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      Antimikrobielle und antiinfektiöse Maßnahmen

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      Krankenhaus- und Praxishygiene

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          Abstract

          2.1 Händehygiene Günter Kampf und Axel Kramer Die Hände des Personals gelten als wichtigster Überträger von Krankheitserregern. Deshalb gehört die Händehygiene zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von nosokomialen Infektionen (NI, hospital associated infections, HAI), und keine andere Maßnahme der Krankenhaushygiene hat eine so starke epidemiologische Evidenz für den präventiven Nutzen für den Patienten. Durch Verbesserung der Compliance der Händehygiene kann die Rate von HAI signifikant gesenkt werden (Pittet et al. 2000). Die Maßnahmen der Händehygiene dienen dem Schutz vor der Verbreitung nosokomialer Erreger (transiente Mikroorganismen), der Reduktion der residenten Flora und der Entfernung von Verschmutzungen (Kramer et al. 2000). 2.1.1 Kolonisation der Hände und Überleben von Krankheitserregern auf Händen Grundsätzlich unterscheidet man bei der Besiedlung der Hände zwischen residenter und transienter Hautflora sowie Infektionsflora (Kampf und Kramer 2004). Die residente Hautflora besteht aus den permanenten Bewohnern der Haut, die vor allem auf der Hände:KolonisationOberfläche der Haut, unter den oberflächlichen Zellen des Hände:Krankheitserreger, ÜberlebenStratum corneum und in den Haarfollikeln gefunden werden. Hierzu zählen S. epidermidis, S. hominis, Mikrokokken, Propioni- sowie Corynebakterien. Die transiente Hautflora besteht aus Bakterien, Pilzen oder Viren, die nur zeitweise auf der Haut nachgewiesen werden. Nosokomiale Infektionserreger werden in unterschiedlicher Häufigkeit an den Händen nachgewiesen. Transiente Infektionserreger können unterschiedlich lange auf Händen persistieren. Bakterien und Hefepilze überleben meist eine Stunde oder länger. Bei Viren reicht die Dauer der Persistenz von 10 Minuten bis zu mehreren Stunden (Details Online-Ergänzung 2.1). 2.1.2 Übertragung nosokomialer Infektionen durch Hände nosokomiale Infektion(en):Übertragung durch HändeVerschiedene Arten HAI wurden über die Hände von Hände:nosokomiale Infektion(en), ÜbertragungMitarbeitern übertragen, vor allem SSI, Septikämien oder Pneumonien (Kampf et al. 2009). Infektion(en):nosokomiale\t\"Siehe nosokomiale Infektion(en)Verbesserte Händehygiene, insbesondere mit alkoholischen Händedesinfektionsmitteln, gilt weltweit als die wesentliche Maßnahme, um die Übertragung von NI zu vermeiden (Kampf und Kramer 2004, Kampf et al. 2009, NN 2009). 2.1.3 Schutz vor Kontamination durch Schutzhandschuhe Sie sollten immer dann angelegt werden, wenn der Kontakt mit Erregern vorhersehbar oder wahrscheinlich ist bzw. wenn eine massive Verunreinigung mit Körperausscheidungen, Sekreten und Exkreten möglich ist. Typische Beispiele aus der klinischen Praxis sind Blutentnahmen, die Pflege inkontinenter Patienten, Waschen von MRSA-Patienten, Umgang mit Beatmungsschläuchen, Entleerung Schutzhandschuhevon Wasserfallen, endotracheales Absaugen, Tracheostomapflege, Entsorgung von Sekreten, Exkreten und Erbrochenem sowie die Entfernung von Drainagen, Verbänden oder kontaminierten Materialien. Nach Beendigung der Tätigkeit, ggf. auch zwischen der Verrichtung verschiedener Tätigkeiten an einem Patienten, sind die Handschuhe im Allgemeinen abzulegen. Anschließend ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen, da Handschuhe keinen absolut sicheren Schutz vor einer Kontamination der Hände gewähren. So konnte nach Ablegen der Handschuhe eine Neukontamination der Hände mit VRE von 13,6 % nachgewiesen werden (Tenario et al. 2001). Diese kann durch unbemerkte Perforation der Handschuhe, aber auch durch Kontamination der Hände beim fehlerhaften Ausziehen der Handschuhe erfolgen. Behandschuhte Hände sollten nur in Ausnahmefällen desinfiziert werden, z. B. in Situationen, in denen ein häufiger Handschuhwechsel erforderlich ist, aber erfahrungsgemäß häufig nicht durchgeführt wird. Das klassische Beispiel ist die venöse Blutentnahme. Jedoch sind drei Voraussetzungen zu berücksichtigen (Kramer et al. 2000): • Der Handschuh muss nachweislich desinfizierbar sein (Häufigkeit, Materialverträglichkeit, Handschuhfabrikat, Desinfektionsmittel). • Der Handschuh weist keine bemerkten Perforationen auf und ist nicht mit Blut, Sekreten oder Exkreten kontaminiert. • Es besteht keine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Kontamination mit chemoresistenten Viren oder multiresistenten Erregern. 2.1.4 Möglichkeiten zur Elimination von Kontaminationen Einfache Händewaschung Die einfache Händewaschung beinhaltet die Anwendung einer Waschlotion ohne antimikrobielle Wirkung mit dem Ziel, die Hände zu reinigen. Die Händewaschung ist einmalig zu Arbeitsbeginn indiziert, um Schmutz und Bakteriensporen zu entfernen. Risikoabhängig kann sie auch vor Essenzubereitung und -Händewaschung:einfacheverteilung, nach Toilettenbenutzung außer bei Durchfall und nach dem Naseputzen außer bei Atemweginfektionen durchgeführt werden. Waschlotionen müssen frei von Pathogenen sein. Wegen der Hautverträglichkeit sollte der pH-Wert neutral oder schwach sauer sein. Nach dem Waschen muss die Haut trocken sein, um Hautschäden vorzubeugen. Die Hautverträglichkeit von Seifen ist in allen Merkmalen (transepidermaler Wasserverlust, Entfettung, Hautrauhigkeit, Schuppung, Austrocknung) signifikant schlechter als die Anwendung alkoholischer Händedesinfektionsmittel (Kramer et al. 2003). Die Verwendung von Einmalflaschen ist zu empfehlen, weil die Aufbereitung und das Nachfüllen mit Kontaminationsrisiken verbunden sind. Seifenstücke gelten als nicht zulässig (Kramer et al. 2000). Hygienische Händewaschung Die hygienische Händewaschung beinhaltet die Anwendung einer antimikrobiellen Waschlotion mit dem Ziel, die Hände zu reinigen und gleichzeitig eine gewisse bakterizide Händewaschung:hygienischeWirkung zu erzielen. Im Krankenhaus ist sie keine Alternative zur Händedesinfektion (Kramer et al. 2000). Hygienische Händedesinfektion Die hygienische Händedesinfektion beinhaltet die Anwendung eines alkoholischen Händedesinfektionsmittels nach tatsächlicher oder fraglicher Kontamination der Hände bzw. vor bestimmten Tätigkeiten. Vor folgenden Situationen wird die hygienische Händedesinfektion empfohlen (Abb. 2.1 ): • Betreten der reinen Seite der Personalschleuse von OP-Abteilungen, Sterilisationsabteilungen und anderen Reinraumbereichen, • invasive Maßnahmen, z. B. Legen eines Katheters, Angiographie, Bronchoskopie, Endoskopie, Injektion oder Punktion, auch wenn dabei Handschuhe getragen werden, • Kontakt mit in besonderem Maß infektionsgefährdeten Patienten, z. B. Patienten mit Leukämie, Polytrauma, Bestrahlung oder Verbrennung, • Tätigkeiten mit Kontaminationsgefahr, z. B. Bereitstellung von Infusionen, Herstellung von Mischinfusionen, Aufziehen von Medikamenten. Abb. 2.1 Die fünf Momente der Händedesinfektion, angelehnt an die Empfehlung der WHO. Die hygienische Händedesinfektion wird zudem nach folgenden Situationen empfohlen: • Kontakt mit potenziell/definitiv infektiösem Material oder infizierten Körperregionen, • Kontakt mit potenziell kontaminierten Gegenständen, Flüssigkeiten oder Flächen, z. B. Urinsammelsysteme, Beatmungsgeräte, Trachealtuben, Drainagen, Schmutzwäsche, Abfall, • Kontakt mit Patienten, von denen Infektionen ausgehen können oder die mit Erregern von besonderer krankenhaushygienischer Bedeutung besiedelt bzw. infiziert sind, z. B. MRE, Durchfallerkrankungen, • Ablegen von Schutzhandschuhen, wenn ein Erregerkontakt oder eine Verunreinigung stattgefunden haben kann. Darüber hinaus ist vor und nach jedem Kontakt mit Wunden bzw. mit dem Bereich der Einstichstellen von Kathetern und Drainagen eine hygienische Händedesinfektion zu empfehlen. Die hygienische Händedesinfektion ist so durchzuführen, dass die transiente Flora noch auf den Händen weitestgehend abgetötet wird. Das alkoholische Händedesinfektionsmittel ist über sämtliche Bereiche der trockenen Hände mit besonderer Berücksichtigung der Fingerspitzen, Daumen, Innen- und Außenflächen, Handgelenke, Interdigitalräume und Nagelfalze einzureiben. Die Hautareale sollen für die Dauer der deklarierten Einwirkzeit feucht benetzt sein. Es ist eine Einreibetechnik zu wählen, die sicherstellt, dass beide Hände möglichst vollständig benetzt sind. Bei mutmaßlicher/wahrscheinlicher Viruskontamination muss ein gegen die entsprechenden Viren wirksames Präparat verwendet werden (valide Prüfergebnisse). Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind innerhalb von 30 Sekunden hoch wirksam gegenüber Bakterien einschließlich MRE, Hefepilzen und behüllter Viren (Kampf und Kramer 2004). Unter praxisnahen Bedingungen erfüllen die meisten Flüssigpräparate die Wirksamkeitsanforderungen der EN 1.500, wobei einige die erforderliche Wirksamkeit bereits innerhalb 15 Sekunden erreichen. Für eine akzeptable Benetzung der Hände ist jedoch das Verreiben des Präparats für 22–28 Sekunden erforderlich. Bei kürzeren Einreibezeiten wie z. B. 15 Sekunden ist die Mehrzahl der Hände unvollständig benetzt (Kampf et al. 2008). Dagegen benötigen viele handelsübliche alkoholische Gele mit niedrigem Alkoholgehalt 1 Minute (Kramer et al. 2002) und waren wegen der geringeren Wirksamkeit trotz verbesserter Compliance ohne Einfluss auf die NI-Rate (Rupp et al. 2008). Bisher wurde in der Literatur nur ein ethanolisches Gel als so wirksam beschrieben, wie es von Flüssigpräparaten gefordert wird (Kampf et al. 2002). Gegenüber unbehüllten Viren sind nur wenige alkoholische Desinfektionsmittel innerhalb einer klinisch vertretbaren Einwirkzeit wirksam (Kramer et al. 2006). Diese Präparate weisen eine unterschiedliche Einwirkzeit (1 bzw. 2 Minuten) auf und sind aufgrund der Zusammensetzung unterschiedlich gut hautverträglich (Kampf et al. 2010). Für die Praxis gilt es abzuwägen, dass Wirksamkeit und Verträglichkeit insbesondere bei häufiger Anwendung in akzeptablem Verhältnis zueinander stehen. Die Effektivität der Händedesinfektion ist nachgewiesen sowohl anhand der Senkung der HAI-Rate insgesamt (Capretti et al. 2008) als auch für spezielle Merkmale wie Senkung von ZVK-assoziierten Blutstrominfektionen (Larson et al. 2007, Capretti et al. 2008), Harnweginfektionen und SSI (Hilburn et al. 2003), Herabsetzung von MRSA-Infektionen und der Nachweisrate klinischer MRE-Isolate (Johnson et al. 2005, Kaier et al. 2009, Gagne et al. 2010) sowie die Ausbruchbeherrschung gesichert (Simor et al. 2002, Cheng et al. 2007, Fung et al. 2007, Armbrust et al. 2009). In einer prospektiven, kontrollierten, randomisierten Studie erhielt die Hälfte der Mitarbeiter einer öffentlichen Stadtverwaltung für die Dauer eines Jahres zusätzlich zur Möglichkeit der Händewaschung Händedesinfektionsmittel. In der Interventionsgruppe war die Anzahl der Erkrankungsepisoden und Erkrankungstage wegen Durchfall, Schnupfen, Fieber und Husten signifikant reduziert. Für die Diarrhö betraf das auch die Anzahl der Fehltage (Hübner et al. 2010). Vergleichbare Ergebnisse wurden in Kinderkollektiven sowie bei Schülern und Studenten bezüglich der Reduktion von Durchfall- (Sandora et al. 2005) und respiratorischen Erkrankungen (White et al. 2001, Lee et al. 2005) sowie der Reduktion von Fehltagen (Guinan et al. 1997, Hammond et al. 2000) erzielt. Die Compliance der Händehygiene liegt im Gesundheitswesen durchschnittlich bei ca. 50 %, d. h., nur bei etwa der Hälfte der Situationen mit erforderlicher Händedesinfektion wird diese durchgeführt. Durch die Verbesserung der Compliance von 48 % auf 66 % konnte gezeigt werden, dass die Rate nosokomialer Infektionen um 41 % sinkt (Pittet et al. 2000). Keine andere Einzelmaßnahme der Krankenhaushygiene hat einen so großen nachweislichen präventiven Nutzen. Die Compliance der Händehygiene kann z. B. durch Verwendung hautverträglicher Händedesinfektionsmittel, einfachen Zugang zum Desinfektionsmittel, Verbrauchsanalysen, Surveillance von HAI, Schulung und Förderung der Händehygiene, Appell an die Vorbildfunktion der Vorgesetzten, Vermeidung von Personalengpässen in der Patientenversorgung (Kampf et al. 2009), Art des Spenders (höhere Compliance bei automatischem Spender) und elektronische Erfassung der Händedesinfektion (Boyce et al. 2009, Sahud und Bhanot 2009; Online-Ergänzung 2.1) verbessert werden. Chirurgische Händedesinfektion Die chirurgische Händedesinfektion wird präoperativ mit dem Ziel durchgeführt, die transiente Flora der Hände zu eliminieren und die residente Flora der Hände für die Dauer der OP größtmöglich zu reduzieren. Durch die chirurgische Händedesinfektion soll das SSI-Händedesinfektion:hygienische\"\r\"HaendedeshygRisiko gesenkt werden, da OP-Handschuhe in bis zu 40 % bemerkt oder unbemerkt perforieren (Harnoss et al. 2009) und perforierte OP-Handschuhe mit einem höheren SSI-Risiko verbunden sind (Cruse und Ford 1973, Misteli et al. 2009). Die Verwendung einer nichtmedizinischen Seife anstelle eines iodhaltigen Händedesinfektionsmittels hatte einen SSI-Ausbruch zur Folge (Grinbaum et al. 1995) Die chirurgische Händedesinfektion ist vor allen operativen Eingriffen durchzuführen (Oldhafer et al. 2007) bzw. vor sonstigen Eingriffen mit gleichen Anforderungen an die Asepsis. Es wird empfohlen, die Hände zu Dienstbeginn zu waschen, spätestens aber vor Anlegen der OP-Bereichskleidung in der OP-Schleuse (Kramer et al. 2008). Die Hände und Fingernägel der Mitarbeiter müssen sauber sein, wenn sie den OP-Trakt betreten. Spätestens in der OP-Personalschleuse müssen die Hände kurz (etwa 10 Sekunden) mit Flüssigseife gewaschen werden. Bei optisch sauberen Händen ist routinemäßig keine Waschung vor der Desinfektionsphase erforderlich. Fingernägel sind bei Verschmutzung mit weicher, thermisch desinfizierter (oder steriler) Kunststoffbürste, ggf. zusätzlich mit Holzstäbchen oder Metallnagelreiniger zu säubern. Hände und Unterarme sind wegen der Wegbereitung von Hautirritationen nicht mit der Bürste zu behandeln. Anschließend werden die Hände mit frischem Einmaltextil- oder Papierhandtuch getrocknet. Vor dem Anlegen der OP-Bereichskleidung wird eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt. Zur Desinfektion werden Hände und Unterarme nach der vom Hersteller angegebenen Einwirkzeit vollständig mit dem Desinfektionsmittel benetzt. Anschließend trocknen die Hände an der Luft, bevor die OP-Handschuhe angelegt werden (Oldhafer et al. 2007). Alkohole, insbesondere Propan-1-ol (60 %), sind gegen die residente Flora der Hände hoch wirksam. Die Anwendung von Propan-1-ol (60 %) über 3 Minuten wurde deshalb zum Referenzverfahren für die chirurgische Händedesinfektion ausgewählt. Durch die Referenzdesinfektion lässt sich die Koloniezahl der Hände um 2,7 log10-Stufen reduzieren (Sofortwirkung). Nach 3 Stunden unter dem OP-Handschuh ist die Koloniezahl der Hände noch immer um 2,2 log10-Stufen niedriger (Kampf und Ostermeyer 2004). Ein Präparat zur chirurgischen Händedesinfektion darf im Vergleich zur Referenzdesinfektion weder in der Sofort- noch in der Langzeitwirkung signifikant schlechter sein. Präparatabhängig sind auch innerhalb von 1,5 Minuten gleichwertige Wirksamkeitsergebnisse erzielbar wie nach 3-minütiger Anwendung (Kampf et al. 2005). Dabei hat die Anzahl der applizierten Portionen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit, solange die Hände über die Dauer der Einwirkungszeit mit dem Präparat benetzt gehalten werden (Kampf und Ostermeyer 2004). OP-Handschuh Bei bemerkter intraoperativer Handschuhbeschädigung müssen neue sterile OP-Handschuhe angelegt werden. Vor dem Anlegen der neuen OP-Händedesinfektion:chirurgische\"\r\"HaendedeschirHandschuhe ist eine alkoholische Händedesinfektion für mindestens 30 Sekunden durchzuführen (Kampf et al. 2008, Kampf et al. 2009). Ist die Hand OP-Handschuhdurch Blut verschmutzt bzw. hat sich Handschuhsaft angesammelt, ist sie vor der Desinfektion mit einem sterilen Tuch zu reinigen. Hat sich die Perforation kurz vor OP-Ende ereignet, kann es ausreichen, einen neuen sterilen Handschuh über den perforierten Handschuh zu ziehen (AWMF-Leitlinie 2008). Für die Viszeralchirurgie wird aufgrund des Anstiegs der Perforationsrate und des ab 90 Minuten nachweisbaren Bakterientransfers durch die Perforationen ein Wechsel der OP-Handschuhe für Operateur und ersten Assistenten nach 90 Minuten, für weitere Assistenten und OP-Schwestern nach 150 Minuten empfohlen (Partecke et al. 2009, Harnoss et al. 2009). Indikatorhandschuhe zeigten die Perforation in bis zu 83 % nicht an (Thomas et al. 2001). 2.1.5 Hautschutz und Hautpflege Handschutz und Handpflege sind als berufliche Pflicht aufzufassen, weil eine geschädigte Haut nicht mehr so gut desinfizierbar ist und in ein irritativ toxisches Kontaktekzem mit Berufsunfähigkeit münden kann. Eine gesunde Haut ist Voraussetzung für eine effektive Händedesinfektion (Mäkela 1993). Bereits kleinste Risse bzw. Mikrotraumen können zum Erregerreservoir werden (Forrester und Roth 1998), Hautinfektionen verursachen und die Erreger verbreiten. Um der Hautirritation vorzubeugen, müssen Hautschutz und Hautpflege systematisch und konsequent erfolgen. Hautschutzpräparate werden bereits vor dem Kontakt mit Wasser und Desinfektionsmitteln aufgetragen. Hautpflegeprodukte werden sinnvollerweise nach Seifenwaschung oder anderer Hautbelastung, in Arbeitspausen, nach Dienstschluss und in der Freizeit angewandt. Der protektive Effekt von Hautschutzpräparaten wurde in Hautirritationsmodellen (Frosch und Korte 1994, Fluhr et al. 1999, Gehring 2004) und im OP-Arbeitsbereich (Berndt et al. 2001) nachgewiesen. Für die Wirksamkeit erwies sich die regelmäßige, häufige und korrekte Anwendung rückfettender Externa als entscheidend, weniger der zeitliche Bezug zur Wasser- und Desinfektionsmittelexposition (Berndt et al. 2001). Hautpflegemittel sollen wegen der Kontaminationsgefahr bei der Entnahme in Spendern oder Tuben bereitgestellt werden. Bei Gefährdung der Haut durch Arbeiten im feuchten Milieu – dazu gehört auch das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe > 2 Stunden – muss der Arbeitgeber eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) bereitstellen, eine Betriebsanweisung und einen Hautschutzplan erstellen, die Möglichkeit zur Reduzierung der Feuchtigkeitsexposition einschließlich Ersatzstoffprüfung überprüfen und die arbeitsmedizinische Vorsorge und Überwachung gewährleisten (TRGS 531). Im Hautschutzplan sind die Präparate für Reinigung, Schutz und Pflege der Haut festzulegen. Bei beginnenden Hautschäden ist unverzüglich der betriebsärztliche Dienst zu konsultieren. Bei der Auswahl von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten ist der Hauttyp (seborrhoisch oder sebostatisch) zu beachten. Wegen des Risikos der Sensibilisierung und der Penetrationsförderung durch Harnstoff sind Produkte ohne Duft- und ohne Konservierungszusatz mit einem Harnstoffgehalt < 3 % zur bevorzugen. Wegen der besseren Hautverträglichkeit sind natürliche Fettsäuren Mineralölderivaten überlegen.Hautschutz\"\r\"Hautschutz Hautpflege\"\r\"Hautschutz 2.1.6 Umgang mit Desinfektionsmittelspendern Überall dort, wo eine Händedesinfektion durchgeführt werden muss, sind Desinfektionsmittelspender vorzuhalten, z. B. bettseitig im Patientenzimmer, am Eingang und Ausgang des Patientenzimmers, am Visiten- oder Verbandwagen, in der Sanitärzelle und in Schleusen. Spender müssen so gewartet werden, dass ihre mikrobielle Besiedelung verhindert wird. Kittelflaschen können ergänzend verwendet werden, wenn keine Wandspender möglich sind. Üblicherweise werden Desinfektionsmittelspender mit Einmalflaschen Desinfektionsmittelspender:Umgangbestückt (detaillierte Anforderungen an Seifen- und Desinfektionsmittelspender Online-Ergänzung 2.1). Rechtlich ist ein Umfüllen möglich, sofern das unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes oder Apothekers erfolgt. Der Umfüllende haftet für sein hergestelltes Produkt. Ein umgefülltes Desinfektionsmittel darf nicht an andere abgegeben werden. Aus medizinischer Sicht und aus haftungsrechtlichen Gründen müssen hygienische Mindeststandards beachtet werden. Diese umfassen die Reinigung und Sterilisation der Desinfektionsmittelbehälter vor der Neubefüllung, das Umfüllen unter aseptischen Behältnissen (sterile Werkbank), Dokumentation der Chargennummer bzw. Umfülldatum und Durchführung durch geschultes Personal (Hengesbach und Schneider 2006). Die Notwendigkeit für dieses Vorgehen kann daraus abgeleitet werden, dass Bakteriensporen in alkoholbasierten Desinfektionsmitteln überleben können und auf diesem Weg theoretisch z. B. in eine Wunde gelangen können (Risiko von Gasbrand und Tetanus; Weuffen et al. 1998, Danchaivijitr et al. 2005). Das tatsächliche Risiko ist jedoch minimal. So konnten im Händedesinfektionsmittel nach längerem Stehenlassen der geöffneten Flasche in 18 % der Proben Bakteriensporen gefunden werden, jedoch weniger als eine Spore pro 10 ml Händedesinfektionsmittel. In keinem Fall wurden Sporen pathogener Bakterienspezies identifiziert (Kampf et al. 2005). 2.2 Antiseptik Ojan Assadian und Axel Kramer 2.2.1 Begriffsbestimmung der Antiseptik, Indikationen und Anforderungen an Antiseptika Händehygiene\""\r""Haendehyg Unter Antiseptik:DefinitionAntiseptik (griech. anti = gegen, sepsis = Fäulnis) werden alle Maßnahmen zur Abtötung oder Inaktivierung von Mikroorganismen am oder im lebenden Gewebe verstanden, die aus prophylaktischer Indikation (prophylaktische Antiseptik)Antiseptik:prophylaktische einer unerwünschten Kolonisation oder Infektion vorbeugen oder aus therapeutischer Indikation (therapeutische Antiseptik)Antiseptik:therapeutische diese behandeln sollen. Hauptdomänen für den Einsatz von Antiseptika sind die Haut-, Schleimhaut- und Wundantiseptik. Demgegenüber wird die Anwendung von Bioziden zur Unterbrechung von Infektionsketten auf unbelebten Flächen oder Gegenständen als Desinfektion bezeichnet. Die Indikation zur Antiseptik ergibt sich auf intakter Haut, Schleimhäuten oder Wunden immer dann, wenn DesinfektionInfektionen verhindert oder behandelt werden sollen. Die Übergänge zwischen prophylaktischem und Antiseptik:Indikationtherapeutischem Einsatz zur Behandlung der klinisch manifesten Infektion, der Sanierung unerwünschter Kolonisation oder der Normalisierung einer Dysbiose sind von Fall zu Fall fließend. Zur prophylaktischen Anwendung, die i. A. einmalig oder kurzfristig wiederholt stattfindet, werden rasch wirksame bakterizide (bzw. virozide) Wirkstoffe benötigt. Für therapeutische Indikationen sind aufgrund der wiederholten Applikation und langfristigen Einwirkung ggf. auch bakteriostatische (bzw. virostatische) Wirkstoffe ausreichend. Die grundlegenden Wirkungsanforderungen an Antiseptika:AnforderungenAntiseptika sind im Basistest Phase 1 der EN 1040 und 1275 definiert. In Phase 2 wird gemäß EN 12054 die Testung unter praxisbezogenen Bedingungen im quantitativen Suspensionstest mit S. aureus, E. faecalis, P. aeruginosa und C. albicans für Wunden mit der Modellbelastung 4,5 % heparinisiertes Blut + 4,5 % Rinderserumalbumin empfohlen (Pitten et al. 2003). Noch besser entspricht das Zellkulturmedium MEM mit Salzen, L-Glutamin und 10 % fetalem Kälberserum der Zusammensetzung von Wundflüssigkeit (Campbell et al. 2003). Ohne Belastung wird innerhalb der empfohlenen Einwirkungszeit eine Reduktion der Testorganismen ≥ 5 log, bei Belastung ≥ 3 log gefordert (Pitten et al. 2003). Die Gewebeverträglichkeit wird zunächst in Zell- und Gewebekulturen einschließlich dreidimensionaler In-vitro-Modelle ermittelt, ggf. danach tierexperimentell (Geerling et al. 2002) oder, wenn der Wirkstoff toxikologisch und präklinisch als ausreichend untersucht gilt, für Wundantiseptika ohne Zwischenstufe direkt an Meshgraft-Entnahmestellen. Generell müssen Antiseptika folgende zusätzliche Anforderungen erfüllen: • rasche Gewährleistung wirksamer lokaler Konzentrationen, • fehlende Resistenzentwicklung, insbesondere keine Kreuzresistenz zu Antibiotika, • fehlendes Risiko toxischer, allergischer und anaphylaktischer Nebenwirkungen einschließlich Langzeitnebenwirkungen (Mutagenese, Karzinogenese, Teratogenese), • Akzeptanz bezüglich Schmerzempfindung, Geruch und ggf. Geschmack, • ausreichende Stabilität im oder am Gewebe, • kein bzw. nur geringer Eiweißfehler, • geeignete galenische Zubereitung, • ggf. Sterilität (z. B. für Wunde und Auge). Aufgrund des Umfangs des Themas wird nachfolgend zur Erläuterung des antiseptischen Konzepts die Wundantiseptik ausgewählt. Für die weiteren Anwendungsbereiche werden abschließend nur die Auswahlprinzipien aufgezeigt. 2.2.2 Wundantiseptik Indikationen Antiseptik:Wunden"\t""Siehe WundantiseptikWundantiseptika sind nur nach sorgfältiger Indikationsstellung anzuwenden. Andernfalls können Wundheilungsstörungen verursacht werden. Die Auswahl richtet sich nach Art und Lokalisation der Wunde sowie den pharmakologischen Eigenschaften der Wirkstoffe. Ein wichtiges Auswahlkriterium ist das Verhältnis zwischen antimikrobieller und zytotoxischer Wirkung. Generell trifft folgender Grundsatz zu: Es soll nichts auf Wunden angewendet werden, was nicht auch am Auge anwendbar ist. Eine Kolonisation von Wunden ist nach allgemeiner Einschätzung für den Wundheilungsverlauf akuter, heilender Wunden irrelevant. Kritisch ist allerdings eine Kolonisation bei ischämischen Verläufen diabetischer Fußulzera (Schmidt et al. 2000), schlecht heilenden chronischen Wunden oder die Kolonisation mit MRE. Unstrittig ist die Behandlung der infizierten Wunde, die im Allgemeinen mit klinischer Symptomatik und erhöhten Werten von Leukozyten, C-reaktivem Protein und erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit einhergeht, da ansonsten der Wundheilungsprozess behindert wird und mit Defektheilung zum Abschluss kommt. Im ungünstigen Fall kann sich die Wundinfektion ausbreiten und in eine Septikämie münden. Für die Auswahl der Wundantiseptika ist zwischen der Anwendung auf akuten und chronischen Wunden zu unterscheiden. Verletzungen sind über den Mechanismus Kontamination und Verschleppung der Erreger in die Tiefe mehr oder stark infektionsgefährdet. Aus diesem Grund ist die antiseptische Primärversorgung verschmutzter Wunden einschließlich Verätzungen und Verbrennungen notwendig (Tab. 2.1 ). Bei Biss- und Stichverletzungen steht die erforderliche Tiefenwirkung des Antiseptikums im Vordergrund (Kramer et al. 2010). Tab. 2.1 Indikationen der Wundantiseptik.Vorratsschädlinge\"\r\"VorratsschaedlingWundantiseptik:sinnvolleWundantiseptik:notwendigeGesundheitsschädlinge\"\r\"Gesundheitsschaedlinge Indikation Notwendig Sinnvoll Keine • Primärversorgung verschmutzter, kontaminierter bzw. infizierter akuter und chronischer Wunden einschließlich beruflicher Stich- und Schnittverletzung mit Infektionsgefährdung • Verbrennungswunde • infiziertes Dekubitalulkus • chirurgisch eröffneter Abszess • Kolonisation mit MRE (z. B. MRSA, ESBL) • Große Weichteilverletzungen (zuerst Débridement, dann Antiseptik) • intraoperative Spülung, z. B. vor Implantation • Spül-Saug-Drainage von Peritoneum, Pleura und Mediastinum bei Empyem • nach Exzision chronischer Entzündungsherde • Schlussspülung bei großflächigem operativem Eingriff • offene Fraktur • Einlagerung autologer Knochenspäne oder Knorpeltransplantate • Wundkolonisation ohne klinische Zeichen einer Infektion, Ausnahme: Besiedlung mit MRE • reizlose OP-Wunde am 2. Tag • heilende Bagatellwunde • einheilendes Meshgraft-Transplantat und Entnahmestelle Beispiele für die Herabsetzung der Infektionsmorbidität durch Antiseptika sind die antiseptische Behandlung kontaminierter bzw. infizierter Wunden z. B. nach ausgedehntem Trauma oder bei frischer Bagatellverletzung (Kramer et al. 2004, Roth et al. 2007), die Anwendung bei sekundär heilenden Wunden und die intraoperative Spülung im OP-Gebiet insbesondere vor Implantation von Endoprothesen bei möglichem Verzicht auf systemische Antibiotikaprophylaxe. In Verbindung mit chirurgischem Débridement können auch große Weichteilverletzungen, Weichteilphlegmonen und Osteomyelitiden mit Antiseptika (z. B. feuchte Abdeckung bzw. Spül-Saug-Drainage und reguliertes Vakuum) behandelt werden. Das Gleiche gilt für das superinfizierte Ulcus cruris und Verbrennungen (Kramer und Willenegger 1994). Als Sonderfall der akuten Infektion sind postoperative Wundinfektionen (surgical site infections, SSI) anzusehen. OP-Wunden nach Eröffnung mikrobiell besiedelter Organe (z. B. Darm) erfordern ebenso wie intraabdominelle und intrathorakale Infektionen die Einbeziehung von Antiseptika in das Konzept der Infektionsprophylaxe bzw. -behandlung, z. B. mittels Peritonealspülung (Effenberger 1988), sowie Spüldrainage bei Pleuraempyem und Mediastinitis (Neef et al. 1996). Im Unterschied zur Versorgung von Traumen in Regionen mit funktionierender Notfall- und spezialisierter Anschlussbehandlung unterscheidet sich bei zivilen Katastrophensituationen oder militärischen Einsätzen das Intervall zwischen Trauma und medizinischer Erstversorgung deutlich. Bei militärischen Einsätzen werden nur etwa 80 % der Verwundeten innerhalb von 12 Stunden versorgt (Harke et al. 2002). Daher sind die möglichst rasche Antibiotikaprophylaxe und antiseptische Primärversorgung der Wunden beim Out-of-Area-Einsatz wichtig und unterliegen keinen restriktiven Überlegungen in Bezug auf Resistenzentwicklung und Zytotoxizität. Rettungsmannschaften müssen ein geeignetes Antibiotikum + Antiseptikum mitführen. Um eine anhaltende antiseptische Wirkung in Verbindung mit der Penetration des Antiseptikums in das verletzte Gewebe zu ermöglichen, soll nach kurzer Spülung und satter Benetzung des verletzten Areals ein mit dem Antiseptikum durchtränkter Verband angelegt werden. Bei der antiseptischen Erstversorgung steht die rasch einsetzende Wirksamkeit im Vordergrund, die für die Dauer des Verbands bis zur chirurgischen Versorgung anhalten soll. Bei diagnostizierter Wundinfektion(en):BehandlungsgrundsätzeWundinfektion sind folgende Grundsätze einzuhalten: • Lokal begrenzte Infektionen werden mit Antiseptika behandelt. • Wundinfektionen mit beginnender Allgemeininfektion sowie manifeste systemische Infektionen werden mit systemischen Antibiotika, ggf. in Kombination mit Antiseptika, behandelt. Eine Ausnahme stellen Infektionen dar, bei denen mit rascher lebensbedrohlicher Generalisierung zu rechnen ist, z. B. das Staphylokokkenkarbunkel im Abflussgebiet von zum ZNS führenden Venen und Lymphgefäßen (meist im Oberkiefer- oder Orbitabereich) oder die streptokokkenbedingte akute nekrotisierende Fasziitis. Diese Formen werden grundsätzlich frühzeitig hoch dosiert systemisch und zusätzlich antiseptisch behandelt. In allen Fällen ist das Primat der chirurgischen Herdsanierung zu beachten: „Ubi pus, ibi evacuo“. Vorbereitung des Wundgrunds vor Antiseptik Ohne korrekte chirurgische Wundversorgung einschließlich Wundnachsorge versagt das beste Wundantiseptikum. Das Débridement abgestorbenen bzw. zerstörten Gewebes ist Wundantiseptik:Indikationen\"\r\"WundantiseptikIndVoraussetzung für eine rasche Wundheilung und eine wichtige Maßnahme der Infektionsprävention. Das chirurgische Débridement ist die effektivste Methode und hat den Vorteil, dass das weitere Wundmanagement unmittelbar danach beginnen kann. Alternativ kommt bei chronischen Wunden der Einsatz von Larven der Goldfliege (Lucillia sericata) in Betracht. Im Unterschied dazu ist das enzymatische Wunddébridement bei kolonisierten/infizierten Wunden kritisch zu sehen (Kramer et al. 2004). Finden sich im Spätstadium einer Wundheilungsstörung trockene Nekrosen, ist die chirurgische Nekrosektomie indiziert. Grundsätzlich ist anzustreben, traumatische Wunden durch Débridement, Wundkorrektur und nachfolgende Antiseptik in primär heilende Wunden zu überführen. Erfahrungen der Kiefer-Gesichts-Chirurgie zeigen, dass in Verbindung mit Antiseptik auch nach einer Wundlatenzzeit von mehr als 6 Stunden aufgrund der guten Durchblutung des Gesichts eine primäre Wundnaht zu komplikationsloser Heilung führt. Weitere wichtige Kriterien der Wundversorgung sind gewebeschonendes Vorgehen bei Gewährleistung der Gewebedurchblutung einschließlich geringer Traumatisierung der Wundränder (schonendes Greifen von Hautlappen, spannungsarme Wundnaht), Vermeidung von Austrocknung und extremen Temperaturschwankungen sowie die Auswahl des Nahtmaterials. In physiologisch kolonisierten Bereichen kann durch lokale Infektion eine Nahtinsuffizienz verursacht werden. So werden Nähte im Kolon aufgrund der höheren Kolonisationsdichte häufiger insuffizient als Nähte am Magen. In Gegenwart von Nahtmaterial reichen bereits 102 Staphylokokken je g Gewebe zur Auslösung einer Wundinfektion (Elek und Conen 1957). Nach Vincent (2003) ist der Anteil an implantierten Fremdkörpern, z. B. chirurgisches Nahtmaterial, als primäre Ursache einer nosokomialen Wundinfektion als gering, ihr Beitrag zur Aufrechterhaltung einer Infektion jedoch als hoch einzuschätzen. Daher empfiehlt sich der Einsatz von antiseptisch imprägniertem Nahtmaterial speziell für kontaminierte Wunden bzw. bei Naht in kolonisierten Geweben, bei Verschluss von anatomischen Regionen mit hohem Infektionsrisiko, z. B. Leistenregion und Sternum, sowie immer dann, wenn die Folgen der Infektion besonders dramatisch sind, z. B. Hüft- und Knieendoprothesenimplantation oder Sternumverschluss (Kramer et al. 2008). Bei chronischen Wunden besteht die Strategie darin, den Circulus vitiosus Minderdurchblutung → Nekrose → Infektion → Nekrose durch Wundbehandlung (Débridement, Stimulation der Entzündung, ggf. Antiseptik) und gleichzeitige Behandlung der Grundkrankheit zu durchbrechen. Bei guten Durchblutungsverhältnissen und nach antiseptischer Sanierung bzw. in Abwesenheit einer Infektion sowie von Nekrosen kann auch eine chronische Wunde durch geeignete chirurgische Techniken (Haut-Muskel-Lappen u. Ä.) einzeitig verschlossen werden (Bruck et al. 1991). Charakteristik ausgewählter Wirkstoffe zur Wundantiseptik Octenidindihydrochlorid Wundantiseptik:Wundgrundvorbereitung Die antimikrobielle Wirkung erstreckt sich gleichermaßen auf grampositive und gramnegative Bakterien sowie Pilze; zusätzlich werden bestimmte Virusspezies erfasst (Koburger et al. 2010). Die Wirkung bleibt in Gegenwart von Blut und Eiweißen erhalten. Durch Bindung an die Zellmatrix wird ein postantiseptischer Effekt erzielt. Octenidin wird nicht resorbiert, und es sind keine Langzeitrisiken einschließlich Allergien