durchgeführte
exakte Reinigung und ebensolche Wischdesinfektion des Bettgestells mögen den hygienischen
Anforderungen genügen. Die von Manchen als unnötig aufwändig befundenen maschinellen
Verfahren der Bettenaufbereitung erbringen, sofern sie richtig betrieben werden, gleich
bleibend gute Ergebnisse und unterstützen die Anliegen der Qualitätssicherung. Als
Desinfektionsprinzip werden Heißwasser oder Wasserdampf, evtl. in Kombination mit
chemischen Desinfektionsmitteln, eingesetzt. Für die Dampfdesinfektion haben sich
insbesondere das Dampfströmungsverfahren und das Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren (VDV-Verfahren)
bewährt und werden vom RKI (RKI 2007) anerkannt.
Instrumente und Pflegeutensilien
Es handelt sich um folgende Gegenstände: Operationsinstrumente, Anästhesiezubehör,
Endoskope, Ess- und Trinkgeräte, Fütterungsutensilien, Auffangbehälter für Sekrete,
Drainageflüssigkeiten, Stuhl und Urin; Atemgas-Waschflaschen, Blumenvasen, Irrigatoren
sowie Gebrauchsgegenstände der Patienten.
Zur mehrmaligen Verwendung bestimmte Gegenstände müssen nach jedem Gebrauch (gereinigt
und) desinfiziert werden.
Gegenstände, die nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind, sollen nur im Ausnahmefall
(definiertes validiertes Aufbereitungsverfahren und Ausschluss unerwünschter Nebenwirkungen)
wiederaufbereitet werden! Sie behindern durch ihre Konstruktion oft die wirksame Reinigung
und Desinfektion und nehmen dadurch vielleicht Schaden. Im Fall einer Wiederaufbereitung
von Single-Use-MP muss das QM der Aufbereitung zertifiziert sein (Kap. 6.1). Aus Produkthaftungsgründen
dürfen nur Gegenstände aufbereitet werden, für die geeignete Aufbereitungsverfahren
definiert sind. Auch der Schutz des Personals vor Infektionen ist dabei zu bedenken.
Maschinelle Reinigung und Desinfektion
Maschinelle Instrumentenreinigung:maschinelleReinigung und Desinfektion Instrumentendesinfektion:maschinellesind
manuellen Verfahren grundsätzlich vorzuziehen.
Das hat zwei wesentliche Gründe: Maschinen mit kombinierten Reinigungs-Desinfektions-Verfahren
erlauben, undesinfizierte Güter ohne Gefährdung von Personen zu reinigen. Das ist
wesentlich, weil nur nach guter Vorreinigung ein gleich bleibend guter Desinfektionseffekt
mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann (Verfahren der kommunalen Seuchenbekämpfung,
die aus epidemiologischen Gründen als ersten Schritt grundsätzlich eine Desinfektion
erfordern, bleiben hier außer Betracht). Ferner können thermische und chemothermische
Desinfektionsverfahren in maschinelle Reinigungsverfahren wirkungsvoll integriert
werden.
Von ausschlaggebender Bedeutung für die Desinfektionswirkung solcher Maschinen ist
die Güte ihres Reinigungssystems. Das gilt besonders dann, wenn der zu beseitigende
Schmutz stark erregerhaltig ist (z. B. Stuhl); in solchen Fällen können schon kleinste
Schmutzreste ein Versagen der anschließenden Desinfektion zur Folge haben.
Die in der Praxis erzielte Reinigungswirkung hängt nicht nur von konstruktiven Details
der Maschine ab, sondern ebenso von ihrer richtigen Beschickung (spülgerechte Lagerung
der Güter, keine Überladung der Maschine, keine Behinderung der beweglichen Teile
des Reinigungssystems, keine Spülschatten) und ihrer ordnungsgemäßen Wartung (Reinigung
von Düsen, Schmutzfangsieben etc.; Hinweise auf konstruktive Details der Maschinen
und auf die Verfahren zur Prüfung der Reinigungswirkung vgl. Koller 2008a, b).
Zu hohe Temperaturen (> 45 °C) in der Reinigungsphase beeinträchtigen bei organischen
Verunreinigungen durch Koagulation nativer Proteine ebenfalls das Reinigungsergebnis.
Die in den Programmablauf der Maschinen integrierten thermischen Desinfektionsverfahren
bestehen meist darin, dass Heißwasser (z. B. 85 °C für 1 Minute) oder Wasserdampf
(z. B. 100 °C für 3 Minuten) auf die gereinigten Güter aufgebracht wird, während bei
chemothermischen Verfahren dem nicht ganz so heißen Wasser (z. B. 40, 50 oder 60 °C)
chemische Wirkstoffe (Aldehyde, Phenole, Chlorabspalter, Amphotenside, Peressigsäure)
zugesetzt werden. Je niedriger die Temperatur ist, desto länger ist die nötige Einwirkzeit
und desto größer ist die Anfälligkeit des Desinfektionsverfahrens gegenüber Störfaktoren,
insbesondere gegenüber Reinigungsmängeln. Die bei Umgebungstemperatur angewandten
chemischen Desinfektionsverfahren schneiden diesbezüglich besonders ungünstig ab.
Nach jahrzehntelangem Drängen der Hygieniker haben sich maschinelle Aufbereitungsverfahren
(RDG = Reinigungs- und Desinfektionsgeräte, engl. washer disinfectors) für viele Gruppen
medizinischer Hilfsmittel durchgesetzt. Verfahren mit thermischer Desinfektion sind
üblich für OP- und Untersuchungsinstrumentarium aus Metall oder Verbundwerkstoffen,
Anästhesiezubehör, Essgeschirr und -besteck, Fütterungsutensilien, Auffangbehälter
für Sekrete und Drainageflüssigkeiten, Atemgas-Waschflaschen, Blumenvasen, Irrigatoren,
Steckbecken, Urinflaschen u. a. Die chemothermische Desinfektion in speziellen Waschmaschinen
für hitzeempfindliche Gegenstände hat sich gleichermaßen für differenzierte Geräte
wie flexible Endoskope oder Hämodialysemaschinen und einfache Gegenstände wie Kunststoff-OP-Schuhe
bewährt. Inzwischen sind diese Sachverhalte auch durch Medizinproduktegesetze der
Länder reguliert.
Reinigung und Desinfektion ohne apparative Unterstützung
Manuelle Instrumentenreinigung:manuelle
Instrumentendesinfektion:manuelleReinigung und Desinfektion von infektionskritischen
Medizinprodukten sind nur in speziellen Fällen und nur mit speziellen Schutzvorkehrungen
zulässig.
Die chemische Desinfektion bei Umgebungstemperatur im Tauchbad ist trotz beschränkter
Wirksamkeit immer noch anzutreffen. Die manuelle Aufbereitung medizinischer Güter
war früher weit verbreitet. Entgegen früherer Auffassung, die wegen des Personalschutzes
die Reinigung erst nach der Desinfektion gestattet hat (UVV), ist unter sorgfältiger
Einhaltung des Personalschutzes in jedem Fall vor der Desinfektion eine gründliche
nicht eiweißfixierende Vorreinigung durchzuführen, weil es andernfalls zur Fixierung
der Verschmutzung kommt. Das beinhaltet das Anlegen ggf. von schnittfesten Handschuhen,
Schürze, Mund-Augen-Schutz, keine Verwendung von Bürsten oder Reinigungsdüsen wegen
der Gefahr infektiöser Spritzer oder Aerosole, geordnete Beseitigung der Schutzkleidung
und die Desinfektion von Händen und Arbeitsflächen nach Abschluss der Reinigungsarbeiten.
Auf ausreichende Belüftung des Arbeitsplatzes (u. U. gezielte Arbeitsplatzabsaugung)
ist zu achten.
Desinfizierte Güter sollen grundsätzlich möglichst rasch getrocknet und trocken gelagert
werden.Pflegeutensilien, Desinfektion\"\r\"DesinfMassnInstr
Instrumentendesinfektion\"\r\"DesinfMassnInstr
Desinfektion:Pflegeutensilien\"\r\"DesinfMassnInstr
Desinfektion:Instrumente\"\r\"DesinfMassnInstr
Medizinisch-technische Geräte
Medizinisch-technische Geräte sind gesondert zu besprechen, weil sie meist neben Teilen,
die mit medizinisch-technische Geräte:ReinigungPatienten in direkten oder indirekten
Kontakt kommen, feinmechanische, optische medizinisch-technische Geräte:Desinfektionoder
elektronische Elemente besitzen, die durch Desinfektionsmaßnahmen beschädigt werden
können. Grundsätzlich sind medizinisch-technische Geräte so aufzubereiten, dass sie
für die Anwendung am nächsten Patienten sicher sind. Voraussetzung dafür ist eine
Bauart, die wirksame Aufbereitungsverfahren zulässt. Viel zu oft blieb dieses Gebot
in der Vergangenheit unbeachtet. Oft wurden Geräte angeschafft, die eine wirksame
und sichere Desinfektion nicht zulassen.
Im Folgenden sind wichtige hygienische Grunderfordernisse an Bauart und Beschaffenheit
medizinisch-technischer Geräte aufgezählt:
•
Reinigbarkeit: Teile des Geräts, die mit dem Patienten oder seinen Ausscheidungen
in Kontakt treten, müssen einfach demontierbar und maschinell zu reinigen sein.
•
medizinisch-technische Geräte:Reinigbarkeit
Desinfizierbarkeit: Geräteteile, die mit Haut, Schleimhaut, Ausscheidungen oder Flüssigkeiten
zur Befeuchtung der Atemluft in Berührung kommen, müssen – möglichst medizinisch-technische
Geräte:Desinfizierbarkeitin feuchter Hitze – desinfizierbar sein. Dazu müssen diese
Geräteteile so beschaffen sein, dass sie durch Temperaturen von ≥ 85 °C sowie durch
vorübergehende Feuchtigkeit nicht beschädigt werden.
•
Sterilisierbarkeit: Geräteteile, die mit Wunden, Gewebe, sterilen Körperhöhlen oder
dem Blutkreislauf des Menschen in Kontakt treten, müssen – möglichst in gespanntem
und medizinisch-technische Geräte:Sterilisierbarkeitgesättigtem Wasserdampf – sterilisierbar
sein. Nur Geräteteile, die nach heutigem Stand des Wissens nicht aus genügend hitze-,
wasser- und druckfesten Materialien hergestellt werden können, dürfen mit anderen,
weniger sicheren Verfahren als den genannten desinfiziert bzw. sterilisiert werden.
•
Keine Vermehrung von Mikroorganismen an kritischen Geräteteilen: Geräteteile, die
direkt oder indirekt mit dem Patienten in Kontakt treten, sollen keine unzugänglichen
Feuchtigkeitsreservoire oder Dichtungen aufweisen und müssen zerlegbar und zu reinigen
sein.
•
Hygienische Unbedenklichkeit der Betriebsmittel: Betriebsmittel von medizinisch-technischen
Geräten (Gase,
Flüssigkeiten, Schmiermittel) können unerwünschte Mikroorganismen enthalten medizinisch-technische
Geräte:Unbedenklichkeit, hygienischeund – auch wenn sie nur in Spuren mit dem Patienten
in Kontakt kommen – übertragen. Wenn Betriebsmittel mit dem Patienten direkt oder
indirekt in Kontakt kommen können, müssen sie hygienisch unbedenklich sein. Sie müssen
keimarm sein in Situationen, die eine Desinfektion erfordern, oder keimfrei in Situationen,
die eine Sterilisation erfordern. Darüber hinaus sollen sich Mikroorganismen in Betriebsmitteln
während des Betriebs oder während Standzeiten nicht vermehren können.
Es sollen nur medizinisch-technische Geräte angeschafft werden, die diesen Anforderungen
entsprechen. Zur Reinigung und Desinfektion sind sinngemäß die vorher ausgeführten
Verfahren anzuwenden. Im Hinblick auf Qualitätssicherung und Produkthaftung ist das
Augenmerk auf gute Definition und Standardisierung sowie auf die Möglichkeit der Dokumentation
des Aufbereitungsablaufs zu lenken, Aspekte, die maschinellen und programmgesteuerten
Verfahren eindeutig den Vorzug geben. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, empfiehlt
es sich, mit einem Hygieniker Kontakt aufzunehmen, um z. B. konstruktive Änderungen,
vielleicht unter Einbeziehung von Einmalware, vorzunehmen.
Ausscheidungen
Ausscheidungen von Kranken (Stuhl, Urin, Erbrochenes, Blut, Wundsekret u. a.) werden
meist in Behältern aufgefangen.Ausscheidungen:Desinfektion Bei der Frage nach der
Desinfektion ist daher an die Desinfektion:AusscheidungenAusscheidungen selbst und
ihre Behältnisse zu denken.
Behältnisse, AusscheidungenBehältnisse müssen, sofern sie wiederverwendet werden,
grundsätzlich gereinigt und desinfiziert werden.
In besonderen Fällen, z. B. für das Sammeln von Auswurf Tuberkulosekranker, wird man
billige Einmalbehälter wählen, die samt Inhalt verbrannt werden.
Die Ausscheidungen:BeseitigungAusscheidungen selbst müssen im Allgemeinen nicht desinfiziert,
sondern nur geordnet beseitigt werden.
Unter geordneter Beseitigung wird in diesem Zusammenhang verstanden, dass die Ausscheidungen
unter Vermeidung der Kontamination von Menschen und Gegenständen der Kanalisation
zugeführt werden. Eine Desinfektion vor der Einleitung in die Kanalisation ist nur
in besonderen, von den Gesundheitsbehörden definierten Fällen (z. B. Pest, Cholera,
Milzbrand) zu veranlassen.
Da die zu treffenden Mikroben in diesem Fall meist von großen Mengen organischer Stoffe
umgeben sind, können nur von thermischen Desinfektionsverfahren Erfolge erwartet werden.
Insbesondere für geformte Ausscheidungen ist das Verbrennen oder Autoklavieren die
Methode der Wahl. Vegetative Bakterien und Viren, nicht aber Bazillen- und Clostridiensporen
können auch durch Auskochen abgetötet werden.
Chemische Desinfektionsmittel sollten nur gemeinsam mit erhöhter Temperatur (chemothermisches
Verfahren) und nur zur Desinfektion ungeformter Ausscheidungen verwendet werden.
Eine chemische Desinfektion von Ausscheidungen bei Umgebungstemperatur bedarf folgender
Festlegungen und Einschränkungen:
•
lange Einwirkzeit (6–12 Stunden),
•
nicht zu geringe Temperatur (≥ 15 °C),
•
hohe Konzentration des Desinfektionsmittels (möglichst Formaldehyd, evtl. in Kombination
mit anderen Aldehyden; Chlor nur bei Möglichkeit der Kontrolle des freien aktiven
Chlors im Reaktionsgemisch; andere Wirkstoffe sind nicht empfehlenswert),
•
keine geformten Anteile im Reaktionsgemisch oder geformte Anteile homogen suspendieren,
dabei sollen aber weder die Umgebung noch der Durchführende kontaminiert werden.
Flächendesinfektion
Bedeutung von Oberflächen im Infektionsgeschehen
Pathogene mit hoher Toleranz für widrige Umgebungsbedingungen (Hautstaphylokokken,
S. aureus, Enterokokken, aber auch einige Virusspezies und Parasiten) können auf unbelebten
Oberflächen gut (manche wochen- und monatelang!) überleben. Hoher Keimgehalt und organische
Begleitstoffe (Sekrete, Exkrete) ermöglichen auch gramnegativen, trocknungsempfindlichen
Mikroben längeres Überleben auf Oberflächen.
Meist werden die Erreger durch unmittelbaren Kontakt auf die Oberflächen aufgebracht
und weiterverbreitet. Berührung mit den Fingern spielt Oberfläche(n):Bedeutung im
Infektionsgeschehendabei die wesentliche Rolle. Die Haut der Fingerkuppen besitzt
aufgrund ihrer Reliefstruktur und der Nagelfalze eine ähnliche „Unerschöpflichkeit“
wie ein Stempelkissen. Die aerogene Kontamination von Oberflächen, d. h. die Sedimentation
mikrobenhaltiger Partikel aus der Luft auf Oberflächen, ist dagegen nur in speziellen
Fällen bedeutsam (z. B. aerogene Kontamination von Oberflächen in unmittelbarer Umgebung
eines virulenten S.-aureus-Stamm-Trägers).
Unerwünschte Erreger sind im Krankenhaus häufig auf Fußböden, Arbeitsflächen, Waschbecken,
Armaturen und anderen Oberflächen anzutreffen. Solche Befunde sind nur dann relevant,
wenn sie von dort einen Weg zum Patienten finden (z. B. wenn auf den Boden gefallene
Gegenstände ohne Desinfektion weiterverwendet werden, Wasserarmaturen oder Türgriffe
mit den Fingern bedient werden, die Erreger aufgewirbelt werden). Nur für patientennahe
Oberflächen (z. B. unmittelbare Arbeitsflächen, Ablageflächen für Instrumente und
für Reingut) ist gesichert,
dass die Desinfektion zur Infektionsvermeidung beiträgt. Für patientenferne Oberflächen
(Fußböden, Wände, Plafonds) konnten keine Zusammenhänge zwischen Aufbereitungstechnik
(mechanische Reinigung versus Desinfektion) und Infektionsquoten gesichert werden.
Gesichert ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass gut wirksame und hygienisch einwandfreie
Reinigungstechniken unverzichtbar sind (Kap. 2.5). Allerdings werden heute selbst
in Nordamerika Maßnahmen zur routinemäßigen Flächendesinfektion bei Vorherrschen von
MRSA, VRE oder anderen multiresistenten potenziellen Erregern nosokomialer Infektionen
sowie in Risikobereichen gefordert, da nur durch eine Multibarrierenstrategie Schwachstellen
überbrückt werden können.
Hygienemaßnahmen auf Oberflächen, Flächendesinfektion
Zu den Hygienemaßnahmen auf Oberflächen zählen die Nichtkontamination, die Reinigung
und die Desinfektion bzw. kombiniert die desinfizierende Reinigung.
Beispiele zur Vermeidung einer Kontamination sind die Verwendung von Einmalunterlagen
auf Arbeitsflächen, technische Einrichtungen wie Annäherungsautomatik oder Ellbogenhebel
bei Wascharmaturen, Oberfläche(n):KontaminationsvermeidungBetätigung von Türgriffen
mit Ellenbogen oder Unterarm statt mit den Fingern.
Reinigungsmaßnahmen dienen der mechanischen Entfernung von Mikroorganismen. Im Medizinbetrieb
kommen Oberflächenreinigungdafür nur bestimmte Verfahren in Frage (Kap. 2.5):
•
Reinigung:Oberflächen\t\"Siehe OberflächenreinigungTrockenreinigung mit speziell ausgerüsteten
Staubsaugern (bakteriendichte Abluftfilter, Abluftdiffusor) oder zentrale Saugeinrichtung
mit Saugsteckdose an der Wand,
•
Trockenreinigung, OberflächenFeuchtreinigung im Wischverfahren mit angefeuchteten
(Wasser oder Öl) Wischtüchern,
•
Nassreinigung Feuchtreinigung, Oberflächenmittels Lappen oder Mopp; früher meist nach
der Zwei-Eimer-Methode, heute bevorzugt mit Systemen, bei denen ein Mopp nur für eine
begrenzte Fläche (z. B. ein Nassreinigung, OberflächenKrankenzimmer) eingesetzt und
dann ohne Auswaschen in der Reinigungslösung für die Aufbereitung (maschinelles Waschen
mit Kochprogramm) abgelegt wird (s. u.).
Für größere Oberflächen haben sich Bodenreinigungsmaschinen durchgesetzt. Diese bearbeiten
den Boden mit Vliesgewebe oder Bürstscheiben und Reinigungslösung; letztere wird im
selben Arbeitsgang mithilfe starker Wassersauger samt darin suspendiertem Schmutz
abgesaugt. Damit werden ein guter Reinigungseffekt und das rasche Abtrocknen der Oberflächen
nach der Reinigung begünstigt.
Flächendesinfektion bedeutet Abtötung oder Inaktivierung von Mikroorganismen auf Oberflächen
durch chemische Mittel. Das bevorzugte Verfahren ist ein Wischverfahren gemeinsam
mit der Flächendesinfektion:Verfahrenoder im Anschluss an die Nass- oder Feuchtreinigung.
Sprühverfahren sind beliebt, aber nicht sicher wirksam (vollständige Benetzung der
Oberfläche muss erreicht werden; besonders schwierig bei schrägen oder vertikalen
Flächen!). Dieser Unsicherheitsfaktor und die Belastung der Atemluft mit unerwünschten
Stoffen sind wichtige Argumente gegen eine Sprühanwendung.
Für Krankenhäuser sind differenzierte Reinigungs- und Desinfektionspläne zu erarbeiten,
die einerseits die routinemäßig durchzuführenden Maßnahmen definieren, andererseits
auch Richtlinien geben müssen, bei welchen Gelegenheiten gezielte Maßnahmen der Desinfektion
erforderlich sind. Flächenreinigung und -desinfektion stellen für das Krankenhaus
vor allem durch den hohen Personalaufwand einen beträchtlichen ökonomischen Faktor
dar. Daher müssen bei diesen Maßnahmen neben den hygienischen Aspekten auch wirtschaftliche
Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
An Verfahren zur Flächendesinfektion sind folgende Anforderungen zu stellen:
•
Ausreichendes Wirkungsspektrum: Die erwarteten Erreger müssen wirksam erfasst werden;
für Mykobakterien, Flächendesinfektion:Anforderungenmanche Viren und Pilze sind häufig
andere/höhere Konzentrationen und Einwirkzeiten nötig als für vegetative Bakterien.
Eine sporozide Wirkung ist auf normalen Oberflächen weder notwendig noch kann sie
mit den üblichen Flächendesinfektionsverfahren erreicht werden.
•
Praxisgerechte Einwirkungszeit: Auf Fußböden soll die Desinfektionswirkung nach 1
Stunde erreicht sein, im Sanitärbereich und auf medizinischen Arbeitsflächen sind
kürzere Einwirkzeiten erwünscht und erreichbar.
•
Kompatibilität mit in der Praxis vorkommenden Substanzen: Die desinfizierende Wirkung
soll durch Substanzen, die sich auf zu desinfizierenden Flächen befinden, nicht beeinträchtigt
werden. Im medizinischen Bereich stellen insbesondere Eiter und Ausscheidungen sowie
Blut erschwerende Begleitstoffe dar. Das gilt vor allem für tensidische und chlorabspaltende
bzw. peroxidhaltige Desinfektionsmittel, die dadurch beeinträchtigt werden (Eiweißfehler).
Solche Mittel dürfen daher nur auf vorgereinigten Flächen angewendet werden. Die Wirkung
vieler Desinfektionsmittel wird auch durch Seifen eingeschränkt (Seifenfehler). Daher
dürfen einem Flächendesinfektionsmittel nicht ohne weiteres Seife oder andere Tenside
zwecks Verbesserung der Reinigungswirkung zugemischt werden.
•
Unschädlichkeit bei der Anwendung: Die sachgemäße Anwendung eines Verfahrens darf
keine toxischen, allergenen, mutagenen, karzinogenen oder teratogenen Schädigungen
erwarten lassen. Eine geringe Aggressivität für Haut und Schleimhäute muss bei gut
wirksamen Flächendesinfektionsmitteln in Kauf genommen werden, weshalb die Schutzmaßnahmen
einzuhalten sind.
Durch anwendungstechnische Maßnahmen wie Handschuhpflicht für das Reinigungspersonal
ist jeder direkte Kontakt mit der Desinfektionslösung zu verhindern.
Ein Desinfektionsverfahren darf nicht mit Explosions- oder Feuergefahr verbunden sein,
wie das bei unsachgemäßer Anwendung alkoholhaltiger Mittel der Fall sein kann.
Wirkstoffe zur Flächendesinfektion
Die im Folgenden angeführten Wirkstoffe finden allein oder in Kombination in vielen
handelsüblichen Flächendesinfektionsmitteln Anwendung:
•
Glutaral,
Flächendesinfektion:Wirkstoffe
Formaldehyd und Glyoxal, meist in Kombination Glutaral:Flächendesinfektionuntereinander
und gemeinsam mit tensidischen Wirkstoffen. Diese Formaldehyd:FlächendesinfektionProduktgruppe
weist ein breites Wirkspektrum ohne wesentliche Lücken auf und ist,Glyoxal:Flächendesinfektion
insbesondere bei ausreichendem Formaldehydanteil, auch für Situationen mit stärkerer
organischer Belastung des Desinfektionsguts geeignet. Zu beachtende Nachteile sind
Schleimhautreizung bei großflächigem Einsatz und schlechter Belüftung sowie Hautreizungen
bei Kontakt mit der Gebrauchslösung. Anwendung daher in richtiger Dosierung, nicht
in heißem oder warmem Wasser (Geruchsbelästigung) und nicht ohne Handschuhe.
•
Phenolderivate wirken verhältnismäßig rasch, werden durch organische Begleitstoffe
nur mäßig gehemmt und weisen ein breites Wirkungsspektrum auf. Gegen Enteroviren ist
ihre Wirkung Phenol(e):Flächendesinfektionnur gering. Die Kombination mit waschaktiven
Substanzen ist möglich. Wegen der Gefahr, bei Neugeborenen und Frühgeborenen eine
Hyperbilirubinämie zu verursachen, werden sie in diesen Abteilungen nicht eingesetzt.
•
Amphotenside, Quats und Amine haben eine gute Reinigungswirkung Amine:Flächendesinfektionund
sind wenig aggressiv, besitzen aber ein eingeschränktes Quats:FlächendesinfektionWirkungsspektrum
(Schwächen gegenüber Pilzen, Mykobakterien und Amphotenside:FlächendesinfektionViren)
und einen deutlichen Eiweißfehler. In Kombination mit guten Reinigungsmethoden und
bei langen Einwirkzeiten ergibt sich eine akzeptable Desinfektionswirkung. Im Krankenhaus
kann ihr Einsatz nur in Niedrigrisikobereichen und nur im Zusammenhang mit optimalen
Reinigungsmethoden akzeptiert werden.
•
Natriumhypochlorit und organische Chlorabspalter (Chloramine, Di- und Trichlorisocyanurate
usw.) Natriumhypochlorit, Flächendesinfektion wirken rasch und besitzen ein breites
Wirkungsspektrum mit guter virozider Wirkung. Wegen der starken Chlorzehrung durch
organische Substanzen Chlorabspalter, organische, Flächendesinfektiondürfen sie nur
auf reinen oder vorgereinigten Flächen verwendet werden. Kombiniert mit Scheuermitteln
eignen sie sich gut zur Reinigung und Desinfektion im Sanitärbereich.
•
Ethanol und die beiden Propanole sind in Konzentrationen wie zur Händedesinfektion
auch im Ethanol:FlächendesinfektionWischverfahren rasch wirksame Flächendesinfektionsmittel
mit breitem Wirkungsspektrum bei geringer Propanol(e):FlächendesinfektionBeeinträchtigung
durch organische Ballaststoffe. Vor großflächiger Aufbringung oder Anwendung im Sprühverfahren
ist wegen Explosions- und Brandgefahr abzuraten.
•
Peressigsäure und Perameisensäure eignen sich zur Anwendung an korrosionsbeständigen
Oberflächen (Peressigsäure:Flächendesinfektioninsbesondere Kunststoffen) und finden
in Situationen Einsatz, wo eine sporozide Wirkung Perameisensäure, Flächendesinfektiongewünscht
wird (z. B. im Rahmen der Schutzisolierung bei Knochenmarktransplantation). Alternativ
kommen organische Peroxide in Betracht.
Richtige Dosierung von Flächendesinfektionsmitteln
Die meisten Flächendesinfektionsmittel werden als Konzentrate geliefert und sind in
Gebrauchsverdünnungen, häufig von 0,5 %, anzuwenden. In der Praxis macht die richtige
Einstellung der Flächendesinfektionsmittel:DosierungDesinfektionslösung oft Schwierigkeiten.
Bei manueller Herstellung müssen vom Reinigungspersonal Dosierhilfen verwendet werden,
z. B. Messbecher mit deutlicher Markierung, Dosierpumpen, die auf den Konzentratbehälter
aufgeschraubt werden, oder Beutel und Tuben, die eine auf einen Eimer Wasser abgestimmte
Portion enthalten. Nicht akzeptabel ist das Zugeben eines „Schusses“ des Konzentrats
nach Gutdünken. Vorsicht ist auch geboten bei der Herstellung von Konzentrationen,
die nur einen oder zwei Hübe der Dosierpumpe benötigen, denn viele dieser einfachen
Handpumpen dosieren erst ab dem dritten Hub richtig!
Vielfach werden automatische Zumischanlagen zur Herstellung der Gebrauchslösung des
Flächendesinfektionsmittels verwendet; häufig funktionieren sie aber nicht einwandfrei.
Bei manchen Anlagen ist die Konzentration der abgegebenen Lösung vom Wasserdruck abhängig
oder es wird übersehen, dass der Konzentratbehälter leer oder die Zumischdüse verstopft
ist. In Perioden ohne Anwesenheit von Desinfektionsmittel kann es zur Ansiedlung von
Bakterien, vor allem Pseudomonas-Arten, im Leitungssystem der Zumischanlage kommen
(Biofilme). Diese Mikroben können eine erhöhte Chemoresistenz entwickeln. Vor allem
große zentrale Anlagen, die ein ganzes Haus versorgen, neigen zu solchen Problemen
und sind daher nicht zu empfehlen. Dezentrale Zumischanlagen sind besser kontrollierbar
und können dort, wo ein Flächendesinfektionsmittel häufig verwendet werden muss, sinnvoll
sein. Dosieranlagen sollen den technischen Anforderungen entsprechen, wie sie z. B.
in Deutschland (Behrend et al. 1978) und in Österreich (Friebes und Dosch 1980) in
Richtlinien festgelegt sind, und müssen regelmäßig kontrolliert werden.
Reinigung und Desinfektion von Fußböden sowie Wartung der Reinigungs- und Desinfektionsutensilien
Kapitel. 2.5.
Desinfektion von Wänden, Decken und Einrichtungsgegenständen
Wände, Decken und Einrichtungsgegenstände Desinfektion:Wändein medizinisch genutzten
Bereichen des Krankenhauses müssen Desinfektion:Deckenabwaschbar sein, um sie zu reinigen
und, wenn notwendig, Desinfektion:Einrichtungsgegenständedesinfizieren zu können.
Wände sollen routinemäßig bis in Greifhöhe gereinigt werden. Eine Desinfektion wird
nur nach Kontamination (z. B. Verspritzen infektiöser Sekrete) oder im Rahmen der
Sanierung eines Raums nach Entlassung eines infektiösen Patienten für nötig erachtet
(Wischdesinfektion). Patientennahe Arbeitsflächen, auf denen auch saubere Güter und
Behandlungsbehelfe abgelegt werden, sollen routinemäßig wischdesinfiziert werden.
Für häufig berührte Gegenstände (Türklinken, Telefonhörer etc.) ist das zumindest
in epidemischen Situationen ebenfalls angezeigt. Diese Maßnahmen können aber die viel
wichtigere Nichtkontamination (berührungsfreie Techniken) und die Händehygiene nicht
ersetzen, sondern nur ergänzen.
Luft
Die Dekontamination der Luft soll die Entstehung aerogener Infektionen verhüten helfen.
Unter Flächendesinfektion\"\r\"Flaechendesinfaerogener Infektion ist hier nicht die
als Tröpfcheninfektion bekannte Übertragungsart zu verstehen, bei der z. B. Husten-
oder Sprechtröpfchen der Infektionsquelle auf das Infektionsziel geschleudert werden,
sondern die Übertragung, bei der Luft das die Suspension und Translokation von Mikroorganismen
bewirkende Medium darstellt. Mit wenigen Ausnahmen (Tab. 2.12
) spielt dieser Infektionsweg im Krankenhaus gegenüber den anderen Übertragungsmöglichkeiten
eine untergeordnete Rolle. Eine Beziehung zwischen Luftkoloniezahl und Häufigkeit
von mikrobieller Besiedelung oder Infektion von Menschen lässt sich nur in speziellen
Fällen, z. B. bei großen orthopädischen Operationen, feststellen.
Tab. 2.12
Beispiele für luftübertragene Krankenhausinfektionen.nosokomiale Infektion(en):luftübertrageneKrankenhausinfektionen\t\"Siehe
nosokomiale Infektion(en)
Infektionsquelle
Übertragungsdistanz
Primärer Keimträger
Beispiel für Krankenhausinfektionen
Personen
Weit (Raum zu Raum)
Kleine Tröpfchen (ca. 5 μm) (kurzlebig: < 2 min)
Masern, Tuberkulose
Trockene Partikel (ca. 5–10 μm) von Respirationstrakt, Haut (langlebig: Tage)
Tuberkulose, Pocken
Mittelweit (im selben Raum)
Trockene Partikel (ca. 15–25 μm) von Nase, Haut, Exsudat (langlebig: Tage)
Wundinfektionen durch Staphylo- und Streptokokken, Pilze
Kurz (< 3 m)
Große Tröpfchen (> 100 μm) aus Respirationstrakt (kurzlebig: < 2 min)
Respiratorische Infektionen durch Pneumokokken; Infektionen durch Meningokokken, Haemophilus
spp. und Virusgrippe
Unbelebte Infektionsquellen
Weit
Kleine Partikel (< 5 μm) aus Klimaanlagen
Kurz oder innerhalb des Respiratorkreislaufs
Größere Partikel (> 5 μm) aus Raumluftbefeuchtern
Respiratorische Infektionen durch Enterobakterien und Pseudomonaden
Kleine und große Partikel
Sofern aerogene Infektionen eine Rolle spielen und die Streuung der Erreger nicht
schon an der Infektionsquelle blockiert werden kann (wie bei Klimaanlagen, Raumluftbefeuchtern
oder Beatmungsgeräten), sollte die Blockierung des aerogenen Übertragungswegs einen
positiven Effekt zeitigen. Das lässt sich entweder durch Filtration der Luft oder
durch physikalische oder chemische Inaktivierung der luftgetragenen Mikroorganismen
Raumluft:Filtrationerreichen.
Schon ausgiebiges Lüften eines Raums kann eine Keimzahlverminderung von bis zu 80
% bewirken. Verlässlicher und mit einem besser Mikroorganismen:luftgetragene, naktivierungkalkulierbaren
Wirkungsgrad werden raumlufttechnische Anlagen (RLTA) eingesetzt, z. B. in OP-Einheiten.
Eine früher oft geübte Form der Luftdekontamination ist die durch UV-Strahlen. Diese
Methode ist nur unter streng definierten und standardisierten UV-Strahlen:LuftdekontaminationBedingungen
zuverlässig und daher heute auf sehr umschriebene Anwendungen Luftdekontamination:UV-Strahlenbeschränkt
(z. B. Entkeimung von Werkbänken und Arbeitsboxen für infektiöse oder infektionsriskante
Tätigkeiten).
Eine chemische Luftdekontamination während des Aufenthalts von Personen im Raum durch
Verdampfen oder Versprühen von Glykolen oder anderen Desinfektionsmitteln ist abgesehen
vom umstrittenen Luftdekontamination:chemischemikrobioziden Effekt solcher Maßnahmen
aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen. Das Risiko einer Gesundheitsschädigung
durch chemisierte Atemluft steht in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen. Die
Formaldehyd-Wasserdampf-Raumdesinfektion im Rahmen der Schlussdesinfektion (s. d.)
ist nur in Sonderfällen indiziert und keinesfalls routinemäßig anzuwenden.
2.4.6
Organisation der Desinfektionsmaßnahmen
Schwerpunkte
Luftdekontamination\"\r\"LuftdesinfZunächst ist es Desinfektionsmaßnahmen\"\r\"DesinfektMassnahmennötig,
Schwerpunkte festzulegen. Die verfügbaren Mittel und Kräfte müssen auf die wichtigen
Infektionsüberträger konzentriert werden. Anhaltspunkte für Kriterien zur Beurteilung
der Gefährlichkeit bestimmter Infektionsüberträger und entsprechende Beispiele Tabelle
2.13
. Die Desinfektion von Händen, Instrumenten und Ausscheidungsbehältern hat einen hohen
Stellenwert, die von Wänden oder Fußböden einen niedrigen.
Tab. 2.13
Bewertung des Infektionsrisikos, das von Gegenständen und Medien im Krankenhaus ausgehen
und mit Desinfektionsmaßnahmen vermindert werden kann (mit praktischen Beispielen
in Klammern).Übertragungsrisiko:niedrigesÜbertragungsrisiko:hohesInfektionsrisiko:niedrigesInfektionsrisiko:hohesInfektionsrisiko:Bewertung
Risikofaktor
Übertragungs- und Infektionsrisiko
Hoch
Niedrig
Patientenkontakt
Häufig und intensiv(Hände, Instrumente, patientennahe Flächen, Berührung mit Wunden
und Schleimhäuten)
Gering(Wände, Fußboden, kein Patientenkontakt oder Kontakt nur über gesunde Haut)
Gegenstände
•
Kontamination durch Gebrauch
Wahrscheinlich (Fäkal-, Urin-, Sekretbehälter)
Unwahrscheinlich(Tablettenbehälter)
•
Zeit bis zur nächsten Verwendung
Kurz (Ambulanzinstrumente)
Lang (selten gebrauchte Spezialinstrumente)
•
Aufbewahrung nach Gebrauch
Feucht
Trocken
•
Reinigung und Desinfektion
Schwierig (englumige Sonden)
Einfach (gut zu reinigende Gegenstände aus beständigen Werkstoffen)
•
Kontaminationsschutz für Reingut
Nicht vorhanden (unverpackte Aufbewahrung)
Gut (Desinfektion in geeigneter Verpackung)
Zusätzlich zu Desinfektionsmaßnahmen muss in der Praxis entschieden werden, ob eine
Sterilisation nötig ist (bei Kontakt mit Gewebe, Blut oder sterilen Körperhöhlen)
oder ob Einmalware zu bevorzugen ist.
Verfahrensauswahl
Bei der Auswahl eines Desinfektionsverfahren:AuswahlDesinfektionsverfahrens werden
die Weichen für den späteren Erfolg oder Misserfolg gestellt. Qualität und Kapazität
eines Verfahrens, seine Kompatibilität mit bestehenden Systemen, Verfügbarkeit und
Qualität eines Kundendienstes, Verfügbarkeit des notwendigen Personals und Verfügbarkeit
der nötigen Betriebsmittel sind einige Faktoren, die vor der Anschaffung geklärt sein
müssen.
Vorkehrungen für Zuverlässigkeit und Sicherheit im praktischen Betrieb
Desinfektionsgeräte bedürfen der Abnahmeprüfung durch Fachleute, um durch Transportschäden
oder Installationsfehler bedingte Mängel zu entdecken.
Jedes Desinfektionsverfahren ist nur so gut wie seine Gebrauchsanweisung. Die wichtigsten
Bedienungs-, Kontroll- und Schutzanweisungen müssen dem Anwender jederzeit in kurzer,
Desinfektionsverfahren:Gebrauchsanweisungverständlicher und leicht lesbarer Form zur
Verfügung stehen. Komplizierte maschinelle Verfahren erfordern neben einer schriftlichen
Betriebsanleitung eine persönliche Einführung oder einen eigenen Ausbildungskurs für
das Bedienungspersonal.
Laufende Desinfektionsverfahren:KontrollenFunktionskontrollen sind sehr wesentlich,
weil bereits geringgradige Änderungen der Betriebsbedingungen die Wirksamkeit von
Desinfektionsverfahren stark beeinträchtigen können.
Mikrobiologische Kontrollen besitzen zwar eine hohe Aussagekraft, sind aber meist
zu aufwändig und beschränken sich daher in der Regel auf die periodischen behördlichen
Kontrollen von Desinfektionsmaschinen durch Fachleute. Deshalb haben die genaue Festlegung
und laufende Kontrolle der beobachtbaren oder messbaren Bedingungen (Temperatur, Einwirkzeit,
Druck bei Wasserdampf, Art und Konzentrationseinstellung bei chemischen Wirkstoffen,
Reinigungseffekt, Beachtung von Beschickungsart, Chargengröße und evtl. Ablauffristen;
Prozessvalidierung) besondere Bedeutung für die tägliche Praxis.
Bei Reinigungs-Desinfektions-Geräten (RDG) sind automatisierte technische Funktionskontrollen,
die bei Abweichung der kontrollierten Bedingung eine Fehlermeldung oder eine automatische
Kompensation einleiten, wünschenswert.
Behandelte Güter sind zu kennzeichnen, damit desinfizierte Gegenstände nicht mit noch
nicht desinfizierten verwechselt werden.
Dazu sind Behandlungsindikatoren in Form beigelegter Kartonkärtchen oder präparierter
Verpackungsmaterialien, die durch die Desinfektion charakteristisch verändert werden,
geeignet.
Die zu einem Desinfektionsverfahren gehörigen technischen Behelfe und Maschinen bedürfen
der ständigen Wartung und Instandhaltung.
Inspektionen durch den Werkkundendienst, die nur beim Auftreten von Mängeln bestellt
werden, reichen nicht aus. Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten müssen laufend stattfinden,
damit Mängel gar nicht erst auftreten. Diese Arbeiten sollen in festgelegten Zeitintervallen
und nach einem standardisierten Schema (Checkliste) vorgenommen werden.
Zur Vermeidung von Unfällen (Unfallrisiko durch gespannten Dampf, Heißwasser oder
gefährliche chemische Wirkstoffe) sind strenge Sicherheitsvorkehrungen schriftlich
festzulegen.Desinfektionsverfahren:Vorkehrungen, Sicherheit/Zuverlässigkeit\""\r""DesinfVerfVorkehrSich
Desinfektionsverfahren und Qualitätssicherung
Durch das Medizinproduktegesetz (MPG) und verwandte Regulative sind Gesundheitseinrichtungen
angehalten, auch die Desinfektion im Rahmen der Desinfektionsverfahren:QualitätssicherungGüteraufbereitung
als validierte Prozesse zu führen und die Einhaltung der überprüften Verfahrensparameter
bei jedem Arbeitsgang zu kontrollieren. Dazu existieren in Deutschland, Österreich
und der Schweiz entsprechende Verordnungen und Leitlinien. Insbesondere zur maschinellen
Aufbereitung existieren europäische Normen (EN ISO 15.883, Teile 1–5) sowie darüber
hinaus nationale Regulative. Nähere Informationen dazu bieten z. B. folgende Institutionen:
österreichische, deutsche und schweizerische Gesellschaften für Sterilgutversorgung
(www.oegsv.com, www.dgsv-ev.de, www.sgsv.ch), RKI Berlin (www.rki.de), deutsche und
schweizerische Gesellschaften für Krankenhaushygiene (www.dgkh.de, www.sgsh.ch), Österr.
Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (www.oeghmp.at).
Aufbereitungskreislauf für Güter
Zu desinfizierende Güter müssen so aufbereitet werden, dass eine direkte oder indirekte
Kontamination reiner Gegenstände durch unreine grundsätzlich vermieden wird.
Die einzelnen Schritte des Aufbereitungskreislaufs müssen daher so organisiert werden,
dass reine Arbeiten von unreinen möglichst gut getrennt sind, z. B. durch
•
Güteraufbereitungskreislaufräumliche und personelle Trennung,
•
Durchführung reiner Arbeiten vor unreinen,
•
Vermeidung unnötiger Kontakte bei unreinen Arbeiten (Schutzkleidung, RDG, berührungsarme
Bedienung von Türen und Maschinen),
•
Vorkehrungen zur kontaminationsarmen Einsammlung gebrauchter Schutzkleidung,
•
Handwaschbecken, die die ordnungsgemäße Reinigung und Desinfektion der Hände zulassen,
•
Vorkehrungen zur wirksamen Flächendesinfektion.
Zentralisierte Organisationsform
Mit gutem Grund hat man in neueren Krankenhäusern die Aufbereitung von Instrumenten,
Behältern und Geräten zentralisiert. Die Zusammenfassung einer großen Zahl Desinfektionsverfahren:Organisation,
zentraleähnlicher Aufgaben an einem Ort bringt entscheidende Vorteile, die bei weitem
einige Nachteile zentraler Organisationsform überwiegen (Tab. 2.14
).
•
Hygienische Anforderungen an räumliche Gestaltung und Arbeitsabläufe lassen sich leichter
realisieren.
•
Leistungsfähige RDG ersetzen eine Vielzahl dezentral laufender Kleingeräte und werden
durch einen begrenzten, gut geschulten Personalstab richtig bedient.
•
Wartung der Geräte und Kontrolle der Arbeitsabläufe sind wesentlich besser überschaubar.
•
Der Bedarf an spezifisch geschultem Personal ist wesentlich kleiner als bei dezentraler
Ausführung.
Tab. 2.14
Entscheidungskriterien für zentrale und dezentrale Reinigung und Desinfektion (nach
Koller 1981).
Zentrale Organisation bedeutet:
Kriterium (unverzichtbare Kriterien fett)
Dezentrale Organisation bedeutet:
Leichter realisierbar
Trennung rein – unreinEinbahnsystem unrein → reinÜberwachung, Qualitätskontrolle,
Zusammenarbeit mit HygienikerNormierung der ArbeitsabläufeBetriebsorganisationLeistungsfähige,
hochwertige RDGWartung und Kontrolle der RDG
Schwerer realisierbar
Massenabfertigung gleichartiger GegenständeZufuhr großer Wasser-, Energie- und LuftmengenSpezielle
Abwasserbehandlung (Entgiftung, Wärmerückgewinnung, Desinfektion)Vorgepackte Sets
von Gegenständen, die für einen Arbeitsgang nötig sindÄnderungen bestehender PraktikenSchulung
der zuständigen Personen
Schwerer realisierbar
Individuelle Handhabung
Leichter realisierbar
Klein
Bedarf an spezifisch geschultem Personal
Groß
Groß
Transportwege und damit verbundene Risiken (Infektion, Beschmutzung, Beschädigung,
Verletzung u. Ä.)Quote des durch Reinigungs- und Desinfektionszyklus blockierten GutsJeweils
bewältigbare Tagesstückzahlen
Klein
2.5
Flächendesinfektion und desinfizierende Reinigung
Desinfektionsmaßnahmen:Organisation\""\r""DesinfVerfOrgAxel Kramer, Sylvia Ryll und
Sebastian Desinfektion:unbelebte Materialien\""\r""DesinfunbelebtMatKramer
Flächendesinfektion bzw. desinfizierende Reinigung zielen darauf ab, die Verbreitung
von Krankheitserregern während der Pflege und Behandlung von Patienten einzuschränken
bzw. zu verhindern und zugleich optische Sauberkeit zu gewährleisten bzw. bei aseptischen
Arbeitsprozessen das erforderliche erregerarme Umfeld zu gewährleisten.
Im Unterschied dazu dient die Reinigung der Entfernung von Verunreinigungen, ohne
dass bestimmungsgemäß eine Abtötung/Inaktivierung von Mikroorganismen stattfindet.
Durch die desinfizierende Reinigung wird eine signifikant höhere Effektivität als
durch die mechanische Reinigung erreicht. Zugleich kommt es bei Anwendung von Reinigungsverfahren
bei wiederholter Benetzung mit der gleichen Reinigungsflotte zu erheblicher mikrobieller
Kontamination von Flotte und Utensil, was bei Einsatz von Desinfektionsmitteln nicht
der Fall ist. Auf gereinigten Flächen waren Problemerreger bei Verwendung von Reinigungslösungen
insgesamt häufiger nach weisbar als bei Verwendung von Desinfektionsmittellösungen
(Quellenangaben jeweils in Christiansen et al. KRINKO 2004).
2.5.1
Risikobewertung von Flächen als Kontaminationsquelle
Ist im Einzelfall strittig, welches Maß an Vorsicht zur Infektionsprävention erforderlich
ist, sind grundsätzlich die Maßnahmen auszuwählen, die mit vertretbarem Aufwand zur
Eliminierung von Krankheitserregern bzw. der potenziellen Infektionsquelle führen.
Typisches Beispiel ist die Flächendesinfektion. Ihre infektiologische Bedeutung wird
durch die von der Erkrankung abhängige Freisetzung von Krankheitserregern in die Umgebung
(Tab. 2.15
), deren Menge und Persistenz in der Umgebung (Tab. 2.16
) sowie von der Infektionsdosis und der Immunkompetenz des Patienten bestimmt.
Tab. 2.15
In der Umgebung Erkrankter nachgewiesene Krankheitserreger (Kramer et al. 2006)Krankheitserreger\t\"Siehe
ErregerErreger:patientennaheErreger:in der Umgebung ErkrankterErreger:Griffkontaktflächen
Flächen
Erreger
Patientennah
HAV, Noro-, RS-Viren, Fäkalcoliforme, Shigella, C. difficile, S. marcescens, Acinetobacter,
S. faecalis, Enterobacter, S. aureus
Patientennah einschließlich Fußboden
Rotaviren, VRE, MRSA, Pilze
Griffkontkaktflächen(Türklinke, Bettenholm, Nachttisch, Telefon, Lichtschalter, PC-Display,
Wasserhahn)
Rotaviren, A. baumannii, P. aeruginosa, MRSA, VRE, Enterokokken, Enterobacter, E.
coli, Klebsiella, Proteus, weitere gramnegative Bakterien
Tab. 2.16
Persistenz klinisch relevanter Erreger auf trockenen, unbelebten Oberflächen (Kramer
et al. 2006).Erreger:Persistenz, trockene, unbelebte Oberflächen
Species
Persistenzdauer (Spanne)
Bakterien
Klebsiella spp.
2 Stunden bis > 30 Monate
P. aeruginosa
16 Stunden bis 16 Monate, auf trockenem Fußboden 5 Wochen
E. coli
1,5 Stunden bis 16 Monate
S. aureus einschl. MRSA
7 Tage bis 7 Monate
Enterococcus spp. einschl. VRE und VSE
5 Tage bis 4 Monate
M. tuberculosis
1 Tag bis 4 Monate
S. typhimurium
50 Monate
C. jejuni
6 Tage
S. pneumoniae
1–20 Tage
Pilze
T. glabrata
102–150 Tage
C. albicans
1–120 Tage
C. parapsilosis
14 Tage
Viren
Adenovirus
7 Tage bis 3 Monate
Vaccinia-Virus
3–20 Wochen
Herpes-simplex-Virus, Typ 1 und 2
4,5 Stunden bis 8 Wochen
HAV
2 Stunden bis 60 Tage
Papovavirus
8 Tage
HBV, HIV
> 1 Woche
Norovirus und Felines-Calici-Virus
8 Stunden bis 7 Tage
SARS-assoziierter Coronavirus
3–4 Tage
Influenzavirus
1–2 Tage
Während die Kontamination auf reinen Arbeitsflächen aufgrund der vor einer Tätigkeit
durchgeführten Flächendesinfektion wegen der präparatabhängig vorhandenen remanenten
Wirkung bei aseptischer Arbeitsweise für längere Zeit nicht relevant ansteigt, sind
auf häufig berührten Oberflächen ohne zwischenzeitliche Desinfektion, z. B. auf PC-Tastatur,
Box zur Entnahme von Mund-Nasen-Schutz, Türklinke, ≥ 60 KbE/cm2 einschließlich potenzieller
Pathogene nachweisbar. Im Unterschied dazu sind selten berührte Flächen wie Gardinen
und Lamellenvorhänge als Kontaminationsquelle ohne Bedeutung (Daeschlein et al. 2004)
und nur bei sichtbarer Kontamination zu desinfizieren, wobei in diesem Fall Gardinen
einem Desinfektionswaschverfahren zuzuführen sind. Ansonsten ist in Abhängigkeit von
der Lage des Krankenhauses (Verkehrsknotenpunkt, Parkgelände) die etwa halbjährliche
Reinigung als ausreichend anzusehen.
Da sog. Feuchteerreger wie S. liquefaciens, E. cloacae u. a. Enterobacteriaceae, P.
aeruginosa, B. cepacia, S. maltophilia, Acinetobacter spp. sich in Wasserresten vermehren
können, Feuchteerregermüssen derartige Reservoire eliminiert werden.
Krankheitserreger können von kontaminierten Flächen auf folgenden Wegen weiterverbreitet
werden:
•
über die Hände des Personals bei Nichteinhaltung der Händehygiene (es ist zu Erreger:Weiterverbreitungberücksichtigen,
dass die Compliance der Händedesinfektion im Durchschnitt 50 % nicht übersteigt),
•
durch Kontakt des Patienten mit der Fläche (Hände, barfuß beim Verlassen des Betts,
Hautkontakt z. B. bei Diagnostik),
•
über kontaminierte MP, z. B. nach Zwischenablage auf kontaminierter Fläche,
•
erregerabhängig auch aerogen durch Aufwirbelung im Umkreis von etwa 1,2 m mit nachfolgender
Sedimentation über Stunden.
Umgekehrt ist auch die Rückübertragung von kontaminierten Händen auf Flächen nachgewiesen,
z. B. von Viren auf 5 weitere Oberflächen oder 14 Gegenstände (von Rheinbaben et al.
2000).
Bei der von Flächen ausgehenden Risikobewertung ist zu berücksichtigen, dass sich
die zur Auslösung einer Infektion erforderliche Infektionsdosis erregerabhängig z.
T. deutlich unterscheidet. Sie beträgt z. B. für Enteritis-Salmonellen in der Regel
> 105 Erreger, während sie für Noroviren und C. difficile bei 10–100 infektiösen Einheiten
liegt (Christiansen et al., KRINKO 2004).
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Stellenwert der Flächendesinfektion
zur Infektionsprävention mit zunehmender Distanz zum Patienten abnimmt.
Folgendes Beispiel unterstreicht den Beitrag der Flächendesinfektion zur Aseptik.
In einem Eingriffsraum konnte durch Desinfektion aller Flächen einschließlich des
Inventars nach dem letzten Eingriff und anschließende Abhängung nicht aus dem Raum
herausnehmbarer Geräte und des Inventars mit sterilen OP-Tüchern die Raumluftqualität
von Reinraumklasse C zu Reinraumklasse B verbessert werden (Below et al. 2010).
2.5.2
Indikationen
Bei mutmaßlicher oder sichtbarer Flächenkontamination Flächen:Risiko als Infektionsquelle\""\r""FlaechenRisikobewist
die sog. gezielte oder anlassbezogene Desinfektion durchzuführen.
Hierbei ist die Chemoresistenz des mutmaßlichen Erregers zu beachten (z. B. Flächendesinfektion:anlassbezogeneM.
tuberculosis, C.-difficile-Sporen, Noroviren, Prionen). Sie ist Flächendesinfektion:gezielteindiziert
bei Kontamination mit Blut und weiteren Se- und Exkreten, bei Ausbruchsituationen
und Auftreten multiresistenter oder hochinfektiöser Erreger. Durch die Ausbreitung
von MRE hat die Flächendesinfektion innerhalb der Multibarrierenstrategie zur Prävention
von NI an Bedeutung gewonnen, weil sich herausgestellt hat, dass die Flächendesinfektion
zur Beherrschung von Ausbrüchen unverzichtbar ist und es bei alleiniger Reinigung
zur Weiterverbreitung der Erreger kommt. Das betrifft insbesondere MRSA u. a. MRE,
aber auch A. baumannii, C. difficile, P. aeruginosa, Noro- und Rotaviren (Kramer et
al. 2006).
Durch routinemäßige (auch sog. laufende oder prophylaktische) Flächendesinfektion:routinemäßige
Flächendesinfektion:prophylaktische
Flächendesinfektion:laufendeDesinfektion soll die Weiterverbreitung von auf Flächen
gelangten Krankheitserregern, ohne dass die Kontamination erkennbar ist, während Pflege
und Behandlung unterbunden werden. Die Entscheidung Reinigung oder Desinfektion ist
davon abhängig zu machen, ob es sich um patientennahe oder -ferne Flächen mit häufigem
oder seltenem Hand-/Hautkontakt (z. B. Fußböden, Wände, Lüftungsauslässe, Lampen,
Heizkörper) handelt, sowie von der Infektionsanfälligkeit des Patienten.
Sofern Flächen nacheinander in Hautkontakt mit verschiedenen Patienten kommen (z.
B. Wickeltisch, Untersuchungsliege, Badewanne, Toilettenstuhl), ist die Kontaktfläche
vor jedem neuen Patienten einer Wischdesinfektion zu unterziehen.
Ansonsten ist für die Festlegung von Desinfektionsmaßnahmen die Unterscheidung von
Risikobereichen hilfreich (Tab. 2.17
). Bei der WischdesinfektionEntscheidung, ob routinemäßig eine Reinigung oder eine
desinfizierende Reinigung durchgeführt werden soll, müssen auch Praktikabilität und
sichere Durchführbarkeit berücksichtigt werden (Vorschlag zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses
für ein Reinigungsunternehmen Online-Ergänzung 2.5 beigefügt).
Tab. 2.17
Abwägung der Indikationsstellung Reinigung oder Desinfektion in Abhängigkeit vom Risikobereich
Kein erhöhtes Infektionsrisiko
MöglichesInfektionsrisiko
BesonderesInfektionsrisiko
Patient mit kritischem Erreger + Risiko der Weiterverbreitung
Hohes Infektionsrisiko für Personal
Treppenhäuser, Flure, Verwaltung, Büros, Speiseräume, Hörsäle, Unterrichtsräume, technische
Bereiche
Allgemeinstation, Ambulanzbereiche, Radiologie, physikalische Therapie, Sanitärräume,
Dialyse, Entbindung
OP-Abteilung, Eingriffraum, Intensivtherapie (z. B. Langzeitbeatmung, Frühgeborene),
Transplantationseinheit (z. B. KMT, Stammzellen)
Isolierbereiche/-pflege,Funktionsbereiche, in denen Patienten behandelt werden
MikrobiologischeLaboratorien, Pathologie, Entsorgung, unreiner Bereich, Wäscherei
und ZSVA
Reinigung
Flächen mit häufigem Hand-/Hautkontakt:DesinfektionFußböden:Reinigung (ggf. Desinfektion),Sonstige
Flächen:Reinigung
Flächen mit häufigem Hand-/Hautkontakt:DesinfektionFußböden:Desinfektion,Sonstige
Flächen:Reinigung
Gemäß TRBA 250
(mod. nach Christiansen et al. KRINKO 2004).
In OP-Einheiten werden zwischen zwei Operationen die Flächen im Arbeitsbereich um
den OP-Tisch, die Verkehrswege im OP-Raum und alle Kontaktflächen desinfiziert. Sofern
die Wände nicht sichtbar kontaminiert sind, entbehrt die noch anzutreffende Empfehlung,
nach Beendigung des OP-Programms im OP-Saal eine Wischdesinfektion der Wände bis zur
Höhe von 2 m durchzuführen, ihrer experimentellen oder epidemiologischen Grundlage.
In Abhängigkeit von der Raumlufttechnik, dem OP-Spektrum und der experimentell ermittelbaren
Dynamik der mikrobiellen Belastung der Wände kann der Krankenhaushygieniker den Rhythmus
festlegen (z. B. monatlich). Bei nachgewiesener funktionierender Verdrängungslüftung
(Raumklasse IA) ist die gezielte Desinfektion als ausreichend anzusehen, d. h., es
kann auf die Fußbodenwischdesinfektion zwischen zwei Eingriffen zumindest in einem
Augen-OP verzichtet werden (Knochen et al. 2010).
In Reinräumen (z. B. Apotheke, Herstellung von Blutprodukten, Hornhautbank, Stammzellpräparation)
und in OP-Einheiten/Eingriffsräumen sind Umfang und Rhythmus der desinfizierenden
Flächenreinigung im Ergebnis des gemeinsamen Risk Assessments durch den jeweiligen
Fachvertreter und den Krankenhaushygieniker festzulegen.
Flächen, auf denen aseptische Arbeiten ausgeführt werden, sind grundsätzlich desinfizierend
zu reinigen.
In Küchen und Milchküchen gelten die Vorgaben des Lebensmittelrechts.
Bei erhöhter Infektionsgefährdung sowie sichtbarer Kontamination sollte zur Flächendesinfektion
gemäß Empfehlung der VAH-Desinfektionsmittelliste mindestens die Konzentration des
1-h-Werts eingesetzt werden.
Als anlassbezogene Schlussdesinfektion bezeichnet man die gezielte Desinfektion eines
Raums oder Bereichs einschließlich der in ihm vorhandenen Oberflächen und Gegenstände
nach erfolgter Pflege oder Behandlung eines infizierten bzw. mit hochkontagiösen Erregern
besiedelten Patienten.
Durch die Schlussdesinfektion soll das Patientenzimmer nach Entlassung des Patienten
ohne Infektionsgefährdung für den nächsten Patienten zur Verfügung stehen. Wird ein
Patient mit einer hochkontagiösen Infektionserkrankung operiert, kann eine Schlussdesinfektion
des OP-Saals erforderlich sein. So sollte z. B. nach Eingriffen bei MRSA-Patienten
die desinfizierende Zwischenreinigung auf das patientenferne Umfeld auch ohne sichtbare
Kontamination ausgedehnt und die Einwirkungszeit vor Richten der neuen OP abgewartet
werden.
Alle Personen müssen sich im Fall einer neuen OP für diese aus- und wieder einschleusen,
um die benutzte Bereichskleidung einschließlich Maske und Haarschutz zu wechseln.
Die OP-Schuhe werden direkt beim Verlassen des OP-Saals abgelegt/gewechselt, um eine
Weiterverbreitung über die Korridore zu verhindern.
Die Schlussdesinfektion erstreckt sich je nach Erkrankung bzw. Krankheitserreger auf
die patientennahen und alle weiteren Oberflächen und Gegenstände, für die eine Kontamination
anzunehmen bzw. möglich ist.
Organisation, Auswahl der Reinigungs- und Desinfektionsmittel und -verfahren sowie
die Häufigkeit müssen im Einvernehmen mit dem Krankenhaushygieniker/der HFK im Hygieneplan
festgelegt werden.
Im Alten- und Pflegeheim gelten vom Grundsatz her die gleichen Anforderungen an die
desinfizierende Reinigung wie im Patientenzimmer, wenn Patienten mit erhöhter Infektionsgefährdung
behandelt, bei Kolonisation z. B. mit MRSA saniert oder als Ausscheider von Infektionserregern
versorgt werden.
2.5.3
Durchführung
Flächendesinfektion:Indikationen\"\r\"FlaechendesIndFür die Durchführung der desinfizierenden
Reinigung desinfizierende Reinigung:Indikationen\"\r\"FlaechendesIndsind folgende
Gesichtspunkte einzuhalten (Christiansen et al. KRINKO 2004):
•
Das Präparat wird durch Wischdesinfektion auf die Fläche aufgebracht und mechanisch
verteilt. Sprühapplikation ist wegen der inhalativen Gefährdung und des fehlenden
Reinigungseffekts nur in Ausnahmefällen (schlecht zugängliche Flächen) durchzuführen.
•
Die Fläche wird vollständig benetzt („nebelfeuchtes“ Wischen ist nicht ausreichend).
Um die Wirkung zu gewährleisten, darf das aufgetragene Desinfektionsmittel nicht durch
Nachwischen mit Wasser oder Trockenwischen entfernt werden.
•
Da verschmutzte Desinfektionslösungen an Wirksamkeit verlieren, darf die Entnahme
nur mit frischen, sauberen Lappen, Tüchern, Mopps oder Ähnlichem erfolgen. Alternativ
können konfektionierte, mit Desinfektionslösung getränkte Vliestücher eingesetzt werden
( Online-Ergänzung 2.5).
•
Bei der Anwendungsdauer von Gebrauchslösungen sind die Herstellerangaben einzuhalten
(meist maximal 1 Arbeitstag).
•
Verwendete Bezüge/Tücher sollen hohe Aufnahmefähigkeit für Flüssigkeit haben, beständig
gegen Reinigungsdetergenzien und Desinfektionsmittel, möglichst wenig flusend und
bei hoher Temperaturbeständigkeit leicht aufzubereiten sein.
•
Alkoholische Präparate dürfen wegen der Brandgefahr nur auf kleinen Flächen eingesetzt
werden.
•
Übrig gebliebene Gebrauchslösungen sollten wegen des Risikos der Konzentrationsabnahme
und unnötiger Raumluftbelastung nicht offen stehen bleiben.
Die einfachste Variante des einstufigen Vorgehens mittels Tauchmethode beinhaltet
folgende Arbeitsschritte:
•
Füllen der Wanne mit Desinfektionsmittellösung.
•
desinfizierende Reinigung:TauchmethodeMopp auf Überschwappdeckel legen, am Klapphalter
befestigen und Tauchmethodemittels Dosierhebel mit Desinfektionsmittellösung befeuchten.
•
Im hinteren Teil des Raums beginnen, zuerst mit Ecken und Kanten, Wasserspritzer vermeidend,
anschließend überstellte Flächen (unter Betten, Sitzmöbeln, Heizung), dann in Achterbewegungen
rückwärts zum Eingang wischen, alle Flächen benetzen.
•
Mopp bei starker Verschmutzung schon vor Beendigung des Patientenzimmers wechseln
und Wechsel nach jedem Raum.
•
Nach Beendigung Mopp an den Mopptaschen entnehmen, um nicht die verschmutzten Fransen
zu berühren, und in Wäschesack geben.
•
Lose aufliegenden Schmutz, der sich durch das Wischverfahren am Eingang befindet,
mit Handfeger und Kehrschaufel aufnehmen.
•
Auswaschen von Wanne, Mopphalter und Einlagesieb am Schichtende mit klarem Wasser,
Flottenwagen mit Tuch reinigen.
Benutzte oder verschmutzte Bodenwischbezüge dürfen nicht erneut in die Reinigungsflotte
eingetaucht werden.
Für die Reinigung bzw. desinfizierende Reinigung soll durch unterschiedliche Farbgebung
die bereichsbezogene Nutzung der Tücher gewährleistet werden, z. B. für
•
Toiletten (inkl. Spritzbereich und Toilettenbürstenhalter): rotes Tuch,
•
Oberflächen im Patientenzimmer und vom Mobiliar: blaues Tuch,
•
restlicher Sanitärbereich (Waschbecken, Duschen, Fliesen): gelbes Tuch.
Für die Reinigung eines Patientenzimmers ist folgender Ablauf einzuhalten:
•
Oberflächenreinigung der Nasszelle,Reinigung:Patientenzimmer
•
Oberflächenreinigung des Mobiliars,
•
Bodenreinigung.
Patientenzimmer:ReinigungFür die Wiederbenutzung desinfizierter Flächen gelten folgende
Gesichtspunkte:
•
Nach routinemäßiger Fußbodendesinfektion, sobald die Fläche sichtbar trocken ist;
falls vorher erforderlich, Rutschgefahr beachten.
•
Die Einwirkzeit vor Wiederbenutzung ist in folgenden Situationen abzuwarten: bei Desinfektion
gemäß § 18 IfSG; bei Desinfektion patientennaher Kontaktflächen, bevor der nächste
Patient damit in Kontakt kommt, sofern die Möglichkeit besteht, dass Krankheitserreger
direkt von der Fläche, z. B. über Wunden, in den menschlichen Körper eingetragen werden
können (z. B. Arbeitsfläche Verbandwagen, Inkubator, Wickeltisch, Stethoskop, Arbeitsfläche
zur Zubereitung von Infusionen); bei Badewannen, weil die Desinfektion durch Einlaufen
des Wassers beendet wird (Risiko v. a. bei nicht völlig verheilten Wunden und in der
Geburtshilfe); bei Desinfektionsmaßnahmen im Lebensmittelbereich (z. B. Krankenhausküche),
wenn nach der Desinfektion mit Trinkwasser nachgespült werden muss.
Die Flächenreinigung und -desinfektion ist so zu realisieren, dass keine Weiterverbreitung
von Flächenreinigung:AnforderungenKrankheitserregern stattfindet. Dazu tragen folgende
Voraussetzungen bei (Flächendesinfektion:AnforderungenChristiansen et al., KRINKO
2004):
•
Vor allem Reinigungs-, aber auch Desinfektionslösungen, in die der Wischlappen nach
Abwischen von Flächen erneut eingetaucht wird, sind schnell kontaminiert. Zur Vermeidung
des Wiedereintauchens benutzter Bezüge sind verschiedene Verfahren geeignet (z. B.
Bezugwechselverfahren oder Promop-System, ein einstufiges Wischverfahren, bei dem
die maschinell gewaschenen und mit Desinfektionslösung präparierten Mopps/Tücher abgezählt
in festen, verschließbaren Boxen angeliefert und vor Ort entnommen werden). Die sog.
Eineimermethode ist abzulehnen. Bei Putztüchern für kleine Flächen sind analoge Anforderungen
einzuhalten.
•
Reinigungsutensilien und Feuchtwischbezüge müssen nach Anwendung desinfizierend (vorzugsweise
in thermischen Desinfektionswaschverfahren) aufbereitet und getrocknet werden. Sie
dürfen wegen der Gefahr der Vermehrung sog. Feuchtbakterien nicht nass aufbewahrt
werden.
•
Sofern die Aufbereitung von Reinigungsutensilien nicht möglich ist, sind Einmalwischtücher
bzw. -wischbezüge zu verwenden.
Zur Aufbereitung gebrauchter Utensilien müssen ausreichend groß bemessene, belüftbare
Räume mit apparativer Ausstattung zur Aufbereitung ggf. einschließlich Trocknungsmöglichkeit
(falls nicht schon im Aufbereitungsprozess) vorhanden sein. Die aufbereiteten Utensilien
sind geschützt vor Kontamination (Trennung unreiner/reiner Bereich) aufzubewahren
(Christiansen et al. KRINKO 2004).
Reinigung eines Patientenzimmers
Allgemeiner Ablauf: Reinigungswagen vor dem zu reinigendem Zimmer seitlich abstellen
und darauf achten, Reinigung:Patientenzimmerdass die Wege frei bleiben. Warnschild
„Rutschgefahr“ im Flur Patientenzimmer:Reinigungaufstellen. Vor Betreten des Patientenzimmers
klopfen und beim Eintreten grüßen. Die Reinigung eines Zimmers beginnt grundsätzlich
mit der Müllentleerung, dann Reinigung der Oberflächen (zuerst Sanitärbereich, dann
Zimmer), erst danach Reinigung des Fußbodens. Reinigungstuch immer 4-fach falten;
sobald eine Seite verschmutzt ist, Reinigungstuch wenden und nächste saubere Seite
verwenden
Grundsätzlich Reinigungstätigkeiten von oben nach unten, von hinten nach vorn und
von sauber zu schmutzig durchführen.
Oberflächenreinigung im Patientenzimmer: Abfallbeutel entleeren, verschließen und
am Reinigungswagen entsorgen. Neuen Beutel Patientenzimmer:Oberflächenreinigungeinsetzen,
nicht in Abfalleimer hineingreifen, Abfall in den Behältnissen nicht von Oberflächenreinigung:PatientenzimmerHand
eindrücken!
Mit blauem vorgetränktem Reinigungstuch folgende Oberflächen reinigen: Lichtleisten,
Fensterbank, Tische, Stühle, Wandschmuck, Abfalleimer außen, Schalter, Dosen, Stromleisten,
Türgriffe, Türen im Griffbereich (Desinfektion), Fernseher, Außenbereiche der Schränke
im Griffbereich. Falls Waschbecken im Patientenzimmer, mit gelben Tuch reinigen.
Grundsätzlich nach jedem Patientenzimmer verwendete Tücher abwerfen.
Oberflächenreinigung in der Nasszelle: Abfalleimer wie im Patientenzimmer entsorgen.
WC spülen, dann WC-Reiniger in WC-Becken, Urinal und Nasszelle, Oberflächenreinigungunter
den Spülrand spritzen und einwirken lassen, Toilettenbürste in Oberflächenreinigung:Patientenzimmerdas
WC-Rohr stellen. Die Reinigung ist immer von oben nach unten durchzuführen. Während
der Einwirkzeit mit gelben Reinigungstuch erst den Spiegel, dann die Ablage und danach
Waschbecken mit Armatur und Spritzbereich reinigen, danach alle sonstigen Oberflächen,
ggf. Spiegel mit trockenem gelbem Reinigungstuch nachpolieren, anschließend Sitzhilfen
und Abfalleimer mit gelbem Reinigungstuch reinigen. Danach Toilette gründlich nachbürsten
und Wasser nachspülen, dann mit rotem Reinigungstuch WC-Brille und Becken außen sowie
den Spritzbereich um das Becken reinigen. Nach jedem Sanitärraum Reinigungstücher
in das Netz am Reinigungswagen abwerfen. Seife und Papier auffüllen.
Desinfektion bei Ausbruch oder MRE-Isolierung
Ablauf: Vor dem Betreten MRE:Ausbruch, Desinfektiondes Patientenzimmers Herstellung
der Desinfektionslösung durch MRE-Isolierung, Desinfektionden Reinigungsdienst: abhängig
vom Zeitraum zur Wiederbelegung (muss Erreger:multiresistente\t\"Siehe MREReinigungsdienst
vom Stationspersonal vor Ansetzen der Lösung mitgeteilt werden) Auswahl der Konzentration
für den 5-, 15- oder 30-Minuten- oder 1-Stunden-Wert. Schutzkittel, ggf. Mund-Nasen-Schutz
und Handschuhe in der Schleuse anlegen, am Ende entsorgen und abschließende Händedesinfektion.