bekannt. Octenidinbasierte Präparate dürfen wegen der Gefahr aseptischer Nekrosen nicht unter Druck in Gewebe, z. B. bei Stichverletzung, eingebracht werden (Hübner et al. 2010). Octenidin wirkt als kationenaktive Substanz an der Zellmembran und führt zur Zerstörung der Zellfunktion. Die Wirkung tritt in vitro innerhalb von 30–60 Sekunden Octenidin:Wundantiseptikein (Koburger et al. 2010). Frühere Befunde zur höheren Zytotoxizität im Vergleich zu Iodophoren und Polihexanid bedürfen der kritischen Interpretation, weil Octenidin mit Zellen Komplexe bildet, wobei die Wirksamkeit durch Wirkstofffreisetzung in geringen Mengen erhalten bleibt, während die Zytotoxizität drastisch reduziert wird. Durch diese Art der „Wundversiegelung“ dürfte eine nachfolgende Wundkolonisation unterbunden werden (Müller und Kramer 2007). Polihexanid Polihexanid ist bakteriozid und fungizid sowie gegen Akanthamöben wirksam, wobei die Wirkung erreger- und konzentrationsabhängig vergleichsweise langsam eintritt (0,04-prozentig in vitro innerhalb von 5–20 Minuten), aber wie bei Octenidin remanent anhält. Polihexanid ist das einzige bekannte Antiseptikum, das die Wundheilung fördert. Es sind keine resorptiv-toxischen Wirkungen bekannt. Zur Peritonealspülung ist es wegen Unverträglichkeit kontraindiziert (Hübner et al. 2010). Ursache der Gewebeverträglichkeit ist die selektive Wirkung gegenüber sauren Lipiden bakterieller Zellmembranen bei nur geringer Beeinflussung neutraler Lipide Polihexanid:Wundantiseptikhumaner Zellmembranen. Der vergleichsweise langsame Wirkungseintritt ist bei der Sanierung von MRSA-Trägern nachteilig. Als aussichtsreiche Möglichkeit zur Peritonealspülung zeichnet sich die Kombination von Polihexanid mit membranbildenden Phospholipiden ab, wodurch mikrobiozid wirksame Emulsionen und Liposomen mit noch weiter reduzierter Toxizität entstehen (Müller et al. 2011). Polihexanid darf nicht in Kombination mit anionischen Tensiden und anderen wundreinigenden Seifen, Salben, Ölen, Enzymen u. Ä. angewendet werden (Kramer und Roth 2009). Poly-1-vinyl-2-pyrrolidon-Iod (PVP-Iod) PVP bindet elementares Iod ohne feste chemische Bindung. Die Eigenschaften des Iods bleiben erhalten, abhängig von der umgebenden Iodkonzentration wird lediglich die Lösungsfähigkeit verändert, wodurch über längere Zeit freies Iod zur Verfügung steht. Es wirkt nicht remanent; die Wirkung hält nur so lange an, wie die Anwesenheit von Iod im PVP-Trägermolekül gegeben ist. Der Wirkungseintritt ist ebenso rasch wie bei Octenidin. Polividon-Iod wirkt mikrobiozid gegen grampositive und gramnegative Bakterien, Pilze und Protozoen, bei längerer Einwirkungszeit sporozid und zusätzlich gegen eine Reihe von Viren. Aufgrund der allergenen Potenz, der Resorptionstoxizität für die Schilddrüse und der fehlenden Remanenz ist PVP-Iod entbehrlich zur Wundantiseptik (Kramer et al. 2008); einzige Ausnahme ist die Versorgung von Biss- und Stichverletzungen in Kombination mit Ethanol wegen der Gewebepenetration (Arasteh et al. 2002, Kramer et al. 2010). Bei Zusatz von 20 % Schafblut wird die Wirkung von PVP-Iod aufgehoben. Bei Spülung kontaminierter traumatischer Wunden war PVP-Iod nicht wirksamer als Ringer-Lösung, während Polihexanid die SSI-Rate signifikant reduzierte (Roth et al. 2007). Iodophore sind besser gewebeverträglich als chlorhexidinhaltige Präparate. In vitro setzt bei scheinbar abgetöteten Zellen nach Abspülen des Wirkstoffs die Proliferation wieder ein (revitalisierender Effekt; Müller und Kramer 2006). In vitro und tierexperimentell ist 0.5 % PVP-Iod im Unterschied zu Octenidin knorpelverträglich. Genotoxische, karzinogene und teratogene Gefährdungen sind nicht bekannt (Kramer et al. 2008). Als liposomale Zubereitung konnte die Gewebeverträglichkeit von PVP-Iod bei erhaltener Wirksamkeit verbessert werden, sodass die liposomale PVP-Zubereitung einer chlorhexidinimprägnierten Auflage bei Anwendung auf Meshgraft an Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen war (Reimer et al. 2000). Bei Anwendung von Iodophoren gelten folgende Kontraindikationen: Hyperthyreose, Dermatitis herpetiformis Duhring, Überempfindlichkeit gegen Iod, Radioiodtherapie, Peritoneallavage. Jede Anwendung ist sorgfältig abzuwägen und die Schilddrüsenfunktion zu kontrollieren bei blander Knotenstruma, Gravidität, Stillzeit, großflächiger Anwendung bei Früh- und Neugeborenen sowie bei Säuglingen bis zum 6. Lebensmonat. Nur bei Anwendung am Auge (präoperativ und zur Prävention der Ophthalmia neonatorum) bleibt die resorbierte Iodmenge unterhalb schilddrüsenkritischer Werte (Kramer et al. 2008). Chlorhexidindiglukonat Im Molekül ist endständig p-Chloranilin PVP-Jod:Wundantiseptik\"\r\"PFPJodenthalten, dessen Freisetzung und metabolische Abspaltung als Ursache für die vergleichsweise hohe Zytotoxizität, Mutagenität Chlorhexidin:Wundantiseptikund Neurotoxizität anzusehen ist (Kramer et al. 2008). Bei gramnegativen klinischen Isolaten wurde eine Wirkungsschwäche nachgewiesen. In vitro ist eine Resistenzentwicklung induzierbar. Anaphylaktische und allergische Nebenwirkungen sind beschrieben. Wegen des Biokompatibilitätsindexes < 1 ist Chlorhexidin als Wundantiseptikum entbehrlich (Müller und Kramer 2008). Vergleich von Wundantiseptika Für den Vergleich von Wundantiseptika eignet sich der Biokompatibilitätsindex (BI), der Quotient von IC50 im Zytotoxtest und der Konzentration, die im Wundantiseptika:Biokompatibilitätsindexquantitativen Suspensionstest gegenüber Bakterien mindestens 3 lg-Stufen Reduktion ergibt. Bei einem Wert > 1 überwiegt die Wirksamkeit im Vergleich zur Zytotoxizität und umgekehrt (Tab. 2.2 ). Tab. 2.2 Biokompatibilitätsindex ausgewählter antiseptischer Wirkstoffe (Müller und Kramer 2008) Wirkstoff BI E. coli S. aureus OctenidindihydrochloridPolihexanidChlorhexidindiglukonatPVP-Iod (auf I2 bezogen)TriclosanSilberprotein (auf Ag bezogen)SilbersulfadiazinAgNO3 1,731,510,830,680,230,22< 0,0002< 0,0002 2,111,360,980,680,110,46< 0,0002< 0,0002 Ungeeignete bzw. obsolete Wirkstoffe Lokalantibiotika wie Neomycin, Kanamycin oder Mupirocin sind aufgrund fehlender Resorption und/oder systemischer Toxizität nur lokal anwendbar. Ihr Einsatz zur Wundantiseptik ist aufgrund des engen Wirkungsspektrums, der überwiegend bakteriostatischen Wirkung, des Risikos der Resistenzentwicklung und wirkstoffabhängig wegen der sich durch Resorption aus Wunden ergebenden toxischen Risiken (Oto-, Nephro-, Neurotoxizität) sowie der allergenen Potenz zur Wundantiseptik abzulehnen (Kramer et al. 2004). Vor allem wegen des Risikos der Resistenzentwicklung sind systemische Antibiotika nicht topisch anzuwenden. Die systemische Anwendung von Antibiotika ist indiziert, wenn eine Ausbreitung von Krankheitserregern auf dem Blut-Lymph-Weg befürchtet werden muss. Bezüglich weiterer Wirkstoffe, die ihre Bedeutung zur Wundantiseptik verloren haben, Tabelle 2.3 . Tab. 2.3 Merkmale obsoleter oder entbehrlicher Wirkstoffe zur Wundantiseptik (Kramer et al. 2004)WasserstoffperoxidTriclosanSilberverbindungenQuecksilberverbindungen, organischeQuatsPhenolderivateNitrofural8-Chinolinol Wirkstoff Nachteile Eignung zur Wundantiseptik 8-Chinolinol Unzureichend wirksam, mutagen, neurotoxisch, allergen, tierexperimentell karzinogen Entbehrlich Farbstoffe Unzureichend wirksam, zytotoxisch, allergen, z. T. systemische Risiken Obsolet Nitrofural Unzureichend wirksam, mutagen, allergen, induzierte benigne Tumoren, Resorption aus Wunden, Resistenzentwicklung möglich Entbehrlich Organische Quecksilberverbindungen Erregerabhängig z. T. unwirksam, systemische Nebenwirkungen, Sensibilisierung, Umweltbelastung Obsolet Phenolderivate Zytotoxisch, resorptive Risiken, z. T. mutagen Entbehrlich Quats Unzureichend wirksam, hoher Eiweißfehler, zytotoxisch, resorptive Risiken, Resistenzentwicklung möglich Entbehrlich Silberverbindungen Hoher Eiweißfehler, Resistenzentwicklung, zytotoxisch, systemische Risiken Entbehrlich Triclosan Einseitiges Wirkungsspektrum gegen grampositive Bakterien, Resistenzentwicklung in vitro, Resorption, allergene Potenz Entbehrlich, in Nahtmaterial Senkung von SSI ohne toxische Risiken Wasserstoffperoxid 3 % Unzureichend wirksam, Inaktivierung durch Blut, zytotoxisch Reinigung intakter Haut, zur Wundantiseptik obsolet Neben den genannten Antiseptika stehen weitere hochwirksame antimikrobielle Wirkstoffe zur Verfügung, die angesichts der zunehmenden bakteriellen Resistenz gegenüber Antibiotika in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnten. Ein Beispiel für einen vielversprechenden Kandidaten ist Chitosan, ein hydrophiles polykationisches Polymer, das aus Chitin, dem Hauptbestandteil von Crustaceen-Schalen, durch partielle chemische Desacetylierung im alkalischen Milieu gewonnen werden kann. Im Gegensatz zu synthetischen Polymeren unterscheidet sich dieser Naturstoff durch praktisch fehlende Toxizität und hohe Biodegradibilität bei zugleich antimikrobieller Wirkung von herkömmlichen antimikrobiellen Wirkstoffen (Heisig et al. 2007). Aktuelle Forschungsergebnisse werden über zukünftige Anwendungsmöglichkeiten Aufschluss geben. Für die Wirkstoffauswahl gilt die goldene Regel der Antiseptik: Nicht das wirksamste Antiseptikum ist am geeignetsten, sondern das geeignetste Antiseptikum ist am besten. Für akute Wunden ist Octenidin, für chronische Wunden Polihexanid als Wirkstoff der ersten Wahl einzustufen. PVP-Iod ist Mittel der ersten Wahl bei akuten Bissverletzungen sowie bei Stich- und Schnittverletzungen mit HBV-, HCV- bzw. HIV-Infektionsgefährdung nach der Phase des Blutenlassens bzw. induzierten Blutens in Kombination mit Ethanol/Propan-2-Wundantiseptika:ungeeignete/obsoleteol. Erfolgskontrolle der Wundantiseptik Die Effektivität der antiseptischen Wundbehandlung muss in kurzen Intervallen klinisch beurteilt werden, ggf. ergänzt durch mikrobiologische Diagnostik, um die Anwendungsdauer auf das erforderliche Minimum zu begrenzen. Leider werden bei chronischen Wunden Antiseptika ohne Berücksichtigung des Therapieerfolgs nicht selten Wochen oder Monate angewendet, ohne die eigentliche Wundantiseptik:ErfolgskontrolleUrsache der chronischen Wunde zu behandeln. Daraus resultiert letztendlich auch bei gut verträglichen Präparaten eine verzögerte Wundheilung. 2.2.3 Hautantiseptik Wundantiseptik\"\r\"Wundantiseptik Die Hautantiseptik ist vor allen durchtrennenden Eingriffen der Haut notwendig, d. h. vor Injektion, Punktion und präoperativ sowie bei Kolonisation mit MRE. Die Wirksamkeit muss sowohl die transiente als auch die residente Hautflora erfassen. Vor der HautantiseptikDurchtrennung der Haut sind Alkohole Wirkstoff der Antiseptik:Haut\t\"Siehe Hautantiseptikersten Wahl (Assadian und Kramer 2011). Die Anwendung wässriger Präparate auf Basis von Octenidin kann bei Patienten mit krankhafter Hautveränderung, an Haut-Schleimhaut-Übergängen oder bei unreifen Neonaten notwendig sein. Bei Sanierung einer Kolonisierung mit MRE sind octenidinbasierte Antiseptika Mittel der Wahl (Hübner et al. 2009). Vor Infektion oder Punktion ist die deklarierte Einwirkungszeit in Abhängigkeit vom Hautareal (talgdrüsenarm oder -reich) zu beachten. Bei der präoperativen Hautantiseptik ist man, da der Talgdrüsenanteil regional unterschiedlich ist und der Fettgehalt der Haut individuellen Schwankungen unterliegt, auf der sicheren Seite, wenn auch auf talgdrüsenarmen Arealen die präoperative Hautantiseptik mit der Einwirkungszeit des Präparats durchgeführt wird, wie sie für die chirurgische Händedesinfektion deklariert ist. Durch Anwendung von Hautantiseptika an der Insertion von ZVK und Dialysekathetern ist eine signifikante Reduktion der Mikroflora an der Katheterinsertionsstelle erreichbar (O'Grady et al. 2002). Da in den USA und vielen europäischen Staaten zur Prophylaxe von ZVK-Infektionen entweder PVP-Iod oder Chlorhexidindiglukonat eingesetzt wird, wurden die meisten Studien zu diesem Thema mit diesen beiden Wirkstoffen durchgeführt (Assadian 2004), obwohl Octenidin in Kombination mit Alkoholen genauso effektiv ist (Dettenkofer et al. 2002). In einer prospektiven randomisierten Studie war nach Anwendung 2-prozentiger wässriger Chlorhexidinlösung oder 0,5-prozentiger alkoholischer Chlorhexidinlösung die Zentralvenenkatheter-Kolonisation signifikant geringer als nach Anwendung 10-prozentiger wässriger PVP-Iodlösung (Valles et al. 2008). 2.2.4 Antiseptische Indikationen auf Schleimhäuten, dem Auge, im Gehörgang und in Gelenken mit Hinweisen zur Wirkstoffauswahl Die Antiseptik ist generell die dominierende Maßnahme zur Reduzierung endogener Infektionen. Aufgrund dieser Erkenntnis hat sich die Studienlage in den letzten Jahren deutlich verbessert. Die nachfolgenden Indikationsempfehlungen begründen sich auf Wirksamkeitsstudien an den jeweiligen Biotopen sowie auf klinischen Studien und wurden z. T. zusätzlich aus Analogieschlüssen zu etablierten Indikationen im Bereich der Haut- und Wundantiseptik abgeleitet (Tab. 2.4 , weiterführende Literatur in Assadian und Kramer 2008). Tab. 2.4 Gewichtung prophylaktischer antiseptischer Indikationen und derzeit überwiegend eingesetzte Wirkstoffe (jeweils in Klammern aufgeführt).Phenoxyethanol, Antiseptik, MundhöhleChlorhexidin:Antiseptik, MundhöhleAntiseptik:Ohr(en)Antiseptik:MundhöhleAntiseptik:GenitaleAntiseptik:Gelenk(e)Antiseptik:Cavum nasiAntiseptik:Auge(n) Biotop Indikation Obligat Sinnvoll Hinweise auf Effektivität Mundhöhle Gingivitis- und Parodontitisprophylaxe bei Unfähigkeit zur mechanischen Zahnreinigung (Chlorhexidin); Sofortmaßnahme bei akzidenteller Kontamination (alkoholisches PVP-Iod);Sanierung von MRE-Carriern (Octenidin); Wurzelkanalantiseptik (Natriumhypochlorit); Infektionsprophylaxe bei aggressiver Krebschemotherapie und zur Prophylaxe der Bestrahlungsmukositis (Zinn- und Aminfluorid) Kariesprophylaxe in Risikogruppen (Chlorhexidin + Fluoride); vor Injektionen, z. B. bei Leitungsanästhesie (Octenidin + Phenoxyethanol); bei Beatmungspatienten (Chlorhexidin, Octenidin, Polihexanid) Endokarditisrisiko und Risiko der Knie- oder Hüftendoprotheseninfektion (Octenisept®) in Kombination mit Antibiotikaprophylaxe; vor und während zahnärztlicher Behandlung (Octenidin); prä- und postoperativ bei oralchirurgischen Eingriffen (Octenidin) Genitale Vor Katheterisierung der Harnblase; vor transurethralen und transvaginalen Eingriffen (Octenidin) Perineal vor transurethraler Katheterisierung; präpartale Vaginalantiseptik (Octenidin) Antiseptische Meatuspflege bei liegendem Dauerkatheter (Octenidin) Auge Präoperativ (PVP-Iod 1,25 %, Polihexanid), akzidentelle Kontamination (PVP-Iod 2,5 %) Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum (PVP-Iod 1,25 %) Intra-, postoperative Prophylaxe okulärer Infektionen bei epidemiologischer Risikosituation (PVP-Iod, Polihexanid) Cavum nasi Vor operativen Eingriffen einschließlich Endoskopie im Bereich der Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen; MRE-Kolonisation (Octenidin 0,05 %) S.-aureus-Kolonisation vor chirurgischen Eingriffen (Octenidin 0,05 %) Ohr Präoperativ: Ohrmuschel (alkoholbasierte Hautantisep-tika); Mittelohr (Polihexanid 0,02 % oder 1,25 % PVP-Iod) Gelenk Empyem (PVP-Iod 1 %, gründlich mit Ringer nachspülen) Die therapeutische Anwendung von Antiseptika bei klinisch manifesten Infektionen kann aus Platzgründen nicht behandelt werden, gewinnt aber als Alternative zur Anwendung von Chemotherapeutika zunehmend an Bedeutung. Für die Schleimhautantiseptik ist Octenidin vom Grundsatz her wegen der höheren und rascher einsetzenden Wirksamkeit Polihexanid und Chlorhexidin überlegen. 2.3 Vorbedingungen für und Anforderungen an Reinigung und Desinfektion Jürgen Gebel und Anke Carter Vor der Entscheidung zu einer Reinigungs-, Desinfektions- oder Sterilisationsmaßnahme steht zunächst eine Risikoanalyse, also die Frage nach den Anforderungen, die der Gegenstand nach der Aufbereitung erfüllen muss. Antiseptik\"\r\"AntiseptikVorbedingungen und Anforderungen stehen demgemäß in einem untrennbaren Zusammenhang. Entsprechend der Biozidgesetzgebung ist jeder Anwender verpflichtet, vor dem Einsatz von Bioziden eine Gefährdungsabschätzung durchzuführen. Das bedeutet, dass er feststellen muss, ob von dem Gegenstand oder der Fläche für Patienten und/oder Mitarbeiter eine mikrobielle Gefährdung ausgeht (Bundesministerium für Umwelt 2002). Kann die Gefährdung allein durch eine Reinigung abgestellt werden, ist diese ausreichend. Ansonsten muss als striktere Maßnahme z. B. die Desinfektion, evtl. mit anschließender Sterilisation, in Erwägung gezogen werden. Hauptvektoren sind bei allen personengebundenen Tätigkeiten die Hände. Sie gilt es regelmäßig und bei bestimmten Prozessen so zu behandeln, dass von ihnen keine Gefahr für eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern ausgeht. Im Allgemeinen reicht eine Händewaschung; im medizinischen Bereich ist jedoch die hygienische Händedesinfektion in Bezug auf das damit verbundene Risiko die Regel. Bei operativen Eingriffen wird eine chirurgische Händedesinfektion verlangt. Um den Schutz für das Personal und den Patienten zu erhöhen, sind in vielen Anwendungsszenarien Handschuhe (steril oder unsteril) angeordnet. Abhängig vom vorliegenden Erregerspektrum leitet sich die Auswahl des Produkts mit dem dazugehörigen Wirkspektrum ab. So wird die Maßnahme an die gegebenen Umstände angepasst. Gleiches gilt bei Gegenständen und Flächen. Das Erregerspektrum der Umgebung und der mögliche Transmissionsgrad bedingen den Grad der Maßnahme. 2.3.1 Vorbedingungen für die Reinigung Hände, Haut, Gegenstände und Flächen verschmutzen in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen und des Einsatzes mit organischen und anorganischen Materialien. Damit ist in Reinigung:VorbedingungAbhängigkeit von der weiteren Anwendung besonders in Zusammenhang mit dem Setting Krankenhaus ein Infektionsrisiko verbunden. 2.3.2 Reinigung Für die Reinigung stehen für die verschiedenen Einsatzzwecke die unterschiedlichsten Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen zur Verfügung. Im Folgenden wird ein Überblick über die jeweiligen Reinigungsverfahren gegeben. Hände: Für die Reinigung wird meist unter Zugabe Reinigung:Hände\t\"Siehe Händereinigungvon Wasser eine tensidische Seifenlösung in den Händen aufgeschäumt und Hände:Reinigung\t\"Siehe Händereinigungmittels mechanischer Scherkräfte durch Aneinanderreiben der beiden Handflächen und Händereinigungeinzelnen Finger eine Reinigung erzielt. Nach dem Einreibeprozess werden die Seifenlösung gründlich abgespült und die Hände sorgfältig getrocknet. Grundbedingungen an die Hände sind: kein Schmuck, keine Verletzungen, saubere kurze Fingernägel, gute Pflege. Haut: Vor Injektion und Punktion, aber auch vor Reinigung:Haut\t\"Siehe Hautreinigungoperativen Eingriffen muss das Hautareal gereinigt und von Körperfett befreit Haut:Reinigung\t\"Siehe Hautreinigungwerden, damit keine Partikel durch den invasiven Eingriff in die Haut Hautreinigungeingetragen werden und die präoperative Antiseptik mit alkoholhaltigen Wirkstoffen ihre volle Wirksamkeit entfalten kann. Die Reinigung kann sowohl mit tensidhaltigen Produkten als auch mit alkoholhaltigen Lösungen erfolgen. In der Regel werden zur Unterstützung der Mechanik saubere flusenfreie Tücher eingesetzt. Flächen: Im Allgemeinen wird mit „Flächen“ ein Überbegriff Reinigung:Flächen\t\"Siehe Flächenreinigungfür Oberflächen vom Fußboden bis hin zum OP-Tisch abgedeckt. Für den Flächen:Reinigung\t\"Siehe FlächenreinigungKrankenhausbereich hat sich die Unterteilung in „patientennah“ und „patientenfern“ als Flächenreinigungpraktikabel im Hinblick auf die Ableitung des Risikos für den Patienten erwiesen. Flächen im medizinischen Bereich mit häufigem Hand- und Hautkontakt sollen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Materialien gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsverfahren ausreichend beständig sein müssen. Das ist durch geeignete Tests zu bestätigen. Hierfür wird u. a. die DIN EN ISO 4628-1 (2003) herangezogen, bei der es im Wesentlichen um die Beständigkeit von Lacken und Anstrichen geht. Dabei werden die Lacke in dünner Schicht auf Anstrichträger (z. B. Glasflächen) aufgetragen und 24 Stunden bei Raumtemperatur und 14 Tage bei Normalklima (23 °C, 50 % Luftfeuchte) getrocknet. Anschließend werden unterschiedliche Reiniger oder Desinfektionsmittel aufgebracht und für die wirksamen Konzentrationen und Einwirkzeiten auf der Fläche belassen. Mittels Spektralphotometer, Reflektometer und Schichtstärkenmessgerät werden evtl. Farb- und Glanzveränderungen, Blasen- und Rissbildung, Quell- und Schrumpfverhalten sowie die Haftfestigkeit bestimmt. Ähnliche Verfahren gibt es auch für die Versiegelungen von Bodenbelägen. Doch schon bei der Auswahl zu testender Reinigungs- und Desinfektionsmittel stellt sich das Problem, welche Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen eingesetzt und welche Einsatzkonzentration und Kontaktzeit zugrunde gelegt werden sollen. Hier sollten dringend harmonisierte Testprozedere erarbeitet werden. MP: In Deutschland besteht Konsens, dass die maschinelle Reinigung aufgrund ihrer besseren Standardisierbarkeit gegenüber manuellen Reinigungsverfahren zu bevorzugen ist. Dennoch werden noch manuelle Verfahren eingesetzt. Zur Erarbeitung einer Leitlinie für die standardisierte manuelle Reinigung sowie chemische Desinfektion (im Folgenden manuelle Reinigung und Desinfektion) von MP wurde 2008 eine AG aus Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV), der DGKH und des Arbeitskreises für Instrumentenaufbereitung (AKI) gebildet. Basierend auf den Ergebnissen bei der Erarbeitung der Leitlinie von DGKH, DGSV und AKI für die Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und thermischer Desinfektionsprozesse für MP und zu Grundsätzen der Geräteauswahl erfolgen die Arbeiten in der Gruppe mit folgenden Zielstellungen: • Erarbeitung von Arbeitsabläufen für die Teilschritte der manuellen Reinigung und Desinfektion wie Vorreinigung, Reinigung, Zwischenspülung, Desinfektion. Nachspülung und Trocknung, • Erarbeitung von Musterflussdiagrammen für die Kombination einzelner standardisierter Teilschritte der manuellen Aufbereitung in Abhängigkeit von Design und Klassifizierung der MP, • Erarbeitung von Methoden zur Überprüfung der eingesetzten Verfahren der Reinigung und Desinfektion sowie zur Feststellung von Chemikalienresten nach manueller Reinigung und chemischer Desinfektion. Bei der manuellen Reinigung und Desinfektion sind u. a. Wasserqualität, Reinigungs-, Desinfektionsmittel, Beschaffenheit der MP, Kontaminationsgrad der Instrumente und verwendete Hilfsmittel (Bürsten, Wasser- und Druckluftpistolen, Ultraschallbad) zu beachten. Angesprochen wird in der Leitlinie auch der Umgang mit MP „Kritisch B“. Nach RKI/BfArM-Empfehlung sind diese maschinell zu reinigen und thermisch zu desinfizieren. Diesem Grundsatz wird auch bei der Erstellung der Leitlinie gefolgt. Lediglich in begründeten Ausnahmen und nach durchgeführter Analyse und Bewertung des Risikos sind die manuelle Reinigung und chemische Desinfektion eine mögliche Option. Ein nicht beschafftes RDG ist für die AG kein Grund, auf manuelle/chemische Verfahren auszuweichen. Werden MP mit einem standardisierten Verfahren behandelt, sind sämtliche manuellen Teilschritte zu dokumentieren; ebenso soll der Erfolg überprüft werden. An Verfahren zur Überprüfung der Qualität der Reinigung und Desinfektion wird zurzeit innerhalb der Leitliniengruppe gearbeitet. Die AG plant, die Leitlinie 2011 zu veröffentlichen (DGKH, DGSV, AKI 2009). 2.3.3 Überprüfung der Reinigung Reinigung:Medizinprodukt(e)\"\r\"MPReinZur Überprüfung der Reinigung werden i. d. R. Reinigung\"\r\"ReinigungBioindikatoren herangezogen, die die Qualität der Aufbereitung nach dem Reinigungsprozess entweder visuell oder mittels Reinigung:ÜberprüfungProteinbestimmung belegen. Da eine visuelle Kontrolle erheblichen subjektiven Einflüssen unterliegt, wird derzeit in Arbeitsgruppen von DGKH, DGSV und AKI an der Optimierung quantitativer Nachweisverfahren gearbeitet. Dabei wird zurzeit die OPA-Proteinbestimmung favorisiert (DGKH, DGSV, AKI 2009). 2.3.4 Mikrobiologische Anforderungen an Hände-, Flächen-, Instrumenten- und Wäschedesinfektionsmittel Die Anforderungen ergeben sich durch die Anwendungsgebiete. Diese werden entsprechend den normativen Vorgaben des CEN Technical Committee 216 „Chemical disinfectants and antiseptics” (CEN 2007) in den human- und veterinärmedizinischen Bereich sowie den Bereich Lebensmittel, Industrie, Haushalt und öffentliche Einrichtungen eingeteilt. Die Desinfektion dient dem Schutz von Patienten, Personal oder anderen Personen, die mit Krankheitserregern in Kontakt kommen. Einsatzgebiete sind Flächen, Räume oder Situationen, für die die Desinfektionsmittel konzipiert sind. Es handelt sich v. a. um Bereiche, die mit der Behandlung von Patienten befasst sind, aber auch um Akupunkturstudios, Einrichtungen für Podologie, Wäschereien und Patientenküchen. Außerdem gibt es Bedarf zur Intervention im Fall von gehäuftem Auftreten (Ausbrüchen) spezieller Infektionskrankheiten in Schulen, Kindergärten, Altenheimen, Schwesternwohnheimen u. a. Orten des Gesundheitsdiensts wie auch am Arbeitsplatz und/oder im häuslichen Umfeld. Andere Anwendungsgebiete sind Dienstleistungsunternehmen wie Friseure, Maniküre, Pediküre, Piercing- und Tattoo-Studios. Die Anwendung von Desinfektionsmitteln im medizinischen Bereich beinhaltet die Behandlung von Händen, Haut, Flächen (Oberflächen), Instrumenten und Wäsche. Die hygienische Händedesinfektionsmittel:WirkungsspektumHändedesinfektion muss auf jeden Fall vegetative Bakterien und C. albicans umfassen. Gleichzeitig wird eine Wirksamkeit gegen behüllte Viren empfohlen. Gegebenenfalls ist eine umfassende virozide Wirksamkeit erforderlich. Das Wirkungsspektrum zur Hautdesinfektionsmittel, WirkungsspektrumHautantiseptik muss in jedem Fall vegetative Bakterien und Hefen umfassen. Zusätzlich ist die Entfernung der oberflächlichen Hautlipide und lipophiler Anschmutzungen erwünscht. Das Wirkungsspektrum zur Flächendesinfektionsmittel:WirkungsspektrumFlächendesinfektion muss in jedem Fall vegetative Bakterien und Hefen umfassen. Je nach vorliegender Erkrankung müssen zusätzliche Krankheitserreger wie M. tuberculosis, Pilzsporen, Sporen von C. difficile, Noro-, Adeno- oder Papillomviren sicher inaktiviert werden. Die Gebrauchslösung für Instrumentendesinfektionsmittel soll eine effiziente Desinfektions- und Reinigungswirkung sowohl auf Oberflächen als auch in Lumina besitzen. Letzteres ist erforderlich, um die Kontamination zu entfernen und die darin enthaltenen Mikroorganismen für das Desinfektionsmittel zugänglich zu machen. Instrumentendesinfektionsmittel:WirkungsspektrumInstrumentendesinfektionsmittel müssen bakterizid i. d. R. einschließlich Wirksamkeit gegen Mykobakterien (Bansemir et al. 1996, Gebel et al. 2000) und H. pylori (Cronmiller, Nelson et al. 1999), fungizid und virozid wirksam sein. Ferner soIlen Instrumentendesinfektionsmittel für den Benutzer ungiftig sein und empfindliche Bestandteile der Instrumente nicht beschädigen. Das erforderliche Wirkungsspektrum zur Wäschedesinfektionsmittel:WirkungsspektrumWäschedesinfektion muss Bakterien, ggf. einschließlich Mykobakterien, Dermatophyten, Sprosspilze und Viren (begrenzt virozid) umfassen. Bei wahrscheinlicher oder bekannter Kontamination durch besonders resistente Krankheitserreger ist die erregergezielte Auswahl zu beachten (RKI 1995). Materialien, die nicht gewaschen werden können, müssen mit Wasserdampf, Formaldehyddampf oder mittels chemischer Desinfektion/Reinigung desinfiziert werden. Nach den deutschen Regularien (RKI 1995, HVBG 1997) wird die Wäsche in 3 Gruppen unterteilt: • Extrem gefährliche infektiöse Wäsche z. B. und von Patienten, die an Wäsche:UnterteilungPocken oder hämorrhagischem Fieber leiden. Sie muss innerhalb der Stationen desinfiziert und darf erst danach zusammen mit der potenziell Wäsche:extrem infektiöseinfektiösen Wäsche gewaschen werden. • Infektiöse Wäsche stammt von Infektionsstationen, mikrobiologischen Laboratorien und aus der Pathologie und muss mit Methoden und Verfahren gemäß der RKI-Liste (RKI 2007) desinfiziert werden. Wäsche:infektiöseTextilien und Waschwasser müssen vor dem ersten Ablassen des Wassers desinfiziert werden (Alexander et al. 1995, RKI 2000). • Jede andere Wäsche muss als potenziell infektiös mit einem Wasch- und Desinfektionsmittel in einem Durchgang gewaschen werden.Wäsche:extrem infektiöse Händedesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVorauss Flächendesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVorauss 2.3.5 Desinfektionsmitteltestung Instrumentendesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVorauss Die Evaluation und Listung von Desinfektionsmitteltestung:VerantwortlichkeitenDesinfektionsmitteln und -prozessen wird von nationalen Institutionen vertreten. In Deutschland sind das im humanmedizinischen Wäschedesinfektionsmittel:Voraussetzungen\"\r\"ReinmittVoraussBereich der VAH (2006), bis 2004 die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Medizin (DGHM-DMK 2004), das RKI (2007) sowie die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV; DVV/RKI 2008). Weitere europäische Länder sowie die USA haben eigene Prüfsysteme installiert. Hierzu zählen u. a. die Société Française d'Hygiène Hospitalière (SFHH 2006), die Association of Official Analytical Chemists (AOAC 2002), das British Standards Institute (BSI 1991), die Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP 2005) und das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic 2006). Darüber hinaus werden auf europäischer Ebene Standardmethoden zur Wirksamkeitsprüfung von Desinfektionsmitteln verabschiedet. Diese Normen werden in diversen technischen Komitees der europäischen Normierungsinstitution Comité Européen de Normalisation (CEN) in Zusammenarbeit mit den nationalen Institutionen erstellt und anschließend in nationale harmonisierte Normen überführt (z. B. DIN-EN). Die Normen beinhalten spezielle Anforderungen an das Produkt, die Verfahrensweise, an Institutionen und Personen. Obwohl die Normen rechtlich nicht bindend sind, müssen Hersteller von Desinfektionsmitteln, die von diesen Normen ganz oder teilweise abweichen, nachweisen, dass ihre Produkte so sicher sind, wie wenn sie nach den für sie zutreffenden Normen getestet worden wären. 1990 wurde vom CEN das Technical Committee (TC) 216 zur Standardisierung der Testmethoden für die Wirksamkeitsprüfung chemischer Desinfektionsmittel und Antiseptika eingerichtet. Es untergliedert sich in drei Arbeitsgruppen für „Humanmedizin“ (WG1), „Veterinärmedizin“ (WG2) und „Lebensmittelbereich“ (WG3). Gespiegelt werden diese drei Arbeitsgruppen in den nationalen Normungsgremien, z. B. in Deutschland im DIN. Übergeordnet wurde eine horizontale Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Normungsarbeiten der einzelnen Arbeitsgruppen harmonisieren soll. Neben den Basistests wurde von dieser Normenarbeitsgruppe auch der Leitfaden für die Anwendung europäischer Normen (prEN 14885; CEN 2007) erarbeitet. Die zentralen Entscheidungen für diesen Bereich werden im übergeordneten TC 216 getroffen. Das CEN-CEN-TestprogrammTestprogramm für chemische Desinfektionsmittel:CEN-Testprogramm Antiseptika:CEN-TestprogrammDesinfektionsmittel und Antiseptika beinhaltet drei Phasen: • den qualitativen Suspensionsversuch (Phase 1) zur Abschätzung der bakteriziden/bakteriostatischen bzw. fungiziden/fungistatischen Wirksamkeit mit Vortestung zur Ermittlung der Neutralisierung, • Tests unter praxisnahen Bedingungen (Phase 2) in Form des quantitativen Suspensionsversuchs mit praxisnaher Belastung (Phase 2/Stufe 1) und Tests mit kontaminierten Keimträgern im Labormaßstab (Phase 2/Stufe 2), • Feldversuche unter praktischen Bedingungen (Phase 3). Mit den qualitativen Tests wird die Beziehung zwischen wirksamen Desinfektionsmittelkonzentrationen und Einwirkzeiten für verschiedene Mikroorganismen untersucht. Zusammengefasst erlauben die In-vitro-Tests von Phase 1 und Phase 2/Stufe 1 Aussagen hinsichtlich der mikrobioziden Wirksamkeit bei verschiedenen Konzentrationen, Einwirkzeiten und Temperaturen. Die Absterbekinetik, die sich nur in quantitativen Tests errechnen lässt, wird zusätzlich mit organischer Belastung, z. B. Protein oder Blut, bestimmt. Die Ergebnisse dieser Tests allein reichen jedoch nicht aus, um ausreichende Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit der Produkte unter praktischen Bedingungen zu machen. Vielmehr bestimmen diese Tests die Bedingungen für weitere Versuche. Erst mittels dieser Tests unter praxisnahen Bedingungen (Phase 2/Stufe 2) lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, ob die Produkte in der Praxis ausreichend wirksam sind. In Deutschland werden sowohl die harmonisierten Normen als auch die vom VAH weitergeführten „Standardmethoden der DGHM zur Prüfung chemischer Desinfektionsverfahren“ (Gebel et al. 2001) als Prüfverfahren angewendet. Bei den Standardmethoden handelt es sich um eine Zusammenstellung der derzeit gültigen Testmethoden für die Wirksamkeitsprüfung von Desinfektionsmitteln in den Bereichen Hände/Desinfektionsmitteltestung:StandardmethodenHaut (Antiseptik), Flächen, Instrumente und Wäsche. Sie beinhalten Anweisungen für die Stammhaltung der Testorganismen, die Herstellung der Prüfsuspensionen (suspendierte Testorganismen), Desinfektionsmittellösungen usw. In diese Standardmethoden sind die harmonisierten Normen weitgehend integriert. Darüber hinaus existieren spezifische Prüfverfahren, z. B. die Prüfung zur Fungizidie auf rohem Holz. In dem Anforderungskatalog für die Aufnahme chemischer Desinfektionsverfahren in die Desinfektionsmittelliste des VAH (DGHM 2002) werden die Anforderungen an die Prüfverfahren aufgelistet. Die Verwendung VAH-gelisteter Präparate erfüllt die Qualitätssicherungsanforderungen der Hygieneverordnungen der Länder. Die Umsetzung der europäischen Biozidrichtlinie erfordert auch die Desinfektionsmittelliste(n):VAHWirksamkeitsdarstellung der einzelnen bioziden Substanzen. Derzeit erarbeitet eine Arbeitsgruppe eine Guideline, die die Anforderungen festlegt. Momentan werden die EN-Standards als Maßstab gesetzt, sofern sie die Anwendungsbedingungen erfassen. Sofern keine geeigneten Testverfahren verfügbar sind, können auch andere Verfahren – z. B. OECD-Testverfahren oder nationale Richtlinien – herangezogen werden. Grundsätze: Für die Desinfektionsmittelprüfung liegt eine Vielzahl von Prüfmethoden vor, die zwar nicht alle Anwendungsfälle der Praxis abbilden kann, jedoch standardisierte Bedingungen gewährleistet, Desinfektionsmitteltestung:Grundsätzesodass ein objektiver Vergleich verschiedener Präparate möglich ist. Die Anforderungen der Prüfmethoden werden erfüllt, wenn die geforderte Reduktion im Vergleich mit der Ausgangskonzentration der Testorganismen erreicht wird. Dabei werden die Koloniezahlen als Logarithmen angegeben. Anzumerken ist, dass eine Reduktion der Testorganismen um eine Zehnerpotenz bedeutet, dass bei einer Ausgangskonzentration von 107 eine Inaktivierung von 1.000.000 Testorganismen, bei 105 jedoch nur eine Inaktivierung von 10.000 Testorganismen erfolgt. Wirkungsbeeinflussende Faktoren: Die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln wird vom Krankheitserreger selbst (Spicher und Peters 1976, Russell et al. 1986, Kaulfers 1995, McDonnell und Russell 1999) und von deren Menge,Desinfektionsmittel:wirkungsbeeinflussende Faktoren Umgebungsfaktoren (organische Belastung wie Blut, Sputum usw., Vorhandensein protektiver bzw. interagierender Substanzen, Temperatur, pH-Wert, Luftfeuchtigkeit; Spicher und Peters 1981, 1995), Einbettung in Biofilme (Exner et al. 1987, Donlan 2001), dem kontaminierten Objekt und der Anwendungsmethode beeinflusst (Spicher 1996). In den Prüfmethoden wird dem durch das Hinzufügen verschiedener Belastungssubstanzen Rechnung getragen. Testorganismen: Da die Resistenz der Mikroorganismen stark von der Art der Vorkultur abhängt, ist es wesentlich, dass diese festgelegt ist und eingehalten wird. Gleiches gilt Desinfektionsmitteltestung:Testorganismenfür die Stammhaltung. Die in den Methodenbeschreibungen der nationalen Fachgesellschaften vorgegebenen Verfahrensweisen beziehen sich auf DIN EN 12353 (CEN 2007). Bei der Auswahl der Bakterienspezies wurden Vertreter der grampositiven (S. aureus, E. hirae, E. faecium) wie auch der gramnegativen Spezies (P. aeruginosa, E. coli, P. mirabilis) berücksichtigt. Die Einbeziehung von C. albicans ist seit langem üblich. Da bei immunsupprimierten Patienten Schimmelpilze zunehmend eine Rolle spielen und diese i. d. R. resistenter als Hefen sind, wurde zusätzlich A. brasiliensis als weitere Prüfspezies etabliert. Zusätzlich können je nach Anforderung weitere Testorganismen einbezogen werden. Zum Nachweis der Wirksamkeit gegen Tuberkuloseerreger wird aus Sicherheitsgründen der apathogene Stamm M. terrae eingesetzt (Sonntag und Hingst 1985). Mit M. avium wurde insbesondere durch die europäische Normung eine z. T. resistentere Spezies als M. terrae mit klinischer Relevanz insbesondere bei immunsupprimierten Patienten eingeführt. Bei den Virusspezies wird deutlich, dass in der Human- und Veterinärmedizin unterschiedliche Viren als Krankheitserreger infrage kommen. Bei den DVG-Methoden ist die Trennung der Prüfung in behüllte und unbehüllte Viren seit Jahren eingeführt. Diese Betrachtungsweise wurde für die Humanmedizin erst 2004 (RKI 2004) übernommen. In der europäischen Normung ist im Bereich der Humanmedizin die Testung gegenüber Sporen noch in Bearbeitung. Da Erkrankungen durch Sporen von C. difficile deutlich zunehmen (McDonald et al. 2007) und bei diesen Erkrankungen auch Sporen von den Patienten ausgeschieden werden, ist es sinnvoll, diese in den Testmethoden zu berücksichtigen. Der Stellenwert der sporoziden Desinfektion sowohl im Lebensmittelbereich als auch in der Veterinärmedizin spiegelt sich in EN 14347 (CEN 2005) und EN 13704 (CEN 2002) wider. Die Wirksamkeit gegen Prionen kann mit den etablierten Methoden nicht geprüft werden. Ein mögliches Verfahren für eine derartige Prüfung wurde vom RKI veröffentlicht (Bertram et al. 2004). 