Benutzte Wäsche mindestens täglich entsorgen. Der Wäschesack ist im Schleusungsbereich
in einen bakteriendichten Kunststoffsack zu geben, eine ungeschützte Lagerung außerhalb
des Patientenzimmers ist unzulässig. Die Entsorgung hat so zu erfolgen, dass keine
Kontaminationsgefahr von der Wäsche ausgeht (Schutzhandschuhe beim Hantieren, abschließend
Händedesinfektion). Während des Umlagerns auf den Entsorgungswagen sollen die Türen
zu anderen Patientenzimmern geschlossen gehalten werden und sich Personen, die nicht
am Umlagern beteiligt sind, fernhalten. Abschließend lüften.
Umfang der Desinfektionsmaßnahmen: Alle patientennahen Flächen (mindestens 1 m um
das Bett) mindestens 1-mal pro Schicht während oder unmittelbar nach der täglichen
antiseptischen Waschung des Patienten desinfizieren, um Rekolonisation zu verhindern,
z. B. Nachttisch (alle Kontaktflächen), Telefon, Bettgalgen und Griffe, Lichtschalter,
Klingelanlage, Jalousiengriff/Schalter, Türklinken. Mindestens täglich Handläufe,
Bedienelement für Fernseher, Bettgestell, Tische, Waschbecken, Toilettenbrille desinfizierend
reinigen. Fußbodenwischdesinfektion im üblichen Rhythmus.
Benutzte Mopps nur verpackt zur desinfizierenden Aufbereitung geben.
Schlussdesinfektion nach Patientenentlassung
(Details Online-Ergänzung 2.5)
Bei Aufenthalt bis zu einer Schicht: Desinfektion des Betts und Bettenplatzes in mindestens
1 Schlussdesinfektionm Umkreis um das Bett; Verwerfen/Desinfizieren aller am Patientenentlassung,
SchlussdesinfektionPatienten genutzten Produkte; bei mobilen Patienten Desinfektion
aller weiteren Kontaktflächen mit wahrscheinlicher Kontamination (alkoholisches Präparat).
Längerer Aufenthalt: alle Oberflächen einschließlich Fußboden, Bettgestell, Matratzen-
und Kissenencasing + alle Kontaktflächen (z. B. Türklinke, Klingelknopf, Wasserhahn)
Wisch-, ggf. Sprühdesinfektion (falls keine Wischdesinfektion möglich).
Ausbruchmanagement für Kindergärten und Schulen
Einschleusen des Personals: Vor dem Betreten des zu desinfizierenden Bereichs stellt
der Reinigungsdienst die Desinfektionslösung her. Bei behördlich angeordneter Entseuchung
dürfen nur Desinfektionsmittel aus der RKI-Liste in vorgeschriebener Konzentration
und Einwirkungszeit verwendet werden. Gegebenenfalls Mund-Nasen- und Haarschutz anlegen
(nur bei aerogen übertragbaren Krankheiten, nicht bei Durchfallerkrankungen), Schutzkittel
anziehen. Muss Erbrochenes oder Stuhl entfernt werden, Kunststoff-Einmalschürze anlegen.
Schutzbezug über Schuhe anlegen, Einwegschutzhandschuhe. Alle zur Desinfektion benötigten
Materialien sowie Plastiktüten zur Entsorgung von Wischlappen und -bezügen und Händedesinfektionsmittel
in den zu desinfizierenden Bereich mitnehmen.
Oberflächen im Spiel-, Aufenthalts- und Speiseraum: Der Bereich, in dem der Flottenwagen
abgestellt wird, muss zuerst einer Wischdesinfektion unterzogen werden, dann erst
wird der Flottenwagen in den Raum geschoben. Das vorgetränkte Desinfektionstuch wird
in den dafür vorgesehenen Boxen mit Desinfektionsmittellösung satt-nass getränkt.
Ist Entfernung überschüssiger Desinfektionsmittelmengen erforderlich, hierfür ein
neues zweites feuchtes Desinfektionstuch verwenden. Es ist darauf zu achten, dass
ein Feuchtfilm auf der Oberfläche zurückbleibt. Tücher müssen zwischendurch ersetzt
werden. Abfallsäcke sind aus den Behältern entnehmen, fachgerecht zu verschließen
und Abfallbehälter mit neuen Entsorgungsbeuteln zu bestücken. Plüschtiere, Stoffdecken
und ähnliche Gegenstände aus Stoff werden in erregerdichte Kunststoffwäschesäcke gegeben.
Besteht vor Ort die Möglichkeit, diese Gegenstände chemothermisch (60 °C und desinfizierendes
Waschmittel) aufzubereiten, sollte das gemacht werden; ansonsten Weiterleitung an
zertifizierte Wäscherei.
Umfang der Wischdesinfektion: Alle Kontaktflächen einschließlich Wände im Kontaktbereich,
Türklinken, Lichtschalter, Handläufe oder Klettergerüste, horizontale Flächen mit
Möglichkeit der Staubablagerung wie Fensterbretter und Ablagen, Schränke innen und
außen, Fenster-, Jalousie-, Schrank- und Türgriffe (innen und außen), Tische und Stühle,
sämtliches Spielzeug, Truhen, Kisten etc. (alles, was im Raum ist), Bedienelemente
des Fernsehers, Abfalleimer innen und außen, Waschbecken mit Armatur, Geschirr (mit
mindestens 60 °C aufbereiten), Fußboden (bei Teppich desinfizierende Sprühextraktion).
Abfälle, Mopps und Tücher sind in reißfesten Kunststoffsäcken ohne Umfüllen zu entsorgen
oder verpackt auf dem schnellsten Weg der maschinellen Aufbereitung zuzuführen.
Schlafbereich: Nach dem Einschleusen Bettwäsche, Kopfkissen und Decke in erregerdichte
Kunststoffwäschesäcke geben, danach desinfizierende Reinigung des Betts und des Matratzenüberzugs.
Ist die Matratze nicht mit einem Überzug geschützt, desinfizierende Sprühextraktion.
Das Bett verbleibt im Zimmer. Während der Desinfektion sind die Fenster zu öffnen
(Lüften). Beziehen des Betts mit frischer Wäsche erst nach Abschluss aller Maßnahmen.
Sanitärbereich: Stoffhandtücher fachgerecht entsorgen und gegen Einmalhandtücher auswechseln,
diese Maßnahme am besten für 2 Wochen; evtl. vorhandene Duschvorhänge in separaten
Wäschesack geben. Desinfektion in der Sanitärzelle: Duschstange, Handdusche und Ablagen,
oberer Rand des Toilettenbeckens inkl. Toilettenbrille, Toilettenbürste inkl. Halterung,
Spender für Einmalhandtücher, Spender für Waschlotion, Lichtschalter, Wände im Kontaktbereich,
Hocker bzw. Stühle, Abfallbehälter innen und außen, Entsorgung von Toilettenpapier
und Papierhandtüchern.
Ausschleusen: Ablegen von PSA unmittelbar in den Abfallsack, Händedesinfektion, verschlossene
Abfall- und Wäschesäcke ohne Zwischenlagerung zur Ausbruchmanagement:Kindergärten/Schulen\"\r\"AusbruchmanKGSchuleEntsorgung.
2.5.4
Personalschutz
desinfizierende Reinigung:Durchführung\"\r\"desinfReinDurchfBei Personalschutz:FlächendesinfektionFlächendesinfektionsmitteln
sind die Gefährdung von Haut und Schleimhäuten (auch inhalativ) und das Flächendesinfektion:PersonalschutzAllergierisiko
zu beachten. Daher müssen die vom Hersteller angegebenen desinfizierende Reinigung:PersonalschutzSchutzmaßnahmen
sorgfältig eingehalten werden, wie
•
Herstellen der Desinfektionsmittellösung mit Schutzbrille, ggf. auch Mund-Nasen-Schutz,
•
Tragen von Schutzhandschuhen bei Kontakt mit Desinfektionsmittel,
•
Räume bei großflächiger Desinfektion gut lüften; bei Desinfektionsmaßnahmen, bei denen
hohe Raumluftkonzentrationen von reizenden Substanzen benötigt werden, können Atemschutzmasken
notwendig sein,
•
bei Feuchtarbeiten > 2 Stunden bzw. Handschuhtragen über diese Zeit Erarbeitung eines
Hautschutzplans.
2.5.5
Qualitätssicherung
•
Desinfektions- und Reinigungsverfahren sowie die Aufbereitung der benötigten Utensilien
sind regelmäßigen Flächendesinfektion:QualitätssicherungKontrollen zu unterziehen.
•
Durch hygienisch-mikrobiologische desinfizierende Reinigung:QualitätssicherungUntersuchungen
kann die Wirksamkeit von Reinigungs- und Desinfektionsverfahren kontrolliert werden
(Christiansen et al., KRINKO 2004). Häufigkeit und Umfang der Kontrollen werden vom
Krankenhaushygieniker in Zusammenarbeit mit der HFK festgelegt (zu Aussagewert, Richtwerten
und Gesamtbeurteilung Kap. 8.10).Flächendesinfektion\"\r\"Flaechendesinf
2.6
Virusinaktivierung
desinfizierende Reinigung\"\r\"FlaechendesinfFriedrich von Rheinbaben, Elke Steinmann
und Jochen Reinigung:desinfizierende\t\"Siehe desinfizierende ReinigungSteinmann
2.6.1
Bau und Besonderheiten konventioneller Viren
Das Verhalten von Viren gegenüber Desinfektionswirkstoffen wird v. a. durch deren
Morphologie bestimmt. Mit Ausnahme der nicht humanpathogenen Iridoviren lassen sich
alle Virusfamilien den behüllten Viren:Morphologieoder unbehüllten Partikeln zuordnen.
Da die Inaktivierbarkeit durch Desinfektionswirkstoffe bei den unbehüllten Viren vom
Grad ihrer Lipophilie bzw. Hydrophilie und bei behüllten Viren von deren Lipidgehalt
abhängt, können entsprechende Untergruppen gebildet werden (Abb. 2.3
; Poshni 1968, Klein et al. 1983, Mahnel 1984, Jülich et al. 1993, von Rheinbaben
et al. 1995).
Je lipophiler oder lipidhaltiger ein Virus ist, umso leichter kann es durch lipophile
Desinfektionswirkstoffe inaktiviert werden. Hydrophile Viren sind i. d. R. nur auf
oxidativem Weg (durch Aldehyde, Aktivsauerstoff freisetzende Verbindungen, Aktivchlor)
und nur z. T. durch stark denaturierende Substanzen inaktivierbar. Auch starke anorganische
Säuren und Laugen können hochwirksam sein. Dagegen benötigen organische Säuren für
eine sichere Wirksamkeit i. d. R. zusätzlich erhöhte Temperatur (> 40 °C).
Abb. 2.3
Unterteilung der Viren:LipophilieViren nach dem Grad ihrer Lipophilie.
Neben der Morphologie bestimmen die Größe der Viruspartikel und die Fähigkeit zur
Bildung von Aggregaten die Resistenz gegenüber Desinfektionswirkstoffen. Als Faustregel
gilt, dass die Chemikalienresistenz mit steigender Größe der Viruspartikel abnimmt.
Unbehüllte Viren und solche, die zur Bildung kristallartiger Assoziationsprodukte
(Aggregate) neigen, z. B. Picorna- oder Parvoviren, besitzen eine deutlich höhere
Resistenz als Viren ohne diese Eigenschaft.
Behüllte Viren sind im Allgemeinen deutlich weniger resistent gegenüber chemischen
Desinfektionsmitteln als unbehüllte Viren.
Unter Praxisbedingungen können Art und Menge von Begleitmaterialien, mit denen Viren
den Wirtsorganismus verlassen, diese vor Umwelteinflüssen und Desinfektionswirkstoffen
schützen. In besonderer Weise gilt das für Viren in Begleitmaterial, das an Oberflächen
assoziiert oder angetrocknet vorliegt. Für den sinnvollen Einsatz von Desinfektionsmitteln
ist es daher notwendig, die jeweilige Übertragungsweise zu kennen. Dadurch werden
Rückschlüsse auf die Umweltresistenz und – unter Einbeziehung der Morphologie – auf
das Verhalten gegenüber Desinfektionswirkstoffen möglich (von Rheinbaben et al. 1995).
2.6.2
Physikalische Verfahren zur Virusinaktivierung
Die wichtigsten physikalischen Verfahren zur Virusinaktivierung nutzen Wärme oder
UV-Virusinaktivierung:physikalische VerfahrenLicht und in manchen Fällen ionisierende
Strahlung. Die Resistenz gegenüber höheren Hitze:VirusinaktivierungTemperaturen ist
bei Viren nicht besonders ausgeprägt. Viele Arten werden bei 60–UV-Strahlen:Virusinaktivierung65
°C schon in wenigen Minuten inaktiviert.
Temperaturen über 90 °C reichen im Allgemeinen aus, um selbst thermoresistente Viren
in wenigen Minuten zu zerstören, falls diese in wässriger Umgebung und in suspendiertem
Zustand vorliegen (Mahnel et al. 1981).
Die für RDG geforderten 93 °C/10 min sind im Allgemeinen für eine sichere Virusinaktivierung
ausreichend. Andererseits können Begleitmaterialien wie Blut, Serum, Gewebe oder Hitze:VirusinaktivierungFäkalien
die Wärmeresistenz erheblich steigern. Auch angetrocknet oder lyophilisiert sind manche
Viren durch Wärme erheblich schwerer inaktivierbar als in wässriger Umgebung. Darüber
hinaus sind weitere stabilisierende Einflüsse bekannt, z. B. Anwesenheit bestimmter
Salze.
Während ECHO-Viren bei 40 °C in 2 Stunden um 50 % reduziert werden, kann durch 1-molaren
Zusatz von MgCl2 oder 2-molaren Zusatz von NaCl dieser Effekt aufgehoben werden. Selbst
bei 50 °C/1 h ist kein Titerverlust nachweisbar (Bock 1956, Thomssen et al. 1965).
Für UV-Licht liegt der wirksame Wellenlängenbereich bei 230–280 nm.
Die höchste virozide Wirksamkeit wird bei 260 nm gemessen und stimmt mit dem Absorptionsmaximum
von UV-Strahlen:VirusinaktivierungNukleinsäuren überein. Für die Wirksamkeit sind
jedoch eine sichere Exposition und eine ausreichende Strahlendosis notwendig; deshalb
kann das Verfahren nur in speziellen Fällen, z. B. zur Trinkwasserdesinfektion, eingesetzt
werden.
In der Praxis werden physikalische Verfahren oft mit chemischen Einflüssen kombiniert.
Am häufigsten sind chemothermische Verfahren. Anstelle thermischer Einflüsse kann
auch Ultraschall oder UV-Licht (in Gegenwart photoinaktivierender Substanzen) angewendet
werden.
2.6.3
Virusinaktivierung durch Chemikalien und die Besonderheiten der Virusfamilien
Selbst wenn bei den Angehörigen einer Virusfamilie deutliche Unterschiede in der Resistenz
gegenüber Umwelteinflüssen und Desinfektionswirkstoffen auftreten können und sogar
innerhalb einer Art Unterschiede festgestellt wurden, ist es vertretbar, für jede
Virusfamilie eine zusammenfassende Bewertung vorzunehmen.
Adenoviren (unbehüllt, leicht lipophil) besitzen hohe Umweltstabilität und wurden
deshalb als Prüfvirus von DVV und RKI (1995 und 2004) ausgewählt.
An Oberflächen angetrocknet, war humanes Adenovirus Typ 2 noch nach mehr Adenovirenals
8 Tagen auf Kunststoffoberflächen infektiös. In wässrigem Milieu muss mit einer erheblich
längeren Persistenz gerechnet werden. Als Enteritiserreger zeigen Adenoviren eine
pH-Stabilität im Bereich zwischen pH 2 und 10. Gegenüber höheren Temperaturen sind
sie empfindlich.
Bei 60 °C werden sie innerhalb von 2 Minuten inaktiviert. Die meisten Desinfektionswirkstoffe
sind gegenüber Adenoviren wirksam, für eine ausreichende Wirksamkeit sind oftmals
aber hohe Anwendungskonzentrationen und/oder lange Adenoviren:InaktivierungEinwirkungszeiten
notwendig. Zwischen den einzelnen Serotypen resultieren hinsichtlich ihrer Stabilität
große Unterschiede (Sauerbrei 2004).
Arenaviren (behüllt, lipidhaltig) verursachen z. T. äußerst gefährliche Erkrankungen
(z. B. Lassa-Fieber). In Mitteleuropa haben solche Erkrankungen zwar keine Bedeutung,
durch Ferntourismus muss Arenavirenaber jederzeit mit Einschleppungsfällen gerechnet
werden. Das Ausbreitungspotenzial der Lassa-Viren wird u. a. wegen der speziellen
Übertragungswege als gering eingestuft. Gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind keine
besonderen Resistenzen bekannt, sodass Arenaviren in ihrer Chemikalienresistenz mit
anderen behüllten Viren verglichen werden können. Trotzdem sollte man sich Arenaviren:Inaktivierungbei
Desinfektionsmaßnahmen aus Sicherheitsgründen am höchstmöglichen Standard orientieren
und nur virozide Verfahren, d. h. Verfahren mit Wirksamkeit gegen behüllte und unbehüllte
Viren, anwenden.
Bunyaviren (behüllt, lipidhaltig) umfassen verschiedene Gattungen. Beim Menschen haben
Infektionen mit Hantaviren wiederholt Aufmerksamkeit erregt. In Mitteleuropa besitzen
Bunyaviren noch keine besondere Bedeutung. BunyavirenSie werden häufig durch Vektoren
übertragen und sind deshalb nur in speziellen Fällen Ziel von Desinfektionsmaßnahmen.
In Blutproben von Patienten können sie bei Raumtemperatur mehrere Tage infektiös bleiben.
Gegenüber Lipidlösungsmitteln und Ethanol sind sie empfindlich und werden von allen
gängigen Desinfektionswirkstoffen erreicht.
Caliciviren (unbehüllt) können in gewissem Umfang mit lipidartigen Bunyaviren:InaktivierungSubstanzen
reagieren. Wichtigster Vertreter ist das Norovirus. Als fäkal-oral übertragenes Virus
zeigt es in wässriger Umgebung hohe Umweltresistenz. Auch das Hepatitis-E-Virus wird
zu den Caliciviren gezählt. Nach Anzucht des Murinen Norovirus (MNV) als einzigem
Vertreter dieser Gattung fungiert dieses Virus als Surrogatvirus bei den Prüfungen
(Wobus et al. 2006, Steinmann et al. 2008). Im Gegensatz zum früheren Surrogatvirus,
dem Felinen Calicivirus, zeigt das MNV eine gute Empfindlichkeit gegenüber Alkoholen,
insbesondere Ethanol (Belliot et al. 2008).
Coronaviren (behüllt, lipidhaltig) sind ether- und chloroformempfindlich und besitzen
hohe Umweltresistenz. Einige Arten verursachen grippeähnliche Atemwegserkrankungen,
andere Enteritiden. Am Beispiel des Virus der Coronavirentransmissiblen Gastroenteritis
des Schweins ließ sich zeigen, dass ein pH-Intervall von 3–11,8 toleriert wird. Bei
einer Temperatur von 30 °C muss bis zu 10 Tagen mit Resttitern gerechnet werden. Über
die Resistenz gegenüber Desinfektionswirkstoffen bzw. Desinfektionsmitteln insbesondere
der humanpathogenen Arten gibt es nur wenige Untersuchungen. Aufgrund der vorhandenen
Daten sind Lipidlösungsmittel, Quats, Alkohole, Phenolderivate sowie stark oxidierende
Substanzen als wirksam einzustufen (Brown 1981). Formaldehyd erwies sich in 5-Coronaviren:Inaktivierungprozentiger,
Ethanol in 70-prozentiger Anwendungskonzentration als wirksam. In beiden Fällen wurde
innerhalb von 5 Minuten eine Titerreduktion < 4 log-Stufen erreicht. Alle gebräuchlichen
Desinfektionswirkstoffe scheinen gegen Coronaviren verwendet werden zu können.
Zur Familie der Filoviren (behüllt, lipidhaltig) werden das Marburg- und Ebolavirus
gezählt. Im Hinblick auf Inaktivierbarkeit durch FilovirenDesinfektionsmittel gilt
das Gleiche wie für Arenaviren.
Flaviviren (behüllt, lipophil) Filoviren:Inaktivierungwerden häufig durch Vektoren
übertragen. Neben den in tropischen Regionen auftretenden Gelbfieberviren kommt in
Südeuropa das durch Zecken verbreitete Virus der Frühsommer-FlavivirenMeningoenzephalitis
(FSME) vor. Auch das HCV wird den Flaviviren zugeordnet. Flaviviren reagieren gegenüber
Lipidlösungsmitteln äußerst empfindlich und werden durch alle gebräuchlichen Desinfektionswirkstoffe
leicht inaktiviert. Spezielle Resistenzen sind Flaviviren:Inaktivierungnicht bekannt.
In der Vergangenheit wurde häufig das Bovine Viral Diarrhea Virus (BVDV) als Surrogatvirus
für HCV eingesetzt (Buckwold et al. 2003). Inzwischen gibt es Ansätze, HCV in der
Zellkultur zu replizieren (Bartenschlager et al. 2007).
Der bedeutendste Vertreter der Hepadnaviren (behüllt, lipidhaltig) ist das vorwiegend
durch Blut-Blut- oder Sexualkontakte übertragene HBV des Menschen. Auch die Viren
der HepadnavirenEntenhepatitis (Duck-Hepatitis-B-Virus, DHBV) und der Waldmurmeltiere
(Woodchuck-Hepatitisvirus, WHV) gehören zu den Hepadnaviren.
Da das Hepatitis-B-VirusHBV bisher noch in keinem Zellkultursystem effizient und nur
in Schimpansen in brauchbaren Viruskonzentrationen vermehrt werden kann, wurden DHBV
und WHV für Laboruntersuchungen zur Prüfung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln
gegen Hepadnaviren vorgeschlagen.
Das HBV besitzt eine hohe Trockenresistenz und bleibt bei 25 °C und 42 % rel. Luftfeuchte
für > 1 Woche infektiös (Schimpansenversuch; Bond et al. 1981, 1983). Im Vergleich
zu anderen behüllten Viren gilt es als besonders hitzeresistent.
Die Inaktivierbarkeit des chemoresistenten Virus ist früher durch die indirekten Prüfverfahren
(MADT, Antigen- und Polymerasetest) geprägt Hepatitis-B-Virus:Inaktivierungworden,
lässt sich aber durch Untersuchungen an Schimpansen nicht unbedingt Hepadnaviren:Inaktivierungbestätigen
(Kobayashi et al. 1980, 1984). Vollständige Inaktivierung wurde durch 70 % v/v Ethanol
innerhalb 1 Stunde (RF ≥ 6), 80 %es v/v Ethanol bei 11 °C/2 min (RF 5; Kobayashi et
al. 1984) und 70-prozentiges v/v Propan-2-ol bei 20 °C/10 min/pH 8 erreicht (Bond
et al. 1983). Zur Desinfektion von Hepadnaviren sollten nur Mittel Verwendung finden,
deren Wirksamkeit gemäß Leitlinie von DVV/RKI mit Vakziniavirus und BVDV geprüft wurde
(RKI 2004).
Herpesviren (behüllt, lipidhaltig) werden hauptsächlich durch direkte Kontakte weitergegeben,
das Varicella-Zoster-Virus auch aerogen. In angetrocknetem Zustand können Herpesviren
mehrere Tage infektiös bleiben. In Herpesvirender Veterinärmedizin gibt es Beispiele
für eine Trockenstabilität von Jahren. Gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind humanpathogene
Herpesviren wenig resistent.
Die bedeutendsten Vertreter der Orthomyxoviren (behüllt, lipidhaltig), Herpesviren,
Inaktivierungdie Influenza-A-, -B- und -C-Viren, werden vorwiegend durch Aerosole,
in beachtlichem Maß offensichtlich auch durch Handkontakte übertragen. Desinfektionsmaßnahmen
(OrthomyxovirenHändedesinfektion, Desinfektion von Kontaktflächen), die auf die Bekämpfung
dieser Viren zielen, sind v. a. in der Neonatologie und Pädiatrie sinnvoll (Gwaltney
et al. 1978, 1980). Orthomyxoviren lassen sich ähnlich wie Herpesviren durch alle
bekannten Desinfektionsmittel leicht inaktivieren. Für H1N1 konnte bei Probanden gezeigt
worden, dass Händewaschen mit Orthomyxoviren:InaktivierungSeife eine identische Wirksamkeit
besitzen kann wie eine alkoholbasierte Händedesinfektion (Grayson et al. 2009).
Unter den Polyomaviren (unbehüllt) haben v. a. die humanen Papillomaviren exponierte
Bedeutung. Da sie bisher nicht in ausreichender Menge in der Zellkultur anzüchtbar
sind, ist man zur Beurteilung der PolyomavirenDesinfektionsmittelresistenz auf Vertreter
verwandter Familien angewiesen. Zur Desinfektionsmittelprüfung dient v. a. das zu
den Polyomaviren zählende Simianvirus 40 (SV40). Es hat leicht lipophile Eigenschaften,
reagiert schwach mit manchen lipophilen Substanzen und zeigt eine bemerkenswerte Umwelt-
und Chemikalienresistenz mit besonderer Stabilität gegenüber Ethanol und Formaldehyd.
Zur Inaktivierung von Papovaviren sollten Polyomaviren:Inaktivierungdeshalb nur Mittel
mit vollständiger Virozidie eingesetzt werden (RKI 2004).
Paramyxoviren (behüllt, lipidhaltig) ähneln in ihrer Struktur Orthomyxoviren. Wichtige
Vertreter sind die Parainfluenzaviren 1 bis 4, das Mumps- und Masernvirus sowie das
RSV. Neben der aerogenen Übertragung scheint ein beträchtlicher Teil auch über direkte
und indirekte Kontakte weitergegeben zu werden (Gwaltney et al. 1978, 1980). Deshalb
sind, insbesondere im Bereich der Säuglingspflege und Pädiatrie, v. a. Händedesinfektionsmaßnahmen
sinnvoll. Die Umweltresistenz ist gering. Ebenso sind sie durch alle Desinfektionswirkstoffe
leicht inaktivierbar.
Parvoviren (unbehüllt, hydrophil) zählen zu den resistentesten konventionellen Viren.
Gegenüber lipophilen Substanzen und Lipidlösungsmitteln sind sie vollkommen unempfindlich.
Parvoviren werden vorwiegend fäkal-oral Parvovirenübertragen, besitzen hohe Trockenstabilität
und außerordentlich hohe Thermoresistenz. Antrocknungsvorgänge und Exposition gegenüber
60 °C/1 h überdauern sie praktisch ohne Titerreduktion. Beim Menschen erlangt das
Parvovirus B19 zunehmende Bedeutung.
In manchen chemothermischen Desinfektionsverfahren werden heute Karbonsäuren eingesetzt.
Zur Desinfektion von Parvoviren müssen dabei Temperaturen von 70 °C, möglichst sogar
80 °C Parvoviren:Inaktivierungeingehalten werden, um mit Ameisen-, Glycol- oder Citronensäure
bei kurzen Einwirkungszeiten ein sicheres Ergebnis zu erzielen. Essig- und Propionsäure
scheinen unter diesen Bedingungen keine hinreichende Sicherheit zu bieten (Herbst
et al. 1990). Da Parvoviren nur auf embryonalen Zellen vermehrt werden können, ist
ihre Handhabung im Labor aufwändig. Trotzdem wird Bovines Parvovirus (Stamm Haden)
als Testvirus für die Überprüfung chemothermischer Desinfektionsverfahren verwendet.
In die Richtlinien zur Prüfung von Flächen- und Instrumentendesinfektionsmitteln (RKI
1995, Bräuninger et al. 1995, Peters et al. 1995) wurden Parvoviren v. a. wegen ihrer
guten Trockenstabilität aufgenommen. Bei Inaktivierungsversuchen an der Fläche war
Parvovirus deutlich stabiler als Polio- und Adenovirus (Eterpi 2009).
In der Familie der Picornaviren (unbehüllt) werden neben den Enteroviren (z. B. Polioviren,
HAV, PicornavirenCoxsackie- und ECHO-EnterovirenViren) u. a. auch die PoliovirenRhinoviren
zusammengefasst. Deshalb sind die Coxsackie-VirenPicornaviren im Hinblick auf ihr
Resistenzverhalten eine recht ECHO-Virenheterogene Gruppe. Neben Vertretern mit beachtlicher
Thermoresistenz (z. B. Virus Rhinovirender hämorrhagischen Erkrankung des Kaninchens,
Theilervirus, HAV) finden sich solche mit hoher Temperaturempfindlichkeit (z. B. Poliovirus;
Thomssen et al. 1960). Die meisten Arten sind im pH-Bereich 3–9 über viele Tage stabil,
nicht Hepatitis-A-Virusjedoch Rhinoviren, die gegenüber pH-Werten im sauren Bereich
empfindlich reagieren und bei pH 3 in 30 Minuten inaktiviert Picornaviren:Inaktivierungwerden.
Insbesondere Rhinoviren:InaktivierungPolioviren und offensichtlich auch das HAV sowie
viele Stämme der Coxsackie- und ECHO-Viren sind hydrophil. Manche unter ihnen, z.
B. ECHO-Virus 6 und 18, besitzen aber auch Enteroviren:Inaktivierungleicht lipophile
Eigenschaften und reagieren schwach mit Lipiden. Sie werden deshalb durch lipophile
Substanzen, v. a. durch längerkettige Alkohole, inaktiviert. Hydrophile Picornaviren,
insbesondere das Poliovirus, sind stattdessen gegenüber kurzkettigen hydrophilen Alkoholen
empfindlich.
Innerhalb der Picornaviren liegen die meisten experimentellen Erfahrungen bei Polioviren
vor. In ihrer Resistenz gegenüber Desinfektionswirkstoffen ähneln sie den Parvoviren,
zeigen im Gegensatz zu diesen aber Poliovirenkeine erhöhte Thermoresistenz und sind
auch gegenüber Austrocknen sehr empfindlich. Da Polioviren neben Polioviren:Inaktivierungihrer
hohen Desinfektionsmittelresistenz zusätzlich den Vorteil einfacher Handhabbarkeit
bieten, findet man sie als Prüfviren in vielen Leitlinien und Normen (RKI 2004, EN
14.476, 2007).
Gegenüber Methanol und Ethanol sind Polioviren sehr empfindlich. Propan-1-ol zeigt
dagegen bei 90 % v/v/5 min keine Wirksamkeit und eine Exposition gegenüber Propan-2-ol
führt unter den gleichen Bedingungen selbst nach 60 Minuten zu keinem messbaren Titerverlust.
Methanol verursacht bei 60 % v/v/1 min schon bei 5 °C eine Titerreduktion von mindestens
3 Zehnerpotenzen. Für Ethanol sind bei Raumtemperatur und Anwendungskonzentrationen
zwischen 60 und 90 % Einwirkungszeiten von 1–5 Minuten notwendig, um eine Titerreduktion
von 3–5 Zehnerpotenzen zu erzielen (van Engenburg 2002).
HAV zeigt eine hohe Thermoresistenz und Stabilität gegenüber Desinfektionswirkstoffen.
56 °C/30 min werden nahezu verlustfrei toleriert, 60 °C reichen auch während 1 Hepatitis-A-Virus:InaktivierungStunde
nicht zur sicheren Inaktivierung aus. 0,5-prozentiges Glutaral führt innerhalb von
3 Minuten zu einer Reduktion von 3 Zehnerpotenzen. Mit 0,1-prozentiger Lösung sind
dafür 30 Minuten notwendig (Passagot et al. 1987). Zur Inaktivierung durch Peressigsäure
sind 2 %/60 min notwendig (RF > 5). Bei 1 %/30 min ist dagegen keine ausreichende
Wirksamkeit zu erwarten (RF 0,5, Frösner et al. 1982).
Bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln gegen Picornaviren sollten nur Mittel verwendet
werden, deren Wirksamkeit durch Untersuchungen gegenüber Poliovirus Typ 1 belegt wurde.
Zwar können bei den verschiedenen Picornaviren unter gleichen experimentellen Bedingungen
Unterschiede in Anwendungskonzentration und/oder Einwirkungszeit festgestellt werden
(Sauerbrei 2009) und einige Untersuchungen lassen vermuten, dass sich HAV manchmal
resistenter verhält. Trotzdem hat sich das Resistenzverhalten von Poliovirus Typ 1
(Stamm LSc-2ab) für die Praxis als brauchbarer Maßstab erwiesen.
Pockenviren (lipidhaltig, behüllt) unterscheiden sich in ihrer komplexen Morphologie
und Größe deutlich von allen anderen Virusfamilien. Die klassischen humanen Pocken
gelten als ausgerottet. Ob damit die Familie ihre PockenvirenBedeutung als Krankheitserreger
des Menschen verloren hat, bleibt allerdings abzuwarten. Pockenviren haben einen vergleichsweise
geringen Lipidgehalt und eine außerordentlich hohe Trockenstabilität. Bemerkenswert
sind auch die hohe pH-Stabilität im Bereich zwischen 4,5 und 10 sowie die Etherresistenz
bei gleichzeitiger Chloroform- und Phenolempfindlichkeit.
Schon im letzten Jahrhundert war bekannt, dass Pockenviren unter normalen Umweltbedingungen
über viele Wochen in Staub persistieren können. Systematische Untersuchungen zur Umweltresistenz
ergaben eine verlustfreie Lagerung des getrockneten Virus bei 4 °C über mehr als 35
Wochen. Pockenviren zeigen erhöhte Temperaturresistenz. Bei 56 °C/15 min beträgt die
Titerabnahme von zellgebundenem Virus 2 Zehnerpotenzen. Selbst eine kurzzeitige Exposition
bei 90 °C führt nicht unbedingt zur vollständigen Aufhebung der Infektiosität (Mahnel
1987).
Wie alle behüllten lipidhaltigen Viren sind Pockenviren gegenüber vielen Desinfektionswirkstoffen
empfindlich. Zusammen mit den Hepadnaviren gehören sie aber zu den resistenteren behüllten
Partikeln. Vor allem zellgebundenes Pockenviren:InaktivierungVirus kann beachtliche
Stabilität besitzen.
Die meisten Untersuchungen zur Chemoresistenz von Pockenviren wurden mit Vacciniavirus
Stamm Elstree durchgeführt, das neben Polio-, Adenovirus, SV40 und BVDV als fünftes
offizielles Prüfvirus gewählt wurde (Leitlinie DVV/RKI 2008). Bei der Auswahl geeigneter
VacciniavirusDesinfektionsmittel ist Vacciniavirus damit nicht nur Prüfmodell für
Pockenviren, sondern auch Modell für alle anderen behüllten lipidhaltigen Viren. Eine
erfolgreiche Inaktivierung des Vakziniavirus und des BVDV demonstriert laut Deklaration
des RKI eine Wirksamkeit („begrenzte Virozidie“) gegenüber allen behüllten Viren (RKI
2004).
Die wichtigste Gruppe innerhalb der Familie der Reoviren (unbehüllt) sind die fäkal-oral
übertragenen Rotaviren. In der Neonatologie und Pädiatrie sind sie häufig Ursache
Reovirennosokomialer Virusinfektionen, besitzen aber auch als Erreger von Reisediarrhöen
und für alte Menschen hohe Bedeutung. RotavirenRotaviren zeigen hohe Trockenresistenz
und sind im pH-Bereich zwischen 3 und 10 stabil (Lloyd-Evans et al. 1986). Auch Temperaturen
von 50 °C werden toleriert (Baumeister 1980). Ihr komplexes Kapsid macht Rotaviren
nicht nur gegen stark oxidierende Desinfektionsmittel, sondern auch gegen Lipidlösungsmittel,
Alkohole und Rotaviren:Inaktivierungalkoholische Chlorhexidinlösungen sowie gegenüber
phenolischen Reoviren:InaktivierungWirkstoffen empfindlich (Vaughn et al. 1986). Formaldehyd
ist bei 4 %/15 min wirksam, 95-prozentiges v/v Ethanol in 15 Sekunden (Tan et al.
1981). Propan-1-ol, Propan-2-ol und Butanol vermögen in 30- bis 40-prozentiger Lösung
bovines Rotavirus selbst in Gegenwart von Stuhl in 1 Minute um 3–4 Zehnerpotenzen
zu reduzieren (Kurtz et al. 1980). Kurzkettige Alkohole wirken aber insgesamt schlechter
als längerkettige Verbindungen. 20-prozentiges Methanol ist unwirksam. Ameisensäure
inaktiviert Rotavirus 0,5-prozentig in 15 Minuten, Propionsäure 6- bis 8-prozentig
nach dieser Einwirkzeit. Essigsäure muss 5-prozentig für 30 Minuten angewendet werden.
Als Prüfviren für den humanmedizinischen Bereich hat das humane Rotavirus (Stamm Wa)
Verwendung gefunden. Sofern keine Untersuchungen mit Reoviren/Rotavirus selbst vorliegen,
sollten wegen der klinischen Bedeutung dieser Viren bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln
nur virozide Mittel gewählt werden.
Retroviren (behüllt, lipidhaltig) stellen mit HIV-1 und HIV-2 die zurzeit wichtigsten
humanpathogenen Viren. Zur Familie zählen auch die humanen T-Zell-Leukämieviren. Diese
Viren werden sexuell und durch Blut-Blut-Kontakte übertragen und besitzen nur eine
geringe Umweltresistenz. Das darf aber nicht dazu führen, die Stabilität insbesondere
in natürlichen Begleitmaterialien zu unterschätzen, die unter geeigneten Bedingungen
mehrere Wochen betragen kann. Gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind keine besonderen
Resistenzen bekannt. Trotzdem dürfen bei der Behandlung viruskontaminierten Materials
nur neueste Empfehlungen berücksichtigt werden. Gerade aus der Frühphase der HIV-Pandemie
existieren Angaben, wie z. B. Anwendung von 25-prozentigem, ja sogar 15-prozentigem
Ethanol, die nach heutigem Wissen unter Praxisbedingungen zu keiner sicheren Inaktivierung
führen! Ebenso werden abhängig von der Verwendung von zellfreiem oder zellgebundenem
Virus z. T. erhebliche Unterschiede in der Resistenz beschrieben (Hanson et al. 1989).
Zur Desinfektion von HIV sollten kommerzielle Produkte mit begrenzter Virozidie angewendet
werden, die nach der Leitlinie von DVV/RKI überprüft worden sind.
Rhabdoviren (behüllt, lipidhaltig) sind gegen Ether, Chloroform und Säuren empfindlich.
Beim Menschen hat das Tollwutvirus (Rabiesvirus) Bedeutung, das durch Biss tollwütiger
Tiere und in besonderen Fällen auch durch RhabdovirenStaub oder Aerosole übertragen
werden kann. Im Veterinärbereich werden zur Desinfektion 3-prozentige Natronlauge,
2-prozentiges Formaldehyd, 70-prozentiges v/v Ethanol oder 20-prozentige QAV empfohlen.
Es ist anzunehmen, dass das Rhabdoviren:InaktivierungRabiesvirus schon durch deutlich
geringere Anwendungskonzentrationen selbst dann zuverlässig inaktiviert werden kann,
wenn es in Speichel, Liquor oder Blut vorliegt. In Geweberesten oder Tierkadavern
muss allerdings mit einer erheblich höheren Resistenz gerechnet werden. In Tierkadavern
kann das Virus mehrere Wochen persistieren.
Zu den Togaviren (behüllt, lipophil mit hohem Lipidgehalt) gehört das Rötelnvirus.
Es wird bereits bei 37 °C/1 h um 0,5 log reduziert, 56 °C/30 s reichen zur vollständigen
TogavirenInaktivierung. Rötelnvirus reagiert auf alle organischen Lösungsmittel sehr
empfindlich. Togaviren:InaktivierungBesondere Resistenzen gegenüber Desinfektionswirkstoffen
sind nicht bekannt. Bei der Auswahl sollte man auf Präparate mit begrenzter Virozidie
zurückgreifen.
2.6.4
Inaktivierung unkonventioneller Agenzien (Prionen)
Virusinaktivierung:chemische Verfahren\"\r\"Virusinaktivierungchem
Unkonventionelle Agenzien, sog. Prionen, unterscheiden sich in vielen Eigenschaften
von den bisher behandelten, konventionellen Viren. Sie verursachen spongiforme Enzephalopathien
beim Menschen oder bei Haus- und Wildtieren. Beispiele sind die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit,
die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) oder Scrapie. Bei den Erregern handelt
es sich offenbar um nukleinsäurefreie Proteinmoleküle, die sich nicht in ihrer Aminosäurensequenz,
wohl aber in der räumlichen Struktur von vergleichbaren zellulären Proteinen unterscheiden,
denen sie ihre eigene Konformation aufzwingen.
Unkonventionelle Erreger zeichnen sich durch äußerst hohe Umwelt- und Chemikalienresistenz
aus. In der Umwelt können sie über Jahre persistieren. Die üblichen Prionen:InaktivierungDesinfektionswirkstoffe
und -verfahren wie Alkohole, Aldehyde, iod- und phenolhaltige Präparate, Beta-Propiolacton,
Ethylenoxid und UV- oder radioaktive Bestrahlung sind zur Inaktivierung nicht geeignet
oder zeigen nur eingeschränkte Wirksamkeit (Danner 1991). Als sicheres Verfahren gilt
die Dampfsterilisation im Autoklaven bei 134 °C (4 Stunden, 4 bar) möglichst unter
Vorbehandlung von 1 M NaOH (Riesner 1996). In den meisten Fällen scheint das Autoklavieren
bei 134 °C/1 h geeignet zu sein, wenn das Ausgangsmaterial nicht mit hoch erregerhaltigem
Material kontaminiert ist (Taylor et al. 1994). Auch die Behandlung mit 1 M NaOH über
24 Stunden, 2,5- bis 5-prozentigem Natriumhypochlorit über 24 Stunden, Kochen in 3-prozentigem
Natriumdodecylsulfat (SDS) für mindestens 10 Minuten sowie 3–6 M Guanidiumisothiocyanat
(3 M/24 h; 4 M/1 h; 6 M/15 min) zerstören die Infektiosität. Bei hohem oder erhöhtem
CJD-Risiko bzw. vCJD-Risiko soll zuerst in dieser Form desinfiziert, dann maschinell
aufbereitet und abschließend bei 134 °C 1 Stunde sterilisiert werden.
2.6.5
Testmethoden, Leitlinien und Normen
Ausgangspunkt für die In-vitro-Untersuchung von Präparaten auf Virus-Wirksamkeit ist
der quantitative Suspensionsversuch. Dieser wird nach der aktualisierten Leitlinie
der DVV und des RKI (Leitlinie 2008) oder nach der europäischen Norm EN 14476:2007-02
vorgenommen. Bei diesen Suspensionsversuch, quantitativerVersuchen werden 8 Volumenanteile
eines Desinfektionsmittels mit 1 Volumenanteil einer definierten Virussuspension und
1 Volumenanteil einer interferierenden Substanz (Belastung) vermischt. Nach Ablauf
einer vorgegebenen Einwirkzeit wird die Restinfektiosität im Testansatz bestimmt.
Liegt im Vergleich zur Viruskontrollprobe eine Titerreduktion im Testansatz vor, können
Aussagen über die virusinaktivierenden Eigenschaften des Desinfektionsmittels unter
den geprüften Bedingungen getroffen werden. Ein Präparat gilt als wirksam, wenn unter
den gewählten Bedingungen eine Titerreduktion von 4 log10-Stufen (Inaktivierung ≥
99,99 %) erreicht wird.
Als Prüfviren fungieren in der Leitlinie von DVV/RKI (2008) das Bovine Viral Diarrhea
Virus (BVDV) Stamm NADL als Surrogat für HCV, Prüfvirendas Vacciniavirus Stamm Elstree,
das Virusinaktivierung:PrüfvirenPoliovirus Typ 1 Stamm LSc-2ab, das Adenovirus Typ
5 Stamm Adenoid 75 und das Polyomavirus (früher Papovavirus) SV40 Stamm 777. Das Parvovirus
fungiert als Prüfvirus für die chemothermische Desinfektion. Die Prüfungen werden
nach der Leitlinie ohne und mit FKS-Belastung durchgeführt. Die Verwendung des Vacciniavirus
als Prüfvirus könnte in der Zukunft problematisch werden, weil das Arbeiten mit diesem
Virus eine entsprechende Impfung voraussetzt, die sich bei immer weniger Laborpersonal
findet. Über den Austausch des Poliovirus wird nachgedacht, weil nach der Eradikation
der Kinderlähmung das Prüfvirus eine andere Sicherheitseinstufung bekommt.
Die Einführung des Begriffs „begrenzt virozid“ (wirksam gegenüber behüllten Viren;
Prüfviren: Vacciniavirus und BVDV) zusätzlich zu dem bereits bestehenden Begriff „virozid“
(wirksam gegen alle unbehüllten und behüllten Viren) durch einen Arbeitskreis am RKI
hat dazu geführt, dass mittlerweile viele Desinfektionsmittel als begrenzt virozid
ausgewiesen werden können (RKI 2004). Mit dem BVDV hat man hier ein behülltes Virus
aus der Veterinärmedizin als Surrogat (Ersatz) für das HCV gewählt (Buckwold et al.
2003). Ist nach dieser Definition ein Präparat begrenzt virozid, ist eine Wirksamkeit
gegenüber allen behüllten Viren gegeben (RKI 2004).
In Europa ist für die Prüfung der chemischen Desinfektionsmittel die EN 14.476 vorgesehen.
Dort finden sich das Polio- und das Adenovirus als Prüfviren, wobei die Händedesinfektionsmittel
ausschließlich mit Phosphatpuffer (PBS) und nicht mit einer Belastung getestet werden.
Flächen- und Instrumentendesinfektionsmittel werden demgegenüber unter geringer (clean)
und hoher (dirty) Belastung geprüft. Bovines Parvovirus wird für die Evaluierung der
chemothermischen Desinfektion wie in der Leitlinie eingesetzt.
Durch die unterschiedlichen Belastungen sind die Prüfungen nach der Leitlinie von
DVV/RKI und der EN 14476 nicht unbedingt als gleichwertig anzusehen. Erschwert wird
ein Vergleich der Ergebnisse zwischen der deutschen Leitlinie und der europäischen
Norm auch durch die Tatsache, dass die Fassung der deutschen Leitlinie vom 1. August
2008 unter Angabe einer Begründung auch die Untersuchung von Händedesinfektionsmitteln
in 90,0-prozentiger Endkonzentration erlaubt, wobei die Belastung mit fetalem Kälberserum
(FKS) in diesem Versuchsansatz von 10 % auf 9 % reduziert wird (Leitlinie 2008). Nach
der EN 14476 dürfen hingegen nur Händedesinfektionsmittel mit einer maximalen Konzentration
im Versuchsansatz von 80 % in Gegenwart von PBS getestet werden. Somit lassen sich
für Händedesinfektionsmittel die Ergebnisse von Desinfektionsmittelprüfungen nach
der deutschen und der europäischen Vorschrift nicht immer direkt miteinander vergleichen.
Hinzu kommt, dass die in EN 14476 vorgeschlagenen Prüfviren nicht das gesamte Spektrum
der humanmedizinisch wichtigen Viren abdecken.
Die Entwicklung von praxisnahen Prüfmodellen steht noch am Anfang. Zur Ableitung korrekter
Anwendungsempfehlungen für chemische Desinfektionsmittel wäre das ein bedeutender
Fortschritt der bislang geübten Praxis. Bei der Entwicklung dieser Methoden ist dabei
auf die Vergleichbarkeit zu den Verfahren der Bakteriologie zu achten.
2.7
Konsequenzen der Nutzen-Risiko-Bewertung von Desinfektionswirkstoffen
Virusinaktivierung:Normen
Virusinaktivierung\"\r\"Virusinaktivierung Axel Kramer, Ojan Assadian und Michael
Wilhelm
Aufgrund ihrer mikrobioziden Wirkungsweise bedürfen Desinfektionswirkstoffe der sorgfältigen
Nutzen-Risiko-Bewertung, um Nebenwirkungen auf Mensch und Umwelt so weit wie möglich
zu minimieren. Drei Prämissen sind zu beachten:
•
indikationsgerechter Einsatz,
•
indikationsgerechte Wirkstoffauswahl,
•
Auswahl des jeweils am besten geeigneten Wirkstoffs für die entsprechende Indikation.
2.7.1
Alkohole
Zusätzlich zum umfassenden bakterioziden Wirkungsspektrum sind Alkohol(e):Nutzen-Risiko-BewertungEthanol
konzentrationsabhängig virozid, Alkohol(e):WirkungsspektrumPropanole dagegen innerhalb
von 15–30 Sekunden nicht virozid Ethanol:Wirkungsspektrumwirksam. Bakteriensporen
werden von Alkoholen generell nicht beeinflusst. Die Wirksamkeit der Alkohole wird
Propanol(e):Wirkungsspektrumneben der Einwirkungszeit auch deutlich von der angewendeten
Konzentration mit beeinflusst. Alkohole müssen in einer konkreten Mindestkonzentration
angewendet werden, um wirken zu können. Diese liegt für n-Propanol bei mindestens
ca. 55–60 %, für iso-Propanol bei mindestens 60 % und für Ethanol bei mindestens 60–70
% Volumenanteil (v/v).
Aufgrund der lokalen und systemischen Unbedenklichkeit sind Alkohole Mittel der ersten
Wahl zur Händedesinfektion und Hautantiseptik, können aber wegen ihres raschen Wirkmechanismus
auch auf umschriebenen Flächen zielgerichtet angewendet werden.
Aus toxikologischen und allergologischen Gründen sind Alkohole in Kombination mit
Phenolen und Chlorhexidin nicht grundsätzlich zur täglich wiederholten Händedesinfektion
zu empfehlen, zumal die Wirksamkeit dadurch nicht signifikant Alkohol(e):Risikenverbessert
wird. In Hinblick auf die Umweltverträglichkeit gibt es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
keine Einschränkungen (Kramer et al. 2008). Obwohl unverdünnte Alkoholkonzentrate
brennbar sind, sind Entzündungen innerhalb von Krankenhäusern eine Rarität und ausschließlich
fahrlässig durch offenes Feuer bzw. aus suizidaler Absicht verursacht worden (Kramer
und Kampf 2007).
2.7.2
Aldehyde
Formaldehyd
Aufgrund des breiten Wirkungsspektrums (Mykobakterien, Pilze, Viren, Protozoen), der
Haltbarkeit, geringen Korrosivität und der nur unbedeutenden Beeinflussung durch Belastung
handelt es sich um einen Formaldehyd:Wirkungsspektrumbewährten Desinfektionswirkstoff.
Zur Sporenabtötung werden Einwirkungszeiten > 1 Tag benötigt.
Formaldehyd:RisikenFormaldehyd ist gesundheitlich bedenklich. Es wirkt stark reizend
auf Augen, Haut und Schleimhäute, besitzt ein hohes allergenes Potenzial und ist als
Humankanzerogen eingestuft (BfR 2006, IARC 2004). Nach Einschätzung des BfR (2006)
zeigen epidemiologische Studien und mechanistische Überlegungen zweifelsfrei, dass
die inhalative Aufnahme von Formaldehyd beim Menschen Tumoren in den oberen Atemwege
auslösen kann. Diskutiert wird auch ein Zusammenhang mit der myeloischen Leukämie.
Die Ableitung einer tolerierbaren Raumluftkonzentration basiert auf sensorischen Irritationen
des oberen Respirationstrakts. Im Hinblick auf die krebserzeugende Wirkung beim Menschen
leitete das BfR eine sichere Konzentration von Formaldehyd in der Raumluft von 0,1
ppm ab. Dieser Wert entspricht dem Innenraumrichtwert der Innenraumlufthygiene-Kommission
des Umweltbundesamts, der 1977 ohne Berücksichtigung kanzerogener Wirkungen erarbeitet
wurde. Der Innenraumleitwert für Formaldehyd der WHO (Regionalbüro für Europa) lautet
0,08 ppm (0,1 mg/m3; WHO 2010). Der MAK-Wert zum Schutz vor Menschen am Arbeitsplatz
beträgt 0,3 ppm (DFG 2000). Die neuen Einstufungen verlangen ein Überdenken der bisherigen
Anwendung von Formaldehyd zur Flächen-, Raum- und Instrumentendesinfektion (Kramer
et al. 2008a).
Flächendesinfektion: Es ist davon auszugehen, dass die sichere Konzentration (BfR
2006) für die Raumluft von 0,1 ppm bei der Flächendesinfektion:FormaldehydFlächendesinfektion
auch bei Mischpräparaten i. d. R. überschritten wird (Formaldehyd:FlächendesinfektionEickmann
und Thullner 2006). Demzufolge wären, insbesondere in kleinen und wenig belüfteten
Räumen, aufwändige Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich (Schwebke et al. 2007).
Da eine vergleichbar breite Wirksamkeit auch durch andere Wirkstoffe erreichbar ist,
ist Formaldehyd nicht mehr zur Flächendesinfektion zu empfehlen. Alternativ kommen
in erster Linie oxidierend wirksame Verbindungen infrage.
Sollen bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen ggf. doch formaldehydhaltige
Desinfektionsmittel eingesetzt werden, muss durch Arbeitsschutzmaßnahmen eine Gefährdung
ausgeschlossen werden.
Instrumentendesinfektion: Wegen der Eiweißfixierung sind alle Aldehyde nur nach effizienter
maschineller Instrumentendesinfektion:FormaldehydVorreinigung und wegen Unterbindung
der Emission in die Raumluft nur in Formaldehyd:Instrumentendesinfektiongeschlossenen
Verfahren (RDG) als anwendbar einzustufen.
Raumbegasung: Die Raumbegasung wurde sowohl im Krankenhaus als auch im Krankentransport
verlassen. Nur zur Gefahrenabwehr bei Raumbegasung, Formaldehydaußergewöhnlichen Seuchengeschehen
(Fock et al. 2001) ist sie für Formaldehyd:RaumbegasungTransportfahrzeuge vorgesehen.
Alternativ kommt als unbedenklicheres Verfahren die Verneblung von Wasserstoffperoxid
in Betracht (Pitten 2008).
Begasung von Sicherheitswerkbänken: Vor dem Ausbau von HEPA-Filtern werden ab Sicherheitsstufe
L2 die Geräte Begasung, Sicherheitswerkbänke, Formaldehydmit Formaldehyd begast. Alternative
Verfahren z. B. mit Wasserstoffperoxiddampf Formaldehyd:Begasung, Sicherheitswerkbänkebefinden
sich in Erprobung.
Formaldehydgassterilisation: Es dürfen nur gasdichte Geräte betrieben werden, die
gefahrlos entlüftet werden können. Die Einhaltung der maximalen Raumluftkonzentration
muss durch technische Ausrüstung Formaldehydgassterilistationgewährleistet werden.
Glutaral
Der Wirkstoff ist Formaldehyd:Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"FormaldehydNutzRisbakteriozid,
fungizid, virozid und sporozid wirksamer als Formaldehyd. Allerdings Glutaral:Nutzen-Risko-Abwägungwird
die sporozide Wirkung durch Kombinationen von Hypochlorit mit Alkoholen und durch
Persäuren Glutaral:Wirkungsspektrumdeutlich übertroffen (Kramer et al. 2008a).
Die Toxizität ist etwa 60-fach höher als die von Formaldehyd, im Unterschied zu Formaldehyd
wird Glutaral dermal resorbiert. Glutaral ist allergen und Asthma auslösend, ein mutagenes
Risiko Glutaral:Toxizitätist nicht auszuschließen, Hinweise auf Kanzerogenität beim
Menschen liegen nicht vor. Die Anwendung ist auf die Aufbereitung spezieller MP, z.
B. Applanationstonometer, zu beschränken, sofern keine Alternative verfügbar ist.
Glyoxal
Wirkt erst in hohen Konzentrationen bakteriozid, sporozid und virozid und wird nur
in Kombination mit Glyoxal:Nutzen-Risiko-Abwägungweiteren Aldehyden eingesetzt.
Wegen fehlender Flüchtigkeit aus wässrigen Lösungen kein inhalatives Glyoxal:WirkungsspektrumRisiko,
aber dermale Resorption, tierexperimentell sensibilisierend, mutagen, möglicherweise
erbgutverändernd (Kategorie 3) und Einstufung in Kategorie 3B „möglicherweise karzinogen
Glyoxal:Risikenbeim Menschen“.
Mit Ausnahme der Sporozidie sind alle Desinfektionsaufgaben ohne Aldehyde mit unbedenklichen
Substituten realisierbar. Bei benötigter Sporozidie sind bei Anwendungen mit Wirkstofffreisetzung
in die Raumluft Peroxide und Hypochlorite gegenüber Peroxikarbonsäuren bzgl. Langzeitverträglichkeit
zu bevorzugen. Wegen rascher sporozider und umfassender virozider Wirkung sind für
Dialysegeräte und Endoskope Persäuren wegen im Vergleich zu Aldehyden höherer Wirksamkeit,
besserer Verträglichkeit für Reinigungs-Desinfektions-Geräte für Endoskope (RDGE)
und Reduzierung der Betriebskosten Mittel der Wahl. In Frankreich wird zum Personalschutz
bei manueller Aufbereitung Peressigsäure anstelle von Aldehyden zur Endoskopaufbereitung
empfohlen (Hartemann et al. 2010). Für Waschverfahren sind Oxidanzien oder Persäuren
Wirkstoffe der Wahl.Aldehyde:Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"AldehydeNutzRisik
2.7.3
Organische Karbonsäuren
(Kramer et al. 2008b)
Ameisensäure Karbonsäuren, organische:Nutzen-Risiko-Bewertungals wirksamster Vertreter
ist bakteriozid und virozid wirksam.
Organische Karbonsäuren sind ohne Ameisensäuretoxische Risiken, umweltverträglich
und werden zur Karbonsäuren, organische:WirkungsspektrumKonservierung, aber auch als
Kombinationspartner in Desinfektionsmitteln, Antiseptika und als Antiparasitika eingesetzt.
2.7.4
Oxidanzien
(Kramer et al. 2008c)
Wasserstoffperoxid
Breites Wirkungsspektrum Wasserstoffperoxid:Nutzen-Risiko-Bewertungeinschließlich
Viren und Sporen. Organisches Material ist von geringem Einfluss auf Oxidanzien:Nutzen-Risiko-Bewertungdie
Wirksamkeit, sofern es keine Katalasen bzw. Peroxidasen enthält.
Wasserstoffperoxid:WirkungsspektrumKeine toxischen Risiken. In Verbindung mit Ultraschallverneblung
ist 10-prozentiges H2O2 wirksam zur Desinfektion von Beatmungsgeräten. Die Raumdesinfektion
scheint sich zu einem aussichtsreichen Anwendungsgebiet zu entwickeln (Pitten 2008).
Peressigsäure
Breites Wirkungsspektrum mit hoher Wirksamkeit gegen Viren und Bakteriensporen, Peressigsäure:Nutzen-Risiko-Bewertungunwirksam
gegen Helminthen und manche Protozoen.
Keine Sensibilisierung, Peressigsäure:Wirkungsspektruminhalativ neurotoxisch, eingestuft
in Kategorie 3B für Krebs erregende Arbeitsstoffe.
Bei deklarierter Materialverträglichkeit, guter Vorreinigung und fehlender chronisch
inhalativer Exposition ist Peressigsäure aufgrund der Wirksamkeit, fehlender Rückstandsprobleme
und Umweltverträglichkeit als idealer mikrobiozider und virozider Wirkstoff einzuordnen,
speziell beim Einsatz in RDG.
PVP-Iod
Breites mikrobiozides, virozides und protozoides Wirkungsspektrum mit raschem Wirkungseintritt,
für PVP-Jod:Nutzen-Risiko-BewertungSporozidie differiert die Einwirkungszeit in der
Literatur zwischen 1 PVP-Jod:WirkungsspektrumMinute und > 5 Stunden. Durch 20 % Blut
wird die Wirkung aufgehoben.
Allergierate bei Wundantiseptik bis 20 % (Freise et al. 2008).
Wegen Schilddrüsengefährdung bei episomatischer Anwendung und überlegener Alternativen
keine Anwendung zur Händedesinfektion, Haut- und Schleimhautantiseptik. Anwendung
am Auge in einer Konzentration von 1,25 % ist risikolos möglich (PVP-Jod:RisikenBelow
et al. 2006, Richter et al. 2006, Hansmann et al. 2007). PVP-Iod ist in Kombination
mit Ethanol indiziert zur Versorgung von Bissverletzungen (Kramer et al. 2010).
2.7.5
Phenolderivate
(Kramer et al. 2008d)
Breites antibakterielles und antifungielles Wirkungsspektrum, begrenzt virozid wirksam,
z. T. askarizid Phenol(e):Nutzen-Risiko-Bewertungwirksam, fehlende Sporozidie.
Der Mensch hat sich in der Evolution an Phenol(e):Wirkungsspektrumin der Natur vorkommende
phenolische Strukturen angepasst und kann sie metabolisieren. Von dem Gefährdungspotenzial
einiger Phenole, z. B. Pentachlorphenol, eine pauschale Ablehnung der Stoffklasse
abzuleiten, ist kritisch zu hinterfragen. Möglicherweise gewinnen im Ergebnis vertiefter
Untersuchung mit modernen Methoden Wirkstoffe mit günstiger Nutzen-Risiko-Relation
wieder an Bedeutung. Strukturabhängig keine Umweltgefährdung.
Aktuell werden Phenole v. a. zur Konservierung eingesetzt, aber auch in Antiseptika
(z. B. Thymol) und zur Imprägnierung von chirurgischem Nahtmaterial (Kramer et al.
2010).
2.7.6
Quaternäre Ammoniumverbindungen (QAV)
Die Wirksamkeit kann je nach Molekularmasse und Struktur um den Faktor 10 differieren
(Widulle et al. 2008). QAV sind gegen einige Erreger sehr Quats:Nutzen-Risiko-Bewertungwirksam,
gegen andere nur wenig wirksam bei insgesamt langsamem Wirkungseintritt und z. B.
gegen Mykobakterien und Bakteriensporen unwirksam.
Glucoprotamin, ein Quats:WirkungsspektrumUmsetzungsprodukt von L-Glutaminsäure und
Cocospropylen-1,3-diamin, ist höher wirksam als die klassischen QAV mit Wirksamkeit
gegen M. terrae, M. tuberculosis und M. avium sowie eine Vielzahl atypischer Mykobakterien,
Pilze einschließlich Aspergillus spp., HIV und HBV, insbesondere bei alkalischem pH,
sowie unbehüllte, leicht lipophile Viren wie Adeno-, Rota- oder SV40-Virus, aber unwirksam
gegen nackte und hochhydrophile Viren, insbesondere Picorna- und Parvoviren (von Rheinbaben
und Meyer 2008).
Je größer das Molekül und je schlechter die solubilisierenden Eigenschaften der QAV,
desto besser ist die Haut- und Schleimhautverträglichkeit. Anwendungsabhängig schädigen
QAV die Haut aufgrund ihrer emulgierenden Eigenschaften, sie werden dermal resorbiert,
allerdings gibt es keine Hinweise auf eine systemische Gefährdung und keine Quats:RisikenHinweise
auf mutagene und karzinogene Risiken sowie auf Reproduktionstoxizität.
Der Zusatz von Benzalkonium-, Benzethonium- und Didecyldimethylammoniumchlorid zu
Händedesinfektionsmitteln ist als entbehrlich anzusehen. Gegen den Einsatz in Instrumentendesinfektionsmitteln
spricht bei gründlicher Abschlussreinigung nichts. Bei Einsatz in Flächendesinfektionsmitteln
als Hauptwirkstoff oder Kombinationspartner ist die Unverträglichkeit für Kautschukbeläge
zu beachten. In diesem Fall kommt der Wirkstoff Glucoprotamin als Alternative in Betracht
(stattdessen unverträglich mit Silikon, bei Daueranwendung an Polycarbonat, Polysulfon
und Acrylglas sind Materialveränderungen nicht auszuschließen). Bei großflächiger
Anwendung von QAV ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund der Stabilität zur Anreicherung
auf Flächen kommt, von denen sich Reste als Staub ablösen und eingeatmet werden können.
Dadurch könnte die Entwicklung einer COPD gefördert werden.
2.7.7
Guanidine und Biguanide
(Kramer et al. 2008e)
Polihexanid
Ist in der Wirksamkeit Chlorhexidin im grampositiven Spektrum gleichwertig, im gramnegativen
Polihexanid:Nutzen-Risiko-BewertungSpektrum leicht überlegen (Koburger et al. 2010),
deutlich besser Polihexanid:Wirkungsspektrumverträglich, ohne lokale oder systemische
Risiken und das einzige Antiseptikum, das die Wundheilung stimuliert (Beule et al.
2010).
Dominierender Anwendungsbereich sind die Haut-, Schleimhaut- und Wundantiseptik. Der
Einsatz in Flächendesinfektionsmitteln ist wegen schlechter Abbaubarkeit und besserer
Alternativen nicht zu empfehlen.
Chlorhexidindiglukonat (Chx)
Die Wirksamkeit ist durch große Speziesdifferenzen gekennzeichnet mit geringer Wirkung
gegen Chlorhexidin:Nutzen-Risiko-BewertungMykobakterien und unsicherer Wirkung gegen
Pilze. Gelegentlich wachsen Pseudomonaden Chlorhexidin:Wirkungsspektrumin wässriger
Chx-Lösung. MRSA war signifikant schlechter abzutöten als MSSA, VRE erwiesen sich
als resistent. Übertragbare Resistenzentwicklung gegen Chx ist in vitro nachgewiesen.
Aufgrund der schwer erreichbaren Neutralisierung können bei der Prüfung falsch positive
Ergebnisse erhalten werden. Chx wird von Octenidin signifikant an Wirksamkeit übertroffen
(Koburger et al. 2010). Ein Merkmal ist – analog wie für Octenidin – die remanente
Wirkung. Chx ist wirksam gegen behüllte, aber unwirksam gegen unbehüllte Viren.
Die Zytotoxizität führt bei tierexperimentellen Wunden z. T. zu verzögerter Heilung.
Chx ist ein mildes Irritans, verursacht selten Kontaktdermatitis und anaphylaktische
Reaktionen und ist Chlorhexidin:Risikendaher seit 1984 in Japan zur Schleimhautanwendung
untersagt. Chx ist tierexperimentell neurotoxisch, das Risiko von Mutagenität und
Karzinogenität ist nicht ausreichend abgeklärt. Da nach 14-tägiger oraler Anwendung
(0,2- und 0,02-prozentig) bei Ratten reversible Hyperkeratosen, Ulzerationen und Dysplasien
auftraten, soll diese Anwendungsdauer zur Mundhöhlenantiseptik beim Menschen nicht
überschritten werden. Bei Lagerung in Fertigprodukten entsteht 2-Chloranilin.
Chx ist derzeit noch Goldstandard zur Mundhöhlenantiseptik und effektiv zur Prävention
beatmungsassoziierter NI. Durch Vaginalantiseptik Senkung der mütterlichen und neonatalen
Morbidität und Mortalität, zur MRSA-Eradikation Octenidin unterlegen (Hübner et al.
2009). Wegen höherer Wirksamkeit und besserer Hautverträglichkeit sind Alkohole anstelle
Chx-haltiger Detergenzien zu bevorzugen. Da durch Zusatz von Chx zu alkoholhaltigen
Formulierungen die Hautverträglichkeit reduziert wird und in Anbetracht der nicht
eindeutig geklärten Langzeitrisiken sollten bei jahrelanger Anwendung zur Händedesinfektion
alkoholische Präparate ohne Chx-Zusatz eingesetzt werden. Bei Verdacht auf allergische
bzw. anaphylaktische Reaktion allergologische Abklärung!
Keine Anwendung an ZNS, freigelegten Nerven, im Innenohr, auf bradytrophen Geweben,
Peritoneum oder bei bekannter Allergie, am Auge nicht > 0,05-prozentig. Kein Wirkstoff
der Wahl für chronische Wunden und zur Daueranwendung zur Instillation vor intermittierendem
Harnblasenkatheterismus.
2.7.8
Octenidindihydrochlorid (Oct)
Guanidine:Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"GuanideNutzRisik(Kramer et al. 2008f, Hübner
et al. 2010)
Biguanide, Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"GuanideNutzRisikWirksamster antiseptischer
Wirkstoff mit hoher remanenter Wirkung, keine Octenidin:Nutzen-Risiko-BewertungResistenzentwicklung
bekannt. Wirksamkeit von Alkoholen wird in Kombination mit Oct Octenidin(di)hydrochlorid\t\"Siehe
Octenidinund analog zu Chx vor Legen zentraler oder peripherer Venenkatheter signifikant
erhöht.
Phänomen der starken Eiweißbindung mit sukzessiver Wirkstofffreisetzung ist als Ursache
der mit Ringer-Lösung vergleichbar guten Wundverträglichkeit anzusehen. Biokompatibilitätsindex
nur bei Oct und Polihexanid > 1 (Müller und Kramer 2007); kein Hinweis auf Langzeitrisiken.
Hinsichtlich lokaler und systemischer Verträglichkeit gibt es keine Einschränkungen
für den Einsatz in Händedesinfektionsmitteln, Hautantiseptika und antiseptischen Waschpräparaten.
Oct ist Wirkstoff der 1. Wahl zur MRSA-Eradikation sowie generell zur Haut- und Schleimhautantiseptik.
Kontraindiziert zur Spülung in Peritoneum, Gelenk und Harnblase, keine Anwendung am
Trommelfell, solange diese Indikation nicht überprüft ist. Okklusivanwendungen auf
Wunden nur nach Herstellerempfehlungen.Desinfektionswirkstoffe, Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"DesinfektionswirkstNutzRisiko
2.8
Grundlagen der Sterilisation
Wolfgang Kohnen, Paul Kober†, Rolf Fleischhack, Dieter Achterberg, Ulrich Kaiser,
Thomas Kühne, Kurt Scheel, Rudi Salzbrunn, Herbert Getreuer, Ernst Dennhöfer, Wolf-Dieter
Wegner.
Vor etwa 800.000 Jahren hat der Mensch gelernt, Feuer zu entzünden. Hinweise auf dessen
unbewusste Nutzung gegen Mikroorganismen gibt es schon aus der Medizin der Vorzeit,
in der die Behausung bei Seuchen verbrannt wurde. Ein Meilenstein ist die Erfindung
von N. Appert (französischer Koch) 1809, der Konservendosen auf über 100 °C erhitzte
und damit einen Wettbewerb zur Schaffung haltbarer Truppenverpflegung gewann. 1865
beweist L. Pasteur, dass durch Erhitzen von Flüssigkeiten Mikroorganismen (Bakterien)
abgetötet werden. 1874 appellierte er an Chirurgen, Instrumente thermisch zu behandeln.
Tyndall führte 1878 das fraktionierte „Sterilisieren“ durch. Dabei erhitzte er Proben
in Abständen von 10–12 Stunden. 1881 prüfte R. Koch die Wirkung heißer Luft und heißen
Wasserdampfs auf die wichtigsten resistenten Mikroorganismen (z. B. Milzbrandsporen),
erkannte die Vorteile des Sattdampfs und baute einen der ersten Dampftöpfe. Globig
erkannte 1888, dass Dampf effektiver als siedendes Wasser ist und in Sattdampf ab
130 °C Mikroorganismen in Sekunden abgetötet werden. Noch vor 1890 stellt Gluck sterilisierbare
Metallkästen und emaillierte Kochapparate mit Instrumenteneinsätzen her. 1890 wird
in New York Milch kurzzeitig auf 60 °C erhitzt und Soxhlet entwickelt einen Pasteurisator
für Milch in Haushalten. 1891 bauen Schimmelbusch und Tessier Dampfsterilisatoren
und Sterilisationstrommeln. 1892 beschreiben von Bergmann und Schimmelbusch, dass
Wundinfektionen seit Einführung der Instrumentendesinfektion mit Wasserdampf seltene
Ereignisse im Vergleich zu 1870 (80 % Wundinfektionen) geworden sind.
2.8.1
Rechtliche und normative Grundlagen
Regeln zum Schutz der Anlagen und der Beschäftigten bei Risiken durch Dampfkessel
und elektrische Betriebsmittel werden seit über 100 Jahren von Herstellern, Betreibern
und Versicherungen erstellt. Gesetze und Verordnungen haben den Anwendungsbereich
dieser Bestimmungen auf den Schutz unbeteiligter Dritter und der Umwelt erweitert.
Seit gut 20 Jahren enthalten die Europäischen Richtlinien die „Grundlegenden Anforderungen“
für Produkte mit CE-Kennzeichnung. Der diesen Anforderungen zugrunde liegende Stand
der Technik wird in den harmonisierten Normen beschrieben, die die nationalen Normen
und UVVen weitgehend ersetzen. Im Gesundheitswesen gelten die „Grundlegenden Anforderungen“
der Richtlinie 93/42/EWG mit Überarbeitungen und Ergänzungen der Richtlinie 2007/47/EG
über MP gleichermaßen für MP, Verpackungen, RDG und Sterilisatoren. Die gesetzlichen
Bestimmungen sind das Medizinproduktegesetz (MPG) und die Medizinproduktebetreiberverordnung
(MPBetreibV). Des Weiteren ist bei der Aufbereitung die in der MPBetreibV eingebundene
Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI (KRINKO)
und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu beachten (2001).
MP dürfen nach Maßgabe der MPBetreibV nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und von
Personen errichtet, betrieben, angewendet und instand gehalten werden, die die dafür
erforderliche Ausbildung und Erfahrung besitzen (§ 4, Abs. 2).
Die Anforderungen an Entwicklung, Validierung und Routineüberwachung der Sterilisation
mit feuchter Hitze sind in DIN EN ISO 17665 geregelt (für Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd
gilt DIN EN 15424, für Ethylenoxid (EO) DIN EN 1422).
Bei MP, die wiederaufbereitet werden, muss der Hersteller angeben, wie Aufbereitung
und Resterilisation zu erfolgen haben (Einzelheiten siehe DIN EN ISO 17664).
Verpackungen müssen so beschaffen sein, dass die Güter in den Verpackungen sterilisiert
werden können und bis zur Verwendung steril bleiben (Einzelheiten siehe DIN EN ISO
11607-1/2 und DIN EN 868-2 bis 10).
Sterilisatoren müssen verpackte MP sterilisieren. Ihre Auslegung und Konstruktion
muss nach dem Prinzip der integrierten Sicherheit Funktionsmängel und Bedienungsfehler
weitgehend ausschließen (Einzelheiten siehe DIN EN 285, 1422, 13060 und 14180).
Sterilisatoren im Gesundheitswesen sind MP der Klasse IIb.
Mit der CE-Kennzeichnung nach der Richtlinie über MP versichert der Hersteller, dass
das MP sicher ist und die Zweckbestimmung erfüllt. MP und Druckgeräte werden entsprechend
den Risiken, die mit ihrer Anwendung verbunden sind, Klassen und Kategorien zugeordnet.
Die Richtlinien über MP und Druckgeräte schreiben eine Risikoanalyse vor und weiterhin,
wie der Hersteller die Qualität der Produkte im Sinne der Richtlinie prüfen und sichern
muss. Bei RDG, wieder verwendbaren MP und Sterilisatoren ist dabei die Beteiligung
einer Benannten Stelle vorgeschrieben. Staatliche Stellen überwachen die Benannten
Stellen (durch die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz, ZLG) sowie die
Hersteller und die Betreiber von MP und Druckgeräten (durch die Überwachungsbehörden
der Länder).
Erstmalig in Betrieb genommene MP müssen nach § 6 (1) MPG die CE-Kennzeichnung tragen.
Wird ein MP wesentlich verändert und danach in Verkehr gebracht, muss es die EG-Richtlinien
vollständig erfüllen. Bei einer Verfahrensänderung ist eine neue Prüfung zur Bestätigung
der Verfahrensparameter und Toleranzen durchzuführen. Die Installation einer neuen
Steuerung mit neuer Software ist eine wesentliche Veränderung des Sterilisators; grundsätzlich
ist schon das Verändern eines Vakuumschaltpunkts eine wesentliche Veränderung, denn
dadurch entsteht ein neuer Sterilisatortyp gemäß DIN EN 285. Inverkehrbringen ist
nach MPG § 3 Ziffer 11 jede Weitergabe an andere.
Sterilisatoren sind im Allgemeinen überwachungsbedürftige Anlagen gemäß Geräte- und
Produktsicherheitsgesetz (GPSG) und Druckgeräte-VO (14. GPSGV). Sie fallen unter die
Richtlinie 97/23/EG über Druckgeräte. Für das Betreiben überwachungsbedürftiger Anlagen
gilt die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).
Der Betreiber und die von ihm beauftragten Bedienpersonen müssen Druckgeräte in ordnungsgemäßem
Zustand erhalten, ordnungsgemäß betreiben und überwachen. Sie sind verantwortlich
für ausreichende, sachgemäße Wartung und Instandhaltung. Der Betreiber muss die vorgeschrieben
Prüfungen rechtzeitig veranlassen.
Wird ein Druckgerät im Sinne der BetrSichV § 12 (2) instand gesetzt, müssen danach
die davon betroffenen Anlagenteile dem Stand der Technik entsprechen. Wird dabei das
Druckgerät so verändert, dass es in den Sicherheitsmerkmalen einer neuen Anlage entspricht,
ist das eine wesentliche Veränderung gemäß BetrSichV. In diesem Fall muss es die EG-Richtlinien
vollständig erfüllen. Im Gegensatz zum MPG ist diese Bestimmung nicht mit dem Inverkehrbringen
verknüpft. Bei Einbau einer neuen Sterilisatorsteuerung kann eine solche Veränderung
des Druckgeräts vorliegen, wenn diese z. B. auch zur Steuerung des automatischen Türverschlusses
verwendet wird. Die Verantwortung für die Veränderung trägt derjenige, der über das
Produkt verfügt, also im Allgemeinen das Krankenhaus oder die Arztpraxis. Die Maßnahme
muss dokumentiert und die Unterlagen einschließlich der Konformitätserklärung müssen
ergänzt oder neu erstellt werden.
2.8.2
Anforderungen an Sterilisationsverfahren
Grundlagen der Absterbekinetik in Sterilisationsprozessen
Die mathematischen Gesetze für die Absterbekinetik sind in den meisten bekannten Sterilisationsverfahren
gleich, sofern die physikalischen und/oder chemischen Parameter während der Sterilisation
konstant bleiben. Unter gleichen Sterilisationsbedingungen unterscheidet sich allerdings
die Resistenz der Organismen und kann z. B. durch unterschiedliche Kultivierungs-
und Sporulierungsmethoden um den Faktor 10 differieren.
Unter der Bedingung, dass es sich um identische Mikroorganismen einer Charge handelt
und der Sterilisationsprozess unter gleichen chemischen und/oder physikalischen Bedingungen
abläuft, ist die Abtötungsgeschwindigkeit i. d. R. nur abhängig von der vorhandenen
Anzahl von Mikroorganismen. Das gilt zumindest in den bekannten Heißluft-, Dampf-,
Formaldehyd- und EO-Sterilisationsprozessen und unter Vorbehalt auch für Wasserstoffperoxid(WPO)-Verfahren.
Definition der Reaktion 1. Ordnung: Die Geschwindigkeit der Abtötung wird durch den
in Gleichung (1) genannten Differenzialquotienten ausgedrückt und als Reaktionsgeschwindigkeit
1. Ordnung bezeichnet.
t = Zeit [min]N = zum Zeitpunkt t vorhandene Lebendkoloniezahl [KbE/Teil]
k' = Reaktionsgeschwindigkeitskonstante [min-1] (gültig für Logarithmus naturalis)
Die Änderung der Koloniezahl mit der Zeit ist proportional der momentan vorhandenen
Lebendkoloniezahl N pro Teil. k' ist von der Art des Sterilisationsprozesses abhängig
und bei den meisten Sterilisationsprozessen temperaturabhängig (Abb. 2.4
).
Abb. 2.4
Abtötungskurve für die Dampfsterilisation:AbtötungskurveDampfsterilisation bei verschiedenen
Temperaturen.
Stellt man Gleichung 1 um, integriert und wandelt man den natürlichen Logarithmus
in den dekadischen um, ergibt sich mit der neuen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten
k:
t = Sterilisationseinwirkzeit [min]N0 = Ausgangskoloniezahl [KbE/Teil]NF = Koloniezahl
am Prozessende [KbE/Teil]IF = Inaktivierungsfaktor (dezimale Reduktionsstufe)k = Reaktionsgeschwindigkeitskonstante
[min-1] (gültig für dekadischen Logarithmus)
Durch Umstellung der Gleichung ergibt sich:
Der Term IF gibt eine Aussage über die Verminderung der Koloniezahl oder die Zahl
der dezimalen Reduktionsstufen während eines Sterilisationsprozesses und wird Inaktivierungsfaktor
genannt. Startet eine Sterilisation mit 106 [KbE/Teil] und endet mit 102 [KbE/Teil],
erfolgt eine Reduktion um 4 Zehnerpotenzen (Abb. 2.5
).
Abb. 2.5
Halblogarithmische Darstellung der Lebendkoloniezahl gegen die SterilisationszeitSterilisationszeit.
Wird die Skala der KbE nicht, wie im Diagramm 1 (Abb. 2.4), linear, sondern logarithmisch
dargestellt, ergeben sich Geraden. In der Praxis kann es zu Nichtlinearitäten durch
Vertreter gleicher Spezies kommen, wenn diese eine unterschiedliche Resistenz aufweisen.
Dezimaler Reduktionsfaktor (D-Wert): Der D-Wert ist ein Maß für die Widerstandsfähigkeit
eines Mikroorganismus bei gegebenem Sterilisationsprozess.
Der D-Wert gibt an, wie lange ein Sterilisationsprozess auf Mikroorganismen einwirken
muss, um eine Reduzierung der Koloniezahl um eine Zehnerpotenz zu erreichen.
D-WertIm Dampf-, EO-, Formaldehyd- und WPO-Reduktionsfaktor, dezimaler\t\"Siehe D-WertSterilisationsprozess
wird der D-Wert mit der Dimension Zeit [min], bei der Strahlensterilisation mit der
Dimension Strahlendosis [Mrad] angegeben. Er wird experimentell bestimmt. Trägt man
den Logarithmus der Koloniezahl gegen die Zeit auf, erhält man eine Gerade, deren
reziproke Steigung der D-Wert ist. Der D-Wert gilt immer nur für einen bestimmten
Sterilisationsprozess und definierten Mikroorganismus. Für Dampf wird im Index die
Sterilisationstemperatur angegeben. Im Zertifikat von Bioindikatoren ist meist der
D121 °C-Wert angegeben. Er ist stark temperaturabhängig (Abb. 2.6
).
Abb. 2.6
D-D-WertWert bei verschiedenen Temperaturen.
DT = Dezimaler Reduktionsfaktor [min] oder [Mrad]
k = Reaktions-Geschwindigkeits-Konstante des lg [min-1]
In der Praxis ist der D-Wert nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Art
des Prozesses abhängig.
Setzt man Gleichung 4 in Gleichung 3 ein, erhält man:
N0 = Ausgangskoloniezahl [KbE/Teil]NF= Koloniezahl nach Sterilisation [KbE/Teil]DT
= dezimaler Reduktionsfaktor [min] oder [Mrad] (DT-Wert)t = Einwirkzeit [min]IF =
Inaktivierungsfaktor (dezimale Reduktionsstufe)
Dividiert man die Einwirkzeit durch den D-Wert, erhält man den Inaktivierungsfaktor
IF, der gleichbedeutend mit der Zahl der dezimalen Reduktionsstufen ist.
Die Sterilisationszeit, die einer D-Wert-InaktivierungsfaktorEinheit entspricht, reduziert
die Population um 90 % oder um eine Reduktionsstufe. Ist der D-Wert bekannt, kann
die Sterilisationszeit errechnet werden, um Sterilisationszeitdie Koloniezahl um eine
bestimmte Zahl dezimaler Reduktionsstufen zu verkleinern.
Verändert sich die Ausgangskoloniezahl N0, verändert sich bei gleicher Einwirkzeit
die Endzahl NF entsprechend. Damit ist bei einem vorgegebenen Sterilisationsprozess
die Ausgangserregerzahl entscheidend für den Endwert. Die notwendige Einwirkzeit erhält
man, wenn man Gleichung (5) umstellt:
Definition der Sterilisationswahrscheinlichkeit: Die Zahl der Mikroorganismen geht
während des Sterilisationsprozesses mit jeder D-Wert-Zeiteinheit um eine Zehnerpotenz
oder 90 % des Ausgangswerts zurück. Nachdem Sterilisationswahrscheinlichkeitdie Belastung
von 1 KbE/Teil erreicht ist, wird nach der Sterilisationszeit einer weiteren D-Wert-Einheit
der rechnerische Wert von 0,1 erreicht. Werte < 1 stellen nicht mehr die KbE-Zahl
pro Teil dar, sondern die Wahrscheinlichkeit, lebende Erreger in einer definierten
Zahl von Teilen anzutreffen. Werden 10 Teile, die mit je einem Erreger belastet sind,
über den Zeitraum eines D-Werts sterilisiert, werden wiederum 90 % der Erreger abgetötet.
Der Wert 0,1 sagt aus, dass 9 von 10 Teilen steril sind. Der Wert 0,01 bedeutet, dass
von 100 Teilen 1 Teil mit einem Erreger belastet ist. Bei einer Koloniezahl < 1 spricht
man deshalb nicht mehr von der Erregerbelastung, sondern von der Sterilisationswahrscheinlichkeit.
Sie gibt das Verhältnis der unsterilen zur gesamten Menge der Teile an.
Definition eines sterilen Produkts nach DIN EN 556-1: Der klassische Begriff steril
sagt aus, dass sich keine vermehrungsfähigen Erreger auf oder in einem sterilen Produkt
befinden. Nach der o. g. mathematischen Produkt, steriles, DefinitionGesetzmäßigkeit
ist jedoch keine Sterilisationswahrscheinlichkeit von 0 Erreger/Teil erreichbar. Aus
diesem Grund wurde in DIN EN 556-11 die Sterilisationswahrscheinlichkeit von 1:1 Mio.
(10–6) festgelegt, die eine ausreichende Sicherheit bietet.
Werden die Sterilisationsbedingungen nach der o. g. Definition so ausgelegt, dass
von 1 Mio. Teilen maximal 1 Teil mit einem Erreger belastet ist, werden diese Produkte
in Europa als „steril“ bezeichnet.
Der direkte biologische Nachweis für diesen Wert ist experimentell nicht zu erbringen,
er kann nur durch Extrapolation der Überlebenskurve ermittelt werden.
Temperaturabhängigkeit des Sterilisationsprozesses: Die Temperaturabhängigkeit ändert
den D-Wert und wird durch den z-Wert beschrieben. Er beschreibt, wie Sterilisationsprozess,
Temperaturabhängigkeitsich die Abtötungsgeschwindigkeit der Mikroorganismen mit der
Temperatur verändert.
Mathematisch ist der z-Wert die Temperaturdifferenz, die zur Änderung des D-Werts
um den Faktor 10 unter sonst gleichen Sterilisationsbedingungen führt.
Werden D-Werte bei verschiedenen Temperaturen bestimmt und in einer halblogarithmischen
Skala gegen die Temperatur aufgetragen, ergibt sich eine Gerade, aus der der z-Wert
abgelesen werden kann (Abb. 2.7
).
Abb. 2.7
Darstellung des z-Werts.
Mit Hilfe des z-Werts lassen sich die D-Werte bei unbekannten Temperaturen wie folgt
berechnen:
Sterilisationsprozess-Äquivalentzeit (FT,z
-Wert): Wie aus Gleichung 6 hervorgeht, ist die Sterilisationszeit gleich dem Produkt
aus dezimalem Reduktions- und F-WertInaktivierungsfaktor. Da der D-Wert grundsätzlich
Sterilisationsprozess-Äquivalentzeit\t\"Siehe F-Wertnur für eine Temperatur gilt,
muss auch die Sterilisationszeit bei unterschiedlichen Temperaturen während der Steigezeit
auf eine Temperatur bezogen werden. Die Gesamtsterilisationszeit, bezogen auf eine
Temperatur, wird Äquivalentzeit FT, z genannt und mit dem Index der Temperatur und
dem z-Wert des Sterilisationsprozesses markiert.
Der F-Wert gibt die Sterilisationszeit bei einer konstanten Temperatur an.
Der Inaktivierungsfaktor allein ist kein Maß für die Sterilisationsarbeit, da Erreger
kleinerer Resistenz (mit kleinem D-Wert) schneller abgetötet werden als die gleiche
Anzahl von Erregern mit hohem D-Wert.
Wie oben gezeigt, kann bei gegebener Ausgangspopulation die Sterilisationszeit bei
einer gegebenen Temperatur errechnet werden, um eine bestimmte Enderregerzahl zu erreichen.
In der Praxis heizt sich der Sterilisator über einen gewissen Zeitraum auf, bis die
Sterilisationstemperatur von z. B. 121 °C erreicht ist. Während der Steigezeit von
110 –121 °C findet bereits eine Abtötung von Mikroorganismen statt, die in der Gesamtsterilisationszeit
berücksichtigt werden kann. Ist der z-Wert bekannt, lassen sich die Sterilisationszeiten
außerhalb der Sterilisationstemperatur auf Zeiten der Sterilisationstemperatur umrechnen.
Die Summe der einzelnen Zeitintegrale kann auf die Sterilisationszeit von 121 °C zusammengefasst
werden und wird Äquivalentzeit genannt.
Der F-Wert ist eine reine Sterilisationszeit bei einer definierten Temperatur, bei
der Strahlensterilisation eine definierte Dosis (Abb. 2.8
).
Abb. 2.8
Darstellung des F-Werts bei konstanter Temperatur.
Der F0-Wert wird bei einer Sterilisationstemperatur von 121 °C und einen z-Wert von
10 °C definiert und wird in der Industrie für viele Prozesse als Referenz angegeben.
Weitere F-Werte können definiert werden, müssen dann jedoch den Zusatz der Bezugstemperatur
und des z-Werts tragen. Neuerdings wird im metrischen System der FC-Wert bei 120 °C
und z = 10 °C angegeben.
Überblick über unterschiedliche Sterilisationsverfahren und Penetrationseigenschaften
Sterilisationsverfahren:Absterbekinetik\""\r""Absterbekinetik
Absterbekinetik, Sterilisationsverfahren\""\r""Absterbekinetik Es werden Strahlen-,
chemische und thermische Sterilisationsverfahren unterschieden (Tab. 2.18
).
Tab. 2.18
Einteilung der Sterilisationsverfahren.StrahlensterilisationsverfahrenSterilisationsverfahren:thermischeSterilisationsverfahren:EinteilungSterilisationsverfahren:chemische
Verfahren
Temperatur (°C)
Thermisch
Heißluft
160–200
Dampf mit Luftverdrängung, Schwerkraft, einfachem Vakuum, Vakuum-Injektionsverfahren
bzw. fraktionierten Verfahren
110–135
Mikrowelle (nur mit Wasser)
110–135
Chemisch
Ethylenoxid (EO)
30–70
Formaldehyd
40–70
Wasserstoffperoxid (Plasma)
30–50
Strahlen
γ- oder β-Strahlen
20
Strahlensterilisationsprozesse werden im Wesentlichen in der Industrie eingesetzt.
Ihr Einsatzbereich ist dort begrenzt, wo energiereiche β- oder γ-Strahlen Materialeigenschaften
verändern. StrahlensterilisationsverfahrenDie Verpackungen können absolut erregerdicht
sein, da kein Gasaustausch mit dem Innern der Sterilisierverpackung notwendig ist.
Für temperatursensitive Produkte kommen chemische Sterilisationsverfahren zur Anwendung.
Die Industrie verwendet am häufigsten EO, weil es nicht nur über Öffnungen in das
Innere von Hohlkörpern eindringt, sondern sich in vielen (nicht Sterilisationsverfahren:chemischein
allen) Kunststoffen löst und Wände direkt durchdringen kann. Nachteilig für die EO-Verfahren
im Gesundheitswesen ist, dass die Desorptionszeit bis zur gefahrlosen Anwendung zu
lang sein kann, wenn die Instrumente kurzfristig wiederverwendet werden müssen. Daher
wird in den letzten Jahren für Niedertemperatur-Sterilisationsprozesse das Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-(NTDF-)Verfahren
eingesetzt, das heute in seiner Effizienz den EO-Sterilisationsverfahren etwa gleichwertig
ist. Bei Wasserstoffperoxidsterilisationsverfahren sind Beschränkungen in der Penetration
bei langen engen Lumina zu beachten.
Heißluftsterilisationsprozesse arbeiten mit langer Sterilisationszeit und hoher Sterilisiertemperatur,
sind sehr effizient und haben den Vorteil, dass ab 200 °C zusätzlich Endotoxine zerstört
Heißluftsterilisationsverfahrenwerden. Problematisch ist, dass der Wärmeübergang zur
Aufheizung der Instrumente zeitaufwändig und komplex ist und stark von der Konvektion
der Luft im Sterilisierraum, der Art der Beladung, der Isoliereigenschaft der Verpackungen
sowie der Masse und Wärmekapazität der sterilisierten Güter abhängt. Deshalb sind
die Validierung des Verfahrens und danach die exakte Reproduzierbarkeit des validierten
Prozesses besonders zu beachten.
Dampfsterilisationsverfahren werden am häufigsten im Gesundheitsdienst eingesetzt.
Sie können für alle Materialien verwendet werden, die eine Temperatur > 120 °C aushalten.
Nicht geeignet sind sie für Produkte, die nicht nass werden dürfen, z. B. feste Pulver
und nicht wässrige Öle.
Für thermostabile MP werden bevorzugt Dampfsterilisationsverfahren eingesetzt, die
die Penetration des sterilisierenden Mediums an alle zu sterilisierenden Oberflächen
ermöglichen.
Sterilisationsverfahren sind nur wirksam, wenn das sterilisierende Medium die zu sterilisierenden
Oberflächen erreicht. Behindert wird der Zugang durch das Sterilbarrieresystem, lange
Lumina, Dichtungen sowie durch Beläge aus Schmutz, Biofilmen oder Gleitmitteln. Für
minimalinvasive chirurgische (MIC-)Instrumente ist das Penetrationsvermögen des Sterilisiermittels
durch Validierung zu prüfen. Weiterhin wird die Penetration durch vorhandene Luft
im Sterilisierraum, in den Verpackungen und innerhalb der Instrumente behindert, diese
muss vor dem eigentlichen Sterilisationsprozess mit Ausnahme der Strahlen- und Heißluftsterilisationsprozesse
entfernt werden. Hierfür werden Druckdifferenzenverfahren eingesetzt. Dabei dürfen
z. B. beim Sterilisiermitteldampf keine zu hohen Anteile nicht kondensierbarer Gase
vorhanden sein.
Um sicherzustellen, dass alle inneren und äußeren Oberflächen mit dem Sterilisiermittel
in Kontakt treten, ist es notwendig, den verwendeten Sterilisationsprozess zu validieren.
Beim Einsatz von neuen komplexen Instrumenten kann ein zuvor ordnungsgemäß arbeitender
Sterilisiervorgang allein durch Änderung der Penetrationseigenschaften seine Wirksamkeit
in den kritischen Bereichen verlieren.
Überwachung von Sterilisationsverfahren
Nach der erfolgreichen Validierung eines Sterilisationsverfahrens ist sicherzustellen,
dass das Verfahren langfristig reproduzierbar arbeitet. Zu diesem Zweck muss garantiert
werden, dass alle wesentlichen Prozessparameter in jeder Charge überwacht werden.
In Dampfsterilisationsprozessen sind das Speisewasser (durch Sterilisationsverfahren\""\r""Sterilisationsverfdie
Leitfähigkeit), die Dampfqualität und das Druck-Temperatur-Zeit-Profil als physikalische
Parameter zu überwachen. In Niedertemperatur-Sterilisationsverfahren ist außerdem
die Überwachung der Konzentration der chemischen Substanzen notwendig.
Integrale Überwachung: Diese Überwachungsmethoden geben eine Information über den
Gesamtablauf des Sterilisati onsverfahrens, jedoch keine Detailinformationen über
die Verteilung des Sterilisiermittels im Sterilisierraum. Früher ging man davon aus,
dass innerhalb des Sterilisierraums mehr oder weniger homogene Verhältnisse herrschen.
Heute ist bekannt, dass gerade aufgrund der eingesetzten komplexen Instrumentarien
im Sterilisierraum in Abhängigkeit von der Prozessführung, den Verpackungen und dem
eingesetzten Sterilgut selten homogene Verhältnisse herrschen und diese deshalb bei
jedem Sterilisationsprozess überwacht werden müssen. Zur örtlichen Überwachung sind
Bio- und Chemoindikatoren geeignet. Allerdings können diese Indikatoren lediglich
an dem Ort, an dem sie platziert werden, eine Aussage über die Effizienz des Sterilisationsprozesses
machen. Bio- oder Chemoindikatoren außerhalb von Paketen geben keine Hinweise auf
die Sterilisation innerhalb von Paketen. Indikatoren auf der Oberfläche von Paketen
– sog. Prozess- oder Behandlungsindikatoren – erlauben lediglich die Aussage, ob das
Paket einen Sterilisationsprozess durchlaufen hat.
Bio- und Chemoindikatoren müssen an die Stellen innerhalb des Pakets und innerhalb
der Instrumente angebracht werden, die am schwersten vom Sterilisiermedium erreichbar
sind.
Differenzielle Überwachung: Häufig kann das Innere von Hohlkörperinstrumenten aus
Platzgründen nicht mit Streifenindikatoren bestückt werden. Um trotzdem eine effiziente
Überwachung durchführen zu können, ist es notwendig, Prüfkörper (Process Challenge
Device = PCD) herzustellen, die die am schwersten zu penetrierenden Instrumente simulieren,
und Indikatoren einzusetzen, die die Penetration des Prozesses beurteilen. Voraussetzung
ist, dass die PCDs schwerer zu penetrieren sind als die komplexesten Instrumente in
der Verpackung, sodass der PCD sowohl Instrument als auch Verpackung simuliert. PCDs
können außerhalb von Verpackungen eingesetzt werden und haben den Vorteil, dass sie
am Ende des Sterilisationsprozesses entnommen und direkt beurteilt werden können.
Wie überprüft werden kann, ob ein PCD Instrumente korrekt simuliert, beschreibt DIN
58921.
Bioindikatoren: Bei ihrem Einsatz ist sicherzustellen, dass geeignete Prüforganismen
für den Sterilisationsprozess eingesetzt werden. Dazu ist die richtige Resistenz auszuwählen.
Sterilisationsverfahren:BioindikatorenDie Resistenz von Bioindikatoren wird durch
den FBIO-Wert = lgPop × D-Wert bestimmt und unterscheidet sich von Charge zu Charge.
Bioindikatoren sollten immer von einem Zertifikat begleitet sein, das Population und
D-Wert unter bestimmten Prozessbedingungen angibt, damit die effektive Resistenz des
Bioindikators bekannt ist. Sie sollen der Normenserie DIN EN ISO 11138 entsprechen.
Bioindikatoren haben den Nachteil, dass das Ergebnis nicht am Ende des Sterilisationsprozesses
zur Verfügung steht, sondern die Indikatoren inkubiert werden müssen mit der Konsequenz,
dass die Sterilisiergüter bis zur Beurteilung des Bioindikators in Quarantäne zu stellen
sind. Deshalb wurden Bioindikatoren entwickelt, deren Inkubationszeit von 5 Tagen
auf 3 Stunden reduziert wurde. Die reduzierte Inkubationszeit hat allerdings den Nachteil,
dass noch eine nachträgliche Wachstumswahrscheinlichkeit nach dem Ablesen, die mit
kürzerer Inkubationszeit wächst, gegeben ist (z. B. 3 h = 3 %, 1 d = 1,5 %, 2 d =
1 %, 5 d = 0,1 % Wachstum).
Chemoindikatoren: Besonders für Dampfsterilisationsprozesse wurden Chemoindikatoren
entwickelt, die Sterilisationsverfahren:Chemoindikatorendie gleiche oder sogar bessere
Aussagefähigkeit im Vergleich zu Bioindikatoren haben, zusätzlich mit dem Vorteil,
dass die Ergebnisse am Chemoindikatoren:SterilisationsverfahrenEnde des Sterilisationsprozesses
ablesbar sind. Es ist sicherzustellen, dass Chemoindikatoren eingesetzt werden, die
die wesentlichen Prozessbedingungen überwachen. Beispielsweise darf ein Chemoindikator
für Dampfsterilisationsprozesse in einem bestimmten Temperatur-Zeit-Fenster nur unter
Dampfeinwirkung umschlagen und keinesfalls dieselbe Reaktion mit Heißluft zeigen.
Die Chemoindikatoren sollen der Normenserie DIN EN ISO 11140 entsprechen.
Beim Einsatz von PCDs mit eingesetzten Indikatoren (z. B. BD-Test nach DIN EN 285
oder Hohlkörper-Test nach DIN EN 867-5 Hollow Load A) ist sicherzustellen, dass der
Test gegenüber einem Referenzverfahren validiert ist. Es sollen nicht Prüfkörper und
Indikatoren unterschiedlicher Hersteller eingesetzt werden, da Indikatoren und PCD
spezifisch auf Prüfkörper und Verfahren abgestimmt sein müssen.
2.8.3
Dampfsterilisation
Die Sterilisationsverfahren:Anforderungen\"\r\"SterilisVerfAnfordDampfsterilisation
wird aufgrund der Verfahrenssicherheit als bevorzugt einzusetzendes Sterilisationsverfahren
im Gesundheitswesen empfohlen. Das Sterilisieragens ist gesundheitlich unbedenklich.
Das Verfahren ist wirtschaftlich, arbeitet mit Chargenzeiten, die mit den Betriebsabläufen
kompatibel sind und ist, abgesehen vom Energieverbrauch, umweltverträglich.
Neben der Beanspruchung des Sterilisierguts durch Temperatur und Feuchte des kondensierenden
Dampfs wird das Sterilisiergut einschließlich seiner Verpackung mehr oder weniger
schnellen Druckwechseln ausgesetzt. Deshalb muss der Sterilisationsprozess auf das
Sterilisiergut und die Verpackung abgestimmt sein. In der Praxis gibt es nur wenige
Sterilisiergüter (z. B. Mammaprothesen), die aus diesem Grund eine Modifikation der
üblichen Prozessabläufe nötig machen.
In Bezug auf die Verpackungen wurden in den Normen Druckwechselgeschwindigkeiten festgelegt,
die von den Prozessen, die der Sterilisator erzeugt, nicht überschritten werden dürfen
und denen die Verpackung widerstehen muss. Deshalb sollten bei Verwendung normgerechter
Sterilisatoren und Verpackungen keine Schwierigkeiten auftreten.
Die Dampfsterilisation erreicht immer dann ihre Wirkung, wenn der Dampf einen bestimmten
thermodynamischen Zustand aufweist, die festgelegte Temperatur hat, die festgelegte
Zeit einwirkt, alle Oberflächen des Sterilisierguts erreicht und auf ihnen kondensieren
kann.
Physikalische Eigenschaften des Dampfs
Wasserdampf\t\"Siehe DampfWasserdampf hat physikalische Eigenschaften, die ihn als
Sterilisationsagens besonders geeignet machen.
Der Temperaturanstieg bei der Erwärmung von Wasser verläuft zunächst monoton zunehmend,
knickt dann aber plötzlich zu einer konstanten Temperatur ab. Bis zu diesem Knickpunkt
wird das Wasser lediglich erwärmt. Danach beginnt die Verdampfung. Für die Änderung
des Aggregatzustands ist viel Energie erforderlich (z. B. bei Atmosphärendruck 9.441
kJ/kg Wasser). Im Dampfsterilisationsprozess wird diese hohe Energiemenge bei der
Beaufschlagung des Sterilisierguts mit dem Dampf als Folge seiner Kondensation wieder
freigesetzt. Deshalb können Sterilisiergüter sehr schnell aufgeheizt werden. Vorteilhaft
ist dabei, dass der kondensierende Dampf sein Volumen extrem vermindert (etwa 1 :
900 bei 2 bar und 121 °C) und dadurch Frischdampf solange ungehindert nachströmen
kann, bis das Gut die Dampftemperatur erreicht hat. Dieser Effekt fehlt z. B. bei
der Heißluftsterilisation. Kondensierender Dampf ist deshalb ein ideales Hilfsmittel
für die schnelle, gleichmäßige Erwärmung der Sterilisiergüter.
Bei über freien Wasseroberflächen entstehendem Dampf besteht eine feste Beziehung
zwischen Dampfdruck und Temperatur des Dampfs. Dieser Zusammenhang wird vielfach z.
B. bei der Dampferzeugung oder der Regelung der Sterilisationstemperatur während der
Einwirkzeit genutzt. Bei der Mehrzahl der marktüblichen Sterilisatoren erfolgt eine
Druckregelung, um die Sterilisationstemperatur im vorgegebenen Toleranzfeld zu halten.
Das ist vorteilhaft für eine schnelle, genaue Regelung. Der über einer freien Wasseroberfläche
durch Wärmezufuhr entstehende Dampf wird Sattdampf genannt. Dieser Dampfzustand ist
eine der Voraussetzungen für die volle Wirksamkeit des Dampfsterilisationsprozesses.
Aufgrund des beschriebenen Zusammenhangs lässt sich durch Messung von Druck und Temperatur
die Einhaltung des Sattdampfzustands überwachen.
Wird Sattdampf Wärme entzogen, wie es z. B. beim Durchströmen einer Rohrleitung eintreten
kann, kondensiert ein Teil des Dampfs und bildet mehr oder weniger große Wassertröpfchen,
die bei strömendem Dampf mitgeführt werden. Dieser Dampf wird Nassdampf genannt.
Während eines Sterilisationsprozesses erzeugt Nassdampf bei der Erwärmung des Sterilisierguts
eine höhere Kondensatmenge als Sattdampf. Das kann zur unvollständigen Trocknung des
Sterilisierguts und insbesondere der Verpackung führen. Durchnässte Verpackung verliert
ihre Barrierewirkung gegen Mikroorganismen. Nassdampf ist deshalb als Sterilisationsagens
ungeeignet.
Vorgänge innerhalb des Sterilisators während des Prozessablaufs, aber auch solche
innerhalb eines Dampfversorgungsnetzes mit Druckreduktionsstufen können zu Dampfzuständen
führen, bei denen die Dampftemperatur höher als die dem Dampfdruck bei Sattdampf zugeordnete
Temperatur ist. Man spricht dann von überhitztem Dampf.
Ein Beispiel für eine solche Zustandsänderung des Dampfs ist z. B. die Drosselung.
Durchströmt Sattdampf eine Drosselstelle, verändert sich seine Temperatur nahezu nicht.
Sein Druck fällt jedoch ab. Die für Sattdampf beschriebene Abhängigkeit der Temperatur
vom Druck ist dann nicht mehr gültig. Überhitzter Dampf kann z. B. auch beim Befüllen
der Sterilisatorkammer mit Dampf nach vorausgegangener Evakuierung oder durch Wärmezufuhr
von außen (Heizmantel) entstehen. Die Sterilisationswirkung von überhitztem Dampf
wird ab einem bestimmten Punkt der Überhitzung geringer als die von Sattdampf. Aus
diesem Grund und um das Sterilisiergut vor zu hohen Temperaturen zu schützen, ist
überhitzter Dampf als Sterilisieragens ungeeignet. Der Energieinhalt der Überhitzung
ist relativ gering, d. h., bei ablaufenden Prozessen können Wärmesenken in der Sterilisatorkammer,
wie z. B. Einbauten, unbeheizte Türen oder auch Sterilisiergüter selbst, dem überhitzten
Dampf diese Energie entziehen, wodurch dann wieder Sattdampf am Sterilisiergut wirksam
wird. Bei leerer Kammer oder extrem geringer Beladung kann der überhitzte Dampf jedoch
in Erscheinung treten.
Dampferzeugung
Da der Dampf\"\r\"DampfSterilisierdampf fast immer direkt auf das Sterilisiergut einwirkt,
muss er zusätzlich zum Dampferzeugungthermodynamischen Zustand folgende Anforderungen
erfüllen:
•
Dampfsterilisation:DampferzeugungEr darf weder auf dem Sterilisiergut noch am Sterilisator
Korrosion auslösen.
•
Er darf auf dem Sterilisiergut keine Ablagerungen erzeugen, die für das Sterilisiergut
funktionsgefährdend sind oder toxische Wirkung haben.
•
Er darf keinen unzulässigen Gehalt an Pyrogenen/Toxinen haben. Allerdings ist ihr
Übertragungsmechanismus mit dem Dampf auf das Sterilisiergut noch nicht ausreichend
untersucht, deshalb gibt es noch keine Grenzwerte für den Gehalt im Sterilisierdampf.
•
Er muss frei sein von Partikeln, die im Sterilisator (z. B. an Ventilen) zu Funktionsstörungen
führen könnten.
•
Er darf keinen unzulässigen Gehalt an nicht kondensierbaren Gasen aufweisen. Das ist
entscheidend in Bezug auf das Erreichen aller zu sterilisierenden Oberflächen, insbesondere
bei porösen Gütern oder Hohlkörpern.
Nur Dampf, der diesen Anforderungen entspricht, ist für die Sterilisation geeignet.
Er wird deshalb Reindampf genannt.
Die Erzeugung von Reindampf erfolgt in Dampferzeugern aus Edelstahl. Aufgrund des
korrosionsfesten Werkstoffs werden Verunreinigungen des Dampfs durch Abtragungen von
Korrosion vermieden. Bei kleineren Anlagen werden oft mit Widerstandsheizkörpern ausgerüstete
Elektrodampferzeuger eingesetzt. Große Dampfmengen werden in sog. Reindampfumformern
erzeugt. Das sind Dampfkessel, die primärseitig mit Heizdampf, der in Krankenhäusern
meist vorhanden ist, versorgt werden. Bauteile zur Fortleitung und Behandlung des
Reindampfs wie Rohrleitungen, Druckminderer oder Kondensatableiter sind, soweit sie
mit dem Dampf direkt in Berührung kommen, ebenfalls in Edelstahl auszuführen. In vergangenen
Jahrzehnten sind auch sog. Schwarz-Anlagen aus Kesselstahl oder Grauguss ohne vordergründig
erkennbare Nachteile für die Erzeugung von Sterilisierdampf eingesetzt worden. In
jedem Fall, ob Edelstahldampferzeuger oder „Schwarz-Anlage“, kommt der Speisewasseraufbereitung
größte Bedeutung zur Erzielung der gewünschten Dampfqualität zu. Die zu treffenden
Maßnahmen unterscheiden sich bei den beiden Dampferzeugungsanlagen grundsätzlich.
Außerdem wird die Wasseraufbereitung entscheidend von der vorhandenen Rohwasserzusammensetzung
beeinflusst. Es wird deshalb empfohlen, auf der Grundlage der in den Normen für die
Speisewasserqualität festgelegten Grenzwerte und einer Wasseranalyse des örtlich vorhandenen
Rohwassers die Wasseraufbereitung durch eine Fachfirma auslegen zu lassen. Im Allgemeinen
ergibt sich die Notwendigkeit, das Speisewasser nach der Aufbereitung mit physikalischen
und/oder chemischen Methoden zusätzlich vor der Einspeisung in den Dampferzeuger zu
entgasen, um die Grenzwerte für nicht kondensierbare Gase zu unterschreiten.
Dampfsterilisationsverfahren
Neben der Zweckbestimmung der Sterilisation beeinflussen Zielsetzungen wie hohe Trocknungswirkung,
kurze Chargenzeiten oder geringer Betriebsmittelverbrauch den Prozessablauf. Mit sog.
Universalprogrammen wird versucht, eine möglichst große Palette vorkommender Konfigurationen,
d. h. die Kombination von Sterilisiergut, Verpackung und Beladungsmuster, abzudecken.
Strömungsverfahren: Die in der Kammer (nach Beschickung mit Gut) vorhandene Luft wird
durch den Dampfsterilisation:Strömungsverfahreneinströmenden Dampf verdrängt. Dabei
stellt sich aufgrund des unterschiedlichen Strömungsverfahren, Dampfsterilisationspezifischen
Gewichts von Luft und Dampf sowie der nur zögerlichen Vermischung eine annähernd waagerechte
Trennfläche zwischen Luft und Dampf ein. Deshalb kann durch eine Temperaturmessung
im unteren Ablass festgestellt werden, wann die Kammer mit Dampf gefüllt ist. Danach
kann durch Schließen des Ablassventils der zum Erreichen der gewünschten Sterilisiertemperatur
erforderliche Druck aufgebaut werden. Dieser Verdrängungsmechanismus versagt bei nach
oben offenen Hohlkörpern und wird bei verpackten Sterilisiergütern stark behindert,
sodass der Dampf nicht alle zu sterilisierenden Oberflächen erreicht. Selbst wenn
nach längeren Zeitabschnitten die erforderliche Temperatur durch Wärmeübertragung
noch erreicht werden sollte, darf daraus nicht auf die vollständige Beaufschlagung
des Sterilisierguts mit Dampf geschlossen werden.
Das Verfahren ist weder für Hohlkörper noch für poröse Güter und nur mit großen Einschränkungen
für verpackte Sterilisiergüter anwendbar.
Deshalb wird dieses Verfahren nur noch bei Kleinsterilisatoren mit eingeschränktem
Anwendungsbereich angetroffen.
Vorvakuumverfahren: Als erster Verfahrensschritt wird vor der Beaufschlagung mit Dampf
die in der Dampfsterilisation:VorvakuumverfahrenKammer befindliche Luft durch Vakuumanlagen
weitgehend entfernt. Dadurch Vorvakuumverfahren, Dampfsterilisationerreicht der einströmende
Dampf die meisten zu sterilisierenden Oberflächen, und es werden die Verpackungsmaterialien
durchströmt. Dieses Verfahren wird hauptsächlich durch die erreichbaren Unterdrücke
begrenzt. Es ist für eine Vielzahl von Gütern auch in Verpackungen geeignet.
Bei schwer zu entlüftenden Gütern, z. B. Textilien, Kapillaren, Schläuchen, versagt
auch das Vorvakuumverfahren.
Fraktionierte Vakuumverfahren: Es wird mehrfach zwischen Evakuieren und Dampfeinströmen
Dampfsterilisation:Vakuumverfahren, fraktioniertegewechselt, bevor der Dampfdruck
auf das zur Sterilisation notwendige Niveau aufgebaut wird. Vakuumverfahren, fraktionierte,
DampfsterilisationBei diesen Druckwechseln wird der Luftanteil in der Kammer, der
sich aus der unvollkommenen Evakuierung ergibt, immer weiter vermindert. Dabei dringen
gleichzeitig der Dampf bzw. das Dampf-Luft-Gemisch immer weiter in Hohlräume des Sterilisierguts
vor, bis schließlich alle Oberflächen des zu sterilisierenden Guts erreicht sind.
Auch das fraktionierte Vakuumverfahren hat je nach den Pressdaten während der Luftentfernung,
Anzahl der Fraktionierungen, Drücken nach den Evakuierungen und bei den Dampfstößen
unterschiedliche Entlüftungsleistungen (Abb. 2.9
).
Auch fraktionierte Vakuumverfahren sind auf Eignung bei den am schwierigsten zu entlüftenden
Gütern zu prüfen.
Abb. 2.9
Varianten des fraktionierten Vakuumverfahrens.
Eine ausschließlich theoretische Beurteilung der Brauchbarkeit des Verfahrens für
schwierige Sterilisiergüter ist nicht möglich. Die Vielzahl der veränderbaren Parameter,
die Gewichtung von zusätzlich zur sicheren Sterilisation erwünschten Eigenschaften
(Chargenzeit, Betriebsmittelverbrauch, Trocknungswirkung) und herstellerspezifische
Versuchsergebnisse führen zu stark voneinander abweichenden Prozessabläufen.
Prozessführung
Dampfsterilisatoren, die den Normen und damit dem Stand der Technik entsprechen, haben
ausnahmslos einen automatisch ablaufenden Prozess.
Die Prozessführung hat das Ziel, alle das Ergebnis des Prozesses Dampfsterilisationsverfahren\"\r\"Dampfsterilisationsverfbeeinflussenden
physikalischen Größen, die sog. prozessrelevanten Variablen, in vorgegebenen Grenzen
zu halten. Dazu gehören im Wesentlichen
•
Einwirkzeit,
•
Sterilisationstemperatur,
•
Druck Dampfsterilisation:prozessrelevante Variablenwährend der Einwirkzeit,
•
während der Entlüftung durchgeführte Druckwechsel (Anzahl und Absolutdrücke),
•
Gradienten des Druckverlaufs,
•
Trocknungsprozessablauf.
Obgleich die Sterilisationstemperatur zusammen mit der Einwirkzeit die wichtigste
Variable ist, werden die Prozessabläufe nahezu Sterilisationstemperaturausschließlich
druckgeregelt. Die Druckregelung mit dem Ziel, vorgegebene Temperaturen zu erzeugen,
Einwirkzeit:Dampfsterilisationist nur aufgrund der Korrelation zwischen Druck und
Temperatur und nur bei Sattdampf möglich.
Sterilisationsprozesse, die eine gute Entlüftungsleistung aufweisen sollen (Universalprogramme),
benötigen immer eine Vakuumanlage. Zum Prozessbeginn oder in späteren Prozessabschnitten
wird die Kammer evakuiert. Die Geschwindigkeit wird von zahlreichen Einflüssen bestimmt
wie Leistung der Vakuumanlage im Verhältnis zur Kammergröße, Kühlwassertemperatur,
Menge und Art der Beladung des Sterilisators. Da die Evakuierungsgeschwindigkeit (Gradienten
des Druckverlaufs) auch die Entlüftungsleistung beeinflusst, sollte sie überwacht
werden, um erkennen zu können, wann vorgegebene Toleranzbereiche überschritten werden.
Gleiches gilt für die Prozessabschnitte, in denen Dampf in die Kammer strömt (Dampfstoß).
Die Geschwindigkeit des Dampfeinströmens (Gradienten des Druckverlaufs) wird bei modernen
Sterilisatoren überwacht, teilweise sogar geregelt (Gradientenregelung). Nach den
Prozessschritten, die der Luftentfernung und Dampfdurchdringung dienen (Fraktionierungen),
wird der Druck in der sog. Steigezeit auf den zur Erzielung der geforderten Sterilisationstemperatur
erforderlichen Wert erhöht. In der dann folgenden Plateauzeit wird der Druck so geregelt,
dass die Temperatur im vorgeschriebenen Toleranzband bleibt. Das Toleranzband hat
üblicherweise die Sterilisationstemperatur als Untergrenze (Abb. 2.10
). Dem Übergang von der Steigezeit zur Plateauzeit kommt besondere Bedeutung zu. Die
festgelegte programmierte Sterilisierzeit beginnt erst, wenn an einem festgelegten
für den Kammerraum repräsentativen Referenzpunkt die Sterilisationstemperatur erreicht
ist. Gleichzeitig wird ab diesem Zeitpunkt durch Vergleich von Temperatur und Druck
überprüft, ob Sattdampf vorliegt. Beurteilungskriterium ist die sog. Ausgleichszeit,
die Zeit vom Erreichen der Sterilisationstemperatur am Referenzpunkt bis zum Erreichen
der Sterilisationstemperatur im bzw. am Sterilisiergut. Nach Ablauf der Plateauzeit,
die sich aus Ausgleichszeit und Einwirkzeit zusammensetzt, folgen Prozessschritte,
die zunächst dem Trocknen des Guts und letztlich der Belüftung der Kammer dienen,
um eine Entnahme des Guts zu ermöglichen. Zum Trocknen wird üblicherweise Vakuum,
teilweise von Zwischenbelüftungen unterbrochen, eingesetzt.
Abb. 2.10
Anforderungen an den Temperaturverlauf Dampfsterilisation:Temperaturverlaufnach DIN
EN 285.
Um diesen Prozessablauf zu erzeugen, sind Dampfsterilisatoren im Allgemeinen mit zusammenwirkenden
Gruppen von Komponenten (Mess-, Befehlsgeräte, Steuerung) ausgerüstet.
Da sich das Ergebnis „steril“ in praxi nicht am behandelten Produkt nachweisen lässt,
kommt der fehlerfreien Erfassung der verfahrensrelevanten Parameter entscheidende
Bedeutung zu. Bei modernen Sterilisatoren ist deshalb vorgeschrieben, dass für die
Überwachung bestimmter verfahrensrelevanter Parameter, mindestens für Druck und Temperatur,
von der Steuerung unabhängige Mess- und Registrier- oder Anzeigegeräte zu verwenden
sind. Dadurch können Abweichungen vom vorgegebenen Prozessablauf durch Fehler in den
Messgeräten, die Eingangssignale für die Steuerung liefern, erkannt werden. Solche
Fehler werden dann bei der Produktfreigabe erkannt. Viele Sterilisatoren sind bereits
mit Fehlerüberwachungssystemen ausgerüstet, die einen Vergleich der Messwerte aus
der Verfahrensführung und -überwachung durchführen und bei Überschreitung vorgegebener
Toleranzen eine Fehlermeldung absetzen.
Luftinsel und nicht kondensierbare Gase
Eine Luftinsel
Luftinselist gefährlich bei der Dampfsterilisation.
Dampf kondensiert an kaltem Dampfsterilisation:Prozessführung\"\r\"DampfsterilisationProzessfueMaterial.
Die Luft kann nicht kondensieren. Ein kaltes Textilpaket filtert darum aus einer Dampf-Luft-Strömung
den Dampf heraus, übrig bleiben Kondensat im Paket und eine Luftströmung. Bei einem
Paket, in das der Dampf von allen Seiten gleichzeitig eintritt, kondensiert der Dampf
von außen nach innen im Paket, die Luft strömt zum Zentrum des Pakets und staut sich
dort zu einer „Luftinsel“ auf. Die Luft bildet dabei eine isolierende Schicht auf
dem Kondensat. Wird die Luft nicht entfernt, kann die Luftschicht so dick werden,
dass die Kondensation und damit der Wärmeübergang auf das Sterilisiergut an dieser
Stelle fast völlig zum Erliegen kommen. Ist der Druck in der Luftinsel genauso groß
wie in der Kammer, hört die Strömung auf. In einer Luftinsel herrscht dann zwar der
gleiche Gesamtdruck wie überall in der Kammer, aber die Temperatur ist in einer Luftinsel
wesentlich niedriger als an anderen Stellen in der Kammer. Selbst für das homogene
Normprüfpaket kann nicht vorhergesagt werden, wo sich eine Luftinsel bildet; das gilt
erst recht für den gesamten Nutzraum der Kammer. Der Aufenthaltsort einer Luftinsel
kann nur als Wahrscheinlichkeit angegeben werden. Die Zeit, die es dauert, bis sich
eine Luftinsel auflöst, hängt stark von den Umständen ab. Beim Bowie-Dick-Test werden
z. B. keine Luftinseln < 4 cm Durchmesser gefunden, weil sie sich auflösen, bevor
sie nachweisbar sind. Verfahrenstechnisch ist es darum nicht wesentlich, ob sich Luftinseln
bilden (sie bilden sich immer), sondern wie schnell sie sich wieder auflösen. Die
Ausgleichszeit kann dafür ein Anhalt sein.
Restluft und im Dampf enthaltene nicht kondensierbare Gase konzentrieren sich grundsätzlich
dort, wo Dampf kondensiert, also an kalten Teilen der Kammer und Gas(e), nichtkondensierbare\t\"Siehe
Inertgasein der Ladung. Bei voller Ladung kondensiert überall Dampf. Wird dabei an
einer Inertgas(e)Stelle isolierende Luft abgeschieden, wird weiterer Dampf nicht dort
kondensieren, sondern an einer anderen Stelle, an der die Kondensation nicht behindert
ist. So wird die Luft in einer vollen Ladung im Allgemeinen auf viele kleine und darum
weniger gefährliche Luftnester verteilt. In Schläuchen und Hohlkörpern kann allerdings
eingeschleuste oder dort verbliebene Luft lange Lumina blockieren. Es kann nicht garantiert
werden, dass sich in voller Ladung keine stabilen Luftinseln bilden, im Allgemeinen
ist dazu aber wesentlich mehr Luft nötig als bei Teilbeladung. Nicht entfernte Restluft
im Sterilisator wirkt sich bei Teilbeladung kritischer aus als bei Vollbeladung, da
sich die Luft auf nur wenige Pakete verteilt.
Die Teilbeladung hat im Gegensatz zur vollen Ladung nur so viel Masse, dass daran
genügend Dampf kondensiert, um eine Luftinsel zu bilden. Durch Teilbeladung wird eine
Konzentration der Luft in einem kleinen Volumen erzwungen. Die Teilbeladung ist darum
grundsätzlich kritisch.
Nicht kondensierbare Gase (Inertgase) gelangen bei der Dampfzufuhr in den Sterilisator.
Kann eine kritische Konzentration nicht kondensierbarer Gase nicht vermieden werden,
muss die Dampfversorgung saniert werden, um die Reproduzierbarkeit der Sterilisation
sicherzustellen.
Nicht kondensierbare Gase zeigen nur geringe Temperaturabweichungen gegenüber der
Wasserdampftemperatur und können deshalb durch thermoelektrische Messungen nur schwer
erkannt werden. Maßgeblich ist die effektiv in die Kammer eingetragene Gasmenge. Je
mehr Dampf verbraucht wird (z. B. bei großen Kammern), desto größer ist das Risiko.
Die Konzentration dieser Gase im Dampf ändert sich laufend; außerdem können sie sich
im Dampfnetz sammeln (z. B. bei Stillstand des Sterilisators). Auf dem Bowie-Dick-Testbogen
verursachen sie im Allgemeinen ausgedehnte, aber nur schwache Farbabweichungen.
Nicht kondensierbare Gase werden u. U. beim Bowie-Dick-Test nicht erfasst; dieses
Risiko muss durch ein Luftnachweisgerät oder Chargenüberwachungssystem minimiert werden.
Anwendung der Dampfsterilisation
Wer ein MP in Verkehr bringt, muss u. a. angeben, wie das Produkt aufbereitet und
sterilisiert wird (Einzelheiten zur Dokumentation siehe DIN EN ISO 17664).
Der Hersteller muss Angaben machen zur Dampfsterilisierbarkeit des MP, zu Sterilisationstemperatur,
Plateauzeit, Entlüftungsverfahren, ggf. Ausgleichszeit, Höchstwerten von Fremdstoffen
im Kondensat des Sterilisierdampfs, Medizinprodukt(e):SterilisationshinweiseEinzelheiten
des anzuwendenden Sterilisationsprozesses, zum Prüfkörper, der das MP repräsentiert,
zu ggf. nach der Sterilisation nötigen Maßnahmen, Einzelheiten über Zubehör und dessen
Anwendung (betrifft z. B. Pflegemittel und Vorrichtungen zum Schutz der Produkte bei
Sterilisation und Transport), weil das Zubehör den Zutritt von Dampf und die Trocknung
wesentlich erschweren kann. Es reicht nicht, eine theoretische Anzahl der möglichen
Sterilisationszyklen zu kennen, vielmehr muss z. B. auch eine mögliche Änderung der
biologischen Sicherheit und der Materialeigenschaften beurteilt werden. Die Dokumentation
sollte angeben, wie der Betreiber relevante Veränderungen auch ohne aufwändige Untersuchungen
erkennen kann.
Mit Dampf werden metallische Gegenstände mit ausreichendem Korrosionsschutz, Keramik,
Glas, wässrige Lösungen, Textilien aus Baumwolle, Leinen und hitzebeständigen Mischgeweben,
Gummiwaren und thermostabile Kunststoffe sterilisiert.
Temperaturen > 140 °C schädigen Baumwollfasern, erkennbar ist das z. B. an der Änderung
der Festigkeit und Saugfähigkeit von Textilien; geschädigte Textilien bilden Flusen.
Gummiwaren sind grundsätzlich dampfsterilisierbar, es gibt aber verschiedene Mischungen,
die unterschiedlich oft sterilisiert werden können. Auch einige Kunststoffe können
mit Dampf sterilisiert werden, das muss aber im Einzelfall untersucht sein. Kunststoffe
können durch Wasseraufnahme, Ausscheiden von Weichmachern und vorzeitiges Altern geschädigt
werden. Mit starker Schädigung bzw. Zerstörung ist bei Wolle, Leder und elektrischen
Geräten zu rechnen.
In Dampfsterilisatoren können neben vielen Chemikalien keine wasserfreien Öle, Fette,
Paraffine, Pulver und Stäube sowie Innenraum und Inhalt dicht geschlossener Gefäße,
es sei denn, sie enthalten Wasser, sterilisiert werden.
In einem Gemisch aus Öl oder Fett und Wasser (Emulsion) scheiden sich Fremdstoffe
an den Wassertröpfchen ab. Dadurch kommen Mikroorganismen in Kontakt mit Wasser und
werden inaktiviert. Dieser Vorgang lässt sich aber nur in homogenen, gut durchmischten
Emulsionen reproduzieren. Instrumentenöle sind solche Emulsionen.
Die Dampfsterilisation von Flüssigkeiten kann lebensgefährlich sein (Implosion) und
darf nur in speziellen Sterilisatoren durchgeführt werden.
Grundsätzlich ist ein Gewebe umso schwieriger zu sterilisieren, je mehr es die Eigenschaft
einer Folie hat. Der Trockenheitsgrad eines Gewebes hat entscheidenden Einfluss auf
die Sterilisation. In poröses Gut kann der Dampf eindringen, es saugt Feuchtigkeit
auf und besitzt einen gewissen inneren Strömungswiderstand. Zellulose ist ein poröser
Stoff und ist Bestandteil von Textilien und Verpackungen. Gewebe mit besonderer Ausstattung
(z. B. Laminate, mikroporöse Folien) können sich bei der Sterilisation völlig anders
als herkömmliche Textilien verhalten.
Hohlkörper sind, soweit möglich, mit der Öffnung nach unten zu sterilisieren, damit
Kondensat herauslaufen kann.
Kritisch sind im Allgemeinen Geräte mit tiefen Hohlräumen, z. B. Schläuche und MIC-Instrumente.
Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Teile an einer Seite geschlossen oder an beiden
Seiten offen sind. Maßgeblich für die Sterilisierbarkeit mit Dampf sind Material,
Querschnitt, Länge und Wandstärke der Gegenstände. Hohlkörper aus porösem Material
mit geringer Wandstärke sind nicht schwierig zu sterilisieren, kritisch sind undurchlässige
Werkstoffe wie Metall und Polytetrafluorethylen (PTFE). Hohlkörper mit etwa 2–8 mm
Innendurchmesser scheinen kritisch zu sein, bei Hohlkörpern < 2 mm Innendurchmesser
überwiegt die Kapillarwirkung, sie sind bei entsprechender Verfahrensführung sicher
zu sterilisieren. Hohlkörper sind umso schwieriger zu sterilisieren, je tiefer sie
sind. Einen wesentlichen Einfluss auf die Entlüftung einerseits und Luftinselbildung
andererseits hat die Kombination verschiedener Hohlräume mit unterschiedlichen Querschnitten;
sie können gegenüber unterschiedlichen Verfahren nicht durch Hohlkörper mit überall
gleichem Querschnitt repräsentiert werden. Einseitig geschlossene Rohre aus gleichem
Material und Querschnitt entsprechen in der Dampfdurchdringung beidseitig offenen
Rohren doppelter Länge. Einseitig geschlossene Rohre, die am geschlossenen Ende ein
großes Volumen aufweisen, zeigen eine bessere Dampfdurchdringung als Rohre mit gleichmäßigem
Querschnitt. Einseitig geschlossene Rohre, die demgegenüber ein großes Volumen am
offenen Ende aufweisen, zeigen eine schlechtere Dampfdurchdringung als Rohre mit gleichmäßigem
Querschnitt.
Schmiermittel (Instrumentenöl oder -milch) auf Basis hygroskopischer Öle/Fette dürfen
nur, wenn es keine Alternative gibt, und dann nur gezielt in geringen Mengen aufgetragen
werden.
Einige Instrumente müssen geschmiert werden, damit sie funktionsfähig sind. Fett und
Öl behindern aber den Zutritt sterilisierender Feuchtigkeit. Bei der Sterilisation
von Instrumenten können Umstände auftreten, etwa Verdunsten von Feuchtigkeit aus Emulsionen,
die vom Sterilisationsprozess selbst und von der Art der verwendeten Verpackungen
abhängen. Wer Pflegemittel als Zubehör zu MP in Verkehr bringt, muss detailliert angeben,
für welche Prozesse das Mittel vorgesehen ist, z. B. welches Vakuum nach Dampfzugabe
zulässig ist. Ist diese Dokumentation nicht verfügbar, darf der Anwender das Pflegemittel
nicht einsetzen. Instrumentenöl erschwert im Allgemeinen auch die Trocknung. Zusammen
mit dem Kondensat abtropfende Pflegemittel können dazu führen, dass die Verpackung
nach der Sterilisation ölig ist und nicht mehr trocken wird. Werden Pflegemittel verwendet,
müssen Pflegemittelreste vor jeder erneuten Sterilisation zuverlässig vom Instrument
und ggf. von der Verpackung entfernt werden.
Routinebetrieb
Bei Betriebsbeginn muss grundsätzlich ein Sterilisationszyklus mit leerer Kammer durchgeführt
werden; zu wählen ist im Allgemeinen das Programm zur Sterilisation von Textilien.
Das Anheizen eines Sterilisators ist ein instationärer Zustand mit Dampfsterilisation:Anwendungsgebiete\"\r\"DampfsterilisationAnwhöherem
Dampfverbrauch und längeren Steigezeiten. Solche Zeiten sind durchaus prozessrelevant,
darum darf auch der Bowie-Dick-Test nicht in der Leercharge erfolgen.
Täglich ist bei jedem Sterilisator eine Sterilisator(en):KontrolleFunktionskontrolle
(Sichtkontrolle + Dampfdurchdringungstest) durchzuführen, bevor er für die Routinesterilisation
freigegeben wird.
Bei der Sichtkontrolle wird festgestellt, ob bei Stillstand und Betrieb des Dampfsterilisators
Undichtigkeiten, ungewöhnliche Geräusche oder andere Mängel auftreten und die Verfahrensparameter
korrekt angezeigt und registriert werden. Ferner wird geprüft, ob die Betriebszeiten
und andere Kennwerte beim Dampfdurchdringungstest eingehalten werden. Der Dampfdurchdringungstest
(Bowie-Dick-Test) weist nach, dass kondensierender Dampf alle Oberflächen in der Referenzbeladung
schnell und gleichmäßig erreicht. Die Einwirkzeit beträgt 3,5 Minuten bei 134 °C oder
15 Minuten bei 121 °C. Beim Bowie-Dick-Test mit dem porösen Testpaket wird die Dampfpenetration
in Hohlkörper nicht abgebildet. Daher wird seit 2008 in der Norm DIN EN 285 für Großsterilisatoren
zusätzlich der Typtest für Hohlkörper nach EN 867–5 Hollow Load gefordert, um die
Sterilisation von MIC-Instrumenten abzubilden.
Die Anordnung der Pakete bzw. Container auf dem Beschickungswagen, d. h. das Beladeschema,
muss vorgeschrieben sein (Abb. 2.11
)
Abb. 2.11
Beladung des Sterilisator(en):BeladungSterilisators..
Im Allgemeinen wird Sterilisiergut nach den Wünschen des Verbrauchers zu einer Einheit
(Paket, Sieb, Set) zusammengestellt. Hilfsmittel sind Packlisten, grafische Darstellungen
oder Fotos. Dampfsterilisator\t\"Siehe auch SterilisatorDiese Vorgaben sind Arbeitsanweisungen
und gleichzeitig Grundlage der Materialwirtschaft.
Instrumente und andere schwere Güter, von denen Kondensat abtropfen kann, sind auf
den unteren Beladeebenen des Sterilisators oder Beschickungswagens anzuordnen. Im
besonderen Maß gilt das für Instrumentencontainer, die so gebaut sind, dass sie viel
Kondensat abgeben. Gut in „weichen“ Verpackungen muss in Sterilisierkörben sterilisiert,
transportiert und gelagert werden. Bei Klarsichtverpackungen darf die Folienseite
nicht nach unten weisen. „Weiche“ Verpackungen müssen so im Sterilisator angeordnet
sein, dass der Dampfzutritt nicht behindert ist, auch nicht zu anderen Gütern. „Weiche“
Verpackungen sollen bei der Sterilisation nicht auf anderem Gut liegen, hingegen können
bis zu drei geeignete Container mit einem Zwischenraum übereinandergestapelt werden.
Prüfungen
DIN EN 285 und DIN EN 13060 Dampfsterilisation:Routinebetrieb\"\r\"DampfsterilisationRoutinespezifizieren
Mindestanforderungen an die Leistung von Dampfgroß- bzw. -kleinsterilisatoren; die
Leistungen werden durch die genormten Prüfungen verifiziert. Der Hersteller des Sterilisators
muss den Prozess und die Prozessparameter einschließlich ihrer Toleranzen beschreiben
und zusätzlich angeben, welche Vorrichtungen am Sterilisator vorhanden sind, die bei
jedem Zyklus automatisch feststellen, ob die vorgegebenen Toleranzen, z. B. Sterilisationstemperaturband
oder festgelegte Konzentration nicht kondensierbarer Gase, im Dampf eingehalten sind
und außerdem wie die korrekte Funktion dieser Vorrichtungen geprüft und justiert werden
kann. Diese Leistungsangaben müssen bei der Validierung bestätigt werden.
Die Typprüfung ist ein Leistungsnachweis für Typprüfung, DampfsterilisatorSterilisatoren
Dampfsterilisator:Typprüfungmit standardisierten Beladungen.
Die Typprüfung gilt für einen Prozess mit festgelegten Parametern. Geprüft werden
technische Kennwerte, Temperaturverteilung in der Ladung (Ausgleichszeit), Dampfdurchdringung,
Trocknung und Reproduzierbarkeit des Prozesses.
Die Werkprüfung ist eine Kontrolle, die mindestens Dichtigkeit und Dampfdurchdringung
bei jedem individuellen Werkprüfung, DampfsterilisatorSterilisator erfasst.
Maßgeblich bei jeder Prüfung eines Prozesses eines Dampfsterilisators ist die Prüfung
des Druck- und Temperaturverlaufs in der Kammer und in der Ladung.
Temperaturen werden mit Widerstandsthermometern Dampfsterilisator:Werkprüfungoder
Thermoelementen erfasst und mit Prüfmessgeräten mit einer Genauigkeit von etwa ± 0,5
°C gemessen und registriert. Die Sensoren werden durch den Teststutzen in die Kammer
eingeführt und sorgfältig eingedichtet. Es können auch Loggersysteme eingebracht werden.
Sattdampfbedingungen herrschen überall in der Kammer und in der Ladung, wenn die Temperatur
an allen Messstellen nach der Sattdampfkennlinie vom Kammerdruck bestimmt wird. Als
Referenzmessstelle für die Kammertemperatur gilt im Allgemeinen eine Stelle „mindestens
10 mm tief in der Strömungsleitung“. Als kälteste Stelle in der Ladung gilt nach DIN
EN 285 das Zentrum des Normprüfpakets. Allerdings trifft das nur bei 17 % aller Prüfungen
mit „kleiner Beladung“ zu (Wichmann et al. 1993). Darum müssen thermometrische Prüfungen
auf statistischer Grundlage durchgeführt werden. Die Berechnung des „Penetrationsfehlers“
erlaubt eine bessere Beschreibung der dynamischen Vorgänge in der Ladung als die einfache
Temperaturmessung. Sie berücksichtigt z. B. auch, dass Luftinseln in der Ladung wandern.
Der „Penetrationsfehler“ hat die Dimension s × K [sK], ein „Penetrationsfehler“ von
150 sK entspricht maximal 2 °C Differenz während der Plateauzeit zwischen einer beliebigen
Stelle im Normprüfpaket und dem Kammerausgang (Abb. 2.12
).
Abb. 2.12
Fläche im Zeit-Temperatur-Diagramm als Maß für den Penetrationsfehler, DampfsterilisatorDampfsterilisator:PenetrationsfehlerPenetrationsfehler.
Als Ergänzung zu thermometrischen Prüfungen können auch Prüfungen mit biologischen
Indikatorsystemen nach DIN EN ISO 11138-3 durchgeführt werden.
Biologische Dampfsterilisator:BioindikatorenIndikatoren sind dann angezeigt, wenn
durch das Einbringen von Temperaturfühlern die Messung verfälscht wird oder das Einbringen
nicht möglich ist.
Vorteilhaft bei Indikatoren ist es, dass man die Zahl der Messstellen frei wählen
und die Prüfbeladung z. B. im Labor vorbereitet werden kann. Für Auswahl, Gebrauch
und Interpretation biologischer Indikatoren zur Entwicklung, Validierung und Routinekontrolle
von Sterilisationsprozessen wird in DIN EN ISO 14161 ein Leitfaden angeboten.
Die Trockenheit von Sterilgut wird durch Wiegen und durch Augenschein beurteilt.
Bei Prüfungen wird jedes Teil einer Beladung in seiner Verpackung vor und nach der
Sterilisation gewogen. Der Masseunterschied wird durch das Kondensat verursacht, das
im Gut zurückgeblieben ist. Nach DIN EN 285 ist bei der „Prüfung der Trocknung bei
Textilbeladung“ mit einem Normprüfpaket maximal 1 % Massezunahme, bei der „Prüfung
der Trocknung bei Metallbeladung“ sind maximal 0,2 % (= 30 g) zulässig. Zusätzlich
wird geprüft, ob sichtbare oder fühlbare Feuchtigkeit auf der Verpackung oder auf
dem Produkt zurückgeblieben ist. Hat das Gewicht eines Pakets abgenommen, kann meist
angenommen werden, dass sich die Feuchtigkeit rasch im Paket ausgleicht und die wahrnehmbare
Feuchtigkeit verschwindet, bei Pfützen auf Kunststoffteilen darf davon jedoch nicht
ausgegangen werden. Die Vergleichsprüfung des Gewichts muss bei etwa gleicher Temperatur
erfolgen. Auch sollte nicht sofort nach Entnahme aus dem Sterilisator gewogen werden,
da heiße Luft in den Paketen ein geringeres Gewicht zur Folge hat (Heißluftballon-Effekt).
Große praktische Bedeutung hat der Bowie-Dick-Test, der Dampfsterilisator:Bowie-Dick-Test
Bowie-Dick-Test:Dampfsterilisatoreine einfache Kontrolle der Leistung des Sterilisators
erlaubt.
Zur Herstellung eines 7 kg schweren Normprüfpakets eignen sich z. B. 33 gefaltete
Baumwolltücher. Das Normprüfpaket darf mehrfach benutzt werden, bis es verschmutzt
ist (Bowie 1963). Für Prüfungen, deren Ergebnis reproduzierbar sein soll, sollten
nie frische, sondern mehrfach sterilisierte Tücher verwendet werden. Vor dem Einsatz
müssen die Tücher die Luftfeuchtigkeit aufgenommen haben, um eine hygroskopische Kondensation
zu vermeiden.
Der Testbogen wird horizontal in der Mitte des Pakets zwischen die Tücher gelegt.
Das Prüfpaket wird in ein weißes Baumwolltuch eingeschlagen. Die Verwendung einer
anderen Verpackung, z. B. von Sterilisationspapieren oder Containern, ist unzulässig,
weil dadurch der Test verfälscht wird.
Für den Bowie-Dick-Test muss die Kammer bis auf das Prüfpaket und die Beschickungseinrichtung
leer sein.
Das Prüfpaket wird mit horizontal liegenden Tüchern in der Mitte der Kammer etwa 100–200
mm über dem Kammerboden so aufgestellt, dass der Dampf ungehindert von allen Seiten
eindringen kann, z. B. auf einem Sterilisierkorb. Bei Sterilisatoren mit 300 mm hohem
Nutzraum (Fassungsvermögen 1 Sterilisiereinheit [StE]) ist das nicht möglich; zur
Überprüfung dieser Sterilisatoren sollte die Masse des Prüfpakets auf 5 kg und dessen
Höhe auf etwa 17 cm verringert werden.
Luftinseln entstehen mit großer Wahrscheinlichkeit in der Nähe der vertikalen Achse
des Prüfpakets und bilden sich als heller Fleck auf dem Testbogen ab. Sie bewegen
sich im Testpaket und treiben vor allem zur Mitte und nach unten (dabei hinterlassen
sie einen elliptischen Fleck oder eine Kometenspur). Schwache Luftinseln lassen sich
nur erkennen, wenn der Testbogen gegen eine starke Lichtquelle betrachtet wird, z.
B. heller Himmel oder 60-Watt-Glühlampe. Man kann dann die Farbdichte besser beurteilen
und wird weniger durch Nebeneffekte abgelenkt. Solche Nebeneffekte entstehen z. B.
durch nicht ganz gleichmäßige Verteilung der Feuchtigkeit in den Textilien; viele
Testbögen zeigen dann graue oder silbrige Zonen. Aus solchen Farbabweichungen kann
man keine sinnvollen Schlüsse ziehen.
Anstelle des genormten Bowie-Dick-Tests mit dem Normprüfpaket können alternative Systeme
nach DIN EN ISO 11140-4 verwendet werden. Das sind Prüfkörper mit einem Indikatorsystem,
das auf Fehler weitgehend wie das Normprüfpaket mit dem Testbogen reagiert.
Zur Prüfung von Kleinsterilisatoren wird ein spezieller Hohlkörpertest, DampfsterilisatorHohlkörpertest
verwendet, der am geschlossenen Ende eine Aufnahmevorrichtung für ein Indikatorsystem
hat.
Dieser Indikator, der in der Europäischen Norm DIN EN 867-5 als „Hollow-Load“ beschrieben
ist, soll die speziellen Probleme bei der Entlüftung tiefer Hohlkörper darstellen.