2.3.6 Nationale Anforderungen In der VAH-VAH-ListeListe sind Verfahren für die routinemäßige und prophylaktische Desinfektion zur Verhütung von Infektionen im Krankenhaus, in der ärztlichen und zahnärztlichen Praxis, in öffentlichen Bereichen (Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten usw.) sowie anderen Bereichen, in denen Infektionen übertragen werden können, zusammengefasst. Für die Aufnahme sind Gutachten gemäß den Standardmethoden der DGHM zur Prüfung chemischer Desinfektionsmittel (Tab. 2.5 ) und den entsprechenden Anforderungen (Gebel et al. 2001, DGHM 2002) erforderlich. Tab. 2.5 Standardmethoden des VAH/der DGHM. Testorganismen Aussage Bestimmung der bakteriostatischen bzw. fungistatischen Wirkung (qualitativ) S. aureus, E. faecium, E. hirae, E. coli, P. mirabilis, P. aeruginosa, C. albicans Ermittlung der MHK und geeigneter Neutralisationsmittel Bestimmung der bakteriziden bzw. fungiziden Wirkung im qualitativen Suspensionsversuch S. aureus, E. faecium, E. hirae, E. coli, P. mirabilis, P. aeruginosa, C. albicans Ermittlung der wirksamen Konzentrations-Einwirkzeit-Relationen und Resistenzvergleich Bestimmung der bakteriziden, tuberkuloziden, mykobakteriziden bzw. fungiziden Wirkung im quantitativen Suspensionsversuch S. aureus, E. faecium, E. hirae, E. coli, P. mirabilis, P. aeruginosa,C. albicans, M. terrae 1, 2 , M. avium 2 ,A. niger3 Abgrenzung unwirksamer bzw. wirksamer Konzentrations-Einwirkzeit-Relationen und Ermittlung der Reduktion Händedesinfektion – praxisnaher Versuch auf den Händen E. coli Ermittlung der Reduktion Hautantiseptik – praxisnaher Versuch auf talgdrüsenarmer und -reicher Haut Autochthone Hautflora Flächendesinfektion – praxisnaher Versuch auf nichtporösen Oberflächen S. aureus, E. hirae, P. aeruginosaC. albicans, M. terrae 1, 2 , M. avium 2 ,A. niger 3 Flächendesinfektion – fungizide Wirkung auf unbehandeltem Holz C. albicans, T. mentagrophytes Instrumentendesinfektion – praxisnaher quantitativer Keimträgertest S. aureus, E. hirae, P. aeruginosaC. albicans, M. terrae 1, 2 , M. avium 2 ,A. brasiliensis3 Wäschedesinfektion – Einlegverfahren (praxisnah) S. aureus, E. hirae, E. coli, P. aeruginosa, C. albicans, M. terrae 1, 2 , M. avium 2 Chemothermische Wäschedesinfektion Einbadverfahren (praxisnah) < 60 °C Chemothermische Wäschedesinfektion Einbadverfahren (praxisnah)360 °C E. faecium 1 tuberkulozide Wirksamkeit (zusätzlich). 2 mykobakterizide Wirksamkeit (zusätzlich). 3 optional zusätzlich zu C. albicans. Die Desinfektionsmittelliste(n):RKIDesinfektionsmittelliste des RKI gemäß § 18 IfSG ist für behördlich angeordnete Desinfektionsmaßnahmen im Rahmen dieses Gesetzes vorgesehen. Die besonderen Anforderungen an die Prüfmethoden des RKI ergeben sich somit aus dem Anwendungszweck der Liste, d. h., dass die in dieser Liste aufgeführten Produkte eine umfassende Wirksamkeit besitzen und auch bei deutlichen Verschmutzungen noch wirksam sein müssen. Das Desinfektionsmitteltestung\"\r\"DesinfMittelTestRKI hat Methoden für die Flächen- und Robert Koch-Institut, DesinfektionsmitteltestungInstrumentendesinfektion beschrieben (RKI 1994a, b, 1995, Bräuniger et al. 1995, Peters et al. 1995, Instrumentendesinfektion:PrüfmethodenPeters und Bräuniger 1997). Der Wirkungsbereich Flächendesinfektion:Prüfmethoden, RKIA umfasst Bakterien einschließlich Mykobakterien und Pilze, der Wirkungsbereich B Viren und der Wirkungsbereich C Sporen. Die Prüfungen werden vorwiegend an Desinfektion:Wirkungsbereichebesonders resistenten Mikroorganismen wie Mykobakterien und unbehüllten Viren durchgeführt, die in geronnenes Schafblut eingebettet sind. Bei der Fläche muss das Produkt bei Einwirkzeiten von 1, 2 oder 4 Stunden eine Reduktion von mindestens 4 log10-Stufen erreichen. Instrumentendesinfektionsmittel müssen innerhalb 1 Stunde eine Reduktion um 5 log10-Stufen aufweisen. Für beide Verfahren gilt, dass das Produkt mindestens die gleiche Wirksamkeit aufweisen muss wie ein parallel mitgeführter Formaldehydstandard. Die Prüfmethode für die Wäschedesinfektion, die auch in den DGHM-Methoden aufgeführt ist, wurde im RKI entwickelt und mit einigen Modifikationen erstmalig 1998 von der Desinfektionsmittel-Kommission der Wäschedesinfektion:PrüfmethodenDGHM veröffentlicht. Vergleichende Studien im RKI haben gezeigt, dass diese Modifikationen keinen Einfluss auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse haben. Die Beurteilung chemischer und chemothermischer Waschverfahren wird vom RKI in ähnlicher Weise wie vom VAH durchgeführt. Dabei werden chemische Verfahren mittels quantitativer Suspensionsversuche gegenüber M. terrae und chemothermische Verfahren (60–70 °C) in Trommelwaschmaschinen mit durch Blut und Testorganismen kontaminierte Batistläppchen geprüft. Für beide Anwendungsbereiche umfasst das Wirkungsspektrum Bakterien einschließlich Tuberkuloseerreger. Bei Temperaturen > 60 °C wird der thermostabile E. faecium eingesetzt. Wirksame Verfahren müssen eine Reduktion der Testorganismen um 7 log10-Stufen zeigen. Zusätzlich kann der Wirkungsbereich B durch Testung des thermostabilen Parvovirus ausgelobt werden. Die Prüfung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteltestung:gegen VirenDesinfektionsmitteln gegen Viren im humanmedizinischen Bereich erfolgt entsprechend entweder der Europäischen Norm (CEN 2006) oder der DVV/RKI-Leitlinie (DVV/RKI 2008). Beide beinhalten derzeit ausschließlich Suspensionstests. Die DVV/RKI-Leitlinie ermöglicht eine differenziertere Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit gegen behüllte und unbehüllte Viren. Sie berücksichtigt außerdem ein größeres Spektrum als die Europäischen Normen, da sie weitere Testviren einbezieht. 2.3.7 Anforderungen der harmonisierten Normen in Europa (CEN) Auf europäischer Ebene wird ein Basistest als Phase-1-Test eingesetzt. Er gilt für alle Präparate und soll die grundsätzliche Fähigkeit eines Produkts bestätigen, Bakterien (EN 1040 1997), Pilze (EN 1275 1997) und Sporen (EN 14347 2005) abzutöten bzw. zu inhibieren. Als Testorganismen sind S. aureus und P. aeruginosa für die Prüfung auf Bakterizidie, C. albicans und A. brasiliensis für die Prüfung auf Fungizidie und Sporen von B. subtilis und B. cereus für die Prüfung auf Sporozidie etabliert. Bei den Bakterien wird eine Reduktion der Lebendkoloniezahl im Basistest um 5 log10-Stufen, bei C. albicans bzw. den Sporen von A. brasiliensis um 4 log10-Stufen und den Sporen von B. subtilis und B cereus um 3 log10-Stufen gefordert. Bezüglich eines Überblicks über die EN-Standards, die für alle Arbeitsgruppen im CEN TC 216 bindend sind, Tabelle 2.6 .Desinfektion:Vorbedingungen\"\r\"DesinfVorgedAnford Tab. 2.6 Verbindliche europäische Prüfnormen zu Anforderungen, Aufbewahrung der Testorganismen und Basistests für alle drei Arbeitsgruppen im CEN TC 216. Standard Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika Alle Einsatzgebiete – Allgemeines prEN 14885 Leitfaden für die Anwendung der Europäischen Normen für chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika prEN 12353 Aufbewahrung von Testorganismen für die Prüfung der bakterioziden, mykobakterioziden, sporoziden und fungiziden Wirkung Phase 1 prEN 1040 Bakteriozide Wirkung – Basistest prEN 1275 Fungizide Wirkung – Basistest EN 14347 Sporozide Wirkung – Basistest Übersicht über den derzeitigen Stand der europäischen Desinfektion:Anforderungen\"\r\"DesinfVorgedAnfordPrüfnormen im CEN TC 216 für den humanmedizinischen Bereich (WG1) Tabelle 2.7 .Reinigung:Anforderungen\"\r\"DesinfVorgedAnford Tab. 2.7 Europäischen Prüfnormen für den humanmedizinischen Bereich im CEN TC 216. Produktanwendung Phase/Stufe Flächendesinfektion geringe und hohe Belastung Instrumentendesinfektion geringe und hohe Belastung Chemothermische Wäschedesinfektion Bakterizidie 2/1 prEN 13727(Nov. 2009) prEN 13727(Nov. 2009) prEN 13727(Nov. 2009) 2/2 WI00216049(Feb. 2011) EN 14561 WI00216075(Feb. 2010) Fungizidie 2/1 prEN 13624(Jan. 2010) prEN 13624(Jan. 2010) prEN 13624(Jan. 2010) 2/2 EN 14562 EN 14562 WI00216075(Feb. 2010) Levurozidie 2/1 prEN 13624(Jan. 2010) prEN 13624(Jan. 2010) prEN 13624(Jan. 2010) 2/2 ∗ ∗ WI00216075(Feb. 2010) Mykobakterizidie/ Tuberkulozidie 2/1 EN 14348 EN 14348 EN 14348 2/2 ∗ EN 14563 WI00216075(Feb. 2010) Virozidie 2/1 prEN 14476(Dez. 2009) prEN 14476(Dez. 2009) ∗ 2/2 WI00216070(Nov. 2009) WI00216070(Nov. 2009) ∗ Sporozidie 2/1 WI00216068(Apr. 2010) WI00216068(Apr. 2010) ∗ 2/2 ∗ WI00216069(noch kein Entwurf) ∗ ∗ Derzeit noch keine Normvorlage erarbeitet. 2.4 Desinfektion unbelebter Materialien Walter Koller, Manfred Rotter und Miranda Suchomel 2.4.1 Definition der Desinfektion Desinfektion ist die gezielte Reduktion eines definierten Anteils bestimmter unerwünschter Mikroorganismen durch chemische oder physikalische Inaktivierung, sodass sie unter den gegebenen Umständen keine Schäden (Infektion, Verderbnis) verursachen können. Etymologisch bedeutet „Desinfektion“ die Entfernung einer Infektion, was nach heutiger Auffassung eher für die antimikrobielle Chemotherapie als für die Desinfektion:DefinitionDesinfektion jetzigen Sprachgebrauchs zutrifft. Vielmehr versteht man unter Desinfektion eine gezielte Maßnahme, um Mikroorganismen unschädlich zu machen und damit den Gegenstand, auf oder in dem sie sich befinden, in einen Zustand zu versetzen, dass er nicht mehr infizieren kann. Nach Reber (1973) ist Desinfektion die gezielte Eliminierung bestimmter unerwünschter Mikroorganismen mit dem Zweck, deren Übertragung durch Eingriffe in deren Struktur oder Stoffwechsel unabhängig von ihrem Funktionszustand zu verhindern, oder kürzer: „Desinfektion ist gezielte Entkeimung.“ Diese Definition berücksichtigt, dass Desinfektionsmaßnahmen gezielt durchzuführen sind und den gegebenen Umständen, also dem Desinfektionsgut und dem Zielobjekt (vegetative Formen, Bakteriensporen, Viren), adäquat sein müssen. Von einem Desinfektionsverfahren verlangt man allerdings nicht, dass es alle Individuen unerwünschter Mikroorganismen inaktiviert. Das Wort „Keim“ stand früher für die heutigen Begriffe „Mikrobe“ oder „Mikroorganismus“ und findet sich noch in zahlreichen Fachausdrücken wie „Keimzahl“, „Keimtötung“, „Luftkeime“ usw. 2.4.2 Physikalische Desinfektionsverfahren Grundsätzlich unterscheidet man zwischen physikalischen und chemischen Desinfektionsverfahren. Als physikalische Verfahren werden Filtration, Hitze-, Plasma- und Strahleneinwirkung verwendet. Thermische Desinfektionsverfahren Bei der thermischen Desinfektion muss in einer bestimmten Zeiteinheit eine zur Inaktivierung ausreichende Wärmemenge auf die Mikroorganismen übergehen. Außer direkter Flammeneinwirkung beim Ausglühen kommen nur Heißwasser, Wasserdampf und Luft als Wärmeträger in Frage. Die Wärmekapazität (spezifische Wärme) von Wasserdampf ist weitaus größer als die von Luft. Feuchte Hitze ist das für die Desinfektion bevorzugte Prinzip, angewandt als Wasserdampf oder Heißwasser. Mikroorganismen werden aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegen Hitze in 4 Resistenzgruppen (R) eingeteilt: • R1: Abtötung durch strömenden Wasserdampf in 1–2 Minuten: Mikroorganismen:Hitzeresistenznicht sporenbildende Bakterien, vegetative Form der Sporenbildner, Pilze und ihre Sporen, Viren, Protozoen, Würmer und ihre Eier, Arthropoden aller Entwicklungsstadien, • R2: Abtötung durch strömenden Wasserdampf in 10 Minuten: Bazillensporen geringer Thermoresistenz, z. B. von B. anthracis, und Kultursporen aerober Erdbazillen, • R3: Abtötung durch strömenden Wasserdampf nach mehreren Stunden: native Erdsporen, z. B. C. tetani und C. botulinum, • R4: Abtötung nur durch gespannten Wasserdampf, z. B. 135 °C > 20 Minuten: Pathogene dieser Resistenzstufe sind Prionen und höchst thermoresistente thermophile Bakterien, wobei letztere keine medizinische Bedeutung haben. In der Liste des RKI (2007) der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren für Entseuchungen gemäß § 10c IfSG werden die Wirkungsbereiche der Verfahren durch Buchstaben gekennzeichnet (Tab. 2.8 ). Bei der Anwendung von Hitze zur Desinfektion ist zu beachten, dass die Wärmeenergie an die Mikroorganismen herankommen muss. Diese können durch Einschluss in Schmutzpartikel (z. B. Ausscheidungen, Blut, Erde) vor der Wärmeeinwirkung für kürzere oder längere Zeit geschützt sein. Dieser Schutzmechanismus kann insbesondere durch Koagulation von umgebenden Eiweißen zum Tragen kommen. Tab. 2.8 Wirkparameter und Wirkungsbereiche thermischer Desinfektionsverfahren (in Anlehnung an die RKI-Liste 2007).Wäschedesinfektion:WaschmaschinenVerbrennenKochen:mit WasserHeißwasserdesinfektionDampf-Vakuum-VerfahrenDampfströmungsverfahren Verfahren∗ Temperatur(°C) Einwirkung(min) Wirkungs-bereich∗ Verbrennen ABCD Kochen mit Wasser 100 3 AB 15 ABC Reinigungsgeräte mit Heißwasserdesinfektion 93 10 AB Wäschedesinfektion in Waschmaschinenmit Heißwasser 85 15 AB 90 10 AB Dampfströmungsverfahren 100 5 AB 15 ABC Fraktionierte Dampf-Vakuum-Verfahrenmit Sattdampf 75 20 AB 80 10 AB 95 5 AB 105 1 AB 5 ABC ∗ A: Abtötung vegetativer Bakterien einschließlich Mykobakterien sowie von Pilzen einschließlich Pilzsporen, B: Inaktivierung von Viren, C: Abtötung von Sporen des Erregers des Milzbrands, D: Abtötung von Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf Als thermische Desinfektionsmaßnahmen dominieren Pasteurisieren, Auskochen, Einwirkung von Heißwasser, Dampfdesinfektion, Verbrennen und Ausglühen. • Pasteurisieren ist die kurzzeitige, schonende Erhitzung von Flüssigkeiten zur Inaktivierung von vegetativen Bakterien und Pilzen als Langzeitpasteurisierung (z. B. 30 Minuten bei 62–65 °C), PasteurisierenKurzzeitpasteurisierung (ca. 40 Sekunden bei 71–74 °C), Hocherhitzung (10–15 Sekunden bei 85 °C) und Ultrahocherhitzung (< 1 Sekunde bei 135–150 °C). • Auskochen ist eine robuste, aber problematische Desinfektionsmethode, denn sie birgt wie die anderen thermischen Desinfektionsmethoden das Risiko, dass von eiweißhaltigen Substraten eingehüllte AuskochenErreger (z. B. HBV!) durch Hitzekoagulation des Eiweißes vor der Wirkung der Hitze geschützt werden. Das lässt sich durch alkalische Zusätze zum Wasser (1–2 % Soda oder bestimmte Waschmittel; vgl. Thermodesinfektion von Textilien!) weitgehend hintanhalten. Wenn immer möglich, soll nur gereinigtes Gut desinfiziert werden! Auskochen bewirkt keine Sterilisation! • Heißwasser mit Temperaturen zwischen 80 und 95 °C findet zur Desinfektion z. B. in maschinellen Dekontaminationsverfahren für Geschirr und Instrumente sowie bei der thermischen HeißwasserdesinfektionWäschedesinfektion Verwendung. • Die Dampfdesinfektion macht sich das bessere Eindringen des Dampfes in poröses Desinfektionsgut und die größere Wärmeabgabe des Dampfes zunutze. Entsprechend dem Dampfdruck arbeiten die Verfahren mit Dampfdesinfektionunterschiedlichen Temperaturen. Im strömenden Wasserdampf, z. B. im Koch-Dampftopf, erreicht man Temperaturen von maximal 100 °C (abhängig vom äußeren Luftdruck). Moderne Dampfdesinfektionsgeräte arbeiten bei leichtem Überdruck mit Temperaturen von etwa 105 °C. • Für empfindliches Desinfektionsgut (Pelze, Leder, Bücher) wird im Allgemeinen das Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren (VDV) mit Temperaturen um 60–70 °C angewandt, wobei entsprechend dem geringeren Dampfdruck des Wassers in der Desinfektionskammer subatmosphärischer Druck (–0,6 Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahrenbar bei 75 °C) herrscht. Die Kombination von Dampf mit chemischen Desinfektionsmitteln (z. B. Formaldehyd) verbessert die Wirkung. • Verbrennen ist eine sichere Desinfektionsmethode, sofern das Desinfektionsgut zur Gänze zerstört wird. Es genügt nicht, dass bei der Verbrennung der Kadaver infizierter Versuchstiere nur die Verbrennenäußeren Schichten verbrannt werden. Auch im Krankenhaus anfallende Verbände, Einmalröhrchen mit Blutresten oder Bakterienkulturen müssen in speziellen Verbrennungs- oder Pyrolyseanlagen vollständig verascht werden. • Durch Ausglühen können einfache Metallinstrumente wie Platinösen oder Spatel desinfiziert werden. • Abflammen stellt insbesondere dann, wenn der Ausglühenabgeflammte Gegenstand die Hitze rasch ableitet (Metall), keine verlässliche Desinfektionsmethode dar.Abflammen Aktinische Desinfektionsverfahren Desinfektionsverfahren:thermische\"\r\"DesinfVerftherm Ionisierende Strahlen (γ- und β-Strahlen) ionisierende Strahlen, Desinfektionwerden zur Sterilisation medizinischer Einmalartikel verwendet. Die Verfahren sind sicher wirksam, aber wegen der nötigen Schutzvorrichtung aufwändig. Die Einwirkung derartiger Strahlen kann das Sterilisationsgut verändern, sodass Vorprüfungen vor dem Routineeinsatz nötig sind. Zur Verminderung der Erregerzahl können auch UV-Strahlen der Wellenlänge zwischen 240 Desinfektionsverfahren:aktinischeund 280 nm (Wirkungsoptimum zwischen 250 und 265 nm) herangezogen werden. Sie wirken durch Energieeinbringung (Lichtquanten) in die DNA der UV-Strahlen:DesinfektionMikroorganismen. UV-Strahlen besitzen kein Durchdringungsvermögen für feste Stoffe, wohl aber für Luft und Flüssigkeiten, in denen allerdings ihre Wirkung durch Partikel und gelöste Stoffe gehemmt werden kann. Die Desinfektion durch UV-Strahlen wird meist für Trinkwasser angewandt. Als UV-Strahlenquelle für die Wasserdesinfektion haben sich kalte Quecksilberdampf-Niederdruckstrahler gegenüber Hochdruckstrahlern wegen der besseren Strahlungsleistung und längeren Lebensdauer durchgesetzt. Wird destilliertes Wasser verwendet, ist die UV-Absorption sehr gering. Das kann aber bei UV-Bestrahlung von Leitungswasser anders sein, da selbst schwebstofffreie Wässer durch gelöste Stoffe eine ins Gewicht fallende Absorption der UV-Strahlen besitzen können. Es ist also stets vor Anschaffung einer UV-Wasserdesinfektionsanlage die UV-Durchlässigkeit des zur Verfügung stehenden Wassers zu prüfen. Die Wirkung physikalischer Desinfektionsverfahren, vor allem thermischer, ist sicherer als die chemischer Verfahren.Desinfektionsverfahren:physikalische\"\r\"DesinfVerfphysik 2.4.3 Chemische Desinfektionsverfahren Anwendung Die meisten Desinfektionsmittel werden als Lösung, manche als Gas angewandt. Anwendungsformen chemischer Desinfektionsverfahren sind Tauchbad, Wisch-, Einreibe- und Sprühverfahren sowie Begasung. • Eine typische Anwendungsart ist das Tauchbad, das früher die Instrumentendesinfektion dominierte. Der Desinfektionseffekt kann bei diesem Verfahren partiell ausbleiben, wenn nicht alle Flächen des Desinfektionsguts von der TauchbadWirkstofflösung benetzt werden (unvollständiges Eintauchen, Luftblasen, hohe Grenzflächenspannung) oder Blut- und Eiweißreste durch Koagulation den Desinfektionseffekt beeinträchtigen bzw. verhindern. Eine besondere Herausforderung ist die Desinfektion englumiger Hohlkörper, wie z. B. Spül- und Manipulationskanäle von Endoskopen. Diese müssen aktiv mit Desinfektionslösung durchspült werden.Da der Desinfektionseffekt mit zunehmender Verschmutzung abnimmt, müssen Tauchbäder regelmäßig erneuert werden. Die Tauchbaddesinfektion ist nicht nur wegen fehlender Standardisierbarkeit, sondern auch wegen der Gefährdung des ausführenden Personals abzulehnen. • Die Wischdesinfektion wird an Flächen angewandt. Da der mechanische Effekt für den Desinfektionserfolg eine wichtige Rolle spielt, ist diese Anwendungsform der Sprühdesinfektion Wischdesinfektionvorzuziehen. Letztere führt zugleich zu einer höheren Belastung der Atemluft mit Desinfektionsmittel und kann bei manchen Wirkstoffen (z. B. Alkohole) Verpuffungs- oder SprühdesinfektionBrandgefahr bedeuten. • Einreibeverfahren werden bei der Händedesinfektion angewandt. • Die Desinfektion durch Begasen mit Alkohol- oder Desinfektion:EinreibeverfahrenPersäuredämpfen, Formaldehyd-, Ethylenoxidgas oder H2O2-Plasma kann nicht als „sichere“ Anwendungsform betrachtet werden. Der Desinfektionseffekt tritt nur unter Begasenschwer kontrollierbaren Bedingungen ein, die nur durch besondere Einrichtungen (Desinfektionskammern) und spezielle Steuereinrichtungen hergestellt werden können. Außerdem muss diese Form der Desinfektion von besonders geschultem Personal durchgeführt werden. Wirkstoffe Kapitel 2.7. Phenole Phenol (Carbolsäure) wurde bereits 1867 von Lister zur Antiseptik benutzt. Heute haben nur noch seine Derivate Phenol(e)Bedeutung für die Desinfektion, weil die Substitution von H-Atomen zur Carbolsäure\t\"Siehe Phenol(e)Steigerung des antimikrobiellen Effekts bei reduzierter Toxizität führt. Zusatz von anionischen Detergenzien kann die Wasserlöslichkeit steigern (Kresolseife = „Lysol“). Im sauren Bereich sind Phenole aktiver als im alkalischen. Organische Substanzen wie Serum, Milch, Öle und Seifen reduzieren die Wirkung. Das antimikrobielle Wirkungsspektrum umschließt Pilze und Bakterien, wobei Mykobakterien erst durch höhere Konzentrationen erfasst werden. Phenole entfalten keine sporozide Wirkung. Typisches Anwendungsgebiet der Phenol(e):AnwendungsgebietPhenole ist die Flächendesinfektion. Die für die Händedesinfektion erhältlichen einkernigen Phenolpräparate müssen heute als zu wenig wirksam angesehen werden. Als Zusatz zu alkoholischen Präparaten können sie jedoch die Wirkung steigern. Für die Instrumentendesinfektion stehen heute aktivere Wirkstoffe zur Verfügung. Die Wäschedesinfektion wird schon aus verfahrenstechnischen Gründen besser thermisch oder chemothermisch als mit Kresolen durchgeführt. Triclosan wird immer noch in Detergenzien zur Händedesinfektion ausgelobt. Sowohl für die hygienische als auch für die chirurgische Händedesinfektion sind diese Seifen zu wenig wirksam. Allerdings können manche für eine „desinfizierende Händewaschung“ (früher „Händedekontamination“) verwendet werden, wenn sie – entsprechend den europäischen Prüfnormen (CEN) geprüft – besser als Seife ohne antimikrobiellen Zusatz wirken. Alkohole Die mikrobiozide Wirkung, die man auf Proteindenaturierung zurückführt, nimmt mit der Kettenlänge zu. Daneben gilt: n-primäre Alkohole sind wirksamer als isoprimäre und diese wirksamer als sekundäre und tertiäre. Als Rangordnung nach steigender Wirksamkeit ergibt sich also Methanol < Ethanol < Isopropanol < n-Propanol. Die Wirkung der letzteren drei für die Desinfektion verwendeten Alkohole ist vergleichbar bei folgenden Alkohol(e):WirksamkeitKonzentrationen (v/v %): Ethanol 77 % – Isopropanol 60 % – n-Propanol 42 %. Um Irrtümer zu vermeiden, sollten Konzentrationen von Alkoholen zur Desinfektion in Volumenprozent angegeben werden. Bei Ethanol entsprechen einander folgende Konzentrationsangaben (Masseprozent/Volumenprozent): 60/67,5; 62/70; 70/76,5; 73/80; 80/85; 85/90; 90/93; 92/95. In jedem Verhältnis mit Wasser mischbar sind neben Methanol und Ethanol die Alkohole der Propylreihe. Ohne Anwesenheit von etwas Wasser sind Alkohole schlechter wirksam. Für die Desinfektion trockener Objekte sollen sie also nicht konzentriert verwendet werden. Bei Verdünnung mit Wasser werden sie ab einem gewissen kritischen Mischungsverhältnis allerdings sehr schnell unwirksam. So unterbricht das Spülen einer mit Alkohol benetzten Hand sofort die Wirkung. Anwesenheit von organischem Material beeinträchtigt die Wirkung dagegen nur wenig. Das mikrobiozide Wirkungsspektrum erstreckt sich auf Bakterien, Pilze und teilweise auf Viren. Alkohole sind ohne Effekt gegen Bakteriensporen, können solche sogar enthalten und müssen deshalb für die Verwendung zur chirurgischen Händedesinfektion und zur Hautantiseptik sporenfrei gemacht werden. Wegen der fehlenden Sporozidie dürfen sterile Instrumente nicht in Alkohol aufbewahrt werden! Alkohole gehören zu den am schnellsten wirkenden Desinfektionsmitteln. Das Desinfektionsgut muss aber während der gesamten Einwirkungszeit damit nass gehalten werden, was wegen ihrer schnellen Verdunstung speziell zu beachten ist. Typische Alkohol(e):AnwendungsgebieteAnwendungsgebiete sind Händedesinfektion und Hautantiseptik. Weniger gut eignen sie sich zur Flächendesinfektion, bei der die Brand- und Explosionsgefahr zu beachten ist. Ethanol und Propanol sind keine allergisierenden Desinfektionsmittel, was angesichts ihres Haupteinsatzgebiets wichtig ist. Ohne rückfettende und hautpflegende Zusätze führen sie jedoch zu Irritationen und Trockenheit der Haut. Man verwendet daher nicht die reinen Alkohole, sondern geeignete Präparationen, die kosmetische Substanzen zur Wasserrückhaltung und Rückfettung enthalten. Aldehyde Wegen seines breiten mikrobioziden Wirkungsspektrums und der Möglichkeit, es gasförmig anzuwenden, hat Formaldehyd Alkohol(e)\""\r""Alkoholeschon früh Anwendung in der Desinfektion gefunden. Heute werden daneben auch andere Aldehyde, wie z. B. Glutaral, Bernsteinsäuredialdehyd oder Glyoxal, verwendet. Aldehyde:AnwendungsgebieteAldehyde sind besonders zur Instrumentendesinfektion, aber nur bedingt auch zur Flächendesinfektion geeignet. Sie wirken zuverlässig und materialschonend. Limitierende Faktoren sind ihre Eiweißfixierung, ihre Geruchsbelästigung, ihr langsamer Wirkungseintritt sowie toxische und allergische Risiken. Formaldehyd ist bei Zimmertemperatur ein stechend riechendes, farbloses Gas. Formalin (syn. Formol) ist eine 35- bis 40-prozentige Lösung von Formaldehyd in Wasser. Bei längerem Stehen und bei Lichteinwirkung bilden sich in der Lösung die beiden Polymere des Formaldehyds, FormalinParaformaldehyd und Trioxan. Um die Entstehung und Präzipitation dieser schwerlöslichen Stoffe zu vermeiden, wird Formalin in dunklen Flaschen aufbewahrt und mit Stabilisatoren, meist Methanol, versetzt. Die antimikrobielle Wirksamkeit von Formaldehyd beruht auf Alkylierungsprozessen an Zellprotein und Nukleinsäuren. Sie ist gut gegenüber Bakterien und den meisten Viren, weniger gut gegen Pilze. Gegenüber HBV und Formaldehyd:WirksamkeitBakteriensporen wirkt Formaldehyd nur bedingt (hohe Konzentrationen, lange Einwirkungszeit, erhöhte Temperatur). Gasförmig findet Formaldehyd Verwendung zur Desinfektion von Geräten und Utensilien (z. B. Beatmungs- und Narkosezubehör, Matratzen) sowie zur Raumdesinfektion. Diese Anwendungsform ist Formaldehyd:Anwendungsbereicheanfällig gegen Einflüsse, die seine Wirkung beeinträchtigen, und damit unsicher. Für die Raumdesinfektion, die nur noch im Rahmen der Schlussdesinfektion nach Aufenthalt von hochkontagiösen Patienten (z. B. Lassafieber, Milzbrand) durchgeführt wird, verdampft man – am besten in zeitgesteuerten Automaten – Formalin bis zu einer Konzentration von 15 g/m3 (ca. 5 g Formaldehyd/m3). Die Einwirkungszeit beträgt mindestens 6 Stunden. Danach neutralisiert man das Gas teilweise durch Verdampfen von Ammoniak, wobei sich Hexamethylentetramin bildet, das sich als pulverförmiges Präzipitat niederschlägt. Die relative Luftfeuchte muss um 80–90 %, die Raumtemperatur bei 18 °C liegen. Danach werden der Raum gelüftet und alle Oberflächen einer Scheuerdesinfektion unterzogen. Formaldehyd ist – im Allgemeinen in Kombination mit höheren Aldehyden und Quats – Bestandteil von Präparaten für die Flächen- und Instrumentendesinfektion. Für letztere ist vor allem die unverändert gute Wirkung in Anwesenheit von Blut vorteilhaft. Einzelne Wäschestücke können durch Einlegen in Formaldehydlösung während 5 Stunden (3,0 %) oder 12 Stunden (1,5 %) desinfiziert werden. Formaldehydabspaltende Substanzen wie Paraformaldehyd, Hexamethylentetramin und Hexaminiumsalze sind wegen ihrer unsicheren Wirkung für Desinfektionszwecke unbrauchbar. Formaldehyd wird ferner zur Konservierung von Immunseren und Kosmetika sowie zur Virus- und Toxininaktivierung bei der Impfstoffherstellung in Endkonzentrationen von 0,05–0,5 % eingesetzt. Formaldehyd ist ein starkes Allergen und sollte deshalb in Konzentrationen ≥ 0,3 % nicht an der Haut angewandt werden. Der MAK-Wert liegt bei 0,6 mg/m3 (= 1 ml/m3 = 0,5 ppm), der MRK-Wert bei 0,12 mg/m3. In den vergangenen Jahren wurden kanzerogene Eigenschaften aus Formaldehyd:MAK-WertTierversuchen mit hohen Formaldehydkonzentrationen in der Atemluft bekannt, was Warnungen vor seinem Gebrauch – auch als Desinfektionsmittel – nach sich zog. Bis heute sind Formaldehyd:Langzeitgefährdungaber keine Daten bekannt, die eine kanzerogene Wirkung bei Menschen belegen, die erträglichen (Reizgas!) Konzentrationen exponiert waren. Formaldehyd ist ein hinsichtlich seiner umfassenden Wirksamkeit und deren nur unbedeutender Beeinflussung durch organische Belastungen sowie seiner Wirkung in der Gasphase zumindest in infektiologischen Risikosituationen nach wie vor ein bewährter Desinfektionswirkstoff. Vor allem aufgrund der Neueinstufung von Formaldehyd durch die IARC, aber auch wegen der übrigen wenig anwenderfreundlichen Eigenschaften und vor allem wegen des Risikos der neurotoxischen Langzeitgefährdung, wie es sich vor allem aus der Existenz des Sick-Building-Syndroms ableitet, verlieren formaldehydbasierte Flächendesinfektionsmittel in Gesundheitseinrichtungen aufgrund geeigneter Alternativen zunehmend an Bedeutung (Schwebke et al. 2007). Wegen der toxischen Risiken, der lokalen Reizwirkung und der Verfügbarkeit unkritischerer Alternativen ist der Einsatz von Formaldehyd zur routinemäßigen Flächendesinfektion nicht mehr zu empfehlen. Das gilt auch für den Rettungsdienst. In besonderen Situationen und im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Infektionskrankheiten kann im Rahmen behördlicher Desinfektionsmaßnahmen eine Desinfektion mit Formaldehyd bzw. formaldehydhaltigen Desinfektionsmitteln erforderlich sein. Hierbei ist durch Arbeitsschutz- und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass der Grenzwert eingehalten und Personal sowie Dritte nicht gefährdet werden (Schwebke et al. 2007). Glutaral (Glutaraldehyd) Formaldehyd\""\r""Formaldehydwirkt besser sporozid als Formaldehyd und wird deshalb in der Instrumentendesinfektion eingesetzt. Bei alkalischem GlutaralpH (7,5–8,5) ist seine Aktivität am höchsten,Glutaraldehyd"\t""Siehe Glutaral seine Stabilität aber schlechter (Zerfall innerhalb von 2 Wochen). Die „Sterilisation“ von thermolabilen Geräten (z. B. Endoskopen) durch Einlegen in eine Glutarallösung ist ein unsiche res Verfahren, weil nicht alle Innenflächen sicher erreicht werden und das anschließend nötige Abspülen mit sterilem Wasser ein Kontaminationsrisiko birgt. Glutaral wird auch zur Flächendesinfektion eingesetzt, was allerdings häufig zur Geruchsbelästigung führt. Für Bernsteinsäuredialdehyd – zumindest in Kombination mit Formaldehyd und Tensiden – wurde zusätzlich eine virozide Wirkung gegen HBV nachgewiesen. Damit ist dieses Präparat für die BernsteinsäuredialdehydInstrumentendesinfektion prädestiniert. Glyoxal wird in Desinfektionsmitteln nur als wirkungsverstärkender Zusatz verwendet. Oberflächenaktive Verbindungen GlyoxalOberflächenaktive Stoffe (Tenside) bewirken durch Anreicherung an den Grenzflächen zwischen zwei Medien eine Senkung der oberflächenaktive Verbindungen\t\"Siehe TensideGrenzflächenspannung. Manche dieser Netzmittel sind auch antimikrobiell wirksam, sodass sie