Freigabedokumentation
Dokumentieren bedeutet aufschreiben, unterschreiben und archivieren. Die Dokumentation
der Sterilisation ist produkt- und nicht patientenbezogen.
Die Dokumentation der Freigabe sollte in knapper Form die Dampfsterilisator:Prüfungen\"\r\"DampfsterilisatorPruefungentägliche
Nutzung des Sterilisators darstellen:
•
Bewertung der Ergebnisse der täglichen Funktionskontrollen (Sichtkontrolle, ggf. Vakuumtest
und Bowie-Dick-Test bzw. spezieller Hohlkörpertest für jedes Programm),
•
Bewertung der prozessrelevanten Parameter (Prozessablauf Abb. 2.13
),
Abb. 2.13
Beurteilung des Dampfsterilisation:ProzessablaufsbeurteilungProzessablaufs.
•
Bewertung der eingesetzten Chargenüberwachung,
•
Bewertung der Trockenheit und Unversehrtheit der Verpackung,
•
ggf. Ergebnisse anderer Kontrollen (z. B. Kontrolle der Leitfähigkeit des Speisewassers).
Für jeden Zyklus sollten angegeben werden:
•
Zyklusnummer oder Datum,
•
gewähltes Sterilisierprogramm (falls verschiedene Programme wählbar),
•
Art des Sterilguts und Beladeschema,
•
Freigabe der Charge durch die dazu autorisierte Person (Unterschrift).
Jede Packung muss gut lesbar gekennzeichnet sein.
Die Protokollierung kann mit Kurzzeichen erfolgen, insbesondere können das gewählte
Programm, die Art des Sterilguts und das Beladeschema mit Kurzzeichen angegeben werden,
wenn in der Arbeitsanweisung die entsprechenden Vorgaben enthalten sind. Im Tagebuch
muss nicht jedes einzelne Teil vermerkt sein, wenn die Rückverfolgbarkeit auf andere
Weise gewährleistet ist. Die Kennzeichnung muss auch an lagerndem Sterilgut erkennbar
sein, ohne das Gut zu berühren, und sollte folgende Angaben enthalten:
•
Zustand des Guts (STERIL) und Sterilisationsverfahren (Dampf),
•
Freigabekennzeichnung durch Verplombung,
•
Inhalt,
•
Sterilisierdatum,
•
Bezeichnung des Sterilisators und Chargennummer.
Zur Freigabekennzeichnung kann z. B. ein Etikett verwendet werden. Anstelle von Sterilisatorbezeichnung
und Chargennummer kann eine Identitätsnummer angegeben werden. Außerdem soll ein Prozessindikator
Klasse 1 nach DIN EN ISO 11140-1 helfen, Sterilgut von nicht sterilisiertem Gut zu
unterscheiden.
Grundsätzlich muss der Ablauf jedes Sterilisationszyklus durch die verantwortliche
Person überwacht werden.
Die Prozessvariablen müssen grundsätzlich aufgezeichnet werden. In der Praxis wird
im Allgemeinen ein automatisch arbeitendes Gerät zur Registrierung der Prozessvariablen
(Drücke, Temperaturen, Zeiten) verwendet, der verantwortliche Bediener kontrolliert
die Aufzeichnungen und bestätigt bei der Freigabe, dass der Prozess korrekt abgelaufen
ist. Die Aufzeichnung darf grafisch oder alphanumerisch erfolgen, sie muss sicherstellen,
dass Werte außerhalb der zulässigen Grenzen identifiziert werden können.
Überhitzung durch hygroskopische Kondensation
Rubner (1907) fand eine 5-, 10- bzw. 22-fache Verlangsamung der Bakterienabtötung,
wenn er gesättigten Dampf ohne weitere Wasserverdampfung von 95 auf 100 °C, von 100
auf 127 °C bzw. von 90 auf 100 °C erhitzte. Überhitzter Dampf ist nicht mit Wasserdampf
gesättigt, d. h., er ist „relativ trockener“, kann noch Wasserdampf aufnehmen und
austrocknend wirken. Dieser „austrocknende Effekt“ ist eine wesentliche Ursache für
die Abnahme der Tötungswirkung überhitzten Dampfs. „Bakteriensporen müssen etwa 4–5
% Feuchtigkeit enthalten, um durch Hitze von ca. 100 °C vernichtbar zu sein. Je langsamer
dieser Feuchtigkeitsgrad erreicht wird, umso länger widerstehen sie der Hitze.“ Die
Ursache der Tötung der Sporen oder anderer Vegetationszustände der Bakterien liegt
in Koagulationserscheinungen des Eiweißes. Hygroskopisches Wasser reicht zur Koagulation
aus. Wasserdampf erzeugt aber auch chemische Einwirkungen und spaltet Kohlensäure,
Schwefelwasserstoff und Ammoniak aus Bakterien ab (Lehmann 1901). Schon im Lehrbuch
von Flügge (1940) wird hervorgehoben, dass die tötende Wirkung überhitzten Wasserdampfs
umso mehr herabgesetzt ist, je weiter sich die Temperatur von der gesättigten Dampfs
entfernt. Überhitzter Dampf (von 100 °C beginnend) zeigt erst oberhalb von 110 °C
(bis 135 °C) eine verminderte keimtötende Wirkung; ab 140 °C wird eine zunehmende
Wirkung beobachtet, die in ähnlicher Weise wie die Dampfdesinfektionskraft der heißen
Luft zu werten ist (von Esmarch 1950).
Bei Praxismessungen mit künstlich getrockneten textilen Gütern in verschiedenen Verpackungen
wurde die hygroskopisch bedingte Überhitzung in einem modernen Sterilisator gemessen
(Fleischhack et al. 2004). Dabei wurden bei 121 °C bzgl. der gemessenen Maximalwerte
Überhitzungen zur theoretischen Sattdampftemperatur zwischen 0,4 K und 7,6 K, bei
134 °C zwischen 0,5 K und 4,3 K gemessen.
Aus Untersuchungen in unterschiedlichen Behältnissen ist ableitbar, dass bei Nutzung
von Behältern, in denen sich viel Kondensat bildet, der Überhitzung entgegengewirkt
werden kann. Jedoch spielt neben dem Containermaterial auch die Größe der Behälter
eine Rolle. In jedem Fall sind absolute Feuchten vor Beginn der Sterilisation oberhalb
von 6–7 g/kg Luft sinnvoll, um im normgerechten Temperaturband der Sterilisation mit
feuchter Hitze zu bleiben. Die Konditionierung des Guts in den Vorvakuumstufen reicht
in diesem Bereich nicht aus, um bei trockenem Gut Überhitzungen zu vermeiden. Dieser
Effekt verstärkt sich noch, wenn man das Gut dem Sterilisationsprozess zu warm (Temperatur
> 30 °C) aussetzt.
Die von Rubner (2007) überwiegend bei strömendem Wasserdampf von 100 °C festgestellten
Überhitzungen von 40–50 °C konnten in einem modernen fraktionierten Vakuumverfahren
bei 121 °C- und 134 °C-Prozessen nicht festgestellt werden.
Die Überhitzungen sind insofern prozessrelevant, als sie bei der Validierung gemessene
Temperaturen in diesem Bereich bei der Bewertung außerhalb des zulässigen Temperaturbandes
bringen können. Deshalb müssen nicht nur die Möglichkeit zur Überhitzung trockener,
textiler Güter bekannt sein, sondern auch die Möglichkeiten zum Gegensteuern.
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, inwieweit die gemessenen Überhitzungen zur
verminderten Abtötung führen. Die Arbeiten von Spicher et al. (1993, 1996, 1999) mit
Bakterien- und Sporenträgern aus zellulosehaltigem Filterpapier und Glasfaservlies
im gesättigten Wasserdampf bei 75, 100 und 120 °C haben die Aktualität der Überhitzung
und die dadurch bedingte Minderung der Geschwindigkeit der Bakterien- bzw. Sporentötung
eindrucksvoll nachgewiesen. Die wichtigsten Aussagen sind:
•
Keimträger aus zellulosehaltigem Filterpapier überhitzten in gesättigtem Wasserdampf
infolge hygroskopischer Kondensation innerhalb weniger Sekunden.
•
Die Überhitzung klang nur langsam ab. Selbst nach 20 Minuten war die Temperaturdifferenz
zwischen Indikator und Wasserdampf noch nicht ausgeglichen.
•
Einen zusätzlichen Beitrag zur Überhitzung lieferte eine an die Keimträger angetrocknete
Suspension von Testorganismen in Blut.
•
Bioindikatoren aus Glasfaservlies und aus zuvor angefeuchtetem Filterpapier nahmen
die Temperatur des Dampfs ohne jegliche Überhitzung an.
•
Glasfaservlies übt erwünschte Effekte auf den Testorganismus aus, d. h., es erhöht
die Sporenresistenz, ohne dass dabei die Wirkungsbedingungen der Noxe verändert werden.
•
Je höher die Überhitzung, umso größer war die Häufigkeit von Indikatoren mit überlebenden
E. faecium. Die Überhitzung führt zur Minderung der Geschwindigkeit der Abtötung.
•
Sporen von B. subtilis besaßen auf überhitzten Indikatoren erheblich höhere Resistenz
als auf nicht überhitzten. Dabei überraschte vor allem, dass eine Überhitzung um nur
2 K eine derart große Erhöhung der Resistenz zur Folge hat.
•
Bei Überhitzungen um 4 K waren die Sporen von B. subtilis ca. 2,5-mal so resistent
wie gegen gesättigten Wasserdampf. Die höchste Resistenz trat bei Überhitzung um 29
K auf, die Sporen waren hierbei 119-mal so resistent.
•
Die Resistenz von B. stearothermophilus und Sporenerde war bis zu einer Überhitzung
um 10 K nur geringfügig erhöht. Die höchste Resistenz trat bei Überhitzung um 22 K
auf. Die Sporen waren 4,1-mal so resistent.
Praxisempfehlung: Bei der Sterilisation poröser Güter ist es wichtig, dass unabhängig
von äußeren klimatischen Verhältnissen eine relative Feuchte von mindestens 30 % bei
einer Raumtemperatur von mindestens 20 °C garantiert wird. Das ist nur mit Klimatisierung
einschließlich Befeuchtung (vor allem im Winter) möglich. Poröse Güter müssen, bevor
sie in den Sterilisator gelangen, ausreichend Zeit erhalten, damit sie sich an die
normalen raumklimatischen Verhältnisse anpassen können. Auch die Sterilisation von
Wäsche ist nur möglich, wenn sie sich an das Raumklima angepasst hat. Das Sterilisieren
von „warmer und trockener Wäsche“ aus der Heißmangel kann ggf. nicht zum gewünschten
Ergebnis führen. Ein Beschicken des warmen Sterilisators, ohne ihn sofort zu starten,
führt zu Fehlleistungen beim Erreichen der notwendigen Sterilisiersicherheit bei porösen
Gütern. Weiterhin ist empfehlenswert, für die Sterilisation z. B. von Tupfern diese
in notwendigen Portionen in Klarsichtbeuteln zu verpacken und diese allein oder im
Korb zur Sterilisation in einen gesonderten Stahlcontainer einzubringen. Dieser Container
kann nach der Sterilisation sofort entladen und ggf. wieder für textile Güter eingesetzt
werden. Die Tupfer in ihrer jeweiligen Verpackung sind dann lagerfähig.Kondensation,
hygroskopische\"\r\"KondensationhygroskopUeberhitz
Dampfsterilisation:Kondensation, hygroskopische\"\r\"KondensationhygroskopUeberhitz
Vorbereitung und Durchführung der Validierung und Revalidierung
Abnahme-, Funktions- und Leistungsbeurteilung
Unter Validierung versteht man ein dokumentiertes Verfahren zum Erbringen, Aufzeichnen
und Interpretieren der Ergebnisse, um zu zeigen, dass ein Verfahren ständig mit den
vorgegebenen Spezifikationen übereinstimmt.
Hierfür müssen Vorgaben vorliegen, deren Einhaltung bei der Abnahme-, Funktions- und
Leistungsbeurteilung überprüft wird und zu deren Erstellung sowohl seitens des Sterilisatorherstellers
als auch seitens des Betreibers Vorarbeiten zu leisten sind.
Für Betreiber von Sterilisatoren (z. B. Krankenhäuser, Dienstleister) gründet sich
die Notwendigkeit der Validierung bzw. Qualitätssicherung der Sterilisation auf §
4 (2) der MPBetreibV. Danach sind Reinigung, Desinfektion und Sterilisation mit validierten
Verfahren durchzuführen. Vorgaben sind dem MPG, der MPBetreibV, der gemeinsamen Empfehlung
der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI (KRINKO) und
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM; 2001) sowie nationalen
bzw. europäischen Normen zu entnehmen, insbesondere DIN EN 285, DIN EN ISO 17665-1,
DIN EN 556-1, DIN EN ISO 14937 und DIN 58946.
Die Validierung beinhaltet gemäß DIN EN ISO 17665-1
•
die Abnahmebeurteilung (IQ – installation qualification) = Nachweis, dass die Ausrüstung
ihrer Spezifikation entsprechend bereitgestellt und in Betrieb genommen wurde,
•
die Funktionsbeurteilung (OQ – operational qualification) = Nachweis, dass die installierte
Ausrüstung innerhalb vorgegebener Grenzwerte ihre Funktion erfüllt, wenn sie entsprechend
den Arbeitsanweisungen eingesetzt wird,
•
die Leistungsbeurteilung (PQ – performance qualification) = Nachweis, dass die Ausrüstung,
wenn sie entsprechend den Arbeitsverfahren in Betrieb genommen und bedient wird, beständig
den vorgegebenen Kriterien entsprechend arbeitet und sterile MP liefert.
Durch die Abnahme- und Funktionsbeurteilung (diese beiden Schritte entsprechen etwa
der Kommissionierung gemäß früherer DIN EN 554) soll nachgewiesen werden, dass der
Sterilisator und der Raum, in dem er installiert ist, mit den vorgegebenen Anforderungen
übereinstimmen und die Kalibrierung der Instrumente, die für die Kontrolle, Anzeige
und Aufzeichnung verwendet werden, innerhalb vorgegebener Grenzen liegt.
Kontrolliert werden u. a.
•
mitgelieferte Papiere wie Bedienungsanleitung, Wartungsbuch, Druckkesselzertifikat,
Bestätigung Typtest/Werktest, Kalibrationszertifikate für die Messeinrichtungen sowie
Schaltpunkte und Grenzwerte der automatischen Regelung,
•
ob der Sterilisator sicher und betriebsbereit ist
•
ob die vorgegebenen Werte wie Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit eingehalten
werden und es zu keiner gegenseitigen Störung mit anderen technischen Geräten kommt
•
Genauigkeit der Messeinrichtungen sowie der Dichtheit der Dampf-, Druckluft- und Wasserversorgung
•
Qualität von Dampf, Druckluft und Wasser.
Durch die Leistungsbeurteilung wird nachgewiesen, dass der Sterilisationsprozess bei
den vom Betreiber eingesetzten Sterilisatorladungen reproduzierbar an allen inneren
und äußeren Oberflächen die beabsichtigte Wirkung erzielt.
Die Anforderungen gelten nach DIN EN 285 als erfüllt, wenn
•
die Temperatur innerhalb des Sterilisiertemperaturbands (Sterilisiertemperatur als
untere Grenze +3 °C) liegt,
•
die Temperaturdifferenz zwischen tiefstem und höchstem Wert einschließlich der theoretischen
Temperatur ≤ 2 °C beträgt,
•
die Temperaturschwankung ≤ ±1 °C ist,
•
die Ausgleichszeit ≤ 15 s bei ≤ 800 l Kammervolumen und ≤ 30 s bei > 800 l Kammervolumen
beträgt.
Im Gegensatz dazu wird in DIN EN ISO 17665-1 lediglich gefordert, dass der notwendige
F0-Wert zum Erreichen der Sterilisationssicherheit nachgewiesen wird.
Seitens des Sterilisatorherstellers sind neben den mitgelieferten Papieren die Programmdaten
und zulässigen Toleranzen für jedes Sterilisationsprogramm bereitzustellen.
Vom Betreiber ist die Dokumentation (SOP) des gesamten Bereichs der Sterilgutversorgung
zu erstellen, d. h. von der Entsorgung gebrauchter Güter über die Reinigung/Desinfektion,
Pflege und Funktionskontrolle, Zusammenstellung der Sets, der Verpackungen, Festlegung
des Sterilisationsverfahrens, Beladung des Sterilisators, Sterilisation, Entnahme
der Güter, Kontrolle und Freigabe der sterilisierten Charge, Lagerung und Bereitstellung
bis zur erneuten Verwendung. Außerdem ist die Erstellung von SOPs für tägliche Routinetests
erforderlich. Dabei sollten auch die Zuständigkeiten festgelegt werden.
Weitere Punkte, die im Zuge der Abnahme- und Funktionsbeurteilung abgefragt und vom
Betreiber vorgelegt werden müssen, betreffen einen Schulungsplan sowie den Schulungsnachweis
für die in der Sterilisation beschäftigten Mitarbeiter.
Außerdem sind folgende Unterlagen zur Einsicht bereitzuhalten:
•
vorangegangene Prüfberichte,
•
Herstellerangaben über die Sterilisierbarkeit der zu sterilisierenden Güter,
•
Zuordnung der MP gemäß Klassifizierung nach KRINKO-Empfehlung (2001),
•
Speisewasseranalyse,
•
Leitfähigkeitswerte des Speisewassers,
•
Bestimmung des Anteils an nicht kondensierbaren Gasen,
•
Kalibrierplan und -bescheinigung für die Instrumentierung,
•
Umgebungsbedingungen des Sterilisators (Temperatur, relative Luftfeuchte),
•
Kontroll-, Prüfberichte von Reinraummessungen (sofern zutreffend),
•
Kontrollberichte, die die Einhaltung der vorgegebenen Arbeitsanweisungen belegen.
Vor Beginn der Messungen muss die prüfende Stelle zur Absicherung der Ergebnisse die
Kalibrierung der Prüfmessgeräte und die Prüfung der Vakuumdichtheit des Sterilisators
nach Einbringen der Messfühler ausführen.
Im Zuge der Abnahme- und Funktionsbeurteilung sind folgende Messungen vorgesehen:
•
Vakuumtest,
•
Bowie-Dick-Test,
•
Teilbeladung mit Normprüfpaket als Bestandteil des Nachweises der Reproduzierbarkeit
des Prozesses im Rahmen der Leistungsbeurteilung,
•
Bestimmung des Temperaturprofils in der leeren Kammer,
•
volle Beladung mit Textilien bzw. Instrumenten in repräsentativer Konfiguration, wenn
die Trocknung geprüft werden soll.
Bei der Leistungsbeurteilung müssen abhängig von den in der Praxis vorgesehenen Sterilisationsprogrammen
und Konfigurationen je Programm geprüft werden:
•
volle Beladung mit porösem Gut (wenn im Routinebetrieb vorgesehen und nicht bereits
im Rahmen der Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung geprüft),
•
volle Beladung mit Instrumenten (wenn nicht bereits im Rahmen der Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung
geprüft),
•
Teilbeladung mit Normprüfpaket (insgesamt drei Durchläufe je Programm als Nachweis
der Reproduzierbarkeit),
•
volle Mischbeladung (wenn im Routinebetrieb vorgesehen),
•
ggf. weitere repräsentative Praxiskonfigurationen (Teilbeladungen, Mischbeladungen).
Sind bei der Abnahme- und Funktionsbeurteilung bereits repräsentative Beladungen geprüft
und dokumentiert worden, brauchen sie bei der Leistungsbeurteilung nicht wiederholt
zu werden. Ist der Sterilisator für einen eingeschränkten Anwendungsbereich vorgesehen,
kann ein geringerer Prüfumfang vom Prüfer festgelegt werden.Dampfsterilisation:Funktionsbeurteilung\""\r""Dampfsterilisationabnahmebeurt
Dampfsterilisation:Abnahmebeurteilung\""\r""Dampfsterilisationabnahmebeurt
Revalidierung oder „erneute Leistungsbeurteilung“
Durch regelmäßige Dampfsterilisation:Leistungsbeurteilung\""\r""DampfsterilisationabnahmebeurtRevalidierung
oder „erneute Leistungsbeurteilung“ soll bestätigt werden, dass die während Dampfsterilisation:Revalidierungder
Abnahme- und Funktionsbeurteilung aufgezeichneten Daten weiterhin Gültigkeit haben
und der Sterilisationsprozess weiterhin reproduzierbar die beabsichtigte Wirkung erzielt.
Die Revalidierung oder „erneute Leistungsbeurteilung“ umfasst mindestens:
•
Vakuumtest,
•
Bowie-Dick-Test,
•
Bestimmung des Temperaturprofils in der leeren Kammer (je Sterilisiertemperatur),
•
Teilbeladung mit Normprüfpaket je Programm,
•
eine repräsentative Konfiguration je Programm (Referenzbeladung der letzten Leistungsbeurteilung).
Dieser Mindestumfang gilt dann, wenn der Nachweis der Prozessstabilität (z. B. täglicher
Bowie-Dick-Test und Aufzeichnung der Prozessparameter der durchgeführten Sterilisationen)
seit der letzten Prüfung dokumentiert vorliegt. Treten nicht akzeptable Abweichungen
vom validierten Prozess auf, sind deren Ursachen zu ergründen und zu beseitigen. Das
kann eine erneute Leistungsbeurteilung nach sich ziehen. Der Umfang der Überprüfung
hängt vom Grund der Beanstandung ab.
Ebenso kann eine erneute Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung nach längerer Periode
der Nichtbenutzung des Sterilisators sowie nach Änderungen und Servicearbeiten, die
auf den Sterilisationsprozess Einfluss haben können, erforderlich sein. Wurde der
Sterilisator größeren Modifikationen unterworfen, ist es durch die Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung
nicht möglich, die Originalmesswerte der Erstvalidierung zu bestätigen oder ist ein
offensichtlicher Fehler erkennbar, müssen die alten Daten als ungültig betrachtet
werden. In diesem Fall ist eine komplette Wiederholung der Validierung erforderlich.
2.8.4
Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd(NTDF)-Sterilisation
FormaldehydFormaldehyd (FA) ist ein farbloses, stechend riechendes, die Schleimhaut
reizendes Gas mit einem Siedepunkt von –19 °C. Die Wahrnehmbarkeit liegt unter der
Gefährdungsschwelle. FA ist als trockenes Gas mikrobiozid unwirksam. Die Affinität
zu Wasser (gesättigte wässrige Lösung „Formalin“ [35–39 %]) ist hoch. FA neigt zur
Polymerisation (deshalb z. B. 10 % Methanol als Stabilisator in Formalin). Die Einstufung
nach Gefahrstoffverordnung ist „giftig“ mit Kennzeichen „T“. Der MAK-Wert beträgt
0,3 ppm. FA ist als Humankanzerogen eingestuft.
Die Dampfsterilisation\""\r""Dampfsterilisationmikrobiozide Wirkung von FA beruht
auf der Reaktion mit Aminogruppen in Eiweißmolekülen und Aminosäuren (Kirchhoff 1974),
wodurch es zur Denaturierung kommt. Sporen können infolge der Feuchte und Wärme beim
Sterilisationsprozess zum Stoffwechsel aktiviert werden. In diesem Zustand kann FA
eindringen und wirksam werden. Bei Viren führt FA-haltiger Wasserdampf zur irreversiblen
Schädigung der Nukleinsäure.
Rubner berichtete 1906 über die Verbesserung der mikrobioziden Wirkung von FA in Wasserdampf
bei Temperaturen < 100 °C. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in Großbritannien
erstmals Verfahren zur Anwendung eines Wasserdampf-FA-Gemischs als „Low-Temperature-Steam
with Formaldehyd“ beschrieben (Alder et al. 1966, 1971, Adam 1974). In Deutschland
führten Marcy (1974), in Skandinavien Handlos (1977a, 1977b, 1979) und Nyström (1983)
Untersuchungen zur sterilisierenden Wirksamkeit des FA-Wasserdampf-Gemischs durch.
Durch Mecke (1979) wurde in Deutschland ein Verfahren, das im Gegensatz zu bisherigen
Verfahrenstemperaturen zwischen 76 und 80 °C bei 60 °C arbeitete, beschrieben. Grundlagenuntersuchungen
an den in Deutschland entwickelten Sterilisatoren wurden in den 1980er Jahren von
Spicher und Borchers (1984, 1987, 1988) sowie zur Wirksamkeit und Einsatzbreite von
Fleck und Steiger (Fleck und Steiger 1983, Fleck et al. 1984) durchgeführt.
Verfahrensgrundlagen
Die Sterilisation mit NTDF ist ein physikalisch-chemisches Verfahren. Wasserdampf
dient zur Erwärmung und Befeuchtung des Sterilisierguts, zur Aktivierung des sterilisierenden
Agens sowie in der Prozessführung mittelbar zur Luftentfernung aus Sterilisierkammer
und Sterilisiergut. Außerdem wird Wasserdampf zur Desorption von FA nach dem Sterilisationsprozess
verwendet.
Der Entlüftungsprozess besitzt bei der Sterilisation mittels Wasserdampf und FA den
gleichen Stellenwert wie bei der Dampfsterilisation. Eine wesentliche Aufgabe des
Dampfs ist der Transport von FA, der am Sterilisiergut mit dem Dampf kondensiert,
sodass sich an den Oberflächen des Guts ein mit FA angereicherter Feuchtfilm als Sterilisiermittel
bildet. Die Prozessführung muss das geringe Penetrations- und Permeationsvermögen
von FA mit technischen Mitteln ausgleichen. Vorteilhaft ist bei der NTDF-Sterilisation,
dass FA während der Sterilisation wirksam wird, ohne wesentlich in Materialien einzudringen.
Da am Sterilisiergut FA-Rückstände verbleiben, muss während der Desorption sichergestellt
werden, dass diese bei der Entladung des Guts so weit reduziert sind, dass die festgelegten
Höchstkonzentrationen von FA in der Umgebung oder in bzw. am Sterilgut nicht überschritten
werden und kein Risiko für Personal und Patienten entsteht.
In TRGS 513 und DIN EN 14180 werden Grenzwerte für Umgebung und Sterilgut vorgegeben.
Zum Schutz der Patienten wird gefordert, dass an einem standardisierten Testmaterial,
das intensiv FA bindet, die Rückstände am Gut keine gesundheitsschädigenden Reaktionen
hervorrufen. Das gilt nach DIN EN 14180 als erfüllt, wenn bei Verwendung von spezifizierten
zellulosehaltigen Filterscheiben mit 70 mm Durchmesser diese im Mittel nicht mehr
als 200 μg (5 μg/cm2) und als Spitzenwert 400 μg (10 μg/cm2) FA-Gehalt aufweisen.
Der im Dampf gelöste FA wird mit dem Dampf aus der Sterilisierkammer, den Verpackungen
sowie dem Sterilisiergut entfernt und im Betriebswasser zur Kondensation gebracht,
sodass keine Formaldehydabgabe an die Raum- oder Außenluft erfolgt. Schwieriger ist
die Entfernung von an Oberflächen angelagerten FA-Rückständen, z. B. als schwerlösliches
Paraformaldehyd. Durch Siedevorgänge kann er jedoch in vertretbaren Zeiten abgebaut
werden. Durch ein fraktioniertes Vakuumverfahren wird durch wiederholten Wechsel von
Dampfkondensation auf dem Gut und anschließende Verdampfung im Vakuum (sog. Dampfwäsche)
erreicht, dass die Rückstände entfernt sind und das Sterilgut nach Abschluss der programmintegrierten
Formaldehyddesorption ohne Nachbehandlungsschritte einsatzfähig ist.
Die Sterilisation bei geringen Temperaturen mit FA-haltigem Wasserdampf ist nur für
thermolabile MP vorzusehen.
Die in Deutschland entwickelten Verfahren arbeiten mit 60 °C. Für Sonderfälle können
auch Programme um 50 bzw. 80 °C angewendet werden.
Die Anforderungen an NTDF-Sterilisatoren sind in DIN EN 14180 beschrieben. Die Sterilisierkammer
als vakuumfester Behälter ist mittels trockener Flächenbeheizung oder mit einem mit
Wasser gefüllten Doppelmantel allseitig zu beheizen. Der Sterilisator meldet Betriebsbereitschaft,
wenn die Sterilisierkammer auf die Sterilisiertemperatur vorgewärmt ist. Die Vakuumanlage
besteht z. B. aus einer Wasserringvakuumpumpe mit Betriebswasserumlaufbehälter mit
einem Dampfkondensator, thermostatisch gesteuertem Kühlwasserzulauf und Abwasserauslass.
Im Sterilisator ist ein Verdampfer mit vorgeschalteter Dosierpumpe integriert, die
die FA-haltige Wirklösung bzw. FA und Wasser für die Sterilisation oder reines Wasser
für die Formaldehyddesorption zuführt. Während des Betriebs können mittels Vakuumpumpe
sowohl Luft als auch direkt das Sterilisiermittel bzw. seine Einzelkomponenten oder
auch reiner Wasserdampf aus der Sterilisierkammer abgesaugt und in den Betriebswasserbehälter
als Kondensat übergeleitet werden. Bei allen Absaugvorgängen durch die Vakuumanlage
gelangen die Komponenten in das Betriebswasser, wo sie gelöst sind bzw. aus dem Behälter
entweichen können. Es treten weder Dampf noch Formaldehyd gasförmig aus dem System
aus. Da bei in dieser Form ausgestatteten Sterilisatoren keine FA-haltige Abluft anfällt,
wird keine Abluftleitung benötigt.
Zur Versorgung der Sterilisierkammer mit Dampf und FA wird der Verdampfer bereits
während der Vorwärmphase der Sterilisierkammer aufgeheizt. Ist nach dem Start das
Vorvakuum in der Sterilisierkammer erreicht, wird je nach System Wasserdampf oder
Wirklösungsdampf in die Kammer eingelassen. Bei einer Sterilisiertemperatur von 60
°C muss sich ein Kammerdruck von 200 mbar absolut einstellen. Ist dieser erreicht,
wird lediglich zur Konstanthaltung der Sterilisationsbedingungen in der Kammer geringfügig
nachdosiert. Hierdurch wird erreicht, dass die Sterilisiertemperatur entsprechend
dem Sättigungszustand in engen Grenzen konstant bleibt. Nach Abschluss der Sterilisierphase
wird mit reinem Wasserdampf die Dampfwäsche durchgeführt.
Der Sterilisationsprozess besteht im Wesentlichen aus 3 Phasen. Während der Konditionierung
erfolgen die Entfernung der Luft und der Transport des Dampfs zur Bildung des Feuchtefilms
an allen Stellen des Sterilisierguts durch Kondensation, der Transport und Konditionierung,
NTDF-Sterilisationdie Verteilung des FA an alle Wirkorte und die Anreicherung des
Feuchtefilms.
Während der Einwirkzeit werden mit vorbestimmten Temperaturen und Dampfdrücken die
FA-Konzentration und der Sättigungszustand des Dampfs und damit die Konstanthaltung
der Feuchte bewirkt. Einwirkzeit:NTDF-SterilisationWährend der Desorption erfolgen
die Entfernung des FA und seiner Rückstände vom Sterilgut sowie die Trocknung. Eine
Nachlüftung schließt sich zur Minimierung von Rückständen bis zur Desorption, NTDF-SterilisationEntnahme
des Guts an.
Entscheidend für die Sicherheit der Sterilisation ist das während der Konditionierung
angewendete Verfahren des FA-Eintrags und der FA-Penetration zu allen Wirkorten mit
folgenden Möglichkeiten, wobei die Art der Luftentfernung variieren kann:
•
Zuführung von Wasserdampf unterschiedlicher Art mit anschließender ein- oder mehrmaliger
Zugabe von FA zum Abschluss der Konditionierung,
•
Zuführung von verdampfter Wirklösung aus einem Vorrats- bzw. über einen Injektionsverdampfer
während der gesamten Konditionierung.
In Deutschland hat sich das fraktionierte Vakuumverfahren durchgesetzt. Seine Besonderheit
liegt in den geringen Druckwechselamplituden. FA wird bereits von Beginn der Konditionierung
dem Dampf in den Fraktionierungsstufen zugegeben. Für besonders thermolabile Sondergüter
beschrieben Steiger und Scheel (1994) ein Verfahren bei 50 °C (123 mbar). Höhere Temperaturen,
jedoch unterhalb der Siedetemperatur bei atmosphärischem Druck, sind in Abhängigkeit
von der Temperaturverträglichkeit besonderer Sterilisiergüter, z. B. zur Reduzierung
der Chargenzeiten, anwendbar.
Die Einwirkzeit:NTDF-SterilisationEinwirkzeit für die Sterilisation beträgt bei den
derzeitigen Verfahren mit 60 °C 60 Minuten. Durch Verfahrensoptimierungen sind noch
kürzere Zeiten zu erwarten.
Die Einwirkzeit wird durch ein kurzes Nachvakuum abgeschlossen. Durch einen mehrfach
wiederholten Wechsel zwischen Dampfzugabe (Kondensation) und Evakuierung (Wiederverdampfung)
wird der erforderliche Siedevorgang zur Lösung der FA-Rückstände auf dem Sterilgut
erzeugt. Nach dem Nachvakuum zur Trocknung erfolgt die Lüftung mit steril filtrierter
Luft. Nach erreichtem Druckausgleich in der Kammer ist der Sterilisationsprozess beendet.
Die Entfernung der FA-Rückstände vom sterilisierten Gut erfolgt so wirkungsvoll, dass
es ohne Nachbehandlung verwendbar ist.
Erfolgt nach Ende des Sterilisationsprozesses die Entnahme nicht innerhalb 30 Minuten,
beginnt automatisch eine Nachlüftung in 30-Minuten-Abständen bis zum Zeitpunkt der
Entladung zur Minimierung geringer Restmengen, die überwiegend von der Verpackung
in die Sterilisierkammer abgegeben werden können.
Betrieb
Gemäß MPG darf die Bedienung nur durch NTDF-Sterilisation:Verfahrensgrundlagen\"\r\"NTDFSterilisationGrundlbesonders
geschultes Personal erfolgen. Beim Betrieb muss die Qualitätssicherung gewährleistet
werden. Die Notwendigkeit der Validierung ergibt sich aus der MPBetreibV (Kap. 2.8.3,
„Vorbereitung und Durchführung der Validierung und Revalidierung“) und aus der Einstufung
der Sterilisation als „spezielles Verfahren“ nach DIN EN ISO 13485. Außerdem muss
beim Betrieb von NTDF-Sterilisatoren die Gefahrstoff-VO eingehalten und ggf. die TRGS
513 berücksichtigt werden.
Der Betrieb von NTDF-NTDF-Sterilisation:GenehmigungSterilisatoren bedarf ggf. der
Erlaubnis durch die zuständige Behörde.
Die Erlaubnis wird nach der neuen Gefahrstoff-VO nicht mehr benötigt für die „Anwendung
von Begasungsmitteln in automatischen, programmgesteuerten Gassterilisatoren im medizinischen
Bereich mit einem Kammervolumen < 1 m3, soweit Tätigkeiten entsprechend einem vom
Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten und vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit veröffentlichten verfahrens- und stoffspezifischen Kriterium (VSK) durchgeführt
werden. Für NTDF-Verfahren liegt VSK V (veröffentlicht in TRGS 513) vor und gilt für
Geräte, die dem Stand der Technik entsprechen (z. B. DIN EN 14180, DIN EN 61010-1
und -2-040, DIN 58948-7). In diesem Fall kann die Notwendigkeit des Nachweises einer
Sachkunde durch einen behördlichen Lehrgang für das Bedienpersonal entfallen, da das
Schutzziel durch den Stand der Technik sichergestellt ist. Im Routinebetrieb sind
NTDF-Sterilisatoren, die der DIN EN 14180 entsprechen, als problemlos anzusehen. Sie
beinhalten vollautomatische Programme, die die Desorption des FA einschließen.
Die zu sterilisierenden MP müssen vor der Sterilisation in eine normengerechte Verpackung
eingebracht und diese verschlossen werden. Das erfordert für die Verpackung
•
Durchlässigkeit für Feuchte (Dampf) und Gas (Luft und FA),
•
Undurchlässigkeit für Mikroorganismen und Viren,
•
Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Belastung im trockenen und feuchten Zustand
während der Fraktionierungsstufen der Sterilisation, der Desorption und der Lagerung,
•
erregerdichte Verschließbarkeit zur Vermeidung der Rekontamination bei der Entnahme
aus dem Sterilisator und der Lagerung,
•
geringe Eigenmasse zur Vermeidung störender Kondensatbildung während der Sterilisation
und der damit verbundenen Bindung von FA,
•
geringes Ad- und Absorptionsvermögen für FA zur Minimierung der FA-Rückstände.
Für die FA-Sterilisation eignet sich die Klarsicht-Sterilisierverpackung nach DIN
EN 868-5, eine Verbundverpackung aus Sterilisationspapier und durchsichtiger Polyamidfolie
bzw. eine entsprechende Verpackung, bei der anstelle von Sterilisationspapier Tyvek,
ein Polyethylenvlies, verwendet wird.
Das Material eignet sich auch als Doppelverpackung. Bei der Auswahl der Verpackungsmaße
sind Breite und Länge ausreichend zu wählen, insbesondere wenn das Gut größere Hohlräume
innerhalb der Verpackung entstehen lässt. Der wiederholte Luft- und Dampfaustausch
führt zu erheblicher Belastung der geschlossenen Verpackung. Eine Minderung ist zu
erreichen, wenn die durchlässigen Flächen ausreichend groß bemessen werden.
Reine Papierverpackungen in Beutel und Bogenform sowie Container sind nicht geeignet.
Papier bindet intensiv FA. In Metallcontainern entsteht massenabhängig Kondensat,
das unerwünscht FA bindet; ausgenommen sind kleine Behälter aus Metall und Kunststoff,
die als leichte Schutzkästen für empfindliche Objekte verwendet werden. Hierbei handelt
es sich jedoch meist nicht um eigentliche Sterilisier-, sondern um Schutzverpackungen,
die zusätzlich mit Klarsichtsterilisierverpackungen zu umhüllen sind.
Textilien und Folienschläuche sind als Verpackungsmaterial für die Formaldehydsterilisation
ungeeignet.
Bei der Beladung müssen die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Sterilisation,
die Entstehung von Kondensat und eine Sättigungsfeuchte aufrechterhalten werden. Hierbeigeht
es um die Bildung NTDF-Sterilisator, Beladungeines Feuchtefilms. Das entstehende Kondensat
und seine Wiederverdampfung am Gut dienen beim fraktionierten Vakuumverfahren der
Entlüftung und Dampfdurchdringung des Guts, insofern auch dem Transport des FA an
alle Wirkorte, z. B. in enge Spalten oder Lumen von Schlauchsystemen. Wie bei der
Verpackung des Sterilisierguts muss auch bei der Beladung der Sterilisierkammer beachtet
werden, dass der Kondensatanfall gering gehalten und das Entstehen von Kondensatpfützen,
z. B. durch horizontale Flächen oder durch nach oben offene Hohlräume, vermieden wird.
In solchen Ansammlungen werden reichlich FA gebunden und die spätere Desorption erschwert.
Daher sind bei Beladung und Betrieb die Angaben des Herstellers und der DIN 58948-7
zu berücksichtigen.
Die Freigabe des Sterilguts ist in zwei Abschnitte zu unterteilen. TRGS 513 fordert
eine Freigabeprüfung aus Arbeitsschutzgründen. Vor der Entnahme des Guts ist zu prüfen,
ob die NTDF-Sterilisation:SterilgutfreigabeEntfernung des FA ausreichend erfolgt ist.
Da die zur Desorption verwendete Dampfwäsche ein physikalischer Vorgang ist, gilt
die Kontrolle des Prozessverlaufs als geeignetes Prüfmittel. Hierzu wird der vom Gerät
registrierte Druck- und Temperaturverlauf ausgewertet und geprüft, ob er mit der vom
Gerätehersteller spezifizierten oder dem bei der Validierung ermittelten Verlauf übereinstimmt.
Ähnlich erfolgt die Freigabeprüfung des Sterilguts anhand der Aufzeichnung des Geräteschreibers
des Druck- und Temperaturverlaufs während der Entlüftungs-, Durchdampfungsphase und
Einwirkzeit und anhand des Vergleichs mit der Spezifikation des Herstellers oder der
Validierung.
Das Sterilgut kann nach Entnahme aus dem Sterilisator und Sichtkontrolle ins Sterilgutlager
weitergeleitet oder umgehend verwendet werden. Die Freigabeentscheidungen müssen dokumentiert
werden. Bei nicht erfolgter Freigabe ist die Verweigerung schriftlich zu begründen.NTDF-Sterilisation:Betrieb\"\r\"NTDFSterilisationBetrieb
Prüfung und Validierung
Grundsätzlich ist zwischen der Prüfung der Leistung der Sterilisatoren und der Prüfung
der Wirksamkeit der Sterilisation zu unterscheiden. Zur Beurteilung der Sterilisationsleistung
wird die Validierung durch MPG und MEDBetreibV vorgegeben. Die Anforderungen an die
Validierung von NTDF-Prozessen sind in DIN EN 15424 bzw. im Normenentwurf DIN EN ISO
25424 beschrieben.
Die Validierung beinhaltet Abnahme-, Funktions- und Leistungsbeurteilung des Sterilisationsprozesses
unter Einbeziehung der Einflüsse, die von den zu sterilisierenden Gütern, ihrer Verpackung
und der jeweils üblichen Beladung der Sterilisatoren ausgehen.
Aufgrund der physikalisch-technischen Nähe des NTDF-Verfahrens zur Dampfsterilisation
nach dem fraktionierten Vakuumverfahren erfolgen die Prüfung von Sterilisatoren und
die Leistungsbeurteilung der Sterilisation in gleicher Art durch Messungen und Aufzeichnung
der physikalischen Verfahrensparameter.
Im Routinebetrieb ist es ausreichend, anhand der Prozessaufzeichnungen die vom Hersteller
spezifizierten Werte für Kammerdruck, Kammertemperatur und Druckverlauf, bestätigt
durch die Validierung, während des Prozessablaufs zu überprüfen und bei Einhaltung
das Gut freizugeben.
Der Verlauf der Prozesswerte gibt u. a. Aufschluss über die Qualität der Entlüftung
und Dampfdurchdringung der Kammer und der Güter in ihrer Sterilisierverpackung mit
FA-haltigem Wasserdampf. Sie kann, soweit erforderlich, durch mikrobiologische Prüfungen
und die Beurteilung der FA-Konzentration im Wasserdampf ergänzt werden.
DIN 58948-7 gibt vor, dass bei Einsatz von Bioindikatoren solche nach DIN EN ISO 11138-5
in einem Prüfkörper nach DIN EN 867-5 Hollow Load einzubringen sind (Abb. 2.14
).
Abb. 2.14
Prüfkörper nach DIN EN 867-5.
Die Prüfkörper sind repräsentativ für durch FA schwer zu sterilisierende Objekte und
bestehen aus einem 1.500 mm langen Schlauch mit 2 mm Innendurchmesser, der einseitig
mit einer Kapsel zur Aufnahme des Bioindikators verschlossen wird. Das System ist
als repräsentativ für einen durchgängigen Schlauch mit doppelter Länge anzusehen.
Der Einsatz von Bioindikatoren in Kombination mit repräsentativen Prüfkörpern sollte
bei Revalidierungen oder „erneuten Leistungsbeurteilungen“ vorgesehen werden.
Die laufende Überprüfung der FA-Konzentration in der Sterilisierkammer erübrigt sich,
wenn sich in Abhängigkeit des Verdampfungsverfahrens zur Konditionierung die gleiche
FA-Konzentration im Dampf einstellt, wie sie durch die zu verdampfende Wirklösung
vorgegeben ist.
Außer der Prüfung der sterilisierenden Wirksamkeit muss die Wirksamkeit der Entfernung
von FA-Rückständen überprüft werden.
Zur Validierung der Desorption und zum Prozedere der Prüfdurchführung enthalten die
DIN EN 14180 und 15424 Vorgaben.
2.8.5
Ethylenoxid(EO)-Sterilisation
Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-Sterilisation\t\"Siehe NTDF-Sterilisation EO ist
ein außerordentlich reaktionsfähiges Alkylierungsmittel. Der Siedepunkt liegt bei
11 °C, was bedeutet, dass EO bei Normaldruck und Raumtemperatur gasförmig vorkommt.
Die Technische Richtkonzentration (TRK) ist auf 1 ppm festgesetzt.
Sein EthylenoxidGeruch ist angenehm etherisch-aromatisch. Infolge der Geruchsschwelle
von 700 ppm ist EO erst bei Konzentrationen weit über dem gesetzlich festgelegten
Grenzwert wahrnehmbar.
EO ist hochtoxisch, im Tierversuch kanzerogen und als wahrscheinliches Humankarzinogen
eingestuft.
Intoxikationssymptome reichen von Schleimhautreizungen, Kopfschmerz über Übelkeit
und Erbrechen bis zur Bewusstlosigkeit. EO ist brennbar und als Gemisch mit Luft explosiv.
Es kann bei Ethylenoxid:Intoxikationkatalytischer Einwirkung insbesondere von Säuren
und Laugen polymerisieren; hierbei kann es zu stark exothermen Reaktionen kommen.
Moderne EO-Sterilisatoren werden mit nicht zündfähigen Gasgemischen betrieben und
entsprechen dem Minimierungsgebot des Bundeschemikaliengesetzes. Durch Zusatz von
Inertgasen, z. B. CO2 oder Stickstoff, kann die Polymerisations- bzw. Zündfähigkeit
herabgesetzt bzw. vermieden werden. So sind Gemische von 6 % EO und 94 % CO2 unter
Normaldruck nicht zündfähig.
EO verfügt über starkes Penetrationsvermögen, sodass eine sichere Sterilisation auch
bei mikroskopischen Rissen in Oberflächen von Kunststoffteilen (crazing effect) gewährleistet
ist.
Verfahrensgrundlagen
Das starke Penetrationsvermögen von EO gewährleistet, dass auch im Innern des Sterilisierguts
EO vorhanden ist und zurückgehalten werden kann. Eine nachgeschaltete zwangsverriegelte
Desorption, die dem vollautomatischen Sterilisationsprozess folgt, garantiert die
Entfernung des Sterilisationsgases entsprechend den Auflagen der DIN EN ISO 10993-7.
Die Verfahrensparameter bei der EO-Sterilisation sind Konzentration, Temperatur, Einwirkzeit,
Druck und Feuchte des Sterilisierguts.
Bei Verfahren nach Stand der Technik liegen die Konzentrationen des Wirkgases zwischen
250 und 1.200 mg/l. Bei speziellen Programmen für besondere MP können Sterilisationstemperaturen
zwischen 28 und 55 °C gefahren werden.
Der Sterilisationsdruck liegt zwischen 1,2 und 5,5 bar Überdruck. Die Einwirkzeiten
können je nach Produkt und Verpackung zwischen 90 und 240 Minuten liegen. In der Sterilisationskammer
kann die relative Feuchte zwischen 30 und 90 % Einwirkzeit:Ethylenoxid-Sterilisationvorgewählt
werden. Eine Online-Messung übernimmt die Kontrolle des dynamisierenden Befeuchtungsprozesses.
Das Sterilisationsgas für Verfahren im Überdruck wird als geprüfte, fertige Mischung
in Druckgasflaschen angeboten. Für den Betrieb von Unterdruckverfahren stehen Kartuschensysteme
zur Verfügung.
Bei der EO-Sterilisation reagiert EO irreversibel mit endständigen funktionellen Eiweißgruppen
(Carboxyl-, Amino-, Hydroxyl- und Sulfhydrylgruppen). Für die Alkylierung ist die
Ionisierung der endständigen Wasserstoffatome, die nur bei entsprechender Feuchte
des Sterilguts gegeben ist, Voraussetzung. Mit zunehmender Feuchtigkeit sinkt die
Resistenz der abzutötenden Mikroorganismen. Mikroorganismen, die in Verunreinigungen,
z. B. Salzkristalle, eingeschlossen sind, lassen sich durch intensive Befeuchtung,
die auch Kristallisierungen oder Inkrustationen löst, zuverlässig sterilisieren. Die
Befeuchtung soll nach amerikanischen Angaben zwischen 3 und maximal 60 % relative
Feuchte (RF) liegen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass bei Vorliegen von Verunreinigungen
eine Befeuchtung von > 80 % RF notwendig ist (Adam 1973). Die amerikanischen Angaben
lassen sich nur durch die früheren relativ langen Einwirkzeiten bei der EO-Sterilisation
erklären, bei denen infolge hydrolytischer Spaltung des EO zu Glykol ein starker Konzentrationsabfall
bei hoher relativer Feuchte gegeben war.
Zur ausreichenden Befeuchtung des Sterilisierguts müssen die Geräte über ein leistungsfähiges
Evakuierungssystem (Wasserringpumpe) verfügen, wobei im Vakuum Wasserdampf erzeugt
wird. Zur Restluftverdrängung dient eine Fraktionierung oder Durchströmung der Kammer
mit Dampf. Durch gleichmäßige Beheizung der Kammerwände und Türen wird eine Kondensation
des Dampfs bzw. eine Abkühlung des Wirkgases vermieden. Eine Vorwärmung bzw. Vergasung
gewährleistet, dass das Wirkgas mit der Sterilisiertemperatur in die Kammer eintritt
und während des Prozessverlaufs entsprechend dem validierten Programm gehalten wird.
Durch ein alternatives Spülsystem mit steriler Luft und wiederholter Evakuierung müssen
nach der Sterilisation das Gas aus Kammer und Verpackung sowie die im Material zurückgehaltenen
Rückstände entfernt werden. Diese zwangsverriegelten Programmschritte dürfen erst
beendet werden, wenn sichergestellt ist, dass Mensch und Umwelt nicht gefährdet werden.
Die Regelung gewährleistet die Einhaltung der sterilisationsrelevanten Parameter und
die Überprüfung der Dokumentation per Datenfernübertragung.
Zur Entsorgung des Sterilisiergases stehen verschiedene Systeme zur Wahl, die die
Auflagen der Technischen Anleitung (TA) Luft erfüllen.
Die Sterilisation mit EO ist auf thermolabile Objekte zu beschränken.
Aufgrund des Diffusionsverhaltens von EO ergeben sich die folgenden Verfahrensschritte:
•
Prüfung der Verfügbarkeit der notwendigen Medien (Stromversorgung, Gasvorrat, Druckluft,Ethylenoxid-Sterilisation:Sterlisiergut
Wasser),
•
Kammerdichtigkeitsprüfungen (Unterdruck, Überdruck),
•
Aufheizen der Befeuchtungs- und Vergasungseinrichtungen sowie der Sterilisationskammer
auf Betriebstemperaturen,
•
vollautomatische, dynamisierende Befeuchtung des Sterilisierguts entsprechend der
vorgewählten relativen Feuchte,
•
Gaseinlass über Wärmetauscher und Druckreduzierung bis zum gewählten Sterilisationsdruck,
•
fortlaufende Überwachung der im validierten Prozess festgelegten Parameter während
der Expositionszeit,
•
Gasablass über Entsorgungssysteme mit anschließendem Nachvakuum und Luftspülung,
•
Vergleich der Dokumentation zum validierten Prozess und Freigabe.
Die MP müssen nach der Expositionszeit desorbiert werden. Bei modernen Verfahren können
sie oft schon unmittelbar nach der Entnahme aus dem Sterilisator zur Anwendung freigegeben
werden, wenn keine unzulässigen Abweichungen bei der Kontrolle der Dokumentation zum
validierten Prozess festgestellt werden. Bei nicht einwandfreier Auslüftung sind Reizungen
oder Verätzungen des mit den betreffenden Materialien in Kontakt befindlichen Gewebes
zu befürchten. Bei Kontakt mit Blut kann es zur Hämolyse kommen. Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass EO ein wahrscheinliches Humankarzinogen ist. In der DIN EN ISO
10993-7 werden über die Anwendung der MP in Kurzzeit-, Langzeit- und Daueranwendung
genaue Angaben gemacht. Das ist bei der Validierung im Hinblick auf die Desorptionszeiten
zu beachten.
Betrieb
Ethylenoxid-Sterilisation:Verfahrensgrundlage\"\r\"EOSterilisationVerfGrundl
Grundlage ist die geltende Ethylenoxid-Sterilisation:ErlaubnisErlaubnis der zuständigen
Behörde für den Betrieb eines vollautomatischen EO-Niedertemperatursterilisators nach
TRGS 513.
Die gesetzlichen Bestimmungen für die EO-Sterilisation basieren Ethylenoxid-Sterilisation:Betriebim
Wesentlichen auf dem Chemikaliengesetz, spezifiziert durch die Gefahrstoff-VO und
weitergehend durch die TRGS 513, die sowohl für Ethylenoxid-Sterilisation:gesetzliche
BestimmungenSterilisatoren mit einem Nutzraum bis zu 1.000 l als auch für größere
Anlagen der industriellen Nutzung gültig ist.
Der Betreiber muss über eine ausreichende Anzahl an Befähigungsscheininhabern verfügen.
Ein Befähigungsscheininhaber muss vom Betreiber als Leiter (Sterilisationsleiter)
benannt werden.
Ihm obliegt die Verantwortung für den Betrieb des Sterilisators und die Einhaltung
der Vorschriften. Über die Sterilisation ist Buch zu führen. Es ist zwingend erforderlich,
dass der Begasungsleiter während der wesentlichen Arbeitsschritte anwesend ist.
Im Aufstellraum des Sterilisators und ggf. im Raum der Sterilgutentnahme müssen die
Auflagen der TRGS und der Arbeitsstätten-VO eingehalten werden.
Wartungsarbeiten, Reparaturen sowie wesentliche Änderungen dürfen nur durch den Hersteller
bzw. von ihm bevollmächtigte Personen durchgeführt werden. Die Sterilisatoren sind
in einjährigem Abstand durch einen Sachkundigen sicherheitstechnisch zu überprüfen.
Es sind nur geprüfte Verpackungsmaterialien (nach DIN EN 868-7/8) zu wählen, die sich
bei der Validierung der Produkte und Prozesse als geeignet erwiesen haben. Geeignet
sind in modernen Geräten auch geprüfte Containersysteme.
Bei weichen Verpackungssystemen besteht eine Seite aus porösem Material, z. B. Papier,
über das vorwiegend der Gas-, Sterilluft- und Wasserdampfaustausch erfolgt.
Aus hygienischer Sicht ist es empfehlenswert, das Sterilgut doppelt zu verpacken.
Die doppelte Verpackung stellt bei leistungsfähigen Gassterilisatoren kein Hindernis
für die Sicherheit der Sterilisation oder Desorption dar. Bei der doppelten Verpackung
ist darauf zu achten, dass Papier auf Papier und Folie auf Folie zu liegen kommen,
damit sichtbar ist, welcher Gegenstand sich in der jeweiligen Verpackung befindet.
Die Lagerfähigkeit sterilisierter MP wird in den Hygieneplänen beschrieben.
Die Beladung erfolgt nach den bei der Validierung festgelegten Beladungsmustern. Für
moderne Verfahren sind diese Vorgaben für Sterilität und Desorptionserfolg ohne Bedeutung.
Prüfung, Freigabe und Validierung
Ethylenoxid-Sterilisator, Beladung
EO-Ethylenoxid-Sterilisation:PrüfungSterilisationsprozesse müssen nach Aufstellung
gemäß DIN EN ISO 11135-1 validiert werden.
Zur Prüfung gehört auch ein Leistungsnachweis mit provozierenden Prüfkörpern nach
DIN EN 1422 Anhang F. Die Sterilisationskammern von EO-Sterilisatoren, die im Überdruck
arbeiten, unterliegen der Druckbehälter-VO und sind prüfpflichtig. Die regelmäßige
mikrobiologische Überprüfung obliegt dem Verantwortungsbereich des Betreibers.
Ein vorzeitiges Öffnen der Sterilisationskammer muss durch Zwangsverriegelung verhindert
werden, damit sichergestellt ist, dass beim Öffnen des Sterilisators die Grenzwerte
eingehalten werden.
Die Ethylenoxid-Sterilisation:SterilgutfreigabeFreigabe des Sterilguts, die in der
Verantwortung des Sterilisationsleiters liegt, darf erst erfolgen, wenn sichergestellt
ist, dass die Dokumentation dem validierten Prozess entspricht und alle sterilisationsrelevanten
Parameter zur parametrischen Freigabe aufgezeichnet sind.
Die Validierung wird vom Gerätehersteller in Zusammenarbeit mit einem akkreditierten
Labor angeboten und zur Begutachtung einer Benannten Stelle vorgelegt. Aufgrund des
Ethylenoxid-Sterilisation:ValidierungErgebnisses erfolgt die Zulassung zur Sterilisation
und Freigabe von MP.
2.8.6
Wasserstoffperoxidgas-Sterilisation
Durch die Entwicklung neuer Werkstoffe für Ethylenoxid-Sterilisation\"\r\"EOSterilisationMP
und auf der Suche nach Möglichkeiten, bei niedrigen Temperaturen eine schadstoffarme
Sterilisation durchführen zu können, wurde das Wasserstoffperoxidgas-Sterilisationsverfahren
entwickelt.
Verfahrensgrundlage
Wirkprinzip der sog. Niedertemperatur-H2O2-Gasplasma-Technologie ist die Anwendung
von H2O2-Gas als Sterilisiermittel bei einer Kammerwandtemperatur von ca. 45 °C und
dazugehörigem Kammerdruck zwischen 6 und ca. 10 Torr (7,8–13 mbar). Gegebenenfalls
wird nach der Einwirkzeit ein durch ein hochfrequentes Elektromagnetfeld erzeugtes
Plasma zur Entfernung des noch verbliebenen H2O2-Gases benutzt.
Auf frei liegenden glatten Keimträgern konnte für B. pumilus, B. athrophaeus, G. stearothermophilus,
M. terrae und A.
Wasserstoffperoxid-Sterilisation:Verfahrensgrundlage
niger als resistenteste Testorganismen gemäß DIN EN ISO 14937 ein sicherer Sterilisationserfolg
nachgewiesen werden (Peters und Borchers 1995). Die Verpackungen Tyvek-Folienschlauch,
Zellophan oder die Phiole beim Cycle-shure-Bioindikator stellten kein bedeutendes
Hindernis für die Sterilisation dar. Für G. stearothermophilis als resistentestem
Testorganismus konnte Pflug (1999) unter den zur Anwendung gelangenden Sterilisationsbedingungen
(3–9 Torr, 50 °C, H2O2-Konzentration 1,4–6,0 mg/l) in einem speziellen Resistometer
und bei freien, glatten Oberflächen je nach Sterilisiermittelkonzentration D-Werte
zwischen 2,4 und 37 s nachweisen.
Vom Hersteller ist die Materialkompatibilität des H2O2 für alle gängigen bei MP verwendeten
Materialien nachzuweisen. Die Wirksamkeit des Sterilisiermittels unter realen Prozessbedingungen
konnte auf freien Oberflächen sicher nachgewiesen werden. Die Abtötungsgeschwindigkeit
variiert stark in Abhängigkeit von den Materialien der MP.
Die auf dem Markt befindlichen Geräte benötigen lediglich eine geeignete Netzstromversorgung.
Das Sterilisiermittel wird konfektioniert bereitgestellt.
Voraussetzung für die Wirksamkeit des Sterilisiermittels ist, dass die MP trocken
sind und sich in hydrophober Verpackung befinden. Die gereinigten, desinfizierten
und trockenen Güter werden in spezifizierter Verpackung im Nutzraum des Geräts platziert.
Der Prozess läuft z. B. bei plasmaunterstützten Verfahren in folgenden Teilschritten
ab:
•
erste Vakuumphase zur weiteren Trocknung der Güter,
•
zweite Vakuumphase zum Unterschreiten der Verdampfungstemperatur des Sterilisiermittels,
•
einmaliges Verdampfen von H2O2/H2O aus einer Ampulle in den Nutzraum (H2O2-Anteil
59 %),
•
Diffusionsphase mit Verteilung des H2O2-Dampfs in der Kammer, an Oberflächen und in
die Hohlräume des Sterilisierguts,
•
erneutes Evakuieren und Erzeugung eines Hochfrequenzmagnetfelds zwischen Kammerwand
und dem in geringer Entfernung dazu positionierten Anodengitter.
Dann wiederholen sich die Schritte ab zweite Vakuumphase in einem zweiten Zyklus.
Durch veränderte Technologie wird in neueren Gerätetypen der Wirkstoff angereichert,
um Wirksamkeit und Penetration zu verbessern.
Betrieb
Die Gerätehersteller liefern dem Anwender das konfektionierte Sterilisiermittel, das
im Prozessverlauf automatisch der Sterilisierkammer zugeführt wird.
Der Anwendungsbereich wird in folgender Weise eingeschränkt:
•
Nur MP mit leicht zugänglicher Oberfläche sind sicher sterilisierbar. Bei komplexen
Hohlkörpern gibt es hinsichtlich des Eindringens des Sterilisiermittels Einschränkungen,
die der Hersteller benennt.
•
Um längere Lumina sterilisieren zu können, werden u. U. sog. Booster (konnektierbare
zusätzliche Ampullen mit dem Sterilisiermittel) vor dem eigentlichen Sterilisationsprozess
eingesetzt. Das stellt einen veränderten Prozess im Sinne der Validierung dar und
muss separat betrachtet werden.
•
Geringe Blutmengen und Salzkristalle setzen die Wirksamkeit stark herab, sodass MP
vor der Sterilisation besonders sorgfältig aufbereitet werden müssen.
•
Bei Metallabschirmung ist die Wirksamkeit stark eingeschränkt. Ein PCD aus Metall
ist ein fast absolutes Hindernis für die Abtötung, da Kondensationsprozesse die Penetration
des Sterilisiermittels behindern.
Wegen des Vorhandenseins von gasförmigem H2O2 sind folgende Sterilisiergüter nicht
sterilisierbar:
•
flüssige und pulverförmige Stoffe,
•
Textilien,
•
zellulosehaltige Materialien wie Tupfer,
•
sehr lange, blind endende Hohlkörper,
•
Sterilisiergut in Metallcontainern.
Für die Praxis Wasserstoffperoxid-Sterilisation:Betriebist zu fordern, dass die für
das Verfahren zulässigen Konfigurationen der MP definiert und bei zu erwartenden Diffusionsverzögerungen
vor allem in Hohlkörpern die Grenzen durch den Hersteller genau benannt werden. Der
jeweilige MP-Hersteller muss ebenfalls angeben, ob und unter welchen Voraussetzungen
sein Produkt mit diesem Verfahren sterilisiert werden kann. Zur weiteren Verfahrensoptimierung
sollte die Penetration des Sterilisiermittels an alle inneren und äußeren Oberflächen
verbessert werden.
Als Verpackungsmaterial können nur nicht metallhaltige, hydrophobe Materialien verwendet
werden. Normalerweise wird Tyvek-Folie bzw. Polyprolylen-Vlies verwendet. Es dürfen
keine zellulosehaltigen Verpackungen eingesetzt werden. In Tyvek-Folie verpackte MP
werden in offenen Kunststoffkästen in die Kammer eingebracht. Die Anforderungen an
Anordnung und Beladungsdichte in Siebkorb und Kammer entsprechen im Wesentlichen denen
anderer Sterilisationsverfahren. Zusätzliche Hinweise sind den Herstellerangaben zu
entnehmen.
Da die Prozessführung automatisch abläuft und redundant überwacht wird, muss davon
ausgegangen werden, dass bei Ablauf des Sterilisationsprozesses ohne Störung die Sterilisation
ordnungsgemäß erfolgt ist. Danach kann das Sterilgut freigegeben werden. Der Geräteausdruck
ist der Dokumentation beizufügen.
Prüfung und Validierung
Bezüglich der Validierbarkeit ist festzustellen, dass oft die Hersteller der Wasserstoffperoxid-Sterilisation:PrüfungSterilisatoren
firmeneigene mikrobiologische Validierungen in Verbindung mit der Wasserstoffperoxid-Sterilisation:ValidierungTestung
von physikalischen Rahmenbedingungen anbieten. Die Wirksamkeit der Prozessführung
ohne Booster wird anhand eines selbst entwickelten Prüfkörpers nachgewiesen. Ein direkter
Nachweis am jeweiligen konkreten MP unter Praxisbedingungen (Performance Qualification)
erfolgt nicht, d. h., der Nachweis, dass vor allem an den inneren Oberflächen der
MP in jedem Fall die physikalischen Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Gasphase
des Sterilisiermittels eingehalten werden, ist derzeit noch nicht gegeben.
Die Vorteile der H2O2-Gas-Sterilisation, wie Geschwindigkeit, Rückstandsarmut, Einfachheit
für den Anwender, können zurzeit im medizinischen Alltag nur eingeschränkt genutzt
werden. Eine Verbesserung des Penetrationsverhaltens des Sterilisiermittels und der
Penetrationsbedingungen im Sterilisationsprozess würden eine Überschreitung der o.
a. Grenzen des Verfahrens möglich machen. Durch veränderte Prozessführung, geeignete,
vereinbarte Anweisungen und technische Hilfsmittel (insbes. solche zur rückstandsfreien
Vorreinigung der Güter und zur Verfahrensvalidierung) dürfte es möglich werden, das
Verfahren weiterzuentwickeln.
2.8.7
Sterilisation mit trockener Hitze (Heißluftsterilisation)
Wasserstoffperoxid-Sterilisation\""\r""H2O2Sterilisation Während bei Dampfsterilisationsverfahren
den Mikroorganismen durch Kondensation Feuchte Sterilisation:trockene Hitze"\t""Siehe
Heißluftsterilisationzugeführt wird, trocknet man bei der Sterilisation mit trockener
Hitze die Mikroorganismen während der Erwärmung aus und zerstört die Strukturen.
Die Resistenz gegen trockene Hitze ist wesentlich höher als gegen feuchte Hitze.
Dabei ist es besonders wichtig, dass die Sterilisiertemperatur während der Einwirkzeit
an allen Stellen im Gut gegeben sein muss (Abb. 2.15
).
Abb. 2.15
Absterbekurven von Bioindikatoren in Dampf und Heißluft.
Weil trockene Luft eine geringere Wärmekapazität als gesättigter Wasserdampf besitzt,
ist sie ein schlechter Wärmeleiter und es sind längere Ausgleichszeiten erforderlich
(Abb. 2.16
). Diese sollten aber nicht zu groß sein, da sich sonst Resistenzverschiebungen ergeben,
die erhebliche Auswirkungen auf die Tötungswirkung (D-Wert-Verschiebung) haben können.
Schon Lewith (1890) wies die Abhängigkeit der Denaturierung vom Wassergehalt des Hühnereiweißes
nach.
Abb. 2.16
Schematische Darstellung der Chargenzeit bei Heißluftsterilisation:ChargenzeitHeißluftsterilisation
\
(die Ausgleichszeit kann wesentlich länger dauern als dargestellt; nach Steuer und
Lutz-Dettinger 1990).
Während man bei Dampfsterilisationsverfahren davon ausgehen kann, dass nach ausreichender
Entlüftung und Einbrin gen von inertgasfreiem Sattdampf in der Sterilisierkammer überall
dieselbe Temperatur vorherrscht, ist in einem Heißluftsterilisator die Temperatur
nicht homogen verteilt. Aus diesem Grund setzt man mechanische Einrichtungen (Lüfter)
bei der Sterilisation mit trockener Hitze ein, die eine gerichtete Luftbewegung oder
wenigstens Durchwirbelung der Luft im Nutzraum ermöglichen (Zwangskonvektion). Das
Temperaturgefälle folgt der Richtung des Luftstroms. Es ist abhängig von der Konstruktion
des Apparats, aber auch von der Anordnung des Guts im Sterilisationsgerät. Daher können
beträchtliche Temperaturunterschiede innerhalb des Guts auftreten.
Die Wärmeleitfähigkeit des Guts (Verpackung, MP) übt einen besonderen Einfluss auf
Temperaturverteilung und Temperaturausgleich aus. Der Messort für die Temperaturmessung
zur Steuerung und Regelung der Heizung und zur Anzeige soll an der kritischen Stelle
der Sterilisatorkammer sein. Da die Beladung erheblichen Einfluss auf die Temperaturverteilung
in der Kammer hat, ist dieser Messort unter Worst-case-Bedingungen durch den Hersteller
festzulegen (ISO 20857). Damit soll sichergestellt werden, dass in den jeweiligen
Geräten für den entsprechenden Einsatzweck die Sterilisierbedingungen auch an kritischen
Orten eingehalten werden können.
Haupteinsatzgebiet für Heißluftsterilisation:EinsatzgebietHeißluftsterilisatoren ist
die Sterilisation von Glaswaren z. B. im Laborbereich und in der Apotheke.
Häufig findet man noch den Einsatz derartiger Sterilisationsverfahren im Bereich niedergelassener
Ärzte und Zahnärzte sowie in der Ophthalmologie.
Verfahrensgrundlage
Bei der Heißluftsterilisation kommt es infolge der Einwirkung hoher Temperaturen auf
die Mikroorganismen zur Denaturierung der Proteine mit irreversibler Schädigung von
Zellmembran und DNA, was eine Abtötung zur Folge hat. Als resistentester Mikroorganismus
hat sich B. atropheus erwiesen. Seine Absterbekinetik führt zu einem mathematischen
Berechnungsmodell für das Erreichen der Sterilisiersicherheit aufgrund des Temperatur-Zeit-Verlaufs.
Die Sterilisation erfolgt üblicherweise mit einer Temperatur von 180 °C und einer
Abtötungszeit von 30 Minuten (Extrembereiche 160 °C/200 Minuten bzw. 200 °C/4,5 Minuten).
Bei Temperaturen > 200 °C (Kap. 2.8.10) werden auch Pyrogene zerstört. Deshalb wird
dieses Verfahren auch zur Entpyrogenisierung hitzebeständiger Materialien z. B. im
pharmazeutischen Bereich eingesetzt.
Voraussetzung für die Wirksamkeit des Sterilisiermittels ist, dass die MP gereinigt,
desinfiziert, trocken und sicher verpackt im Nutzraum des Geräts platziert werden.
Es ist darauf zu achten, dass die Güter in der Sterilisierkammer von der heißen Luft
möglichst vollständig umströmt werden können. Die Beladungsvorschriften des Herstellers
sind zu beachten. Eine sichere, erregerdichte Verpackung ermöglicht die Lagerfähigkeit.
Die heute im Einsatz befindlichen Heißluftsterilisatoren sind i. d. R. elektrisch
beheizte, gut wärmeisolierte Geräte. Das Nutzvolumen reicht bis zu 250 l. Darüber
hinaus gibt es industrielle Anwendungen mit sehr viel größeren Kammervolumina bis
hin zu Tunnelöfen z. B. zur Vorbereitung von Glasgefäßen für die sterile Abfüllung.
Die jeweiligen Sterilisationsprozessabläufe setzen sich zusammen aus
•
Erwärmungszeit = Zeitspanne von Beginn der Wärmezufuhr bis zum Erreichen der Betriebstemperatur
an der Messstelle des Geräts,
•
Sterilisierzeit:
Erwärmungszeit, Heißluftsterilisation
–
Ausgleichszeit = Zeitspanne zwischen Erreichen der Sterilisierzeit:HeißluftsterilisationBetriebstemperatur
an der Messstelle des Geräts und Erreichen der Sterilisiertemperatur an allen Stellen
des Ausgleichszeit, HeißluftsterilisationSterilisierguts (Abb. 2.16),
–
Abtötungszeit = Zeitspanne, in der bei der jeweiligen Sterilisiertemperatur die resistentesten
Keime abgetötet werden unter Berücksichtigung der Ausgangsbelastung,
•
Abtötungszeit, Heißluftsterilisation
Abkühlzeit = Zeitspanne vom Abstellen der Energiezufuhr nach beendeter Sterilisierzeit
bis zum Abfall der Temperatur auf 80 °C am Thermometer.Abkühlzeit, Heißluftsterilisation
Betrieb
Es ist empfehlenswert, bei der Typprüfung durch Heißluftsterilisation:Verfahrensgrundlagethermoelektrische
Messungen für anwenderbezogene Referenzbeladungen (z. B. Fußpflegeset, Glasbeladung)
die erforderliche Sterilisierzeit zu ermitteln.
Die für die Sterilisation benötigten hohen Temperaturen bedingen, dass man nur Gegenstände
mit diesem Verfahren sterilisieren kann, die bei ca. 200 °C nicht geschädigt werden.
Eine Sicherheitsspanne von 20 °C über der üblichen Sterilisationstemperatur von 180
°C ist nötig, weil bei derzeit im Betrieb befindlichen Geräten bei dem Verfahren auftretende
Übertemperaturen auftreten können.
Die Verpackung der zu sterilisierenden Materialien muss den Wärmeübergang aus der
Luft der Sterilisierkammer an alle zu sterilisierenden inneren und äußeren Oberflächen
gewährleisten und den jeweiligen Sterilisiertemperaturen standhalten. Folglich sind
Tücher und Papier ungeeignet. Verpackungen für die Heißluftsterilisation müssen den
durch die Wärmeausdehnung der Materialien entstehenden Verformungen bzw. Ausdehnungen
standhalten. Die Luft dehnt sich in diesem Temperaturbereich > 50 % gegenüber Raumtemperatur
aus und zieht sich beim Abkühlen entsprechend zusammen. Starre Behälter müssen hitzebeständige
Filter haben.
Behälter aus Metall, besonders aus Aluminium, mit geeigneten Filtern sind die Verpackung
der Wahl.
Edelstahl ist weniger günstig, da er eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Aluminium
besitzt. Beim Einsatz von Filtersystemen ist darauf zu achten, dass die starke Wärmeausdehnung
nicht zu Undichtigkeiten der Behälter führt, die die Sterilität beeinträchtigen.
Eine weitere Möglichkeit zur erregerdichten Verpackung von MP bilden wärmebeständige
Folienverpackungen. Hier ist darauf zu achten, dass das jeweilige Folienschweißgerät
an das Temperaturniveau angepasst ist, da die Siegelnähte bei einer Temperatur oberhalb
der Heißluftsterilisationstemperatur verschweißt werden müssen.
Die Kammer ist so zu Heißluftsterilisator, Beladungbeladen, dass die Luft ungehindert
zwischen allen Oberflächen der Packstücke zirkulieren kann (Abb. 2.17
)
Abb. 2.17
Richtige und falsche Beschickung eines Heißluftsterilisators. Die durch die Heizung
A erhitzte Luft soll die Beschickungsgüter B und C sterilisieren..
Der Nutzraum darf nicht so überfrachtet werden, dass die Zirkulation behindert wird.
Jedes einzelne Teil muss derart eingelegt werden, dass es von allen Seiten von Heißluft
umströmt wird. Bei Sterilisatoren mit Zwangskonvektion ist die Richtung des Luftstroms
zu berücksichtigen. Größere Gegenstände können einen Windschatten verursachen, in
dem die Erwärmung beträchtlich verzögert werden kann. Ein nicht selten zu beobachtender
Fehler ist die Zusammenstellung einzelner Objekte zu Blöcken. Weiterhin ist sicherzustellen,
dass die zu sterilisierenden Objekte wie bei jedem anderen Sterilisationsprozess trocken
beladen werden. Bei nassen Gegenständen wird ein Teil der Wärme zur Verdunstung der
Feuchtigkeit verbraucht und deren Erwärmung dadurch verzögert.
Freigabe und Chargendokumentation
Die Freigabe des Sterilguts obliegt der dafür ausgebildeten und benannten Person.
Die Freigabekriterien Heißluftsterilisation:Betrieb\"\r\"heissluftsterilisationBetriebeiner
erfolgreichen Sterilisation werden in den Bedienungsanleitungen der Geräte benannt.
Entscheidend sind die stabile Einhaltung der Prozessabläufe und deren Heißluftsterilisation:FreigabeDokumentation.
Die jeweiligen Chargen sind zu bezeichnen und zu dokumentieren.
Aufgrund des Einsatzgebiets werden bei der Validierung Sterilisatoren für den allgemeinen
Gebrauch und für einen speziellen Einsatzzweck Heißluftsterilisation:Chargendokumentationunterschieden.
Für die erste Gruppe sollten vor der Auslieferung eine Reihe von Prüfungen durch den
Hersteller erfolgt sein, deren Ergebnisse bei der Validierung berücksichtigt werden
können. Der Hersteller hat an jedem Gerätetyp eine Typprüfung durchzuführen. Hierzu
gehören die thermoelektrischen Prüfungen der leeren Kammer sowie die Prüfung mit einer
Normbeladung aus Metall und aus Glas. Auf der Basis der Messergebnisse sind repräsentative
Messungen für jedes Gerät durchzuführen. Die Prüfberichte gehören zur Gerätedokumentation
und sind dem Anwender zu übergeben. Damit kann bei der Validierung auf repräsentative
Untersuchungen zurückgegriffen werden. Weiterhin stehen über Dokumentationsmöglichkeiten
der Prozessabläufe geeignete Überwachungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Prüfung
unter realen Bedingungen ist nach dem Worst-Case-Prinzip durchzuführen. Bei der zweiten
Gruppe ist durch den speziellen Zuschnitt der Gerätekonfiguration nur ein spezieller
Einsatzweck möglich. Hier wird nur dieser spezielle Zweck bei der Validierung geprüft.
Andere Einsatzmöglichkeiten sind auszuschließen.
2.8.8
Sterilisation mit ionisierenden Strahlen (Strahlensterilisation)
Heißluftsterilisation\"\r\"heissluftsterilisationIn Gammaanlagen wird als Strahlenquelle
fast ausschließlich Co-60, sehr selten Cs-137 eingesetzt. Elektronenbeschleuniger
(β-Strahler) nutzen beschleunigte Elektronen bis Strahlensterilisationzu einer Energie
von 10 MeV. In Röntgenanlagen wird ein Target mit beschleunigten Elektronen bestrahlt
und die Sekundärstrahlung, die Röntgenstrahlen (X-Rays), genutzt. Die ionisierenden
Strahlen bewirken bei ausreichend hoher Energie Ionisierungen, die in der Reihenfolge
abnehmender Empfindlichkeit Bakterien, Pilze, Bakteriensporen und Viren abtöten. Durch
Einsatz der Strahlen werden zuerst Zellteilungsvorgänge beeinträchtigt, danach folgt
die Verlangsamung des Wachstums, ehe es nach Ausschaltung der Atmung und Fermentation
zum Zelltod kommt. In der Regel wird die Strahlensterilisation wegen der hohen Investitionen,
des Strahlenschutzes und der hohen Kapazität einer Anlage nur industriell genutzt
und durch Serviceunternehmen angeboten.
Das Sterilisiergut wird in der Transport- bzw. Endverpackung, z. B. in erregerundurchlässigen
Folien, verpackt und auf einem Transportband durch die Bestrahlungsanlage geführt.
Die Strahlen erreichen jeden Hohlraum, der dadurch sterilisiert wird. Das Sterilgut
erwärmt sich nur um wenige Grad. Das Sterilgut kann nach der Bestrahlung sofort eingesetzt
werden.
Verschiedene Faktoren beeinflussen die Sterilisationswirkung von Strahlen, z. B.
•
Erregerdichte,
•
Alter der Bakterienkultur,
•
Sauerstoffgehalt (in Gegenwart von Sauerstoff sind Bakterien empfindlicher gegen Strahlen),
•
Strahlenschutzwirkung bestimmter Stoffe,
•
Feuchtigkeit (trockene Zellen benötigen zur Abtötung höhere Dosen),
•
Reaktivierung (entstandene Enzymdefekte können wieder repariert werden).
Nicht alle Kunststoffe können sterilisiert werden, z. B. kann Teflon® durch Bestrahlung
brüchig werden.
2.8.9
Bakterielle Toxine
Exotoxine sind gewebeschädigende Proteine. Sie werden von Bakterien, z. B. Clostridien
und Bazillen, aktiv in die Umgebung abgegeben, sind durch Erhitzung inaktivierbar
und lösen typische ExotoxineErscheinungen aus. Exotoxine können innerhalb des infizierten
Wirtsorganismus gebildet werden (z. B. Diphtherie-, Scharlachtoxin) oder nach Bildung
außerhalb des Körpers z. B. durch Nahrungsverzehr aufgenommen werden (z. B. Botulinumtoxin).
Letzteres wird seit über 10 Jahren bei schweren neurologischen Leiden und neuerdings
als Anti-Aging-Mittel zur Glättung faltiger Haut eingesetzt (Hacker 2003). Zu den
Exotoxinen gehören auch die Superantigene von Strepto- und Staphylokokken. Diese vernetzen
und stimulieren spezifisch Makrophagen und CD4-T-Lymphozyten, sodass große Mengen
Botenstoffe gebildet werden und eine ähnliche Wirkung eintritt wie bei Endotoxinen.
Ein Beispiel ist das sog. Toxic-Shock-Toxin.
Endotoxine sind Lipopolysaccharide (LPS) der äußeren Membran gramnegativer Bakterien.
Sie werden vor allem beim Absterben (Lyse), aber auch bei der Zellteilung vitaler
Bakterien freigesetzt (EndotoxineRietschel und Brade 1993). Ihre wesentliche toxische
Komponente, das Lipid A, ist hitzestabil. Die Wirkung ist prinzipiell unabhängig von
der bakteriellen Herkunft, die Wirkungsbreite sehr unterschiedlich. Endotoxine können
als konstanter Stimulus den Tonus körpereigener Immunabwehr aufrechterhalten (Leinmüller
2004). Klinisch können durch LPS Fieber, Schüttelfrost und Sepsis verursacht werden.
LPS werden relativ langsam über das retikuloendotheliale System (Leber, Milz) und
durch Sekretion (gebunden an Makrophagen in Alveolen und Bronchien) eliminiert. Freie
Endotoxine werden im Blut an ein LPS-bindendes Protein (LBP) gebunden und heften an
den CD14-Rezeptor z. B. auf Makrophagen an. Zusammen mit TLR4 (TOLL-like receptor)
werden Makrophagen aktiviert und setzen verschiedene Mediatoren wie Tumor-Nekrose-Faktor
und die Interleukine 1, 6 und 8 frei, Diese aktivieren im positiven Fall die wirtseigene
Abwehr und Immunprozesse, unterstützen die Zerstörung von Fremdzellen oder Mikroorganismen
und tragen durch lokale Entzündungsreaktion zur Heilung bei.
Zubereitungen und Produkte, die nach Europäischem Arzneibuch (Ph. Eur.) steril und
pyrogenfrei sein müssen
Fieber (Pyrogenität) ist nicht zwingend an Infektionsfähigkeit gekoppelt, auch sterile
Lösungen können Fieber hervorrufen. FieberPyrogene sind bakterieller, viraler, fungieller,
parasitärer Pyrogenität\t\"Siehe Fieberoder chemischer bzw. biochemischer Natur. Sogenannte
Superantigene grampositiver Erreger können eine exzessive T-Zell-Aktivierung verursachen
und ebenso wie LPS durch Makrophagenaktivierung einen „Zytokinsturm“ induzieren, der
eine hyperinflammatorische Phase einläuten kann (Schütt 2004). Bakterielle Endotoxine
zeigen die stärkste pyrogene Wirkung. Zu Fieber kommt es indirekt, da das exogene
Pyrogen von T-Lymphozyten phagozytiert und daraufhin Interleukin 1 gebildet wird,
das als endogener Mediator auf das Temperaturregelsystem im Hypothalamus wirkt und
Prostaglandin E2 induziert.
Fieber kann auftreten, wenn Pyrogene in einer Menge > 0,05 μg/kg parenteral zugeführt
werden.
Insbesondere Parenteralia, analoge Zubereitungen und Produkte unterliegen Anforderungen
gemäß Europäischer Pharmacopea (EuAB) hinsichtlich Sterilität und Pyrogenfreiheit
(Tab. 2.19
). Der Nachweis von Pyrogenen/Endotoxinen ist immer dann durchzuführen, wenn er vom
EuAB vorgeschrieben ist. Es ist immer der Test auf Pyrogene durchzuführen, wenn auf
Endotoxine vom Substrat her nicht getestet werden kann.
Parenteralia müssen nachweislich frei von Pyrogenen sein und unterliegen bzgl. Endotoxinen
Grenzwerten (Tab. 2.20
).
Tab. 2.20
Beispiele für Endotoxin-Grenzwerte zur Anwendung am Menschen.Medizinprodukt(e):Endotoxin-Grenzwert
Zubereitung
Endotoxin-Grenzwert (IE/ml)
Parenteralia
≤ 0,5 (DAB: 0,05)
Zur intrathekalen Anwendung
≤ 0,06
Insulin/human
≤ 10
Wasser für die Herstellung von Dialysat
≤ 0,25
Dialysekonzentratlösung
≤ 0,25
Hämodialysat
≤ 0,5
Tab. 2.19
Beispiele für sterile medizinische Produkte, die frei von Pyrogenen sein müssen.
Anwendung
Beispiel
Intravenös
•
Injektionslösungen einschl. Wasser zur Injektion
•
Infusionslösungen
•
Konzentrate und Pulver zur Herstellung von Injektions- und Infusionszubereitungen
•
Biologische Präparate zur Injektion bzw. Infusion (z. B. Immunglobuline, Albumin)
•
Blutgerinnungsfaktoren
Hämodialyse
•
Hämolysat
•
Wasser für die Herstellung von Dialysat
Spüllösungen
•
Für Körperhöhlen
•
Für Wunden
•
Für Körperoberflächen
•
Produkte mit direktem/indirektem Kreislaufblutkontakt, z. B. Katheter, Gefäßimplantate,
Blutbeutel
•
Ophthalmologische Produkte, z. B. Silikonöl, Hyaluronsäure, Kontakt- und Intraokularlinsen
•
Implantate, z. B. chirurgische Implantate, Dentalimplantate
•
Produkte mit direktem Liquor-/ZNS-Kontakt, z. B. Sonden, Katheter
•
Produkte mit indirektem Blutkontakt, z. B. Verbandstoffe, Bauchtücher, Tupfer, Handschuhe
Das EuAB gibt den Endotoxin-Grenzwert (in I.E./ml) für Wirkstoffe zur parenteralen
Anwendung auf der Basis der Dosis als
an, wobei K der Medizinprodukt(e):Endotoxin-GrenzwertGrenzwert der Endotoxine mit
pyrogener Wirkung je kg und h und M die Endotoxin-Grenzwertempfohlene Maximaldosis
des Produkts je kg und h ist.
Der Endotoxin-Grenzwert hängt vom Produkt und von der Art seiner Anwendung ab.
Für Flüssigkeiten werden die Endotoxin-Grenzwerte im EuAB in den jeweiligen Monographien
aufgeführt (Tab. 2.20) und umfassen z. B. Parenteralia einschließlich Impfstoffen
und Wirkstoffen für Parenteralia, Hämodialyselösungen und Spüllösungen für Körperhöhlen.
Nachweismethoden für Pyrogene und Endotoxine
Medizinprodukt(e):Sterilität\"\r\"MPpyrogenfrei
Medizinprodukt(e):Pyrogenfreiheit\"\r\"MPpyrogenfreiIm Kaninchentest wird postuliert,
dass das Kaninchen, bezogen auf die Körpermasse, ähnliche Pyrogene, NachweismethodenEmpfindlichkeit
gegenüber Pyrogenen aufweist wie der Mensch. Nach i. v. Endotoxine:NachweismethodenInjektion
der Prüflösung unter Mitführung von Kontrollen und rektaler Messung der Körpertemperatur
ist der Pyrogennachweis positiv, wenn die Summe der Temperaturerhöhung bei 3 Kaninchen
mindestens 1,4 °C beträgt. Die Mehrzahl von Biologika wie Gerinnungsfaktoren, Konzentraten,
Immunglobulinen,
Albuminen wird so geprüft. In diesem Test reagiert das Kaninchen nicht auf alle für
den Menschen pyrogene Stoffe gleichermaßen; daher erlaubt der Test nur eine qualitative
Aussage (Hartung et al. 2001).
Der Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL-Test) dient der Bestimmung von Endotoxinen
gramnegativer Bakterien mithilfe des Amöbozyten-Lysats („LAL-TestBlutkörperchen“ in
der Hämolymphe) des Pfeilschwanzkrebses Limulus-Amöboztyen-Lysat-Test\t\"Siehe LAL-Test
Limulus polyphemus. Im EuAB sind 6 Methoden für drei Techniken (Gelbildungstechnik,
turbidimetrische Technik, Technik mit Chromogenen) beschrieben. Ist in der jeweiligen
Monografie nichts anderes angegeben, ist in Zweifels- oder Streitfällen die Gelbildungsmethode
nach der Grenzwertprüfung zugrunde zu legen. Dieser Test ist besser standardisierbar
und sensitiver als der Kaninchentest, jedoch gibt es Diskrepanzen zwischen negativem
Test und pyrogenen Wirkungen beim Patienten. Der LAL-Test erlaubt eine quantitative
Aussage (zuverlässige Nachweisgrenze bei 0,1 IE/ml bzw. knapp darunter). Er ist ein
In-vitro-Test allein für Endotoxine in Eluaten (Spüllösungen) und Dialysat. Der Test
spricht insbesondere auf Endotoxine von E. coli und Salmonellen an (Ph. Eur. 2002).
Bei der In-vitro-Pyrogentestung (IPT) mit Vollblut wird verdünntes Heparinblut mit
der zu untersuchenden Probe zusammengebracht bzw. das Produkt direkt in das zelluläre
IPTVollblut-Testsystem eingelegt und bei 37 °C In-vitro-Pyrogentestung\t\"Siehe IPTinkubiert.
Anschließend wird die Freisetzung von Fiebermediatoren (speziell Interleukin 1β oder/und
Interleukin 6) im ELISA gemessen. Geprüft werden können zelluläre Blutkomponenten
und andere zelluläre Therapeutika (z. B. Stammzellen, lymphokinaktivierte Killerzellen,
gentherapeutische Präparationen), Plasma, Albumine, Öle, visköse Substanzen, Pulver,
Feststoffe durch Einlegen oder Durchspülen (z. B. bei der Biokompatibilitätsprüfung
für MP, Dialysegeräte, Filter), Dialyseflüssigkeit und Pyrogene im Staub bei Belastung
mit organischen Stäuben (50 IE/m3 inhalierbare Staubexposition über 8 Stunden). Der
IPT erfasst Pyrogene gramnegativer und grampositiver Bakterien, Pilze, Parasiten,
Viren und chemische Pyrogene. Er erlaubt eine sichere quantitative Aussage ab 0,03
IE/ml Endotoxin. Es werden einfach durchführbare kommerzielle Pyrogentests angeboten
(spezielle Zellkulturtechniken oder Inkubatoren sind nicht erforderlich; Hartung et
al. 2001).
Zerstörung bzw. Beseitigung von Endotoxinen
Lipid A übersteht Kochen, die Dampfsterilisation (bei 121 °C/20 Minuten oder 134 °C/5
Minuten) und die herkömmliche Strahlensterilisation.
Sämtliche Glasgeräte und andere hitzebeständige Geräte sind nach EuAB für den LAL
bei 250 °C für 30 Endotoxine:ZerstörungMinuten Einwirkzeit mit einem validierten Endotoxine:BeseitigungHeißluftsterilisationsprozess
zu entpyrogenisieren. Endotoxine können an der Oberfläche bestimmter Kunststoffarten
oder Glastypen adsorbiert und später freigesetzt werden (EuAB 2002). Nach Wallhäußer
(1995) sind 200 °C für 60 Minuten zur Zerstörung der Endotoxine ausreichend (andere
Quellen auch 120 Minuten).
Folgende Verfahren kommen für die Endotoxinzerstörung bzw. -beseitigung z. B. infrage:
•
Heißluftsterilisation für thermostabile Güter für 2 Stunden bei 200 °C, 45 Minuten
bei 220 °C oder 30 Minuten bei 250 °C,
•
Ultrafiltration von Flüssigkeiten mit speziellem Membranfilter für Wasser, Glukose,
Mischungen von Aminosäuren, 0,2 μm Filtermembran (z. B. Infusions-Inline-Filter für
Infusionen, Umkehrosmosemembran) oder Hartfilter aus Kieselgur, Porzellan, gesintertem
Glas oder Keramikkerzen,
•
Einwirkung von Alkali- und Säurelösungen (z. B. verdünnte Natronlauge für Kunststoffe),
Auskochen mit KMnO4 (sehr stark oxidierend in wässriger Lösung) oder Einwirkung von
H2O2 definierter Konzentration und Anwendung,
•
Dreifachdestillation oder häufiger.
Weitere Möglichkeiten sind z. B. die Dampfsterilisation bei 121 °C über 2 Stunden
mit nachfolgender Pyrogentestung, das Ab- und Ausspülen von Kunststoffen mit ultrafiltriertem
endotoxinfreiem Wasser oder die industrieseitige Herstellung von sterilen pyrogenfreien
Flüssigkeiten in Behältnissen aus Thermoplaste (z. B. Aufblasen bei 250 °C, füllen,
versiegeln).
Endotoxine und Dampfsterilisation
Es gibt Hinweise, dass der regelmäßigen Sichtkontrolle und Reinigung/Desinfektion
des Wassertanks Endotoxine:Dampfsterilisationvon Kleinsterilisatoren mehr Aufmerksamkeit
zu schenken ist. Dampfsterilisation:EndotoxineStrobel (2002) beschreibt postoperativ
eine Reizung der Augenvorderkammer, die durch Endotoxineinbringung, ausgehend vom
kontaminierten Speisewasserbehälter des Dampfkleinsterilisators, verursacht sein könnte.
Dazu bestimmten Martin et al. (2001) die Erreger- und Endotoxingehalte im Wasserreservoir
eines Dampfkleinsterilisators. Whitby und Hitchins (2002) beschreiben den Zusammenhang
zwischen Endotoxinen im Wasserbehälter eines Dampfkleinsterilisators und dem Sattdampf
in der Sterilisatorkammer.
Für Großsterilisatoren ist die Datenlage nicht ausreichend, um von einer direkten
Gefahr evtl. endotoxinbeladener OP-Instrumente nach der Sterilisation ausgehen zu
können. Anzunehmen ist jedoch, dass sich eine Endotoxinbeladung auf den Sterilisiergütern
nach maschineller Reinigung und Desinfektion befindet, weil das Hochheizen des letzten
Spülwassers aus dem Permeattank Endotoxine nicht zerstören kann. Auch kann nicht mit
Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Endotoxine mit dem Sterilisierdampf in die
Kammer bzw. durch die Sterilisation evtl. zusätzlich freigesetzte Endotoxine auf die
Güter und so z. B. in OP-Wunden gelangen können.
Bis aufgrund ausreichenden Wissens detaillierte Anforderungen aufgestellt werden können,
wird als vorbeugende Maßnahme empfohlen, eine Sichtprüfung des Speisewasserbehälters
auf optische Sauberkeit im Rahmen der Validierung und periodischen Prüfungen (monatlich)
durchzuführen, um erforderlichenfalls eine gründliche Reinigung und Desinfektion des
Speisewasserbehälters vorzunehmen.
Auch sollte die Möglichkeit der routinemäßigen Entleerung des Speisewasserbehälters
bestehen. Seitens der Hersteller der Sterilisatoren wäre es sinnvoll, Hinweise in
der Betriebsanweisung zu geben, was evtl. nach längeren Stillstandzeiten zu tun ist.
Im Rahmen der Wasseraufbereitung für die Reinigung/Desinfektion und Sterilisation
gilt es als gesichert, dass die Reversosmosemembran selbst (durch die Querströmung
unterstützt) eine Barriere für Bakterien und Endotoxine darstellt. Der Vorratsbehälter
(Tank) des Permeats und die Harze der Mischbettionenaustauscher (Patronen) sind hingegen
immer als kontaminiert und endotoxinhaltig anzusehen. Der Speisewasserbehälter für
den Eigendampferzeuger ist ebenfalls als potenziell kontaminiert und endotoxinbeladen
einzustufen. Die Belastung wird umso höher sein, je stärker die Biofilmbildung im
Speisewasserbehälter bzw. der Endotoxineintrag in den Speisewasserbehälter ist.
Für Europa existieren bisher für MP bzw. deren Oberflächen keine Grenzwerte, wie sie
seit langem für Parenteralia bzw. andere Flüssigkeiten (Tab. 2.19) festgelegt sind.
In der FDA-Guideline ist z. B. ein Grenzwert von < 20 EU/Device angegeben. Bei Anwendung
dieses Grenzwerts ist es derzeitig schwierig bis unmöglich, Konsequenzen bei der Anwendung
der untersuchten MP abzuleiten (z. B. Transplantate, OP-Instrumente).
2.8.10
Grundsätze der Verpackung bzw. des Sterilbarrieresystems
MP werden in der sog. Bakterientoxine\"\r\"BakterientoxineEndverpackung sterilisiert.
Das MP und seine Verpackung werden als Einheit betrachtet und als Packung bezeichnet.
Ein Sterilbarrieresystem ist die Mindestverpackung, die das Eindringen von Mikroorganismen
verhindert. Der Begriff Sterilbarrieresystem soll in Zukunft die bisher gängigen Begriffe
wie Sterilbarrieresystem:DefinitionPrimär-, Sekundär-, Transportverpackung ersetzen.
Bei dieser Art der Bezeichnung besteht die Verpackung des Sterilguts aus der Mindestverpackung
(Sterilbarrieresystem), evtl. mit einer Schutzverpackung und ggf. mit einer Umverpackung.
Die Verpackung hat die Aufgabe, MP vor Kontamination und Beschädigung während Lagerung
und Transport zu schützen.
Außerdem kann die Verpackung die aseptische Präsentation erleichtern.
Die Verpackung muss auf das Sterilisationsverfahren abgestimmt sein und gewährleisten,
dass Luft und Sterilisiermedium in der Packung ausgetauscht werden. Es gibt Weich-
und Hartverpackungen. Weichverpackungen sind im Regelfall Einmalprodukte wie glattes
oder gekrepptes Papier, Papierbeutel, Klarsichtbeutel aus Papier und Kunststofffolie,
Vliese (z. B. Sterilisiergut:Weichverpackungennon woven) und „One Step“ (doppeltes
Vlies). Hartverpackungen sind wieder verwendbare Sterilisierbehälter aus Aluminium,
Chrom-Nickel-Stahl, Kunststoff oder Aluminium mit Kunststoffdeckeln. Verpackungen
mit Siegelung müssen Sterilisiergut:Hartverpackungenleicht zu öffnen sein.
DIN EN ISO 11607 beschreibt Anforderungen an die Verpackungsmaterialien, die Entwicklung
von Verpackungsprozessen und die Validierung des Verpackungsprozesses. DIN EN 868,
Teil 2–8, beschreibt Anforderungen, die Hersteller von Verpackungsmaterialien zu erbringen
haben. In DIN 58953 werden Anwendungshinweise gegeben.
Die Primärpackung besteht aus einer Einfach- oder Zweifachverpackung. Die Zweifachverpackung
ist dann z. B. eine „One-Step“-Verpackung, die aus zwei verschweißten Vliesen besteht.
Der Sterilisiergut:PrimärpackungVerpackungsprozess besteht dann aus einem Arbeitsgang.
Eine Innenumhüllung wäre z. B. ein Vlies, in dem das MP für die aseptische Präsentation
eingeschlagen ist. Wird das MP in zwei Arbeitsgängen verpackt (übliches Verfahren
in Deutschland), wird die erste Packung als Primär- und die zweite als Sekundärpackung
bezeichnet. Die Sekundärpackung kann auch die Lagerverpackung sein.
Die Transportpackung Sterilisiergut:Sekundärpackungenenthält Primär- und/oder Sekundärpackungen
und dient dem Schutz während des Transports. Sie kann auch nach der Sterilisation
angebracht werden (z. B. ein Sterilisiergut:Transportpackungenluftdicht verschlossener
Transportwagen).
Voraussetzung für die notwendige Qualität des Verpackungsprozesses ist neben der Validierung
das Vorhandensein von SOPs wie in DIN EN ISO 13485 und der Aufbereitungsempfehlung
des RKI gefordert.
Das Personal muss die für die Aufbereitung erforderlichen Kenntnisse und die entsprechende
Ausbildung besitzen.
Sterilbarrieresysteme müssen so gekennzeichnet werden, dass für den Anwender deutlich
erkennbar ist, dass die Endpackung einem Sterilisationsprozess unterzogen wurde.
Eine Kennzeichnung in diesem Sinn ist der Prozessindikator Klasse I nach DIN EN 11140-1,
der z. B. auf Etiketten und Tüten aufgebracht ist, oder ein mit einem Indikator versehenes
Klebeband. Der Indikator muss dem Sterilisationsverfahren angepasst sein.
Zusätzlich muss jede Packungsstufe folgende Angaben enthalten:
•
Name und/oder Identifikation der herstellenden/verpackenden Stelle,
•
Name und/oder Identifikationsschlüssel der packenden Person,
•
Produktbezeichnung,
•
Chargenkennzeichnung,
•
Verfalldatum,
•
ggf. Lager- und Handhabungshinweise,
•
ggf. Kennzeichnung „steril“,
•
Menge.
Im Lauf der Jahre ist eine Reihe von Regeln erarbeitet worden; die wichtigste lautet:
Im Rahmen der Validierung werden alle Verpackungsarten geprüft. Nur die Verpackungen
oder Beladungen, die in Ordnung sind, können angewendet werden.
Es ist eine Reihe von Regeln anzuwenden:
•
Heißsiegelfähige Beutel und Papier-Folie-Verpackungen sollen mit Temperaturen von
150–200 °C versiegelt werden; dieser Prozess muss validiert werden. Die Haltbarkeit
(shelf life, Lagerdauer bis zur Anwendung einschließlich Transportzeit) derartiger
Verpackungen muss belegt werden.
•
Sterilisierbehälter dürfen nur bis zu 1–2 cm unterhalb des Behälterrands gefüllt werden.
Deckel und Dichtung müssen geprüft werden.
•
Aus Sicht der Trocknung sind Aluminiumbehälter oder Papierverpackungen (non woven)
gut geeignet.
•
Sterilisierbehälter müssen ein Verschlusssystem haben, das ein unerlaubtes Öffnen
sichtbar macht.
•
Weichverpackungen sollten in Sterilisierkörben sterilisiert und ggf. gelagert werden.
Die Körbe werden senkrecht nicht über den Rand hinaus beladen. Werden die Körbe nicht
ausreichend gefüllt, sind die Packungen zusätzlich mit Papier oder Vlies einzuschlagen.
•
Papier- und Klarsichtbeutel sollen nicht mehr als 75 % gefüllt werden. Das maximale
Beladegewicht darf 3 kg nicht überschreiten.
•
Das Nennmaß für die Siegelnahtbreite sollte üblicherweise 8 mm betragen, jedoch 6
mm nicht unterschreiten.
Entscheidend für die Lagerung sind die Lagerbedingungen wie Luftfeuchtigkeit, Druckdifferenzen
und Temperatur.
Die Anzahl der Verpackungen hat keinen Einfluss auf die Rekontamination (Luther und
Martiny 1992). Die Lagerung sollte in Schubladen, Schränken oder in einem abgeschlossenen
klimatisierten Raum stattfinden. Dann ist es leichter, die wichtigen Parameter wie
Zugluft, Temperatur und relative Feuchte zu regeln und zu überwachen. Steigt z. B.
die Luftfeuchtigkeit stark an, besteht die Möglichkeit, dass Erreger in die Verpackung
oder durch Filter auf die Instrumente gelangen. Sofern die Verpackung/Filter aus Papierfasern
besteht, die sich durch Aufnahme von Feuchtigkeit ausdehnen, kann die Filterwirkung
beeinträchtigt werden. Die MP können dann nicht mehr verwendet werden. Ein längerer
Aufenthalt des Sterilguts in Aufzügen und die Lagerung an Austrittsöffnungen der Klimaanlage
sind zu vermeiden.
Eine Änderung der Lagerbedingungen hebt möglicherweise die Verwendbarkeit auf.
Die Lagerdauer bis zur Anwendung einschließlich der Transportzeit (shelf life) der
Verpackungen muss belegt werden.
Die Lagerdauer wird vom ärztlichen Leiter in der Hygieneordnung festgelegt. Ungeschützte
Lagerung soll vermieden werden und dient nur der Bereitstellung zum unmittelbaren
Gebrauch.
2.8.11
Aus- und Weiterbildung
Sterilisiergut:Verpackung\"\r\"Sterilisiergutverpack
Ausbildung:
Sterilbarrieresystem\"\r\"SterilisiergutverpackDie komplexen Arbeitsabläufe und die
Arbeit im Team stellen hohe Anforderungen. Schrittweise wird in den ZSVA ein QM eingeführt,
die Validierung von Prozessen muss mit dem Sterilisation:AusbildungPrüflabor durchgeführt
werden. Auch die Funktionsprüfung und die Einführung der Risikobewertung erfordern
neue Ausbildungsinhalte. 1998 hat der Gesetzgeber erkannt, dass die Tätigkeit in der
Aufbereitung besondere Anforderungen stellt, die nur durch eine Ausbildung oder besondere
Kenntnisse und Erfahrung erbracht werden können.
Die Betreiber-VO fordert in § 2 für Mitarbeiter in der ZSVA eine Ausbildung oder die
erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen.
1997 begann die DGSV, Weiterbildungseinrichtungen zu akkreditieren. Hier werden die
Fachkundekurse I–III durchgeführt. Im Zuständigkeitsbereich der Hansestadt Hamburg
gelang es, einen staatlichen Abschluss für die Qualifizierung des Personals ins Leben
zu rufen. Das RKI weist für die Qualifizierungsmaßnahmen auf die Ausbildungsrichtlinien
der DGSV und der Hansestadt Hamburg hin.
Die Ausbildung muss sicherstellen, dass das Personal der ZSVA die mit der Aufbereitung
eines MP anfallenden Arbeiten selbstständig ausführen kann.
Weiterbildung: Die schnellen Veränderungen im Gesundheitswesen, neue Verpackungssysteme
und schwieriger aufzubereitende Instrumente erfordern die ständige Weiterbildung.
In allen Abteilungen, in denen aufbereitet wird, muss jährlich eine dokumentierte
Einweisung des Personals in den Betrieb von Sterilisationsgeräten und RDG erfolgen.
Zur Gewährleistung Sterilisation:Weiterbildungder Qualifikation im niedergelassenen
Bereich ist der Erwerb der Sachkunde für die Instandhaltung von MP in der ärztlichen
Praxis 2003 als gemeinsame Initiative von DGSV, DGKH und dem Berufsverband der Deutschen
Hygieniker eingeführt worden.
2.9
Aufbereitung von Medizinprodukten
Marc Thanheiser und Martin Mielke
2.9.1
Anforderungen
Sterilisation\"\r\"ReinmittVorauss
Mit Krankheitserregern kontaminierte chirurgische Instrumente (MP) können bei erneuter
Anwendung zu Infektionen führen. Auch darf von MP bei der Anwendung keine Gefahr von
Gesundheitsschäden durch pyrogenbedingte, allergische oder toxische Reaktionen sowie
aufgrund veränderter technisch-funktioneller Eigenschaften des MP ausgehen.
Aus diesen Gründen müssen MP entsprechend der Art der vorherigen und folgenden Anwendung
sowie der konstruktiven und materialtechnischen Eigenschaften vor erneuter Anwendung
aufbereitet werden.
2.9.2
Rechtsgrundlage
Die ordnungsgemäße Aufbereitung von Medizinprodukteaufbereitung:RechtsgrundlageMP
ist in § 4 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) auch in einer Rechtsnorm
angesprochen. Dort wird unter anderem aufgeführt, dass die Aufbereitung von bestimmungsgemäß
keimarm oder steril zur Anwendung kommenden MP unter Berücksichtigung der Angaben
des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen ist, dass der
Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet und die Sicherheit und Gesundheit
von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird.
Eine ordnungsgemäße Aufbereitung wird vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der
KRINKO am RKI und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ beachtet
wird.
Die in § 4 MPBetreibV genannte Empfehlung, im Folgenden als KRINKO-BfArM-Empfehlung
bezeichnet, dient als fachliche Basis für die nachfolgenden Ausführungen. Auf den
amtlichen Originaltext der Empfehlung wird ausdrücklich hingewiesen (Bgbl 2001; 44:
1.115–26).
2.9.3
Verantwortung
Für die korrekte Aufbereitung von MP ist der Betreiber verantwortlich.
Basierend auf einer Risikobewertung und Einstufung (Kap. 2.9.5), hat der für die Aufbereitung
Verantwortliche unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers schriftlich festzulegen,
mit welchen Verfahren (in allen Einzelschritten) und unter welchen Bedingungen (z.
B. Räume, Arbeitsmittel, Qualifikation des Personals) seine MP aufbereitet und gelagert
werden.
Die Aufbereitung und die stete Erfüllung der Anforderungen setzt ein Qualitätsmanagementsystem
voraus, Medizinprodukteaufbereitung:Verantwortlichkeitenund es sind vor der Aufbereitung
von MP die Zuständigkeiten für alle Schritte der Aufbereitung zu regeln und zu dokumentieren
sowie die Einzelschritte der Aufbereitung unter Angabe der jeweilig notwendigen Prüfungen
in Standardarbeits- und Betriebsanweisungen festzulegen.
Dabei ist zu beachten, dass der für die verschiedenen Prozessschritte jeweils Zuständige
seine Aufgabe aufgrund seiner Position und Qualifikation (Aus-, Weiter- und Fortbildung)
auch tatsächlich erfüllen kann (s. hierzu auch die Stellungnahmen der für die Überwachung
zuständigen Länder unter www.DIMDI.de; Empfehlung für die Überwachung der Aufbereitung
von Medizinprodukten).
2.9.4
Grundsätzliche Aspekte der Aufbereitung von Medizinprodukten
Voraussetzung für die Aufbereitung ist, dass die Eignung der zur Anwendung kommenden
Aufbereitungsverfahren und die Wirksamkeit im Rahmen einer produkt-/produktgruppenspezifischen
Prüfung und Validierung belegt wurden (s. auch DIN EN 17664).
Die Verkehrsfähigkeit eines wieder verwendbaren MP schließt ein, dass der Hersteller
Angaben zur Aufbereitung einschließlich Reinigung/Desinfektion, Spülung, Trocknung,
Sterilisation, Transport sowie zur sachgerechten Lagerung zur Verfügung stellen muss
(s. Richtlinie 93/42/EWG und DIN EN ISO 17664).
Sofern von den Angaben des Herstellers zur Aufbereitung abgewichen wird, muss das
begründet und dokumentiert werden und sichergestellt sein, dass die Funktionsfähigkeit
und die Anwendungssicherheit des aufbereiteten MP vollumfänglich gewährleistet sind.
Es ist zweckmäßig, bereits vor der Anschaffung eines MP Durchführbarkeit und Aufwand
der Aufbereitung zu überdenken und die Anwender sowie die für die Aufbereitung und
für die Hygiene Zuständigen in die Entscheidung über die Beschaffung des MP sowie
die erforderlichen Mittel und Geräte für die Aufbereitung einzubeziehen.
2.9.5
Risikobewertung und Einstufung von Medizinprodukten
Hinsichtlich der Art der Anwendung und des sich daraus ableitenden Risikos können
MP eingestuft werden in
•
unkritische MP, Medizinprodukt(e):unkritischedie lediglich mit intakter Haut in Berührung
kommen,
•
semikritische
Medizinprodukt(e):semikritischeMP, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter
Haut in Berührung kommen,
•
kritische MP Medizinprodukt(e):kritischezur Anwendung von Blut, Blutprodukten und
anderen sterilen Arzneimitteln und MP, die die Haut oder Schleimhaut durchdringen
und dabei in Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen einschließlich Wunden
kommen (Tab. 2.21
).
Tab. 2.21
Risikobewertung und Einstufung von Medizinprodukten vor Aufbereitung gemäß der KRINKO-BfArM-Empfehlung
„Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“.Medizinprodukt(e):unkritischeMedizinprodukt(e):semikritischeMedizinprodukt(e):semikritisch
BMedizinprodukt(e):semikritisch AMedizinprodukt(e):kritischeMedizinprodukt(e):kritisch
CMedizinprodukt(e):kritisch BMedizinprodukt(e):kritisch A
Einstufung
Medizinprodukt
Vorbehandlung
Reinigung/Desinfektion
Spez. Kenn-zeichnung
Sterilisation
Kritische Verfahrensschritte, besondere Anforderungen
Unkritisch
z. B. EKG-Elektroden
X
Semikritisch
A) ohne besondere Anforderungen
z. B. Spekulum
(X)
X
(X)
Mindestens Desinfektion mit geprüften Mitteln/Verfahren (Wirkungsbereich AB gemäß
der Definition der RKI-Liste)
B) mit erhöhten Anforderungen
z. B. flexibles Endoskop (Gastroskop)
X1
X
X2
Zusätzlich:s. entsprechende spezielle Anlage zur hygienischen Aufbereitung flexibler
Endoskope und endoskopischer Zusatzinstrumente; bevorzugt maschinelle Reinigung und
Desinfektion
Kritisch
A) ohne besondere Anforderungen
z. B. Wundhaken
(X)
X
X
Bevorzugt maschinelle Reinigung und DesinfektionDampfsterilisation
B) mit erhöhten Anforderungen
z. B. MIC-Trokar
X1
X
(X)
X
Zusätzlich:
•
Nachweis einer anerkannten Ausbildung zum Sterilgut-Assistenten des mit der Aufbereitung
Betrauten (Sachkundenachweis)
•
in jedem Fall maschinelle thermische Reinigung/Desinfektion aller Teile mit direktem
Gewebekontakt in Reinigungs- und Desinfektionsgeräten
•
Dampfsterilisation aller Teile mit Gewebekontakt
C) mit besonders hohen Anforderungen
X1
X
X
X3
Geeignete Sterilisation; zusätzlich:Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems
(DIN EN ISO 13485/13.488) durch eine von der zuständigen Behörde akkreditierte Stelle;
Risikoanalyse DIN EN ISO 14971
(X) Arbeitsschritt optional.
1
Vorreinigung unmittelbar nach Anwendung
2
Ggf. bei Endoskopen, die in sterilen Körperhöhlen eingesetzt werden
3
Für nicht thermische (Niedertemperatur-)Verfahren der Sterilisation wurde der Nachweis
der Inaktivierung von Prionen bisher nicht erbracht. Das ist bei MP dieser Gruppe
zu beachten, die bestimmungsgemäß in Kontakt mit eröffnetem lymphatischem Gewebe oder
Nervengewebe kommen.
Konstruktive und materialtechnische Details des Produktdesigns können erhöhte Anforderungen
an die Aufbereitung stellen.
Daher erfolgt eine weitere Differenzierung der semikritischen und kritischen MP in
folgende Gruppen:
•
Semikritisch oder kritisch A: Medizinprodukt(e):semikritisch A
Medizinprodukt(e):kritisch Aohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung; darunter
fallen z. B. massive Instrumente.
•
Semikritisch oder kritisch B: Medizinprodukt(e):semikritisch B
Medizinprodukt(e):kritisch Bmit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung; darunter
fallen z. B. MP, bei denen
–
die Effektivität der Reinigung nicht durch Inspektion unmittelbar beurteilbar ist
(z. B. wegen langer, enger, insbesondere endständiger Lumina, komplexer, schlecht
zugänglicher und daher schlecht bespülbarer Oberflächen),
–
die Anwendungs- oder Funktionssicherheit beeinflussende Effekte der Aufbereitung (einschließlich
des Transports) auf das MP und seine Materialeigenschaften nicht auszuschließen sind
(z. B. knickempfindliche MP, empfindliche Oberflächen) und die somit einen erhöhten
Aufwand bei der technisch-funktionellen Prüfung erfordern,
–
die Anzahl der Anwendungen oder der Aufbereitungszyklen durch den Hersteller auf eine
bestimmte Anzahl begrenzt ist.
•
Kritisch C: mit Medizinprodukt(e):kritisch Cbesonders hohen Anforderungen an die Aufbereitung;
darunter fallen z. B. thermolabile (nicht dampfsterilisierbare) Hohlkörperinstrumente
(Tab. 2.21).
Bei Zweifeln an der Einstufung ist das MP der jeweils höheren (kritischeren) Risikostufe
zuzuordnen.
2.9.6
Einzelschritte der Aufbereitung
Medizinprodukt(e):Einstufung\""\r""MPEinstufungDie Kette der erforderlichen Medizinprodukt(e):Risikobewertung\""\r""MPEinstufungAufbereitungsprozesse
muss optimiert sein, da Schwächen in einem der durchzuführenden Einzelschritte den
Gesamterfolg gefährden.
Alle Einzelschritte der Aufbereitung müssen daher auf das MP, die vorausgegangene
Aufbereitung und die vorausgegangene und nachfolgende Anwendung des MP abgestimmt
sein und durch Anwendung validierter Verfahren den Erfolg stets nachvollziehbar und
reproduzierbar gewährleisten (Kap. 2.9.7).
Gemäß gesetzlichen Vorgaben soll die Aufbereitung nach den anerkannten Regeln der
Technik erfolgen und den Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigen. Hinsichtlich
der Durchführung der Aufbereitung wird daher ausdrücklich auf die entsprechenden mandatierten
europäischen Normen (www.named.din.de) und die entsprechenden Abschnitte der KRINKO-BfArM-Empfehlung
verwiesen.
Bei der Vorreinigung, Reinigung und Desinfektion ist durch die Verfahrensführung sicherzustellen,
dass es zu keiner Fixierung von Rückständen bzw. Proteinen (z. B. Blut, Sekreten,
Geweberesten) am MP kommt, da diese die Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsleistung
beeinträchtigt.
Die alkalische Reinigung zeichnet sich durch hohe Wirksamkeit hinsichtlich der Lösung
von Protein- und Fettrückständen sowie eine gewisse antimikrobielle und prioninaktivierende
Wirkung aus. Leider haben Desinfektionsmittel wie Glutaral, Orthophthalaldehyd und
Peressigsäure aufgrund ihres Wirkungsmechanismus proteinfixierende Eigenschaften.
Auf Reiniger mit nachgewiesener prioninaktivierender oder dekontaminierender Wirkung
wird hingewiesen (Bertram et al. 2004). Einige dieser Formulierungen haben auch bakterizide
und virozide Eigenschaften (Beekes et al. 2010).
Von den zur Verfügung stehenden Sterilisationsverfahren wurde bisher nur für die Dampfsterilisation
(insbesondere 134 °C, 5–18 min) und für bestimmte Wasserstoffperoxid-basierte Verfahren
eine relevante Wirkung auf Prionen nachgewiesen (Rogez-Kreuz et al. 2009).
Grundsätzlich müssen alle äußeren und inneren Oberflächen für die eingesetzten Reinigungs-,
Desinfektions- und Sterilisationsmittel zugänglich sein (Öffnen von Ventilen/Hähnen,
Gelenkinstrumenten). Komplexe MP müssen ggf. zerlegt werden.
MP, die sachgerecht zu reinigen sind, sind i. d. R. auch geeignet, desinfiziert bzw.
sterilisiert zu werden.
Im Nachfolgenden wird kurz auf wesentliche Aspekte der Einzelschritte eingegangen.
Vorbereitung der Aufbereitung: Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufbereitung
von MP ist in der Regel eine Vorbereitung notwendig. Das sachgerechte Vorbereiten
beinhaltet das Medizinprodukteaufbereitung:VorbereitungVorbehandeln, Sammeln, Vorreinigen
und ggf. Zerlegen der angewendeten MP und deren zügigen, sicher umschlossenen und
Beschädigungen vermeidenden Transport zum Ort der Aufbereitung.
Folgende Anforderungen sind zum Erreichen des angestrebten Ziels zu erfüllen:
•
Grobe Verschmutzungen des MP sollen unmittelbar nach Anwendung z. B. durch Abwischen
von äußeren Verschmutzungen und Spülung von Arbeitskanälen entfernt werden.
•
Die Mittel und Verfahren der Vorreinigung sind auf die nachfolgenden Aufbereitungsverfahren
abzustimmen, insbesondere um nachteilige Effekte (z. B. Fixierung) auf folgende Schritte
auszuschließen.
Bei allen Schritten der Vorbereitung sind die Belange des Arbeitsschutzes, z. B. durch
geeignete Schutzkleidung, Schutzbrille, geeignete Handschuhe, Raumluftqualität, zu
gewährleisten. Das bedeutet auch, dass eine Kontamination der Umgebung im Rahmen der
Aufbereitung so weit wie möglich vermieden und ggf. eine desinfizierende (Vor-)Reinigung
durchgeführt werden muss.
Reinigung: Mit der Reinigung wird eine Abreicherung von Medizinprodukteaufbereitung:ReinigungVerschmutzungen
angestrebt. Medizinisch relevante Verunreinigungen Reinigung:Medizinprodukteenthalten
in der Regel Proteine. Eine sachgerechte Reinigung erzielt Medizinprodukt(e):Reinigungregelmäßig
Werte < 100 μg Protein/Instrument.
Die Reinigungsverfahren müssen folgende Anforderungen erfüllen:
•
Gewährleistung einer rückstandsfreien, nicht fixierenden Reinigung (s. o.).
•
Nach der Reinigung/Desinfektion dürfen bei normaler Sehkraft an allen Teilen des MP
keine Verschmutzungen (z. B. Verkrustungen, Beläge) erkennbar sein. Gegebenenfalls
erfordert die Beurteilung der Reinigungsleistung den Einsatz geeigneter anderer Methoden
(z. B. Proteinbestimmung).
•
Bei der Anwendung von Ultraschall ist auf die Dosierungsvorgabe des mit Ultraschall
getesteten Reinigungs-/Desinfektionsmittels und der vorgegebenen Beschallungszeit
zu achten. Der Einsatz von Ultraschall ist nicht bei allen MP möglich oder effektiv
(Vorsicht z. B. bei Klebungen und weichen oder luftgefüllten MP). Im Zweifelsfall
ist der Hersteller zu befragen. Der Beladung der Ultraschallbäder ist besondere Sorgfalt
zu widmen (z. B. Vermeidung von Schallschatten, alle Teile des MP müssen komplett
von Flüssigkeit bedeckt sein). Da Ultraschall zu Temperaturveränderungen führen kann,
soll die Betriebstemperatur geräteseitig kontrolliert werden. Aus Gründen des Arbeitsschutzes
ist eine Abdeckung der Ultraschallbäder empfehlenswert.
•
Die Reinigungslösung wird durch organisches Material und chemische Rückstände verunreinigt
und ist bei sichtbarer Verschmutzung sofort zu wechseln. Mindestens arbeitstäglich
ist diese frisch anzusetzen und das Reinigungsbecken gründlich mechanisch zu reinigen
und zu desinfizieren.
Desinfektion: Die Desinfektion dient dem Ziel, Desinfektion:Medizinproduktedie Menge
potenzieller Krankheitserreger auf ein Maß zu reduzieren, Medizinprodukt(e):Desinfektionvon
dem bei Kontakt mit intakter Haut oder Schleimhaut keine Medizinprodukteaufbereitung:DesinfektionInfektionsgefahr
ausgeht. Die Desinfektionsleistung ist daher über die Reduktion der Bakterien-/Virus-/Pilzlast
auf Oberflächen, hier von MP, definiert (z. B. DIN EN ISO 15883).
Die verwendeten Desinfektionsverfahren müssen nachweislich bakterizid, fungizid und
virozid sein. Die Wirksamkeit in RDG ist durch Fachgutachten vom Hersteller unter
den jeweiligen Bedingungen der Aufbereitung zu belegen.
Thermischen Verfahren in RDG ist wegen der zuverlässigeren Wirksamkeit (z. B. geringere
Beeinträchtigung durch Restverschmutzung) sowie der einfachen parametrischen Überwachung
(s. a. A0-Konzept der DIN 15883-1) und des Arbeitsschutzes der Vorrang vor chemischen
bzw. chemothermischen Desinfektionsverfahren zu geben.
Spülung und Trocknung: Mit der Spülung sollen Rückstände der vorausgegangenen Aufbereitungsprozesse
entfernt werden. Zum Medizinprodukteaufbereitung:SpülungBeispiel müssen Reinigungs-
und Desinfektionsmittelreste durch intensives Medizinprodukt(e):SpülungNachspülen
sorgfältig entfernt werden.
Zur Vermeidung von Rekontaminationen und Kristallbildungen ist geeignetes Wasser zu
verwenden, das mikrobiologisch mindestens gesicherte Trinkwasserqualität hat.
In jedem Fall erfordert die abschließende Spülung mindestens entmineralisiertes Wasser,
um Kristallbildungen auf dem MP, die z. B. den anschließenden Sterilisationsprozess
stören können, zu vermeiden.
Die Verwendung von Druckluft mit gesicherter mikrobiologischer Qualität wird zur Trocknung
aufgrund ihrer guten und raschen Wirkung empfohlen.
Prüfung der technisch-funktionellen
Medizinprodukt(e):Trocknung
Sicherheit: Die Medizinprodukteaufbereitung:TrocknungPrüfungen auf Sauberkeit, Unversehrtheit
und definierte technisch-funktionelle Eigenschaften haben zum Ziel, MP auszusondern,
bei denen erkennbare Rückstände auch durch erneute Reinigung nicht entfernt oder bei
denen technisch-funktionelle Mängel nicht beseitigt werden können. Insbesondere bei
der Durchführung von Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen sind auch technisch-funktionelle
Prüfungen nach Abschluss von Reinigung, Desinfektion, Spülung und Trocknung, aber
vor der Sterilisation durchzuführen. Einflüsse des Aufbereitungsverfahrens auf die
Materialeigenschaften sowie die technisch-funktionelle Sicherheit sind in der Regel
produktspezifisch und müssen daher im Einzelfall unter Verwendung von Herstellerangaben
geprüft und vom Betreiber in den Standardarbeitsanweisungen zur Aufbereitung neben
den Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Verpackung: Die Verpackung besteht i. d. R. aus mechanischer Schutzverpackung, Sterilverpackung
und ggf. Umverpackung (Lager- und Transportverpackung) und muss abgestimmt sein auf
•
Medizinprodukteaufbereitung:Verpackungdas zur Anwendung kommende Sterilisationsverfahren
(z. B. Ermöglichung des Eintritts des Sterilisationsmittels),
•
die Eigenschaften des desinfizierten oder zu sterilisierenden MP und den Erhalt seiner
Funktionsfähigkeit (z. B. mechanischer Schutz empfindlicher Teile),
•
die vorgesehene Lagerung und den Transport (Berücksichtigung mechanischer Belastungen).
Eine Rekontamination des MP nach seiner Aufbereitung muss bis zur Anwendung ausgeschlossen
sein (s. a. mandatierte Normen, Empfehlungen des AK „Qualität“ der DGSV und „Leitlinie
für die Validierung des Siegelprozesses nach DIN EN ISO 11607-2“).
Sterilisation: Die Sterilisation dient der Sterilisation:MedizinprodukteInaktivierung
aller vermehrungsfähiger Mikroorganismen und Viren. Eine Medizinprodukt(e):Sterilisationden
Ansprüchen in der Medizin genügende Sterilisation erreicht das Medizinprodukteaufbereitung:Sterilisationmit
einer Sicherheit von 1:1.000.000 (SAL 10–6).
Zur Sterilisation muss ein hinsichtlich seiner Eignung für das MP geprüftes und wie
oben definiert wirksames Verfahren angewendet werden. Für den Erfolg der Sterilisation
sind auch die Art des Sterilguts, die Verpackung und die Beladungskonfiguration von
Bedeutung. Es ist zweckmäßig, sachgerechte Verpackungs- und Beladungsmuster z. B.
durch Fotodokumentation zu definieren. Der formale Beleg über die Erfüllung dieser
Anforderungen und die Berücksichtigung ggf. störender Einflussfaktoren erfolgt bei
der Validierung.
Der Anwendung thermischer Sterilisationsverfahren mit Sattdampf (bei 121 °C oder wegen
der Prionensicherheit besser 134 °C) ist aufgrund ihrer zuverlässigen Wirksamkeit
und guten parametrischen Überwachung der Vorzug zu geben (siehe DIN EN ISO 17665,
DIN EN ISO 13060, DIN EN 285).
Grundsätzlich ist auch die Anwendung von Heißluft ein Verfahren, das es erlaubt, einfach
aufgebaute thermostabile Instrumente zu sterilisieren (siehe DGKH-Empfehlungen für
die Validierung und Routineüberwachung von Sterilisationsprozessen mit trockener Hitze
für Medizinprodukte). Eine Anwendung bei komplexeren MP (z. B. Kritisch-B-MP) wird
allerdings allgemein beanstandet.
Kennzeichnung: Aufbereiteten MP sind Informationen beizugeben, die unter Berücksichtigung
des Ausbildungs- und Kenntnisstands des vorgesehenen Anwenderkreises und der Komplexität
des MP eine sichere Anwendung ermöglichen.
Auf der Verpackung des MP, ggf. auf dem MP selbst, müssen für den Anwender erkennbar
angebracht sein:
•
Name des Herstellers und ggf. Modell, Größe, Chargen- oder Seriennummer,
•
Angaben zur Unterscheidung zwischen freigegebenen und nicht freigegebenen MP (auch
wenn die Aufbereitung mit einer Desinfektion endet),
•
Angaben, die die Entscheidung über zeitabhängige Aspekte der gefahrlosen Anwendung
des MP erlauben, z. B. Chargenkennzeichnung und Sterilisierdatum, ggf. vom Hersteller
angegebenes Verfallsdatum bzw. Sterilgutlagerfrist, sofern diese kürzer ist als das
Verfallsdatum,
•
ggf. Hinweise zur technisch-funktionellen Prüfung und Sicherheit,
•
bei Aufbereitung durch Dritte Name und Anschrift des Unternehmens.
Ist die Anzahl der möglichen Aufbereitungen bei einem Medizinprodukt vom Hersteller
festgelegt, müssen zusätzlich Anzahl und Art der durchgeführten Aufbereitungen erkennbar
sein.
Freigabe zur Anwendung: Die Aufbereitung von MP endet mit der Freigabe zur Anwendung.
Diese erfolgt auf der Basis der Übereinstimmung der bei der Aufbereitung jeweils ermittelten
Prozessparameter mit denen der Validierungsprotokolle und schließt die Durchführung
sowie die Dokumentation der täglichen Routineprüfungen, die Überprüfung und Dokumentation
des vollständigen, korrekten Prozessverlaufs (chargenbezogene Routineprüfungen und
Chargendokumentation), die Überprüfung der Verpackung auf Unversehrtheit und Trockenheit
sowie die Überprüfung der Kennzeichnung ein.
Die die Aufbereitung beschreibenden SOPs müssen auch die Art und Dokumentation der
Freigabeentscheidung und das Vorgehen bei Abweichungen vom korrekten Prozessablauf
enthalten.
Dokumentation:
Die im Rahmen der Medizinprodukteaufbereitung:Dokumentation
Dokumentation:MedizinprodukteaufbereitungAufbereitung erfassten Messwerte der Prozessparameter
und die Freigabeentscheidung sind mit Bezug auf die freigebende Person und die Charge
zu dokumentieren und gemäß § 9 Abs. 2 MPBetreibV aufzubewahren.
Die Aufzeichnungen und Nachweise sind den zuständigen Behörden auf Verlangen vorzulegen.
Transport und Lagerung: Transport und Lagerung dürfen die Eigenschaften des aufbereiteten
MP nicht nachteilig beeinflussen. Bei der Lagerung von aufbereiteten MP sind die Angaben
des Herstellers des MP und des Verpackungsmaterials zu berücksichtigen.
2.9.7
Validierung: Beleg der Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsleistung
Medizinprodukteaufbereitung:Schritte\""\r""MPAufbereitungEinzelschr Weder das mit
der Desinfektion angestrebte Ziel der „Keimarmut“ noch das mit der Sterilisation verfolgte
Ziel der „Sterilität“ sind an dem aufbereiteten MP unmittelbar erkennbar. Bei Desinfektion
und Sterilisation handelt es sich um Prozesse, deren Effektivität nur durch Anwendung
validierter Verfahren und durch Überwachung von relevanten Prozessparametern, die
im Rahmen der Validierung definiert werden, belegt werden kann.
Die Validierung soll dem MP und seiner Risikobewertung und Einstufung angemessen sein.
Die produktspezifische Validierung von Aufbereitungsprozessen wird in der Regel vom
Hersteller durchgeführt (DIN EN ISO 17664). Soweit keine einheitlichen Produktchargen
gebildet werden können, müssen die dokumentierten Prüfungen im Rahmen der Validierung
an Produkttypen bzw. Prüfmodellen erfolgen, die nachweislich repräsentativ für alle
wesentlichen Merkmale der zu bildenden Gruppe von MP anzusehen sind.
Die Validierung resultiert in einem Dokument, aus dem hervorgeht, auf welche Weise
ein zuvor definierter Zustand (z. B. Sterilität) reproduzierbar erbracht wird. Dieses
Dokument enthält auch Angaben darüber, welche Daten für die Überwachung des Prozesses
erforderlich sind und wie diese Daten zu interpretieren sind.
Die Qualität der maschinellen Aufbereitung wird in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahren
der Reinigung/Desinfektion und Sterilisation durch folgende Prüfungen sichergestellt
(s. auch jeweils aktuelle mandatierte Normen DIN EN ISO 15883, DIN EN ISO 17665):
•
eine Inbetriebnahmeprüfung (bestehend aus Installations-, Betriebs- und Leistungsqualifikation),
•
tägliche Routineprüfungen,
•
chargenbezogene Routineprüfungen,
•
messtechnische Überwachung und Prüfung der Verfahrensparameter,
•
periodische Prüfungen (erneute Leistungsbeurteilung).
Die zu prüfenden Parameter und die ggf. zu verwendenden Reinigungs- und Chemoindikatoren
ergeben sich aus dem Validierungsprotokoll.
Bei Reinigungs- und Desinfektionsverfahren sind speziell maschinelle Verfahren validierbar
(s. DIN EN ISO 15883). Überwachungs-, Kontroll- und Warnsysteme der Maschinen stellen
die Voraussetzungen für eine gesicherte Reinigung und Desinfektion und damit Aufbereitung
dar.
Manuelle Reinigungs- und Desinfektionsverfahren sind schwieriger zu standardisieren
und daher weniger zuverlässig reproduzierbar. Sofern sie eingesetzt werden, müssen
sie stets nach SOPs und mit auf Wirksamkeit geprüften und materialverträglichen Mitteln
und Verfahren durchgeführt werden.
Sterilisationsverfahren sind unter der Voraussetzung ihrer Anwendung bei rückstandsfrei
gereinigten MP vollständig validierbar.
2.10
Rationale prophylaktische Antibiotikaanwendung
2.10.1
Grundlagen der perioperativen Antibiotikaprophylaxe (PAP)
Medizinprodukt(e):Aufbereitung"\t""Siehe MedizinprodukteaufbereitungHannes Wacha1
1
In Deutschland werden ca. 6,4 Mio. Operationen jährlich in Krankenhäusern mit einer
durchschnittlichen postoperativen Wundinfektionsrate (Antibiotika:Anwendung, prophylaktische"\t""Siehe
AntibiotikaprophylaxeSSI-Rate, entsprechend der anglo-amerikanischen Literatur SSI
= surgical site infection: es werden alle Infektionen nach chirurgischen Eingriffen
[oberflächliche, tiefe Infektionen und Infektionen von Organen und Körperhöhlen] genannt)
von 2 % (Gastmeier et al. 2004; siehe auch deutsche Fassung der Literaturstelle von
Gastmeier und v. a. BQS Portal: hier werden die Daten von unseren Kollegen in Deutschland
unter CDC A1–A3 den SSI-Definitionen nach dokumentiert) durchgeführt. Uneinheitlich
verwendete Definitionen der SSI (Barie 2002) und Verkürzung der Verweildauer erschweren
möglicherweise die exakte Erfassung, sodass vermutlich mit einer höheren SSI-Rate
gerechnet werden muss. Sie kann nach aseptischen Eingriffen bis zu 5 % und nach intraabdominellen
Eingriffen bis zu 40 % betragen (Bratzler und Houck 2004, Rovera et al. 2005).
Mit jeder SSI (Definition nach CDC, s. o.) steigt das Risiko weiterer Komplikationen.
Eine effektive PAP besitzt somit ein bedeutendes Präventionspotenzial (einschließlich
Kostensenkung).
Empfehlungen und Leitlinien sowie die Einführung von Kontrollsystemen können die Prophylaxe
verbessern, sie aber nicht flächendeckend etablieren (Rüden et al. 1997, Bratzler
et al. 2005, Warters et al. 2006, Forbes et al. 2008, Kritchevsky et al. 2008, Papaioannidou
et al. 2008, Pan et al. 2009). Vorschläge zur Verbesserungen beinhalten z. B. Checklisten
im Rahmen von Anästhesieprotokollen und die lückenlose Dokumentation der Maßnahmen
zur perioperativen Prophylaxe (Wax et al. 2007, Willemsen et al. 2007, Fry 2008, Rosenberg
et al. 2008, Haynes et al. 2009). Selbst bei leitlinienkonformer PAP werden jedoch
nicht in allen Fällen ausreichende Wirkspiegel erreicht (Caffarelli et al. 2006, Dalley
et al. 2007, Koopman et al. 2007). Dies hängt zum einen von der Substanzwahl, zum
anderen vom Patienten ab.
Prospektiv randomisierte Studien belegen die Wirksamkeit der PAP, wobei neben dem
Grad der bakteriellen Besiedlung und der Wundklassifikation (Cruse und Foord 1980;
Tab. 2.23) je nach Wundkategorie ein individuelles Infektionsrisiko und patienteneigene
sowie OP-bedingte Besonderheiten bei der Indikationsstellung zu be-
rücksichtigen sind. Empfehlungen können daher nicht nur auf der Basis evidenzbasierter
klinischer Studien und Metaanalysen erarbeitet werden, sie müssen auch gut ausgewiesene
experimentelle und klinische Studien berücksichtigen, die nachweislich wundunabhängige
Risikofaktoren für eine SSI oder infektiöse Komplikationen (z. B. Pneumonie, Harnweginfektion,
Sepsis) anderer Art beinhalten.
Definition
Die PAP besteht bei operativen Eingriffen i. d. R. in einer kurzzeitigen, meist einmaligen
Gabe eines Antibiotikums kurz vor, bei Beginn oder spätestens während des Eingriffs.
Sie kann evidenzbasierte Hygienerichtlinien zur SSI-Prävention nicht ersetzen.
Die Vermeidung anderer postoperativer Komplikationen wie Sepsis, Pneumonie, Harnwegsinfektionen
oder Meningitis wurde bisher durch wenige Studien differenziert betrachtet (El-Mufti
et al. 1989, Dietrich et al. 2002, Susman 2003, Barker 2007, Falagas et al. 2008).
Die Effektivität für diese Komplikationen wurde bislang vornehmlich aus Studien abgeleitet,
die mit dem Ziel der Analyse von SSI-Raten durchgeführt wurden (Wacha 2007).
Indikation
Die Indikation wird anhand der Wundklassifikation und aufgrund zusätzlicher Risikofaktoren
des Patienten gestellt.
Bei allen Patienten mit der Wundklassifikation „kontaminiert“ und „schmutzig“ wird
die PAP unabhängig von weiteren Faktoren durchgeführt. Auch bei aseptischen Eingriffen
mit Fremdkörperimplantation ist die PAP etabliert. Bei „sauberen“ und „sauber-kontaminierten“
Eingriffen oder Wunden ist die Indikation abhängig vom Vorliegen von Risikofaktoren
(Tab. 2.22
) zu prüfen. Bei besonders schwerwiegenden Infektionskomplikationen (z. B. nach intrakraniellem
Eingriff) wird die PAP unabhängig von Risikofaktoren empfohlen.
Tab. 2.22
Risikofaktoren
Patienteneigene Faktoren
Chirurgische Faktoren
Präoperativ
Intraoperativ
Postoperativ
•
Alter (Zunahme pro Dezennium; Lizan-Garcia et al. 1997, Zelenitsky et al. 2000)
•
Diabetes mellitus (Zelenitsky et al. 2000)
•
Immuninkompetenz
•
Reduzierter Allgemeinzustand
•
Übergewicht (Lofgren 2005, Itani et al. 2008)
•
Mangelernährung
•
ASA-Score > II (Iribarren und Araujo 2006)
•
MRSA-Träger
•
Fieber/Schüttelfrost innerhalb einer Woche vor OP
•
Weibliches Geschlecht bei Eingriffen am Kolon, Kardiochirurgie (Salehi et al. 2007)
•
Männliches Geschlecht nach Trauma, in der Gefäßchirurgie, bei Kniegelenkersatz (Jamsen
et al. 2009)
•
Dialysepatienten
•
Hepatitis
•
Stoma (Zelenitsky et al 2000)
•
Drogenabusus
•
Infektionen anderer Lokalisation
•
Arterielle Mangeldurchblutung
•
Periphere Ödeme
•
Lymphangitis
•
Neuropathie
•
Vorausgegangene Antibiotikatherapie (Garcia Prado et al. 2008)
•
Rauchen (Khan et al. 2006)
•
Linksherzversagen (Rosmarakis et al. 2007) nach koronarem Bypass
•
Bakterielle Translokation bei Laparotomie (MacFie et al. 2006)
•
Rheumatoide Arthritis bei Kniegelenkersatz (Jamsen et al. 2009)
•
Zirrhose 45
•
Notfall-OP
•
Längerer präoperativer Krankenhausaufenthalt
•
Falsche Wahl des Antibiotikums
•
Zeitpunkt der Antibiotikagabe: > 2 h zu früh oder zu spät (Classen et al. 1992)
•
Wundklassifikation kontaminiert-schmutzig
•
Vorbestrahlung
•
Hochrisiko-OP
•
Rezidiveingriffe
•
Steine im Gallengang, Gallengangverschluss
•
Erhöhtes CRP
•
Fremdkörperimplantation
•
Rasur nicht unmittelbar vor OP
•
Präoperative Urinkatheter (Pessaux et al. 2005)
•
Vorausgegangene (neurochirurgische) Eingriffe (Lietard et al. 2008)
•
Erfahrung des Chirurgen (Medina et al. 1997, Gislason et al. 1999)
•
OP-Dauer > 2 h (Zunahme je Stunde)
•
Infizierter OP-Bereich
•
Kontaminierter OP-Bereich
•
Bluttransfusion, Albuminzufuhr
•
Lange Anästhesiedauer
•
Mehr als ein operativer Eingriff
•
Diathermie
•
Sauerstoffabfall
•
Unterkühlung (Scott 2006)
•
Wundstapler
•
Unvorhersehbare Komplikationen
•
OP-Technik (Nichols et al. 2005)
•
Unterkühlung
•
Ineffektive Wirkspiegel (Zelenitsky et al. 2000)
•
Drainagedauer > 3 d
•
Respiratorische Sepsis
•
Invasive Techniken, Urinkatheter, Thoraxdrainage, Nasensonde, ZVK
•
Nachweis von Enterokokken, Enterobakterien, B. fragilis in der Wunde
•
Dialyse (Centofanti et al. 2007)
•
Frühe Re-OP wegen Blutungen (Centofanti et al. 2007)
•
Leak der Zerebrospinalflüssigkeit, externer Shunt (Lietard et al. 2008)
(mod. nach Wacha, ergänzt durch Studien).
Erweiterte Indikation bei Vorliegen von Risikofaktoren
Unabhängig von der Art des Eingriffs wurden Risikofaktoren aus unterschiedlichsten
Patientenkollektiven und Studien zusammengetragen und konnten in einzelnen Untersuchungen
als statistisch signifikante Faktoren ausgewiesen werden. Es kann eine Einteilung
in patienteneigene, prä-, intra- und postoperative Risikofaktoren vorgenommen werden
(Tab. 2.22).
Patienteneigene Risikofaktoren sind natürliche, nicht änderbare Risiken wie Alter
oder Geschlecht, aber auch nicht korrigierbare Defizite bei dringlichen Eingriffen
wie Diabetes mellitus, Immunabwehrschwäche, reduzierter Allgemeinzustand, Übergewicht
und Mangelernährung. Patienten mit karzinombedingter chirurgischen Intervention besitzen
ein signifikant erhöhtes SSI-Risiko und sollten grundsätzlich eine PAP erhalten. Die
Auswahl des Antibiotikums muss die Lokalisation des Tumors berücksichtigen.
Wichtige präoperative Risikofaktoren sind ergänzend zu Tabelle 2.22 lokale Faktoren
wie Staphylokokkeninfektionen, Mangeldurchblutung, Ödeme, Bestrahlung, Begleiterkrankungen
der Haut, Art des Eingriffs. Vor allem ein Mangel an Können und Erfahrung des Operateurs
und eine Eingriffsdauer > 2 Stunden erhöhen das Risiko, während es durch atraumatische
OP-Technik mit subtiler Blutstillung reduziert wird. Bluttransfusionen, Albuminzufuhr,
Anästhesiedauer, Diathermie und Wundstapler sind ebenfalls von Einfluss.
Im postoperativen Verlauf haben insbesondere invasive Techniken (z. B. Urinkatheter,
Nasensonden, Drainagen) sowie spezielle Besiedelungen hohe Bedeutung (Tab. 2.22).
Eine generelle PAP bei allen aseptischen Eingriffen wird derzeit noch abgelehnt. Es
gibt aber zahlreiche Hinweise, dass besonders Patienten mit Infektionsrisiken bei
aseptischen Eingriffen von einer PAP profitieren. Jede PAP birgt jedoch das Risiko
einer Resistenzentwicklung und der Selektion von Erregern mit bereits bestehender
Unempfindlichkeit gegenüber gebräuchlichen Antibiotika (Ulger et al. 2005).
Zeitpunkt, Dauer und Dosierung
Initiale Empfehlungen zum Applikationszeitpunkt einer wirksamen PAP gehen auf tierexperimentelle
Untersuchungen von Burke zurück (Burke 1977).
Die effektive Periode, in der die PAP SSI signifikant reduziert, ist 1 Stunde vor
bis 2 Stunden nach Beginn des Eingriffs, spätestens jedoch vor Wundverschluss (Bates
et al. 1989, Classen et al. 1992, Weber et al. 2008). Im klinischen Routineablauf
bietet sich bei i. v. Verabreichung der Zeitpunkt der Narkoseeinleitung, also etwa
30–60 Minuten vor der Inzision an.