als „desinfizierende Waschmittel“ verwendet werden können. Tenside lassen sich nach ihrem Aufbau in 4 Gruppen einteilen: anionische, kationische, amphotere und nicht ionogene Tenside (Tab. 2.9 ). Antimikrobiell wirksam sind vor allem die kationenaktiven und amphoteren Substanzen. Tab. 2.9 Einteilung der Tenside.Tenside:Einteilung Tensid Wirkungspektrum Beispiele Anionisch Teilweise mikrobiostatisch und wirksam gegen manche behüllte Viren Carboxylseifen, Sulfate von Fettsäuren, Polyglykolether und Alkylolamide, Sulfonate Kationisch Mikrobiozid Quaternäre Verbindungen (Quats), aliphatische Amine und Diamine, Guanidine, Diguanidine Amphoter Mikrobiozid Alkylgycin, Alkylbetaine und Sulfobetaine Nicht ionogen Nicht mikrobiozid Substituierte Polyalkohole, Glykoletherderivate, z. B. substituierte Polyalkohole Kationische Verbindungen Quaternäre Verbindungen (Quats): Tenside:kationischeSie sind durch eine Quatspositiv geladene hydrophile Gruppe Tenside:quaternäre Verbindungen\t\"Siehe Quatsgekennzeichnet, die als Ammonium-, Sulfonium-, Phosphonium-, Iodonium- oder Arsonium-Gruppe Verbindungen, quaternäre\t\"Siehe Quatsvorhanden sein kann. Die wichtigsten sind die quaternären Ammoniumverbindungen wie Benzalkoniumchlorid, Cetylpyridiniumchlorid und Didecyldimethylammoniumchlorid. Die antimikrobielle Wirkung dieser Substanzen tritt schon in sehr niedrigen Konzentrationen auf. Sie ist zunächst wachstumshemmend (mikrobiostatisch), bei längerer Einwirkungszeit oder höheren Quats:WirksamkeitKonzentrationen mikrobiozid. Die meisten grampositiven Bakterien werden schon durch Konzentrationen von 50–100 mg/l, gramnegative erst durch mindestens 200 mg/l oder wie manche Pseudomonas- oder Enterobacteriaceae-Spezies erst durch noch viel höhere Konzentrationen abgetötet. Bei diesen kann es sogar vorkommen, dass sie sich in der Gebrauchsverdünnung vermehren. Die Desinfektionswirkung von quaternären Ammoniumverbindungen wird durch Anwesenheit von Eiweiß und anionischen Seifen stark beeinträchtigt. Auch hartes Wasser und Eisenionen führen zu Wirkungseinbußen. Alle diese Faktoren lassen Desinfektionsmittel, die als einzigen Wirkstoff nur quaternäre Ammoniumbasen enthalten, als zu unsicher für die Anwendung im Krankenhaus erscheinen. Ihr Zusatz zu anderen Wirkstoffen kann jedoch Wirkungssteigerung und -verlängerung (Nachwirkung) bewirken. Das antimikrobielle Wirkungsspektrum von Quats ist im Vergleich zu anderen Substanzen eng. Sie entfalten eine gute Aktivität gegen grampositive, eine schlechtere gegen gramnegative und – selbst in Konzentrationen von Quats:Wirkungsspektrum5–7 % – keine Wirkung gegenüber Mykobakterien und Bakteriensporen. Auch für die Abtötung von Pilzen werden hohe Konzentrationen (2–5 %) benötigt. Aliphatische Amine und Diamine, z. B. Alkylamin-Benzoat, sind langkettige Amine von Fettsäuren mit 12–16 C-Atomen. Sie finden Verwendung als Amine:aliphatischewirkungsverstärkender Zusatz zu Desinfektionsmitteln und als Diamine, aliphatischeAlgizide. Von den Guanidinen und Diguanidinen findet in der Medizin das Diguanidin Chlorhexidin meist als Diglukonat Anwendung. GuanidineChlorhexidin ist in niedrigen Konzentrationen Diguanidinebakteriostatisch, in 500- bis 2000-fach höherer Konzentration bakteriozid wirksam. Wie bei den Quats kann diese große Differenz zwischen minimaler Chlorhexidinbakteriostatischer und minimaler bakteriozider Konzentration zu Fehlergebnissen bei Desinfektionsmittelprüfungen führen, weil die Testorganismen durch den an ihrer Oberfläche adsorbierten Wirkstoff zwar an der Vermehrung gehemmt werden, sodass sie inaktiviert erscheinen, es aber nicht wirklich sind. Gegenüber Mykobakterien und Pilzen besteht geringe, gegenüber Bakteriensporen bei Zimmertemperatur keine Aktivität. Kochen von Lösungen (z. B. Augentropfen) mit 0,01-prozentigem Chlorhexidin führt jedoch angeblich zu Sterilität. Anwendungsgebiete sind neben seiner Verwendung als Konservierungsmittel in pharmazeutischen Zubereitungen die Händedesinfektion und die Antiseptik (Kap. 2.2). Alkoholische Präparationen können zu ihrer hohen, durch Alkohol bedingten Sofortwirkung mittels Chlorhexidinzusatz eine Nachwirkung erhalten. Solche Präparationen werden für die chirurgische Händedesinfektion verwendet. Amphotere Substanzen Amphotenside vereinigen elektropositive und -negative Gruppen in einem Molekül. Je nach pH-Wert der Lösung verhalten sie sich als (negativ geladene) anionische (bei pH 8) oder (positiv geladene) Amphotensidekationische Tenside (bei pH < 4). Dazwischen sind sie elektrochemisch ausgeglichen. Sie weisen den quaternären Ammoniumbasen vergleichbare Eigenschaften auf, sind jedoch im Gegensatz zu diesen wirksam gegen Mykobakterien und weniger leicht durch Eiweiß zu inaktivieren. Angeblich kommt es durch sie auch nicht zur Selektion resistenter Stämme. Wegen ihrer guten Hautverträglichkeit wären sie als waschende Händedesinfektionsmittel prädestiniert, sind aber für die Anforderungen im medizinischen Bereich zu wenig wirksam. In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie werden sie vielfach eingesetzt. Es existieren auch Flächendesinfektionsmittel auf Basis amphoterer Substanzen. Halogene Die Halogene Fluor (F), Chlor (C), Brom (Br) und Iod (I) sind mikrobiozid hoch wirksam. In der Medizin werden nur Cl und I Tenside\"\r\"Tensidezu Desinfektionszwecken verwendet. Chlor Chlor (Cl2) ist ein gelbgrünes, stechend riechendes, toxisches Gas. Es ist schwerer als Luft. Die Lösung in Wasser wird als Chlorwasser bezeichnet. Dabei bilden sich reversibel unterchlorige Säure (ChlorHOCl) und Chlorwasserstoff (HCl). Die unterchlorige Säure zerfällt in Chlorwasserstoff und naszierenden Sauerstoff. Die durch letzteren hervorgerufenen Oxidationsvorgänge bedingen neben mikrobioziden Effekten auch das Ausbleichen von Farbstoffen. Für die mikrobiozide Wirkung, die unter geeigneten Bedingungen das gesamte Spektrum der Viren und Mikroorganismen einschließt, werden mehrere Mechanismen verantwortlich gemacht: Freisetzung von naszierendem Chlor:WirkungSauerstoff, Verbindung des Chlors mit Imino- und Aminogruppen von im Zytoplasma enthaltenen Stoffen zu toxischen Chloraminen, Bildung unterchloriger Säure, die ihrerseits oxidierend und chlorierend wirkt. In wässriger Lösung ist hauptsächlich unterchlorige Säure für die mikrobiozide Wirkung verantwortlich. Im schwach sauren Bereich tritt der Desinfektionseffekt wesentlich rascher ein als im alkalischen. Temperaturerhöhung führt wie bei den meisten Desinfektionsmitteln zu einer Steigerung der Desinfektionswirkung. Organische Substanzen beeinträchtigen die Wirkung von Chlor erheblich (Chlorzehrung), Sulfide, Thiosulfat und Eisensalze können sie völlig aufheben. Chlor wird für die Desinfektion gasförmig als Cl2 oder als Chlordioxid (ClO2), aber auch in Form von Chlor abspaltenden Verbindungen angewandt. Die wichtigsten dieser Verbindungen sind Salze der unterchlorigen Säure (Hypochlorite) und Chloramine. Aus anwendungstechnischen Gründen werden Chlor- und Chlordioxidgas nur zur Wasserdesinfektion verwendet. Wegen der Chlorzehrung können für Chlorgas keine fixen Dosierungsangaben gemacht werden, sondern es muss von der nach Verbrauch durch organische Substanz zurückbleibenden Konzentration des „Restchlors“ (verfügbares freies Chlors) Chlorgasausgegangen werden, die meist in mg/l (ppm) angegeben wird. Für Trinkwasser soll sich diese Konzentration nach halbstündiger Einwirkung um 0,3 mg/l, für Schwimmbadwasser um 0,3–0,5 mg/l und für Abwässer um 10–30 mg/l bewegen. Das anstelle von Chlorgas vielfach verwendete Chlordioxidgas wirkt stärker bakteriozid, ist in seiner Wirkung stabiler gegen Veränderungen des pH-Werts und führt bei Anwesenheit von Phenolen im Trinkwasser, im Gegensatz zu Chlorgas, nicht Chlordioxidgaszur Bildung von Haloformen und Chloraminen sowie kaum zu geschmacklich und geruchlich unangenehmen Chlorphenolen. Chlorabspaltende Substanzen werden außer zur Wasserdesinfektion im kleinen Maßstab auch zur Desinfektion von Wäsche, Flächen, Händen, Ausscheidungen und Früchten sowie vor allem im Sanitär- und Küchenbereich verwendet. Zur immer noch manchmal beworbenen Desinfektion von Fütterungsutensilien für Säuglinge sind Chlorverbindungen nicht zu empfehlen, weil mit physikalischen Verfahren wie Auskochen, Dampfdesinfektion oder Autoklavieren sicherere Desinfektionsverfahren für Babyfläschchen und Schnuller zur Verfügung stehen. Hypochlorite führen zu einem rascheren Eintritt des Desinfektionseffekts als Chloramine, zerfallen aber auch schneller. Nicht stabilisierte Hypochlorit-Lösungen müssen deshalb sofort nach HypochloriteZubereitung verwendet werden! Am häufigsten wird Natriumhypochlorit (NaOCl), das in Handelspräparaten mit Stabilisatoren angeboten wird, verwendet. Der billige Chlorkalk, eine Mischung aus Calciumhypochlorit, -chlorid und -hydroxid, wird meist in Krisenzeiten zur Trinkwasser- und Scheuerdesinfektion gebraucht. Chloramine können als anorganische oder organische Substanzen vorliegen. Sie spalten Chlor langsam ab, wodurch die Wirkung zwar protrahiert eintritt, aber länger anhält. Zu nennen ist vor allem Chloraminedas als „Chloramin T“ vielfältig eingesetzte Tosylchloramidnatrium. Andere Chlorabspalter sind z. B. Di- und Trichlorisocyanursäure. Sie werden ebenfalls zur Wasserdesinfektion verwendet. Iod DichlorisocyanursäureEbenso wie Chlor wird Iod (I2) seit langem Trichlorisocyanursäurezu Desinfektionszwecken benutzt. Seine schlechte Wasserlöslichkeit (Iodwasser) wird durch Zusatz von Kaliumiodid erhöht (z. B. Lugol-JodLösung). Gut löst es sich in Benzol, Chloroform, Ether und Ethanol. Die alkoholische Lösung von Iod und Kaliumiodid wird als Iodtinktur bezeichnet. Die mikrobiozide Wirkung aller iodhaltigen Präparationen hängt von der Freisetzung elementaren Iods ab, die vom pH-Wert und von der Konzentration des jeweiligen Desinfektionsmittels bestimmt wird. Das Jod:WirkungWirkungsspektrum ist breit und erstreckt sich bei langen Einwirkungszeiten (Stunden) auch auf Bakteriensporen. Die Wirkung wird durch Anwesenheit organischer Substanzen stark eingeschränkt, was sich vor allem bei niedrigen Konzentrationen auswirkt. Der Zusatz von Kaliumiodid bewirkt ebenfalls eine erhebliche Reduktion des mikrobioziden Effekts durch Bildung von Periodiden oder Triiodiden. Die Färbung des Desinfektionsguts durch iodhaltige Desinfektionsmittel beschränkt die Anwendung auf die Hautantiseptik. Seine allergisierende Wirkung hat zur Suche nach Iodersatzmitteln geführt. Iod wird in mindestens 3 Kategorien von Zubereitungen angewandt: • als Lösung von anorganischem, elementarem Iod, z. B. in wässriger oder alkoholischer Lösung mit Kaliumiodid, • als Iod in Verbindung mit oberflächenaktiven Substanzen, z. B. Poloxamer-Iod-Komplex, • als Iod in Komplexbindung mit nicht oberflächenaktiven Stoffen wie Polyvinylpyrrolidon (PVP). Die anorganischen Zubereitungen wie Lugol-Lösung verursachen bisweilen Haut- und Schleimhautirritation sowie Allergien und sollten deshalb, außer im Notfall, nicht häufig oder für längere Zeit (z. B. unter einem Verband) auf Haut, Lugol-LösungSchleimhaut oder Wunden verbleiben. Die ebenfalls zu solchen Zubereitungen zählende Iodtinktur kann schon wegen des hohen Alkoholgehalts nicht auf Schleimhaut oder Wunden angewendet werden. Manche oberflächenaktive Substanzen, aber auch solche ohne Tensidcharakter, bilden mit Iod Komplexe, aus denen elementares Iod langsam freigesetzt wird. Diese Komplexierung führt dazu, dass derartige Präparationen kaum mehr anfärben (die Farbe lässt sich zumindest leicht wieder abwaschen) und wesentlich besser verträglich sind. Die weiteste Verbreitung unter diesen Iodophoren hat PVP-Iod gefunden, das außer zur Händedesinfektion und für antiseptische Indikationen (Kap. 2.2) auch zur Flächen-, Instrumenten- und Wäschedesinfektion empfohlen wurde. Es stehen aber wirksamere Desinfektionsmittel zur Verfügung. Die Reduzierung der Wirkung in Gegenwart organischer Substanzen muss als Nachteil gewertet werden. Metalle und Metallsalze Die Metalle Cadmium, Silber, Kupfer und Quecksilber entfalten in wässrigem Milieu eine Halogene\""\r""Halogenemikrobiozide Wirkung, die in der angegebenen Reihenfolge von Cadmium zu Quecksilber abnimmt. Messing, eine Legierung von Kupfer und Zink, weist diese Eigenschaft mit einer Aktivität zwischen der von Silber und Kupfer ebenfalls auf, Platin, Gold und Aluminium besitzen sie aber nicht. Der mikrobiozide Effekt heißt Oligodynamie. Er kommt in wässrigem Milieu durch kleinste Mengen von abdissoziierten Metallionen zustande. Leider wird dieser Effekt von vielen schwer kontrollierbaren Faktoren beeinflusst. In der Praxis machte man vom oligodynamischen Effekt z. B. bei der Anwendung von dünnen Silberfolien auf großen Wundflächen, bei der Spülung von Hohlorganen mit kolloidalen Silberlösungen und bei der Trinkwasserdesinfektion Gebrauch. Auf Türklinken, Haltevorrichtungen und Beschlägen aus Messing oder Kupfer überleben deshalb vor allem gramnegative Bakterien nicht. Die antimikrobielle Ausstattung von Gegenständen des täglichen Bedarfs und zunehmend auch im Gesundheitsbereich mit Metallen in nanokristalliner Form hat weltweit in den letzten Jahren ein starkes, kritikloses Ausmaß erlebt. Wenn auch je nach eingesetzter Technologie und chemisch-physikalischen Möglichkeiten der beteiligten Komponenten (Material, Wirkstoff, Imprägnierungsverfahren) eine Wirksamkeit von Objekten durch Beschichtung oder Imprägnierung mit antimikrobiellen Stoffen gegen bestimmte Mikroorganismenspezies erzielt werden kann, ist die Bezeichnung „antimikrobiell“ weder mit einer spezifischen Infektionsprävention verknüpft noch liegen ihr einheitliche Kriterien zugrunde. Jedes als „antimikrobiell“ gekennzeichnete Produkt muss neben dem Nachweis der antimikrobiellen Wirkung auch unter praxisrelevanten Bedingungen einen belegten oder zu erwartenden Vorteil im Sinne der Infektionsprävention für den Einzelnen und das Allgemeinwohl vorweisen können. Der Nutzen der antimikrobiellen Imprägnierung oder Beschichtung für den jeweils vorgesehenen Anwendungsbereich muss in einer Nutzen-Risiko-Bewertung gegen mögliche Risiken und Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt abgewogen werden. Vor allem ist zu berücksichtigen, ob die Wirkung mit üblichen hygienischen Maßnahmen (Reinigung, Desinfektion) wirksamer und unkritischer erreicht werden kann (Kramer et al. 2010) Metallsalze (Silber- und manche Zinnsalze) wirken mikrobiozid, Quecksilber- und Kupfersalze vorwiegend mikrobiostatisch. Silbersalze Metallsalze:Wirkungsind, außer bei unsachgemäßer Anwendung (siehe Argyrose), nicht toxisch, können aber in hoher Konzentration zu Verätzungen führen. Sie werden außer zur Wasserdesinfektion heute nur Silbersalzenoch in geringem Ausmaß zur Antiseptik verwendet (Kap. 2.2). Nanotechnologische Silberapplikationen finden sich zunehmend als mikrobiostatische Ausrüstung von Kleidung und Gebrauchsgegenständen. Quecksilber und seine anorganischen Verbindungen sind stark toxisch, seine organischen Verbindungen weniger giftig und besser hautverträglich. Ihre Verwendung als Desinfektionsmittel muss heute als Quecksilberobsolet betrachtet werden, weil die Wirkung fast immer nur mikrobiostatisch und eine sichere Abtötung somit nicht gegeben ist. In der Desinfektion spielen organische Zinnverbindungen eine gewisse Rolle. Bei Kombination mit rasch wirkenden Stoffen soll ein guter Desinfektionseffekt mit lang anhaltender Nachwirkung erzielbar sein. Sie finden z. B. Zinnverbindungen, organischeals Tributylzinnbenzoat in Präparaten für die Flächen- und Wäschedesinfektion Anwendung, wobei aber toxikologische Risiken nicht ausgeschlossen sind. Oxidanzien Neben den Halogenen existieren einige Stoffe, Metalle\""\r""Metalledesderen mikrobiozide Wirkung ebenfalls auf Oxidationsvorgänge Metallsalze\""\r""Metalledeszurückzuführen ist. Es handelt sich dabei um sauerstoffreiche und leicht Sauerstoff freisetzende Verbindungen wie Ozon, anorganische und organische Peroxide sowie Persäuren. Ozon Das für den Respirationstrakt giftige Gas ist noch in Verdünnungen von 10–6 an seinem charakteristischen Geruch erkennbar. In Wasser und bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit zerfällt es Ozonrasch. In wässrigem Milieu umfasst das Wirkungsspektrum sämtliche Formen von Mikroorganismen bei Anwendungskonzentrationen von maximal 5 mg/l. Trockene Ozon-Luft-Gemische haben hingegen keinen mikrobioziden Effekt. Wie die Ozon:WirkungsspektrumHalogene wird auch Ozon durch zahlreiche organische und anorganische Verbindungen verbraucht (Ozonzehrung). Unter Lichteinwirkung zerfällt es rascher als im Dunkeln. Bei niederen Temperaturen ist sein mikrobiozider Effekt besser als bei höheren. Ozon wird ausschließlich für die Wasserdesinfektion (Trinkwasser, Schwimmbadwasser) eingesetzt. Für die Luftdekontamination ist es ungeeignet. Anorganische und organische Peroxide Wasserstoffperoxid (H2O2) ist das am häufigsten verwendete Peroxid. Für medizinische und pharmazeutische Peroxid(e):anorganischeZwecke ist eine 30-prozentige Lösung im Handel, die licht- und Peroxid(e):organischewärmegeschützt sowie frei von Alkalien und Schwermetallsalzen gehalten werden muss. Wegen der starken Zehrung durch organisches Material und der schlagartigen Inaktivierung durch Peroxidasen, die reichlich in Gewebe vorhanden sind, ist die mikrobiozide Wirkung nur schwach und unzuverlässig. Für die Händedesinfektion stehen mit den niederen Alkoholen besser wirksame Substanzen zur Verfügung, jedoch resultiert aus einer Kombination beider Wirkstoffe eine Wirkungsverbesserung einschließlich einer Sporenelimination im Produkt. Persäuren Persäuren sind oxidierte organische Säuren mit einem zusätzlich in die Carboxylgruppe eingefügten Sauerstoffatom. Unter normalem Atmosphärendruck und bei Zimmertemperatur sind sie fest oder Persäurenflüssig. Praktisch alle Persäuren sind in Anwendungskonzentration chemisch instabil, was ihre Handhabung in der Praxis erschwert. Für Desinfektionszwecke haben Perameisen-, Perpropion-, Perphthal- und vor allem Peressigsäure eine gewisse Bedeutung erlangt, wobei toxische Risiken und die korrosive Wirkung den Indikationsbereich limitieren. Sie wirken in Konzentrationen von > 2 % ätzend und korrodieren Metalle bereits in Anwendungsverdünnungen. Konzentrierte Peressigsäure ist brennbar und explosiv. Sie soll im Kühlschrank gelagert werden. Die Gebrauchslösung zerfällt rasch und muss täglich frisch zubereitet werden. Die mikrobiozide Wirkung dieser Oxidationsmittel ist bei guter Vorreinigung des Desinfektionsobjekts ausgezeichnet, das Wirkungsspektrum sehr breit. Selbst Pilze und Bakteriensporen werden schon in Konzentrationen von 0,5 % innerhalb weniger Minuten inaktiviert. Dies triff auch für Viren einschließlich HBV zu. Vegetative Bakterienzellen werden schon durch 0,05- bis 0,005-prozentige Lösungen abgetötet. Mit Ausnahme von Blut beeinträchtigt die Anwesenheit von organischem Material die Desinfektionswirkung dieser Persäuren ebenso wenig wie pH-Verschiebungen oder tiefe Temperaturen. Problematisch ist das neurotoxische, mutagene und kokarzinogene Potenzial dieser Stoffgruppe. Bevorzugtes Anwendungsgebiet ist die Instrumentendesinfektion (vor allem die maschinelle Aufbereitung für gastroenterologische Endoskope). Für die sporozide oder virozide Flächendesinfektion sind organische Peroxide zu bevorzugen. Beim Umgang mit Persäuren sind Hautkontakt und Inhalation der Dämpfe zu vermeiden.Oxidanzien\""\r""Oxidanzien Säuren und Laugen Diese Stoffe sind keine Desinfektionsmittel im eigentlichen Sinn. Starke Säuren wie konzentrierte Schwefelsäure und Laugen wie Natron- oder Kalilauge zerstören zwar Mikroorganismen, schädigen aber auch meist das Desinfektionsgut. SäurenLaugen wie Natron- oder Kalilauge inaktivieren Picornaviren ebenso wie Kalkmilch, die zur Desinfektion von Ausscheidungen (Stuhl, Harn, Sputum) eingesetzt werden kann. Kalkmilch wird Laugenhergestellt, indem Ätzkalk (gebrannter Kalk, CaO) mit 4 Teilen Wasser vermengt wird. Sie ist stark ätzend (Schutzbrillen!). Zur Desinfektion wird Stuhl zu gleichen Teilen und Harn im Verhältnis von 2:1 mit Kalkmilch vermengt, die mindestens 6 Stunden einwirken muss. Kalkmilch ist unwirksam gegen Tuberkuloseerreger. Organische Säuren wie Milch- und Zitronensäure können in speziellen maschinellen Verfahren nach guter Vorreinigung und bei erhöhter Temperatur zur Reinigung und Desinfektion von Dialysegeräten, aber auch von Mundduschen verwendet und wirkungsverstärkend anderen Desinfektionsmitteln zugesetzt werden. Mit anderen organischen Säuren wie Ascorbin-, Sorbin-, Essigsäure u. a. dienen sie auch als Konservierungsmittel. Zu Guanidinthiocyanat Kapitel 3.3.Desinfektionsmittel:chemische\""\r""DesinfVerfchemWirkst 2.4.4 Prüfung von Desinfektionsverfahren Die wichtigste Aussage der Prüfung Desinfektionsverfahren:chemische\""\r""DesinfVerfchemeines Desinfektionsverfahrens ist zweifellos die über seine Wirksamkeit. Zur vollständigen Charakterisierung eines Desinfektionsverfahrens gehören allerdings auch die Untersuchung und Beschreibung toxikologischer, allergologischer und sicherheitstechnischer Momente sowie von Beeinflussungen der Qualität des Desinfektionsguts und anderen Materials. Hier wird nur die mikrobiologische Prüfung angesprochen. Prüfungen von Desinfektionsverfahren werden als „Typprüfungen“ vor ihrer allgemeinen Verwendung oder als „Praxisprüfung“ während und am Ort der praktischen Anwendung durchgeführt. Typprüfung In den verschiedenen Ländern existieren unterschiedliche, meist von den jeweiligen Fachgesellschaften für Hygiene und Mikrobiologie empfohlene Prüfanordnungen. Desinfektionsverfahren:TypprüfungDesinfektionsverfahren, für die durch Gutachten belegbar ist, dass sie den jeweiligen Anforderungen genügen, können in die „Liste der geprüften und anerkannten Desinfektionsverfahren“ der jeweiligen Körperschaft aufgenommen werden und/oder erhalten ein Zertifikat (Tab. 2.10 ). In der Schweiz müssen Desinfektionsmittel je nach Anwendungsbereich vom Bundesamt für Gesundheit oder vom Schweizerischen Heilmittelinstitut zugelassen werden. Tab. 2.10 Desinfektionsmittellisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.Desinfektionsmittelliste(n).VAHDesinfektionsmittelliste(n).swissmedDesinfektionsmittelliste(n).Rote Liste Service GmbHDesinfektionsmittelliste(n).RKIDesinfektionsmittelliste(n).ÖGHMPDesinfektionsmittelliste(n).DVGDesinfektionsmittelliste(n).BAGDesinfektionsmittelliste(n) Institution Anwendungsbereich Letztgültige Ausgabe Verbund für angewandte Hygiene (VAH) Humanmedizin (Hände, Haut, Fläche, Instrumente, Wäsche) 1. September 2011 (Broschüre)31. August 2011 (Online-Version) Robert Koch-Institut (RKI) Humanmedizin (thermische und chemische Verfahren für den Seuchenfall) 30.10.2007 Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) Tierhaltung 12. Liste, September 2010(Online-Version) Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) Lebensmittel 6. Liste September 2010(Online-Version) Rote Liste Service GmbH Humanmedizin (Hände, Fläche, Instrumente) April 2011 (Buch) Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) Humanmedizin (Hände, Fläche, Instrumente, Geschirr, Mundduschen, Wäsche, Abfall) Januar 2011 (online) Bundesamt für Gesundheit (BAG) Human- (gesunde Hände und gesunde Haut, Fläche) und Veterinärmedizin Lfd. öffentl. Produkteregister (online) Schweizerisches Heilmittelinstitut (swissmedic) Human- und Veterinärmedizin (Wunddesinfektion, Instrumente) und Veterinärmedizin 1. November 2010, lfd., Liste der zugelassenen Human- und Tierarzneimittel und Medizinprodukte (online) Da für alle Desinfektionsverfahren bestimmte Voraussetzungen gelten, sind diese bei den Prüfungen zu berücksichtigen. Diese die Wirksamkeit eines Desinfektionsverfahrens begrenzenden Bedingungen betreffen die Technik des Verfahrens selbst, z. B. • bei physikalischen Desinfektionsverfahren Temperatur, Druck und Zeit, • bei chemischen Desinfektionsverfahren Art, Konzentration und Beständigkeit der Wirkstoffe, Einwirkzeit und Temperatur, • für das Desinfektionsgut Widerstandsfähigkeit gegen Temperatur, Feuchte, Druck, Strahlung und Wirkstoffe, Durchdringbarkeit des Desinfektionsguts und ggf. auch seiner Verpackung für Dampf, Strahlung und Wirkstoffe, • die zu inaktivierenden Mikroorganismen, d. h. vegetative Mikroorganismen, Bakteriensporen, Viren, • Milieufaktoren wie organische Ballaststoffe, spezifische Hemmstoffe, Wassergehalt und pH-Wert am Ort der Desinfektion. Daraus ergibt sich, dass in der Regel eine ganze Palette von Versuchen zur Charakterisierung eines Desinfektionsverfahrens nötig ist. Üblicherweise gehen Versuche in vitro (Suspensionsversuche) einer „praxisnahen Prüfung“ voraus, um Erkenntnisse über Wirkungsspektrum, -art (Mikrobiostase oder -zidie), Verhalten gegenüber belastenden Faktoren und zur Identifizierung von neutralisierenden Stoffen zu erhalten. Praxisprüfung Praxisprüfungen sollen beweisen, dass ein „typgeprüftes“ Verfahren auch in der aktuellen Anwendungssituation wirksam ist. Darunter können zweierlei Arten von Untersuchungen Desinfektionsverfahren:Praxisprüfungverstanden werden: • Die eine wird als Abnahmeuntersuchung nach Neuinstallation oder Überholung von Desinfektionsgeräten und darüber hinaus als regelmäßig wiederkehrende Überprüfung für manche Desinfektionsverfahren von der Gesundheitsbehörde gefordert und von Fachleuten durchgeführt. Die Methode solcher Prüfungen entspricht im Wesentlichen der „Typprüfung“. • Die andere Art der „Praxisprüfung“ besteht in Tests, die der Anwender in Eigenregie durchführt. Häufig werden vom Anwender mikrobiologische Kulturen verlangt, die zeigen sollen, dass die desinfizierten Güter frei von unerwünschten Mikroorganismen sind. Die Ergebnisse solcher Kulturen sind allerdings mit großen Vorbehalten zu betrachten: Vielfach fehlen in der Praxis hohe Inokula oder resistente Mikroorganismen; zudem werden oft zweifelhafte Rückgewinnungs- und Nachkulturtechniken (keine Verwendung geeigneter Neutralisatoren, Verwendung von Selektivnährböden oder hypotonen Lösungen usw.) verwendet; deshalb können überlebende Mikroben nicht anwachsen. Von einem günstigen Ergebnis solcher Kulturen wird u. U. zu Unrecht auf eine gute Desinfektionswirkung geschlossen! Derartige Praxisversuche sind allerdings dann wertvoll, wenn mit ihrer Hilfe ein vermutetes Versagen eines Desinfektionsverfahrens demonstriert werden soll. Als Beispiele für derartige Praxistests durch den Anwender seien genannt: • Nachweis größerer Mengen vermehrungsfähiger Mikroorganismen (z. B. mithilfe von Eintauchobjektträger- oder Plattenkulturen) in Desinfektionslösungen, die mit einer Infektionsepisode in Zusammenhang stehen, • Nachweis großer Mikrobenmengen in Lappen, Bürsten und anderen Reinigungsutensilien, die bei der Desinfektion verwendet werden, • Nachweis großer Mikrobenmengen auf Essgeschirr, Instrumenten oder Behältern, die mit schlecht reinigenden (Kontamination durch schmutzige Waschflotte!) und mangelhaft desinfizierenden Waschmaschinen gewaschen wurden. Mikrobiologische Kulturen eignen sich also nur sehr bedingt für Prüfungen, die der Anwender selbst und ohne Zuhilfenahme von Fachleuten durchführt. Dessen ungeachtet ist es äußerst wichtig, dass der Anwender seine Desinfektionsverfahren mit anderen Methoden regelmäßig kontrolliert. Auswahl eines geeigneten Desinfektionsverfahrens Die von den Fachgesellschaften für Hygiene und Mikrobiologie oder von Regulationsbehörden herausgegebenen Listen (Tab. 2.10) über gutachterlich geprüfte und Desinfektionsverfahren:Auswahlfür geeignet befundene Verfahren (Präparate mit Anwendungsempfehlung) geben dem Anwender eine gute Orientierungshilfe für die Verfahrensauswahl im Krankenhaus. Die Empfehlungen der entsprechenden Liste des RKI (2007) orientieren sich an den erschwerten Bedingungen der kommunalen Seuchenbekämpfung. 2.4.5 Desinfektionsmaßnahmen Händedesinfektion Desinfektionsverfahren:Prüfung\""\r""DesinfVerPruefBei der Infektionsübertragung spielen die Hände eine doppelte Rolle. Sie dienen Mikroorganismen als Vehikel, indem sie mikrobielle Kontaminationen aufnehmen und an anderer HändedesinfektionStelle deponieren. Sie können aber auch als Infektionsquelle fungieren, weil sich Erreger in den oberen Schichten der Haut oder auch in infizierten Läsionen der Weichteile vermehren und von dort an die Kontaktstelle freigesetzt werden. Die Maßnahmen zur Verhütung einer Übertragung orientieren sich im konkreten Fall daran, ob die Hände als Mikrobenvehikel oder als Infektionsquelle ausgeschaltet werden sollen (RKI 2000 Abb. 2.2 ). Wegen der unterschiedlich schwierigen Eliminierung der drei Kategorien von Hautmikroben sowie Viren an den Händen und deren unterschiedlicher pathogenetischer Bedeutung unterscheiden sich die Strategien zur Verhütung ihrer Übertragung (Tab. 2.11 ). Abb. 2.2 Wirking verchiedener Verfahen (je 5 min) zur chirurgischen Händevorbereitung. Tab. 2.11 Strategien zur Verhütung von Keimübertragungen durch die Hände (Rotter 2004).Hände:Keimübertragung, Verhütung Situation und Ziel Strategie Verhinderung der Abgabe von transienter Flora Hände sind noch sauber „Hände sauber halten“ (Nichtkontamination) durch Nichtberührungstechnik • Handschuhe Hände sind kontaminiert „Hände sauber machen“ (Eliminierung von transienter Flora) durch • nach Kontakt ohne bekannte oder vermutete „gefährliche“ Kontamination • Händewaschen oder • desinfizierende Händewaschung oder • hygienische Händedesinfektion • nach Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten durch infektiösen Patienten und nach Arbeiten im Laboratorium • „Abtöten von Krankheitserregern noch auf den Händen“ • hygienische Händedesinfektion ggf. mit speziellem Wirkspektrum Reduktion der Abgabe von transienter und residenter Flora Vor Operationen „Mikrobenabgabe verhindern“ durch • chirurgische Händedesinfektion plus • Handschuhe (chirurgische, steril) Vor Patientenpflege in der Schutzisolierung „Mikrobenabgabe verhindern“ durch • desinfizierende Händewaschung oder • hygienische Händedesinfektion plus • Handschuhe (steril) Besiedelung der Hände mit pathogenen Bakterien „Hautkrankheit (Ekzem) behandeln“ und • desinfizierende Händewaschung plus • Handschuhe Verhütung der Infektionsübertragung aus infizierten Handläsionen Infizierte Läsionen an den Händen Keine Tätigkeiten mit Infektionsrisiko oder nur mit speziellen Schutzmaßnahmen (Operieren, Umgang mit Speisen oder Medikamenten) Details zur Händehygiene Kapitel 2.1. Krankenhaustextilien und Betten Krankenhaustextilien Desinfektion:Krankenhaustextilienumfassen im Wesentlichen Bettwäsche, Textilien für OP-, Eingriffs- und Krankenhauswäsche:DesinfektionUntersuchungsräume sowie die Berufswäsche des medizinischen Personals. Im Sinne Krankenhaustextilien"\t""Siehe Krankenhauswäscheder Unterbrechung von Infektionsketten werden diese Textilien häufig gewechselt. Die Wiederaufbereitung muss sicherstellen, dass unerwünschte Mikroorganismen sicher beseitigt werden. In Situationen mit hohem Beschmutzungs- und Kontaminationsrisiko werden häufig Schürzen, Schutzgewänder und -tücher aus Einmalware verwendet, oft zum Schutz der exponierten Textilien. Die Aufbereitung von Krankenhaustextilien in Wäschereibetrieben erfordert geeignete Hygienemaßnahmen (ÖGHMP 1981). Bettdeckendesinfektion und -reinigung stellten bis zur Einführung waschfester und hitzeunempfindlicher synthetischer Gewebe ein Bettdecken:Desinfektiongroßes Problem des Krankenhausbetriebs dar, weil die ursprünglich Desinfektion:Bettdeckenverwendeten Schafwolldecken gegen Wasch- und Desinfektionsmittel empfindlich sind. Mit desinfizierenden chemischen Reinigungsverfahren war es bis dahin kaum möglich, den hygienischen Anforderungen zu genügen. Die bei der chemischen Reinigung eingesetzten organischen Lösungsmittel (meist Perchlorethylen) entfernen nur die wasserunlöslichen Verschmutzungen von den Fasern, nicht jedoch die wasserlöslichen. Zu deren Abtragung werden Netzmittel oder Emulgatoren (sog. Reinigungsverstärker) zugesetzt. Zur Vermeidung der Faserschädigung ist es wesentlich, den Wassergehalt bei 60–70 % relativer Feuchte zu halten. Diese Reinigungsflotten sind nicht imstande, das Reinigungsgut chemisch zu desinfizieren. Auch die Betriebstemperaturen reichen hierzu nicht aus. Verschiedene Firmen versuchten deswegen, für den Zusatz zur Reinigungsflotte geeignete Desinfektionsmittel zu entwickeln. Ihre Wirkung wurde jedoch durch den geringen Wassergehalt beeinträchtigt, der verhinderte, dass diese Mittel in organischen Schmutzteilchen eingeschlossene Mikroorganismen erreichten. Ein anderer Weg, auf dem man versuchte, die chemische Reinigung von Decken mit einer Desinfektion zu kombinieren, war das Aufsprühen von auf 100–110 °C erhitztem Perchlorethylen auf die Decken. Auch dieses Verfahren hat sich nicht durchgesetzt. Die Bettenaufbereitung (Kap. 6.2) umfasst die Bettwäsche (Leintuch und Überzüge), Decke und Polsterinlet, Inkontinenzeinlagen, Matratze mit Überzug und Kern und das Bettgestell. Bettwäsche, Decken und Inlets Bettenaufbereitungwerden desinfizierend gewaschen, meist auch Inkontinenzeinlagen; diese benötigen aber wegen der starken Anschmutzung besondere Waschverfahren. Matratzen werden am wirksamsten in Desinfektionsgeräten mit Vakuumentlüftung und Wasserdampf behandelt. Wasch bare erregerdichte Matratzenüberzüge sind günstiger als solche, die nur eine Wisch- oder Sprühdesinfektion erlauben. Reinigung und Desinfektion des Bettgestells werden manuell oder in Wasch- und Desinfektionsgeräten durchgeführt. Bei der kontrovers diskutierten Frage nach Notwendigkeit, Frequenz und Art der Bettendesinfektion sollte bedacht werden, dass jeder Patient Anrecht auf ein sauberes Bett hat, das frei von unerwünschten Erregern ist. Besondere Bedeutung kommt dabei den unmittelbaren Kontaktflächen zu (Bettwäsche, Holme im Griffbereich). Eine manuell durchgeführte exakte Reinigung und ebensolche Wischdesinfektion des Bettgestells mögen den hygienischen Anforderungen genügen. Die von Manchen als unnötig aufwändig befundenen maschinellen Verfahren der Bettenaufbereitung erbringen, sofern sie richtig betrieben werden, gleich bleibend gute Ergebnisse und unterstützen die Anliegen der Qualitätssicherung. Als Desinfektionsprinzip werden Heißwasser oder Wasserdampf, evtl. in Kombination mit chemischen Desinfektionsmitteln, eingesetzt. Für die Dampfdesinfektion haben sich insbesondere das Dampfströmungsverfahren und das Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren (VDV-Verfahren) bewährt und werden vom RKI (RKI 2007) anerkannt. Instrumente und Pflegeutensilien Es handelt sich um folgende