Der späteste noch sinnvolle Zeitpunkt für eine Antibiotikaprophylaxe ist intraoperativ,
z. B. beim Auftreten von Komplikationen. Die SSI-Rate nimmt mit jeder Stunde nach
dem Hautschnitt signifikant zu, wenn die Antibiotikagabe verzögert wird oder die Applikation
länger als 1 Stunde vor OP-Beginn erfolgt. Eine Antibiotikagabe nach Wundverschluss
hat keinen Einfluss auf die SSI-Rate.
Da das optimale Zeitfenster auch von patientenabhängigen pharmakokinetischen Parametern
der eingesetzten Substanzen und der Art der Applikation (Bolusgabe, Kurz-, Dauerinfusion)
abhängig ist, ist eine möglichst zur Inzision zeitnahe Verabfolgung bei heute verwendeten
moderneren Antibiotika mitkürzeren Halbwertszeiten und rascher Verteilung in die Kompartimente
wünschenswert (Zelenitzky et al. 2000). Der Nutzen einer Dauerinfusion von β-Lactam-Antibiotika
wird diskutiert (Waltrip et al. 2002, Suffoletta et al. 2008). Bei der Dosierung sollten
erhöhte oder erniedrigte Verteilungsräume der Patienten berücksichtigt werden. Einen
Hinweis können Körpermasse, Body Mass Index, Einlagerungen, Drainagen u. a. geben.
Eine Standarddosierung kann nur unter Idealbedingungen erfolgen. Bei heute üblichen
Substanzen sind häufig höhere Dosierungen notwendig (Hutschala et al. 2007).
Die einmalige Gabe des Antibiotikums ist für eine effektive Prophylaxe bei einer OP-Dauer
< 2 Stunden ausreichend und der mehrmaligen Gabe bei Eingriffen unterschiedlicher
Kategorie (kontaminiert bis aseptisch) nicht unterlegen (Su et al. 2005, Fujita et
al. 2007, Hutschala et al. 2007, Carignan 2008, Hellbusch et al. 2008, Suehiro et
al. 2008). Bei länger dauernden Eingriffen sollte eine Folgedosis in Abhängigkeit
von der Halbwertszeit des Antibiotikums verabreicht werden. Eine Antibiotikagabe darüber
hinaus gilt als Therapie und nicht als Prophylaxe. Sie kann notwendig werden, wenn
Infektionsherde operativ nicht vollständig beseitigt werden konnten (z. B. bei septischer
Cholangitis, eitriger Peritonitis, nach Appendix- oder Divertikelperforation u. a.)
und ein anhaltend hohes Infektionsrisiko für dem Patienten besteht. Bei Eingriffen
an Extremitäten in Blutleere wurden üblicherweise die Antibiotikagabe 10 Minuten vor
Anlegen der Blutsperre und eine Folgedosis nach Eröffnen der Blutsperre empfohlen.
Auswahl
Die Auswahl erfolgt vorrangig nach dem erwarteten Erregerspektrum, das aus der normalen
bzw. pathologischen Besiedlung des OP-Gebiets und seiner unmittelbaren Haut- und Schleimhautumgebung
resultiert. Falls möglich, sollte sich die Auswahl am Ergebnis der mikrobiologischen
Diagnostik orientieren (Zutt et al. 2003). Antibiotika zur PAP sollten ihre Wirksamkeit
in klinischen Studien bewiesen haben, nebenwirkungsarm und kostengünstig sein.
Um das Zeitfenster optimal für die prophylaktische Wirkung des Antibiotikums zu nutzen,
müssen sich Applikationsart und Dosis nach dessen Eigenschaften richten. Es gibt nur
wenige klinische Studien, die pharmakokinetische Daten, Applikationszeitpunkt und
Substanzwahl mit SSI-Raten korrelieren.
Die MHK für relevante Erreger werden bei parenteraler Gabe eines β-Lactam-Antibiotikums
im Serum und Gewebe i. d. R. innerhalb weniger Minuten erreicht (Wittmann et al. 1982).
Die Pharmakokinetik der Antibiotika im Serum Betalactam-Antibiotikum, perioperative
Antibiotikaprophylaxekorreliert mit der Dauer der Wirksamkeit im Gewebe (Novelli 1999).
Pharmakokinetische Parameter ändern sich mit der Substanz und den Organfunktionen
des Patienten. β-Lactam-Antibiotika mit Halbwertszeiten von 1–2 Stunden wie Cefazolin,
Cefuroxim oder Aminopenicilline/β-Lactamaseinhibitor (BLI) sollten möglichst zeitnah
zum Eingriff gegeben und intraoperativ nach 2 Stunden OP-Dauer wiederholt werden (Aminopenicilline,
perioperative AntibiotikaprophylaxeColombo et al. 1998). Der Vorteil der β-Lactame
mit langer Halbwertszeit (z. B. Ceftriaxon) liegt in der Einmalgabe auch bei länger
dauernden Eingriffen.
Aminoglykoside, falls überhaupt eingesetzt, müssen hoch dosiert (Gentamicin 4,5 mg/kg
Körpermasse) werden (Zelenitsky et al 2000, Zelenitzky et al. 2002), um Aminoglykoside:perioperative
Antibiotikaprophylaxeeffektive Spiegel auch bei Wundverschluss zu erreichen. Der Stellenwert
der Aminoglykoside in der perioperativen Prophylaxe ist heute gering.
Primäres Ziel der PAP ist die Senkung der SSI-Rate, sekundäres Ziel die Vermeidung
lokaler und systemischer postoperativer Infektionskomplikationen.
Die PAP sollte risikoadaptiert und individualisiert erfolgen.
Eine zu frühe Gabe des Antibiotikums ist nutzlos. Die Fortführung der PAP über die
OP hinaus als präventive Therapie bedarf besonderer Indikation.
Bei der Auswahl des Antibiotikums sind Risikoprofil und regionale Epidemiologie zu
berücksichtigen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei möglichen sekundären Infektionen,
die v. a. durch gramnegative Erreger verursacht werden. Es sollten nur Substanzen
eingesetzt werden, bei denen entsprechende Indikationen nachgewiesen sind. Die meisten
Erfahrungen liegen für den Einsatz der β-Lactam-Antibiotika vor. Die Auswahl der Substanzen
orientiert sich in erster Linie am Erregerspektrum und an der Pharmakokinetik.
Für den individuellen Patienten ist das Risiko der Resistenzentwicklung gering. Das
gilt jedoch nicht für das Gesamtkollektiv einer Klinik.
Ökonomische Gesichtspunkte sind wichtig, auch wenn die Kosten der PAP geringer sind
als die Kosten postoperativer Infektionskomplikationen.
2.10.2
Chirurgie
Stefan Maier und Claus-Dieter Heidecke Die sozioökonomische Bedeutung der SSI wird
anhand der KISS-Daten deutlich. So traten in Deutschland in den beteiligten Einrichtungen
zwischen 1997 und 2004 bei 360.000 Operationen 6.800 SSI auf. Hochgerechnet auf die
jährlich in Deutschland durchgeführten 5.000.000 Operationen, bedeutet das in Deutschland
pro Jahr etwa 94.500 Patienten mit einer SSI mit durchschnittlich 3.000 Euro Mehrkosten,
um 6,5 Tage verlängerten Krankenhausaufenthalt, Belastung für die Versicherungssysteme
von fast 300.000.000 Euro Mehrkosten und 614.000 zusätzliche Krankenhausbehandlungstage.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass SSI ein unabhängiger Risikofaktor für Letalität
oder intensivmedizinische Behandlung im postoperativen Verlauf darstellen.
Einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von SSI leistet die PAP. Von den zahlreichen
Empfehlungen soll die der PEG (2010) genannt werden.
Ziel der PAP
Vermeidung von SSI.
Es gibt zwar Daten, die darauf hindeuten, dass auch das Auftreten postoperativer Pneumonien
oder intraabdomineller Infektionen (Abszesse) positiv beeinflusst wird, diese sind
aber bisher nicht ausreichend valide und stammen meist aus nachträglichen Auswertungen
von Studien, deren primärer Endpunkt das Auftreten von SSI war. Hervorzuheben ist,
dass die PAP nicht etwa weitere hygienische Maßnahmen ersetzen kann (also kein Ausgleich
für unzureichende Hygiene), sondern ein Mosaikstein im Gesamtkonzept der Prävention
von SSI ist.
Indikation
Die Indikation ergibt sich aus der Wundklassifikation (Tab. 2.23
) und zusätzlichen Risikofaktoren.
Tab. 2.23
PAP anhand der WundklassifikationWundklassifikation
Art der OP
Merkmale
PAP
Sauber
Atraumatische OP-Technik, OP im nicht entzündlichen OP-Gebiet, primärer Wundverschluss,
einwandfreie chirurgische Technik, Eingriffe am Oropharynx, Respirations-, Gastrointestinal-,
Urogenitaltrakt nicht eröffnet
Risiko?
Sauber-kontaminiert
Kleinere intraoperative technische Fehler, Eingriffe im Gastrointestinal-, Respirations-,
Urogenitaltrakt ohne „signifikante“ Kontamination, keine Drainage
PAP
Kontaminiert
Intraoperative technische Fehler, offene, frische Wunde, purulente akute Entzündung
im OP-Gebiet, Eröffnung des infizierten Urogenital- oder Respirationstrakts, Darmeröffnung
mit massivem Austritt von Darminhalt, traumatische Wunde
PAP
Schmutzig
Akute bakterielle Infektionen ohne sichtbaren Eiter, Durchtrennung von sauberem Gewebe
zur Eröffnung von Abszessen bzw. Eiteransammlungen, traumatische Wunden mit devitalisiertem
Gewebe/Fremdkörperentfernungen, Kontamination mit Fäzes, traumatische Eingriffe
Antibiotikatherapie
nach Cruse und Foord (1973).
Bei sauberen Eingriffen ist die PAP nur bei Vorliegen eines zusätzlichen Risikofaktors
(Tab. 2.24
) indiziert.
Bei sauber-kontaminierten oder kontaminierten Eingriffen besteht in jedem Fall die
Indikation zur PAP. Bei schmutzigen Eingriffen ist die einmalige PAP im Regelfall
nicht ausreichend, hier sollte eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Tab. 2.24
Risikofaktoren für SSI.Surgical Site Infection\t\"Siehe SSISSI:Risikofaktoren
Risikofaktor
Patienteneigen
Alter, Diabetes mellitus, Immuninkompetenz, reduzierter Allgemeinzustand, Übergewicht,
Mangelernährung, ASA-Score > 2, MRSA-Träger, Dialyse, Lebererkrankung, Infektionen
anderer Lokalisation, Tumorerkrankung
Präoperativ chirurgisch
Notfall-OP, längerer präoperativer Krankenhausaufenthalt, Vorbestrahlung, Rezidiveingriffe,
Fremdkörperimplantation, Rasur nicht unmittelbar vor OP
Intraoperativ chirurgisch
Erfahrung des Chirurgen, OP-Dauer > 2 h, infizierter OP-Bereich, Bluttransfusion,
Kombination von Eingriffen, Diathermie, Unterkühlung, komplikative OP
Postoperativ chirurgisch
Drainagedauer > 3 d, pulmonale Sepsis, Unterkühlung, Katheter
Zeitpunkt und Häufigkeit der Applikation
Das Fenster, in dem die PAP sinnvoll ist, reicht von 1 Stunde vor bis 2 Stunden nach
dem Hautschnitt.
Der ideale Zeitpunkt liegt bei 30–60 Minuten vor OP-Beginn und sollte demnach am besten
im Rahmen der Narkoseeinleitung durch den Anästhesisten erfolgen.
Häufiges Problem ist die zeitgerechte Anwendung vor dem Hautschnitt, da hier mehrere
OP-vorbereitende Maßnahmen gleichzeitig ablaufen, der Patient von der Pflege zur Anästhesie
zum Chirurgen übergeben wird, die Zuständigkeit für die PAP in der gemeinschaftlichen
Verantwortung von Anästhesist und Chirurgen liegt und leicht vergessen werden kann.
Ein Lösungsansatz besteht in der Verwendung präoperativer Checklisten, wie sie von
der WHO empfohlen werden.
Die PAP erfolgt als Einmalgabe. Lediglich bei lang andauernden Eingriffen (> 3 Stunden)
wird eine zweite Dosis empfohlen.
Jede weitere Antibiotikagabe gilt als Therapie.
Auswahl des Antibiotikums
Die Auswahl richtet sich nach dem erwarteten Erregerspektrum.
Insbesondere muss unterschieden werden, ob eher eine Infektion durch Hautflora wahrscheinlich
ist (z. B. bei Implantaten in der Traumatologie/Orthopädie) oder Infektionen durch
Enterobacteriaceae auftreten können (z. B. elektive Kolonchirurgie). Im letzteren
Fall sollten bei der Wahl des Chemotherapeutikums Anaerobier mit berücksichtigt werden.
Wenn diese durch das eigentliche Antibiotikum der Wahl nicht abgedeckt sind, kann
durch Hinzunahme von 500 mg Metronidazol die Lücke geschlossen werden.
Folgende weitere Kriterien sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden:
•
In der lokalen Erreger- und Resistenzsituation gibt es regional teilweise dramatische
Unterschiede, die einer allgemeingültigen Empfehlung entgegenstehen.
•
In einigen Richtlinien findet sich noch die Empfehlung, zur PAP Antibiotika zu verwenden,
die nicht in der Therapie zum Einsatz kommen. In einigen Fällen führt das dazu, dass
Substanzen verwendet werden, die aufgrund unbefriedigender Resistenzlage nicht mehr
zur Therapie verwendet werden. Wir sind der Ansicht, dass die PAP nur dann sinnvoll
ist, wenn sie wirksam ist. Entsprechend muss das Präparat gewählt werden.
•
In einigen Richtlinien wird die Wahl des Antibiotikums vom OP-Gebiet abhängig gemacht.
Es werden Untergruppen gebildet wie Magen-, Ösophagus-, Pankreas-, Leber- oder Darmchirurgie.
Die Antibiotika, die dann empfohlen werden, unterscheiden sich in den meisten Fällen
nicht. Darüber hinaus ist feststellbar, dass die Umsetzung einer Empfehlung unmittelbar
mit der Komplexität korreliert. Dementsprechend sollte eine möglichst einfache, generelle
PAP für alle OP-Gebiete erfolgen.
Gemäß PEG-Empfehlung (2004) sind folgende Präparate bei der PAP in der Viszeralchirurgie
sinnvoll:
•
Cephalosporine der Gruppe II + Metronidazol,
•
Cephalosporine der Gruppe IIIa + Metronidazol,
•
Aminopenicilline mit β-Lactamase-Inhibitor,
•
Fluorchinolone der Gruppe 2/3 + Metronidazol.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Resistenzen bei E. coli (Leiterreger der SSI
mit Enterobacteriaceae) gegenüber Ampicillin/Sulbactam in zahlreichen Regionen so
weit angestiegen sind, dass eine Verwendung zur PAP nicht mehr vertretbar ist.
Ersatzpräparate bei Allergien: Bei Allergien gegen Penicilline können Fluorchinolone
der Gruppe 2/3 + Metronidazol eingesetzt werden.
Erregerspektrum: In der Viszeralchirurgie sind die Hauptverursacher von SSI Enterobacteriaceae
(E. coli > Klebsiella > Pseudomonas > Proteus spp.). Das deutet darauf hin, dass der
Ursprung bei diesen Patienten „aus der Tiefe“ kommt, entweder durch intraoperative
Kontamination, postoperative Translokation oder Fortleitung einer okkulten intraabdominellen
Infektion (z. B. Abszess) und nicht durch unzureichende Hy
giene bei der postoperativen Wundpflege, wie häufig vermutet wird.
Substanzeinsatz bei gleichzeitigen Klappenvitien: In den meisten Fällen lässt sich
die Indikation für die Endokarditisprophylaxe problemlos mit der PAP durch Verwendung
einer Substanz kombinieren. Hier wird auf die Empfehlungen der Fachgesellschaften
verwiesen.
PAP unter laufender antibiotischer Therapie: Wird eine antibiotische Therapie entsprechend
den Empfehlungen zur PAP in Bezug auf Dosierung und Zeitpunkt durchgeführt, kann von
ausreichenden Wirkspiegeln ausgegangen werden, sodass eine zusätzliche PAP i. d. R.
nicht erforderlich ist.
2.10.3
Unfallchirurgie und Traumatologie
Peter Hinz, Axel Kramer, Matthias Frank und Axel Ekkernkamp
SSI-Risiko
Die SSI-Rate wird für geschlossene Frakturen mit 1–5 % angegeben und erreicht bei
offenen Frakturen in SSI-Risiko:TraumatologieAbhängigkeit vom Ausmaß der Gewebezerstörung
eine Häufigkeit SSI-Risiko:Unfallchirurgiebis 43 %. Elektive unfallchirurgische Eingriffe
zeigen mit bis zu 2 % eine deutlich geringere SSI-Rate (Seifert et al. 2010). In Deutschland
ergaben aktuelle KISS-Daten (1/2005–12/2009) eine SSI-Rate bei Hüftendoprothesen (HTEP)
von 0,9 % (elektive HTEP bei Arthrose) bis 2,7 % (ungeplante HTEP bei Fraktur), bei
Knieendoprothesen (KTEP) um 0,8 %. In einer niederländischen Studie betrug die SSI-Rate
nach elektiver HTEP 2,6 % mit dem höchsten Wert (OR 2,8) bei PAP erst nach der Inzision
(van Kasteren et al. 2007).
Indikationen
Analog wie in der Chirurgie ergibt sich die Indikation für die PAP aus der Wundklassifikation
und zusätzlichen Risikofaktoren (Kap. 2.10.1).
Die i. v. Single-Shot-PAP ist indiziert und präventiv wirksam bei sauber-kontaminierten
oder kontaminierten Eingriffen. Bei sauberen Eingriffen ist die PAP wirksam bei folgenden
Risikoeingriffen: Osteosynthesen, Hüft- und Knieendoprothesen, Rückenmarkchirurgie
sowie offene Reposition und interne Fixation von Frakturen (Prokuski 2008).
Frakturen: Gegenstand von Analysen ist in der Versorgung offener Frakturen v. a. die
Frage einmalige PAP oder Antibiotikaprophylaxe:Frakturenverlängerte postoperative
Gabe des Antibiotikums, da letzteres oft noch Fraktur(en):Antibiotikaprophylaxeals
Standard angesehen wird. Hauser et al. (2006) gelangten im Ergebnis einer Metanalyse
zu folgenden Schlussfolgerungen:
•
„The current „standards“ of antibiotic prophylaxis for open long-bone fractures are
based on very little, and in some cases no, direct evidence.“
•
„A short course of first-generation cephalosporins, begun as soon as possible after
injury, significantly lowers the risk of infection when used in combination with prompt,
modern orthopedic fracture wound management.“
Diese Aussagen werden durch folgende RCT-Studie bestätigt. Bei Frakturen der Grade
1 und 2 ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen der SSI-Rate von 6,6 %
bzw. 8 % bei einmaliger Gabe von 800 mg Pefloxacin i. v. bzw. verlängerter Antibiotikagabe
von Cefazolin über 2 Pefloxacin, Antibiotikaprophylaxe, FrakturenTage (4 × 1 g/d,
d. h. Gesamtdosis 8 g), gefolgt von 3 Tagen Oxacillin oral (1 g/d; Carsenti-Etesse
et al. 1999). Im Ergebnis einer weiteren Metaanalyse konnte auch bei geschlossenen
Long-bone-Frakturen keine Oxacillin, Antibiotikaprophylaxe, FrakturenÜberlegenheit
einer multiplen im Vergleich zur Single-Shot-Strategie nachgewiesen werden (Slobogean
et al. 2008).
Auch zur Auswahl der Antibiotika ist die Studienlage nicht eindeutig. Beim Vergleich
der PAP (RCT-Studie) von Ciprofloxacin mit Mandokef (Cefamandol, 2. Generation der
Cephalosporine)/Gentamicin war der Unterschied bei Frakturen Grad 3 mit 31 % vs. 7,7
% signifikant, nicht dagegen bei Grad 1 und 2 mit 5,8 % vs. 6 %. Während Mandokef
sowohl Gentamicin, Antibiotikaprophylaxe, Frakturengegen grampositive (auch β-Lactamase-bildende
Stämme) und gramnegative Bakterien (H. influenzae, P. mirabilis, Streptokokken, E.
coli, K. pneumoniae) als auch gegen Anaerobier (außer B. fragilis) wirksam ist, ist
Gentamicin v. a. gegen gramnegative Erreger wirksam. Aufgrund der Resistenzsituation
am Greifswalder Klinikum wird anstelle von Mandokef Cefazolin als Cephalosporin der
1. Generation in Kombination mit Gentamicin zur PAP eingesetzt und bei offenen Verletzungen
zusätzlich mit Polihexanidlösung (s. u.) gespült.
Im interdisziplinären Konsens führen wir bei offenen Frakturen aktuell folgende Infektionsprävention
durch: Bei mehrstündigem Abstand zur OP so früh wie möglich nach Trauma einmalige
Gabe von Cefazolin/Gentamicin i. v., gründliches Débridement, gründliche antiseptische
Spülung mit 0,02 % Polihexanid (ca. 3 Minuten) und single Shot 30 Minuten bis 1 Stunde
präoperativ mit Cefazolin/Gentamicin i. v.
Offensichtlich ist die PAP nicht grundsätzlich bei offenen Frakturen indiziert. So
erwies sich bei 193 offenen Frakturen der distalen Phalanx in Kombination mit sorgfältiger
Wundtoilette die PAP mit Flucloxacillin (SSI 3 %) dem Placebo (SSI 4 %) nicht als
überlegen (doppelblind, prospektiv, randomisiert placebokontrolliert; Stevenson et
al. 2003).
Bei der PAP ist zu beachten, dass ihre Wirkung bei Blutsperre bzw. Blutleere nicht
zum Tragen kommen kann.
Offene Weichteiltraumen: Bei landwirtschaftlichen, schwer verschmutzten Weichteiltraumen
(Ausschlusskriterium war Weichteiltrauma, offenes, Antibiotikaprophylaxevorherige
Antibiotikaanwendung) wurde der Einfluss einer 3-minütigen antiseptischen Spülung
Antibiotikaprophylaxe:Weichteiltraumanach chirurgischer Versorgung vor Wundverschluss
analysiert (retrospektive, offen kontrollierte, monozentrische, randomisierte Kohortenstudie).
Im Vergleich zum Placebo (Ringer-Lösung) wurde durch Lavasept® (Polihexanid in Kombination
mit Macrogol) die SSI-Rate signifikant von 4,4 auf 0,9 % reduziert (Roth et al. 2007).
Endoprothesen:
Bei Hüft- und Endoprothesen, AntibiotikaprophylaxeKnieendoprothesen Antibiotikaprophylaxe:Endoprothesen
(HEP und KEP) wird durch PAP im Ergebnis einer Metaanalyse eine hochsignifikante Reduktion
von SSI erzielt (Al Buhairan et al. 2008, Kuper und Rosenstein 2008, Hsu und Cheng
2009).
Auch bei HEP ist die PAP der verlängerten Antibiotikagabe in der Effektivität überlegen
(van Kasteren 2007).
Entscheidend ist die Einhaltung des Zeitpunkts der PAP, was leider nicht immer gewährleistet
ist. So erhielten bei 988 HEP und KEP 13 % die PAP nicht im 1-Stunden-Zeitfenster
(Bhattacharyya und Hooper 2007).
Im Unterschied zu den USA und den übrigen Ländern (de Beer et al. 2009, Kuong et al.
2009) wird in den Niederlanden die PAP bei HEP nur bei Patienten mit eingeschränkter
Immunabwehr durchgeführt (Abraham-Inpijn. 2005). Schon 1994 wurde aus der Schweiz
berichtet, dass bei HEP ein Ersatz der PAP durch intraoperative antiseptische Spülung
im Operationsgebiet mit Polihexanid mit gleicher SSI-Rate möglich ist (Kramer und
Willenegger 1994).
Bisswunden: In Auswertung des Schrifttums zum mikrobiellen Spektrum, zu den Risikofaktoren
für das Entstehen einer Bisswunden, AntibiotikaprophylaxeSSI nach Bissverletzung und
zu den Ergebnissen zur Intervention können Antibiotikaprophylaxe:Bisswundenfolgende
Empfehlungen zum Management bei Bisswunden abgeleitet werden (Kramer et al. 2010):
•
Bei der frischen offenen Verletzung ggf. chirurgisches Débridement, danach antiseptische
Spülung der Wunde mit einem Kombinationsprodukt, bestehend aus PVP-Iod und Ethanol
(z. B. Betaseptic®), keine Antibiotikaprophylaxe, Primärverschluss.
•
Bei der nahezu geschlossenen frischen Verletzung (z. B. Katzenbiss) ggf. chirurgisches
Débridement, Auflage antiseptisch getränkter Kompressen für ca. 60 Minuten mit zwischenzeitlicher
Tränkung (Betaseptic®), keine Antibiotikaprophylaxe.
•
Bei der älteren Verletzung nach ca. 4 Stunden ggf. chirurgisches Débridement, Auflage
antiseptisch getränkter Kompressen oder Verbände für ca. 60 Minuten mit zwischenzeitlicher
Tränkung (Betaseptic®), parallel einmalige i. v. oder dosisadaptiert orale Gabe von
Antibiotika (Amoxicillin/Clavulansäure).
•
Bei der älteren Verletzung nach ca. 24 Stunden chirurgisches Débridement, danach antiseptische
Spülung der Wunde (Betaseptic®), bei klinisch ersichtlicher Infektion/Entzündung chirurgische
Revision mit Eröffnung und Antiseptik sowie antibiotische Therapie gemäß Resistogramm
(empirischer Start mit Amoxicillin/Clavulansäure).Antibiotikaprophylaxe:Unfallchirurgie\""\r""AntibiotikaprophylaxeUnfallchir
2.10.4
Neurochirurgie
Florian Thalhammer
Nicht traumatisch bedingte neurochirurgische Operationen zählen zu den primär sauberen
bzw. sauber-kontaminierten Eingriffen. Transsphenoidale Zugangswege gelten als primär
kontaminiert.
Postoperative Wundinfektionen sind insgesamt selten (0,3–4 %; Tab. 2.25
), jedoch im Fall ihres Auftretens mit hoher Morbidität, Mortalität sowie langem Krankenhausaufenthalt
verbunden (Kap. 5.7). Neben der Haut des Patienten mit ihrer physiologischen Staphylokokkenbesiedlung,
die als Hauptreservoir gilt, sind als weitere Risikofaktoren die Kopfbehaarung, Implantate
sowie die sehr selten auftretende spongiforme Enzephalopathie zu nennen.
Tab. 2.25
Wundinfektionsrate ohne perioperative Antibiotikaprophylaxe (Petrica et al. 2009).Wundinfektionsrate,
Neurochirurgie
Operation
SSI Rate (%)
Liquorshunt
5–11
Kraniotomie, Wirbelsäulenchirurgie
1–5
Liquorfistel
11–38
Das zu erwartende Erregerspektrum beinhaltet in der Mehrzahl Staphylokokken (S. aureus,
KNS), zentrumspezifisch P. acne sowie Streptokokken und vereinzelt Enterobakterien
inklusive P. aeruginosa. Bei Hirnabszessen finden sich häufig Mischinfektionen, die
wichtigsten Erreger sind Streptokokken, in 50 % der Fälle angeführt von S. milleri
(Tab. 2.26
).
Tab. 2.26
Erregerspektrum bei HirnabszessenHirnabszess(e):Erregerspektrum
Immunkompetente Patienten
Abwehrgeschwächte Patienten
Streptokokken (S. milleri 50 %)
T. gondii
Bacteroides spp. (20–40 %)
Nokardien
Enterobakterien (Proteus, E. coli, Klebsiella)
Pilze
P. aeruginosa (10–15 %)
Mykobakterien
Protozoen
Helminthen
(nach Klein und Pfister 2010).
Als spezielle SSI sind postoperative Meningitiden sehr gefürchtet.
Stellenwert der perioperativen Antibiotikaprophylaxe
Die PAP wird in der neurochirurgischen Literatur kontrovers diskutiert. Durch sie
lässt sich die Inzidenz von SSI um etwa 50 % reduzieren, jedoch ohne Einfluss auf
die postoperative Meningitis, deren Infektionsrate mit und ohne PAP 1,5 bzw. 1,6 %
betrug (Korinek et al. 2006, Barker 2007, Sharma et al. 2009). Die PAP hat ebenfalls
einen positiven Einfluss auf die Inzidenz von Bakteriämien, Harnweginfektionen sowie
Pneumonien, die bei neurochirurgischen Patienten häufig den Krankheitsverlauf komplizieren
(Tab. 2.27
).
Als eindeutige Indikationen gelten aseptische Implantationen von Fremdkörpern, Eingriffe
mit langen OP-Zeiten (> 6 Stunden), offene Traumen sowie Rezidivoperationen innerhalb
von 5 Tagen nach der Erst-OP.
Der Einsatz minimalinvasiver OP-Methoden in der Wirbelsäulenchirurgie kann das SSI-Risiko
um den Faktor 10 reduzieren (O'Toole et al. 2009).
Eine einfache und effektive Methode zur Senkung des Infektionsrisikos bei Shunt-Operationen
ist der Wechsel der Handschuhe, bevor der Ventrikelkatheter erstmals angegriffen und
implantiert wird (Rehmann et al. 2010).
Tab. 2.27
Risikofaktoren für SSI (Korinek et al. 2006, Lietard et al. 2008).SSI-Risiko:Neurochirurgie
Operation
Wundinfektion
Meningitis
Liquorfistel
Ja
Ja
Externe Ventrikeldrainage
Ja
Gleichzeitige Wundinfektion
Ja
Männliches Geschlecht
Ja
OP-Dauer
Nein
Ja
Altemeier-Klassifikation
Nein
Frühzeitig weitere OP
Ja
Durchführung der perioperativen Antibiotikaprophylaxe
Auch bei neurochirurgischen Eingriffen wird die Single-Shot-Gabe der Antibiotika favorisiert.
Je nach OP-Dauer und Halbwertszeit des Antibiotikums, intraoperativem Blutverlust
bzw. Flüssigkeitszufuhr muss die PAP wiederholt werden. Bei Ventrikelshunt-Operationen
kann die sie bis zu maximal 24 Stunden nach der OP erfolgen, eine längere Antibiotikagabe
hat keinen Benefit (Rath et al. 2008). Flucloxacillin, Cephalosporine 1./2. Generation
sowie Clindamycin bei β-Lactam-Allergie sind Mittel der ersten Wahl. Bei Vorliegen
von MRSA können MRSA-wirksame, aber teure Antibiotika wie Daptomycin, Linezolid, Teicoplanin
(geringere Aktivität bei KNS) oder Tigecyclin erwogen werden. Alle Antibiotika können
mit Rifampicin – v. a. bei Implantaten – kombiniert werden. Als Spezifikum in der
Neurochirurgie kann die Liquorgängigkeit der Antibiotika eine Rolle spielen (Abb.
2.18
).
Abb. 2.18
Liquorgängigkeit verschiedener Antibiotika:LiquorgängigkeitAntibiotika im Hasen-Meningitismodell
(modifiziert nach Andersen 2007).
Topische Antibiotika und antibiotikabeschichtete neurochirurgische Implantate
Die lokale Anwendung von Antibiotika in der (Neuro-)Chirurgie ist Implantat(e):antibiotikabeschichtete
neurochirurgischeseit 1700 v. Chr. – beschrieben im Edwin-Smith-Papyrus – bekannt
und wird chirurgenspezifisch gehandhabt, ob
gleich bis heute für (neuro)chirurgische Eingriffe der Nachweis des klinischen Vorteils
aussteht (Alves und Godoy 2010).
In einer kleinen prospektiven, doppelblind randomisierten Studie konnten Rozzelle
et al. (2008) zeigen, dass nach neurochirurgischen Shunt-Operationen nach Verwendung
von mit Triclosan imprägniertem chirurgischem Nahtmaterial die SSI-Rate 4,3 %, in
der Vergleichskohorte mit demselben Nachtmaterial ohne antimikrobielle Imprägnierung
dagegen 21 % betrug. Zur endgültigen Bewertung des klinischen Benefits des Einsatzes
antimikrobiell imprägnierten Nahtmaterials in der Neurochirurgie fehlen größere Bestätigungsstudien.
Zur Reduktion postoperativer Implantatinfektionen werden in der Neurochirurgie antibiotikabeschichtete
(z. B. mit Clindamycin, Minocyclin, Rifampicin) MP angeboten; für den endgültigen
Nachweis der Senkung der SSI-Rate stehen randomisierte, prospektive Multicenterstudien
noch aus (Gutiérrez-González und Boto 2010). Für die passagere Ventrikelsonde konnten
Wong et al. (2010) bei 184 Patienten zeigen, dass der antibiotikabeschichtete Katheter
einer systemischen Antibiotikagabe in Bezug auf eine Meningitisentwicklung nicht unterlegen
war und die nosokomiale Infektionsrate keinen signifikanten Unterschied zeigte.
2.10.5
Mund-Kiefer-Gesichts(MKG)-Chirurgie und Zahnmedizin
Antibiotikaprophylaxe:Neurochirurgie\""\r""AntibiotikaprophylaxeNeurochir Bilal Al-Nawas
Invasive Eingriffe sowie invasive Untersuchungen und vergleichbare Maßnahmen, z. T.
auch Operationen, werden in der Zahnmedizin und MKG-Chirurgie meist ambulant durchgeführt.
In Abhängigkeit vom Kontaminationsgrad werden sie unterteilt in Eingriffe in nicht
kontaminierter Region (Gr. I), z. B. Arthroskopie, in sauber-kontaminierter Region
(Gr. II), z. B. Eingriffe am Oropharynx, in kontaminierter Region (Gr. III), z. B.
kontaminierte Hautdefekte, und in manifest infizierter Region (Gr. IV), z. B. Abszess
(KRINKO 2000).
Meist handelt es sich um die Gruppen II und III, wobei SSI meist durch oropharyngeale
Pathogene verursacht werden.
Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen der Prophylaxe zur Vermeidung der
negativen Folgen einer Bakteriämie, wie sie Patienten mit Gelenkendoprothesen oder
Endokarditisrisiko betreffen kann, und der Prophylaxe von SSI im engeren Sinn. Auch
wenn die Antibiotika bzgl. der infrage kommenden Erreger oft identisch sind, besteht
der Unterschied in der Konsequenz bei Auftreten von Problemen. So lässt sich die lokal
begrenzte SSI meist gut beherrschen, während eine Endokarditis per se vital bedrohlich
ist. Es empfiehlt sich also, in die Indikationsfindung den Patienten mit seinen Besonderheiten
einzubinden.
Resistenzentwicklung
Im Vergleich zur Humanmedizin finden sich keine systematischen Daten zur Resistenzentwicklung
in der Zahnmedizin. Be
richtet wurde bei unkomplizierten Abszessen Antibiotikaresistenz:Zahnmedizinüber geringe
Resistenzraten für Penicillin (Eckert et al. 2005a), über das Auftreten von 15–35
% β-Lactamasen bei Bakterien aus odontogenen Abszessen (Kuriyama et al. 2001) sowie
über heterogene Daten zu Clindamycin mit teils guter Empfindlichkeit, aber auch mit
kritischen Resistenzraten von bis zu 25–45 % (Al-Nawas et al. 2008), wobei die Daten
meist aus dem stationären Sektor stammen, eine Übertragbarkeit auf die ambulante Behandlung
also kritisch ist, zumal die antibiotische Vorbehandlung eine Rolle zu spielen scheint
(Kuriyama et al. 2000, Al-Nawas und Maeurer 2008). Bei schweren Weichgewebeinfektionen,
die typischerweise schon vorbehandelt sind, muss man demnach mit einer höheren Resistenzrate
für Penicillin und Clindamycin rechnen (Eckert et al. 2005b, Al-Nawas et al. 2008).
Aus den o. g. Daten ergibt sich im odontogenen Bereich eine nahezu vollständige Wirksamkeit
der durch β-Lactamase-Inhibitoren geschützten Penicilline (z. B. Amoxicillin, Clavulansäure).
Bei der Resistenzbeurteilung sollte jedoch bedacht werden, dass die pathogenetische
Rolle der identifizierten Bakterien durchaus nicht geklärt ist (Otten et al. 1994).
Da ein Erregernachweis in der Therapie unkomplizierter odontogener Infektionen nicht
sinnvoll zu fordern ist, bleibt der Wunsch nach validen Resistenzdaten in der ambulanten
Zahnmedizin wohl auch in Zukunft unerfüllt.
Indikationen für die prophylaktische Antibiotikagabe
Endokarditisprophylaxe: Grundsätzlich ist akzeptiert, dass Bakteriämien bei vorgeschädigtem
Endokard zu einer infektiösen Endokarditis führen können. Zugleich ist unbestritten,
dass Endokarditis, Antibiotikaprophylaxe:Zahnmedizinbei allen zahnärztlichen Behandlungen
mit Manipulation an der Gingiva und bei Wurzelkanalbehandlungen Bakteriämien, aber
auch bei Routineaktivitäten wie Zähneputzen oder Kauen Bakterien im Blut nachweisbar
sind. Beachtenswert ist, dass im Tiermodell 6–8 log Bakterien/ml Blut zur Auslösung
einer Endokarditis erforderlich sind (Bahn et al. 1978), bei zahnärztlichen Behandlungen
findet man jedoch nur 1–10/ml (Rahn et al. 1987). In einer richtungweisenden Arbeit
aus Frankreich wurde die Effektivität der Antibiotikaprophylaxe infrage gestellt (Duval
et al. 2006). Seitdem hat sich ein Paradigmenwechel vollzogen (Naber et al. 2007).
Es sollen nicht mehr alle Patienten mit Risiko einer infektiösen Endokarditis die
Antibiotikaprophylaxe erhalten, sondern nur solche mit hohem Erkrankungsrisiko oder
hohem Risiko für einen lebensbedrohlichen Verlauf.
Die Antibiotika bleiben dagegen unverändert entsprechend den erwarteten oralen Pathogenen.
Für Patienten, die bisher eine Prophylaxe erhielten und bei denen diese jetzt nicht
mehr indiziert ist, gibt es die Möglichkeit der individuellen, fakultativen Prophylaxe.
Als Risikoprozeduren werden alle Eingriffe angesehen, die zu Bakteriämien führen können,
wie Manipulationen an der Gingiva, der periapikalen Zahnregion, Perforationen der
oralen Mukosa.
Prophylaxe bei Endoprothesen: Ähnlich schwierig ist die Einschätzung der Prophylaxe
von Infektionen von Endoprothesen. Es existieren Empfehlungen zur Prophylaxe, die
in Deutschland bisher Endoprothesen:Antibiotikaprophylaxebewusst nicht umgesetzt wurden
(American Dental Association/American Academy of Orthopedic Surgeons 2003). Jüngere
Metaanalysen der spärlichen Literatur stellen den Sinn dieser Prophylaxe bei gesunden
Patienten infrage (Uckay et al. 2008), zumal Infektionen von Hüft- oder Knieendoprothesen
als Folge von Bakteriämien nach oralen Eingriffen sehr selten sind (Rodgers und Richards
2008). Auch wenn es Arbeitsgruppen gibt, die eine Antibiotikaprophylaxe in den ersten
Monaten nach Gelenkimplantation vorschlagen (Nawrath et al. 2009), sollte vor dem
breiten Einsatz von Antibiotika in dieser Indikation auch mit Rücksicht auf forensische
Überbewertung zunächst ein interdisziplinärer Konsens abgewartet werden; bis dahin
ist die prophylaktische Antibiotikagabe bei Patienten mit Gelenkersatz nur bei zusätzlichen
allgemeinmedizinischen Risikofaktoren indiziert.
Prophylaxe bei einfachen enoralen Eingriffen: Es besteht Konsens, dass für die meisten
zahnärztlichen Eingriffe bei gesunden Patienten keine PAP erforderlich ist (Al-Nawas
2002), z. B. im Rahmen der Endodontie (Mohammadi 2009) und in der einfachen dentoalveolären
Chirurgie bei gesunden Patienten (Al-Nawas 2002). Kommt die PAP zum Einsatz, wird
von den meisten Autoren Penicillin V oder Amoxicillin empfohlen. In Hinblick auf Gewebespiegel
scheint Konsens zu bestehen, dass eine etwas höhere Dosierung zur Prophylaxe (z. B.
1–2 g Amoxillin oral als Einmalgabe) sinnvoll erscheint, und zwar vor dem Eingriff
(Steinberg et al. 2009; Kap. 2.10.1). Es empfiehlt sich daher, bei der Planung ambulanter
Eingriffe die Antibiotikaprophylaxe mit dem Patienten vorzubereiten. Die prolongierte
postoperative Gabe hat bei einfachen invasiven Eingriffen keinen Einfluss auf die
SSI-Rate. Immunsupprimierte Patienten (z. B. nach Radiatio oder Bisphosphonattherapie)
können u. U. von einer prolongierten Prophylaxe über mehrere Tage profitieren (Grötz
2003).
Im Gegensatz zur einfachen Zahnextraktion wird die PAP vor Weisheitszahnextraktion
(kontaminiertes Gebiet Gr. III) auf der Basis von 12 Studien an über 2.000 Patienten
empfohlen (Amland et al. 1995, Ren und Malmstrom 2007). Es bestätigte sich, dass die
prolongierte Prophylaxe keinen zusätzlichen Effekt zeigte, wohl aber konnte der negative
Effekt einer zu späten, ausschließlich postoperativen Gabe bestätigt werden.
Bei Insertion enossaler Implantate (sauber-kontaminiertes Gebiet Gr. II) ergab eine
Metaanalyse die Reduktion der Implantatverlustrate bei Anwendung der PAP um 1,9 %
(Al-Nawas und Stein 2010). Um diesen Effekt zu erreichen, muss jedoch eine hohe Anzahl
an Patienten die PAP erhalten (number needed to treat 53), daher kann eine generelle
Empfehlung auch aus forensischen Gründen nicht gefordert werden.
Prophylaxe in der komplexen MKG-Chirurgie: Bei den meist komplexen Operationen im
(sauber-)kontaminierten Gebiet wird fast durchgängig die PAP empfohlen, z. B. zur
Versorgung frakturierter Gesichtsknochen (Knepil und Loukota 2010) und für die Lappenchirurgie
(Amland et al. 1995). Bei Unterkieferfrakturen wird nicht nur die Einmalgabe, sondern
eine eintägige Gabe diskutiert (Andreasen et al. 2006); interessanterweise wird das
durch Daten der kieferorthopädischen Chirurgie gestützt (Danda et al. 2010). Deutlich
weniger Daten liegen für die Chirurgie der Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten vor;
dennoch empfehlen die meisten Autoren auch hier zumindest die PAP (Smyth und Knepil
2008). Bei komplexen Operationen im sauberen Gebiet (Gr. I) wird eine 24-stündige
Gabe empfohlen, z. B. für die Neck Dissection (Seven et al. 2004).
Qualitätssicherung
Gemäß IfSG § 23 sind Leiter von Einrichtungen für ambulantes Operieren verpflichtet,
NI fortlaufend aufzuzeichnen und zu bewerten. Allerdings bezieht sich der Begriff
ambulantes Operieren auf Operationen (§ 115 SGB V) und nicht auf invasive (zahnärztliche)
Eingriffe. Grundsätzlich ist die Qualitätssicherung und Überwachung der eigenen Erfolgsraten
zu fordern, die Überwachung ist für Eingriffe in der kontaminierten Mundhöhle jedoch
nicht praktikabel. Zugleich müssen die Resistenzentwicklung von den Verschreibenden
kritisch beobachtet und ein wissenschaftlich nicht gesicherter Antibiotikaeinsatz
kritisch hinterfragt werden. In allen Empfehlungen stellen die Basispenicilline die
zentrale Säule der in der Zahnmedizin verwendeten Substanzen dar.Antibiotikaprophylaxe:Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie\"\r\"AntibiotikaprophylaxeZahn
2.10.6
HNO-Heilkunde
Horst Luckhaupt
Die Verbreitung von Antibiotikaprophylaxe:Zahnmedizin\"\r\"AntibiotikaprophylaxeZahnMRE
wird durch ungezielte Antibiotikagaben in Therapie und Prophylaxe gefördert; deswegen
ist ihr zielgerichteter Einsatz auch in der HNO-Heilkunde unerlässlich.
Ziel der PAP ist die Vermeidung von SSI, idealerweise ohne wesentliche Beeinträchtigung
der Normalflora oder Induktion eines Selektionsdrucks mit der Gefahr der Ausbildung
von Antibiotikaresistenzen (Peters 1987). Die PAP ist kein Ersatz für Hygienemaßnahmen
zur Prävention von SSI!
Gesicherte Indikationen im HNO-Bereich sind tumorchirurgische Eingriffe mit Eröffnung
der Schleimhäute von Mundhöhle/Pharynx und/oder Larynx (Johnson et al. 1984, Liu et
al. 2008) sowie Gesichtsfrakturen, insbesondere komplizierte Unterkieferfrakturen.
Auch bei Anlage einer PEG-Sonde ist die PAP indiziert.
Daneben gibt es akzeptierte Indikationen (Einbringen von Implantaten) wie die Kochlearimplantchirurgie.
Für zahlreiche HNO-ärztliche Eingriffe der Ohr-, Nasen-, Nasennebenhöhlenchirurgie
ist der Nutzen einer PAP noch ungeklärt! Galt eine > 24 Stunden liegende Nasentamponade
als Indikation für eine u. U. mehrtägige (ungezielte) antibiotische „Prophylaxe“ (Therapie),
zeigen neuere Arbeiten keinen Vorteil (Biswas und Mal 2009).
Bei der PAP im HNO-Bereich ist das zu erwartende Spektrum möglicher bakterieller Infektionserreger
zu berücksichtigen, insbesondere S. aureus, daneben auch Anaerobier, orale Streptokokken
und Enterobacteriaceae.
Beste und sicherste Applikationsart ist die i. v. Gabe des Antibiotikums zum Zeitpunkt
der Narkoseeinleitung. Dauert ein tumorchirurgischer HNO-Eingriff länger als 3 Stunden,
empfiehlt sich eine zweite intraoperative Antibiotikagabe. Die topische Antibiotikaapplikation
ist aus infektiologischer Sicht im Rahmen der PAP abzulehnen.
Für die PAP im Kopf-Hals-Bereich liegen gute Erfahrungen mit Cephalosporinen der 1.
oder 2. Generation (z. B. Cefuroxim), ggf. in Kombination mit Metronidazol (Anaerobierwirksamkeit)
vor (Luckhaupt 2007). Alternativen sind β-Lactamase-Inhibitoren wie Amoxicillin/Clavulansäure
bzw. Ampicillin/Sulbactam.
Bei Einhaltung aller hygienischen Maßnahmen stellt die streng indizierte PAP auch
im HNO-Bereich eine wichtige Maßnahme zur Minderung der Resistenzentwicklung dar.
2.10.7
Gynäkologie und Geburtshilfe
Franziska Thele und Marek Zygmunt
Gynäkologie
Harnweginfektionen und SSI gehören zu den häufigsten Ursachen von NI im gynäkologischen
Bereich. Neben der Morbidität und seltenen Mortalität erhöhen sie Hospitalisationsdauer
und Behandlungskosten. Sonderfälle bilden multimorbide bzw. abwehrgeschwächte Patienten
(z. B. Tumorpatienten).
Präoperative Infektionsprophylaxe
In der Gynäkologie handelt es sich meist um elektive Eingriffe (Ausnahmen z. B. akuter
Unterbauchschmerz, stielgedrehte Ovarialzyste, extrauterine Gravidität; Infektionsprophylaxe:präoperative,
GynäkologieGeburtshilfe: eilige bzw. Notfallsectio).
Neben ambulanter OP-Vorbereitung bzw. möglichst kurzer Krankenhausverweildauer sollten
prätherapeutisch vorhandene Infektionen wie Atemwegs-, Harnwegsinfektionen oder Infektionen
äußerer oder innerer Genitalorgane antibiotisch saniert werden.
Ebenso wichtig sind die internistische Abklärung der Operabilität, die optimale Einstellung
eines Diabetes mellitus, Stabilisierung von Herz-Kreislauf-Parametern oder Hämoglobin-
bzw. Elektrolytausgleich. Andere Risikofaktoren wie Alter, organspezifische Komorbiditäten,
Durchblutungsstörungen, Adipositas oder insbesondere ihre Kombinationen sind u. U.
nicht präoperativ optimierbar. Bei vorhandenen und nicht abwendbaren Risikofaktoren
sollten ggf. konservative Therapieoptionen (z. B. Bestrahlung von Tumoren, primäre
Chemo- oder Antihormontherapie) bzw. eine möglichst kurze OP-Zeit mit Einschränkung
der Radikalität der OP überdacht werden.
Bei onkochirurgischen, häufig multiviszeralen Operationen (insbesondere Ovarialkarzinom,
Darmbeteiligung) erfolgt präoperativ die vollständige Darmentleerung. Bei kleineren
abdominalen Eingriffen ist die Säuberung des Enddarms ausreichend (Makroklistier).
Vorhandene Piercings sind präoperativ zu entfernen. Clipping ist nur bei OP-technischer
Notwendigkeit und, wenn überhaupt, unmittelbar präoperativ durchzuführen.
Zur Verringerung von SSI gehört insbesondere bei vaginalen Eingriffen die gründliche
Reinigung und Antiseptik der mikrobiell belasteten Anogenitalregion bzw. von Bauch-
und Thoraxwand/Axillaregion bei abdominalen bzw. mammachirurgischen Eingriffen. Hierbei
ist insbesondere auf die ausreichende Antiseptik von Umbilikalregion, Mamille und
Submammar-/Axillarfalte zu achten.
Intraoperative Infektionsprophylaxe
Die Antibiotikaprophylaxe beinhaltet folgende Indikationen und Möglichkeiten:
•
Sie ist nicht notwendig bei kleinen Eingriffen (z. B. fraktionierte Abrasio, Kürettage,
Marsupialisation, Konisation, diagnostische und operative Hystero- oder Laparoskopie).
•
I. v. PAP (single shot) bei vaginalen und abdominalen Eingriffen, Mammachirurgie;
Kaiserschnitt.
•
Peri- und postoperativ bei plastischen Eingriffen der Vagina (Inkontinenz-OP mit vorderer
und/oder hinterer Plastik) oder Mamma (Reduktionsplastik, Implantateinlage, TRAM oder
Latissimus-dorsi-Flap) bzw. tumorchirurgischen abdominalen Eingriffen mit Eröffnung
von Harnblase oder Darm.
Traumatische OP-Techniken bzw. großflächige Elektroinzisionen (z. B. Mammachirurgie)
schaffen große Wundflächen mit Nekrosen, die Infektionsprophylaxe:intraoperative,
GynäkologieWundheilungsstörungen, Serombildungen und Infektionen begünstigen. Bei
Operationen der Bauchregion erfolgt zur Prophylaxe von Harnblasenverletzungen ein
Einmalkatheterismus nach 3-maliger Antiseptik des Ostium urethrae externum (z. B.
vor diagnostischer Laparoskopie, Hysteroskopie mit fraktionierter Abrasio, Kürettage,
Konisation). Bei zeitlich ausgedehnten Operationen (z. B. operative Laparoskopie,
Hysterektomie, Karzinom-OP) wird ein transurethraler Katheter gelegt. Dieser kann
mit Ausnahme von Karzinom- oder vaginalen Operationen mit Plastiken direkt postoperativ
entfernt werden. Studien belegen gegenüber transurethralen Dauerkathetern den Vorteil
der suprapubischen Harnableitung in Bezug auf Harnwegsinfektion und Katheterliege-/Hospitalisationsdauer
(McPhail et al. 2006). Die Anlage soll nach Abklärung der Vor- und Nachteile der Harnableitung
erfolgen.
Zur Antibiotikaprophylaxe bei bedingt kontaminierten bzw. kontaminierten Operationen
eignen sich Breitbandpenicilline (z. B. Ampicillin mit β-Lactamase-Hemmer) oder Cephalosporine
der 2. Generation. Bei zu erwartendem anaerobem Erregerspektrum sollte eine Kombination
mit Metronidazol erfolgen (AWMF-Leitlinien-Register 029/022). Bei Penicillinallergie
kann z. B. Clindamycin verwendet werden.
Postoperative Infektionsprophylaxe
Kurze Hospitalisationsdauer, möglichst kurze Anwendung von i. v. Zugängen, Peridural-,
Urinkathetern oder Wunddrainagen verringern das nosokomiale Infektionsrisiko. Infektionsprophylaxe:postoperative,
GynäkologieWunddrainagen sollen nur bei klarer Indikation und so kurzzeitig wie möglich
über eine separate Inzision gelegt werden. Nach Mamma-OP
wird eine Drainage nach < 30 ml Serommenge/24 h entfernt. Bei abdominellen onkochirurgischen
Eingriffen mit Lymphknotenentfernung werden die Drainagen bei < 100 ml Fördermenge/24
h entfernt.
Bei postoperativer Wundpflege oder Versorgung sekundärer Wundheilungsstörungen oder
Infektionen ist auf Asepsis zu achten. Wichtig ist bei SSI die erregerspezifische
Therapie (Wundabstrich, Resistogramm).
Bei MRSA-positiven Patientinnen ist bis zum Nachweis eines 3-maligen MRSA-negativen
Kontrollabstrichs Isolierung notwendig bzw. Entlassung in die Häuslichkeit.
Zum Infektionsschutz immunsupprimierter onkologischer Patienten erfolgt bei Leukopenie
< 1.000 Leukozyten/μl die protektive Isolierung. Bei zusätzlichem Fieber ≥ 38,0 °C
oder Erkrankungsverdacht sollte eine Fokussuche (Röntgen-Thorax, Urindiagnostik, Blutkultur
sowie bei Port-System eine Umstellung auf periphervenösen Zugang) und Antibiose erfolgen.
Bei Bestätigung einer Port-Infektion muss dieser entfernt werden.
Geburtshilfe
Kreißsaal: Die normale Geburt ist ein natürlicher Vorgang mit normalen Anforderungen
an die Asepsis. Eine Antiseptik der Scheide ist bei intakter Fruchtblase vor der Geburt
bei vaginalen Untersuchungen nicht erforderlich.
Bei vorzeitigem Blasensprung ≥ 18 Stunden vor Geburt, Fieber ≥ 38,0 °C oder Zeichen
eines Amnioninfektionssyndroms erfolgt eine Antibiose mit z. B. Ampicillin zur Vermeidung
einer aszendierenden Infektion (AWMF-Leitlinien-Register 015/029).
Spezielle Infektionen
Bei präpartal nachgewiesener vaginaler β-Streptokokken-Infektion (Streptokokken der
Gruppe B, GBS) sollte prophylaktisch 4-stündlich ab Geburtsbeginn Penicillin:Antibiotikaprophylaxe,
GeburtshilfePenicillin i. v. verabreicht werden, bei Penicillinallergie z. B. Clindamycin.
Die Infektion des Neugeborenen kann eine schwere Allgemeininfektion mit Lungenentzündung
und Schocksymptomatik bzw. Neugeborenensepsis zur Folge haben, wobei mit neurologischen
Langzeitschäden und einer Letalität von 4 % zu rechnen ist. Ein GBS-Screening ist
daher in der Schwangerschaft empfehlenswert (AWMF-Leitlinien-Register 024/020).
Bei HIV-1-Infektion der werdenden Mutter HIV-Infektion:Geburtshilfebeträgt die Transmissionsrate
bis zu 40 %.
Das Risiko kann durch Senkung der Viruslast durch antiretrovirale Medikation, ggf.
primäre Sectio, antiretrovirale PEP des Neugeborenen (oral Zidovudin bis zu 6 Wochen)
und Stillverzicht auf < 2 % gesenkt werden.
Ein HIV-Such- und ggf. HIV-Bestätigungstest sollten daher jeder Schwangeren empfohlen
werden (AWMF-Leitlinien-Register 055/002).
Die Übertragung von HBV einer akut oder chronisch Schwangerschaft, Suchtestsinfizierten
Schwangeren erfolgt, abhängig von der Höhe der Viruslast, im letzten Schwangerschaftsdrittel
(5–12 %) bzw. während der Geburt (80 %) bzw. während des Stillens (5 %). Die kindliche
Infektion mündet oft in asymptomatischem Verlauf, HBV-Trägerstatus oder Chronifizierung
(bis 90 %); 25 % der Kinder sterben an den Folgen (Leberzirrhose/hepatozelluläres
Karzinom; Lam et al. 2010).
HBs-Antigen- (Mutterschaftsrichtlinien) bzw. Antikörperbestimmung und weitere Antigensuche
im letzten Schwangerschaftsdrittel ermöglichen die Planung der primären Sectio, eine
frühzeitige aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen und ein Stillen (Senkung
des Infektionsrisikos um 95 % bei Impfung innerhalb von 12 Stunden post partum).
Die Mutter-Kind-Transmissionsrate von HCV (Prävalenz < 1 %) ist gering (1–6 %) und
durch Sectio oder Abstillen nicht weiter absenkbar (AWMF-Leitlinien-Register 021/012).
Ein Screening bei Abwesenheit von Koinfektionen oder Risikofaktoren wird in der Schwangerschaft
wegen fehlender suffizienter medikamentöser Therapie nicht empfohlen.
Präpartal
Gesicherte Risikofaktoren für Frühgeburten Antibiotikaprophylaxe:präpartaleund Spätaborte
sind bakterielle Vaginose, aszendierende oder maternale Infektionen (Leitich und Kiss
2007). Die Scheidensanierung (pH > 4 und Ausschluss eines vorzeitigen Blasensprungs
mittels Amnicheck) bzw. Infektionsvorsorge (Mutterpass) sind in der Schwangerschaft
obligat (Mutterschaftsrichtlinien 2008).
Screeninguntersuchungen in der Schwangerschaft beinhalten Röteln, Lues und HBsAg.
Empfohlen sind weiterhin Screenings auf Toxoplasmose, Chlamydien, B-Streptokokken,
CMV und HIV.
Als Erreger von Infektionen in der Schwangerschaft gelten HSV 1 und 2, VZV, CMV, HIV,
HBV und HCC, HPV, Parvovirus B19, Streptokokken B und A, Listerien, Sprosspilze, Trichomonaden,
N. gonorrhoeae, Chlamydien sowie Erreger der bakteriellen Vaginose. Auch eine Harnwegsinfektion
sollte antibiotisch saniert werden. Bei Verdacht auf eine unspezifische infektionsbedingte
Symptomatik (Polyhydramnion, Wachstumsretardierung, Embryo-/Fetopathie) sollte eine
TORCH-Serologie (Toxoplasmose; andere: Hepatitis, HIV, Syphilis,
Lues, Listerien, Varizellen; Röteln; Zytomegalie; Herpes simplex) mit Sanierung durchgeführt
werden.
Eine vorzeitige Wehentätigkeit mit Zervixinsuffizienz und drohender Frühgeburt kann
u. U. eine langfristige Antibiotikatherapie erforderlich machen. Nach Ausschluss von
Kontraindikationen (Infektion, nicht überlebensfähiger Fetus), kann zwischen der 24.
und der 32. Schwangerschaftswoche zusätzlich eine Tokolyse indiziert sein, um eine
Lungenreifeinduktion mit Betamethason (2 × 12 mg) zur perinatalen Morbiditäts- und
Mortalitätsreduktion (Crowley 2000) durchzuführen. Eine Dauertokolyse über 48 Stunden
hinaus ist in der klinischen Routine nicht angezeigt. Maßnahmen wie Langzeittokolyse,
Zerklage oder Progesteron beseitigen nicht die Ursache einer vorzeitigen Wehentätigkeit.
Bakterielle Erkrankungen der Mutter präpartal (Leukozytose, CRP Anstieg, Fieber, maternale
oder fetale Tachykardie), Amnioninfektionssyndrom, Blasensprung > 24 h, grünes Fruchtwasser
fordern ggf. ein rasches Entbinden. Das mütterliche Infektionsrisiko bei Amnioninfektionssyndrom
ist, verglichen mit dem kindlichem, gering und sinkt nach der Entbindung.
Postpartal/Wochenstation
NI in der Geburtshilfe stellen in absteigender Reihenfolge Harnwegsinfektionen, Endometritis
(S. aureus, Anaerobier, Enterobakterien), SSI (Sectionarbe, Episiotomie) und Mastitis
puerpuralis (S. aureus aus Nasopharynx des Neugeborenen) dar. Diese sollten antibiotisch
therapiert werden.
Ein Abstillen ist auch bei Mastitis puerpuralis bzw. Mammaabszess nicht notwendig.
Im seltenen Fall einer Puerperalsepsis (meist A-Streptokokken; Antibiotikaprophylaxe:postpartalelebensbedrohliche
Situation) sind die rasche Indikationsstellung zur Antibiose und ggf. Hysterektomie
einschließlich Ausschluss mittels Lochialabstrich indiziert.
Infektionen des Neugeborenen: Ursachen stellen insbesondere bakterielle Erkrankungen
der Mutter präpartal, Blasensprung > 24 Stunden, grünes Fruchtwasser, Frühgeburtlichkeit,
intrauterine Mangelernährung, Neugeboreneninfektionenverlängerte/erschwerte Geburt,
Schock, Hypoxie oder Hypothermie dar.
Fetale Asphyxie, langandauernde Intubation bei Unreife und Atemnotsyndrom, Luftbefeuchter,
Blasenkatheter, Pneumothoraxdrainage, Venen-, Arterienkatheter stellen kindliche Risikofaktoren
für Infektionen dar. Frühgeborene, Hypotrophie, Abwehrschwäche, Infektionen oder Hirnblutungen
(durch Hypoxie) sind weitere erhebliche Risikofaktoren.
2.10.8
Transrektale Prostatabiopsie
Florian M. E. Wagenlehner, Wolfgang Weidner und Kurt G. Naber
Die transrektale ultraschallgesteuerte Prostatabiopsie (TRUSPB) ist ein wichtiges
Element bei der Diagnose des Prostatakarzinoms und wird deshalb sehr häufig durchgeführt
(Aus et al. 2005). Vorübergehende Nebenwirkungen wie örtlicher Schmerz, Hämaturie,
Hämospermie, Dysurie und rektale Blutung werden häufig berichtet (Crundwell et al.
1999, Djavan et al. 2001, Periti et al. 1987). Eine Bakteriurie findet sich bei 20–53
%, eine Bakteriämie bei bis zu 73 % der Patienten (Lindert et al. 2000, Thompson et
al. 1980). Fieber in Verbindung mit urogenitalen Symptomen werden bei 3–10 % und postinterventionelle
Sepsis bei < 5 % der Patienten beschrieben (Crawford et al. 1982, Enlund und Varenhorst
1997, Lindert et al. 2000, Thompson et al 1980).
Perioperative Antibiotikaprophylaxe
Durch PAP kann die Inzidenz postinterventioneller infektiöser Komplikationen nach
TRUSPB verringert werden (Aron et al. 2000, Aus et al. 1996, Crawford et al. 1982,
Isen et al. 1999, Kapoor et al. 1998), weshalb sie als Standard angesehen werden kann,
sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden.
Zeitpunkt, Dauer und Applikationsform der PAP sind jedoch umstritten (Taylor und Bingham
1997). In den meisten Studien wurde eine 3-tägige Prophylaxe angewendet (Webb und
Woo 2002). In einer kanadischen Studie ergaben sich aber keine Unterschiede zwischen
1- und 3-tägiger Gabe eines Fluorchinolons (Sabbagh et al. 2004). Obwohl generell
die Gabe eines oralen Antibiotikums 1–2 Stunden vor dem Eingriff empfohlen wird, um
adäquate Gewebekonzentrationen zum Zeitpunkt des Eingriffs zu erzielen (Bergamini
und Polk 1989), gibt es dazu bei urologischen Eingriffen nur wenige Studien.
In einer schwedischen Studie (Lindstedt et al. 2006) mit 1.322 Prostatabiopsien war
die orale Einmalgabe von hoch dosiertem Ciprofloxacin (750 mg) innerhalb von 2 Stunden
vor dem Eingriff effektiv, die postinterventionelle Infektionsrate lag bei nur etwa
1 %. Mit dieser Dosierung können ausreichend hohe Urin- und Prostatagewebekonzentrationen
bis zu 48 Stunden aufrechterhalten werden (Naber 1989, Naber et al. 1987, Wagenlehner
und Naber 2003). Allerdings muss beachtet werden, dass für die präoperative Einmalgabe
nur Männer infrage kommen, bei denen präoperative Harnwegsinfektionen (HWI) inklusive
asymptomatischer Bakteriurien ausgeschlossen wurden und ferner keine der folgenden
Risikofaktoren vorliegen: Dauerkatheter wegen Harnverhalt, rezidivierende HWI, Prostatitis
oder andere fieberhafte Genitalinfektion in der Anamnese und Immunsuppression. Zum
Ausschluss einer HWI/Bakteriurie sollte am besten innerhalb einer Woche vor dem Eingriff
eine Urinkultur durchgeführt werden. Als Surrogatparameter kann nach schwedischen
Erfahrungen alternativ auch ein Urinstatus mit negativer Leukozytenesterase und negativem
Nitrittest angesehen werden. Dabei übersieht man aber in etwa 1 % der Fälle eine Bakteriurie.
Bei diesem Vorgehen wurde eine vorübergehende Hämaturie bei 46 % und eine Dysurie
bei 15 % der Männer beobachtet. Nur 12 (0,9 %) der Patienten entwickelten eine fieberhafte
urogenitale Infektion; davon mussten 5 wegen schwerer Infektion hospitalisiert werden.
Die Sepsisrate wurde mit 0,17 % angegeben. Bei den 12 Patienten, bei denen entweder
eine Bakteriurie übersehen wurde oder sich trotz eines negativen Urinstatus eine Bakteriurie
fand, entwickelte sich bei 5 eine postinterventionelle symptomatische HWI, davon in
3 Fällen mit Sepsis. Diese Rate ist deutlich höher als bei Patienten mit sterilem
Urin, weshalb auch die asymptomatische Bakteriurie als Risikofaktor angesehen werden
muss. Die Infektionsrate lag in etwa gleicher Größenordnung wie bei transurethraler
Resektion der Prostata (TURP) bei Patienten mit Bakteriurie (Grabe und Hellsten 1989).
Allerdings hätten von den 12 Patienten bereits 8 aufgrund von Risikofaktoren (s. o.)
von der Antibiotika-Einmalgabe ausgeschlossen bzw. sorgfätiger diagnostiziert und
ggf. therapiert werden müssen. Die Studie zeigt an einem großen Patientenkollektiv,
dass eine perioperative Antibiotika-Einmalgabe auch bei der TRUSPB ausreichend ist,
wenn zuvor eine Bakteriurie durch Urinkultur oder zumindest durch negativen Urinstatus
weitgehend ausgeschlossen werden kann und keiner der genannten Risikofaktoren vorliegt.
Mit diesem Vorgehen kann die postinterventionelle Infektionsrate auf etwa 1 % gesenkt
werden, was im Literaturvergleich niedrig ist (Aron et al. 2000, Aus et al. 1996,
Crawford et al. 1982, Djavan et al. 2001, Enlund und Varenhorst 1997, Isen et al.
1999, Kapoor et al. 1998, Raaijmakers et al. 2002). Auf die zusätzliche Gabe eines
anaerobierwirksamen Antibiotikums wurde in der Studie bewusst verzichtet, obwohl in
sehr seltenen Fällen auch eine postinterventionelle Infektion mit Anaerobiern beschrieben
wurde (Miura et al. 2008).
Die Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs kann auch bei der PAP einen Beitrag zur
Reduzierung der Erregerresistenzentwicklung leisten (Goosens et al. 2005).
Antibiotikaauswahl
Die Antibiotikaauswahl ist nicht mehr so leicht, da auch in Deutschland eine zunehmende
Resistenzentwicklung gramnegativer Erreger gegen Fluorchinolone zu beobachten ist
(Kresken et al. 2009). Es häufen sich Berichte über Patienten, die nach Prophylaxe
mit einem Fluorchinolon eine schwere postinterventionelle Fluorchinolone, ProstatabiopsieInfektion
bis hin zur Sepsis mit einem fluorchinolonresistenten Erreger, meist E. coli, erlitten
(Feliciano et al. 2008, Miura et al. 2008, Shigehara et al. 2008, Tal et al. 2003,
Young et al. 2009). Da die Prostatabiopsie i. d. R. transrektal erfolgt, genügt es
nicht, durch eine Urinkultur fluorchinolonresistente Erreger auszuschließen. Es müssten
solche Erreger auch in der Fäkalflora ausgeschlossen werden. Dieser labortechnische
Aufwand wird allerdings bisher nur selten praktiziert.
Bereits die Einmalgabe eines Fluorchinolons kann die Rate fluorchinolonresistenter
E. coli in der Fäkalflora deutlich erhöhen (Wagenlehner et al. 2000). Aus diesem Grund
muss bei der Entscheidung für ein Fluorchinolon – das gilt für andere Antibiotika
entsprechend – zuvor eine gründliche Medikamentenanamnese erfolgen. Schließlich ergibt
sich die Frage, bei welcher Resistenzrate von uropathogenen Urin- und Fäkalerregern
Fluorchinolone nicht mehr routinemäßig zur PAP bei TRUSPB angewendet werden sollten.
Uns scheint hierbei eine Grenze von 10 % nicht zu niedrig, da eine schwere Infektion
nach diagnostischem Eingriff unter allen Umständen vermieden werden sollte.
Leider sind alternative Antibiotikaregime bisher nicht gut untersucht worden. Früher
galt Trimethoprim mit oder ohne ein Sulfonamid als Standardantibiotikum nicht nur
für die Therapie, sondern auch für die Prophylaxe von HWI. Eine Prophylaxestudie bei
der TURP zeigte ähnlich gute Ergebnisse wie mit Levofloxacin (Wagenlehner et al. 2005).
Heute finden sich aber bereits über 20 % resistente E. coli schon bei der unkomplizierten
Zystitis (Naber et al. 2008), sodass auch mit einer entsprechend hohen Resistenzrate
in der Fäkalflora gerechnet werden muss. Infrage kämen z. B. Cephalosporine der 3.
Generation, z. B. Ceftriaxon 1–2 g, oder Piperacillin in Kombination mit Tazobactam
2,5–4,5 g, wobei allerdings parallel zu einer Fluorchinolonresistenz häufig auch mit
einer ESBL-Resistenz zu rechnen ist (Ozden et al. 2009). Orale Cephalosporine, z.
B. Ceftibuten, oder orale Aminopenicilline in Kombination mit einem β-Lactamase-Hemmer
sind zwar denkbar, dazu fehlen aber aussagefähige Studien. Die Einmalgabe eines Aminoglykosids,
z. B. Amikazin, wurde ebenfalls bisher nicht an einem ausreichend großen Patientenkollektiv
untersucht. Möglicherweise käme die orale Form des Fosfomycins Trometamol (FT) infrage,
da keine Parallelresistenz gegen Fosfomycin und Fluorchinolonen bzw. ESBL-produzierenden
Erregern besteht (Akyar 2008). FT wurde zur Prophylaxe bei der TURP angewendet (di
Silverio et al. 1990, Periti et al. 1987). Entsprechende Studien, die den heutigen
Anforderungen entsprechen, sollten bei TRUSPB durgechführt werden,
Therapie von Infektionen trotz Antibiotikaprophylaxe
Falls trotz Antibiotikaprophylaxe eine schwere Infektion auftritt, was nie vollständig
zu vermeiden ist, muss in etwa 50 % der Fälle (Feliciano et al. 2008) mit einem gegen
das zur Prophylaxe verwendete Antibiotikum resistenten Erregern gerechnet werden.
Deshalb sollte in jedem Fall vor Einleitung der empirischen Therapie zumindest eine
Urin- und bei Sepsis auch eine Blutkultur angelegt werden und ein Antibiotikum einer
anderen Klasse zur Anwendung kommen. So käme nach einer Fluorchinolonprophylaxe unter
Kenntnis der lokalen Resistenzsituation möglicherweise ein Cephalosporin der 3. Generation
oder Amikazin evtl. in Kombination mit einem anaerobierwirksamen Antibiotikum oder
Piperazillin/Tazobactam infrage. Besteht aufgrund der Anamnese oder der örtlichen
Situation der Verdacht auf ESBL-produzierende Erreger, sollte bei Sepsis oder akuter
Prostatitis sofort ein Carbapenem zur Anwendung kommen.
2.10.9
Gastroenterologie
Jörg Ringel und Markus M. Lerch
Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe in der Gastroenterologie beziehen sich im Wesentlichen
auf endoskopische Engriffe. Dabei steht nicht mehr nur die Endokarditisprophylaxe
im Vordergrund, sondern es sollen insgesamt interventionsspezifische Infektionsrisiken
minimiert werden. Daneben gibt es Leitlinien bzw. Studiendaten, die eine Antibiotikaprophylaxe
bei Leberzirrhosepatienten und bei Patienten mit Pankreaspseudozysten in bestimmten
Situationen und vor bestimmten Eingriffen empfehlen.
Antibiotikaprophylaxe bei endoskopischen Eingriffen
Es besteht keine generelle Indikation zur Endokarditisprophylaxe vor endoskopischen
Eingiffen. Bei spezifischen Patientengruppen mit besonderem Risiko für eine Endokarditis
ist im Rahmen unterschiedlicher endoskopischer Prozeduren eine Antibiotikaprophylaxe
indiziert (Tab. 2.28
).
Tab. 2.28
Empfohlene Antibiotikaprophylaxe bei endoskopischen Prozeduren
Endoskopische Prozedur
Antibiotikum
Applikation
ERCP
•
Bestehende Cholangitis oder Sepsis
Prinzipiell laufende Antibiose bzw. nach Antibiogramm
i. v.
•
Komplette biliäre Drainage nicht erreichbar (z. B. PSC, nicht entfernbares Konkrement,
Karzinom im Leberhilus)
z. B. Ciprofloxacin
750 mg oral 60–90 min vor Intervention
•
Pankreasgangkommunizierende Pankreas(pseudo)-zysten
s. o.
Fortführung der oralen Ciprofloxacin-Gabe für 3–5 d empfohlen
•
Lebertransplantation
s. o. + Amoxicillin oder Vancomycin
s. o. 1 g i. v. 20 mg/kg i. v. über mindestens 1 h
EUS
•
mit Feinnadelpunktion oder Drainage einer zystischen Pankreasläsion
z. B. CiprofloxacinoderBreitbandpenicillin und β-Lactamase-Inhibitor
s. o. oder 1,2 g für 3–5 d
PEG-Anlage
Breitbandpenicillin und β-Lactamase-Inhibitor oder Cefuroxim
i. v. unmittelbar vor der Intervention
(nach Allison et al. 2009).
Die prophylaktische Antibiotikagabe bei endoskopischen Eingriffen wird seit Jahren
kontrovers diskutiert, insbesondere die Indikationsstellung Antibiotikaprophylaxe:Eingriffe,
endokopischezur Endokarditisprophylaxe wurde aufgrund der mangelnden Datenlage deutlich
eingeschränkt. Gemäß internationalen Leitlinien und nationalen Empfehlungen ist eine
grundsätzliche Endokarditisprophylaxe bei erhöhtem Endokarditisrisiko im Rahmen diagnostischer
oder therapeutischer Endoskopien nach derzeitiger Evidenz nicht indiziert (Evidenzgrad
III; Empfehlungsgrad B; Allison et al. 2009, Rosien 2009). Hochrisikopatienten, die
in der Vergangenheit eine Antibiotikaprophylaxe gut vertragen haben, sollten über
die neuen Empfehlungen informiert werden und können in Absprache mit dem behandelnden
Arzt weiterhin eine Prophylaxe erhalten (Rosien 2009).
Unabhängig von der Endokarditisprävention gibt es für einzelne endoskopische Untersuchungsprozeduren
in den Leitlinien Empfehlungen zur prophylaktischen Antibiotikagabe (Tab. 2.28). Das
betrifft im Rahmen einer endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikoskopie (ERCP)
Patienten mit Cholangitis, Patienten, bei denen keine vollständige biliäre Drainage
erreichbar ist (z. B. bei primärer sklerosierender Cholangitis oder Gallenwegsneoplasie),
bei Z. n. Lebertransplantation oder bei mit dem Gangsystem kommunizierenden Pankreas-
oder Pseudozysten (Allison et al. 2009, Rosien 2009). Bei schwerer Neutropenie (<
0,5 × 109/l) und/oder fortgeschrittenen hämatologischen Neoplasien wird bei Untersuchungen
mit erhöhtem Bakteriämierisiko wie z. B. Dilatationsbehandlung und Sklerosierung eine
Antibiotikagabe empfohlen (Allison et al. 2009). Bei endosonographischer Feinnadelpunktion
oder Drainage zystischer Pankreasveränderungen soll ebenfalls eine Antibiose erfolgen
(ASGE Guideline 2005, Allison et al. 2009, Rosien 2009).
Trotz teilweise widersprüchlicher Daten empfehlen die internationalen Leitlinien die
antibiotische Einmalgabe vor der Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie
(PEG) unabhängig von der Methode (Fadendurchzugmethode oder Direktpunktion; Allison
et al. 2009, Rosien 2009).
Antibiotikaprophylaxe bei Lebererkrankungen
Bei Leberzirrhosepatienten mit überwundener spontaner bakterieller Peritonitis (SBP)
oder mit akuter gastrointestinaler Blutung besteht die Indikation zur Antibiotikaprophylaxe
(Tab. 2.28).
Bakterielle Infektionen treten gehäuft bei Patienten mit Antibiotikaprophylaxe:LebererkrankungenLeberzirrhose
auf. Sie können zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der kardiopulmonalen, hepatischen
und renalen Funktion führen. Die SBP stellt eine dieser schwerwiegenden Komplikationen
dar und ist mit deutlich erhöhter Mortalität assoziiert (Terg et al. 2008, Alaniz
und Regal 2009, Chavez-Tapia et al. 2009). Untersuchungen bei Krankenhauspatienten
mit Leberzirrhose ergaben Prävalenzen der SBP zwischen 10 und 30 %. Häufige Erreger
stellen Enterobacter, E. coli und Klebsiellen dar. In den letzten Jahren wird eine
Zunahme von Infektionen durch ESBL bildende E. coli und Klebsiellen beobachtet (Terg
et al. 2008). Unter konsequenter Diagnostik und sofortiger antibiotischer Therapie
konnte die Mortalität in den letzten 20 Jahren von etwa 80 % auf 50–30 % gesenkt werden.
Dennoch liegt das Risiko eines Rezidivs bei etwa 70 % innerhalb des ersten Jahres
nach erfolgreicher Behandlung der SBP (Alaniz und Regal 2009, Chavez-Tapia et al.
2009). Deshalb wird eine prophylaktische Antibiotikagabe mit Norfloxacin 400 mg/d
empfohlen. Diese soll bis zur vollständigen Aszitesrückbildung, bis zu einer Lebertransplantation
bzw. – wenn keines der beiden Ziele erreicht wird – lebenslang durchgeführt werden.
In diesem Zusammenhang haben Studien eine zunehmende Resistenzentwicklung nachgewiesen.
Um dieses Risiko zu minimieren, erfolgen teilweise rotierende Antibiotikagaben. Eine
nur einmal wöchentliche Gabe hat sich als insuffizient herausgestellt (Alaniz und
Regal 2009).
Eine erniedrigte Aszitesproteinkonzentration (< 1,5 g/dl) wurde als Risikofaktor für
eine SBP ermittelt. Deshalb untersuchten Terg et al. (2008) die prophylaktische Gabe
von Ciprofloxacin 500 mg/d bei Patienten mit erniedrigter Aszitesproteinkonzentration,
was zu einer geringeren Infektionsrate und einer niedrigeren 12-Monats-Mortalität
führte (Terg et al. 2008, Alaniz und Regal 2009). Dennoch wird derzeit nicht generell
eine Prophylaxe empfohlen.
Patienten mit Leberzirrhose, die aufgrund einer gastrointestinalen Blutung stationär
aufgenommen werden, stellen eine weitere Gruppe für eine prophylaktische Antibiose
dar. Studien haben eine bis 45 % erhöhte Infektionsinzidenz sowie ein deutlich erhöhtes
Rezidivblutungsrisiko gezeigt. Deshalb ist die sofortige Antibiose (noch vor der endoskopischen
Diagnostik) mit einem Chinolon oder einem Cephalosporin der 3. Generation für 7 Tage
indiziert (Alaniz und Regal 2009, Allison et al. 2009, Rosien 2009).
2.10.10
Hämatologie/Onkologie
William Krüger und Gottfried Dölken
Hämatologisch-onkologische Patienten können eine erhöhte bis extreme Anfälligkeit
für Infektionen haben, verursacht durch die Erkrankung selbst und/oder als Nebenwirkung
der antineoplastischen Therapie (Tab. 2.29
).
Tab. 2.29
Wichtige Ursachen für eine erhöhte Infektionsanfälligkeit bei hämatologisch-onkologischen
Patienten.Infektionsanfälligkeit:hämatologisch-onkologische Patienten
Target
Erkrankungsbedingt
Therapieassoziiert
Granulozyten
MDS, akute Leukämien, Knochenmarkinfiltration bei soliden oder hämatologischen Malignomen,
schwere aplastische Anämie
Zytostatische Behandlung, Bestrahlung
Humorale Immunität(B-Lymphozyten)
Multiples Myelom, CLL
Rituximab-Behandlung, nach allogener Stammzelltransplantation, Graft-versus-Host-Erkrankung
Zelluläre Immunität(T-Lymphozyten)
Hodgkin-Lymphom, AIDS
Mab-Campath-Behandlung,nach allogener Stammzelltransplantation, Graft-versus-Host-Erkrankung
Der wichtigste Risikofaktor für die Akquisition bakterieller und mykotischer Infektionen
bei hämatologisch-onkologischen Patienten ist die chemotherapieassoziierte Neutropenie
(Granulozytopenie). Liegt eine absolute Neutrophilenzahl von < 500/μl oder von < 1.000/μl
mit innerhalb von 2 Tagen zu erwartendem Abfall < 500/μl vor, kann anhand der zu erwartenden
Dauer der Neutropenie eine Risikoklassifikation vorgenommen werden (Tab. 2.30
).
Tab. 2.30
Risikozuordnung der Patienten nach erwarteter Neutropeniedauer.Neutropeniedauer, Infektionsrisiko
Risikoklasse
Neutropeniedauer (d)
Niedrig
≤ 5
Mittel
6–9
Hoch
≥ 10
Die Gefahr von Infektionen ist noch höher, wenn praktisch keine Zellen (Granulozyten
< 100/μl) mehr nachweisbar sind (Hughes et al. 2002). Ein weiterer wichtiger Risikofaktor
ist der Zusammenbruch physischer Barrieren, z. B. bei therapieassoziierter Mukositis
des Gastrointestinaltrakts. Bei den bakteriellen Infektionen neutropenischer Patienten
stehen endogene Erreger aus dem Gastrointestinaltrakt vor Mikroorganismen anderer
Schleimhäute und der Haut im Vordergrund. Auf Infektionen mit Hospitalerregern wird
in diesem Abschnitt nicht eingegangen.
Wirkstoffe: Die früher verbreitete orale Gabe nicht resorbierbarer Antibiotika wie
Aminoglykoside ist obsolet. Standard ist die Gabe systemisch wirksamer Chinolonprärarate
(Ciprofloxacin, Levofloxacin); alternativ kann Trimethoprim-Sulfmethoxazol (TMP-SMZ)
eingesetzt werden. Es existieren umfangreiche Untersuchungen und Leitlinien zur antibiotischen
Prophylaxe bei neutropenischen Patienten. Gafter-Gvili et al. (2005) publizierten
eine Metaanalyse von 95 randomisierten Studien über den Wert prophylaktischer Chinolongabe,
verglichen mit Placebo bei afebriler Neutropenie. Die Chinolongabe führte zur signifikanten
Reduktion der Gesamtmortalität, der infektionsassoziierten Mortalität, der Inzidenz
von Fieber sowie von klinisch und mikrobiell dokumentierten Infektionen. Die prophylaktische
Antibiotikagabe ist mit einem nicht signifikant erhöhten Auftreten von Nebenwirkungen
und dem Nachweis resistenter Bakterien assoziiert. Bucaneve et al. sowie Cullen et
al. publizierten ebenfalls 2005 zwei große randomisierte Studien über den Nutzen der
Levofloxacinprophylaxe bei therapieinduzierter Neutropenie. Bucaneve et al. (2005)
gaben bei stationären Patienten Levofloxacin von Beginn der Chemotherapie bis zur
hämatologischen Regeneration. Cullen et al. (2005) führten eine einwöchige Prophylaxe
bei Patienten während der Neutropenie bei ambulanter onkologischer Behandlung durch.
Beide Arbeitsgruppen fanden eine signifikante Reduktion der Fieberinzidenz. Eine Reduktion
der infektionsassoziierten Mortalität fand sich nicht, allerdings waren die Letalität
insgesamt gering und die Sterblichkeit kein Studienendpunkt. Potenzielle Gefahr jeder
antibiotischen Prophylaxe ist die Entwicklung bakterieller Resistenzen mit nachfolgender
Infektion mit dem entsprechenden Erreger. Hierzu zeigten Gafter-Gvili et al. (2007)
in einer weiteren Metaanalyse, dass diese Gefahr bei der Fluorochinolonprophylaxe
nicht besteht. Cullen et al. (2007) versuchten in einer Folgearbeit, bei Patienten
mit zu erwartender Grad-IV-Neutropenie Subgruppen zu identifizieren, die besonders
von der Prophylaxe profitieren. Die Effektivität der Prophylaxe war unabhängig vom
Alter der Patienten, vom Performance-Status und vom Tumortyp. Patienten, die bereits
im ersten Zyklus Fieber entwickelten, hatten auch in den Folgezyklen ein hohes Fieberrisiko.
Durchführung: Gegenwärtig gibt es keinen vollständigen internationalen Konsensus zum
Einsatz von Antibiotika zur Prophylaxe bakterieller Infektionen bei Patienten Antibiotikaprophylaxe:Durchführung,
Hämatologie/Onkologiemit chemotherapiebedingter Neutropenie. Die publizierten Leitlinien
sind älter als die o. g. Studien und Metaanalysen. Die AG Infektionen in der Hämatologie
und Onkologie (AGIHO) empfiehlt bei Hochrisikopatienten (Tab. 2.30) und bei Patienten
unter allogener Stammzelltransplantation die Gabe von Chinolonen (Tab. 2.31
; Kern et al. 2000, Krüger et al. 2005). Alternativ kann bei Unverträglichkeit oder
bei Kindern TMP-SMZ gegeben werden, die Chinolonprophylaxe ist aber überlegen (Cruciani
et al. 1996. Engels et al. 1998).
Tab. 2.31
Medikamente und Indikationen für eine antibiotische Prophylaxe bei Neutropenie. Cave:
Die TMP-SMZ-Dosierung unterscheidet sich vom Schema zur PcP-Prophylaxe nach Stammzelltransplantation
(Krüger et al. 1998)
Wirkstoff
Dosierung
Standardrisiko
Autologe SZT
Hochrisiko
Allogene SZT
Levofloxacin
500 mg
–
?
+
+
Ciprofloxacin
2 × 500 mg
–
?
+
+
TMP-SMZ+ Colistin
2 × 960 mg3. bis 4 × 2 Mio. IE
–
-
+
–
–: Gabe nicht empfohlen, +: Gabe empfohlen, ?: Gabe möglich, nach Leitilinien nicht
generell empfohlen.
Die Ergänzung der Chinolonprophylaxe mit Präparaten, die im grampositiven Bereich
effektiv sind, wird nicht empfohlen. Die IDSA-Guideline von 2002 spricht eine ähnliche,
aber zurückhaltender formulierte Empfehlung aus (Hughes et al. 2002).
Eine Hochrisikosituation liegt i. d. R. bei Patienten unter Induktions- oder Konsolidierungsbehandlung
einer akuten Leukämie vor. In die Gruppe mit zu erwartender Grad-IV-Neutropenie, die
gemäß der Studie von Cullen von der Prophylaxe profitiert, gehören je nach Intensität
der gewählten Chemotherapie weiterhin Patienten mit männlichen Keimzelltumoren, kleinzelligem
Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, Non-Hodgkin- und Hodgkin-Lymphom und eventuell weitere
(Cullen et al. 2007). Die Neutropeniedauer bei Patienten unter Hochdosistherapie mit
autologer Stammzelltransplantation ist deutlich kürzer als bei früherem Einsatz von
Knochenmark, eine antibiotische Prophylaxe ist in den Protokollen aber üblich (Kiefer
et al. 2006, Montemurro et al. 2007). Bei Patienten, die analog einem Studienprotokoll
behandelt werden, empfehlen die Autoren auch bei der Infektionsprophylaxe die Anlehnung
an das Protokoll. Die antibakterielle Prophylaxe wird entweder nach granulozytärer
Regeneration oder mit Beginn einer therapeutischen Antibiose, z. B. bei Fieber unbekannter
Ursache, beendet (Link et al. 2003, Krüger et al. 2010).
Zwei Sonderfälle der antibakteriellen Prophylaxe betreffen Patienten nach allogener
Stammzelltransplantation: Die prophylaktische Gabe von Metronidazol bis zum Tag +30
nach Transplantation führt über die Reduktion der anaeroben Darmflora zu einer geringeren
Inzidenz einer akuten Graft-versus-Host-Erkrankung (Beelen et al. 1999). Patienten
mit chronischer Graft-versus-Host-Erkrankung und zusätzlicher Immunsuppression sind
anfällig für Infektionen mit grampositiven, bekapselten Bakterien (Atkinson et al.
1979, Ochs et al. 1999). Daher kann auch hier eine Antibiotikagabe indiziert sein
(Krüger et al. 2005). Randomisierte Studien liegen für diese Indikation nicht vor.
Ein weiterer Ansatz zur Reduktion von Infektionen in der Neutropenie ist der Einsatz
hämatopoetischer Wachstumsfaktoren, hier wird auf die Leitlinien der ASCO und der
EORTC verwiesen (Aapro et al. 2006, Smith et al. 2006). Bezüglich einer antimykotischen
oder antiviralen Prophylaxe wird auf die Leitlinien der AGIHO verwiesen (Sandherr
et al. 2006, Cornely et al. 2009).Antibiotikaprophylaxe:Hämatologie\"\r\"AntibiotikaprophylaxeHaematol
2.10.11
Selektive Darmdekontamination (SDD)
Matthias Gründling und Sven-Olaf Kuhn
Vor mehr als 25 Jahren haben Stoutenbeek et al. (1983) die SDD als eine Methode zur
Prävention nosokomialer Infektionen in die Intensivmedizin eingeführt.
Prinzip der klassischen SDD ist, dass nicht resorbierbare Antibiotika und ein Antimykotikum
in den Gastrointestinaltrakt appliziert werden, dort selektiv gegen potenziell pathogene
Mikroorganismen wirken, ohne dass die anaerobe Flora des Darms beeinträchtigt wird.
Die These, die dem Verfahren zugrunde liegt, ist, dass durch die SDD die Kolonisationsresistenz
gestärkt wird. Der Begriff der Kolonisationsresistenz geht auf van der Waaij zurück
und meint, dass verschiedene Faktoren von Seiten des Wirts und der Darmflora eine
Resistenz gegenüber der Kolonisation durch potenziell pathogene Mikroorganismen erzeugen.
Demnach können durch den Einsatz selektiv wirksamer Antibiotika die physiologische
Flora geschont und gleichzeitig potenziell pathogene Mikroorganismen eliminiert werden.
Dieses Vorgehen führt nach van der Waaij zu einer geringeren Ausbreitung (multi)resistenter,
potenziell pathogener Mikroorganismen und zur Infektionsprophylaxe bei Patienten mit
beeinträchtigter Immunabwehr (an der Waaij et al. 1971, van der Waaij 1983). Nach
einer Vielzahl tierexperimenteller Untersuchungen fand die SDD zunächst bei neutropenischen
Patienten Anwendung. Entscheidende klinische Verbreitung erlangte das Verfahren seit
Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bei beatmeten Intensivpatienten. Zu
dieser Anwendung existieren nunmehr über 50 randomisierte klinische Studien und mehr
als 10 Metaanalysen.
NI sind der wesentliche Grund septischer Erkrankungen und die Haupttodesursache in
der modernen Intensivmedizin (Kap. 4.5). Sie entstehen, nachdem es zuvor zu einer
Kolonisation mit Mikroorganismen gekommen ist. Bei diesen handelt es sich meist um
die endogene Flora aus dem Gastrointestinaltrakt oder dem Oropharynx des Patienten
bzw. um Hospitalerreger, die nach Transmission in diesen Regionen kolonisieren. Zeitlich
unterscheidet man zwischen frühen Infektionen innerhalb der ersten Behandlungswoche
und sog. sekundär endogenen Infektionen nach der ersten Behandlungswoche. Während
die frühen Infektionen im Wesentlichen durch die primäre endogene Patientenflora bedingt
sind, entstehen sekundäre Infektionen auch durch Erregertransmission auf der Intensivstation
und ein Überwuchern von selektionierten Mikroorganismen z. B. nach oder während längerer
Breitspektrumantibiotikatherapie.
Um die primär endogenen Infektionen in der Prophylaxe mit zu erfassen, beinhaltet
die SDD neben der topischen Gabe von Tobramycin, Colistin und Amphotericin B auch
die i. v. Applikation von Cefotaxim über die ersten 4 Behandlungstage.
Die zusätzliche i. v. Gabe erfolgt, da insbesondere die gastral applizierte Komponente
der SDD wegen der in dieser Phase der Intensivbehandlung besonders beeinträchtigten
Peristaltik des Gastrointestinaltrakts noch nicht ausreichend wirken kann. Die über
eine Magensonde als Suspension applizierte Komponente der SDD dient der Reduktion
potenziell pathogener Mikroorganismen (gramnegative aerobe Bakterien, methicillinsensible
S. aureus und Pilze) sowie der Reduktion der Endotoxinlast im Darm des Intensivpatienten.
Der Darm des Intensivpatienten gilt nach wie vor als der „undrainierte Abszess“ bzw.
der „Motor des Multiorganversagens“ (Marschall et al. 1993). In der Annahme, dass
beim Intensivpatienten durch reduzierte enterale Ernährung, Subileus und eine Vielzahl
anderer Faktoren die Translokation von Endotoxin und Bakterien aus den Gastrointestinaltrakt
gesteigert ist, messen viele Autoren der enteralen Komponente der SDD besondere Bedeutung
bei. Zusätzlich werden die Substanzen bei der klassischen SDD den beatmeten Patienten
als Paste oral appliziert. Dabei soll die Erregerlast der stillen Aspiration erregerhaltigen
Materials an der Blockung des Tubus vorbei als wesentlicher pathogenetischer Faktor
der Entstehung der ventilatorassoziierten Pneumonie (VAP, Kap. 5.9) reduziert werden.
In der klinischen Routine der Intensivmedizin gibt es eine Vielzahl von Abwandlungen,
wobei die alleinige selektive orale Dekontamination (SOD) die am häufigsten untersuchte
Variante darstellt. Sie zielt auf die Reduktion der Häufigkeit der VAP und die Reduktion
der Erregertransmission von Patient zu Patient aus dem Reservoir Oropharynx ab.
Obwohl in einer Vielzahl von Studien die Wirksamkeit von SOD und SDD bei verschiedenen
beatmeten Patientengruppen nachgewiesen wurde, wird das Verfahren bisher kaum in entsprechenden
Leitlinien empfohlen. Grund ist nach Ansicht der Autoren der Leitlinien neben der
weiterhin unsicheren Studienlage für einzelne Erkrankungen, z. B. der Sepsis, die
potenzielle Gefahr der Selektion von MRE (Guideline 2005, Dellinger et al. 2008).
Ebenso argumentieren die praktisch tätigen Intensivmediziner. Bei einer Umfrage auf
englischen Intensivstationen gaben 95 % der Befragten an, wegen der unzureichenden
Evidenz und der Gefahr der Resistenzentwicklung auf die SDD zu verzichten (Bastin
und Ryanna 2009). Inzwischen konnte in prospektiven randomisierten klinischen Studien
gezeigt werden, dass durch SDD die Sterblichkeit beatmeter Intensivpatienten reduziert
wird. Bei 546 chirurgischen und Traumapatienten zeigten sich in der SDD-Gruppe weniger
Infektionen, weniger Organversagen und bei Patienten mit APACHE-II-Score von 20–29
bei Aufnahme auf die Intensivstation eine niedrigere Sterblichkeit. Surveillancekulturen
erbrachten keinen Hinweis auf höhere Resistenzraten in der SDD-Gruppe, was in Übereinstimmung
zu Langzeitbeobachtungen mit SDD bei beatmeten Patienten steht (Leone et al. 2003,
de Jonge 2005, Heininger et al. 2006). Abweichend von den meisten SDD-Studien erfolgten
die systemische Antibiotikaprophylaxe über 4 Tage mit Ciprofloxacin und die topische
Therapie mit Gentamicin und Polymyxin ohne ein Antimykotikum (Krueger et al. 2002).
In einer weiteren Studie bei 934 chirurgischen und internistischen Intensivpatienten
zeigte sich eine signifikant geringere Intensiv- und Krankenhaussterblichkeit unter
SDD. Die Randomisierung erfolgte stationsbezogen, um Effekte durch geringere Erregertransmissionsraten
zwischen den SDD- und Kontrollpatienten zu minimieren (de Jonge et al. 2003). Ein
ähnliches, allerdings multizentrisches Studiendesign an über 6.000 Patienten untersuchte
zusätzlich die Wirksamkeit alleiniger SOD ohne systemische Antibiotikaprophylaxe.
Weder die SDD noch die SOD zeigten in der Studie einen Überlebensvorteil. In der Studie
hatten jedoch beide Behandlungsgruppen ein primär höheres Sterberisiko (höheres Alter,
höherer APACHE-II-Score). Die logistische Regressionsanalyse erbrachte einen signifikanten
Überlebensvorteil für die Patienten der SDD-Gruppe (de Smet et al. 2009). Eine Metaanalyse
mit Einschluss > 8.000 Intensivpatienten erbrachte, dass mit SDD die Rate gramnegativer
Bakteriämien und die Sterblichkeit reduziert werden können. Am deutlichsten ist der
Effekt bei der klassischen SDD. Die Autoren kommen auf eine number needed to treat
(NNT) von 22 für einen geretteten Patienten (Silvestri et al. 2007). In einer weiteren
Metaanalyse zum Nutzen des kompletten Regimes der SDD, das neben der Antibiotikapropylaxe
ein effektives Hygieneregime und Surveillancekulturen von Rachen und Stuhl beinhaltete,
ergaben sich bei der Analyse von 21 randomisierten kontrollierten Studien eine signifikante
Reduktion der Mortalität und eine NNT von 18 (Silvestri et al. 2009).
Es gibt einzelne Berichte über das Auftreten von MRE unter SDD. Inwieweit bei hoher
Prävalenz von MRSA, multiresistenten Pseudomonaden, ESBL und VRE eine SDD potenziell
schädlich bzw. unwirksam ist, ist derzeit nicht ausreichend geklärt. Naiemi et al.
(2006) beschreiben einen ESBL-Ausbruch und warnen vor dem Gebrauch von Cephalosporinen
der 3. Generation im Rahmen der SDD. Es wird daher empfohlen, bei der Anwendung von
SDD eine Surveillance von Rachen und/oder Stuhlproben durchzuführen. Bezüglich der
Infektionsrate nach dem Intensivaufenthalt fanden de Smet et al. (2009), dass die
Häufigkeit von NI bei SDD tendenziell höher war als bei Patienten ohne diese Behandlung.
Nach derzeitiger Datenlage wird die Anwendung der SDD (komplettes Protokoll) bei beatmeten
Intensivpatienten mit zu erwartender Beatmungsdauer > 2 Tagen empfohlen. Ob die alleinige
SOD ohne systemische Ceftaximgabe gleich wirksam ist, ist derzeit nicht ausreichend
Darmdekontamination, selektive\"\r\"Darmdekontaminationselekbelegt.Antibiotikaprophylaxe\"\r\"AldehydeNutzRisik
2.11
Isolierung und Barrierenpflege
Frank-Albert Pitten, Andreas F. Widmer, Axel Kramer und Peter Heeg
2.11.1
Rückblick und wissenschaftliche Grundlagen
Bereits in der Bibel sind Maßnahmen der Absonderung von Kranken erwähnt: Isolation
für 7 Tage wird empfohlen, wenn ein Mensch auf seiner Haut weiße Flecken aufweist
(Leviticus 13:4). Die Pest im Mittelalter ist ein Beispiel für erfolgreiche Isolierungsmaßnahmen
ohne wissenschaftliche Grundlage. Die Beschäftigung mit der Historie zeigt, dass sich
auch heute die Reaktionen der PestBevölkerung und selbst der Krankenhausmitarbeiter
kaum von denen früherer Generationen unterscheiden. Nach dem ersten Ausbruch der sog.
Schweinegrippe flohen Tausende von Mexikanern in die USA. HIV-infizierte Mitmenschen
wurden in den Anfängen der AIDS-Epidemie sozial isoliert.
Die Bemühungen Anfang des 20. Jahrhunderts, die Ausbreitung der Tbk zu reduzieren,
sind ein weiteres Beispiel empirischer Infektionsmedizin: Die meisten Sanatorien liegen
in den Bergen, wo eine starke, für Mykobakterien letale UV-Strahlung besteht, wie
sie noch lange in Krankenzimmern eingesetzt wurde.
Viele Erkenntnisse gingen mangels Dokumentation verloren und mussten, etwa im Rahmen
der Tuberkuloseepidemien in den USA, teilweise neu erarbeitet werden. 1877 sind aus
den USA die ersten medizinischen Dokumente zur Isolierung von Patienten erschienen
(Garner 1996). Krankenhäusern wurde empfohlen, Patienten mit Infektionskrankheiten
in getrennten Gebäuden zu hospitalisieren. Noch heute finden sich Krankenhäuser aus
jener Zeit in sog. Pavillonbauweise wie ein Teil der Charité in Berlin oder viele
in der Gründerzeit (1849–1873) erbaute Krankenhäuser in Wien.
Wissenschaftliche Grundlage der Isolierung ist ein junges, primär aus der Pflege hervorgegangenes
Fachgebiet. Es wurde viel Fachwissen eingebracht, das nicht auf randomisierten Studien,
sondern aus Analysen der täglichen Praxis resultierte. Das erste Isolierungsmodell
wurde 1910 publiziert. Danach mussten sich Mitarbeiter die Hände nach Patientenkontakt
desinfizierend waschen sowie Gegenstände und Apparate desinfizieren, bevor sie aus
dem Bereich des infizierten Patienten entfernt wurden. Hierfür wurde erstmals der
Begriff des „barrier nursing“ verwendet. Mit dem Einsatz der Sulfonamide und des Penicillins
wurden die Infektionskrankheiten kausal behandelbar. Diese Entwicklung führte in den
50er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA zur Schließung von Isolierabteilungen.
Nach 1960 wurden im Gegensatz zu Europa die meisten Infektionskrankheiten in üblichen
Krankenzimmern behandelt. 1970 erschien das erste detaillierte Handbuch zur „Isolation
Technique for Use in Hospitals“ der CDC. Es wurde mehrfach ergänzt und erschien zuletzt
2007 als „Guideline for Isolation Precautions: Preventing Transmission of Infectious
Agents in Healthcare Settings“ (Siegel et al. 2007). Im deutschsprachigen Raum ist
eine KRINKO-Empfehlung zur Isolierung infektiöser Patienten in Vorbereitung. Solange
muss auf Empfehlungen zur Vorgehensweise bei einzelnen übertragbaren Krankheiten verwiesen
werden (www.rki.de, www.hospvd.ch/swiss-noso).
Zahlreiche empirisch bewährte Maßnahmen in der Krankenhaushygiene wurden nicht durch
randomisierte Doppelblindstudien erhärtet. Mit zunehmender Bedeutung evidenzbasierter
Medizin sind viele aus der Erfahrung und klinischen Beobachtung abgeleitete Empfehlungen
in Gefahr, aus aktuellen Veröffentlichungen eliminiert zu werden. Auch eine Reihe
neuerer Daten stammen aus nicht randomisierten Interventionsstudien. Obwohl diese
Studien wertvolle Aussagen zur Effektivität von Maßnahmen liefern können, wird die
Zuverlässigkeit der Aussagen durch verschiedene Einflussfaktoren (z. B. mehrere Interventionen
während der Beobachtungszeit) eingeschränkt. Dennoch wurden solche Studien nach sorgfältiger
Prüfung in die zitierten CDC-Empfehlungen aufgenommen.
Insbesondere bei Isoliermaßnahmen gilt, dass unter den heutigen Bedingungen kaum eine
einzelne Maßnahme dazu führt, die Ausbreitung von Erregern nachweislich einzuschränken
und die Häufigkeit von Erkrankungen messbar zu reduzieren, zumal gerade die Isolierung
typischerweise immer ein Maßnahmenbündel umfasst.
Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts treten immer häufiger Erreger im Krankenhaus
auf, die gegen alle zur Verfügung stehenden Standardantibiotika resistent und teils
nicht mehr systemisch antibiotisch behandelbar sind. Beispiele sind ESBL-produzierende
K.-pneumoniae- oder E.-coli-Stämme, Erreger mit Metallobetalactamasen und Stämme von
„Totally resistant oder extensively resistant tuberculosis“. Zudem ist es fast ausgeschlossen,
dass in den nächsten 10 Jahren neue antimikrobielle Substanzen auf den Markt kommen.
Daher haben die amerikanischen Infektiologischen Gesellschaften ein Programm aufgestellt,
das „10 to 20“ Programm, wodurch zehn neue Substanzen bis 2020 entwickelt werden sollen;
ein unrealistisches Ziel.
Die Eingrenzung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten hat daher heute die gleiche
Bedeutung wie vor 100 Jahren erlangt.
SARS hat eindrucksvoll gezeigt, dass virale Erkrankungen, die die ganze Welt erschüttern,
mit Isolationsmaßnahmen effizient bekämpft werden können. Bis zum heutigen Tag gibt
es keine wirksame Therapie: Trotzdem ist die SARS-Epidemie erloschen.
Beispiele für die Beherrschung nosokomialer Ausbrüche sowohl durch Noroviren als auch
durch MRE vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten bestätigen die Effektivität
überlegter Isolierungsmaßnahmen im Zusammenwirken mit sinnvollen Desinfektionsmaßnahmen
zur Beendigung der Ausbrüche.
Besonders erfolgversprechend sind Strategien, die verschiedene Maßnahmen bündeln und
bei denen die Isolierung infektiöser Patienten eine von mehreren Interventionen darstellt.
Folgende Gleichung soll das erläutern:
Die meisten Variablen dieser Gleichung können medizinisch nicht beeinflusst werden,
sodass als präventive Maßnahme ausschließlich die Vermeidung oder Reduktion der Exposition
zur Verfügung steht, zumal die minimale Infektionsdosis für den individuellen Patienten
so gut wie nie bekannt ist.
Optimal ist die Isolierung, wenn die Exposition anderer Patienten durch vollständige
Trennung ausgeschlossen werden kann. Aus finanziellen oder räumlichen Gründen müssen
immer wieder Kompromisse eingegangen und eine geringe Exposition anderer Patienten
in Kauf genommen werden, sofern diese nicht immunsupprimiert sind.
Isolierung ist eine präventive Maßnahme, die eine Exposition und damit eine Kolonisation
und mögliche Infektion verhindern kann.
Umgekehrt führt nicht jede unterlassene Isolierung zur Infektionsübertragung, z. B.
wenn die Exposition nur kurz ist oder der Erreger eine geringe Virulenz aufweist.
Das verursacht in der Praxis gelegentlich Probleme. Mitarbeiter sind bei isolierten
Patienten u. U. nachlässig, ohne dass Folgen daraus resultieren. Sie fühlen sich dann
bestätigt, dass ihr Fehlverhalten offensichtlich keine Folgen hatte. Falls hier nicht
durch Schulung und Weiterbildung durch die Krankenhaushygiene interveniert wird, werden
Isolierungsmaßnahmen immer weniger eingehalten und zuletzt eingestellt – eine Entwicklung,
die es zu verhindern gilt.
Länder mit einer sehr konsequenten Isolationspraxis, z. B. die Niederlande, haben
die geringsten Resistenzraten bei MRSA. Eine inkonsequente Isolationspraxis führt
meist nicht zum Erfolg. Gerade bei MRSA dauert es Jahre bis Jahrzehnte, bis die Prävalenz
sehr hoch wird; es dauert aber nach intensiver Intervention ebenso lang, bis die MRSA-Rate
wieder zurückgeht, wie die Beispiele England und Frankreich zeigen (Bootsma et al.
2006).
Die Effektivität von Isolierungsmaßnahmen kann erst nach einem längeren Zeitraum und
mit hohem Aufwand (Fallzahlen!) quantifiziert werden.
2.11.2
Prinzipien der Isolierung und Übertragungswege
Als (Quellen-)Isolierung wird die Distanzierung eines Patienten verstanden, der Träger
oder Ausscheider eines infektiösen Erregers ist. Ziel der Maßnahme ist der Schutz
anderer Patienten und der Mitarbeiter vor Ansteckung. Bei der protektiven Isolierung
(Umkehrisolierung) soll dagegen der Patient vor Krankheitserregern aus seiner Umgebung
geschützt werden.
Grundsätzlich sind zwei Formen der Prävention durch Isolierungsmaßnahmen in der Klinik
notwendig:
•
Standardmaßnahmen (standard precautions),
•
gezielte (transmissionsbasierte) Maßnahmen.
Die Isolierung:StandardmaßnahmenStandardmaßnahmen umfassen die Händehygiene (Händedesinfektion,
Händewaschen) und den Gebrauch von PSA. Neu hinzu gekommen sind in der HICPAC-Richtlinie
2007 die Hustenetikette, die Unterbringung des Patienten, der Umgang mit MP, Flächenreinigung
und -desinfektion in der Umgebung des Patienten, Umgang mit Wäsche und sichere Injektionstechniken.
Diese neuen Elemente dienen vorwiegend dem Schutz der Patienten. Im Gegensatz dazu
stand zuvor mit den aus den „universal precautions“ in die „standard precautions“
übernommenen Maßnahmen eher der Personalschutz im Mittelpunkt.
Grundsätzlich, wenn auch in der HICPAC-Richtlinie nicht enthalten, gehören auch Impfungen
des Personals zu den Standardmaßnahmen.
Transmissionsbasierte Isolierung:transmissionsbasierte MaßnahmenIsoliermaßnahmen orientieren
sich dagegen an den Übertragungswegen der Erreger.
Die Übertragung von Pathogenen bedarf dreier Voraussetzungen: Infektionsquelle oder
Erregerreservoir, empfänglicher Wirt und Übertragungsweg.
Infektionsquellen: Krankheitserreger in medizinischen Einrichtungen stammen i. d.
R. vom Menschen (nur in Ausnahmefällen von Tieren) oder aus der unbelebten Umgebung
des Patienten. Menschliche Quellen umfassen Infektionsquelle(n)Patienten, Beschäftigte,
Besucher und Menschen aus dem sozialen Umfeld wie Familienmitglieder (Munoz et al.
2002). Die Personen können manifest oder asymptomatisch an einer Infektion erkrankt
sein, können sich in der Inkubationszeit befinden oder vorübergehend oder dauerhaft
mit Pathogenen vorzugsweise im oberen Respirations- oder Gastrointestinaltrakt kolonisiert
sein. Darüber hinaus ist die endogene Flora des Patienten eine wichtige Infektionsquelle
(Donskey 2004).
Empfängliche Personen: Bei der Mehrzahl der Bedingungen, die Entstehen und Schwere
einer Infektion beeinflussen, handelt sich um patientenassoziierte Faktoren. Daneben
sind Pathogenität und Virulenz des Erregers wesentlich, ebenso die Art der Exposition,
die infektiöse Dosis und der Pathomechanismus der Erkrankung (Osterholm et al. 2009).
Eine Erregerexposition führt nicht zwangsläufig zur Erkrankung. Eine Wirtsreaktion
kann völlig ausbleiben, es kann zu transienter oder chronischer Kolonisierung kommen,
aus der sich eine manifeste Erkrankung entwickeln kann. Neben erregerassoziierten
Faktoren spielen Risikofaktoren wie extremes Alter und Art der Grunderkrankung ebenso
eine Rolle wie Medikationen, die die physiologische Flora (z. B. Antibiotika, Säureinhibitoren)
und die Immunantwort beeinflussen (wie Kortikosteroide und immunsuppressive Medikamente).
Chirurgische Eingriffe und Strahlentherapie beeinflussen natürliche Barrieremechanismen
und Organsysteme, Devices schaffen zusätzliche Eintrittspforten für Erreger. Alloplastische
Implantate können durch Adhärenz von Mikroorganismen und Biofilmbildung zur Entstehung
einer Infektion beitragen (Kap. 4.9).
Übertragungsmechanismen: Ihre Kenntnis hilft, Richtlinien sach- und situationsgerecht
anzupassen. Bestimmte Krankheitserreger werden auf mehr als einem Weg übertragen.
Influenzaviren werden Infektion(en):Übertragungsmechanismenüberwiegend durch Tröpfchen,
seltener auch durch direkten Kontakt verbreitet, Noroviren dagegen vornehmlich durch
Kontakt, bei Erbrechen aber auch über Tröpfchen. Aufgabe der Krankenhaushygiene ist
es, unter den gegebenen Bedingungen die praktikable Lösung auszuarbeiten, was erklärt,
dass für ein und dasselbe Problem mehrere Lösungen infrage kommen.
Übertragung durch direkten oder indirekten Kontakt ist der wichtigste Übertragungsweg
für NI.
Übertragung durch Kontakt: Typischer Übertragungsmechanismus ist der direkte physische
Kontakt zwischen infizierter oder kolonisierter Person und einer anderen Person. Direkter
Kontakt kann auch bedeuten, dass ein Erreger über Blut, bluthaltige Körperflüssigkeiten
oder erregerhaltige Sekrete durch eine minimale Verletzung der Haut oder Schleimhaut
übertragen wird (Rosen 1997, Beltrami et al. 2003).
Die indirekte Übertragung erfolgt über einen kontaminierten Gegenstand oder eine kontaminierte
Person. Vor allem die Hände von Mitarbeitern spielen eine wesentliche Rolle, etwa
nach Berühren eines infizierten oder kolonisierten Patienten, eines kontaminierten
MP (z. B. Blutdruckmanschette, Verband, Thermometer) oder patientennahen Gegenstands,
sofern eine nachfolgende Händedesinfektion unterlassen wird. Kontaminierte Arzneimittel
und Pflegeprodukte, unzureichend aufbereitete MP (flexible Endoskope) oder kontaminierte
Kontaktflächen (z. B. Mobiltelefone, Computertastaturen) tragen ebenfalls zur indirekten
Erregerübertragung bei (Hartmann et al. 2004, Ulger et al. 2009).
Übertragung durch Luft: Vorwiegend in der amerikanischen Literatur unterscheidet man
zwischen Übertragung durch Tröpfchen (droplet transmission) und durch Partikel (airborne
transmission). Letzteres ist die „echte“ aerogene Übertragung, weil sie auch über
Distanzen erfolgt, die größer sind als der Durchmesser einer Nies- oder Hustenwolke.
Zur Tröpfchenübertragung kann es bei Aerosol erzeugenden medizinischen Maßnahmen kommen,
z. B. bei endotrachealem Absaugen, nach Extubation, Bronchoskopie, im Rahmen physiotherapeutischer
oder Wiederbelebungsmaßnahmen oder bei der Zahnbehandlung (Kap. 5.24). Insbesondere
Nasenschleimhaut und Konjunktiven – seltener die Mundschleimhaut – gelten als Eintrittspforten
für respiratorische Viren. Studien zur Ausbreitung der Pocken (Fenner et al. 1988)
und nicht zuletzt zur Verbreitung von SARS (Wong et al. 2004) haben ergeben, dass
eine Tröpfcheninfektion bis zu einer Distanz von knapp 2 m erfolgen kann. Dabei ist
die Übertragung abhängig von der Zahl und Ausstoßgeschwindigkeit der Tröpfchen, ihrem
Durchmesser, der Temperatur und der Luftfeuchte sowie der Tenazität des Erregers.
Die Vorstellung, dass durch Verdunstung des Flüssigkeitsanteils die im Tröpfchen enthaltenen
Erreger als sehr kleine Tröpfchenkerne (droplet nuclei) lange in der Schwebephase
bleiben und damit das Risiko einer Ansteckung erhöhen, wird für die Übertragung der
Lungentuberkulose angenommen, lässt sich aber nicht unbedingt auf andere Erreger übertragen
(Cole und Cook 1998).
Zu den über Tröpfchen übertragbaren Erreger gehören u. a. Influenza-, Adeno-, Rhino-
und SARS-assoziierte Coronaviren, B. pertussis, M. pneumoniae, N. meningitidis, Legionella
spp. und Gruppe A-Streptokokken. Nasale S.-aureus-Träger können bei Vorliegen einer
Virusinfektion des oberen Respirationstrakts diesen Erreger über 1 m weit streuen
(Sheretz et al. 1996).
Nur bei wenigen Mikroorganismen ist der Nachweis gelungen, dass sie als Partikel über
die Luft übertragen werden. Typisches Beispiel ist das Varizellavirus, bei dem Ansteckungen
bis zu einer Distanz von 10 m beschrieben sind und durch PCR das Virus noch in 5 m
Entfernung von der Infektionsquelle nachweisbar war (Sawyer et al. 1994). Aerogene
Übertragung findet auch bei Masern (Bloch et al. 1985), M. tuberculosis (Tröpfchenkerne)
und Schimmelpilzsporen (Aspergillus spp.) statt (Haley et al. 1989, Brenier-Pinchart
et al. 2009). Die Ausbreitung von Viren über den Luftweg wurde u. a. für Influenza-,
Noro- und Rotaviren beschrieben (Chadwick et al. 1994). Allerdings lagen die Distanzen
im Bereich eines Patientenzimmers, sodass eine Ausbreitung über Luftströme innerhalb
eines ganzen Gebäudes als unwahrscheinlich anzusehen ist.
Übertragung durch Vektoren: Die Übertragung von Infektionen durch tierische Vektoren
besitzt für die Epidemiologie von NI nur geringe Bedeutung (Kap. 2.13). Dagegen trägt
dieser Infektionsweg vor allem in tropischen und subtropischen Ländern erheblich zur
Übertragung von Infektionskrankheiten bei.
2.11.3
Isolierungsmodelle
Isolierung:Prinzipien\""\r""IsolierungPrinzipien Ein wesentliches Problem besteht
darin, dass eine auf die Krankheit exakt zugeschnittene Isolierpraxis, die zugleich
die spezifischen Probleme des Patienten berücksichtigt, sehr individuell ist und damit
eine hohe Präsenz der Krankenhaushygiene vor Ort voraussetzt oder einen hohen andauernden
Aufwand für die Praxisanleitung des Personals erfordert. Das übersteigt i. d. R. die
vorhandenen Ressourcen, sodass einfachere Modelle gesucht werden müssen. Das hat den
Nachteil, dass u. U. Maßnahmen getroffen werden müssen, die beim individuellen Patienten
nicht zwingend notwendig wären. Erschwerend kommt hinzu, dass insbesondere bei bestimmten
Virusinfektionen die Infektiosität zu einem Zeitpunkt am höchsten ist, an dem die
Labordiagnose noch nicht gestellt ist. Einige grundsätzliche Probleme wurden im Rahmen
der Bekämpfung der HIV-Epidemie gelöst, indem bestimmte Grundmaßnahmen der Prävention
bei allen Patienten vorausgesetzt werden (Standardhygiene).
Bei Anordnung von Isoliermaßnahmen darf nicht vergessen werden, dass die Isolierung
für den Patienten neben der psychischen Belastung (Einsamkeitsgefühl, Angst, Depression)
auch zu weniger häufigem Kontakt mit ärztlichem und Pflegepersonal führt. Als Folge
traten unerwünschte Ereignisse bei isolierten Patienten häufiger auf als bei nicht
isolierten.
Die adäquate Versorgung der Patienten unter Isolierbedingungen sollte daher auch eine
situationsspezifische psychologische Betreuung umfassen (Abad et al. 2010).
Isolierung in Abhängigkeit von der Krankheit: Bei diesem Modell ist die Isolierung
auf die individuelle Erkrankung des Patienten ausgerichtet. Sie erlaubt mit einfachen
Entscheidungskriterien ein Isolierung:in Abhängigkeit von der KrankheitMaximum an
Prävention. Da jedoch häufig bereits Infektiosität besteht, bevor die Diagnose gestellt
wurde, setzt die Isoliermaßnahme häufig zu spät ein, sodass mit erheblichem Übertragungsrisiko
während der Zeit bis zur Diagnosesicherung zu rechnen ist. Da bei diesem Modell für
jede Infektionskrankheit spezifische Isoliervorschriften benötigt werden, was kaum
praxisnah ist, wird dieses Modell nur noch bei der Tbk und wenigen seltenen Infektionskrankheiten
angewandt.
Isolierung nach Kategorien: Hier richten sich die Isoliermaßnahmen nach dem Übertragungsweg
der Infektionskrankheit, also über Kontakt, Ausscheidungen (fäkal-oraler Übertragungsweg),
Tröpfchen bzw. Luft oder Blut und Körperflüssigkeiten.
Bei der sog. strikten Isolierung handelt es sich um eine Kombination von Maßnahmen,
die bei möglicher Übertragung sowohl durch Kontakt als auch über Luft zu treffen sind.
Die Kenntnisse über blutübertragene Isolierung:strikteInfektionen haben dazu geführt,
dass diese Kategorie zugunsten allgemeiner Distanzierungsmaßnahmen weitgehend aufgegeben
wurde, sodass eine große Anzahl der früheren Isolationsindikationen ersetzt werden
kann. Dennoch ist festzuhalten, dass auch die Maßnahmen der Standardhygiene wiederholte
Schulungen und einen gewissen Aufwand erfordern.
Isolierung heute: Nahezu alle Empfehlungen ähneln der CDC-Richtlinie (2007). Sie stellen
ein pragmatisches Konzept aus epidemiologischer Notwendigkeit, Personal- und Patientenschutz
dar. Die grundsätzlichen Maßnahmen – Kontaktisolierung, Isolierung bei Tröpfcheninfektion,
aerogener Infektion und als Spezialfall bei Tbk – wurden beibehalten. Die Prävention
blutübertragener Infektionen ist Isoliermaßnahmenin den Maßnahmen der Standardhygiene
enthalten; eine räumliche Isolierung wird i. d. R. nicht als notwendig erachtet.
Einige Erreger, die erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, erfordern
differenzierte Hygienemaßnahmen. Hierzu gehören C. difficile, die als Sporenbildner
besondere Maßnahmen (Händewaschen nach Händedesinfektion, sporozide Flächendesinfektion;
Kap. 3.9) erfordern. In den USA Clostridium difficile:Hygienemaßnahmenhat jedoch die
Einführung der Händehygiene mittels Alkohol zu keiner erhöhten Inzidenz der C.-difficile-Infektionen
geführt, obwohl diese Aktion keine Wirkung auf Sporen hat. Noroviren erfordern aufgrund
ihrer Tenazität ebenfalls spezielle Desinfektionsmaßnahmen (virozide Hände- und Flächendesinfektion;
Kap. 3.5). Die rapide Zunahme und Heterogenität von ESBL-Bildnern erfordern ebenfalls
ein differenziertes Isolierkonzept (von Baum et al. 2010, Kap. 3.8), derzeit fehlen
aber noch grundlegende Daten zur optimalen Prävention einer Übertragung.
Nicht selten ist die Umsetzung der im Grunde einfachen Maßnahmen immer noch schwierig.
Der Mehraufwand insbesondere für räumliche Isolierung wird i. d. R. von den Kostenträgern
nicht bzw. nicht vollständig erstattet, abgesehen davon, dass in vielen Häusern nicht
ausreichend Einzelzimmer zur Verfügung stehen.
Ein weiterer Grund, warum Isoliermaßnahmen nicht immer korrekt angewandt werden, liegt
darin, dass eine nachlässige Isolierung selten eine sofortige Folgeepidemie verursacht,
sodass keine unmittelbaren Konsequenzen eines Fehlverhaltens beobachtet werden. Mittel-
und langfristig sind die Folgen jedoch kaum mehr zu beeinflussen, wie die weltweite
Ausbreitung von MRE zeigt.
Zur Umsetzung von IsolierungsrichtlinienIsolierungsrichtlinien in den Hygieneplänen
hat sich ein Konzept bewährt, das die Vorteile der transmissionsbasierten Isolierung
und der Isolierung nach Krankheiten in sich vereinigt.
Das bedeutet, dass im Hygieneplan die isolierpflichtigen Infektionskrankheiten im
Einzelnen genannt werden, die Beschreibung der Isoliermaßnahmen aber dem Schema der
transmissionsbasierten Isolierung folgt, sodass sich die Diversität der Einzelrichtlinien
in Grenzen hält (Tab. 2.32
).
Tab. 2.32
Schutzmaßnahmen bei ausgewählten Infektionen im Überblick.Yersinien, SchutzmaßnahmenVRE:SchutzmaßnahmenVirusgrippe,
SchutzmaßnahmenTuberkulose:SchutzmaßnahmenShigellen:SchutzmaßnahmenScharlach, SchutzmaßnahmenSalmonellen:SchutzmaßnahmenRöteln:SchutzmaßnahmenRotaviren:SchutzmaßnahmenPertussis:SchutzmaßnahmenNoroviren:SchutzmaßnahmenMRSA:SchutzmaßnahmenMeningitis:SchutzmaßnahmenMasern:SchutzmaßnahmenImpetigo
contagiosa:SchutzmaßnahmenHerpes zoster, SchutzmaßnahmenHerpes-simplex-Viren:SchutzmaßnahmenHepatitis
E:SchutzmaßnahmenHepatitis A:SchutzmaßnahmenETEC, SchutzmaßnahmenESBL:SchutzmaßnahmenEHEC,
SchutzmaßnahmenDiphtherie:SchutzmaßnahmenDiarrhö:SchutzmaßnahmenClostridium difficile:SchutzmaßnahmenCampylobacter:SchutzmaßnahmenAIDS:SchutzmaßnahmenAdenoviren:Schutzmaßnahmen
Erreger
Isolierung
SH
SK
MNS
HS
Umstellung Desinfektion
Kontroll-abstrich
Aufhebung Isolierung
Virtuell6
Einzel
Kohortierbar7
Adenovirus
–
+
+
+
+
+
–
Virozid
–
Erkrankungsende
AIDS (Vollbild)
+
+
+
+
+
+
–
–
+
Diphtherie
–
+
+
+
+
+
–
–
+
Nach 2 neg. Abstrichen
Virushepatitis A/E
+
+
+
+
+
–
–
Virozid
–
2 Wochen postikterisch, 1 Wochen nach Beginn
HSV-Primärinfektion
–
+
+
-
–
–
–
–
–
Erkrankungsende
Herpes zoster
–
+
+
+
+
–
–
–
–
Wenn Verkrustung
Impetigo contagiosa
–
+
Nur bei gleichem Erreger
+
+
–
–
–
–
Nach Abheilung
KCE
–
+
+
+
+
+
–
Virozid
–
Erkrankungsende
Pertussis
–
+
+
+
+
+
+
–
–
5 d nach Erkrankungsbeginn
Masern
–
+
+
+
+
+
–
–
–
Erkrankungsende
Meningitis viral (Enteroviren)
–
–
–
+
+
+
–
Virozid
–
Meningokokken-meningitis
–
+
+
+
+
+
–
–
–
24 h nach Therapiebeginn
Röteln
–
+
+
+
+
+
–
–
–
7 d nach Exanthembeginn
Scharlach
–
+
+
+
+
+
–
–
–
24 h nach Therapiebeginn
Tbk und Verdacht
–
+
–
+
+
FFP 2/3
–
–
–
MRSA
+1
+
+
+
+
+
+
–
+
3 aufeinanderfolgende neg. Abstriche
ESBL
+1
+7
Nur bei gleichem Resistenzmuster
+
+
+2
–
–
+
3 aufeinanderfolgende neg. Abstriche
Norovirus
+3
+
+
+
+
(+)4
–
Virozid
–
48 h nach Symptomende
Rotavirus
+
+
+
+
+
(+)5
–
Virozid
–
C. difficile(Toxin)
+
+
+
+
+
–
Sporozid
–
Diarrhö (unbekannter Erreger)
+
+
–
+
+
–
–
–
Nach Symptomende
VRE
+
+
+
+
+
+2
–
–
+
Salmonellen
+
+
+
+
+
–
–
–
+
Nach neg. Abstrich
Shigellen
+
+
+
+
+
–
–
–
–
Nach Symptomende
Campylobacter
+
+
+
+
+
–
–
–
–
Yersinien
+
+
+
+
+
–
–
–
–
EHEC/ETEC
+
+
+
+
+
–
–
–
–
Verdacht Virusgrippe
–
+
+
+
+
+
–
–
–
3–5 d nach Symptombeginn
Virusgrippe
–
+
+
+
+
+
–
–
–
7 d nach Symptombeginn
SH = Schutzhandschuh, SK = Schutzkittel, MNS = Mund-Nasen-Schutz, HS = Haarschutz
1
Nicht bei nasaler und endotrachealer Besiedlung.
2
Nur bei nasaler und endotrachealer Besiedlung.
3
Nicht bei Erbrechen.
4
Bei Erbrechen und starken spritzenden Durchfällen.
5
Nicht kontrollierbare Durchfälle.
6
Unter virtueller Isolierung wird Barrierepflege ohne räumliche Abtrennung verstanden.
Der Isolierbereich umfasst das Bett und den Bereich, den der liegende Patient mit
der Hand erreichen kann. Der Patient darf den Isolierbereich nur mit Auflagen verlassen.
7
Jeweils erreger- und situationsabhängige Einzelentscheidung.
Zusätzlich empfiehlt es sich, insbesondere bei Erkrankungen, die mit dem Symptom Durchfall
einhergehen, Maßnahmen festzulegen, die bis zur fertigen Diagnose zunächst eine Verbreitung
der am häufigsten infrage kommenden Erreger wirksam verhindern.
2.11.4
Praxis der Isolierung
In Deutschland besteht nur in wenigen Fällen eine Isolierungsmodelle\"\r\"Isolierungsmodellegesetzlich
festgelegte Isolierpflicht. Nach § 30 IfSG hat die zuständige Behörde Personen, die
an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt
oder dessen verdächtig sind, Isolierpflichtunverzüglich in einem Krankenhaus oder
einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung „abzusondern“. Bei sonstigen Kranken
sowie Krankheits-, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden,
dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert
werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen,
befolgen können oder würden und dadurch ihre Umgebung gefährden. Die vom Gesetz zugelassenen
Möglichkeiten der Absonderung reichen von speziellen Isoliereinrichtungen über die
Infektionsabteilung von Krankenhäusern bis zur häuslichen Isolierung („in sonst geeigneter
Weise“). Das bedeutet, dass die Behörde erheblichen Ermessens- und Handlungsspielraum
besitzt.
Um beim Auftreten hochinfektiöser lebensbedrohlicher Krankheiten, insbesondere virusbedingtem
hämorrhagischem Fieber, die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, wurden
bundesweit 5 Behandlungszentren (Hamburg, Frankfurt, München, Berlin, Leipzig) mit
Isolierstationen ausgestattet. Ein Rahmenkonzept unter Berücksichtigung von Erstversorgung,
Diagnostik, Krankentransport, Behandlung und Gesamtmanagement wurde 2000 von einer
Bund-Länder-IsolierstationenArbeitsgruppe publiziert (Fock et al. 2000).
Grundsätzlich ist zwischen Isolierungsmaßnahmen:Standardhygiene
Isolierungsmaßnahmen:spezifischeStandardhygienemaßnahmen und spezifischen Maßnahmen
bei bekannten Übertragungswegen zu unterscheiden.
Zahlreiche Autoren und Institutionen haben sich zu Anforderungen an Isolierungseinheiten
bzw. -maßnahmen in medizinischen Einrichtungen geäußert. Hervorzuheben ist die HICPAC-Leitlinie
(2007), in der ausführlich Anforderungen an das mit der Isolierung betraute Personal,
die räumliche Unterbringung und die Versorgung des Patienten unter Berücksichtigung
der HICPAC-LeitlinieÜbertragungswege relevanter Erreger formuliert werden. Das RKI
hat 2009 grundsätzliche Überlegungen zur Herleitung risikominimierender Maßnahmen
zur Infektionsprävention im Gesundheitswesen veröffentlicht, die auf der Homepage
unter „Informationen zu ausgewählten Erregern“ mit dem Titel „Herleitung von risikominimierenden,
hier infektionspräventiven Maßnahmen in der Praxis“ publiziert wurden. Ausgehend von
einer Risikoanalyse und der anschließenden Risikobewertung werden Maßnahmen der Standardhygiene
und spezifischen Hygiene bei bekannten Übertragungswegen definiert. Unter der Rubrik
„Informationen zu ausgewählten Erregern“ finden sich zudem hilfreiche Informationen
zur Infektionsprävention bei zahlreichen Krankheitserregern.
Da sowohl bei den spezifischen Hygienemaßnahmen als auch bei Maßnahmen der Standardhygiene
die Auswahl der Desinfektionsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung ist, wird zunächst
auf diese eingegangen.
HygieneleitlinienHygieneleitlinien müssen regelmäßig auf Aktualität überprüft werden.
Sie sollen kurz und gut lesbar sein.
Deshalb sollen spezielle Angaben, z. B. Namen von Desinfektionsmitteln, ausschließlich
in einer einzigen Richtlinie (Desinfektionsmittelliste der Einrichtung) erwähnt werden,
um zu vermeiden, dass bei einem Wechsel des Präparats alle Richtlinien angepasst werden
müssen.
Leicht lösen Richtlinien über die Jahre interne Konflikte aus, weil einige neu aufgebaut,
andere nicht angepasst wurden. Querverweise auf die Original-Hygienerichtlinie, z.
B. die Desinfektionsmittelliste, sind eine einfache Methode, um dieses Problem zu
umgehen. Das ist vor allem bei der Umsetzung ins HTLM-Format für das Intranet hilfreich
(Einrichten von Links). Zu empfehlen ist zuvor die breite Bekanntmachung der Richtlinien,
bevor sie verabschiedet werden, v. a. in größeren Kliniken, in denen eine allgemeine
Anweisung für eine Spezialabteilung unsinnig sein kann. Ohne vorherige breite Information
geraten Hygienekommissionen leicht in die Situation, dass die Qualität der gesamten
Richtlinie infrage gestellt wird. Sofern Hygienerichtlinien klinikintern bindenden
Charakter haben, sind Widersprüche besonders ärgerlich und fördern das Misstrauen
der Mitarbeiter.
Ein Problem besteht darin, die gedruckten oder elektronisch verbreiteten Informationen
auf dem aktuellen Stand zu halten. Im konventionellen System übernimmt ein Ordner
die Sammlung der Hygienerichtlinien, wobei die Aktualisierung von den Empfängern manuell
vorgenommen werden muss. Das geschieht in praxi nicht immer zuverlässig, sodass verschiedene
Versionen in Umlauf sind, was Unsicherheit und Konfusion fördert. Die einfachste Lösung
besteht in einem zentralen Server, der die Referenzversion der Richtlinien gespeichert
hat, dort können sie bei Bedarf online abgerufen und ausgedruckt werden.
Desinfektion
Während zur prophylaktischen Desinfektion VAH-gelistete Produkte eingesetzt werden,
sind für behördlich angeordnete Entseuchungen gemäß § 18 IfSG Mittel und Verfahren
der Desinfektionsmittelliste des RKI anzuwenden. Aufgrund der Wirkstoffkonzentrationen
gehen die RKI-gelisteten Desinfektionsverfahren mit deutlich höherer Belastung für
Mensch und Umwelt einher und sollten nur auf behördliche Anordnung oder explizite
Empfehlung des Krankenhaushygienikers zur Anwendung kommen.
Grundsätzlich ist zwischen der laufenden Desinfektion und der Schlussdesinfektion
zu unterscheiden (Kap. 2.4, Kap. 2.5).
Händedesinfektion: Zum Schutz vor Kontamination sind bei sämtlichen Isolierungsmaßnahmen
medizinische Schutzhandschuhe anzulegen. Nach dem Ablegen muss eine Händedesinfektion
mit einem alkoholischen Einreibepräparat mit Wirksamkeit gegen den betreffenden Erreger
durchgeführt werden (Kap. 2.1, Kap. 2.4). Bei unbehüllten Viren (z. B. Adeno-, Noroviren)
ist darauf zu achten, dass der Hersteller die Wirksamkeit durch geeignete Untersuchungen
bestätigt hat. In Zukunft werden auch in der VAH-Liste entsprechende Angaben zu finden
sein; im Zweifelsfall ist auf Produkte der Desinfektionsmittelliste des RKI zurückzugreifen.
Nach Kontakt mit bakteriellen Sporen kommt der Händewaschung mit Wasser und Seife
erhebliche Bedeutung zu. Zu beachten ist, dass die Hände nach Ablegen der Handschuhe
zunächst mit einem alkoholischen Einreibepräparat (oder peressigsäurebasiert) desinfiziert
werden, um vegetative Bakterien sicher abzutöten. Im Anschluss wird die Waschung mit
Wasser und Seife durchgeführt, um verbliebene Sporen zu entfernen.
Flächendesinfektion: Auch bei der Auswahl des Flächendesinfektionsmittels ist auf
die sichere Wirksamkeit gegen die jeweiligen Krankheitserreger zu achten. In der Regel
finden sich hinreichende Angaben in der VAH-Liste. Bezüglich der Wirksamkeit gegen
Viren oder bakterielle Sporen ist auf gutachtlich belegte Aussagen der Hersteller
zu achten (Kap. 2.5). Ob die Anwendungskonzentrationen zur prophylaktischen Desinfektion
auch zur laufenden Desinfektion bei Isolierungsmaßnahmen geeignet sind, muss im Einzelfall
geprüft werden. Die Anwendung von Konzentrationen im Bereich des sog. 4-Stunden-Werts
ist nicht ratsam, da u. U. durch Adsorptionseffekte an Oberflächen und Wischutensilien
sowie durch Kontakt mit organischen Verunreinigungen nicht mehr mit hinreichender
Wirksamkeit gerechnet werden kann.
Zur Schlussdesinfektion sind Desinfektionsmittel mindestens in der Konzentration des
1-Stunden-Werts der VAH-Liste anzuwenden. Die der Konzentration entsprechende Einwirkzeit
muss vor erneuter Benutzung der Flächen eingehalten werden!
Instrumentendesinfektion: An die Desinfektion im Isolierzimmer eingesetzter MP sind
keine erhöhten Anforderungen zu stellen, sofern diese im RDG an zentraler Stelle durchgeführt
Instrumentendesinfektion:Isolierungsmaßnahmenwird. Durch organisatorische Maßnahmen
ist sicherzustellen, dass eine Verbreitung der Krankheitserreger auf dem Transportweg
vom Patientenzimmer zur Aufbereitung ausgeschlossen wird. Gegebenenfalls ist auf besondere
Verpackung sowie gezielte Information des mit der Aufbereitung betrauten Personals
zu achten.
Besonderes Augenmerk ist auf MP zu legen, die während des stationären Aufenthalts
des Patienten im Zimmer verbleiben, z. B. Stethoskop, Blutdruckmanschette. Diese müssen
jeweils nach Beendigung einer Untersuchung sowie ggf. vor erneuter Untersuchung desinfiziert
werden. Zur Desinfektion können vorgetränkte Tuchsysteme oder (ausnahmsweise!) alkoholische
Sprühdesinfektionsmittel verwendet werden.
Wäschedesinfektion: Da Krankenhausbettwäsche mit desinfizierenden Verfahren unter
Berücksichtigung des Wirkbereichs AB gemäß RKI-Liste aufzubereiten ist, muss lediglich
Wäschedesinfektion:Isolierungsmaßnahmensichergestellt werden, dass von der Wäsche
während des Transports im Krankenhaus sowie ggf. außerhalb des Hauses kein Kontaminationsrisiko
ausgeht. Die Wäsche ist daher in geeignete Behältnisse im Sinne einer Umverpackung
zu geben.
Leidet der Patient an einer Infektionskrankheit, die auch für Angehörige eine Infektionsgefährdung
darstellt und deren Erreger über entsprechende Umweltstabilität verfügt, sind die
Angehörigen, sofern sie die Leibwäsche des Patienten zu Hause waschen, zu informieren
(z. B. bei Behandlung eines Patienten mit offener Lungen-Tbk). In einzelnen Fällen
kann es erforderlich sein, auch die persönliche Wäsche des Patienten desinfizierend
aufzubereiten (z. B. während der Phase der MRSA-Eradikation, um eine Reinfektion zu
vermeiden).
Desinfektion von Ausscheidungen (Stuhl, Urin, Mageninhalt, Wundsekret): Die gezielte
Desinfektion von Ausscheidungen, insbesondere des Stuhls, ist nur in Ausnahmefällen
angezeigt. In der Regel wird der isolierte Patient eine ihm zugeordnete Sanitärzelle
oder separate Steckbecken bzw. Urinflaschen benutzen. Lediglich bei Erregern, deren
Ausbreitung in die Umwelt strikt unterbunden werden muss (z. B. Choleravibrionen),
muss die Desinfektion der Ausscheidungen gewährleistet sein (Kap. 2.4).
Raumdesinfektion: Die früher bei offener Lungen-Tbk regelmäßig angewandten Verfahren
zur Raumdesinfektion sind heute nur noch in Ausnahmefällen (z. B. hochkontagiöse Erkrankungen
Raumdesinfektion:Isolierungsmaßnahmenwie virusbedingtes hämorrhagisches Fieber) auf
Anordnung der zuständigen Behörde bzw. Empfehlung des Krankenhaushygienikers indiziert.
Entgegen weitverbreiteter Auffassungen handelt es sich bei der sog. Raumdesinfektion
nicht um die Desinfektion der Innenraumluft, sondern um die Desinfektion der raumbegrenzenden
Oberflächen sowie der dem Desinfektionsmittel zugänglichen Oberflächen des Inventars.
Da im Anschluss an die Verdampfung oder Verneblung eine zusätzliche mechanische Flächendesinfektion
erforderlich ist, kommt die Raumdesinfektion kaum noch zur Anwendung. Möglicherweise
erfahren diese Verfahren eine Renaissance aufgrund neuerer Untersuchungen zur Anwendung
eines Wasserstoffperoxid(H2O2-Aerosols für die Oberflächendesinfektion (Pitten et
al. 2008). H2O2weist ein breites Wirkungsspektrum gegen Bakterien inklusive Bakteriensporen,
Pilze und Viren auf. Da H2O2 rasch in Wasser und freien Sauerstoff zerfällt, ist die
Anwendung mit deutlich geringeren Risiken als bei der Verneblung oder Verdampfung
von Formaldehyd verbunden. Die mit dem Aerosol behandelten Räume können unmittelbar
nach ausgiebigem Lüften wieder betreten werden. Nachteilig ist lediglich der deutliche
Wirkungsverlust von H2O2 in Gegenwart organischer Belastung (z. B. Blut). Toxikologisch
ist zu beachten, ob H2O2 Stabilisatoren oder Zerfallskatalysatoren mit erhöhter Persistenz
(z. B. Silber) enthalten kann.
Standardhygiene
Sie Isolierung:Desinfektion\"\r\"IsolierungDesinfbeinhaltet
•
Desinfektion:Isolierung\"\r\"IsolierungDesinfhygienische Händedesinfektion nach möglichem
Erregerkontakt, Kontakt mit Körperflüssigkeiten, zwischen Patientenkontakten und nach
Ablegen der Isolierungsmaßnahmen:StandardhygieneHandschuhe,
•
Schutzhandschuhe (Einmalhandschuhe nach EN 455: puderfrei, proteinarm), ggf. auch
Schutzkittel bei zu erwartendem Kontakt mit erregerhaltigem Material, Körperflüssigkeiten,
Wunden, Schleimhaut, ggf. Haut,
•
Instrumentendesinfektion,
•
Desinfektion von Kontaktflächen und kontaminierten Flächen,
•
sichere Entsorgung potenziell erregerhaltigen Materials (Kap. 6.7),
•
Schutz vor Stich- und Schnittverletzungen durch sicheren Umgang (inklusive stichfester
Entsorgungsbehälter) mit benutzten Kanülen und anderen Sharps,
•
Impfschutz gegen impfpräventable Erkrankungen (Kap. 2.12).
Die obligate Verwendung von Maske, Schutzbrille und besonderen Schuhen ist ebenso
wenig erforderlich wie die routinemäßige Desinfektion patientenferner Flächen.
Was die räumliche Isolierung betrifft, orientieren sich die Empfehlungen an der Infektiosität
des Patienten und an der Erregerübertragung (Erregerausscheidung, Übertragungsweg),
aber auch an Situationen, die besondere Maßnahmen im Krankenhaus erfordern (z. B.
nicht kontrollierbare Durchfälle, Desorientierung), und an der Schutzbedürftigkeit,
z. B. immunsupprimierte Patienten. Pflegerische, humanitäre oder organisatorische
Gründe können ebenfalls eine Einzelunterbringung geraten sein lassen.
Räume, in denen Patienten isoliert werden, müssen mit einer Sanitäreinheit, bestehend
aus Toilette und Dusche, ausgestattet sein (Toilettenstuhl nur als Notbehelf). Inkubatoren
sind als räumliche Isoliereinheit zu betrachten.
Bezüglich PSA (Schutzkleidung, Schutzkittel, Handschuhe, Maske oder Gesichtsschutz)
wird auf die PSA-BV und TRBA/BGR 250 verwiesen.