Gegenstände: Operationsinstrumente, Anästhesiezubehör, Endoskope, Ess- und Trinkgeräte, Fütterungsutensilien, Auffangbehälter für Sekrete, Drainageflüssigkeiten, Stuhl und Urin; Atemgas-Waschflaschen, Blumenvasen, Irrigatoren sowie Gebrauchsgegenstände der Patienten. Zur mehrmaligen Verwendung bestimmte Gegenstände müssen nach jedem Gebrauch (gereinigt und) desinfiziert werden. Gegenstände, die nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind, sollen nur im Ausnahmefall (definiertes validiertes Aufbereitungsverfahren und Ausschluss unerwünschter Nebenwirkungen) wiederaufbereitet werden! Sie behindern durch ihre Konstruktion oft die wirksame Reinigung und Desinfektion und nehmen dadurch vielleicht Schaden. Im Fall einer Wiederaufbereitung von Single-Use-MP muss das QM der Aufbereitung zertifiziert sein (Kap. 6.1). Aus Produkthaftungsgründen dürfen nur Gegenstände aufbereitet werden, für die geeignete Aufbereitungsverfahren definiert sind. Auch der Schutz des Personals vor Infektionen ist dabei zu bedenken. Maschinelle Reinigung und Desinfektion Maschinelle Instrumentenreinigung:maschinelleReinigung und Desinfektion Instrumentendesinfektion:maschinellesind manuellen Verfahren grundsätzlich vorzuziehen. Das hat zwei wesentliche Gründe: Maschinen mit kombinierten Reinigungs-Desinfektions-Verfahren erlauben, undesinfizierte Güter ohne Gefährdung von Personen zu reinigen. Das ist wesentlich, weil nur nach guter Vorreinigung ein gleich bleibend guter Desinfektionseffekt mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann (Verfahren der kommunalen Seuchenbekämpfung, die aus epidemiologischen Gründen als ersten Schritt grundsätzlich eine Desinfektion erfordern, bleiben hier außer Betracht). Ferner können thermische und chemothermische Desinfektionsverfahren in maschinelle Reinigungsverfahren wirkungsvoll integriert werden. Von ausschlaggebender Bedeutung für die Desinfektionswirkung solcher Maschinen ist die Güte ihres Reinigungssystems. Das gilt besonders dann, wenn der zu beseitigende Schmutz stark erregerhaltig ist (z. B. Stuhl); in solchen Fällen können schon kleinste Schmutzreste ein Versagen der anschließenden Desinfektion zur Folge haben. Die in der Praxis erzielte Reinigungswirkung hängt nicht nur von konstruktiven Details der Maschine ab, sondern ebenso von ihrer richtigen Beschickung (spülgerechte Lagerung der Güter, keine Überladung der Maschine, keine Behinderung der beweglichen Teile des Reinigungssystems, keine Spülschatten) und ihrer ordnungsgemäßen Wartung (Reinigung von Düsen, Schmutzfangsieben etc.; Hinweise auf konstruktive Details der Maschinen und auf die Verfahren zur Prüfung der Reinigungswirkung vgl. Koller 2008a, b). Zu hohe Temperaturen (> 45 °C) in der Reinigungsphase beeinträchtigen bei organischen Verunreinigungen durch Koagulation nativer Proteine ebenfalls das Reinigungsergebnis. Die in den Programmablauf der Maschinen integrierten thermischen Desinfektionsverfahren bestehen meist darin, dass Heißwasser (z. B. 85 °C für 1 Minute) oder Wasserdampf (z. B. 100 °C für 3 Minuten) auf die gereinigten Güter aufgebracht wird, während bei chemothermischen Verfahren dem nicht ganz so heißen Wasser (z. B. 40, 50 oder 60 °C) chemische Wirkstoffe (Aldehyde, Phenole, Chlorabspalter, Amphotenside, Peressigsäure) zugesetzt werden. Je niedriger die Temperatur ist, desto länger ist die nötige Einwirkzeit und desto größer ist die Anfälligkeit des Desinfektionsverfahrens gegenüber Störfaktoren, insbesondere gegenüber Reinigungsmängeln. Die bei Umgebungstemperatur angewandten chemischen Desinfektionsverfahren schneiden diesbezüglich besonders ungünstig ab. Nach jahrzehntelangem Drängen der Hygieniker haben sich maschinelle Aufbereitungsverfahren (RDG = Reinigungs- und Desinfektionsgeräte, engl. washer disinfectors) für viele Gruppen medizinischer Hilfsmittel durchgesetzt. Verfahren mit thermischer Desinfektion sind üblich für OP- und Untersuchungsinstrumentarium aus Metall oder Verbundwerkstoffen, Anästhesiezubehör, Essgeschirr und -besteck, Fütterungsutensilien, Auffangbehälter für Sekrete und Drainageflüssigkeiten, Atemgas-Waschflaschen, Blumenvasen, Irrigatoren, Steckbecken, Urinflaschen u. a. Die chemothermische Desinfektion in speziellen Waschmaschinen für hitzeempfindliche Gegenstände hat sich gleichermaßen für differenzierte Geräte wie flexible Endoskope oder Hämodialysemaschinen und einfache Gegenstände wie Kunststoff-OP-Schuhe bewährt. Inzwischen sind diese Sachverhalte auch durch Medizinproduktegesetze der Länder reguliert. Reinigung und Desinfektion ohne apparative Unterstützung Manuelle Instrumentenreinigung:manuelle Instrumentendesinfektion:manuelleReinigung und Desinfektion von infektionskritischen Medizinprodukten sind nur in speziellen Fällen und nur mit speziellen Schutzvorkehrungen zulässig. Die chemische Desinfektion bei Umgebungstemperatur im Tauchbad ist trotz beschränkter Wirksamkeit immer noch anzutreffen. Die manuelle Aufbereitung medizinischer Güter war früher weit verbreitet. Entgegen früherer Auffassung, die wegen des Personalschutzes die Reinigung erst nach der Desinfektion gestattet hat (UVV), ist unter sorgfältiger Einhaltung des Personalschutzes in jedem Fall vor der Desinfektion eine gründliche nicht eiweißfixierende Vorreinigung durchzuführen, weil es andernfalls zur Fixierung der Verschmutzung kommt. Das beinhaltet das Anlegen ggf. von schnittfesten Handschuhen, Schürze, Mund-Augen-Schutz, keine Verwendung von Bürsten oder Reinigungsdüsen wegen der Gefahr infektiöser Spritzer oder Aerosole, geordnete Beseitigung der Schutzkleidung und die Desinfektion von Händen und Arbeitsflächen nach Abschluss der Reinigungsarbeiten. Auf ausreichende Belüftung des Arbeitsplatzes (u. U. gezielte Arbeitsplatzabsaugung) ist zu achten. Desinfizierte Güter sollen grundsätzlich möglichst rasch getrocknet und trocken gelagert werden.Pflegeutensilien, Desinfektion\"\r\"DesinfMassnInstr Instrumentendesinfektion\"\r\"DesinfMassnInstr Desinfektion:Pflegeutensilien\"\r\"DesinfMassnInstr Desinfektion:Instrumente\"\r\"DesinfMassnInstr Medizinisch-technische Geräte Medizinisch-technische Geräte sind gesondert zu besprechen, weil sie meist neben Teilen, die mit medizinisch-technische Geräte:ReinigungPatienten in direkten oder indirekten Kontakt kommen, feinmechanische, optische medizinisch-technische Geräte:Desinfektionoder elektronische Elemente besitzen, die durch Desinfektionsmaßnahmen beschädigt werden können. Grundsätzlich sind medizinisch-technische Geräte so aufzubereiten, dass sie für die Anwendung am nächsten Patienten sicher sind. Voraussetzung dafür ist eine Bauart, die wirksame Aufbereitungsverfahren zulässt. Viel zu oft blieb dieses Gebot in der Vergangenheit unbeachtet. Oft wurden Geräte angeschafft, die eine wirksame und sichere Desinfektion nicht zulassen. Im Folgenden sind wichtige hygienische Grunderfordernisse an Bauart und Beschaffenheit medizinisch-technischer Geräte aufgezählt: • Reinigbarkeit: Teile des Geräts, die mit dem Patienten oder seinen Ausscheidungen in Kontakt treten, müssen einfach demontierbar und maschinell zu reinigen sein. • medizinisch-technische Geräte:Reinigbarkeit Desinfizierbarkeit: Geräteteile, die mit Haut, Schleimhaut, Ausscheidungen oder Flüssigkeiten zur Befeuchtung der Atemluft in Berührung kommen, müssen – möglichst medizinisch-technische Geräte:Desinfizierbarkeitin feuchter Hitze – desinfizierbar sein. Dazu müssen diese Geräteteile so beschaffen sein, dass sie durch Temperaturen von ≥ 85 °C sowie durch vorübergehende Feuchtigkeit nicht beschädigt werden. • Sterilisierbarkeit: Geräteteile, die mit Wunden, Gewebe, sterilen Körperhöhlen oder dem Blutkreislauf des Menschen in Kontakt treten, müssen – möglichst in gespanntem und medizinisch-technische Geräte:Sterilisierbarkeitgesättigtem Wasserdampf – sterilisierbar sein. Nur Geräteteile, die nach heutigem Stand des Wissens nicht aus genügend hitze-, wasser- und druckfesten Materialien hergestellt werden können, dürfen mit anderen, weniger sicheren Verfahren als den genannten desinfiziert bzw. sterilisiert werden. • Keine Vermehrung von Mikroorganismen an kritischen Geräteteilen: Geräteteile, die direkt oder indirekt mit dem Patienten in Kontakt treten, sollen keine unzugänglichen Feuchtigkeitsreservoire oder Dichtungen aufweisen und müssen zerlegbar und zu reinigen sein. • Hygienische Unbedenklichkeit der Betriebsmittel: Betriebsmittel von medizinisch-technischen Geräten (Gase, Flüssigkeiten, Schmiermittel) können unerwünschte Mikroorganismen enthalten medizinisch-technische Geräte:Unbedenklichkeit, hygienischeund – auch wenn sie nur in Spuren mit dem Patienten in Kontakt kommen – übertragen. Wenn Betriebsmittel mit dem Patienten direkt oder indirekt in Kontakt kommen können, müssen sie hygienisch unbedenklich sein. Sie müssen keimarm sein in Situationen, die eine Desinfektion erfordern, oder keimfrei in Situationen, die eine Sterilisation erfordern. Darüber hinaus sollen sich Mikroorganismen in Betriebsmitteln während des Betriebs oder während Standzeiten nicht vermehren können. Es sollen nur medizinisch-technische Geräte angeschafft werden, die diesen Anforderungen entsprechen. Zur Reinigung und Desinfektion sind sinngemäß die vorher ausgeführten Verfahren anzuwenden. Im Hinblick auf Qualitätssicherung und Produkthaftung ist das Augenmerk auf gute Definition und Standardisierung sowie auf die Möglichkeit der Dokumentation des Aufbereitungsablaufs zu lenken, Aspekte, die maschinellen und programmgesteuerten Verfahren eindeutig den Vorzug geben. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, empfiehlt es sich, mit einem Hygieniker Kontakt aufzunehmen, um z. B. konstruktive Änderungen, vielleicht unter Einbeziehung von Einmalware, vorzunehmen. Ausscheidungen Ausscheidungen von Kranken (Stuhl, Urin, Erbrochenes, Blut, Wundsekret u. a.) werden meist in Behältern aufgefangen.Ausscheidungen:Desinfektion Bei der Frage nach der Desinfektion ist daher an die Desinfektion:AusscheidungenAusscheidungen selbst und ihre Behältnisse zu denken. Behältnisse, AusscheidungenBehältnisse müssen, sofern sie wiederverwendet werden, grundsätzlich gereinigt und desinfiziert werden. In besonderen Fällen, z. B. für das Sammeln von Auswurf Tuberkulosekranker, wird man billige Einmalbehälter wählen, die samt Inhalt verbrannt werden. Die Ausscheidungen:BeseitigungAusscheidungen selbst müssen im Allgemeinen nicht desinfiziert, sondern nur geordnet beseitigt werden. Unter geordneter Beseitigung wird in diesem Zusammenhang verstanden, dass die Ausscheidungen unter Vermeidung der Kontamination von Menschen und Gegenständen der Kanalisation zugeführt werden. Eine Desinfektion vor der Einleitung in die Kanalisation ist nur in besonderen, von den Gesundheitsbehörden definierten Fällen (z. B. Pest, Cholera, Milzbrand) zu veranlassen. Da die zu treffenden Mikroben in diesem Fall meist von großen Mengen organischer Stoffe umgeben sind, können nur von thermischen Desinfektionsverfahren Erfolge erwartet werden. Insbesondere für geformte Ausscheidungen ist das Verbrennen oder Autoklavieren die Methode der Wahl. Vegetative Bakterien und Viren, nicht aber Bazillen- und Clostridiensporen können auch durch Auskochen abgetötet werden. Chemische Desinfektionsmittel sollten nur gemeinsam mit erhöhter Temperatur (chemothermisches Verfahren) und nur zur Desinfektion ungeformter Ausscheidungen verwendet werden. Eine chemische Desinfektion von Ausscheidungen bei Umgebungstemperatur bedarf folgender Festlegungen und Einschränkungen: • lange Einwirkzeit (6–12 Stunden), • nicht zu geringe Temperatur (≥ 15 °C), • hohe Konzentration des Desinfektionsmittels (möglichst Formaldehyd, evtl. in Kombination mit anderen Aldehyden; Chlor nur bei Möglichkeit der Kontrolle des freien aktiven Chlors im Reaktionsgemisch; andere Wirkstoffe sind nicht empfehlenswert), • keine geformten Anteile im Reaktionsgemisch oder geformte Anteile homogen suspendieren, dabei sollen aber weder die Umgebung noch der Durchführende kontaminiert werden. Flächendesinfektion Bedeutung von Oberflächen im Infektionsgeschehen Pathogene mit hoher Toleranz für widrige Umgebungsbedingungen (Hautstaphylokokken, S. aureus, Enterokokken, aber auch einige Virusspezies und Parasiten) können auf unbelebten Oberflächen gut (manche wochen- und monatelang!) überleben. Hoher Keimgehalt und organische Begleitstoffe (Sekrete, Exkrete) ermöglichen auch gramnegativen, trocknungsempfindlichen Mikroben längeres Überleben auf Oberflächen. Meist werden die Erreger durch unmittelbaren Kontakt auf die Oberflächen aufgebracht und weiterverbreitet. Berührung mit den Fingern spielt Oberfläche(n):Bedeutung im Infektionsgeschehendabei die wesentliche Rolle. Die Haut der Fingerkuppen besitzt aufgrund ihrer Reliefstruktur und der Nagelfalze eine ähnliche „Unerschöpflichkeit“ wie ein Stempelkissen. Die aerogene Kontamination von Oberflächen, d. h. die Sedimentation mikrobenhaltiger Partikel aus der Luft auf Oberflächen, ist dagegen nur in speziellen Fällen bedeutsam (z. B. aerogene Kontamination von Oberflächen in unmittelbarer Umgebung eines virulenten S.-aureus-Stamm-Trägers). Unerwünschte Erreger sind im Krankenhaus häufig auf Fußböden, Arbeitsflächen, Waschbecken, Armaturen und anderen Oberflächen anzutreffen. Solche Befunde sind nur dann relevant, wenn sie von dort einen Weg zum Patienten finden (z. B. wenn auf den Boden gefallene Gegenstände ohne Desinfektion weiterverwendet werden, Wasserarmaturen oder Türgriffe mit den Fingern bedient werden, die Erreger aufgewirbelt werden). Nur für patientennahe Oberflächen (z. B. unmittelbare Arbeitsflächen, Ablageflächen für Instrumente und für Reingut) ist gesichert, dass die Desinfektion zur Infektionsvermeidung beiträgt. Für patientenferne Oberflächen (Fußböden, Wände, Plafonds) konnten keine Zusammenhänge zwischen Aufbereitungstechnik (mechanische Reinigung versus Desinfektion) und Infektionsquoten gesichert werden. Gesichert ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass gut wirksame und hygienisch einwandfreie Reinigungstechniken unverzichtbar sind (Kap. 2.5). Allerdings werden heute selbst in Nordamerika Maßnahmen zur routinemäßigen Flächendesinfektion bei Vorherrschen von MRSA, VRE oder anderen multiresistenten potenziellen Erregern nosokomialer Infektionen sowie in Risikobereichen gefordert, da nur durch eine Multibarrierenstrategie Schwachstellen überbrückt werden können. Hygienemaßnahmen auf Oberflächen, Flächendesinfektion Zu den Hygienemaßnahmen auf Oberflächen zählen die Nichtkontamination, die Reinigung und die Desinfektion bzw. kombiniert die desinfizierende Reinigung. Beispiele zur Vermeidung einer Kontamination sind die Verwendung von Einmalunterlagen auf Arbeitsflächen, technische Einrichtungen wie Annäherungsautomatik oder Ellbogenhebel bei Wascharmaturen, Oberfläche(n):KontaminationsvermeidungBetätigung von Türgriffen mit Ellenbogen oder Unterarm statt mit den Fingern. Reinigungsmaßnahmen dienen der mechanischen Entfernung von Mikroorganismen. Im Medizinbetrieb kommen Oberflächenreinigungdafür nur bestimmte Verfahren in Frage (Kap. 2.5): • Reinigung:Oberflächen\t\"Siehe OberflächenreinigungTrockenreinigung mit speziell ausgerüsteten Staubsaugern (bakteriendichte Abluftfilter, Abluftdiffusor) oder zentrale Saugeinrichtung mit Saugsteckdose an der Wand, • Trockenreinigung, OberflächenFeuchtreinigung im Wischverfahren mit angefeuchteten (Wasser oder Öl) Wischtüchern, • Nassreinigung Feuchtreinigung, Oberflächenmittels Lappen oder Mopp; früher meist nach der Zwei-Eimer-Methode, heute bevorzugt mit Systemen, bei denen ein Mopp nur für eine begrenzte Fläche (z. B. ein Nassreinigung, OberflächenKrankenzimmer) eingesetzt und dann ohne Auswaschen in der Reinigungslösung für die Aufbereitung (maschinelles Waschen mit Kochprogramm) abgelegt wird (s. u.). Für größere Oberflächen haben sich Bodenreinigungsmaschinen durchgesetzt. Diese bearbeiten den Boden mit Vliesgewebe oder Bürstscheiben und Reinigungslösung; letztere wird im selben Arbeitsgang mithilfe starker Wassersauger samt darin suspendiertem Schmutz abgesaugt. Damit werden ein guter Reinigungseffekt und das rasche Abtrocknen der Oberflächen nach der Reinigung begünstigt. Flächendesinfektion bedeutet Abtötung oder Inaktivierung von Mikroorganismen auf Oberflächen durch chemische Mittel. Das bevorzugte Verfahren ist ein Wischverfahren gemeinsam mit der Flächendesinfektion:Verfahrenoder im Anschluss an die Nass- oder Feuchtreinigung. Sprühverfahren sind beliebt, aber nicht sicher wirksam (vollständige Benetzung der Oberfläche muss erreicht werden; besonders schwierig bei schrägen oder vertikalen Flächen!). Dieser Unsicherheitsfaktor und die Belastung der Atemluft mit unerwünschten Stoffen sind wichtige Argumente gegen eine Sprühanwendung. Für Krankenhäuser sind differenzierte Reinigungs- und Desinfektionspläne zu erarbeiten, die einerseits die routinemäßig durchzuführenden Maßnahmen definieren, andererseits auch Richtlinien geben müssen, bei welchen Gelegenheiten gezielte Maßnahmen der Desinfektion erforderlich sind. Flächenreinigung und -desinfektion stellen für das Krankenhaus vor allem durch den hohen Personalaufwand einen beträchtlichen ökonomischen Faktor dar. Daher müssen bei diesen Maßnahmen neben den hygienischen Aspekten auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden. An Verfahren zur Flächendesinfektion sind folgende Anforderungen zu stellen: • Ausreichendes Wirkungsspektrum: Die erwarteten Erreger müssen wirksam erfasst werden; für Mykobakterien, Flächendesinfektion:Anforderungenmanche Viren und Pilze sind häufig andere/höhere Konzentrationen und Einwirkzeiten nötig als für vegetative Bakterien. Eine sporozide Wirkung ist auf normalen Oberflächen weder notwendig noch kann sie mit den üblichen Flächendesinfektionsverfahren erreicht werden. • Praxisgerechte Einwirkungszeit: Auf Fußböden soll die Desinfektionswirkung nach 1 Stunde erreicht sein, im Sanitärbereich und auf medizinischen Arbeitsflächen sind kürzere Einwirkzeiten erwünscht und erreichbar. • Kompatibilität mit in der Praxis vorkommenden Substanzen: Die desinfizierende Wirkung soll durch Substanzen, die sich auf zu desinfizierenden Flächen befinden, nicht beeinträchtigt werden. Im medizinischen Bereich stellen insbesondere Eiter und Ausscheidungen sowie Blut erschwerende Begleitstoffe dar. Das gilt vor allem für tensidische und chlorabspaltende bzw. peroxidhaltige Desinfektionsmittel, die dadurch beeinträchtigt werden (Eiweißfehler). Solche Mittel dürfen daher nur auf vorgereinigten Flächen angewendet werden. Die Wirkung vieler Desinfektionsmittel wird auch durch Seifen eingeschränkt (Seifenfehler). Daher dürfen einem Flächendesinfektionsmittel nicht ohne weiteres Seife oder andere Tenside zwecks Verbesserung der Reinigungswirkung zugemischt werden. • Unschädlichkeit bei der Anwendung: Die sachgemäße Anwendung eines Verfahrens darf keine toxischen, allergenen, mutagenen, karzinogenen oder teratogenen Schädigungen erwarten lassen. Eine geringe Aggressivität für Haut und Schleimhäute muss bei gut wirksamen Flächendesinfektionsmitteln in Kauf genommen werden, weshalb die Schutzmaßnahmen einzuhalten sind. Durch anwendungstechnische Maßnahmen wie Handschuhpflicht für das Reinigungspersonal ist jeder direkte Kontakt mit der Desinfektionslösung zu verhindern. Ein Desinfektionsverfahren darf nicht mit Explosions- oder Feuergefahr verbunden sein, wie das bei unsachgemäßer Anwendung alkoholhaltiger Mittel der Fall sein kann. Wirkstoffe zur Flächendesinfektion Die im Folgenden angeführten Wirkstoffe finden allein oder in Kombination in vielen handelsüblichen Flächendesinfektionsmitteln Anwendung: • Glutaral, Flächendesinfektion:Wirkstoffe Formaldehyd und Glyoxal, meist in Kombination Glutaral:Flächendesinfektionuntereinander und gemeinsam mit tensidischen Wirkstoffen. Diese Formaldehyd:FlächendesinfektionProduktgruppe weist ein breites Wirkspektrum ohne wesentliche Lücken auf und ist,Glyoxal:Flächendesinfektion insbesondere bei ausreichendem Formaldehydanteil, auch für Situationen mit stärkerer organischer Belastung des Desinfektionsguts geeignet. Zu beachtende Nachteile sind Schleimhautreizung bei großflächigem Einsatz und schlechter Belüftung sowie Hautreizungen bei Kontakt mit der Gebrauchslösung. Anwendung daher in richtiger Dosierung, nicht in heißem oder warmem Wasser (Geruchsbelästigung) und nicht ohne Handschuhe. • Phenolderivate wirken verhältnismäßig rasch, werden durch organische Begleitstoffe nur mäßig gehemmt und weisen ein breites Wirkungsspektrum auf. Gegen Enteroviren ist ihre Wirkung Phenol(e):Flächendesinfektionnur gering. Die Kombination mit waschaktiven Substanzen ist möglich. Wegen der Gefahr, bei Neugeborenen und Frühgeborenen eine Hyperbilirubinämie zu verursachen, werden sie in diesen Abteilungen nicht eingesetzt. • Amphotenside, Quats und Amine haben eine gute Reinigungswirkung Amine:Flächendesinfektionund sind wenig aggressiv, besitzen aber ein eingeschränktes Quats:FlächendesinfektionWirkungsspektrum (Schwächen gegenüber Pilzen, Mykobakterien und Amphotenside:FlächendesinfektionViren) und einen deutlichen Eiweißfehler. In Kombination mit guten Reinigungsmethoden und bei langen Einwirkzeiten ergibt sich eine akzeptable Desinfektionswirkung. Im Krankenhaus kann ihr Einsatz nur in Niedrigrisikobereichen und nur im Zusammenhang mit optimalen Reinigungsmethoden akzeptiert werden. • Natriumhypochlorit und organische Chlorabspalter (Chloramine, Di- und Trichlorisocyanurate usw.) Natriumhypochlorit, Flächendesinfektion wirken rasch und besitzen ein breites Wirkungsspektrum mit guter virozider Wirkung. Wegen der starken Chlorzehrung durch organische Substanzen Chlorabspalter, organische, Flächendesinfektiondürfen sie nur auf reinen oder vorgereinigten Flächen verwendet werden. Kombiniert mit Scheuermitteln eignen sie sich gut zur Reinigung und Desinfektion im Sanitärbereich. • Ethanol und die beiden Propanole sind in Konzentrationen wie zur Händedesinfektion auch im Ethanol:FlächendesinfektionWischverfahren rasch wirksame Flächendesinfektionsmittel mit breitem Wirkungsspektrum bei geringer Propanol(e):FlächendesinfektionBeeinträchtigung durch organische Ballaststoffe. Vor großflächiger Aufbringung oder Anwendung im Sprühverfahren ist wegen Explosions- und Brandgefahr abzuraten. • Peressigsäure und Perameisensäure eignen sich zur Anwendung an korrosionsbeständigen Oberflächen (Peressigsäure:Flächendesinfektioninsbesondere Kunststoffen) und finden in Situationen Einsatz, wo eine sporozide Wirkung Perameisensäure, Flächendesinfektiongewünscht wird (z. B. im Rahmen der Schutzisolierung bei Knochenmarktransplantation). Alternativ kommen organische Peroxide in Betracht. Richtige Dosierung von Flächendesinfektionsmitteln Die meisten Flächendesinfektionsmittel werden als Konzentrate geliefert und sind in Gebrauchsverdünnungen, häufig von 0,5 %, anzuwenden. In der Praxis macht die richtige Einstellung der Flächendesinfektionsmittel:DosierungDesinfektionslösung oft Schwierigkeiten. Bei manueller Herstellung müssen vom Reinigungspersonal Dosierhilfen verwendet werden, z. B. Messbecher mit deutlicher Markierung, Dosierpumpen, die auf den Konzentratbehälter aufgeschraubt werden, oder Beutel und Tuben, die eine auf einen Eimer Wasser abgestimmte Portion enthalten. Nicht akzeptabel ist das Zugeben eines „Schusses“ des Konzentrats nach Gutdünken. Vorsicht ist auch geboten bei der Herstellung von Konzentrationen, die nur einen oder zwei Hübe der Dosierpumpe benötigen, denn viele dieser einfachen Handpumpen dosieren erst ab dem dritten Hub richtig! Vielfach werden automatische Zumischanlagen zur Herstellung der Gebrauchslösung des Flächendesinfektionsmittels verwendet; häufig funktionieren sie aber nicht einwandfrei. Bei manchen Anlagen ist die Konzentration der abgegebenen Lösung vom Wasserdruck abhängig oder es wird übersehen, dass der Konzentratbehälter leer oder die Zumischdüse verstopft ist. In Perioden ohne Anwesenheit von Desinfektionsmittel kann es zur Ansiedlung von Bakterien, vor allem Pseudomonas-Arten, im Leitungssystem der Zumischanlage kommen (Biofilme). Diese Mikroben können eine erhöhte Chemoresistenz entwickeln. Vor allem große zentrale Anlagen, die ein ganzes Haus versorgen, neigen zu solchen Problemen und sind daher nicht zu empfehlen. Dezentrale Zumischanlagen sind besser kontrollierbar und können dort, wo ein Flächendesinfektionsmittel häufig verwendet werden muss, sinnvoll sein. Dosieranlagen sollen den technischen Anforderungen entsprechen, wie sie z. B. in Deutschland (Behrend et al. 1978) und in Österreich (Friebes und Dosch 1980) in Richtlinien festgelegt sind, und müssen regelmäßig kontrolliert werden. Reinigung und Desinfektion von Fußböden sowie Wartung der Reinigungs- und Desinfektionsutensilien Kapitel. 2.5. Desinfektion von Wänden, Decken und Einrichtungsgegenständen Wände, Decken und Einrichtungsgegenstände Desinfektion:Wändein medizinisch genutzten Bereichen des Krankenhauses müssen Desinfektion:Deckenabwaschbar sein, um sie zu reinigen und, wenn notwendig, Desinfektion:Einrichtungsgegenständedesinfizieren zu können. Wände sollen routinemäßig bis in Greifhöhe gereinigt werden. Eine Desinfektion wird nur nach Kontamination (z. B. Verspritzen infektiöser Sekrete) oder im Rahmen der Sanierung eines Raums nach Entlassung eines infektiösen Patienten für nötig erachtet (Wischdesinfektion). Patientennahe Arbeitsflächen, auf denen auch saubere Güter und Behandlungsbehelfe abgelegt werden, sollen routinemäßig wischdesinfiziert werden. Für häufig berührte Gegenstände (Türklinken, Telefonhörer etc.) ist das zumindest in epidemischen Situationen ebenfalls angezeigt. Diese Maßnahmen können aber die viel wichtigere Nichtkontamination (berührungsfreie Techniken) und die Händehygiene nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Luft Die Dekontamination der Luft soll die Entstehung aerogener Infektionen verhüten helfen. Unter Flächendesinfektion\"\r\"Flaechendesinfaerogener Infektion ist hier nicht die als Tröpfcheninfektion bekannte Übertragungsart zu verstehen, bei der z. B. Husten- oder Sprechtröpfchen der Infektionsquelle auf das Infektionsziel geschleudert werden, sondern die Übertragung, bei der Luft das die Suspension und Translokation von Mikroorganismen bewirkende Medium darstellt. Mit wenigen Ausnahmen (Tab. 2.12 ) spielt dieser Infektionsweg im Krankenhaus gegenüber den anderen Übertragungsmöglichkeiten eine untergeordnete Rolle. Eine Beziehung zwischen Luftkoloniezahl und Häufigkeit von mikrobieller Besiedelung oder Infektion von Menschen lässt sich nur in speziellen Fällen, z. B. bei großen orthopädischen Operationen, feststellen. Tab. 2.12 Beispiele für luftübertragene Krankenhausinfektionen.nosokomiale Infektion(en):luftübertrageneKrankenhausinfektionen\t\"Siehe nosokomiale Infektion(en) Infektionsquelle Übertragungsdistanz Primärer Keimträger Beispiel für Krankenhausinfektionen Personen Weit (Raum zu Raum) Kleine Tröpfchen (ca. 5 μm) (kurzlebig: < 2 min) Masern, Tuberkulose Trockene Partikel (ca. 5–10 μm) von Respirationstrakt, Haut (langlebig: Tage) Tuberkulose, Pocken Mittelweit (im selben Raum) Trockene Partikel (ca. 15–25 μm) von Nase, Haut, Exsudat (langlebig: Tage) Wundinfektionen durch Staphylo- und Streptokokken, Pilze Kurz (< 3 m) Große Tröpfchen (> 100 μm) aus Respirationstrakt (kurzlebig: < 2 min) Respiratorische Infektionen durch Pneumokokken; Infektionen durch Meningokokken, Haemophilus spp. und Virusgrippe Unbelebte Infektionsquellen Weit Kleine Partikel (< 5 μm) aus Klimaanlagen Kurz oder innerhalb des Respiratorkreislaufs Größere Partikel (> 5 μm) aus Raumluftbefeuchtern Respiratorische Infektionen durch Enterobakterien und Pseudomonaden Kleine und große Partikel Sofern aerogene Infektionen eine Rolle spielen und die Streuung der Erreger nicht schon an der Infektionsquelle blockiert werden kann (wie bei Klimaanlagen, Raumluftbefeuchtern oder Beatmungsgeräten), sollte die Blockierung des aerogenen Übertragungswegs einen positiven Effekt zeitigen. Das lässt sich entweder durch Filtration der Luft oder durch physikalische oder chemische Inaktivierung der luftgetragenen Mikroorganismen Raumluft:Filtrationerreichen. Schon ausgiebiges Lüften eines Raums kann eine Keimzahlverminderung von bis zu 80 % bewirken. Verlässlicher und mit einem besser Mikroorganismen:luftgetragene, naktivierungkalkulierbaren Wirkungsgrad werden raumlufttechnische Anlagen (RLTA) eingesetzt, z. B. in OP-Einheiten. Eine früher oft geübte Form der Luftdekontamination ist die durch UV-Strahlen. Diese Methode ist nur unter streng definierten und standardisierten UV-Strahlen:LuftdekontaminationBedingungen zuverlässig und daher heute auf sehr umschriebene Anwendungen Luftdekontamination:UV-Strahlenbeschränkt (z. B. Entkeimung von Werkbänken und Arbeitsboxen für infektiöse oder infektionsriskante Tätigkeiten). Eine chemische Luftdekontamination während des Aufenthalts von Personen im Raum durch Verdampfen oder Versprühen von Glykolen oder anderen Desinfektionsmitteln ist abgesehen vom umstrittenen Luftdekontamination:chemischemikrobioziden Effekt solcher Maßnahmen aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen. Das Risiko einer Gesundheitsschädigung durch chemisierte Atemluft steht in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen. Die Formaldehyd-Wasserdampf-Raumdesinfektion im Rahmen der Schlussdesinfektion (s. d.) ist nur in Sonderfällen indiziert und keinesfalls routinemäßig anzuwenden. 2.4.6 Organisation der Desinfektionsmaßnahmen Schwerpunkte Luftdekontamination\"\r\"LuftdesinfZunächst ist es Desinfektionsmaßnahmen\"\r\"DesinfektMassnahmennötig, Schwerpunkte festzulegen. Die verfügbaren Mittel und Kräfte müssen auf die wichtigen Infektionsüberträger konzentriert werden. Anhaltspunkte für Kriterien zur Beurteilung der Gefährlichkeit bestimmter Infektionsüberträger und entsprechende Beispiele Tabelle 2.13 . Die Desinfektion von Händen, Instrumenten und Ausscheidungsbehältern hat einen hohen Stellenwert, die von Wänden oder Fußböden einen niedrigen. Tab. 2.13 Bewertung des Infektionsrisikos, das von Gegenständen und Medien im Krankenhaus ausgehen und mit Desinfektionsmaßnahmen vermindert werden kann (mit praktischen Beispielen in Klammern).Übertragungsrisiko:niedrigesÜbertragungsrisiko:hohesInfektionsrisiko:niedrigesInfektionsrisiko:hohesInfektionsrisiko:Bewertung Risikofaktor Übertragungs- und Infektionsrisiko Hoch Niedrig Patientenkontakt Häufig und intensiv(Hände, Instrumente, patientennahe Flächen, Berührung mit Wunden und Schleimhäuten) Gering(Wände, Fußboden, kein Patientenkontakt oder Kontakt nur über gesunde Haut) Gegenstände • Kontamination durch Gebrauch Wahrscheinlich (Fäkal-, Urin-, Sekretbehälter) Unwahrscheinlich(Tablettenbehälter) • Zeit bis zur nächsten Verwendung Kurz (Ambulanzinstrumente) Lang (selten gebrauchte Spezialinstrumente) • Aufbewahrung nach Gebrauch Feucht Trocken • Reinigung und Desinfektion Schwierig (englumige Sonden) Einfach (gut zu reinigende Gegenstände aus beständigen Werkstoffen) • Kontaminationsschutz für Reingut Nicht vorhanden (unverpackte Aufbewahrung) Gut (Desinfektion in geeigneter Verpackung) Zusätzlich zu Desinfektionsmaßnahmen muss in der Praxis entschieden werden, ob eine Sterilisation nötig ist (bei Kontakt mit Gewebe, Blut oder sterilen Körperhöhlen) oder ob Einmalware zu bevorzugen ist. Verfahrensauswahl Bei der Auswahl eines Desinfektionsverfahren:AuswahlDesinfektionsverfahrens werden die Weichen für den späteren Erfolg oder Misserfolg gestellt. Qualität und Kapazität eines Verfahrens, seine Kompatibilität mit bestehenden Systemen, Verfügbarkeit und Qualität eines Kundendienstes, Verfügbarkeit des notwendigen Personals und Verfügbarkeit der nötigen Betriebsmittel sind einige Faktoren, die vor der Anschaffung geklärt sein müssen. Vorkehrungen für Zuverlässigkeit und Sicherheit im praktischen Betrieb Desinfektionsgeräte bedürfen der Abnahmeprüfung durch Fachleute, um durch Transportschäden oder Installationsfehler bedingte Mängel zu entdecken. Jedes Desinfektionsverfahren ist nur so gut wie seine Gebrauchsanweisung. Die wichtigsten Bedienungs-, Kontroll- und Schutzanweisungen müssen dem Anwender jederzeit in kurzer, Desinfektionsverfahren:Gebrauchsanweisungverständlicher und leicht lesbarer Form zur Verfügung stehen. Komplizierte maschinelle Verfahren erfordern neben einer schriftlichen Betriebsanleitung eine persönliche Einführung oder einen eigenen Ausbildungskurs für das Bedienungspersonal. Laufende Desinfektionsverfahren:KontrollenFunktionskontrollen sind sehr wesentlich, weil bereits geringgradige Änderungen der Betriebsbedingungen die Wirksamkeit von Desinfektionsverfahren stark beeinträchtigen können. Mikrobiologische Kontrollen besitzen zwar eine hohe Aussagekraft, sind aber meist zu aufwändig und beschränken sich daher in der Regel auf die periodischen behördlichen Kontrollen von Desinfektionsmaschinen durch Fachleute. Deshalb haben die genaue Festlegung und laufende Kontrolle der beobachtbaren oder messbaren Bedingungen (Temperatur, Einwirkzeit, Druck bei Wasserdampf, Art und Konzentrationseinstellung bei chemischen Wirkstoffen, Reinigungseffekt, Beachtung von Beschickungsart, Chargengröße und evtl. Ablauffristen; Prozessvalidierung) besondere Bedeutung für die tägliche Praxis. Bei Reinigungs-Desinfektions-Geräten (RDG) sind automatisierte technische Funktionskontrollen, die bei Abweichung der kontrollierten Bedingung eine Fehlermeldung oder eine automatische Kompensation einleiten, wünschenswert. Behandelte Güter sind zu kennzeichnen, damit desinfizierte Gegenstände nicht mit noch nicht desinfizierten verwechselt werden. Dazu sind Behandlungsindikatoren in Form beigelegter Kartonkärtchen oder präparierter Verpackungsmaterialien, die durch die Desinfektion charakteristisch verändert werden, geeignet. Die zu einem Desinfektionsverfahren gehörigen technischen Behelfe und Maschinen bedürfen der ständigen Wartung und Instandhaltung. Inspektionen durch den Werkkundendienst, die nur beim Auftreten von Mängeln bestellt werden, reichen nicht aus. Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten müssen laufend stattfinden, damit Mängel gar nicht erst auftreten. Diese Arbeiten sollen in festgelegten Zeitintervallen und nach einem standardisierten Schema (Checkliste) vorgenommen werden. Zur Vermeidung von Unfällen (Unfallrisiko durch gespannten Dampf, Heißwasser oder gefährliche chemische Wirkstoffe) sind strenge Sicherheitsvorkehrungen schriftlich festzulegen.Desinfektionsverfahren:Vorkehrungen, Sicherheit/Zuverlässigkeit\""\r""DesinfVerfVorkehrSich Desinfektionsverfahren und Qualitätssicherung Durch das Medizinproduktegesetz (MPG) und verwandte Regulative sind Gesundheitseinrichtungen angehalten, auch die Desinfektion im Rahmen der Desinfektionsverfahren:QualitätssicherungGüteraufbereitung als validierte Prozesse zu führen und die Einhaltung der überprüften Verfahrensparameter bei jedem Arbeitsgang zu kontrollieren. Dazu existieren in Deutschland, Österreich und der Schweiz entsprechende Verordnungen und Leitlinien. Insbesondere zur maschinellen Aufbereitung existieren europäische Normen (EN ISO 15.883, Teile 1–5) sowie darüber hinaus nationale Regulative. Nähere Informationen dazu bieten z. B. folgende Institutionen: österreichische, deutsche und schweizerische Gesellschaften für Sterilgutversorgung (www.oegsv.com, www.dgsv-ev.de, www.sgsv.ch), RKI Berlin (www.rki.de), deutsche und schweizerische Gesellschaften für Krankenhaushygiene (www.dgkh.de, www.sgsh.ch), Österr. Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (www.oeghmp.at). Aufbereitungskreislauf für Güter Zu desinfizierende Güter müssen so aufbereitet werden, dass eine direkte oder indirekte Kontamination reiner Gegenstände durch unreine grundsätzlich vermieden wird. Die einzelnen Schritte des Aufbereitungskreislaufs müssen daher so organisiert werden, dass reine Arbeiten von unreinen möglichst gut getrennt sind, z. B. durch • Güteraufbereitungskreislaufräumliche und personelle Trennung, • Durchführung reiner Arbeiten vor unreinen, • Vermeidung unnötiger Kontakte bei unreinen Arbeiten (Schutzkleidung, RDG, berührungsarme Bedienung von Türen und Maschinen), • Vorkehrungen zur kontaminationsarmen Einsammlung gebrauchter Schutzkleidung, • Handwaschbecken, die die ordnungsgemäße Reinigung und Desinfektion der Hände zulassen, • Vorkehrungen zur wirksamen Flächendesinfektion. Zentralisierte Organisationsform Mit gutem Grund hat man in neueren Krankenhäusern die Aufbereitung von Instrumenten, Behältern und Geräten zentralisiert. Die Zusammenfassung einer großen Zahl Desinfektionsverfahren:Organisation, zentraleähnlicher Aufgaben an einem Ort bringt entscheidende Vorteile, die bei weitem einige Nachteile zentraler Organisationsform überwiegen (Tab. 2.14 ). • Hygienische Anforderungen an räumliche Gestaltung und Arbeitsabläufe lassen sich leichter realisieren. • Leistungsfähige RDG ersetzen eine Vielzahl dezentral laufender Kleingeräte und werden durch einen begrenzten, gut geschulten Personalstab richtig bedient. • Wartung der Geräte und Kontrolle der Arbeitsabläufe sind wesentlich besser überschaubar. • Der Bedarf an spezifisch geschultem Personal ist wesentlich kleiner als bei dezentraler Ausführung. Tab. 2.14 Entscheidungskriterien für zentrale und dezentrale Reinigung und Desinfektion (nach Koller 1981). Zentrale Organisation bedeutet: Kriterium (unverzichtbare Kriterien fett) Dezentrale Organisation bedeutet: Leichter realisierbar Trennung rein – unreinEinbahnsystem unrein → reinÜberwachung, Qualitätskontrolle, Zusammenarbeit mit HygienikerNormierung der ArbeitsabläufeBetriebsorganisationLeistungsfähige, hochwertige RDGWartung und Kontrolle der RDG Schwerer realisierbar Massenabfertigung gleichartiger GegenständeZufuhr großer Wasser-, Energie- und LuftmengenSpezielle Abwasserbehandlung (Entgiftung, Wärmerückgewinnung, Desinfektion)Vorgepackte Sets von Gegenständen, die für einen Arbeitsgang nötig sindÄnderungen bestehender PraktikenSchulung der zuständigen Personen Schwerer realisierbar Individuelle Handhabung Leichter realisierbar Klein Bedarf an spezifisch geschultem Personal Groß Groß Transportwege und damit verbundene Risiken (Infektion, Beschmutzung, Beschädigung, Verletzung u. Ä.)Quote des durch Reinigungs- und Desinfektionszyklus blockierten GutsJeweils bewältigbare Tagesstückzahlen Klein 2.5 Flächendesinfektion und desinfizierende Reinigung Desinfektionsmaßnahmen:Organisation\""\r""DesinfVerfOrgAxel Kramer, Sylvia Ryll und Sebastian Desinfektion:unbelebte Materialien\""\r""DesinfunbelebtMatKramer Flächendesinfektion bzw. desinfizierende Reinigung zielen darauf ab, die Verbreitung von Krankheitserregern während der Pflege und Behandlung von Patienten einzuschränken bzw. zu verhindern und zugleich optische Sauberkeit zu gewährleisten bzw. bei aseptischen Arbeitsprozessen das erforderliche erregerarme Umfeld zu gewährleisten. Im Unterschied dazu dient die Reinigung der Entfernung von Verunreinigungen, ohne dass bestimmungsgemäß eine Abtötung/Inaktivierung von Mikroorganismen stattfindet. Durch die desinfizierende Reinigung wird eine signifikant höhere Effektivität als durch die mechanische Reinigung erreicht. Zugleich kommt es bei Anwendung von Reinigungsverfahren bei wiederholter Benetzung mit der gleichen Reinigungsflotte zu erheblicher mikrobieller Kontamination von Flotte und Utensil, was bei Einsatz von Desinfektionsmitteln nicht der Fall ist. Auf gereinigten Flächen waren Problemerreger bei Verwendung von Reinigungslösungen insgesamt häufiger nach weisbar als bei Verwendung von Desinfektionsmittellösungen (Quellenangaben jeweils in Christiansen et al. KRINKO 2004). 2.5.1 Risikobewertung von Flächen als Kontaminationsquelle Ist im Einzelfall strittig, welches Maß an Vorsicht zur Infektionsprävention erforderlich ist, sind grundsätzlich die Maßnahmen auszuwählen, die mit vertretbarem Aufwand zur Eliminierung von Krankheitserregern bzw. der potenziellen Infektionsquelle führen. Typisches Beispiel ist die Flächendesinfektion. Ihre infektiologische Bedeutung wird durch die von der Erkrankung abhängige Freisetzung von Krankheitserregern in die Umgebung (Tab. 2.15 ), deren Menge und Persistenz in der Umgebung (Tab. 2.16 ) sowie von der Infektionsdosis und der Immunkompetenz des Patienten bestimmt. Tab. 2.15 In der Umgebung Erkrankter nachgewiesene Krankheitserreger (Kramer et al. 2006)Krankheitserreger\t\"Siehe ErregerErreger:patientennaheErreger:in der Umgebung ErkrankterErreger:Griffkontaktflächen Flächen Erreger Patientennah HAV, Noro-, RS-Viren, Fäkalcoliforme, Shigella, C. difficile, S. marcescens, Acinetobacter, S. faecalis, Enterobacter, S. aureus Patientennah einschließlich Fußboden Rotaviren, VRE, MRSA, Pilze Griffkontkaktflächen(Türklinke, Bettenholm, Nachttisch, Telefon, Lichtschalter, PC-Display, Wasserhahn) Rotaviren, A. baumannii, P. aeruginosa, MRSA, VRE, Enterokokken, Enterobacter, E. coli, Klebsiella, Proteus, weitere gramnegative Bakterien Tab. 2.16 Persistenz klinisch relevanter Erreger auf trockenen, unbelebten Oberflächen (Kramer et al. 2006).Erreger:Persistenz, trockene, unbelebte Oberflächen Species Persistenzdauer (Spanne) Bakterien Klebsiella spp. 2 Stunden bis > 30 Monate P. aeruginosa 16 Stunden bis 16 Monate, auf trockenem Fußboden 5 Wochen E. coli 1,5 Stunden bis 16 Monate S. aureus einschl. MRSA 7 Tage bis 7 Monate Enterococcus spp. einschl. VRE und VSE 5 Tage bis 4 Monate M. tuberculosis 1 Tag bis 4 Monate S. typhimurium 50 Monate C. jejuni 6 Tage S. pneumoniae 1–20 Tage Pilze T. glabrata 102–150 Tage C. albicans 1–120 Tage C. parapsilosis 14 Tage Viren Adenovirus 7 Tage bis 3 Monate Vaccinia-Virus 3–20 Wochen Herpes-simplex-Virus, Typ 1 und 2 4,5 Stunden bis 8 Wochen HAV 2 Stunden bis 60 Tage Papovavirus 8 Tage HBV, HIV > 1 Woche Norovirus und Felines-Calici-Virus 8 Stunden bis 7 Tage SARS-assoziierter Coronavirus 3–4 Tage Influenzavirus 1–2 Tage Während die Kontamination auf reinen Arbeitsflächen aufgrund der vor einer Tätigkeit durchgeführten Flächendesinfektion wegen der präparatabhängig vorhandenen remanenten Wirkung bei aseptischer Arbeitsweise für längere Zeit nicht relevant ansteigt, sind auf häufig berührten Oberflächen ohne zwischenzeitliche Desinfektion, z. B. auf PC-Tastatur, Box zur Entnahme von Mund-Nasen-Schutz, Türklinke, ≥ 60 KbE/cm2 einschließlich potenzieller Pathogene nachweisbar. Im Unterschied dazu sind selten berührte Flächen wie Gardinen und Lamellenvorhänge als Kontaminationsquelle ohne Bedeutung (Daeschlein et al. 2004) und nur bei sichtbarer Kontamination zu desinfizieren, wobei in diesem Fall Gardinen einem Desinfektionswaschverfahren zuzuführen sind. Ansonsten ist in Abhängigkeit von der Lage des Krankenhauses (Verkehrsknotenpunkt, Parkgelände) die etwa halbjährliche Reinigung als ausreichend anzusehen. Da sog. Feuchteerreger wie S. liquefaciens, E. cloacae u. a. Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, B. cepacia, S. maltophilia, Acinetobacter spp. sich in Wasserresten vermehren können, Feuchteerregermüssen derartige Reservoire eliminiert werden. Krankheitserreger können von kontaminierten Flächen auf folgenden Wegen weiterverbreitet werden: • über die Hände des Personals bei Nichteinhaltung der Händehygiene (es ist zu Erreger:Weiterverbreitungberücksichtigen, dass die Compliance der Händedesinfektion im Durchschnitt 50 % nicht übersteigt), • durch Kontakt des Patienten mit der Fläche (Hände, barfuß beim Verlassen des Betts, Hautkontakt z. B. bei Diagnostik), • über kontaminierte MP, z. B. nach Zwischenablage auf kontaminierter Fläche, • erregerabhängig auch aerogen durch Aufwirbelung im Umkreis von etwa 1,2 m mit nachfolgender Sedimentation über Stunden. Umgekehrt ist auch die Rückübertragung von kontaminierten Händen auf Flächen nachgewiesen, z. B. von Viren auf 5 weitere Oberflächen oder 14 Gegenstände (von Rheinbaben et al. 2000). Bei der von Flächen ausgehenden Risikobewertung ist zu berücksichtigen, dass sich die zur Auslösung einer Infektion erforderliche Infektionsdosis erregerabhängig z. T. deutlich unterscheidet. Sie beträgt z. B. für Enteritis-Salmonellen in der Regel > 105 Erreger, während sie für Noroviren und C. difficile bei 10–100 infektiösen Einheiten liegt (Christiansen et al., KRINKO 2004). Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Stellenwert der Flächendesinfektion zur Infektionsprävention mit zunehmender Distanz zum Patienten abnimmt. Folgendes Beispiel unterstreicht den Beitrag der Flächendesinfektion zur Aseptik. In einem Eingriffsraum konnte durch Desinfektion aller Flächen einschließlich des Inventars nach dem letzten Eingriff und anschließende Abhängung nicht aus dem Raum herausnehmbarer Geräte und des Inventars mit sterilen OP-Tüchern die Raumluftqualität von Reinraumklasse C zu Reinraumklasse B verbessert werden (Below et al. 2010). 2.5.2 Indikationen Bei mutmaßlicher oder sichtbarer Flächenkontamination Flächen:Risiko als Infektionsquelle\""\r""FlaechenRisikobewist die sog. gezielte oder anlassbezogene Desinfektion durchzuführen. Hierbei ist die Chemoresistenz des mutmaßlichen Erregers zu beachten (z. B. Flächendesinfektion:anlassbezogeneM. tuberculosis, C.-difficile-Sporen, Noroviren, Prionen). Sie ist Flächendesinfektion:gezielteindiziert bei Kontamination mit Blut und weiteren Se- und Exkreten, bei Ausbruchsituationen und Auftreten multiresistenter oder hochinfektiöser Erreger. Durch die Ausbreitung von MRE hat die Flächendesinfektion innerhalb der Multibarrierenstrategie zur Prävention von NI an Bedeutung gewonnen, weil sich herausgestellt hat, dass die Flächendesinfektion zur Beherrschung von Ausbrüchen unverzichtbar ist und es bei alleiniger Reinigung zur Weiterverbreitung der Erreger kommt. Das betrifft insbesondere MRSA u. a. MRE, aber auch A. baumannii, C. difficile, P. aeruginosa, Noro- und Rotaviren (Kramer et al. 2006). Durch routinemäßige (auch sog. laufende oder prophylaktische) Flächendesinfektion:routinemäßige Flächendesinfektion:prophylaktische Flächendesinfektion:laufendeDesinfektion soll die Weiterverbreitung von auf Flächen gelangten Krankheitserregern, ohne dass die Kontamination erkennbar ist, während Pflege und Behandlung unterbunden werden. Die Entscheidung Reinigung oder Desinfektion ist davon abhängig zu machen, ob es sich um patientennahe oder -ferne Flächen mit häufigem oder seltenem Hand-/Hautkontakt (z. B. Fußböden, Wände, Lüftungsauslässe, Lampen, Heizkörper) handelt, sowie von der Infektionsanfälligkeit des Patienten. Sofern Flächen nacheinander in Hautkontakt mit verschiedenen Patienten kommen (z. B. Wickeltisch, Untersuchungsliege, Badewanne, Toilettenstuhl), ist die Kontaktfläche vor jedem neuen Patienten einer Wischdesinfektion zu unterziehen. Ansonsten ist für die Festlegung von Desinfektionsmaßnahmen die Unterscheidung von Risikobereichen hilfreich (Tab. 2.17 ). Bei der WischdesinfektionEntscheidung, ob routinemäßig eine Reinigung oder eine desinfizierende Reinigung durchgeführt werden soll, müssen auch Praktikabilität und sichere Durchführbarkeit berücksichtigt werden (Vorschlag zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für ein Reinigungsunternehmen Online-Ergänzung 2.5 beigefügt). Tab. 2.17 Abwägung der Indikationsstellung Reinigung oder Desinfektion in Abhängigkeit vom Risikobereich Kein erhöhtes Infektionsrisiko MöglichesInfektionsrisiko BesonderesInfektionsrisiko Patient mit kritischem Erreger + Risiko der Weiterverbreitung Hohes Infektionsrisiko für Personal Treppenhäuser, Flure, Verwaltung, Büros, Speiseräume, Hörsäle, Unterrichtsräume, technische Bereiche Allgemeinstation, Ambulanzbereiche, Radiologie, physikalische Therapie, Sanitärräume, Dialyse, Entbindung OP-Abteilung, Eingriffraum, Intensivtherapie (z. B. Langzeitbeatmung, Frühgeborene), Transplantationseinheit (z. B. KMT, Stammzellen) Isolierbereiche/-pflege,Funktionsbereiche, in denen Patienten behandelt werden MikrobiologischeLaboratorien, Pathologie, Entsorgung, unreiner Bereich, Wäscherei und ZSVA Reinigung Flächen mit häufigem Hand-/Hautkontakt:DesinfektionFußböden:Reinigung (ggf. Desinfektion),Sonstige Flächen:Reinigung Flächen mit häufigem Hand-/Hautkontakt:DesinfektionFußböden:Desinfektion,Sonstige Flächen:Reinigung Gemäß TRBA 250 (mod. nach Christiansen et al. KRINKO 2004). In OP-Einheiten werden zwischen zwei Operationen die Flächen im Arbeitsbereich um den OP-Tisch, die Verkehrswege im OP-Raum und alle Kontaktflächen desinfiziert. Sofern die Wände nicht sichtbar kontaminiert sind, entbehrt die noch anzutreffende Empfehlung, nach Beendigung des OP-Programms im OP-Saal eine Wischdesinfektion der Wände bis zur Höhe von 2 m durchzuführen, ihrer experimentellen oder epidemiologischen Grundlage. In Abhängigkeit von der Raumlufttechnik, dem OP-Spektrum und der experimentell ermittelbaren Dynamik der mikrobiellen Belastung der Wände kann der Krankenhaushygieniker den Rhythmus festlegen (z. B. monatlich). Bei nachgewiesener funktionierender Verdrängungslüftung (Raumklasse IA) ist die gezielte Desinfektion als ausreichend anzusehen, d. h., es kann auf die Fußbodenwischdesinfektion zwischen zwei Eingriffen zumindest in einem Augen-OP verzichtet werden (Knochen et al. 2010). In Reinräumen (z. B. Apotheke, Herstellung von Blutprodukten, Hornhautbank, Stammzellpräparation) und in OP-Einheiten/Eingriffsräumen sind Umfang und Rhythmus der desinfizierenden Flächenreinigung im Ergebnis des gemeinsamen Risk Assessments durch den jeweiligen Fachvertreter und den Krankenhaushygieniker festzulegen. Flächen, auf denen aseptische Arbeiten ausgeführt werden, sind grundsätzlich desinfizierend zu reinigen. In Küchen und Milchküchen gelten die Vorgaben des Lebensmittelrechts. Bei erhöhter Infektionsgefährdung sowie sichtbarer Kontamination sollte zur Flächendesinfektion gemäß Empfehlung der VAH-Desinfektionsmittelliste mindestens die Konzentration des 1-h-Werts eingesetzt werden. Als anlassbezogene Schlussdesinfektion bezeichnet man die gezielte Desinfektion eines Raums oder Bereichs einschließlich der in ihm vorhandenen Oberflächen und Gegenstände nach erfolgter Pflege oder Behandlung eines infizierten bzw. mit hochkontagiösen Erregern besiedelten Patienten. Durch die Schlussdesinfektion soll das Patientenzimmer nach Entlassung des Patienten ohne Infektionsgefährdung für den nächsten Patienten zur Verfügung stehen. Wird ein Patient mit einer hochkontagiösen Infektionserkrankung operiert, kann eine Schlussdesinfektion des OP-Saals erforderlich sein. So sollte z. B. nach Eingriffen bei MRSA-Patienten die desinfizierende Zwischenreinigung auf das patientenferne Umfeld auch ohne sichtbare Kontamination ausgedehnt und die Einwirkungszeit vor Richten der neuen OP abgewartet werden. Alle Personen müssen sich im Fall einer neuen OP für diese aus- und wieder einschleusen, um die benutzte Bereichskleidung einschließlich Maske und Haarschutz zu wechseln. Die OP-Schuhe werden direkt beim Verlassen des OP-Saals abgelegt/gewechselt, um eine Weiterverbreitung über die Korridore zu verhindern. Die Schlussdesinfektion erstreckt sich je nach Erkrankung bzw. Krankheitserreger auf die patientennahen und alle weiteren Oberflächen und Gegenstände, für die eine Kontamination anzunehmen bzw. möglich ist. Organisation, Auswahl der Reinigungs- und Desinfektionsmittel und -verfahren sowie die Häufigkeit müssen im Einvernehmen mit dem Krankenhaushygieniker/der HFK im Hygieneplan festgelegt werden. Im Alten- und Pflegeheim gelten vom Grundsatz her die gleichen Anforderungen an die desinfizierende Reinigung wie im Patientenzimmer, wenn Patienten mit erhöhter Infektionsgefährdung behandelt, bei Kolonisation z. B. mit MRSA saniert oder als Ausscheider von Infektionserregern versorgt werden. 2.5.3 Durchführung Flächendesinfektion:Indikationen\"\r\"FlaechendesIndFür die Durchführung der desinfizierenden Reinigung desinfizierende Reinigung:Indikationen\"\r\"FlaechendesIndsind folgende Gesichtspunkte einzuhalten (Christiansen et al. KRINKO 2004): • Das Präparat wird durch Wischdesinfektion auf die Fläche aufgebracht und mechanisch verteilt. Sprühapplikation ist wegen der inhalativen Gefährdung und des fehlenden Reinigungseffekts nur in Ausnahmefällen (schlecht zugängliche Flächen) durchzuführen. • Die Fläche wird vollständig benetzt („nebelfeuchtes“ Wischen ist nicht ausreichend). Um die Wirkung zu gewährleisten, darf das aufgetragene Desinfektionsmittel nicht durch Nachwischen mit Wasser oder Trockenwischen entfernt werden. • Da verschmutzte Desinfektionslösungen an Wirksamkeit verlieren, darf die Entnahme nur mit frischen, sauberen Lappen, Tüchern, Mopps oder Ähnlichem erfolgen. Alternativ können konfektionierte, mit Desinfektionslösung getränkte Vliestücher eingesetzt werden ( Online-Ergänzung 2.5). • Bei der Anwendungsdauer von Gebrauchslösungen sind die Herstellerangaben einzuhalten (meist maximal 1 Arbeitstag). • Verwendete Bezüge/Tücher sollen hohe Aufnahmefähigkeit für Flüssigkeit haben, beständig gegen Reinigungsdetergenzien und Desinfektionsmittel, möglichst wenig flusend und bei hoher Temperaturbeständigkeit leicht aufzubereiten sein. • Alkoholische Präparate dürfen wegen der Brandgefahr nur auf kleinen Flächen eingesetzt werden. • Übrig gebliebene Gebrauchslösungen sollten wegen des Risikos der Konzentrationsabnahme und unnötiger Raumluftbelastung nicht offen stehen bleiben. Die einfachste Variante des einstufigen Vorgehens mittels Tauchmethode beinhaltet folgende Arbeitsschritte: • Füllen der Wanne mit Desinfektionsmittellösung. • desinfizierende Reinigung:TauchmethodeMopp auf Überschwappdeckel legen, am Klapphalter befestigen und Tauchmethodemittels Dosierhebel mit Desinfektionsmittellösung befeuchten. • Im hinteren Teil des Raums beginnen, zuerst mit Ecken und Kanten, Wasserspritzer vermeidend, anschließend überstellte Flächen (unter Betten, Sitzmöbeln, Heizung), dann in Achterbewegungen rückwärts zum Eingang wischen, alle Flächen benetzen. • Mopp bei starker Verschmutzung schon vor Beendigung des Patientenzimmers wechseln und Wechsel nach jedem Raum. • Nach Beendigung Mopp an den Mopptaschen entnehmen, um nicht die verschmutzten Fransen zu berühren, und in Wäschesack geben. • Lose aufliegenden Schmutz, der sich durch das Wischverfahren am Eingang befindet, mit Handfeger und Kehrschaufel aufnehmen. • Auswaschen von Wanne, Mopphalter und Einlagesieb am Schichtende mit klarem Wasser, Flottenwagen mit Tuch reinigen. Benutzte oder verschmutzte Bodenwischbezüge dürfen nicht erneut in die Reinigungsflotte eingetaucht werden. Für die Reinigung bzw. desinfizierende Reinigung soll durch unterschiedliche Farbgebung die bereichsbezogene Nutzung der Tücher gewährleistet werden, z. B. für • Toiletten (inkl. Spritzbereich und Toilettenbürstenhalter): rotes Tuch, • Oberflächen im Patientenzimmer und vom Mobiliar: blaues Tuch, • restlicher Sanitärbereich (Waschbecken, Duschen, Fliesen): gelbes Tuch. Für die Reinigung eines Patientenzimmers ist folgender Ablauf einzuhalten: • Oberflächenreinigung der Nasszelle,Reinigung:Patientenzimmer • Oberflächenreinigung des Mobiliars, • Bodenreinigung. Patientenzimmer:ReinigungFür die Wiederbenutzung desinfizierter Flächen gelten folgende Gesichtspunkte: • Nach routinemäßiger Fußbodendesinfektion, sobald die Fläche sichtbar trocken ist; falls vorher erforderlich, Rutschgefahr beachten. • Die Einwirkzeit vor Wiederbenutzung ist in folgenden Situationen abzuwarten: bei Desinfektion gemäß § 18 IfSG; bei Desinfektion patientennaher Kontaktflächen, bevor der nächste Patient damit in Kontakt kommt, sofern die Möglichkeit besteht, dass Krankheitserreger direkt von der Fläche, z. B. über Wunden, in den menschlichen Körper eingetragen werden können (z. B. Arbeitsfläche Verbandwagen, Inkubator, Wickeltisch, Stethoskop, Arbeitsfläche zur Zubereitung von Infusionen); bei Badewannen, weil die Desinfektion durch Einlaufen des Wassers beendet wird (Risiko v. a. bei nicht völlig verheilten Wunden und in der Geburtshilfe); bei Desinfektionsmaßnahmen im Lebensmittelbereich (z. B. Krankenhausküche), wenn nach der Desinfektion mit Trinkwasser nachgespült werden muss. Die Flächenreinigung und -desinfektion ist so zu realisieren, dass keine Weiterverbreitung von Flächenreinigung:AnforderungenKrankheitserregern stattfindet. Dazu tragen folgende Voraussetzungen bei (Flächendesinfektion:AnforderungenChristiansen et al., KRINKO 2004): • Vor allem Reinigungs-, aber auch Desinfektionslösungen, in die der Wischlappen nach Abwischen von Flächen erneut eingetaucht wird, sind schnell kontaminiert. Zur Vermeidung des Wiedereintauchens benutzter Bezüge sind verschiedene Verfahren geeignet (z. B. Bezugwechselverfahren oder Promop-System, ein einstufiges Wischverfahren, bei dem die maschinell gewaschenen und mit Desinfektionslösung präparierten Mopps/Tücher abgezählt in festen, verschließbaren Boxen angeliefert und vor Ort entnommen werden). Die sog. Eineimermethode ist abzulehnen. Bei Putztüchern für kleine Flächen sind analoge Anforderungen einzuhalten. • Reinigungsutensilien und Feuchtwischbezüge müssen nach Anwendung desinfizierend (vorzugsweise in thermischen Desinfektionswaschverfahren) aufbereitet und getrocknet werden. Sie dürfen wegen der Gefahr der Vermehrung sog. Feuchtbakterien nicht nass aufbewahrt werden. • Sofern die Aufbereitung von Reinigungsutensilien nicht möglich ist, sind Einmalwischtücher bzw. -wischbezüge zu verwenden. Zur Aufbereitung gebrauchter Utensilien müssen ausreichend groß bemessene, belüftbare Räume mit apparativer Ausstattung zur Aufbereitung ggf. einschließlich Trocknungsmöglichkeit (falls nicht schon im Aufbereitungsprozess) vorhanden sein. Die aufbereiteten Utensilien sind geschützt vor Kontamination (Trennung unreiner/reiner Bereich) aufzubewahren (Christiansen et al. KRINKO 2004). Reinigung eines Patientenzimmers Allgemeiner Ablauf: Reinigungswagen vor dem zu reinigendem Zimmer seitlich abstellen und darauf achten, Reinigung:Patientenzimmerdass die Wege frei bleiben. Warnschild „Rutschgefahr“ im Flur Patientenzimmer:Reinigungaufstellen. Vor Betreten des Patientenzimmers klopfen und beim Eintreten grüßen. Die Reinigung eines Zimmers beginnt grundsätzlich mit der Müllentleerung, dann Reinigung der Oberflächen (zuerst Sanitärbereich, dann Zimmer), erst danach Reinigung des Fußbodens. Reinigungstuch immer 4-fach falten; sobald eine Seite verschmutzt ist, Reinigungstuch wenden und nächste saubere Seite verwenden Grundsätzlich Reinigungstätigkeiten von oben nach unten, von hinten nach vorn und von sauber zu schmutzig durchführen. Oberflächenreinigung im Patientenzimmer: Abfallbeutel entleeren, verschließen und am Reinigungswagen entsorgen. Neuen Beutel Patientenzimmer:Oberflächenreinigungeinsetzen, nicht in Abfalleimer hineingreifen, Abfall in den Behältnissen nicht von Oberflächenreinigung:PatientenzimmerHand eindrücken! Mit blauem vorgetränktem Reinigungstuch folgende Oberflächen reinigen: Lichtleisten, Fensterbank, Tische, Stühle, Wandschmuck, Abfalleimer außen, Schalter, Dosen, Stromleisten, Türgriffe, Türen im Griffbereich (Desinfektion), Fernseher, Außenbereiche der Schränke im Griffbereich. Falls Waschbecken im Patientenzimmer, mit gelben Tuch reinigen. Grundsätzlich nach jedem Patientenzimmer verwendete Tücher abwerfen. Oberflächenreinigung in der Nasszelle: Abfalleimer wie im Patientenzimmer entsorgen. WC spülen, dann WC-Reiniger in WC-Becken, Urinal und Nasszelle, Oberflächenreinigungunter den Spülrand spritzen und einwirken lassen, Toilettenbürste in Oberflächenreinigung:Patientenzimmerdas WC-Rohr stellen. Die Reinigung ist immer von oben nach unten durchzuführen. Während der Einwirkzeit mit gelben Reinigungstuch erst den Spiegel, dann die Ablage und danach Waschbecken mit Armatur und Spritzbereich reinigen, danach alle sonstigen Oberflächen, ggf. Spiegel mit trockenem gelbem Reinigungstuch nachpolieren, anschließend Sitzhilfen und Abfalleimer mit gelbem Reinigungstuch reinigen. Danach Toilette gründlich nachbürsten und Wasser nachspülen, dann mit rotem Reinigungstuch WC-Brille und Becken außen sowie den Spritzbereich um das Becken reinigen. Nach jedem Sanitärraum Reinigungstücher in das Netz am Reinigungswagen abwerfen. Seife und Papier auffüllen. Desinfektion bei Ausbruch oder MRE-Isolierung Ablauf: Vor dem Betreten MRE:Ausbruch, Desinfektiondes Patientenzimmers Herstellung der Desinfektionslösung durch MRE-Isolierung, Desinfektionden Reinigungsdienst: abhängig vom Zeitraum zur Wiederbelegung (muss Erreger:multiresistente\t\"Siehe MREReinigungsdienst vom Stationspersonal vor Ansetzen der Lösung mitgeteilt werden) Auswahl der Konzentration für den 5-, 15- oder 30-Minuten- oder 1-Stunden-Wert. Schutzkittel, ggf. Mund-Nasen-Schutz und Handschuhe in der Schleuse anlegen, am Ende entsorgen und abschließende Händedesinfektion. Benutzte Wäsche mindestens täglich entsorgen. Der Wäschesack ist im Schleusungsbereich in einen bakteriendichten Kunststoffsack zu geben, eine ungeschützte Lagerung außerhalb des Patientenzimmers ist unzulässig. Die Entsorgung hat so zu erfolgen, dass keine Kontaminationsgefahr von der Wäsche ausgeht (Schutzhandschuhe beim Hantieren, abschließend Händedesinfektion). Während des Umlagerns auf den Entsorgungswagen sollen die Türen zu anderen Patientenzimmern geschlossen gehalten werden und sich Personen, die nicht am Umlagern beteiligt sind, fernhalten. Abschließend lüften. Umfang der Desinfektionsmaßnahmen: Alle patientennahen Flächen (mindestens 1 m um das Bett) mindestens 1-mal pro Schicht während oder unmittelbar nach der täglichen antiseptischen Waschung des Patienten desinfizieren, um Rekolonisation zu verhindern, z. B. Nachttisch (alle Kontaktflächen), Telefon, Bettgalgen und Griffe, Lichtschalter, Klingelanlage, Jalousiengriff/Schalter, Türklinken. Mindestens täglich Handläufe, Bedienelement für Fernseher, Bettgestell, Tische, Waschbecken, Toilettenbrille desinfizierend reinigen. Fußbodenwischdesinfektion im üblichen Rhythmus. Benutzte Mopps nur verpackt zur desinfizierenden Aufbereitung geben. Schlussdesinfektion nach Patientenentlassung (Details Online-Ergänzung 2.5) Bei Aufenthalt bis zu einer Schicht: Desinfektion des Betts und Bettenplatzes in mindestens 1 Schlussdesinfektionm Umkreis um das Bett; Verwerfen/Desinfizieren aller am Patientenentlassung, SchlussdesinfektionPatienten genutzten Produkte; bei mobilen Patienten Desinfektion aller weiteren Kontaktflächen mit wahrscheinlicher Kontamination (alkoholisches Präparat). Längerer Aufenthalt: alle Oberflächen einschließlich Fußboden, Bettgestell, Matratzen- und Kissenencasing + alle Kontaktflächen (z. B. Türklinke, Klingelknopf, Wasserhahn) Wisch-, ggf. Sprühdesinfektion (falls keine Wischdesinfektion möglich). Ausbruchmanagement für Kindergärten und Schulen Einschleusen des Personals: Vor dem Betreten des zu desinfizierenden Bereichs stellt der Reinigungsdienst die Desinfektionslösung her. Bei behördlich angeordneter Entseuchung dürfen nur Desinfektionsmittel aus der RKI-Liste in vorgeschriebener Konzentration und Einwirkungszeit verwendet werden. Gegebenenfalls Mund-Nasen- und Haarschutz anlegen (nur bei aerogen übertragbaren Krankheiten, nicht bei Durchfallerkrankungen), Schutzkittel anziehen. Muss Erbrochenes oder Stuhl entfernt werden, Kunststoff-Einmalschürze anlegen. Schutzbezug über Schuhe anlegen, Einwegschutzhandschuhe. Alle zur Desinfektion benötigten Materialien sowie Plastiktüten zur Entsorgung von Wischlappen und -bezügen und Händedesinfektionsmittel in den zu desinfizierenden Bereich mitnehmen. Oberflächen im Spiel-, Aufenthalts- und Speiseraum: Der Bereich, in dem der Flottenwagen abgestellt wird, muss zuerst einer Wischdesinfektion unterzogen werden, dann erst wird der Flottenwagen in den Raum geschoben. Das vorgetränkte Desinfektionstuch wird in den dafür vorgesehenen Boxen mit Desinfektionsmittellösung satt-nass getränkt. Ist Entfernung überschüssiger Desinfektionsmittelmengen erforderlich, hierfür ein neues zweites feuchtes Desinfektionstuch verwenden. Es ist darauf zu achten, dass ein Feuchtfilm auf der Oberfläche zurückbleibt. Tücher müssen zwischendurch ersetzt werden. Abfallsäcke sind aus den Behältern entnehmen, fachgerecht zu verschließen und Abfallbehälter mit neuen Entsorgungsbeuteln zu bestücken. Plüschtiere, Stoffdecken und ähnliche Gegenstände aus Stoff werden in erregerdichte Kunststoffwäschesäcke gegeben. Besteht vor Ort die Möglichkeit, diese Gegenstände chemothermisch (60 °C und desinfizierendes Waschmittel) aufzubereiten, sollte das gemacht werden; ansonsten Weiterleitung an zertifizierte Wäscherei. Umfang der Wischdesinfektion: Alle Kontaktflächen einschließlich Wände im Kontaktbereich, Türklinken, Lichtschalter, Handläufe oder Klettergerüste, horizontale Flächen mit Möglichkeit der Staubablagerung wie Fensterbretter und Ablagen, Schränke innen und außen, Fenster-, Jalousie-, Schrank- und Türgriffe (innen und außen), Tische und Stühle, sämtliches Spielzeug, Truhen, Kisten etc. (alles, was im Raum ist), Bedienelemente des Fernsehers, Abfalleimer innen und außen, Waschbecken mit Armatur, Geschirr (mit mindestens 60 °C aufbereiten), Fußboden (bei Teppich desinfizierende Sprühextraktion). Abfälle, Mopps und Tücher sind in reißfesten Kunststoffsäcken ohne Umfüllen zu entsorgen oder verpackt auf dem schnellsten Weg der maschinellen Aufbereitung zuzuführen. Schlafbereich: Nach dem Einschleusen Bettwäsche, Kopfkissen und Decke in erregerdichte Kunststoffwäschesäcke geben, danach desinfizierende Reinigung des Betts und des Matratzenüberzugs. Ist die Matratze nicht mit einem Überzug geschützt, desinfizierende Sprühextraktion. Das Bett verbleibt im Zimmer. Während der Desinfektion sind die Fenster zu öffnen (Lüften). Beziehen des Betts mit frischer Wäsche erst nach Abschluss aller Maßnahmen. Sanitärbereich: Stoffhandtücher fachgerecht entsorgen und gegen Einmalhandtücher auswechseln, diese Maßnahme am besten für 2 Wochen; evtl. vorhandene Duschvorhänge in separaten Wäschesack geben. Desinfektion in der Sanitärzelle: Duschstange, Handdusche und Ablagen, oberer Rand des Toilettenbeckens inkl. Toilettenbrille, Toilettenbürste inkl. Halterung, Spender für Einmalhandtücher, Spender für Waschlotion, Lichtschalter, Wände im Kontaktbereich, Hocker bzw. Stühle, Abfallbehälter innen und außen, Entsorgung von Toilettenpapier und Papierhandtüchern. Ausschleusen: Ablegen von PSA unmittelbar in den Abfallsack, Händedesinfektion, verschlossene Abfall- und Wäschesäcke ohne Zwischenlagerung zur Ausbruchmanagement:Kindergärten/Schulen\"\r\"AusbruchmanKGSchuleEntsorgung. 2.5.4 Personalschutz desinfizierende Reinigung:Durchführung\"\r\"desinfReinDurchfBei Personalschutz:FlächendesinfektionFlächendesinfektionsmitteln sind die Gefährdung von Haut und Schleimhäuten (auch inhalativ) und das Flächendesinfektion:PersonalschutzAllergierisiko zu beachten. Daher müssen die vom Hersteller angegebenen desinfizierende Reinigung:PersonalschutzSchutzmaßnahmen sorgfältig eingehalten werden, wie • Herstellen der Desinfektionsmittellösung mit Schutzbrille, ggf. auch Mund-Nasen-Schutz, • Tragen von Schutzhandschuhen bei Kontakt mit Desinfektionsmittel, • Räume bei großflächiger Desinfektion gut lüften; bei Desinfektionsmaßnahmen, bei denen hohe Raumluftkonzentrationen von reizenden Substanzen benötigt werden, können Atemschutzmasken notwendig sein, • bei Feuchtarbeiten > 2 Stunden bzw. Handschuhtragen über diese Zeit Erarbeitung eines Hautschutzplans. 2.5.5 Qualitätssicherung • Desinfektions- und Reinigungsverfahren sowie die Aufbereitung der benötigten Utensilien sind regelmäßigen Flächendesinfektion:QualitätssicherungKontrollen zu unterziehen. • Durch hygienisch-mikrobiologische desinfizierende Reinigung:QualitätssicherungUntersuchungen kann die Wirksamkeit von Reinigungs- und Desinfektionsverfahren kontrolliert werden (Christiansen et al., KRINKO 2004). Häufigkeit und Umfang der Kontrollen werden vom Krankenhaushygieniker in Zusammenarbeit mit der HFK festgelegt (zu Aussagewert, Richtwerten und Gesamtbeurteilung Kap. 8.10).Flächendesinfektion\"\r\"Flaechendesinf 2.6 Virusinaktivierung desinfizierende Reinigung\"\r\"FlaechendesinfFriedrich von Rheinbaben, Elke Steinmann und Jochen Reinigung:desinfizierende\t\"Siehe desinfizierende ReinigungSteinmann 2.6.1 Bau und Besonderheiten konventioneller Viren Das Verhalten von Viren gegenüber Desinfektionswirkstoffen wird v. a. durch deren Morphologie bestimmt. Mit Ausnahme der nicht humanpathogenen Iridoviren lassen sich alle Virusfamilien den behüllten Viren:Morphologieoder unbehüllten Partikeln zuordnen. Da die Inaktivierbarkeit durch Desinfektionswirkstoffe bei den unbehüllten Viren vom Grad ihrer Lipophilie bzw. Hydrophilie und bei behüllten Viren von deren Lipidgehalt abhängt, können entsprechende Untergruppen gebildet werden (Abb. 2.3 ; Poshni 1968, Klein et al. 1983, Mahnel 1984, Jülich et al. 1993, von Rheinbaben et al. 1995). Je lipophiler oder lipidhaltiger ein Virus ist, umso leichter kann es durch lipophile Desinfektionswirkstoffe inaktiviert werden. Hydrophile Viren sind i. d. R. nur auf oxidativem Weg (durch Aldehyde, Aktivsauerstoff freisetzende Verbindungen, Aktivchlor) und nur z. T. durch stark denaturierende Substanzen inaktivierbar. Auch starke anorganische Säuren und Laugen können hochwirksam sein. Dagegen benötigen organische Säuren für eine sichere Wirksamkeit i. d. R. zusätzlich erhöhte Temperatur (> 40 °C). Abb. 2.3 Unterteilung der Viren:LipophilieViren nach dem Grad ihrer Lipophilie. Neben der Morphologie bestimmen die Größe der Viruspartikel und die Fähigkeit zur Bildung von Aggregaten die Resistenz gegenüber Desinfektionswirkstoffen. Als Faustregel gilt, dass die Chemikalienresistenz mit steigender Größe der Viruspartikel abnimmt. Unbehüllte Viren und solche, die zur Bildung kristallartiger Assoziationsprodukte (Aggregate) neigen, z. B. Picorna- oder Parvoviren, besitzen eine deutlich höhere Resistenz als Viren ohne diese Eigenschaft. Behüllte Viren sind im Allgemeinen deutlich weniger resistent gegenüber chemischen Desinfektionsmitteln als unbehüllte Viren. Unter Praxisbedingungen können Art und Menge von Begleitmaterialien, mit denen Viren den Wirtsorganismus verlassen, diese vor Umwelteinflüssen und Desinfektionswirkstoffen schützen. In besonderer Weise gilt das für Viren in Begleitmaterial, das an Oberflächen assoziiert oder angetrocknet vorliegt. Für den sinnvollen Einsatz von Desinfektionsmitteln ist es daher notwendig, die jeweilige Übertragungsweise zu kennen. Dadurch werden Rückschlüsse auf die Umweltresistenz und – unter Einbeziehung der Morphologie – auf das Verhalten gegenüber Desinfektionswirkstoffen möglich (von Rheinbaben et al. 1995). 