Die Verwendung von Plastiküberschuhen wird nicht empfohlen, ein Schuhwechsel ist ggf.
im Rahmen von Sonderisolierungen erforderlich.
Durchführung von Isolierungsmaßnahmen – Beispiele aus der Praxis
Die o. g. Grundsätze müssen für den Krankenhausalltag adaptiert werden. Dabei spielt
es eine große Rolle, über welchen Ausbildungsstand das Personal verfügt, ob viele
temporäre Mitarbeiter beschäftigt sind oder ein Ausbildungsauftrag im Rahmen einer
Universitätsklinik vorliegt. Es müssen Kriterien festgelegt werden, die für alle Mitarbeiter
verständlich und umsetzbar sind.
Die nachfolgenden zur Isolierung von Patienten mit Kontaktinfektionen bzw. mit durch
Tröpfchen oder aerogen übertragbaren Infektionserregern aufgeführten Maßnahmen sind
für die spezifischen Erreger in einzelnen Merkblättern hausintern anzupassen.
Grundsätzliche Überlegungen zur räumlichen Isolierung
Seit bekannt ist, dass der bei weitem größte Teil relevanter Krankheitserreger durch
direkten oder indirekten Kontakt übertragen wird, wurde das Konzept der Isolierung
auf Isolierung:räumlicheeigens zu diesem Zweck errichteten Isolierstationen verlassen.
Die vorher übliche separate Unterbringung von Virushepatitis- oder AIDS-Patienten
auf eigenen Stationen hat sich erübrigt. Ohnehin machen unter den isolationspflichtigen
Patienten jene den größten Anteil aus, die mit MRE besiedelt oder an ihnen erkrankt
sind und die daher von den übrigen Patienten isoliert werden müssen.
Bei jeder Isolierung ist im Wesentlichen darauf zu achten, dass das Personal vor Betreten
der Patientenzimmer Schutzkleidung anlegt. Je nach Situation kann es erforderlich
sein, vor dem Anlegen der Schutzkleidung die bereits angelegte Arbeitskleidung teilweise
abzulegen (z. B. Arztkittel). Entscheidend ist, dass vor dem Verlassen des Patientenzimmers
die möglicherweise kontaminierte Schutzkleidung im Patientenzimmer verbleibt und keinesfalls
beim Verlassen des Patientenzimmers getragen wird.
Der korrekte Ablauf des Betretens und Verlassens eines infektiösen Patientenzimmers
beinhaltet daher folgende Schritte:
•
(ggf.) Ablegen eines Teils der Arbeitskleidung (z. B. Arztkittel),
•
Händedesinfektion,
•
Anlegen der Schutzkleidung (Schutzkittel, Schutzhandschuhe, Mund-Nasen-Schutz, Haarschutz),
•
Betreten des Patientenzimmers,
•
Verrichten pflegerischer oder ärztlicher Maßnahmen im Patientenzimmer,
•
vollständiges Ablegen der Schutzkleidung im Patientenzimmer nahe dem Ausgang,
•
Händedesinfektion,
•
Öffnen der Tür des Patientenzimmers mit der frisch desinfizierten Hand (die Hände
sollten so feucht sein, dass die Türklinke durch diesen Kontakt praktisch desinfiziert
wird),
•
Verschließen der Tür des Patientenzimmers von außen mit der noch vom Desinfektionsmittel
feuchten Hand,
•
nochmalige Händedesinfektion,
•
(ggf.) Anlegen der zuvor abgelegten Arbeitskleidung (z. B. Arztkittel).
Dieses Vorgehen gestaltet sich je nach räumlicher Konzeption des Patientenzimmers
unterschiedlich schwierig. Problematisch ist insbesondere, dass häufig im Patientenzimmer
die entsprechenden Abwurfbehältnisse für die kontaminierte Schutzkleidung nicht vorhanden
sind. Auch die vor Betreten des Patientenzimmers anzulegende Schutzkleidung kann häufig
nur auf dem Flur vor dem Patientenzimmer deponiert werden, was ebenfalls nicht wünschenswert
ist.
Kohortenisolierung
Bei zahlreichen Erregern ist es möglich bzw. in Ausbruchsituationen sogar unumgänglich,
Patienten in einer Kohorte zu isolieren.
Kohortenisolierung bedeutet, dass Patienten, die mit dem gleichen Erreger infiziert
oder besiedelt sind, gemeinsam in einem Patientenzimmer untergebracht werden.
Der Entscheidung zur gemeinsamen KohortenisolierungUnterbringung infizierter oder
kolonisierter Patienten muss immer eine ärztlicherseits vorzunehmende Risikoabwägung
vorangehen. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, statt Kohortenisolierung auf
der Isolierung in Einzelzimmern bzw. nur einfach belegten Mehrbettzimmern zu bestehen.
Beispielsweise wird man einen Patienten mit Besiedlung oder Infektion eines hoch aggressiven
C.-difficile-Stamms (z. B. Ribotyp 027) nicht mit einem anderen Patienten, der an
einer C.-difficile-assoziierten Diarrhö (CDAD) erkrankt ist, zusammenlegen. Ebenso
wenig erscheint es vertretbar, einen Patienten mit Besiedlung oder Infektion durch
einen PVL-positiven cMRSA mit einem anderen MRSA-Stamm gemeinsam zu versorgen. Gerade
bei der Unterbringung von MRSA-Patienten ist außerdem der konkrete Status des Patienten
zu berücksichtigen. Einen Patienten mit einem frisch diagnostizierten MRSA, der am
Beginn einer antiseptischen Sanierung steht, wird man sinnvollerweise nicht mit einem
Patienten zusammenlegen, dessen Sanierung bereits kurz vor dem Abschluss steht oder
bereits beendet wurde. Die pauschale Unterbringung von „MRSA-Patienten“ in „MRSA-Zimmern“
oder von „C.-difficile-Patienten“ in „C.-difficile-Zimmern“ wird dem Anliegen einer
differenzierten Krankenhaushygiene nicht gerecht.
Isolierung bei Kontaktinfektion
Ziel ist die Vermeidung der Verbreitung der Erreger aus dem Patientenzimmer. Beispiele
sind Isolierung:bei KontaktinfektionInfektion oder Besiedlung mit MRSA oder VRE und
die C.-difficile-Kontaktinfektion:Isolierungassoziierte Diarrhö.
Wichtigste Übertragungswege sind
•
Hände und kontaminierte Kleidungsstücke des Personals,
•
kontaminierte Flächen im Patientenzimmer,
•
kontaminierte Kontaktinfektion:ÜbertragungswegeOberflächen von MP oder anderen Gegenständen,
die aus dem Zimmer herausgebracht werden.
Spezielle Maßnahmen, die über die o. g. Maßnahmen der Standardhygiene hinausgehen,
sind z. B. bei MRSA (Kap. 3.7)
•
konsequentes Tragen des Mund-Nasen-Schutzes zur Verhütung der Kontamination und späteren
Besiedlung des Vestibulum nasi des Personals,
•
gezielte Antiseptik nach festgelegtem Sanierungsschema,
•
Patient darf Patientenzimmer nur unter besonderen Bedingungen verlassen (im Einzelfall
erregerbezogen abklären!).
Regelungen zur Desinfektion der Flächen, MP und Einrichtungsgegenstände beinhalten
Angaben zur laufenden und zur Schlussdesinfektion.
Die Aufhebung der Isolierung muss erregerbezogen getroffen werden (z. B. 3 negative
MRSA-Abstrichserien an 3 aufeinanderfolgenden Tagen, frühestens 48 Stunden nach Beendigung
der Sanierung).
Isolierung bei Tröpfcheninfektion
Ziel ist die Vermeidung der Erregerübertragung durch Tröpfchen (Durchmesser > 5 μm).
Isolierung:bei TröpfcheninfektionBeispiele sind nachgewiesene oder vermutete Meningokokkenmeningitis
bis 24 Tröpfcheninfektion:IsolierungStunden nach Beginn der Antibiotikatherapie, Pneumonie
durch Influenza- oder Adeno- und Noroviren.
Wichtigste Übertragungswege sind
•
Niesen, Husten, Sprechen,
•
Erbrechen (bei Noroviren!),
•
tracheales Absaugen.
Spezielle, zusätzlich zur Tröpfcheninfektion:ÜbertragungswegeStandardhygiene und zur
Vermeidung der Übertragung von Kontaktinfektionen erforderliche Maßnahmen sind
•
konsequentes Tragen eines geeigneten Mund-Nasen-Schutzes bei Personal und Besuchern.
•
Verlässt der Patient das Patientenzimmer, muss auch er einen Mund-Nasen-Schutz tragen,
in der Regel reicht eine mehrlagige OP-Maske.
Chemoprophylaxe bei engem Kontakt ist indiziert insbesondere bei Meningokokkenmeningitis,
Abstimmung der Maßnahmen mit dem Gesundheitsamt.
Isolierung bei luftübertragenen Infektionen
Ziel ist die Vermeidung der Übertragung von Erregern über Aerosole. Isolierung:bei
luftübertragenen InfektionenBeispiele sind offene Lungen-Tbk, Varizellen und generalisierter
Herpes zoster.
Wichtigste Übertragungswege sind
•
Niesen, Husten, Sprechen,
•
Erbrechen,
•
tracheales Absaugen (!),
•
Verwirbelung sedimentierten Staubs von kontaminierten Oberflächen,
•
Raumluft.
Zusätzlich zu den bei der Isolierung von Patienten mit Tröpfcheninfektionen benannten
Maßnahmen sind folgende Maßnahmen erforderlich:
•
Der Patient
–
erhält ein Einzelzimmer, sofern technisch möglich, mit negativem Innendruck (Fenster
mit Schlüssel verriegeln und Türen geschlossen halten),
–
darf das Patientenzimmer für Untersuchungen (z. B. Röntgen) nur in Begleitung von
instruiertem Personal verlassen,
–
trägt außerhalb des Patientenzimmers immer eine Schutzmaske mit > 99,7 % Filterwirkung
oder eine partikelfiltrierende Halbmaske der Schutzstufe FFP 2S gem. EN 149,
–
wird angeleitet, Einwegtaschentücher zu verwenden und diese direkt in den bereitgestellten
Abfallsack zu geben,
–
wird angeleitet, eine korrekte Händedesinfektion durchzuführen (insbesondere nach
dem Hantieren mit Taschentüchern).
•
Personal, Besucher: Alle Personen, die das Isolierzimmer betreten, tragen eine Schutzmaske
mit > 99,7 % Filterwirkung. Wird die Schutzmaske durchfeuchtet, ist sie gegen eine
neue auszutauschen. In Deutschland wird für Personal und Besucher das Tragen einer
partikelfiltrierenden Halbmaske der Schutzstufe FFP 2S (oder FFP 3S) nach EN 149 empfohlen.
•
Flächen und Gegenstände: laufende Desinfektion mit Präparaten auf der Basis tuberkulozider
oder viruswirksamer Wirkstoffe (Konzentration gemäß VAH-Liste oder ÖGHMP-Expertisenverzeichnis).
Maschinell desinfizierbare Gegenstände kontaminationssicher verpacken und an geeignetem
Ort thermisch desinfizieren. Abfälle sind als infektiös zu entsorgen (Kap. 6.7).Isolierungsmaßnahmen:Durchführung\"\r\"Isolierungdurchfuehr
2.12
Impfprophylaxe und Personalschutz
Isolierung\"\r\"IsolierungFrank-Albert Pitten und Axel Barrierenpflege\"\r\"IsolierungKramer
Schutzimpfungen\t\"Siehe Impfung(en)
Impfung(en)Schutzimpfungen gehören zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen in der
Medizin, da sie nicht nur Individualschutz bewirken, sondern bei Erreichen hoher Durchimpfungsraten
die Eliminierung oder weltweite Ausrottung einzelner Krankheitserreger ermöglichen.
Der Impfschutz reicht allerdings in der deutschen Bevölkerung bei Weitem nicht aus,
um das Auftreten bzw. die Weiterverbreitung bestimmter Infektionskrankheiten zu verhindern.
Für Impfschutz, Bevölkerungmedizinisches Personal ist die Frage nach dem Durchimpfungsgrad
aufgrund der beruflichen Exposition und der Patientengefährdung durch ungeimpftes
Personal besonders brisant. Leider lässt die Akzeptanz von Schutzimpfungen im medizinischen
Bereich sehr zu wünschen übrig (Kap. 7.5, Kap. 5.24). Hier liegt die wichtige Aufgabe
der Betriebsärzte, die Aufklärung zu verbessern. Neben der Immunprophylaxe ist die
Einhaltung weiterer infektionspräventiver Schutzmaßnahmen für das medizinische Personal
wichtig.
Gemäß TRBA 250/BGR 250 müssen alle Beschäftigten über notwendige Immunisierungsmaßnahmen
bei Tätigkeitsaufnahme und aus gegebener Veranlassung informiert werden.
Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich insbesondere an den Empfehlungen der
STIKO (2011). Aus Gründen der Aktualität wird empfohlen, die aktualisierten Publikationen
der STIKO zur Impfprophylaxe auf der Homepage des RKI zu beachten.
2.12.1
Grundsätze
Aufklärungspflicht
Zu den Impfleistungen des Arztes gehören neben der Durchführung der Impfung die Erhebung
der Anamnese (Frage nach Kontraindikationen), die Feststellung der aktuellen Befindlichkeit
zum Ausschluss akuter Erkrankungen sowie die umfassende Aufklärung des Impflings über
die zu verhütende Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten, den Nutzen der Schutzimpfung
für das Individuum und die Allgemeinheit, die Art des Impfstoffs, die Durchführung
der Impfung, Beginn und Dauer des Impfschutzes, Verhalten nach der Impfung, Kontraindikationen,
mögliche Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen und Termine für Folge- und Auffrischimpfungen
(STIKO 2011).
Die vorgenommene Aufklärung muss in den Unterlagen des Impfarztes dokumentiert werden.
Kontraindikationen und Zeitabstände zu Impfungen
Die Kontraindikationen sind im Detail den Fachinformationen der Impfstoffhersteller
zu entnehmen. Nicht geimpft werden sollte Personal mit akut behandlungsbedürftigen
Erkrankungen (Impfung(en):KontraindikationenAusnahme postexpositionelle Impfung).
Bei Patienten mit progressiven neurologischen Erkrankungen ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung
empfehlenswert. Bei unerwünschten Wirkungen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung
sollte bis zur Klärung der Ursache eine nochmalige Impfung mit dem gleichen Impfstoff
vermieden werden. Bei erlittenem Impfschaden ist wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen
Folgen ein Antrag auf Versorgung i. d. R. beim zuständigen Versorgungsamt zu stellen.
Keine Kontraindikationen sind z. B. banale Infekte, auch mit subfebrilen Temperaturen
(38,5 °C), möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit ansteckenden Krankheiten,
Krampfanfälle in der Familie und Fieberkrämpfe in der Anamnese des Impflings, chronische
Erkrankungen, nicht progrediente Erkrankungen des ZNS, Ekzeme und andere Dermatosen,
lokalisierte Hautinfektionen, Behandlung mit Antibiotika oder niedrigen Kortikosteroiddosen,
angeborene oder erworbene Immundefekte bei Impfung mit Totimpfstoffen (serologische
Kontrolle des Impferfolgs!), Schwangerschaft der Mutter des Impflings (Varizellenimpfung
nach Risikoabwägung), Neugeborenenikterus und Frühgeburtlichkeit (STIKO 2011). Bei
Applikation von Lebendimpfstoffen sollte bei Immundefekten die Konsultation des behandelnden
Arztes eingeholt werden. Allergien gegen Impfstoffbestandteile (z. B. Neomycin, Streptomycin,
Hühnerproteine) sind potenzielle Kontraindikationen. In der Schwangerschaft sollten
möglichst nur dringend indizierte Impfungen vorgenommen werden. Das gilt v. a. für
Impfungen mit Lebendimpfstoffen, wobei eine versehentlich in der Schwangerschaft durchgeführte
Impfung mit Lebendimpfstoffen jedoch keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch
darstellt.
Bei Gabe von Lebendimpfstoffen ist zu beachten, dass diese simultan oder i. d. R.
in einem Mindestabstand von 4 Wochen zu verabreichen sind – Lebendimpfstoff(e)unter
der Voraussetzung, dass die Impfreaktion Impfung(en):Zeitabständevollständig abgeklungen
ist und keine Komplikationen aufgetreten sind.
Bei Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen müssen keine Abstände, auch nicht zu Lebendimpfstoffen,
beachtet werden.
Nach Gabe von Immunglobulinen dürfen in einem Zeitraum von 3 Monaten keine parenteral
zu verabreichenden Lebendimpfstoffe gegeben werden (STIKO 2011).
Zeitpunkt der Impfung
Bei medizinischem Personal ist der günstigste Zeitpunkt für Schutzimpfungen bzw. zur
Überprüfung des Impfschutzes der Eintritt in das Berufsleben bzw. eine Neueinstellung.
Schutzimpfungen sollten nach den von der STIKO empfohlenen Impfterminen durchgeführt
werden. Bei Nichteinhaltung empfohlener Impfabstände muss mit dem Impfschema nicht
neu begonnen werden, da jede Impfung zählt. So reicht auch nach einer über 10 Jahre
zurückliegenden Grundimmunisierung gegen Diphtherie und Tetanus eine Boosterimpfung
aus. Mindestabstände zwischen den Impfungen sind jedoch entsprechend Fachinformation
einzuhalten.
Im Internationalen Impfausweis sowie in den Unterlagen des Impfarztes ist die durchgeführte
Impfung einschließlich Chargen-Nummer und Handelsname des Impfstoffs zu dokumentieren.
Das gilt auch für serologische Befunde vor und nach der Impfung.
Dokumentation und Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen
In extrem seltenen Fällen werden unerwünschte Wirkungen beobachtet, die sofort diagnostisch
abzuklären sind und umgehend dem Gesundheitsamt, der Arzneimittelkommission der Deutschen
Ärzteschaft und/oder der PEG gemeldet werden müssen. Außerdem sollte der Hersteller
informiert werden. Der Geschädigte ist über die Möglichkeit einer Antragstellung auf
Versorgung hinzuweisen.
2.12.2
Impfungen für medizinisches Personal
Die im Einzelfall gebotenen Maßnahmen zur Immunisierung sind im Einvernehmen mit dem
Arzt, der die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen durchführt, festzulegen.
Die Immunisierung ist kostenlos zu ermöglichen (Kap. 5.29).
Es wird allen Beschäftigten im Gesundheitsdienst dringend empfohlen, von der Möglichkeit
der Hepatitis-B-Schutzimpfung Gebrauch zu machen.
Nachfolgende Schutzimpfungen werden für das gesamte medizinische Personal einschließlich
Auszubildender, Praktikanten, Studenten, Reinigungspersonal, Hebammen, externer Dienstleister
mit Patientenkontakt (z. B. Fußpflege, Friseur, Physiotherapie) empfohlen: Tetanus,
Diphtherie, Poliomyelitis, Hepatitis A, Hepatitis B, Virusgrippe (Influenza), Pertussis,
Masern, Mumps, Röteln.
Bei Tätigkeiten in Bereichen mit erhöhter Gesundheitsgefährdung für Patient und Personal
(z. B. Pädiatrie, Onkologie, Intensivtherapie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Kinderpsychiatrie,
Laborpersonal) sind darüber hinaus weitere Impfungen angezeigt.
Krankenhauspersonal mit unklarer Varizellenanamnese sowie unklarem Impfstatus bedarf
der serologischen Abklärung des Antikörperstatus. Bei mangelndem Schutz ist die Impfung
indiziert, das trifft insbesondere für seronegatives Personal in den Bereichen Pädiatrie,
Onkologie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Intensivmedizin und Betreuung immunsupprimierter
Patienten zu.
Mitarbeiter > 60 Jahren sollten gegen Pneumokokkeninfektionen immunisiert werden.
Da die Anzahl älterer Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Pflege in Zukunft
deutlich ansteigen wird, zeichnet sich hier ein erheblicher Bedarf ab.
Die Schutzimpfung gegen Tuberkulose auf der Grundlage der BCG-Impfung wird nicht mehr
empfohlen, da sie keinen sicheren Schutz vor der Infektion bietet. Außerdem behindert
die durchgeführte BCG-Impfung die Frühdiagnostik nach möglichem Kontakt mit Mykobakterien.
Virusgrippe (Influenza): Die Schutzimpfung gegen die saisonale Influenza wird für
das gesamte Personal empfohlen. Hierbei ist der jeweils aktuelle Impfstoff, der die
aktuellen saisonalen Varianten umfasst, anzuwenden.
Die Impfraten gegen Influenza sind in den meisten Einrichtungen des Gesundheitswesens
deutlich zu niedrig. Dabei kommt einer Immunisierung des medizinischen Personals gerade
zum Patientenschutz eine besondere Bedeutung zu, da gesichert ist, dass Influenzaviren
bereits in der Inkubationszeit übertragen werden können. Gewöhnlich wird seitens des
betriebsärztlichen/arbeitsmedizinischen Dienstes der Krankenhäuser jeweils im Herbst
dem medizinischen Personal die Influenza-Schutzimpfung angeboten. Die Erfahrung zeigt
jedoch, dass das keinesfalls ausreicht, da das Angebot nur selten in Anspruch genommen
wird. Besonders hohe Impfraten können nach eigener Erfahrung erzielt werden, wenn
der Betriebsarzt auf die Mitarbeiter zugeht, d. h. im Allgemeinen die Impfung auf
den Stationen bzw. in den einzelnen Pflegeeinheiten anbietet.
Bezüglich der Anwendungshinweise der Schutzimpfungen wird auf die STIKO-Empfehlungen
verwiesen.
2.12.3
Postexpositionsprophylaxe (PEP)
Sie Impfung(en):medizinisches Personal\"\r\"ImpfmedPerskann bei gegebener Indikation
vor Meningokokkenmeningitis, HBV, HIV (Kap. 5.29), Tetanus und Tollwut schützen.
Bezüglich der Anwendung der zur PEP Postexpositionsprophylaxeempfohlenen Impfstoffe
und antibakteriellen bzw. antiviralen Chemotherapeutika wird auf die jeweils aktuellen
STIKO-Empfehlungen hingewiesen.
2.12.4
Weitere Maßnahmen zum Personalschutz
Grundsätzlich sind folgende allgemeine Personalschutz:MaßnahmenSchutzmaßnahmen einzuhalten:
•
Anwendung medizinischer Schutzhandschuhe und Auswahl zwischen Handschuhen unterschiedlicher
Qualität in Abhängigkeit von der Art der zu erwartenden Kontamination (AWMF 2009),
•
Tragen von Schutzkitteln bei möglichem Kontakt mit erregerhaltigem Material, kontaminierten
Objekten oder erkrankten Personen (Kap. 5.1),
•
Tragen von Mund-Nasen-Mund-Nasen-SchutzSchutz/Gesichtsschutz bei Gefahr der Aerosolbildung
und des Verspritzens von Blut oder Körpersekreten,
•
Tragen einer Schutzbrille beim Ansetzen von Desinfektionslösungen,
•
Entsorgung von Kanülen, Spritzen, Ampullen, Skalpellen und Klingen sowie sonstigen
spitzen Gegenständen in flüssigkeitsdichten, bruch-, stich- und verschlusssicheren
Behältnissen,
•
kein Biegen, Abknicken oder Zurückstecken verwendeter Kanülen in die Kanülenschutzhülle,
•
kein blindes Anreichen oder Greifen von Instrumentarium,
•
keine Aufbewahrung scharfer und spitzer Gegenstände in Kitteltaschen und keine Entsorgung
in Plastiksäcken,
•
Verwendung von Einwegspritzen und -nadeln sowie geschlossener Systeme zur Blutentnahme
(sog. Safety-Systeme),
•
Verwendung verletzungssicherer Punktionssysteme,
•
kein Mundpipettieren.
Die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung ist gesetzlich in der entsprechenden
Verordnung geregelt (PSA-Benutzerverordnung).
Zum Schutz bei offener Tbk wird bei erhöhtem Risiko das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes
der Schutzstufe FFP2 empfohlen. Dazu gehören der Verdacht bei noch nicht begonnener
Chemotherapie, das Vorliegen säurefester Stäbchen im Sputum, Husten auslösende Maßnahmen
(z. B. Bronchoskopie), zahnärztliche Behandlung und Erkrankung durch multiresistente
Tbk. Partikelfiltrierende Halbmasken sollen nur von einer Person getragen werden.
Die Einsatzdauer wird nur von ästhetischen Gesichtspunkten und von dem über die Tragezeit
wachsenden Atemwiderstand bestimmt. Hinweise zu Schutzmaßnahmen bei weiteren Infektionskrankheiten
Kap. 2.11, für spezielle Personengruppen Kap. 5.29, bei der Entsorgung Kap. 6.7 und
im Rahmen der Händehygiene Kap. 2.1.
Eine Empfehlung zur Auswahl von Atemschutz geben die BGW in ihren Empfehlungen „Schutzmaßnahmen
bei luftgetragenen Infektionen“ sowie die Leitlinie des Arbeitskreises Krankenhaus-
und Praxishygiene der AWMF „Atemschutz bei aerogen übertragbaren Krankheiten“.
Zur Prävention blutübertragbarer Viruskrankheiten wird auf die 2011 aktualisierte
Leitlinie des o. g. Arbeitkreises verwiesen.
2.13
Vorbeugung und Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen
Impfprophylaxe\"\r\"IsolierungDesinfWalter A. Maier
2.13.1
Ektoparasiten
Personalschutz\"\r\"IsolierungDesinf
Ektoparasiten sind auf Blut als Nahrung angewiesen, können dabei Krankheitserreger
aufnehmen und bei erneuter Blutmahlzeit auf andere Menschen übertragen.
Während sie durch die Stiche meist nur lästig werden, erlangen sie wegen der Möglichkeit
der Übertragung (Vektoren)
von Krankheitserregern (Hoffmann 2000, Faulde und Hoffmann 2001, Maier 2002, Maier
et al. 2003, Süß und Schrader 2004, Süß et al. 2004) größere Bedeutung (Tab. 2.33
).
Tab. 2.33
Medizinische Bedeutung von Insekten, Zecken und Milben.TaubenzeckenStechmückenSchamlausMenschenflohLaufmilbenKrätzemilbenKopflausKleiderlausKatzenflohHundeflohHolzbockFliegenBettwanzen
Vektor
Diagnose
Krankheit
Erregerübertragung
Pediculus capitis (Kopflaus)
Nissen am Haar,mikroskopische Diagnose, Stichreaktion
Pediculosis
Rickettsien, Borrelien und andere Erreger
Pediculus humanus (Kleiderlaus)
Nissen an Kleidern,mikroskopische Diagnose, Stichreaktion
Pediculosis
Rickettsien, Borrelien und andere Erreger
Phthirus pubis (Schamlaus)
Nissen am Schamhaar, mikroskopische Diagnose, Stichreaktion
Pediculosis
Rickettsien, Borrelien und andere Erreger
Pulex irritans (Menschenfloh)
Flohstichreaktionmikroskopische Identifizierung der Adulten
Flohbefall
Vektor für Pest, Rickettsien
Ctenocephalides felis (Katzenfloh)
Flohstichreaktionmikroskopische Identifizierung der Adulten
Flohbefall
Zwischenwirt für die Bandwurmgattung Hymenolepis
Ctenocephalides canis (Hundefloh)
Flohstichreaktionmikroskopische Identifizierung der Adulten
Flohbefall
Zwischenwirt für die Bandwurmgattung Hymenolepis
Cimex lectularius (Bettwanze)
Stichreaktion,makroskopische Identifizierung
Wanzenbefall
U. U. HBsAg-positiv
Culicidae (Stechmücken)
Stichreaktion,makroskopische Identifizierung
Siehe Text
Malaria, Gelb-, Dengue-Fieber Filariosen
Fliegen
Makroskopische Diagnose
U. U. Myiasis
Viren, Rickettsien, Bakterien
Ixodes ricinus (Holzbock)
Makroskopische Diagnose
Stichreaktion (Paralyse)
FSME, Borrelia burgdorferi u. a.
Argas reflexus (Taubenzecke)
Makroskopische Diagnose
Stichreaktion (Paralyse)
Krätzemilben
Mikroskopische Diagnosen
Krätze
–
Trombiculidae (Laufmilben)
Mikroskopische Diagnose
Stichreaktion
Rickettsien, Borrelien?
Läuse
Der Mensch kann von der Kleider-, der Kopf- und der Schamlaus befallen werden. Läuse
sind die einzigen ektoparasitischen Insekten, die ausschließlich vom Blut des Menschen
leben und deren Entwicklungsstadien (Eier, Larven, Adulte) sich ständig auf dem Menschen
aufhalten. Eier werden an Haaren (Kopf- und Schamlaus) oder Kleidung (Kleiderlaus)
angeklebt. Läuse können nicht fliegen oder springen. Die Übertragung erfolgt durch
direkten Kontakt mit der befallenen Person. Die Stiche verursachen einen intensiven
Juckreiz. Das dadurch ausgelöste Kratzen führt oft zu Hautentzündungen (Dermatitis,
Impetigo u. Ä.) vor allem durch Staphylokokkeninfektion.
Ob Läuse zu Krankheitsüberträgern werden, hängt von zwei Voraussetzungen ab: Es müssen
erkrankte Patienten vorhanden sein, an denen sich die Läuse infizieren können, und
die Läuse:KrankheitsübertragungDichte des Läusebefalls in der Bevölkerung muss ausreichen.
In Notzeiten (nach Naturkatastrophen, im Krieg, in Flüchtlingslagern usw.), wenn kein
regelmäßiger Kleiderwechsel möglich ist, können Kleiderläuse in Massen auftreten und
zu Krankheitsüberträgern werden (Fournier et al. 2002). Vor allem für die Ausbreitung
des Fleckfiebers (Rickettsia prowazeki), des Rückfallfiebers (Borrelia recurrentis),
aber auch des Wolhynischen Fiebers (Bartonella quintana) sind sie von großer Bedeutung.
Die Erreger werden nicht durch den Stich übertragen. Sie können aber im Läusekot mehrere
Wochen überleben und mit Staub inhaliert (v. a. Rickettsien) oder nach Zerquetschen
der Laus in kleinste Hautverletzungen (v. a. Borrelien) eingerieben werden. Bei Patienten
mit diesen Krankheiten, z. B. auch einem Spätrückfall von Fleckfieber (Brill-Zinsser-Krankheit),
muss besonders darauf geachtet werden, dass sie frei von Läusen sind.
Kleiderlaus: Als wichtigster potenzieller Vektor ist sie in Mitteleuropa nur bei verwahrlosten
Personen oder Personen ohne festen Wohnsitz zu finden.
Kopflaus: Die Zahl der KleiderlausKopflausträger hat alarmierende Werte erreicht,
denn P. capitis kann sich auch bei sehr gepflegten Personen halten. Die Kopflaus hält
sich überwiegend im Kopfhaar, bevorzugt am Hinterkopf und auf Kopflausdem Haarboden,
auf. Besteht der Befall längere Zeit, können auch Bart-, Achsel- und Schamhaare befallen
sein. Die Weibchen sind 2–3,5 mm groß und legen ihre Eier etwas oberhalb der Haarwurzel
ab. Nach der Eiablage vergehen etwa 6–9 Tage bis zum Schlüpfen des ersten Larvenstadiums.
Die Gesamtentwicklung vom Ei zur Laus dauert je nach Temperatur 2–3 Wochen.
Der einzig wichtige Übertragungsmodus der Kopflaus ist der direkte Kopfkontakt, wie
er unter befreundeten Kindern üblich ist.
Solange sich die Läuse auf dem Menschen aufhalten, läuft die Entwicklung relativ regelmäßig
ab, da die Temperaturverhältnisse günstig sind und Nahrung jederzeit verfügbar ist.
Verlieren sie jedoch den Kontakt zum Wirt, wird die Entwicklung wegen der niedrigeren
Temperatur und des Nahrungsmangels negativ beeinflusst. Unter 22 °C kann sich im Ei
keine Larve entwickeln, unter 12 °C legen die Weibchen keine Eier mehr ab. Temperaturen
über 37 °C meiden Läuse. Daher verlassen sie einen fieberkranken Patienten. Temperaturen
über 47 °C töten die Läuse in etwa 1 Stunde. Gegen Kälte sind Eier und Läuse toleranter.
Nissen können bei 15 °C bis zu 9 Tage überleben, bei –10 °C allerdings nur noch 20
Stunden. Sie können also mit Haaren an Mützen, Kämmen oder Polstern auf andere Menschen
gelangen. Vitale Larven und Adulte verlassen den Menschen jedoch niemals freiwillig,
sodass dieser Übertragungsweg keine Rolle spielt. Für diese blutsaugenden Stadien
spielt bei einer Trennung vom Wirt Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsmangel die entscheidende
Rolle, denn sie können bei sonst noch günstigen Temperaturen, z. B. 30 °C, nur 1 Tag
überleben. Bei 23 °C sind nach 2 Tagen schon über 70 % der Weibchen verstorben.
Gem. § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, bei denen ein Kopflausbefall festgestellt wurde,
in den in § 33 IfSG genannten Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-,
Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeit ausüben, bei denen sie Kontakt zu den
dort Betreuten haben, bis nach der Entscheidung des behandelnden Arztes eine Weiterverbreitung
der Verlausung durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
Dieses Verbot gilt entsprechend für die in der Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen
mit der Maßgabe, dass sie die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume
nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen
der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen. Gem. § 34 Abs. 5 IfSG haben
die genannten Beschäftigten und die Betreuten bzw. deren Sorgeberechtigte über eine
Verlausung der Gemeinschaftseinrichtung unverzüglich Mitteilung zu machen. Nach Abs.
6 benachrichtigt darüber die Leitung der Einrichtung das Gesundheitsamt.
Gemäß § 17 (5) können die Landesregierungen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer
Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen,
Kopfläusen und Krätzemilben erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung
auf andere Stellen übertragen.
§ 36 IfSG bestimmt außerdem, dass neben den in § 33 IfSG genannten Einrichtungen auch
Häuser der stationären Pflege und Betreuung, Wohnheime und Massenunterkünfte der infektionshygienischen
Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegen. Treten z. B. in Krankenhäusern,
Obdachlosenunterkünften oder Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber, Flüchtlinge
und Spätaussiedler Läuse auf, gelten die obigen Ausführungen in gleicher Weise.
Kleiderlaus: Sie entwickelt sich weitgehend wie die Kopflaus, ist aber etwas größer
(3,3–3,8 mm) und robuster. Sie hält sich im Bereich der Körperhaare zwischen Körperoberfläche
und Unterwäsche auf, Kleiderlauslegt aber ihre Nissen nicht an Körperhaare, sondern
an Stofffasern (meist an Nähten) ab. Da die Larven erst 1–2 Wochen später schlüpfen,
verhindert regelmäßiger Wechsel der Unterwäsche, wenigstens einmal wöchentlich, Kleiderlausbefall.
Durch das Wäschewaschen bei mindestens 60 °C werden Nissen und Läuse getötet.
Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kleiderlausbefall genügen Aufrechterhaltung bzw.
Wiederherstellung hygienischer Bedingungen, d. h. Körperhygiene und regelmäßiger Wechsel
der Unterwäsche. Für die Entwesung der Umgebung können, falls nötig, Detmol-per® (enthält
Permethrin und Pyrethrum) und Blattanex-Staub® (enthält Propoxur) verwendet werden.
Filz- oder Schamlaus: Sie ist mit 1,25–2 mm die kleinste Laus des Menschen und hat
eine gedrungene Gestalt. Filzläuse sind träger als Kopf- Schamlausund Kleiderläuse
und lassen ihre Mundwerkzeuge Filzlaus\t\"Siehe Schamlausoft stundenlang an derselben
Stelle eingestochen. Daher wechseln sie nicht so leicht den Wirt. Ihr Auftreten kann
dem Arzt als Hinweis auf möglicherweise vorhandene Geschlechtskrankheiten dienen (Ko
und Elston 2004).
Neben dem bevorzugten Aufenthaltsort, den Schamhaaren, findet man sie gelegentlich
auch in groben Körperhaaren (Bart-, Augenbrauen- und Achselhaare). Der Befall führt
zu ähnlichen Hautreaktionen wie bei der Kopflaus. Darüber hinaus bilden sich an der
Einstichstelle oft bläuliche Hautveränderungen (Maculae caeruleae), die diagnostische
Bedeutung haben können. Die Behandlung (s. u.) muss auf die empfindlichere Haut der
Genitalregion Rücksicht nehmen. Außerdem muss der Geschlechtspartner mitbehandelt
werden.
Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kleiderlausbefall genügen Aufrechterhaltung bzw.
Wiederherstellung hygienischer Bedingungen, d. h. Körperhygiene und regelmäßiger Kleiderlaus:VorbeugungWechsel
der Unterwäsche. Für die Entwesung der Umgebung Kleiderlaus:Behandlungkönnen, falls
nötig, Detmol-per® (enthält Permethrin und Pyrethrum) und Blattanex-Staub® (enthält
Propoxur) verwendet werden.
Kopf- und Schamlaus können nicht ohne gezielte Behandlung des Patienten beseitigt
werden. Hierzu werden primär Insektizide eingesetzt (Schamlaus:BehandlungBurkhart
2004), z. B. Jacutin® Gel (enthält Lindan), Kopflaus:BehandlungJacutin® N (enthält
Allethrin, ein Pyrethroid), Infectopedicul® (enthält Permethrin) und Goldgeist® forte
(enthält Pyrethrum; Anonymus 2000). Bemühungen, das relativ toxische Lindan durch
minder toxische Pyrethroide zu ersetzen, sind wegen der Diskussion um diese Substanzgruppe
(s. u.) erschwert. Ob als langfristige Alternative eine systemische oder topische
Applikation des Anthelminthikums Ivermectin zur Läusebehandlung eingesetzt werden
sollte, ist offen (Ko und Elston 2004).
Grundsätzlich sollte die topische Behandlung nach 8 Tagen wiederholt werden, da die
Nissen nicht immer zuverlässig abgetötet werden (Maier und Habedank 2002).
Man vernichtet auf diese Weise auch die inzwischen aus den Nissen geschlüpften Larven.
Nissen haften so fest an den Haaren, dass sie weder durch Kopfwäsche noch durch Insektizidbehandlung
abgelöst werden können. Vor allem aus optischen Gründen ist daher bei starkem Befall
zu empfehlen, die Nissen (voll oder schon leer) mithilfe eines Nissenkamms (mit sehr
engstehenden Zinken) mechanisch zu dezimieren.
Flöhe
Flöhe können Krankheitserreger wie Yersinia pestis,
Läuse\"\r\"MPAufbereitung
Rickettsia typhi, R. felis und Bartonella henselae (Azad et al. 1997) übertragen,
dieses Risiko scheint zuzunehmen (Flöhe:KrankheitsübertragungRolain et al. 2003).
Katzen, Hunde, Vögel und andere Tiere als natürliche Wirte von Flöhen (und von Krankheitserregern)
dürfen wegen des Risikos einer Krankheitsübertragung im Krankenhaus nicht geduldet
werden.
Blindenhunde, die der besonderen tierärztlichen Überwachung unterliegen, sind hiervon
ausgenommen. Die blinden, fußlosen, etwa 5 mm großen Flohlarven leben im Schmutz,
die Larven des Menschenflohs (Pulex irritans) außer in Schweineställen auch in Fußbodenritzen.
In fugenlosen und sauberen Böden können sie sich nicht halten.
Flöhe stechen gern an Körperstellen, an denen die MenschenflohKleidung eng anliegt.
Dort hinterlassen sie oft „perlschnurartige“ Stichfolgen mit heftigem Juckreiz. Um
das scheinbar unerklärliche, plötzliche Auftreten einer Flohplage erklären zu können,
müssen die Flöhe identifiziert werden. Mit Hilfe eines Bestimmungsschlüssels (z. B.
Weidner 1993) ist das mit einem einfachen Mikroskop zumindest für die hausbewohnenden
Floharten möglich.
Die in Mitteleuropa häufigsten Floharten mit humanmedizinischer Bedeutung sind der
Katzenfloh (Ctenocephalides felis; Größe 1,5–3,2 mm), der Hundefloh (Ctenocephalides
canis; Größe 1,5–3 mm), der Hühnerfloh Katzenfloh(Ceratophyllus gallinae; Größe 1–3
mm), der Rattenfloh Hundefloh(Nosopsyllus fasciatus) und der Menschenfloh Hühnerfloh(Pulex
irritans).
Zur Flohbekämpfung genügt es, die Kleider des befallenen Menschen mit einem Insektizid
zu behandeln. Um Neubefall zu verhindern, muss die Brutstätte ermittelt und entwest
werden.
Die Behandlung befallener Tiere Rattenflohist Aufgabe des Tierarztes, spielt aber
wegen des Verbots der MenschenflohTierhaltung im Krankenhaus (s. o.) keine Rolle.
Anschließend ist für regelmäßige Reinigung zu sorgen. Meist Flöhe:Behandlunggenügt
als Insektizid das pflanzliche Pyrethrum, das bei sachgemäßer Anwendung und vor allem
weil es keine Dauerwirkung entfaltet, auch im Wohn- und Schlafbereich eingesetzt werden
kann. Zur Larvenbekämpfung werden die Entwicklungshemmer Fenoxycarb, Methopren und
Pyriproxyfen empfohlen.
Bettwanzen
Die einzige medizinisch wichtige Wanze, die in Europa regelmäßig in Häusern vorkommt,
ist die nur 4–8 Flöhe\"\r\"flohmm große, flügellose Bettwanze (Cimex lectularius).
Larven und Adulte stechen nur Bettwanzennachts, verstecken sich tagsüber in Spalten
hinter Tapeten, Fußleisten, Möbeln usw. Sie können auch aus Taubennestern und Tierställen
in bewohnte Räume einwandern. Stiche findet man vor allem auf den nachts unbedeckten
Körperstellen. Die Stichreaktion ist von Mensch zu Mensch verschieden. Als Krankheitsüberträger
scheinen Wanzen keine Rolle zu spielen, obwohl HBsAg im Kot infizierter Wanzen über
längere Zeit nachweisbar war (Ogston et al. 1980).
Über das Auftreten von Bettwanzen in Krankenhäusern ist in den letzten Jahrzehnten
nicht berichtet worden (zur weiteren Information z. B. Martini 1952, Service 1980).
Stechmücken
Stechmücken der Gattungen Anopheles, Aedes, Ochlerotatus, Culex, Culiseta und Coquillettidia
sind weltweit von Bedeutung als lästige Blutsauger und einige Arten als gefürchtete
StechmückenKrankheitsüberträger. Auch in Europa werden Plasmodien, Viren, z. B. West-Nil-,
Tahyna-, Calovo- oder Sindbis-Viren, auf Menschen übertragen; wie häufig solche Fälle
sind, ist unbekannt (Maier 2002). 1997 kam es zu zwei autochthonen P.-falciparum-Fällen
in einem Krankenhaus in Deutschland (Krüger et al. 2001) und das West-Nil-Virus erregt
heute nicht nur in den USA Besorgnis.
Zunehmend häufiger müssen Malariafälle in deutschen Krankenhäusern behandelt werden.
Nach Therapie einer Malaria tropica bleiben oft die für die Anophelesmücke infektiösen
Gametozyten noch wochenlang im Blut des geheilten Patienten und können die Infektion
an den Vektor Anopheles weitergeben. Die Gametozyten der Erreger der Malaria tertiana
und quartana werden dagegen ebenso wie die ungeschlechtlichen Stadien durch die blutschizontoziden
Medikamente abgetötet, sodass bei rechtzeitiger Therapie kein Risiko einer Malariaausbreitung
im Krankenhaus besteht. Immerhin muss in Erinnerung behalten werden, dass Plasmodium
vivax auch in Deutschland bis nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitet war und bis heute
die Malaria nicht aus Europa verschwunden ist.
Stechmücken sollten im Krankenhausbereich nicht geduldet werden. Man muss im Gegenteil
dafür sorgen, dass potenzielle Brutstätten (Regentonnen, Zierteiche etc.) in der Nähe
durch Abdecken, Trockenlegen oder Fischbesatz reduziert werden. Fliegengitter an den
Fenstern verhindern das nächtliche Eindringen in Zimmer.
Eingedrungene Mücken können mit einem Pyrethrum-Spray abgetötet werden.
Zecken und Milben
Der Körperbau der Milben und Zecken ist vergleichbar. Sie unterscheiden sich nur durch
die Größe.
Holzbock (Ixodes ricinus): Die Larven (0,6–1,2 mm), Nymphen (1,1–2 mm) oder Adulte
(2,5–5 bzw. 14 mm) werden von Waldspaziergängern oder von Haustieren (Hund, HolzbockKatze)
in die Häuser gebracht. Eine Vermehrung ist Zeckenin zentralbeheizten trockenen Räumen
unmöglich. Entfernung der stechenden Zecke innerhalb von 24–48 Stunden lässt eine
Übertragung von Borrelia burgdorferi durch I. ricinus unwahrscheinlich werden, verhindert
aber nicht die Übertragung des FSME-Virus. Zum Entfernen der Zecke kein Öl, Aceton
o. Ä. verwenden und möglichst keinen Druck auf das Idiosoma ausüben, weil B. burgdorferi
sonst regurgitativ übertragen werden kann. Die Zecke soll möglichst am Capitulum gepackt
und mechanisch entfernt werden. Vorheriges Hin- und Herdrehen scheint das Entfernen
zu erleichtern. Wird die Zecke nicht entfernt, fällt sie nach einigen Tagen vollgesogen
ab. Durch ein Toxin kann es in ungünstigen Fällen (Befall am Hinterkopf) zu Lähmungen
kommen.
Taubenzecken (Argas reflexus) leben oft im Dachstuhl alter Häuser, die von Tauben
besiedelt werden oder wurden. Sie saugen in allen Entwicklungsstadien Blut, ähnlich
wie Bettwanzen, und werden mit diesen auch Taubenzeckenverwechselt. In befallenen
Häusern können sie viele Jahre ohne Nahrung überleben und befallen Menschen in den
oberen Stockwerken, wenn keine Tauben als Blutquelle mehr zur Verfügung stehen oder
die verseuchten Räume als Wohnung ausgebaut werden. Taubenzecken zu vernichten ist
schwierig und sollte Fachleuten vorbehalten bleiben, die ein Kombinationsverfahren
aus Sprüh-, Stäube-, Schaum- und Nebelmitteln einsetzen können (Anonymus 2000).
Krätzemilbe: Der Erreger der Skabies oder Krätze ist nur 0,2–0,45 mm groß. MilbenDie
Milbe lebt eigentlich schon „Krätzemilbenendoparasitisch“ im Stratum corneum der Haut.
Die Weibchen graben Bohrgänge, in denen sie vom Zellsaft Krätze\t\"Siehe Skabiesbeschädigter
Zellen leben und ihre Faeces absetzen. Bevorzugt werden Stellen, an denen die Haut
dünn und faltig ist, meist zwischen den Fingern und am Handgelenk, aber auch an Ellenbogen,
Füßen, Penis, Skrotum, Gesäß und Achselhöhlen, bei Frauen auch im Bereich der Brüste
und Brustwarzen. Im Bohrgang werden die Eier abgelegt; die nach 3–8 Tagen schlüpfenden
Larven häuten sich 2-mal, bis nach 4–6 Tagen die adulten Milben entstehen. Erst wenn
die Weibchen auf der Haut befruchtet wurden, bohren sie sich in die Haut desselben
oder eines anderen Wirts ein. Der Gesamtzyklus von Ei zu Ei dauert 14–31 Tage. Ansteckung
ist nur durch intimen, persönlichen Kontakt möglich, z. B. wenn gleichzeitig dasselbe
Bett benutzt wird. Man nimmt an, dass für eine Übertragung eine Mindestkontaktdauer
von 10–15 Minuten notwendig ist. Eine Übertragung durch Bettwäsche kann normalerweise
ausgeschlossen werden, obwohl die Milben 2–4 Tage, unter günstigen Bedingungen sogar
etwa 1 Woche fern vom Menschen überleben können. Es gibt aber besonders heftige Verlaufsformen
der Skabies (s. u.), bei denen wegen der starken Milbenvermehrung die Ansteckungsgefahr
bedeutend höher ist. In solchen Fällen muss die Wäsche entweder bei über 50 °C gewaschen,
4 Tage im Plastikbeutel gelagert oder mit einem Insektizid eingesprüht werden. Auch
das Bügeln der Wäsche tötet Milben ab.
Die Diagnose der Skabies ist nur bei mikroskopischem Nachweis der Milben eindeutig
gesichert. Dazu sucht man das etwas breitere Ende eines Bohrgangs in der Haut, in
dem die Weibchen zu vermuten sind, entfernt mit scharfer Kanülenspitze die Haut und
überträgt die Milben, die meist an der Nadelspitze hängen bleiben, auf einen Objektträger,
eventuell mit einem Tropfen Immersionsöl.
Das klinische Bild der Skabies ist bei wiederholter Infektion ausgeprägter als bei
Erstinfektion. Die schwere Hautreizung, die dabei entsteht, veranlasst zu heftigem
und anhaltendem Kratzen, v. a. nachts. Sekundärinfektionen sind meist die Folge. Eine
besonders schwere Form ist die „norwegische Krätze“, die durch Bildung einer dicken
Hornschicht über Händen und Füßen und papulären Eruptionen an anderen Körperstellen
imponiert. Obwohl die Zahl der Milben sehr hoch ist, verspürt der Patient in diesem
Fall kaum Juckreiz. Vermutlich ist eine Abschwächung des Immunsystems die Ursache
(die Verwendung von Kortikosteroiden hat zu dieser Form der Krätze geführt). Epidemisches
Auftreten ist in Asylantenheimen, Altenheimen, Krankenhäusern nicht selten. Bei leukämischen
Kindern soll sie sich ebenfalls ausbreiten (Gröschel 1981).
Die Behandlung der Krätze muss dermatologisch durchgeführt werden. Wie bei Pediculosis
hatte sich Lindan (Jacutin®, Quellada®) zur Therapie bewährt, u. U. muss nach 2–7
Tagen die Behandlung wiederholt werden. Wegen der geringeren Toxizität werden heute
aber Pyrethroide, z. B. Permethrin und Allethrin, bevorzugt (Reich 1996). Bei AIDS-Patienten
hat sich Ivermectin als Medikament in einmaliger oraler Dosis offenbar bewährt (Wolff
und Koch 1998, Cook und Romanelli 2003). Andere Autoren (Ko et al. 2004) warnen jedoch
vor dem Einsatz von Ivermectin wegen angeblich ungeklärter Todesfälle bei Scabies-Behandlung.
Räudeerreger (Sarcoptes spp.): Sie können von Hund, Katze, Rind, Schaf, Pferd usw.
gelegentlich auf den Skabies\"\r\"SkabiesMenschen übergehen („animale Skabies“). Ohne
Neuinfektion kommt es jedoch rasch zur Selbstheilung.
Räudeerreger
Herbstmilben (Trombiculidae): Die nur 0,3 mm großen Larven (Trombiculidae) werden
von März bis September in verseuchten Regionen (Gärten, Parkanlagen, Wiesen, Felder)
von Mensch und Haustier in die Wohnungen Herbstmilbengebracht. Die vollgesogenen Milben
fallen ab und können sich im Haus nicht weiterentwickeln. Der Erregernachweis am Patienten
ist schwierig, das Krankheitsbild aber charakteristisch mit zahlreichen Papeln als
Stichreaktion im Bereich der Unterwäsche (Oberschenkel bis Gürtellinie, bei Frauen
auch BH-Bereich) wenige Stunden nach einem Besuch im Trombidioseherd. Die Therapie
ist symptomatisch, vorbeugend können Repellentien verwendet werden (vgl. Mumcuoglu
und Rufli 1983).
Haarbalgmilben (Demodex folliculorum, Demodicidae): Sie sind häufig in Haarfollikeln
und Talgdrüsen des Gesichts zu finden. Erkrankungen sind selten.
Vogelmilben (Haarbalgmilben
Dermanyssidae): Sie können von Vogelnestern in Wohnräume, Patientenzimmer usw. eindringen.
Die Stichreaktion kann mit Skabies verwechselt werden, daher ist die mikroskopische
VogelmilbenDiagnose der Milben notwendig.
Vorratsmilben (Tyroglyphoidea) und Hausstaubmilben (Pyroglyphidae): Sie sind keine
parasitären Milben, können jedoch zu allergischen VorratsmilbenReaktionen führen.
Der Befall kann mikroskopisch nachgewiesen werden (Elixmann 1991).Hausstaubmilben
2.13.2
Hygieneschädlinge
Während für Vektoren das Insekt oder die Zecke zur Vollendung des Entwicklungszyklus,
verbunden meist mit starker Vermehrung, obligatorisch ist, transportieren die sog.
Verschlepper (Vektoren im weiteren Sinne) Krankheitserreger z. B. aus dem Toilettenbereich
auf Lebensmittel.
Die betreffenden Erreger vermehren sich dabei meist nicht und sind auch nicht auf
Arthropoden Ektoparasiten\"\r\"Ektoparasitenzur Vollendung ihrer Entwicklung angewiesen.
Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren müssen sie im Krankenhausbereich nachdrücklich
bekämpft werden.
Zur hygienisch bedenklichen Situation kann es kommen, wenn die Tiere in einer Region
auftreten, in der einerseits Krankheitserreger vorhanden sind, andererseits Speisen
oder Wunden kontaminiert werden können. Diese Situation kann in Krankenhäusern gegeben
sein, selten dagegen in Privathaushalten.
Fliegen
Stubenfliegen (Muscidae): Hierzu gehören die große Stubenfliege (Musca domestica),
die Hausfliege (Musca stabilans), die kleine Stubenfliege (Fannia canicularis) und
die Latrinenfliege (Fannia
Stubenfliegen
scalaris). Diese Fliegen legen ihre Eier mit Vorliebe in menschlichen und tierischen
Fäkalien ab. Schon die Larven und Puppen können sich daher im Stuhl kranker Menschen
mit den Erregern kontaminieren. Krankheitserreger können äußerlich haften, aber auch
im Darm der Fliegen tagelang überleben. Daher können Larven, die Krankheitserreger
aufgenommen haben, zu infizierten Fliegen werden (Service 1980). Die ausgeschlüpfte
Fliege sucht bevorzugt Süßigkeiten und Speisen in Küchen usw. auf, fliegt aber zur
Eiablage wieder auf Fäkalien. Durch dieses Pendeln zwischen Kot und Lebensmitteln
verschleppt sie zwangsläufig Krankheitserreger. Ihr Verhalten auf den Speisen erleichtert
das, denn sie erbricht Teile des Darminhalts und setzt ihren Kot auf den Esswaren
während der Nahrungsaufnahme ab.
Fliegen können eine Vielzahl von Krankheitserregern verschleppen, z. B. Polio-, Coxsackie-,
Hepatitisviren, Rickettsien, Shigellen, Salmonellen, Streptokokken und Staphylokokken.
Nach Fliegenbekämpfung nahmen Shigelleninfektionen drastisch ab.
Larven der Latrinenfliege werden gelegentlich im Enddarm oder der Blase gefunden.
Es scheint sich jedoch nicht um einen echten Myiasiserreger zu handeln.
Aas- oder Fleischfliegen (Calliphoridae): Unter ihnen sind vor allem die blauen Brummer
(Calliphora spp.) und Goldfliegen (Lucilia spp.) bekannt. Die AasfliegenLarven leben
von Leichen, Exkrementen und in Fleischfliegen\t\"Siehe Aasfliegennekrotischem Gewebe.
Sie können Krankheitserreger auf Wunden übertragen und dort Eier ablegen. So kommt
es in den Sommermonaten nicht selten zu einer Wundinfektion durch Fliegenmaden (Wundmyiasis).
Besonders angelockt werden die Fliegen durch übelriechende eitrige Geschwüre. Im Krankenhaus
können sie bis in Verbände und unter die Kleider der Patienten vordringen, v. a. wenn
diese mit Blut und Eiter kontaminiert sind.
Der Larvenbefall einer Wunde muss allerdings nicht unbedingt zur Verschlechterung
führen. So werden Maden von Lucilia sericata zur Wundbehandlung speziell bei chronischen
Wunden eingesetzt, da sie die Wunde débridieren (durch alimentäre Aufnahme und lytische
Zersetzung), antiseptisch effektiv sind (Daeschlein et al. 2006) und die Wundheilung
durch freigesetzte Faktoren gefördert wird.
Schmeißfliegen (Sarcophagidae): Sie schmeißen (werfen!) ihre Larven im Flug auf Fleisch
und Wunden, legen also keine Eier ab. Im Übrigen verhalten sie sich wie Aasfliegen.
Fliegenbekämpfung ist eine hygienische SchmeißfliegenNotwendigkeit, die mithilfe moderner
Insektizide (Anonymus 2000) relativ einfach ist. Man darf aber vorbeugende Maßnahmen
nicht außer Acht lassen.
Durch Anbringen von Fliegengittern sind z. B. Prosektur, Infektionsabteilungen, Küchen,
Lagerräume und u. U. auch Patientenzimmer zu schützen. Abfälle, Fäkalien, Verbandmaterial,
infektiöses Material jeder Art müssen entweder sofort beseitigt oder bis zur Entsorgung
fliegensicher untergebracht werden.Fliegen\"\r\"Fliegen
Schaben
Schaben (Blattodea) sind flach gebaute Insekten, die sich gut in Ritzen und Spalten
verstecken können. Sie lieben Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit. Zentren des Befalls
im Krankenhaus sind daher meist Zentral- und Stationsküchen, Toiletten und Bäder.
Bei der Nahrungsaufnahme sind sie nicht wählerisch. Sie bevorzugen zwar weiche, zucker-
oder stärkehaltige Lebensmittel, verschmähen aber auch Blut, Sputum, Exkremente u.
ä. Stoffe nicht. Allein ihre Anwesenheit kann den Gesundungsprozess eines Patienten
stören, wenn sie mit unberechenbaren Bewegungen durch den Raum huschen und ihren charakteristischen,
unangenehmen Geruch verbreiten. Außerdem können sie Allergien verursachen (Hoffmannn
1992). Von hygienischer Bedeutung ist ihr Verhalten bei der Nahrungssuche. Sie laufen
wahllos über offen zugängliche Speisen, dabei erbrechen sie gelegentlich halbverdautes
Futter und setzen ihren Kot auf Speisen, Geschirr, Möbeln, Instrumenten usw. ab. Dadurch
können die verschiedensten Krankheitserreger auf Lebensmittel und Instrumente gelangen
(Roth et al. 1957). Ob im konkreten Fall eine Kontamination zustande kommt, hängt
davon ab, ob die Schaben zuvor Kontakt mit nosokomialen Erregern hatten.
Werden schmutziges Verbandmaterial, Sputum, Fäkalien und Abfälle ordnungsgemäß sofort
beseitigt, nimmt das Risiko einer Verschleppung von Krankheitserregern durch Schaben
ab. Größtmögliche Sauberkeit ist einerseits ein wesentlicher Faktor, die Verbreitung
von Krankheitserregern zu verhindern, andererseits auch die einfachste Bekämpfungsmaßnahme,
weil wegen des damit verbundenen Nahrungsmangels die Schabenvermehrung begrenzt wird.
Typischerweise waren in einem Klinikum alle Kliniken von Schaben befallen, nicht aber
die zugehörigen Institute, sofern sie räumlich getrennt waren (Maier 1983), weil über
die Lebensmittelversorgung der Patienten auch die Schaben versorgt wurden.
Als Schabenarten sind in Krankenhäusern Mitteleuropas Blattella germanica, Blatta
orientalis und Supella longipalpa von Bedeutung.
Deutsche Schabe (Blattella germanica): Sie ist im Adultstadium 10–15 mm lang und hell-
bis schmutzig braun. Alle Stadien zeigen auf dem Thorax zwei schwarze Längsstreifen.
Die Adulten können mithilfe besonderer Schaben:deutscheHaftlappen über senkrechte,
glatte Wände laufen. Nach der Kopulation bildet das Weibchen Eipakete (Ootheken),
in denen sich die Larven entwickeln und die nach 2–4 Wochen abgelegt werden; danach
schlüpfen die Larven. Nach 5 Häutungen der Männchen bzw. 7 der Weibchen wird im günstigsten
Fall nach etwa 38–63 Tagen das Imaginalstadium erreicht. Die optimale Temperatur dafür
liegt bei 30 °C.
Orientalische Schabe (Blatta orientalis): Sie fällt durch ihre Größe (20–27 mm) und
fast schwarze oder schokoladenbraune Färbung auf. Nur das Männchen trägt Flügel. Erst
nach 10 Häutungen ist das Weibchen nach Schaben:orientalischedurchschnittlich 282
Tagen, das Männchen nach nur 7 Häutungen und 164 Tagen ausgereift. Die Oothek wird
nach 1–5 Tagen abgelegt, die Larven schlüpfen aber erst nach 44 Tagen (bei 30 °C,
bei niedrigeren Temperaturen viel später). Das Temperaturoptimum liegt zwischen 20
und 29 °C. Da sie also auch relativ niedrige Temperaturen toleriert, findet man B.
orientalis auch in Kellerräumen.
Braunbandschabe (Supella longipalpa): Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Lebensmitteln
aus den USA nach Deutschland eingeschleppt. Sie ähnelt der Deutschen Schabe, besitzt
aber keine Längsstreifen auf dem Thorax,Braunbandschaben dieser ist vielmehr sehr
dunkel mit hellem Seitenrand. Auffallend ist ein braunes Band zwischen zwei gelblichen
Querstreifen auf Hinterbrust und Abdomen. Diese Schaben können auch in unserem Klima
fliegen. Neben Küchen u. ä. Räumen, wie sie auch von der Deutschen Schabe besiedelt
werden, verschont sie auch Wohn- und Schlafräume nicht. Man findet sie dann u. a.
in Schubladen von Schreibtischen und Kommoden (Möbelschabe), wo sie ihre Ootheken
verstecken.
Schaben, die üblicherweise mit Lebensmitteln eingeschleppt wurden, können sich in
einem sauberen Gebäude ohne Schlupfwinkel nicht einnisten.
Ein schlechter Erhaltungszustand oder konstruktionsbedingte Mängel eines Gebäudes
gewähren ein reichliches Angebot an Schlupfwinkeln. Schaben verstecken sich tagsüber
in Spalten und Ritzen und kommen erst bei Dunkelheit zum Vorschein. Durch Ausbessern
von Rissen, losen Kacheln usw. wird das verhindert. Möbel, z. B. Schaben:VorkommenKüchenschränke,
sollten vom Boden und von der Wand ausreichenden Abstand (etwa 10–15 cm von der Wand,
30 cm vom Boden) haben, sodass keine Verstecke entstehen und überall gereinigt werden
kann. Einbauten mit für Schaben versiegelten Zwischenräumen sind technisch nur aufwändig
herstellbar, denn Schabenlarven können einen Spalt von 0,5 × 1 mm passieren (Wille
1934).
Abgehängte Decken sowie Verkleidungen von Maschinen, Apparaten, Kochkesseln und Leitungen
müssen vermieden werden.
Neben der konsequenten Beseitigung der Abfälle nach jeder Mahlzeit und ihrer Aufbewahrung
in gut schließenden Behältern, möglichst außerhalb des Krankenhauses, muss bedacht
werden, dass Lebensmittel grundsätzlich schabensicher aufbewahrt werden müssen. Exkremente
und schmutziges Verbandmaterial müssen sofort restlos beseitigt werden. Die Einhaltung
dieser Regeln wird zu einer Entwicklungshemmung, bei konsequenter Durchführung zur
Beseitigung der Schaben führen. In diesem Zusammenhang ist der hohe Feuchtigkeitsbedarf
von Schaben zu erwähnen: Schaben können zwar geringe Luftfeuchtigkeit tolerieren,
aber nur wenn sie sich mit Wasser versorgen können. Nasse Spüllappen, tropfende Wasserleitungen,
Getränkereste in Bier- oder Limonadeflaschen genügen hierzu.
Lassen sich diese vorbeugenden Maßnahmen nicht durchsetzen, bleiben als Alternative
nur Insektizide. In Bereichen, in denen sich Patienten aufhalten oder Lebensmittel
verarbeitet oder gelagert werden, ist jedoch Vorsicht geboten. Grundsätzlich sollte
ein Insektizideinsatz in größerem Rahmen ausgebildeten Fachkräften überlassen bleiben.
Gemäß 16. Ausgabe der Entwesungsmittel- und -verfahrensliste des RKI nach § 18 IfSG
sind als Fachkräfte Personen zu betrachten, die auf dem Feld der Hygieneinsektizide
und -akarizide eine Qualifikation nachgewiesen haben, die dem anerkannten Abschluss
zum/zur „Geprüften Schädlingsbekämpfer/geprüften Schädlingsbekämpferin“ nach der Verordnung
vom 18.2.1997 (Bgbl I, S. 275) entspricht. Es empfiehlt sich, Qualifikation und Erfahrung
der Fachkräfte vor Erteilen des Auftrags zu überprüfen.
Soll jedoch nur lokal rasch geholfen werden, genügt u. U. als Überbrückungsmaßnahme,
die im Handel frei erhältlichen Druckzerstäuberdosen einzusetzen. Hersteller und Produkte
sind der „Bekanntmachung der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung
von tierischen Schädlingen nach § 18 IfSG“ (Bgbl 2000, 2002, 2004) zu entnehmen. Am
wenigsten bedenklich sind pyrethrumhaltige Präparate. Dieses aus einer Chrysanthemenart
hergestellte Produkt tötet die Insekten bei ausreichender Dosierung rasch und hat
zusätzlich einen Austreibeeffekt. Dadurch werden die Schaben aus ihren Verstecken
herausgetrieben, sodass man auch tagsüber einen guten Eindruck von der Befallsintensität
erhält. Pflanzliches Pyrethrum zersetzt sich rasch, ein Vorteil, um in Krankenzimmern
oder Küchen keine Dauerbelastung zu haben. Köder, die Chlorpyrifos, Fenitrothion mit
Borsäure oder Fibronil enthalten, sind umweltfreundlicher als Spritz-, Sprüh- oder
Vernebelungsmittel. Für eine Bekämpfung in weniger sensiblen Bereichen können Mittel
mit Sofort- (Dichlorvos, Bioresmethrin) und/oder Langzeitwirkung verwendet werden
wie β-Cyfluthrin, Chlorpyrifos, Cyfluthrin, Deltamethrin, Diazinon, Fenitrothion,
Permethrin und Propoxur (Anonymus 2000, 2002, 2004).
Langzeitinsektizide dürfen grundsätzlich nur von Fachleuten eingesetzt werden.
Rechtzeitige Wiederholung der Behandlung ist wichtig, weil die Embryonen in den Ootheken
nicht getötet werden (Maier 1979). Larven der Deutschen Schabe schlüpfen nach 2–3
Wochen, die der Orientalischen Schabe nach 2–3 Monaten.
Die meisten Pyrethroide zeichnen sich durch vergleichsweise sehr geringe Toxizität
für den Säugetierorganismus aus, da sie rasch durch Esterhydrolyse bzw. Hydroxylierung
inaktiviert werden. Insekten metabolisieren dagegen viel langsamer und der Prozess
kann durch bestimmte Antagonisten wie Piperonylbutoxid blockiert werden, wodurch die
insektizide Wirkung verstärkt wird. Obwohl man davon ausgehen kann, dass Pyrethroide
rasch wieder ausgeschieden werden, besteht möglicherweise eine gewisse Gefahr darin,
dass bei unsachgemäßer Verwendung Pyrethroide z. B. an Staub gebunden über lange Zeiträume
(Monate bis zu 1 Jahr) inhaliert werden und so zu einer ständigen Belastung führen
können (Hoffmann 1992). Stehen mehrere solcher Quellen zur Verfügung (Rückstände in
Nahrung, Kleidung, im Holzschutz, in Teppichen etc.) und akkumulieren sich, könnte
zumindest ein allergenes Potenzial entstehen (Anonymus 2001). Eine Alternative könnten
Entwicklungshemmer wie Triflumuron (Starycideâ) bieten (Smith und Pospischil 1990).
Pharaoameise
Die Pharaoameise Schaben:Bekämpfung\""\r""Schabenkampf(Monomorium pharaonis) ist zum
ständigen Schaben\""\r""SchabenBewohner zentralbeheizter Gebäude und vieler Krankenhäuser
geworden. Sie baut ihre Staaten in Nestern unter Fußböden und in Mauerritzen. PharaoameiseDort
legen die Königinnen ihre Eier ab, bis der Staat auf mehrere tausend Ameisen angewachsen
ist. Die nur 1,5–2,4 mm großen Arbeiterinnen sammeln Nahrung, die in das Nest gebracht
wird und zur Ernährung der Königinnen und Larven dient. Bevorzugt nehmen sie Zucker
oder Honig, aber auch Proteine (Fleisch, Käse) oder Fett auf. Mit Spürsinn finden
sie diese Nahrung auch in verschlossenen Behältern, da sie klein genug sind, um durch
engste Ritzen zu schlüpfen. Hat eine Arbeiterin den Zugang gefunden, folgen über markierte
Straßen andere nach. Im Krankenhaus können sie erhebliche Probleme verursachen, wenn
sie in sterile Verbände, Geräte, bakteriologische Kulturen usw. einwandern und diese
kontaminieren. Aber auch Patienten selbst, v. a. Frischoperierte, bewegungsunfähige
Schwerkranke und Neugeborene, können befallen werden. Die Ameisen wandern unter Wund-
und Gipsverbände und benagen die Wunden. Dabei können sie verschiedenste Krankheitserreger,
Streptokokken, Staphylokokken und Clostridium
Pharaoameise:Krankheitsübertragungspp. übertragen. Die Bekämpfung ist nicht einfach,
da die Königinnen im Nest durch Vernebeln oder Spritzen von Insektiziden nicht erreicht
werden. Bewährt haben sich Köder mit Insektiziden wie Chlordecon,Pharaoameise:Bekämpfung
Hydramethylnon, Pyriproxifen mit Borsäure oder dem Entwicklungshemmer Methopren (Anonymus
2000), da die Arbeiterinnen mit dem präparierten Köder über das Futter auch die Königinnen
erreichen.
2.13.3
Vorratsschädlinge
Als Vorratsschädlinge kommen eine große Zahl von Insekten (Hygieneschädlinge\""\r""HygieneschaedlingeMotten,
Käfer) und Milben in Betracht. Die hygienische Bedeutung dieser Arthopoden ist gering,
da sie normalerweise keine Krankheiten verursachen (ausgenommen einige Milben, s.
u.). Ihr Auftreten wird aber als ekelerregend angesehen. Der Verzicht auf Insektizidbehandlung
von Lebensmitteln hat zu einem vermehrten Auftreten z. B. der Dörrobstmotte (Plodia
interpunctella) geführt. Der Befall mit solchen Schädlingen sollte aber nicht als
„Gütezeichen für fehlende Insektizidrückstände“ betrachtet werden, denn Entwesung
von Vorräten ist auch durch umweltfreundliche Methoden wie z. B. Begasung mit CO2
oder N2 möglich. Vorbeugend sollen Lebensmittel in verschlossenen Behältern aufbewahrt
werden. Befallene Packungen müssen vernichtet werden. Zusätzlich kann mit einem pyrethrumhaltigen
Spray der betroffene Raum entwest werden.
Insektizide mit Dauerwirkung können in Küchen nur dann verwendet werden, wenn alle
Lebensmittel entfernt und Geschirr, Tische usw. nach der Behandlung gründlich dekontaminiert
werden.
Vorratsmilben (Tyroglyphoidea): Sie können vor allem in pflanzlichem Material als
Vorratsschädlinge in Massen auftreten und ekzemartige Dermatitiden oder allergische
Reaktionen der Atemwege hervorrufen, z. B. VorratsmilbenDörrfruchtdermatitis, Bäckerekzem
oder Käsemilbendermatitis.
Hausstaubmilben (Pyroglyphidae): Durch Dermatophygoides pteronyssinus und D. farinae
können sog. Hausstauballergien hervorgerufen werden (zur Sanierung befallener Wohnungen
und Prophylaxe vgl. Elixmann 1991).
Mäuse, Ratten: Sie können in der Vorratshaltung schädlich werden und Krankheitserreger
übertragen (Faulde 2004). Durch vorbeugende bauliche Maßnahmen und Mäuseregelmäßige
Kontrollen, z. B. Anbringen engmaschiger RattenGitter vor Kellerfenstern, muss dafür
gesorgt werden, dass die Nager nicht eindringen können. Zur Bekämpfung von Mäusen
eignen sich Schlagfallen; bei Befall durch Ratten müssen vergiftete Köder ausgelegt
werden. Wegen der damit verbundenen Gefahren muss die Auswahl der Mittel (Liste der
geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von Wirbeltieren, 2000)
Fachkräften überlassen bleiben. Diese Mittel sind, „unabhängig von ihrer Einstufung
als Zubereitung gemäß Gefahrstoff-Verordnung, ausschließlich zur Anwendung durch den
geprüften Schädlingsbekämpfer gedacht, weil nur bei ihm ausreichende Sachkunde vorauszusetzen
ist“ (Anonymus 2000).