2.6.2 Physikalische Verfahren zur Virusinaktivierung Die wichtigsten physikalischen Verfahren zur Virusinaktivierung nutzen Wärme oder UV-Virusinaktivierung:physikalische VerfahrenLicht und in manchen Fällen ionisierende Strahlung. Die Resistenz gegenüber höheren Hitze:VirusinaktivierungTemperaturen ist bei Viren nicht besonders ausgeprägt. Viele Arten werden bei 60–UV-Strahlen:Virusinaktivierung65 °C schon in wenigen Minuten inaktiviert. Temperaturen über 90 °C reichen im Allgemeinen aus, um selbst thermoresistente Viren in wenigen Minuten zu zerstören, falls diese in wässriger Umgebung und in suspendiertem Zustand vorliegen (Mahnel et al. 1981). Die für RDG geforderten 93 °C/10 min sind im Allgemeinen für eine sichere Virusinaktivierung ausreichend. Andererseits können Begleitmaterialien wie Blut, Serum, Gewebe oder Hitze:VirusinaktivierungFäkalien die Wärmeresistenz erheblich steigern. Auch angetrocknet oder lyophilisiert sind manche Viren durch Wärme erheblich schwerer inaktivierbar als in wässriger Umgebung. Darüber hinaus sind weitere stabilisierende Einflüsse bekannt, z. B. Anwesenheit bestimmter Salze. Während ECHO-Viren bei 40 °C in 2 Stunden um 50 % reduziert werden, kann durch 1-molaren Zusatz von MgCl2 oder 2-molaren Zusatz von NaCl dieser Effekt aufgehoben werden. Selbst bei 50 °C/1 h ist kein Titerverlust nachweisbar (Bock 1956, Thomssen et al. 1965). Für UV-Licht liegt der wirksame Wellenlängenbereich bei 230–280 nm. Die höchste virozide Wirksamkeit wird bei 260 nm gemessen und stimmt mit dem Absorptionsmaximum von UV-Strahlen:VirusinaktivierungNukleinsäuren überein. Für die Wirksamkeit sind jedoch eine sichere Exposition und eine ausreichende Strahlendosis notwendig; deshalb kann das Verfahren nur in speziellen Fällen, z. B. zur Trinkwasserdesinfektion, eingesetzt werden. In der Praxis werden physikalische Verfahren oft mit chemischen Einflüssen kombiniert. Am häufigsten sind chemothermische Verfahren. Anstelle thermischer Einflüsse kann auch Ultraschall oder UV-Licht (in Gegenwart photoinaktivierender Substanzen) angewendet werden. 2.6.3 Virusinaktivierung durch Chemikalien und die Besonderheiten der Virusfamilien Selbst wenn bei den Angehörigen einer Virusfamilie deutliche Unterschiede in der Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen und Desinfektionswirkstoffen auftreten können und sogar innerhalb einer Art Unterschiede festgestellt wurden, ist es vertretbar, für jede Virusfamilie eine zusammenfassende Bewertung vorzunehmen. Adenoviren (unbehüllt, leicht lipophil) besitzen hohe Umweltstabilität und wurden deshalb als Prüfvirus von DVV und RKI (1995 und 2004) ausgewählt. An Oberflächen angetrocknet, war humanes Adenovirus Typ 2 noch nach mehr Adenovirenals 8 Tagen auf Kunststoffoberflächen infektiös. In wässrigem Milieu muss mit einer erheblich längeren Persistenz gerechnet werden. Als Enteritiserreger zeigen Adenoviren eine pH-Stabilität im Bereich zwischen pH 2 und 10. Gegenüber höheren Temperaturen sind sie empfindlich. Bei 60 °C werden sie innerhalb von 2 Minuten inaktiviert. Die meisten Desinfektionswirkstoffe sind gegenüber Adenoviren wirksam, für eine ausreichende Wirksamkeit sind oftmals aber hohe Anwendungskonzentrationen und/oder lange Adenoviren:InaktivierungEinwirkungszeiten notwendig. Zwischen den einzelnen Serotypen resultieren hinsichtlich ihrer Stabilität große Unterschiede (Sauerbrei 2004). Arenaviren (behüllt, lipidhaltig) verursachen z. T. äußerst gefährliche Erkrankungen (z. B. Lassa-Fieber). In Mitteleuropa haben solche Erkrankungen zwar keine Bedeutung, durch Ferntourismus muss Arenavirenaber jederzeit mit Einschleppungsfällen gerechnet werden. Das Ausbreitungspotenzial der Lassa-Viren wird u. a. wegen der speziellen Übertragungswege als gering eingestuft. Gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind keine besonderen Resistenzen bekannt, sodass Arenaviren in ihrer Chemikalienresistenz mit anderen behüllten Viren verglichen werden können. Trotzdem sollte man sich Arenaviren:Inaktivierungbei Desinfektionsmaßnahmen aus Sicherheitsgründen am höchstmöglichen Standard orientieren und nur virozide Verfahren, d. h. Verfahren mit Wirksamkeit gegen behüllte und unbehüllte Viren, anwenden. Bunyaviren (behüllt, lipidhaltig) umfassen verschiedene Gattungen. Beim Menschen haben Infektionen mit Hantaviren wiederholt Aufmerksamkeit erregt. In Mitteleuropa besitzen Bunyaviren noch keine besondere Bedeutung. BunyavirenSie werden häufig durch Vektoren übertragen und sind deshalb nur in speziellen Fällen Ziel von Desinfektionsmaßnahmen. In Blutproben von Patienten können sie bei Raumtemperatur mehrere Tage infektiös bleiben. Gegenüber Lipidlösungsmitteln und Ethanol sind sie empfindlich und werden von allen gängigen Desinfektionswirkstoffen erreicht. Caliciviren (unbehüllt) können in gewissem Umfang mit lipidartigen Bunyaviren:InaktivierungSubstanzen reagieren. Wichtigster Vertreter ist das Norovirus. Als fäkal-oral übertragenes Virus zeigt es in wässriger Umgebung hohe Umweltresistenz. Auch das Hepatitis-E-Virus wird zu den Caliciviren gezählt. Nach Anzucht des Murinen Norovirus (MNV) als einzigem Vertreter dieser Gattung fungiert dieses Virus als Surrogatvirus bei den Prüfungen (Wobus et al. 2006, Steinmann et al. 2008). Im Gegensatz zum früheren Surrogatvirus, dem Felinen Calicivirus, zeigt das MNV eine gute Empfindlichkeit gegenüber Alkoholen, insbesondere Ethanol (Belliot et al. 2008). Coronaviren (behüllt, lipidhaltig) sind ether- und chloroformempfindlich und besitzen hohe Umweltresistenz. Einige Arten verursachen grippeähnliche Atemwegserkrankungen, andere Enteritiden. Am Beispiel des Virus der Coronavirentransmissiblen Gastroenteritis des Schweins ließ sich zeigen, dass ein pH-Intervall von 3–11,8 toleriert wird. Bei einer Temperatur von 30 °C muss bis zu 10 Tagen mit Resttitern gerechnet werden. Über die Resistenz gegenüber Desinfektionswirkstoffen bzw. Desinfektionsmitteln insbesondere der humanpathogenen Arten gibt es nur wenige Untersuchungen. Aufgrund der vorhandenen Daten sind Lipidlösungsmittel, Quats, Alkohole, Phenolderivate sowie stark oxidierende Substanzen als wirksam einzustufen (Brown 1981). Formaldehyd erwies sich in 5-Coronaviren:Inaktivierungprozentiger, Ethanol in 70-prozentiger Anwendungskonzentration als wirksam. In beiden Fällen wurde innerhalb von 5 Minuten eine Titerreduktion < 4 log-Stufen erreicht. Alle gebräuchlichen Desinfektionswirkstoffe scheinen gegen Coronaviren verwendet werden zu können. Zur Familie der Filoviren (behüllt, lipidhaltig) werden das Marburg- und Ebolavirus gezählt. Im Hinblick auf Inaktivierbarkeit durch FilovirenDesinfektionsmittel gilt das Gleiche wie für Arenaviren. Flaviviren (behüllt, lipophil) Filoviren:Inaktivierungwerden häufig durch Vektoren übertragen. Neben den in tropischen Regionen auftretenden Gelbfieberviren kommt in Südeuropa das durch Zecken verbreitete Virus der Frühsommer-FlavivirenMeningoenzephalitis (FSME) vor. Auch das HCV wird den Flaviviren zugeordnet. Flaviviren reagieren gegenüber Lipidlösungsmitteln äußerst empfindlich und werden durch alle gebräuchlichen Desinfektionswirkstoffe leicht inaktiviert. Spezielle Resistenzen sind Flaviviren:Inaktivierungnicht bekannt. In der Vergangenheit wurde häufig das Bovine Viral Diarrhea Virus (BVDV) als Surrogatvirus für HCV eingesetzt (Buckwold et al. 2003). Inzwischen gibt es Ansätze, HCV in der Zellkultur zu replizieren (Bartenschlager et al. 2007). Der bedeutendste Vertreter der Hepadnaviren (behüllt, lipidhaltig) ist das vorwiegend durch Blut-Blut- oder Sexualkontakte übertragene HBV des Menschen. Auch die Viren der HepadnavirenEntenhepatitis (Duck-Hepatitis-B-Virus, DHBV) und der Waldmurmeltiere (Woodchuck-Hepatitisvirus, WHV) gehören zu den Hepadnaviren. Da das Hepatitis-B-VirusHBV bisher noch in keinem Zellkultursystem effizient und nur in Schimpansen in brauchbaren Viruskonzentrationen vermehrt werden kann, wurden DHBV und WHV für Laboruntersuchungen zur Prüfung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Hepadnaviren vorgeschlagen. Das HBV besitzt eine hohe Trockenresistenz und bleibt bei 25 °C und 42 % rel. Luftfeuchte für > 1 Woche infektiös (Schimpansenversuch; Bond et al. 1981, 1983). Im Vergleich zu anderen behüllten Viren gilt es als besonders hitzeresistent. Die Inaktivierbarkeit des chemoresistenten Virus ist früher durch die indirekten Prüfverfahren (MADT, Antigen- und Polymerasetest) geprägt Hepatitis-B-Virus:Inaktivierungworden, lässt sich aber durch Untersuchungen an Schimpansen nicht unbedingt Hepadnaviren:Inaktivierungbestätigen (Kobayashi et al. 1980, 1984). Vollständige Inaktivierung wurde durch 70 % v/v Ethanol innerhalb 1 Stunde (RF ≥ 6), 80 %es v/v Ethanol bei 11 °C/2 min (RF 5; Kobayashi et al. 1984) und 70-prozentiges v/v Propan-2-ol bei 20 °C/10 min/pH 8 erreicht (Bond et al. 1983). Zur Desinfektion von Hepadnaviren sollten nur Mittel Verwendung finden, deren Wirksamkeit gemäß Leitlinie von DVV/RKI mit Vakziniavirus und BVDV geprüft wurde (RKI 2004). Herpesviren (behüllt, lipidhaltig) werden hauptsächlich durch direkte Kontakte weitergegeben, das Varicella-Zoster-Virus auch aerogen. In angetrocknetem Zustand können Herpesviren mehrere Tage infektiös bleiben. In Herpesvirender Veterinärmedizin gibt es Beispiele für eine Trockenstabilität von Jahren. Gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind humanpathogene Herpesviren wenig resistent. Die bedeutendsten Vertreter der Orthomyxoviren (behüllt, lipidhaltig), Herpesviren, Inaktivierungdie Influenza-A-, -B- und -C-Viren, werden vorwiegend durch Aerosole, in beachtlichem Maß offensichtlich auch durch Handkontakte übertragen. Desinfektionsmaßnahmen (OrthomyxovirenHändedesinfektion, Desinfektion von Kontaktflächen), die auf die Bekämpfung dieser Viren zielen, sind v. a. in der Neonatologie und Pädiatrie sinnvoll (Gwaltney et al. 1978, 1980). Orthomyxoviren lassen sich ähnlich wie Herpesviren durch alle bekannten Desinfektionsmittel leicht inaktivieren. Für H1N1 konnte bei Probanden gezeigt worden, dass Händewaschen mit Orthomyxoviren:InaktivierungSeife eine identische Wirksamkeit besitzen kann wie eine alkoholbasierte Händedesinfektion (Grayson et al. 2009). Unter den Polyomaviren (unbehüllt) haben v. a. die humanen Papillomaviren exponierte Bedeutung. Da sie bisher nicht in ausreichender Menge in der Zellkultur anzüchtbar sind, ist man zur Beurteilung der PolyomavirenDesinfektionsmittelresistenz auf Vertreter verwandter Familien angewiesen. Zur Desinfektionsmittelprüfung dient v. a. das zu den Polyomaviren zählende Simianvirus 40 (SV40). Es hat leicht lipophile Eigenschaften, reagiert schwach mit manchen lipophilen Substanzen und zeigt eine bemerkenswerte Umwelt- und Chemikalienresistenz mit besonderer Stabilität gegenüber Ethanol und Formaldehyd. Zur Inaktivierung von Papovaviren sollten Polyomaviren:Inaktivierungdeshalb nur Mittel mit vollständiger Virozidie eingesetzt werden (RKI 2004). Paramyxoviren (behüllt, lipidhaltig) ähneln in ihrer Struktur Orthomyxoviren. Wichtige Vertreter sind die Parainfluenzaviren 1 bis 4, das Mumps- und Masernvirus sowie das RSV. Neben der aerogenen Übertragung scheint ein beträchtlicher Teil auch über direkte und indirekte Kontakte weitergegeben zu werden (Gwaltney et al. 1978, 1980). Deshalb sind, insbesondere im Bereich der Säuglingspflege und Pädiatrie, v. a. Händedesinfektionsmaßnahmen sinnvoll. Die Umweltresistenz ist gering. Ebenso sind sie durch alle Desinfektionswirkstoffe leicht inaktivierbar. Parvoviren (unbehüllt, hydrophil) zählen zu den resistentesten konventionellen Viren. Gegenüber lipophilen Substanzen und Lipidlösungsmitteln sind sie vollkommen unempfindlich. Parvoviren werden vorwiegend fäkal-oral Parvovirenübertragen, besitzen hohe Trockenstabilität und außerordentlich hohe Thermoresistenz. Antrocknungsvorgänge und Exposition gegenüber 60 °C/1 h überdauern sie praktisch ohne Titerreduktion. Beim Menschen erlangt das Parvovirus B19 zunehmende Bedeutung. In manchen chemothermischen Desinfektionsverfahren werden heute Karbonsäuren eingesetzt. Zur Desinfektion von Parvoviren müssen dabei Temperaturen von 70 °C, möglichst sogar 80 °C Parvoviren:Inaktivierungeingehalten werden, um mit Ameisen-, Glycol- oder Citronensäure bei kurzen Einwirkungszeiten ein sicheres Ergebnis zu erzielen. Essig- und Propionsäure scheinen unter diesen Bedingungen keine hinreichende Sicherheit zu bieten (Herbst et al. 1990). Da Parvoviren nur auf embryonalen Zellen vermehrt werden können, ist ihre Handhabung im Labor aufwändig. Trotzdem wird Bovines Parvovirus (Stamm Haden) als Testvirus für die Überprüfung chemothermischer Desinfektionsverfahren verwendet. In die Richtlinien zur Prüfung von Flächen- und Instrumentendesinfektionsmitteln (RKI 1995, Bräuninger et al. 1995, Peters et al. 1995) wurden Parvoviren v. a. wegen ihrer guten Trockenstabilität aufgenommen. Bei Inaktivierungsversuchen an der Fläche war Parvovirus deutlich stabiler als Polio- und Adenovirus (Eterpi 2009). In der Familie der Picornaviren (unbehüllt) werden neben den Enteroviren (z. B. Polioviren, HAV, PicornavirenCoxsackie- und ECHO-EnterovirenViren) u. a. auch die PoliovirenRhinoviren zusammengefasst. Deshalb sind die Coxsackie-VirenPicornaviren im Hinblick auf ihr Resistenzverhalten eine recht ECHO-Virenheterogene Gruppe. Neben Vertretern mit beachtlicher Thermoresistenz (z. B. Virus Rhinovirender hämorrhagischen Erkrankung des Kaninchens, Theilervirus, HAV) finden sich solche mit hoher Temperaturempfindlichkeit (z. B. Poliovirus; Thomssen et al. 1960). Die meisten Arten sind im pH-Bereich 3–9 über viele Tage stabil, nicht Hepatitis-A-Virusjedoch Rhinoviren, die gegenüber pH-Werten im sauren Bereich empfindlich reagieren und bei pH 3 in 30 Minuten inaktiviert Picornaviren:Inaktivierungwerden. Insbesondere Rhinoviren:InaktivierungPolioviren und offensichtlich auch das HAV sowie viele Stämme der Coxsackie- und ECHO-Viren sind hydrophil. Manche unter ihnen, z. B. ECHO-Virus 6 und 18, besitzen aber auch Enteroviren:Inaktivierungleicht lipophile Eigenschaften und reagieren schwach mit Lipiden. Sie werden deshalb durch lipophile Substanzen, v. a. durch längerkettige Alkohole, inaktiviert. Hydrophile Picornaviren, insbesondere das Poliovirus, sind stattdessen gegenüber kurzkettigen hydrophilen Alkoholen empfindlich. Innerhalb der Picornaviren liegen die meisten experimentellen Erfahrungen bei Polioviren vor. In ihrer Resistenz gegenüber Desinfektionswirkstoffen ähneln sie den Parvoviren, zeigen im Gegensatz zu diesen aber Poliovirenkeine erhöhte Thermoresistenz und sind auch gegenüber Austrocknen sehr empfindlich. Da Polioviren neben Polioviren:Inaktivierungihrer hohen Desinfektionsmittelresistenz zusätzlich den Vorteil einfacher Handhabbarkeit bieten, findet man sie als Prüfviren in vielen Leitlinien und Normen (RKI 2004, EN 14.476, 2007). Gegenüber Methanol und Ethanol sind Polioviren sehr empfindlich. Propan-1-ol zeigt dagegen bei 90 % v/v/5 min keine Wirksamkeit und eine Exposition gegenüber Propan-2-ol führt unter den gleichen Bedingungen selbst nach 60 Minuten zu keinem messbaren Titerverlust. Methanol verursacht bei 60 % v/v/1 min schon bei 5 °C eine Titerreduktion von mindestens 3 Zehnerpotenzen. Für Ethanol sind bei Raumtemperatur und Anwendungskonzentrationen zwischen 60 und 90 % Einwirkungszeiten von 1–5 Minuten notwendig, um eine Titerreduktion von 3–5 Zehnerpotenzen zu erzielen (van Engenburg 2002). HAV zeigt eine hohe Thermoresistenz und Stabilität gegenüber Desinfektionswirkstoffen. 56 °C/30 min werden nahezu verlustfrei toleriert, 60 °C reichen auch während 1 Hepatitis-A-Virus:InaktivierungStunde nicht zur sicheren Inaktivierung aus. 0,5-prozentiges Glutaral führt innerhalb von 3 Minuten zu einer Reduktion von 3 Zehnerpotenzen. Mit 0,1-prozentiger Lösung sind dafür 30 Minuten notwendig (Passagot et al. 1987). Zur Inaktivierung durch Peressigsäure sind 2 %/60 min notwendig (RF > 5). Bei 1 %/30 min ist dagegen keine ausreichende Wirksamkeit zu erwarten (RF 0,5, Frösner et al. 1982). Bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln gegen Picornaviren sollten nur Mittel verwendet werden, deren Wirksamkeit durch Untersuchungen gegenüber Poliovirus Typ 1 belegt wurde. Zwar können bei den verschiedenen Picornaviren unter gleichen experimentellen Bedingungen Unterschiede in Anwendungskonzentration und/oder Einwirkungszeit festgestellt werden (Sauerbrei 2009) und einige Untersuchungen lassen vermuten, dass sich HAV manchmal resistenter verhält. Trotzdem hat sich das Resistenzverhalten von Poliovirus Typ 1 (Stamm LSc-2ab) für die Praxis als brauchbarer Maßstab erwiesen. Pockenviren (lipidhaltig, behüllt) unterscheiden sich in ihrer komplexen Morphologie und Größe deutlich von allen anderen Virusfamilien. Die klassischen humanen Pocken gelten als ausgerottet. Ob damit die Familie ihre PockenvirenBedeutung als Krankheitserreger des Menschen verloren hat, bleibt allerdings abzuwarten. Pockenviren haben einen vergleichsweise geringen Lipidgehalt und eine außerordentlich hohe Trockenstabilität. Bemerkenswert sind auch die hohe pH-Stabilität im Bereich zwischen 4,5 und 10 sowie die Etherresistenz bei gleichzeitiger Chloroform- und Phenolempfindlichkeit. Schon im letzten Jahrhundert war bekannt, dass Pockenviren unter normalen Umweltbedingungen über viele Wochen in Staub persistieren können. Systematische Untersuchungen zur Umweltresistenz ergaben eine verlustfreie Lagerung des getrockneten Virus bei 4 °C über mehr als 35 Wochen. Pockenviren zeigen erhöhte Temperaturresistenz. Bei 56 °C/15 min beträgt die Titerabnahme von zellgebundenem Virus 2 Zehnerpotenzen. Selbst eine kurzzeitige Exposition bei 90 °C führt nicht unbedingt zur vollständigen Aufhebung der Infektiosität (Mahnel 1987). Wie alle behüllten lipidhaltigen Viren sind Pockenviren gegenüber vielen Desinfektionswirkstoffen empfindlich. Zusammen mit den Hepadnaviren gehören sie aber zu den resistenteren behüllten Partikeln. Vor allem zellgebundenes Pockenviren:InaktivierungVirus kann beachtliche Stabilität besitzen. Die meisten Untersuchungen zur Chemoresistenz von Pockenviren wurden mit Vacciniavirus Stamm Elstree durchgeführt, das neben Polio-, Adenovirus, SV40 und BVDV als fünftes offizielles Prüfvirus gewählt wurde (Leitlinie DVV/RKI 2008). Bei der Auswahl geeigneter VacciniavirusDesinfektionsmittel ist Vacciniavirus damit nicht nur Prüfmodell für Pockenviren, sondern auch Modell für alle anderen behüllten lipidhaltigen Viren. Eine erfolgreiche Inaktivierung des Vakziniavirus und des BVDV demonstriert laut Deklaration des RKI eine Wirksamkeit („begrenzte Virozidie“) gegenüber allen behüllten Viren (RKI 2004). Die wichtigste Gruppe innerhalb der Familie der Reoviren (unbehüllt) sind die fäkal-oral übertragenen Rotaviren. In der Neonatologie und Pädiatrie sind sie häufig Ursache Reovirennosokomialer Virusinfektionen, besitzen aber auch als Erreger von Reisediarrhöen und für alte Menschen hohe Bedeutung. RotavirenRotaviren zeigen hohe Trockenresistenz und sind im pH-Bereich zwischen 3 und 10 stabil (Lloyd-Evans et al. 1986). Auch Temperaturen von 50 °C werden toleriert (Baumeister 1980). Ihr komplexes Kapsid macht Rotaviren nicht nur gegen stark oxidierende Desinfektionsmittel, sondern auch gegen Lipidlösungsmittel, Alkohole und Rotaviren:Inaktivierungalkoholische Chlorhexidinlösungen sowie gegenüber phenolischen Reoviren:InaktivierungWirkstoffen empfindlich (Vaughn et al. 1986). Formaldehyd ist bei 4 %/15 min wirksam, 95-prozentiges v/v Ethanol in 15 Sekunden (Tan et al. 1981). Propan-1-ol, Propan-2-ol und Butanol vermögen in 30- bis 40-prozentiger Lösung bovines Rotavirus selbst in Gegenwart von Stuhl in 1 Minute um 3–4 Zehnerpotenzen zu reduzieren (Kurtz et al. 1980). Kurzkettige Alkohole wirken aber insgesamt schlechter als längerkettige Verbindungen. 20-prozentiges Methanol ist unwirksam. Ameisensäure inaktiviert Rotavirus 0,5-prozentig in 15 Minuten, Propionsäure 6- bis 8-prozentig nach dieser Einwirkzeit. Essigsäure muss 5-prozentig für 30 Minuten angewendet werden. Als Prüfviren für den humanmedizinischen Bereich hat das humane Rotavirus (Stamm Wa) Verwendung gefunden. Sofern keine Untersuchungen mit Reoviren/Rotavirus selbst vorliegen, sollten wegen der klinischen Bedeutung dieser Viren bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln nur virozide Mittel gewählt werden. Retroviren (behüllt, lipidhaltig) stellen mit HIV-1 und HIV-2 die zurzeit wichtigsten humanpathogenen Viren. Zur Familie zählen auch die humanen T-Zell-Leukämieviren. Diese Viren werden sexuell und durch Blut-Blut-Kontakte übertragen und besitzen nur eine geringe Umweltresistenz. Das darf aber nicht dazu führen, die Stabilität insbesondere in natürlichen Begleitmaterialien zu unterschätzen, die unter geeigneten Bedingungen mehrere Wochen betragen kann. Gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind keine besonderen Resistenzen bekannt. Trotzdem dürfen bei der Behandlung viruskontaminierten Materials nur neueste Empfehlungen berücksichtigt werden. Gerade aus der Frühphase der HIV-Pandemie existieren Angaben, wie z. B. Anwendung von 25-prozentigem, ja sogar 15-prozentigem Ethanol, die nach heutigem Wissen unter Praxisbedingungen zu keiner sicheren Inaktivierung führen! Ebenso werden abhängig von der Verwendung von zellfreiem oder zellgebundenem Virus z. T. erhebliche Unterschiede in der Resistenz beschrieben (Hanson et al. 1989). Zur Desinfektion von HIV sollten kommerzielle Produkte mit begrenzter Virozidie angewendet werden, die nach der Leitlinie von DVV/RKI überprüft worden sind. Rhabdoviren (behüllt, lipidhaltig) sind gegen Ether, Chloroform und Säuren empfindlich. Beim Menschen hat das Tollwutvirus (Rabiesvirus) Bedeutung, das durch Biss tollwütiger Tiere und in besonderen Fällen auch durch RhabdovirenStaub oder Aerosole übertragen werden kann. Im Veterinärbereich werden zur Desinfektion 3-prozentige Natronlauge, 2-prozentiges Formaldehyd, 70-prozentiges v/v Ethanol oder 20-prozentige QAV empfohlen. Es ist anzunehmen, dass das Rhabdoviren:InaktivierungRabiesvirus schon durch deutlich geringere Anwendungskonzentrationen selbst dann zuverlässig inaktiviert werden kann, wenn es in Speichel, Liquor oder Blut vorliegt. In Geweberesten oder Tierkadavern muss allerdings mit einer erheblich höheren Resistenz gerechnet werden. In Tierkadavern kann das Virus mehrere Wochen persistieren. Zu den Togaviren (behüllt, lipophil mit hohem Lipidgehalt) gehört das Rötelnvirus. Es wird bereits bei 37 °C/1 h um 0,5 log reduziert, 56 °C/30 s reichen zur vollständigen TogavirenInaktivierung. Rötelnvirus reagiert auf alle organischen Lösungsmittel sehr empfindlich. Togaviren:InaktivierungBesondere Resistenzen gegenüber Desinfektionswirkstoffen sind nicht bekannt. Bei der Auswahl sollte man auf Präparate mit begrenzter Virozidie zurückgreifen. 2.6.4 Inaktivierung unkonventioneller Agenzien (Prionen) Virusinaktivierung:chemische Verfahren\"\r\"Virusinaktivierungchem Unkonventionelle Agenzien, sog. Prionen, unterscheiden sich in vielen Eigenschaften von den bisher behandelten, konventionellen Viren. Sie verursachen spongiforme Enzephalopathien beim Menschen oder bei Haus- und Wildtieren. Beispiele sind die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) oder Scrapie. Bei den Erregern handelt es sich offenbar um nukleinsäurefreie Proteinmoleküle, die sich nicht in ihrer Aminosäurensequenz, wohl aber in der räumlichen Struktur von vergleichbaren zellulären Proteinen unterscheiden, denen sie ihre eigene Konformation aufzwingen. Unkonventionelle Erreger zeichnen sich durch äußerst hohe Umwelt- und Chemikalienresistenz aus. In der Umwelt können sie über Jahre persistieren. Die üblichen Prionen:InaktivierungDesinfektionswirkstoffe und -verfahren wie Alkohole, Aldehyde, iod- und phenolhaltige Präparate, Beta-Propiolacton, Ethylenoxid und UV- oder radioaktive Bestrahlung sind zur Inaktivierung nicht geeignet oder zeigen nur eingeschränkte Wirksamkeit (Danner 1991). Als sicheres Verfahren gilt die Dampfsterilisation im Autoklaven bei 134 °C (4 Stunden, 4 bar) möglichst unter Vorbehandlung von 1 M NaOH (Riesner 1996). In den meisten Fällen scheint das Autoklavieren bei 134 °C/1 h geeignet zu sein, wenn das Ausgangsmaterial nicht mit hoch erregerhaltigem Material kontaminiert ist (Taylor et al. 1994). Auch die Behandlung mit 1 M NaOH über 24 Stunden, 2,5- bis 5-prozentigem Natriumhypochlorit über 24 Stunden, Kochen in 3-prozentigem Natriumdodecylsulfat (SDS) für mindestens 10 Minuten sowie 3–6 M Guanidiumisothiocyanat (3 M/24 h; 4 M/1 h; 6 M/15 min) zerstören die Infektiosität. Bei hohem oder erhöhtem CJD-Risiko bzw. vCJD-Risiko soll zuerst in dieser Form desinfiziert, dann maschinell aufbereitet und abschließend bei 134 °C 1 Stunde sterilisiert werden. 2.6.5 Testmethoden, Leitlinien und Normen Ausgangspunkt für die In-vitro-Untersuchung von Präparaten auf Virus-Wirksamkeit ist der quantitative Suspensionsversuch. Dieser wird nach der aktualisierten Leitlinie der DVV und des RKI (Leitlinie 2008) oder nach der europäischen Norm EN 14476:2007-02 vorgenommen. Bei diesen Suspensionsversuch, quantitativerVersuchen werden 8 Volumenanteile eines Desinfektionsmittels mit 1 Volumenanteil einer definierten Virussuspension und 1 Volumenanteil einer interferierenden Substanz (Belastung) vermischt. Nach Ablauf einer vorgegebenen Einwirkzeit wird die Restinfektiosität im Testansatz bestimmt. Liegt im Vergleich zur Viruskontrollprobe eine Titerreduktion im Testansatz vor, können Aussagen über die virusinaktivierenden Eigenschaften des Desinfektionsmittels unter den geprüften Bedingungen getroffen werden. Ein Präparat gilt als wirksam, wenn unter den gewählten Bedingungen eine Titerreduktion von 4 log10-Stufen (Inaktivierung ≥ 99,99 %) erreicht wird. Als Prüfviren fungieren in der Leitlinie von DVV/RKI (2008) das Bovine Viral Diarrhea Virus (BVDV) Stamm NADL als Surrogat für HCV, Prüfvirendas Vacciniavirus Stamm Elstree, das Virusinaktivierung:PrüfvirenPoliovirus Typ 1 Stamm LSc-2ab, das Adenovirus Typ 5 Stamm Adenoid 75 und das Polyomavirus (früher Papovavirus) SV40 Stamm 777. Das Parvovirus fungiert als Prüfvirus für die chemothermische Desinfektion. Die Prüfungen werden nach der Leitlinie ohne und mit FKS-Belastung durchgeführt. Die Verwendung des Vacciniavirus als Prüfvirus könnte in der Zukunft problematisch werden, weil das Arbeiten mit diesem Virus eine entsprechende Impfung voraussetzt, die sich bei immer weniger Laborpersonal findet. Über den Austausch des Poliovirus wird nachgedacht, weil nach der Eradikation der Kinderlähmung das Prüfvirus eine andere Sicherheitseinstufung bekommt. Die Einführung des Begriffs „begrenzt virozid“ (wirksam gegenüber behüllten Viren; Prüfviren: Vacciniavirus und BVDV) zusätzlich zu dem bereits bestehenden Begriff „virozid“ (wirksam gegen alle unbehüllten und behüllten Viren) durch einen Arbeitskreis am RKI hat dazu geführt, dass mittlerweile viele Desinfektionsmittel als begrenzt virozid ausgewiesen werden können (RKI 2004). Mit dem BVDV hat man hier ein behülltes Virus aus der Veterinärmedizin als Surrogat (Ersatz) für das HCV gewählt (Buckwold et al. 2003). Ist nach dieser Definition ein Präparat begrenzt virozid, ist eine Wirksamkeit gegenüber allen behüllten Viren gegeben (RKI 2004). In Europa ist für die Prüfung der chemischen Desinfektionsmittel die EN 14.476 vorgesehen. Dort finden sich das Polio- und das Adenovirus als Prüfviren, wobei die Händedesinfektionsmittel ausschließlich mit Phosphatpuffer (PBS) und nicht mit einer Belastung getestet werden. Flächen- und Instrumentendesinfektionsmittel werden demgegenüber unter geringer (clean) und hoher (dirty) Belastung geprüft. Bovines Parvovirus wird für die Evaluierung der chemothermischen Desinfektion wie in der Leitlinie eingesetzt. Durch die unterschiedlichen Belastungen sind die Prüfungen nach der Leitlinie von DVV/RKI und der EN 14476 nicht unbedingt als gleichwertig anzusehen. Erschwert wird ein Vergleich der Ergebnisse zwischen der deutschen Leitlinie und der europäischen Norm auch durch die Tatsache, dass die Fassung der deutschen Leitlinie vom 1. August 2008 unter Angabe einer Begründung auch die Untersuchung von Händedesinfektionsmitteln in 90,0-prozentiger Endkonzentration erlaubt, wobei die Belastung mit fetalem Kälberserum (FKS) in diesem Versuchsansatz von 10 % auf 9 % reduziert wird (Leitlinie 2008). Nach der EN 14476 dürfen hingegen nur Händedesinfektionsmittel mit einer maximalen Konzentration im Versuchsansatz von 80 % in Gegenwart von PBS getestet werden. Somit lassen sich für Händedesinfektionsmittel die Ergebnisse von Desinfektionsmittelprüfungen nach der deutschen und der europäischen Vorschrift nicht immer direkt miteinander vergleichen. Hinzu kommt, dass die in EN 14476 vorgeschlagenen Prüfviren nicht das gesamte Spektrum der humanmedizinisch wichtigen Viren abdecken. Die Entwicklung von praxisnahen Prüfmodellen steht noch am Anfang. Zur Ableitung korrekter Anwendungsempfehlungen für chemische Desinfektionsmittel wäre das ein bedeutender Fortschritt der bislang geübten Praxis. Bei der Entwicklung dieser Methoden ist dabei auf die Vergleichbarkeit zu den Verfahren der Bakteriologie zu achten. 2.7 Konsequenzen der Nutzen-Risiko-Bewertung von Desinfektionswirkstoffen Virusinaktivierung:Normen Virusinaktivierung\"\r\"Virusinaktivierung Axel Kramer, Ojan Assadian und Michael Wilhelm Aufgrund ihrer mikrobioziden Wirkungsweise bedürfen Desinfektionswirkstoffe der sorgfältigen Nutzen-Risiko-Bewertung, um Nebenwirkungen auf Mensch und Umwelt so weit wie möglich zu minimieren. Drei Prämissen sind zu beachten: • indikationsgerechter Einsatz, • indikationsgerechte Wirkstoffauswahl, • Auswahl des jeweils am besten geeigneten Wirkstoffs für die entsprechende Indikation. 2.7.1 Alkohole Zusätzlich zum umfassenden bakterioziden Wirkungsspektrum sind Alkohol(e):Nutzen-Risiko-BewertungEthanol konzentrationsabhängig virozid, Alkohol(e):WirkungsspektrumPropanole dagegen innerhalb von 15–30 Sekunden nicht virozid Ethanol:Wirkungsspektrumwirksam. Bakteriensporen werden von Alkoholen generell nicht beeinflusst. Die Wirksamkeit der Alkohole wird Propanol(e):Wirkungsspektrumneben der Einwirkungszeit auch deutlich von der angewendeten Konzentration mit beeinflusst. Alkohole müssen in einer konkreten Mindestkonzentration angewendet werden, um wirken zu können. Diese liegt für n-Propanol bei mindestens ca. 55–60 %, für iso-Propanol bei mindestens 60 % und für Ethanol bei mindestens 60–70 % Volumenanteil (v/v). Aufgrund der lokalen und systemischen Unbedenklichkeit sind Alkohole Mittel der ersten Wahl zur Händedesinfektion und Hautantiseptik, können aber wegen ihres raschen Wirkmechanismus auch auf umschriebenen Flächen zielgerichtet angewendet werden. Aus toxikologischen und allergologischen Gründen sind Alkohole in Kombination mit Phenolen und Chlorhexidin nicht grundsätzlich zur täglich wiederholten Händedesinfektion zu empfehlen, zumal die Wirksamkeit dadurch nicht signifikant Alkohol(e):Risikenverbessert wird. In Hinblick auf die Umweltverträglichkeit gibt es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Einschränkungen (Kramer et al. 2008). Obwohl unverdünnte Alkoholkonzentrate brennbar sind, sind Entzündungen innerhalb von Krankenhäusern eine Rarität und ausschließlich fahrlässig durch offenes Feuer bzw. aus suizidaler Absicht verursacht worden (Kramer und Kampf 2007). 2.7.2 Aldehyde Formaldehyd Aufgrund des breiten Wirkungsspektrums (Mykobakterien, Pilze, Viren, Protozoen), der Haltbarkeit, geringen Korrosivität und der nur unbedeutenden Beeinflussung durch Belastung handelt es sich um einen Formaldehyd:Wirkungsspektrumbewährten Desinfektionswirkstoff. Zur Sporenabtötung werden Einwirkungszeiten > 1 Tag benötigt. Formaldehyd:RisikenFormaldehyd ist gesundheitlich bedenklich. Es wirkt stark reizend auf Augen, Haut und Schleimhäute, besitzt ein hohes allergenes Potenzial und ist als Humankanzerogen eingestuft (BfR 2006, IARC 2004). Nach Einschätzung des BfR (2006) zeigen epidemiologische Studien und mechanistische Überlegungen zweifelsfrei, dass die inhalative Aufnahme von Formaldehyd beim Menschen Tumoren in den oberen Atemwege auslösen kann. Diskutiert wird auch ein Zusammenhang mit der myeloischen Leukämie. Die Ableitung einer tolerierbaren Raumluftkonzentration basiert auf sensorischen Irritationen des oberen Respirationstrakts. Im Hinblick auf die krebserzeugende Wirkung beim Menschen leitete das BfR eine sichere Konzentration von Formaldehyd in der Raumluft von 0,1 ppm ab. Dieser Wert entspricht dem Innenraumrichtwert der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamts, der 1977 ohne Berücksichtigung kanzerogener Wirkungen erarbeitet wurde. Der Innenraumleitwert für Formaldehyd der WHO (Regionalbüro für Europa) lautet 0,08 ppm (0,1 mg/m3; WHO 2010). Der MAK-Wert zum Schutz vor Menschen am Arbeitsplatz beträgt 0,3 ppm (DFG 2000). Die neuen Einstufungen verlangen ein Überdenken der bisherigen Anwendung von Formaldehyd zur Flächen-, Raum- und Instrumentendesinfektion (Kramer et al. 2008a). Flächendesinfektion: Es ist davon auszugehen, dass die sichere Konzentration (BfR 2006) für die Raumluft von 0,1 ppm bei der Flächendesinfektion:FormaldehydFlächendesinfektion auch bei Mischpräparaten i. d. R. überschritten wird (Formaldehyd:FlächendesinfektionEickmann und Thullner 2006). Demzufolge wären, insbesondere in kleinen und wenig belüfteten Räumen, aufwändige Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich (Schwebke et al. 2007). Da eine vergleichbar breite Wirksamkeit auch durch andere Wirkstoffe erreichbar ist, ist Formaldehyd nicht mehr zur Flächendesinfektion zu empfehlen. Alternativ kommen in erster Linie oxidierend wirksame Verbindungen infrage. Sollen bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen ggf. doch formaldehydhaltige Desinfektionsmittel eingesetzt werden, muss durch Arbeitsschutzmaßnahmen eine Gefährdung ausgeschlossen werden. Instrumentendesinfektion: Wegen der Eiweißfixierung sind alle Aldehyde nur nach effizienter maschineller Instrumentendesinfektion:FormaldehydVorreinigung und wegen Unterbindung der Emission in die Raumluft nur in Formaldehyd:Instrumentendesinfektiongeschlossenen Verfahren (RDG) als anwendbar einzustufen. Raumbegasung: Die Raumbegasung wurde sowohl im Krankenhaus als auch im Krankentransport verlassen. Nur zur Gefahrenabwehr bei Raumbegasung, Formaldehydaußergewöhnlichen Seuchengeschehen (Fock et al. 2001) ist sie für Formaldehyd:RaumbegasungTransportfahrzeuge vorgesehen. Alternativ kommt als unbedenklicheres Verfahren die Verneblung von Wasserstoffperoxid in Betracht (Pitten 2008). Begasung von Sicherheitswerkbänken: Vor dem Ausbau von HEPA-Filtern werden ab Sicherheitsstufe L2 die Geräte Begasung, Sicherheitswerkbänke, Formaldehydmit Formaldehyd begast. Alternative Verfahren z. B. mit Wasserstoffperoxiddampf Formaldehyd:Begasung, Sicherheitswerkbänkebefinden sich in Erprobung. Formaldehydgassterilisation: Es dürfen nur gasdichte Geräte betrieben werden, die gefahrlos entlüftet werden können. Die Einhaltung der maximalen Raumluftkonzentration muss durch technische Ausrüstung Formaldehydgassterilistationgewährleistet werden. Glutaral Der Wirkstoff ist Formaldehyd:Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"FormaldehydNutzRisbakteriozid, fungizid, virozid und sporozid wirksamer als Formaldehyd. Allerdings Glutaral:Nutzen-Risko-Abwägungwird die sporozide Wirkung durch Kombinationen von Hypochlorit mit Alkoholen und durch Persäuren Glutaral:Wirkungsspektrumdeutlich übertroffen (Kramer et al. 2008a). Die Toxizität ist etwa 60-fach höher als die von Formaldehyd, im Unterschied zu Formaldehyd wird Glutaral dermal resorbiert. Glutaral ist allergen und Asthma auslösend, ein mutagenes Risiko Glutaral:Toxizitätist nicht auszuschließen, Hinweise auf Kanzerogenität beim Menschen liegen nicht vor. Die Anwendung ist auf die Aufbereitung spezieller MP, z. B. Applanationstonometer, zu beschränken, sofern keine Alternative verfügbar ist. Glyoxal Wirkt erst in hohen Konzentrationen bakteriozid, sporozid und virozid und wird nur in Kombination mit Glyoxal:Nutzen-Risiko-Abwägungweiteren Aldehyden eingesetzt. Wegen fehlender Flüchtigkeit aus wässrigen Lösungen kein inhalatives Glyoxal:WirkungsspektrumRisiko, aber dermale Resorption, tierexperimentell sensibilisierend, mutagen, möglicherweise erbgutverändernd (Kategorie 3) und Einstufung in Kategorie 3B „möglicherweise karzinogen Glyoxal:Risikenbeim Menschen“. Mit Ausnahme der Sporozidie sind alle Desinfektionsaufgaben ohne Aldehyde mit unbedenklichen Substituten realisierbar. Bei benötigter Sporozidie sind bei Anwendungen mit Wirkstofffreisetzung in die Raumluft Peroxide und Hypochlorite gegenüber Peroxikarbonsäuren bzgl. Langzeitverträglichkeit zu bevorzugen. Wegen rascher sporozider und umfassender virozider Wirkung sind für Dialysegeräte und Endoskope Persäuren wegen im Vergleich zu Aldehyden höherer Wirksamkeit, besserer Verträglichkeit für Reinigungs-Desinfektions-Geräte für Endoskope (RDGE) und Reduzierung der Betriebskosten Mittel der Wahl. In Frankreich wird zum Personalschutz bei manueller Aufbereitung Peressigsäure anstelle von Aldehyden zur Endoskopaufbereitung empfohlen (Hartemann et al. 2010). Für Waschverfahren sind Oxidanzien oder Persäuren Wirkstoffe der Wahl.Aldehyde:Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"AldehydeNutzRisik 2.7.3 Organische Karbonsäuren (Kramer et al. 2008b) Ameisensäure Karbonsäuren, organische:Nutzen-Risiko-Bewertungals wirksamster Vertreter ist bakteriozid und virozid wirksam. Organische Karbonsäuren sind ohne Ameisensäuretoxische Risiken, umweltverträglich und werden zur Karbonsäuren, organische:WirkungsspektrumKonservierung, aber auch als Kombinationspartner in Desinfektionsmitteln, Antiseptika und als Antiparasitika eingesetzt. 2.7.4 Oxidanzien (Kramer et al. 2008c) Wasserstoffperoxid Breites Wirkungsspektrum Wasserstoffperoxid:Nutzen-Risiko-Bewertungeinschließlich Viren und Sporen. Organisches Material ist von geringem Einfluss auf Oxidanzien:Nutzen-Risiko-Bewertungdie Wirksamkeit, sofern es keine Katalasen bzw. Peroxidasen enthält. Wasserstoffperoxid:WirkungsspektrumKeine toxischen Risiken. In Verbindung mit Ultraschallverneblung ist 10-prozentiges H2O2 wirksam zur Desinfektion von Beatmungsgeräten. Die Raumdesinfektion scheint sich zu einem aussichtsreichen Anwendungsgebiet zu entwickeln (Pitten 2008). Peressigsäure Breites Wirkungsspektrum mit hoher Wirksamkeit gegen Viren und Bakteriensporen, Peressigsäure:Nutzen-Risiko-Bewertungunwirksam gegen Helminthen und manche Protozoen. Keine Sensibilisierung, Peressigsäure:Wirkungsspektruminhalativ neurotoxisch, eingestuft in Kategorie 3B für Krebs erregende Arbeitsstoffe. Bei deklarierter Materialverträglichkeit, guter Vorreinigung und fehlender chronisch inhalativer Exposition ist Peressigsäure aufgrund der Wirksamkeit, fehlender Rückstandsprobleme und Umweltverträglichkeit als idealer mikrobiozider und virozider Wirkstoff einzuordnen, speziell beim Einsatz in RDG. PVP-Iod Breites mikrobiozides, virozides und protozoides Wirkungsspektrum mit raschem Wirkungseintritt, für PVP-Jod:Nutzen-Risiko-BewertungSporozidie differiert die Einwirkungszeit in der Literatur zwischen 1 PVP-Jod:WirkungsspektrumMinute und > 5 Stunden. Durch 20 % Blut wird die Wirkung aufgehoben. Allergierate bei Wundantiseptik bis 20 % (Freise et al. 2008). Wegen Schilddrüsengefährdung bei episomatischer Anwendung und überlegener Alternativen keine Anwendung zur Händedesinfektion, Haut- und Schleimhautantiseptik. Anwendung am Auge in einer Konzentration von 1,25 % ist risikolos möglich (PVP-Jod:RisikenBelow et al. 2006, Richter et al. 2006, Hansmann et al. 2007). PVP-Iod ist in Kombination mit Ethanol indiziert zur Versorgung von Bissverletzungen (Kramer et al. 2010). 2.7.5 Phenolderivate (Kramer et al. 2008d) Breites antibakterielles und antifungielles Wirkungsspektrum, begrenzt virozid wirksam, z. T. askarizid Phenol(e):Nutzen-Risiko-Bewertungwirksam, fehlende Sporozidie. Der Mensch hat sich in der Evolution an Phenol(e):Wirkungsspektrumin der Natur vorkommende phenolische Strukturen angepasst und kann sie metabolisieren. Von dem Gefährdungspotenzial einiger Phenole, z. B. Pentachlorphenol, eine pauschale Ablehnung der Stoffklasse abzuleiten, ist kritisch zu hinterfragen. Möglicherweise gewinnen im Ergebnis vertiefter Untersuchung mit modernen Methoden Wirkstoffe mit günstiger Nutzen-Risiko-Relation wieder an Bedeutung. Strukturabhängig keine Umweltgefährdung. Aktuell werden Phenole v. a. zur Konservierung eingesetzt, aber auch in Antiseptika (z. B. Thymol) und zur Imprägnierung von chirurgischem Nahtmaterial (Kramer et al. 2010). 2.7.6 Quaternäre Ammoniumverbindungen (QAV) Die Wirksamkeit kann je nach Molekularmasse und Struktur um den Faktor 10 differieren (Widulle et al. 2008). QAV sind gegen einige Erreger sehr Quats:Nutzen-Risiko-Bewertungwirksam, gegen andere nur wenig wirksam bei insgesamt langsamem Wirkungseintritt und z. B. gegen Mykobakterien und Bakteriensporen unwirksam. Glucoprotamin, ein Quats:WirkungsspektrumUmsetzungsprodukt von L-Glutaminsäure und Cocospropylen-1,3-diamin, ist höher wirksam als die klassischen QAV mit Wirksamkeit gegen M. terrae, M. tuberculosis und M. avium sowie eine Vielzahl atypischer Mykobakterien, Pilze einschließlich Aspergillus spp., HIV und HBV, insbesondere bei alkalischem pH, sowie unbehüllte, leicht lipophile Viren wie Adeno-, Rota- oder SV40-Virus, aber unwirksam gegen nackte und hochhydrophile Viren, insbesondere Picorna- und Parvoviren (von Rheinbaben und Meyer 2008). Je größer das Molekül und je schlechter die solubilisierenden Eigenschaften der QAV, desto besser ist die Haut- und Schleimhautverträglichkeit. Anwendungsabhängig schädigen QAV die Haut aufgrund ihrer emulgierenden Eigenschaften, sie werden dermal resorbiert, allerdings gibt es keine Hinweise auf eine systemische Gefährdung und keine Quats:RisikenHinweise auf mutagene und karzinogene Risiken sowie auf Reproduktionstoxizität. Der Zusatz von Benzalkonium-, Benzethonium- und Didecyldimethylammoniumchlorid zu Händedesinfektionsmitteln ist als entbehrlich anzusehen. Gegen den Einsatz in Instrumentendesinfektionsmitteln spricht bei gründlicher Abschlussreinigung nichts. Bei Einsatz in Flächendesinfektionsmitteln als Hauptwirkstoff oder Kombinationspartner ist die Unverträglichkeit für Kautschukbeläge zu beachten. In diesem Fall kommt der Wirkstoff Glucoprotamin als Alternative in Betracht (stattdessen unverträglich mit Silikon, bei Daueranwendung an Polycarbonat, Polysulfon und Acrylglas sind Materialveränderungen nicht auszuschließen). Bei großflächiger Anwendung von QAV ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund der Stabilität zur Anreicherung auf Flächen kommt, von denen sich Reste als Staub ablösen und eingeatmet werden können. Dadurch könnte die Entwicklung einer COPD gefördert werden. 2.7.7 Guanidine und Biguanide (Kramer et al. 2008e) Polihexanid Ist in der Wirksamkeit Chlorhexidin im grampositiven Spektrum gleichwertig, im gramnegativen Polihexanid:Nutzen-Risiko-BewertungSpektrum leicht überlegen (Koburger et al. 2010), deutlich besser Polihexanid:Wirkungsspektrumverträglich, ohne lokale oder systemische Risiken und das einzige Antiseptikum, das die Wundheilung stimuliert (Beule et al. 2010). Dominierender Anwendungsbereich sind die Haut-, Schleimhaut- und Wundantiseptik. Der Einsatz in Flächendesinfektionsmitteln ist wegen schlechter Abbaubarkeit und besserer Alternativen nicht zu empfehlen. Chlorhexidindiglukonat (Chx) Die Wirksamkeit ist durch große Speziesdifferenzen gekennzeichnet mit geringer Wirkung gegen Chlorhexidin:Nutzen-Risiko-BewertungMykobakterien und unsicherer Wirkung gegen Pilze. Gelegentlich wachsen Pseudomonaden Chlorhexidin:Wirkungsspektrumin wässriger Chx-Lösung. MRSA war signifikant schlechter abzutöten als MSSA, VRE erwiesen sich als resistent. Übertragbare Resistenzentwicklung gegen Chx ist in vitro nachgewiesen. Aufgrund der schwer erreichbaren Neutralisierung können bei der Prüfung falsch positive Ergebnisse erhalten werden. Chx wird von Octenidin signifikant an Wirksamkeit übertroffen (Koburger et al. 2010). Ein Merkmal ist – analog wie für Octenidin – die remanente Wirkung. Chx ist wirksam gegen behüllte, aber unwirksam gegen unbehüllte Viren. Die Zytotoxizität führt bei tierexperimentellen Wunden z. T. zu verzögerter Heilung. Chx ist ein mildes Irritans, verursacht selten Kontaktdermatitis und anaphylaktische Reaktionen und ist Chlorhexidin:Risikendaher seit 1984 in Japan zur Schleimhautanwendung untersagt. Chx ist tierexperimentell neurotoxisch, das Risiko von Mutagenität und Karzinogenität ist nicht ausreichend abgeklärt. Da nach 14-tägiger oraler Anwendung (0,2- und 0,02-prozentig) bei Ratten reversible Hyperkeratosen, Ulzerationen und Dysplasien auftraten, soll diese Anwendungsdauer zur Mundhöhlenantiseptik beim Menschen nicht überschritten werden. Bei Lagerung in Fertigprodukten entsteht 2-Chloranilin. Chx ist derzeit noch Goldstandard zur Mundhöhlenantiseptik und effektiv zur Prävention beatmungsassoziierter NI. Durch Vaginalantiseptik Senkung der mütterlichen und neonatalen Morbidität und Mortalität, zur MRSA-Eradikation Octenidin unterlegen (Hübner et al. 2009). Wegen höherer Wirksamkeit und besserer Hautverträglichkeit sind Alkohole anstelle Chx-haltiger Detergenzien zu bevorzugen. Da durch Zusatz von Chx zu alkoholhaltigen Formulierungen die Hautverträglichkeit reduziert wird und in Anbetracht der nicht eindeutig geklärten Langzeitrisiken sollten bei jahrelanger Anwendung zur Händedesinfektion alkoholische Präparate ohne Chx-Zusatz eingesetzt werden. Bei Verdacht auf allergische bzw. anaphylaktische Reaktion allergologische Abklärung! Keine Anwendung an ZNS, freigelegten Nerven, im Innenohr, auf bradytrophen Geweben, Peritoneum oder bei bekannter Allergie, am Auge nicht > 0,05-prozentig. Kein Wirkstoff der Wahl für chronische Wunden und zur Daueranwendung zur Instillation vor intermittierendem Harnblasenkatheterismus. 2.7.8 Octenidindihydrochlorid (Oct) Guanidine:Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"GuanideNutzRisik(Kramer et al. 2008f, Hübner et al. 2010) Biguanide, Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"GuanideNutzRisikWirksamster antiseptischer Wirkstoff mit hoher remanenter Wirkung, keine Octenidin:Nutzen-Risiko-BewertungResistenzentwicklung bekannt. Wirksamkeit von Alkoholen wird in Kombination mit Oct Octenidin(di)hydrochlorid\t\"Siehe Octenidinund analog zu Chx vor Legen zentraler oder peripherer Venenkatheter signifikant erhöht. Phänomen der starken Eiweißbindung mit sukzessiver Wirkstofffreisetzung ist als Ursache der mit Ringer-Lösung vergleichbar guten Wundverträglichkeit anzusehen. Biokompatibilitätsindex nur bei Oct und Polihexanid > 1 (Müller und Kramer 2007); kein Hinweis auf Langzeitrisiken. Hinsichtlich lokaler und systemischer Verträglichkeit gibt es keine Einschränkungen für den Einsatz in Händedesinfektionsmitteln, Hautantiseptika und antiseptischen Waschpräparaten. Oct ist Wirkstoff der 1. Wahl zur MRSA-Eradikation sowie generell zur Haut- und Schleimhautantiseptik. Kontraindiziert zur Spülung in Peritoneum, Gelenk und Harnblase, keine Anwendung am Trommelfell, solange diese Indikation nicht überprüft ist. Okklusivanwendungen auf Wunden nur nach Herstellerempfehlungen.Desinfektionswirkstoffe, Nutzen-Risiko-Bewertung\"\r\"DesinfektionswirkstNutzRisiko 2.8 Grundlagen der Sterilisation Wolfgang Kohnen, Paul Kober†, Rolf Fleischhack, Dieter Achterberg, Ulrich Kaiser, Thomas Kühne, Kurt Scheel, Rudi Salzbrunn, Herbert Getreuer, Ernst Dennhöfer, Wolf-Dieter Wegner. Vor etwa 800.000 Jahren hat der Mensch gelernt, Feuer zu entzünden. Hinweise auf dessen unbewusste Nutzung gegen Mikroorganismen gibt es schon aus der Medizin der Vorzeit, in der die Behausung bei Seuchen verbrannt wurde. Ein Meilenstein ist die Erfindung von N. Appert (französischer Koch) 1809, der Konservendosen auf über 100 °C erhitzte und damit einen Wettbewerb zur Schaffung haltbarer Truppenverpflegung gewann. 1865 beweist L. Pasteur, dass durch Erhitzen von Flüssigkeiten Mikroorganismen (Bakterien) abgetötet werden. 1874 appellierte er an Chirurgen, Instrumente thermisch zu behandeln. Tyndall führte 1878 das fraktionierte „Sterilisieren“ durch. Dabei erhitzte er Proben in Abständen von 10–12 Stunden. 1881 prüfte R. Koch die Wirkung heißer Luft und heißen Wasserdampfs auf die wichtigsten resistenten Mikroorganismen (z. B. Milzbrandsporen), erkannte die Vorteile des Sattdampfs und baute einen der ersten Dampftöpfe. Globig erkannte 1888, dass Dampf effektiver als siedendes Wasser ist und in Sattdampf ab 130 °C Mikroorganismen in Sekunden abgetötet werden. Noch vor 1890 stellt Gluck sterilisierbare Metallkästen und emaillierte Kochapparate mit Instrumenteneinsätzen her. 1890 wird in New York Milch kurzzeitig auf 60 °C erhitzt und Soxhlet entwickelt einen Pasteurisator für Milch in Haushalten. 1891 bauen Schimmelbusch und Tessier Dampfsterilisatoren und Sterilisationstrommeln. 1892 beschreiben von Bergmann und Schimmelbusch, dass Wundinfektionen seit Einführung der Instrumentendesinfektion mit Wasserdampf seltene Ereignisse im Vergleich zu 1870 (80 % Wundinfektionen) geworden sind. 2.8.1 Rechtliche und normative Grundlagen Regeln zum Schutz der Anlagen und der Beschäftigten bei Risiken durch Dampfkessel und elektrische Betriebsmittel werden seit über 100 Jahren von Herstellern, Betreibern und Versicherungen erstellt. Gesetze und Verordnungen haben den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auf den Schutz unbeteiligter Dritter und der Umwelt erweitert. Seit gut 20 Jahren enthalten die Europäischen Richtlinien die „Grundlegenden Anforderungen“ für Produkte mit CE-Kennzeichnung. Der diesen Anforderungen zugrunde liegende Stand der Technik wird in den harmonisierten Normen beschrieben, die die nationalen Normen und UVVen weitgehend ersetzen. Im Gesundheitswesen gelten die „Grundlegenden Anforderungen“ der Richtlinie 93/42/EWG mit Überarbeitungen und Ergänzungen der Richtlinie 2007/47/EG über MP gleichermaßen für MP, Verpackungen, RDG und Sterilisatoren. Die gesetzlichen Bestimmungen sind das Medizinproduktegesetz (MPG) und die Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV). Des Weiteren ist bei der Aufbereitung die in der MPBetreibV eingebundene Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI (KRINKO) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu beachten (2001). MP dürfen nach Maßgabe der MPBetreibV nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und von Personen errichtet, betrieben, angewendet und instand gehalten werden, die die dafür erforderliche Ausbildung und Erfahrung besitzen (§ 4, Abs. 2). Die Anforderungen an Entwicklung, Validierung und Routineüberwachung der Sterilisation mit feuchter Hitze sind in DIN EN ISO 17665 geregelt (für Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd gilt DIN EN 15424, für Ethylenoxid (EO) DIN EN 1422). Bei MP, die wiederaufbereitet werden, muss der Hersteller angeben, wie Aufbereitung und Resterilisation zu erfolgen haben (Einzelheiten siehe DIN EN ISO 17664). Verpackungen müssen so beschaffen sein, dass die Güter in den Verpackungen sterilisiert werden können und bis zur Verwendung steril bleiben (Einzelheiten siehe DIN EN ISO 11607-1/2 und DIN EN 868-2 bis 10). Sterilisatoren müssen verpackte MP sterilisieren. Ihre Auslegung und Konstruktion muss nach dem Prinzip der integrierten Sicherheit Funktionsmängel und Bedienungsfehler weitgehend ausschließen (Einzelheiten siehe DIN EN 285, 1422, 13060 und 14180). Sterilisatoren im Gesundheitswesen sind MP der Klasse IIb. Mit der CE-Kennzeichnung nach der Richtlinie über MP versichert der Hersteller, dass das MP sicher ist und die Zweckbestimmung erfüllt. MP und Druckgeräte werden entsprechend den Risiken, die mit ihrer Anwendung verbunden sind, Klassen und Kategorien zugeordnet. Die Richtlinien über MP und Druckgeräte schreiben eine Risikoanalyse vor und weiterhin, wie der Hersteller die Qualität der Produkte im Sinne der Richtlinie prüfen und sichern muss. Bei RDG, wieder verwendbaren MP und Sterilisatoren ist dabei die Beteiligung einer Benannten Stelle vorgeschrieben. Staatliche Stellen überwachen die Benannten Stellen (durch die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz, ZLG) sowie die Hersteller und die Betreiber von MP und Druckgeräten (durch die Überwachungsbehörden der Länder). Erstmalig in Betrieb genommene MP müssen nach § 6 (1) MPG die CE-Kennzeichnung tragen. Wird ein MP wesentlich verändert und danach in Verkehr gebracht, muss es die EG-Richtlinien vollständig erfüllen. Bei einer Verfahrensänderung ist eine neue Prüfung zur Bestätigung der Verfahrensparameter und Toleranzen durchzuführen. Die Installation einer neuen Steuerung mit neuer Software ist eine wesentliche Veränderung des Sterilisators; grundsätzlich ist schon das Verändern eines Vakuumschaltpunkts eine wesentliche Veränderung, denn dadurch entsteht ein neuer Sterilisatortyp gemäß DIN EN 285. Inverkehrbringen ist nach MPG § 3 Ziffer 11 jede Weitergabe an andere. Sterilisatoren sind im Allgemeinen überwachungsbedürftige Anlagen gemäß Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) und Druckgeräte-VO (14. GPSGV). Sie fallen unter die Richtlinie 97/23/EG über Druckgeräte. Für das Betreiben überwachungsbedürftiger Anlagen gilt die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Der Betreiber und die von ihm beauftragten Bedienpersonen müssen Druckgeräte in ordnungsgemäßem Zustand erhalten, ordnungsgemäß betreiben und überwachen. Sie sind verantwortlich für ausreichende, sachgemäße Wartung und Instandhaltung. Der Betreiber muss die vorgeschrieben Prüfungen rechtzeitig veranlassen. Wird ein Druckgerät im Sinne der BetrSichV § 12 (2) instand gesetzt, müssen danach die davon betroffenen Anlagenteile dem Stand der Technik entsprechen. Wird dabei das Druckgerät so verändert, dass es in den Sicherheitsmerkmalen einer neuen Anlage entspricht, ist das eine wesentliche Veränderung gemäß BetrSichV. In diesem Fall muss es die EG-Richtlinien vollständig erfüllen. Im Gegensatz zum MPG ist diese Bestimmung nicht mit dem Inverkehrbringen verknüpft. Bei Einbau einer neuen Sterilisatorsteuerung kann eine solche Veränderung des Druckgeräts vorliegen, wenn diese z. B. auch zur Steuerung des automatischen Türverschlusses verwendet wird. Die Verantwortung für die Veränderung trägt derjenige, der über das Produkt verfügt, also im Allgemeinen das Krankenhaus oder die Arztpraxis. Die Maßnahme muss dokumentiert und die Unterlagen einschließlich der Konformitätserklärung müssen ergänzt oder neu erstellt werden. 2.8.2 Anforderungen an Sterilisationsverfahren Grundlagen der Absterbekinetik in Sterilisationsprozessen Die mathematischen Gesetze für die Absterbekinetik sind in den meisten bekannten Sterilisationsverfahren gleich, sofern die physikalischen und/oder chemischen Parameter während der Sterilisation konstant bleiben. Unter gleichen Sterilisationsbedingungen unterscheidet sich allerdings die Resistenz der Organismen und kann z. B. durch unterschiedliche Kultivierungs- und Sporulierungsmethoden um den Faktor 10 differieren. Unter der Bedingung, dass es sich um identische Mikroorganismen einer Charge handelt und der Sterilisationsprozess unter gleichen chemischen und/oder physikalischen Bedingungen abläuft, ist die Abtötungsgeschwindigkeit i. d. R. nur abhängig von der vorhandenen Anzahl von Mikroorganismen. Das gilt zumindest in den bekannten Heißluft-, Dampf-, Formaldehyd- und EO-Sterilisationsprozessen und unter Vorbehalt auch für Wasserstoffperoxid(WPO)-Verfahren. Definition der Reaktion 1. Ordnung: Die Geschwindigkeit der Abtötung wird durch den in Gleichung (1) genannten Differenzialquotienten ausgedrückt und als Reaktionsgeschwindigkeit 1. Ordnung bezeichnet. t = Zeit [min]N = zum Zeitpunkt t vorhandene Lebendkoloniezahl [KbE/Teil] k' = Reaktionsgeschwindigkeitskonstante [min-1] (gültig für Logarithmus naturalis) Die Änderung der Koloniezahl mit der Zeit ist proportional der momentan vorhandenen Lebendkoloniezahl N pro Teil. k' ist von der Art des Sterilisationsprozesses abhängig und bei den meisten Sterilisationsprozessen temperaturabhängig (Abb. 2.4 ). Abb. 2.4 Abtötungskurve für die Dampfsterilisation:AbtötungskurveDampfsterilisation bei verschiedenen Temperaturen. Stellt man Gleichung 1 um, integriert und wandelt man den natürlichen Logarithmus in den dekadischen um, ergibt sich mit der neuen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k: t = Sterilisationseinwirkzeit [min]N0 = Ausgangskoloniezahl [KbE/Teil]NF = Koloniezahl am Prozessende [KbE/Teil]IF = Inaktivierungsfaktor (dezimale Reduktionsstufe)k = Reaktionsgeschwindigkeitskonstante [min-1] (gültig für dekadischen Logarithmus) Durch Umstellung der Gleichung ergibt sich: Der Term IF gibt eine Aussage über die Verminderung der Koloniezahl oder die Zahl der dezimalen Reduktionsstufen während eines Sterilisationsprozesses und wird Inaktivierungsfaktor genannt. Startet eine Sterilisation mit 106 [KbE/Teil] und endet mit 102 [KbE/Teil], erfolgt eine Reduktion um 4 Zehnerpotenzen (Abb. 2.5 ). Abb. 2.5 Halblogarithmische Darstellung der Lebendkoloniezahl gegen die SterilisationszeitSterilisationszeit. Wird die Skala der KbE nicht, wie im Diagramm 1 (Abb. 2.4), linear, sondern logarithmisch dargestellt, ergeben sich Geraden. In der Praxis kann es zu Nichtlinearitäten durch Vertreter gleicher Spezies kommen, wenn diese eine unterschiedliche Resistenz aufweisen. Dezimaler Reduktionsfaktor (D-Wert): Der D-Wert ist ein Maß für die Widerstandsfähigkeit eines Mikroorganismus bei gegebenem Sterilisationsprozess. Der D-Wert gibt an, wie lange ein Sterilisationsprozess auf Mikroorganismen einwirken muss, um eine Reduzierung der Koloniezahl um eine Zehnerpotenz zu erreichen. D-WertIm Dampf-, EO-, Formaldehyd- und WPO-Reduktionsfaktor, dezimaler\t\"Siehe D-WertSterilisationsprozess wird der D-Wert mit der Dimension Zeit [min], bei der Strahlensterilisation mit der Dimension Strahlendosis [Mrad] angegeben. Er wird experimentell bestimmt. Trägt man den Logarithmus der Koloniezahl gegen die Zeit auf, erhält man eine Gerade, deren reziproke Steigung der D-Wert ist. Der D-Wert gilt immer nur für einen bestimmten Sterilisationsprozess und definierten Mikroorganismus. Für Dampf wird im Index die Sterilisationstemperatur angegeben. Im Zertifikat von Bioindikatoren ist meist der D121 °C-Wert angegeben. Er ist stark temperaturabhängig (Abb. 2.6 ). Abb. 2.6 D-D-WertWert bei verschiedenen Temperaturen. DT = Dezimaler Reduktionsfaktor [min] oder [Mrad] k = Reaktions-Geschwindigkeits-Konstante des lg [min-1] In der Praxis ist der D-Wert nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Art des Prozesses abhängig. Setzt man Gleichung 4 in Gleichung 3 ein, erhält man: N0 = Ausgangskoloniezahl [KbE/Teil]NF= Koloniezahl nach Sterilisation [KbE/Teil]DT = dezimaler Reduktionsfaktor [min] oder [Mrad] (DT-Wert)t = Einwirkzeit [min]IF = Inaktivierungsfaktor (dezimale Reduktionsstufe) Dividiert man die Einwirkzeit durch den D-Wert, erhält man den Inaktivierungsfaktor IF, der gleichbedeutend mit der Zahl der dezimalen Reduktionsstufen ist. Die Sterilisationszeit, die einer D-Wert-InaktivierungsfaktorEinheit entspricht, reduziert die Population um 90 % oder um eine Reduktionsstufe. Ist der D-Wert bekannt, kann die Sterilisationszeit errechnet werden, um Sterilisationszeitdie Koloniezahl um eine bestimmte Zahl dezimaler Reduktionsstufen zu verkleinern. Verändert sich die Ausgangskoloniezahl N0, verändert sich bei gleicher Einwirkzeit die Endzahl NF entsprechend. Damit ist bei einem vorgegebenen Sterilisationsprozess die Ausgangserregerzahl entscheidend für den Endwert. Die notwendige Einwirkzeit erhält man, wenn man Gleichung (5) umstellt: Definition der Sterilisationswahrscheinlichkeit: Die Zahl der Mikroorganismen geht während des Sterilisationsprozesses mit jeder D-Wert-Zeiteinheit um eine Zehnerpotenz oder 90 % des Ausgangswerts zurück. Nachdem Sterilisationswahrscheinlichkeitdie Belastung von 1 KbE/Teil erreicht ist, wird nach der Sterilisationszeit einer weiteren D-Wert-Einheit der rechnerische Wert von 0,1 erreicht. Werte < 1 stellen nicht mehr die KbE-Zahl pro Teil dar, sondern die Wahrscheinlichkeit, lebende Erreger in einer definierten Zahl von Teilen anzutreffen. Werden 10 Teile, die mit je einem Erreger belastet sind, über den Zeitraum eines D-Werts sterilisiert, werden wiederum 90 % der Erreger abgetötet. Der Wert 0,1 sagt aus, dass 9 von 10 Teilen steril sind. Der Wert 0,01 bedeutet, dass von 100 Teilen 1 Teil mit einem Erreger belastet ist. Bei einer Koloniezahl < 1 spricht man deshalb nicht mehr von der Erregerbelastung, sondern von der Sterilisationswahrscheinlichkeit. Sie gibt das Verhältnis der unsterilen zur gesamten Menge der Teile an. Definition eines sterilen Produkts nach DIN EN 556-1: Der klassische Begriff steril sagt aus, dass sich keine vermehrungsfähigen Erreger auf oder in einem sterilen Produkt befinden. Nach der o. g. mathematischen Produkt, steriles, DefinitionGesetzmäßigkeit ist jedoch keine Sterilisationswahrscheinlichkeit von 0 Erreger/Teil erreichbar. Aus diesem Grund wurde in DIN EN 556-11 die Sterilisationswahrscheinlichkeit von 1:1 Mio. (10–6) festgelegt, die eine ausreichende Sicherheit bietet. Werden die Sterilisationsbedingungen nach der o. g. Definition so ausgelegt, dass von 1 Mio. Teilen maximal 1 Teil mit einem Erreger belastet ist, werden diese Produkte in Europa als „steril“ bezeichnet. Der direkte biologische Nachweis für diesen Wert ist experimentell nicht zu erbringen, er kann nur durch Extrapolation der Überlebenskurve ermittelt werden. Temperaturabhängigkeit des Sterilisationsprozesses: Die Temperaturabhängigkeit ändert den D-Wert und wird durch den z-Wert beschrieben. Er beschreibt, wie Sterilisationsprozess, Temperaturabhängigkeitsich die Abtötungsgeschwindigkeit der Mikroorganismen mit der Temperatur verändert. Mathematisch ist der z-Wert die Temperaturdifferenz, die zur Änderung des D-Werts um den Faktor 10 unter sonst gleichen Sterilisationsbedingungen führt. Werden D-Werte bei verschiedenen Temperaturen bestimmt und in einer halblogarithmischen Skala gegen die Temperatur aufgetragen, ergibt sich eine Gerade, aus der der z-Wert abgelesen werden kann (Abb. 2.7 ). Abb. 2.7 Darstellung des z-Werts. Mit Hilfe des z-Werts lassen sich die D-Werte bei unbekannten Temperaturen wie folgt berechnen: Sterilisationsprozess-Äquivalentzeit (FT,z -Wert): Wie aus Gleichung 6 hervorgeht, ist die Sterilisationszeit gleich dem Produkt aus dezimalem Reduktions- und F-WertInaktivierungsfaktor. Da der D-Wert grundsätzlich Sterilisationsprozess-Äquivalentzeit\t\"Siehe F-Wertnur für eine Temperatur gilt, muss auch die Sterilisationszeit bei unterschiedlichen Temperaturen während der Steigezeit auf eine Temperatur bezogen werden. Die Gesamtsterilisationszeit, bezogen auf eine Temperatur, wird Äquivalentzeit FT, z genannt und mit dem Index der Temperatur und dem z-Wert des Sterilisationsprozesses markiert. Der F-Wert gibt die Sterilisationszeit bei einer konstanten Temperatur an. Der Inaktivierungsfaktor allein ist kein Maß für die Sterilisationsarbeit, da Erreger kleinerer Resistenz (mit kleinem D-Wert) schneller abgetötet werden als die gleiche Anzahl von Erregern mit hohem D-Wert. Wie oben gezeigt, kann bei gegebener Ausgangspopulation die Sterilisationszeit bei einer gegebenen Temperatur errechnet werden, um eine bestimmte Enderregerzahl zu erreichen. In der Praxis heizt sich der Sterilisator über einen gewissen Zeitraum auf, bis die Sterilisationstemperatur von z. B. 121 °C erreicht ist. Während der Steigezeit von 110 –121 °C findet bereits eine Abtötung von Mikroorganismen statt, die in der Gesamtsterilisationszeit berücksichtigt werden kann. Ist der z-Wert bekannt, lassen sich die Sterilisationszeiten außerhalb der Sterilisationstemperatur auf Zeiten der Sterilisationstemperatur umrechnen. Die Summe der einzelnen Zeitintegrale kann auf die Sterilisationszeit von 121 °C zusammengefasst werden und wird Äquivalentzeit genannt. Der F-Wert ist eine reine Sterilisationszeit bei einer definierten Temperatur, bei der Strahlensterilisation eine definierte Dosis (Abb. 2.8 ). Abb. 2.8 Darstellung des F-Werts bei konstanter Temperatur. Der F0-Wert wird bei einer Sterilisationstemperatur von 121 °C und einen z-Wert von 10 °C definiert und wird in der Industrie für viele Prozesse als Referenz angegeben. Weitere F-Werte können definiert werden, müssen dann jedoch den Zusatz der Bezugstemperatur und des z-Werts tragen. Neuerdings wird im metrischen System der FC-Wert bei 120 °C und z = 10 °C angegeben. Überblick über unterschiedliche Sterilisationsverfahren und Penetrationseigenschaften Sterilisationsverfahren:Absterbekinetik\""\r""Absterbekinetik Absterbekinetik, Sterilisationsverfahren\""\r""Absterbekinetik Es werden Strahlen-, chemische und thermische Sterilisationsverfahren unterschieden (Tab. 2.18 ). Tab. 2.18 Einteilung der Sterilisationsverfahren.StrahlensterilisationsverfahrenSterilisationsverfahren:thermischeSterilisationsverfahren:EinteilungSterilisationsverfahren:chemische Verfahren Temperatur (°C) Thermisch Heißluft 160–200 Dampf mit Luftverdrängung, Schwerkraft, einfachem Vakuum, Vakuum-Injektionsverfahren bzw. fraktionierten Verfahren 110–135 Mikrowelle (nur mit Wasser) 110–135 Chemisch Ethylenoxid (EO) 30–70 Formaldehyd 40–70 Wasserstoffperoxid (Plasma) 30–50 Strahlen γ- oder β-Strahlen 20 Strahlensterilisationsprozesse werden im Wesentlichen in der Industrie eingesetzt. Ihr Einsatzbereich ist dort begrenzt, wo energiereiche β- oder γ-Strahlen Materialeigenschaften verändern. StrahlensterilisationsverfahrenDie Verpackungen können absolut erregerdicht sein, da kein Gasaustausch mit dem Innern der Sterilisierverpackung notwendig ist. Für temperatursensitive Produkte kommen chemische Sterilisationsverfahren zur Anwendung. Die Industrie verwendet am häufigsten EO, weil es nicht nur über Öffnungen in das Innere von Hohlkörpern eindringt, sondern sich in vielen (nicht Sterilisationsverfahren:chemischein allen) Kunststoffen löst und Wände direkt durchdringen kann. Nachteilig für die EO-Verfahren im Gesundheitswesen ist, dass die Desorptionszeit bis zur gefahrlosen Anwendung zu lang sein kann, wenn die Instrumente kurzfristig wiederverwendet werden müssen. Daher wird in den letzten Jahren für Niedertemperatur-Sterilisationsprozesse das Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-(NTDF-)Verfahren eingesetzt, das heute in seiner Effizienz den EO-Sterilisationsverfahren etwa gleichwertig ist. Bei Wasserstoffperoxidsterilisationsverfahren sind Beschränkungen in der Penetration bei langen engen Lumina zu beachten. Heißluftsterilisationsprozesse arbeiten mit langer Sterilisationszeit und hoher Sterilisiertemperatur, sind sehr effizient und haben den Vorteil, dass ab 200 °C zusätzlich Endotoxine zerstört Heißluftsterilisationsverfahrenwerden. Problematisch ist, dass der Wärmeübergang zur Aufheizung der Instrumente zeitaufwändig und komplex ist und stark von der Konvektion der Luft im Sterilisierraum, der Art der Beladung, der Isoliereigenschaft der Verpackungen sowie der Masse und Wärmekapazität der sterilisierten Güter abhängt. Deshalb sind die Validierung des Verfahrens und danach die exakte Reproduzierbarkeit des validierten Prozesses besonders zu beachten. Dampfsterilisationsverfahren werden am häufigsten im Gesundheitsdienst eingesetzt. Sie können für alle Materialien verwendet werden, die eine Temperatur > 120 °C aushalten. Nicht geeignet sind sie für Produkte, die nicht nass werden dürfen, z. B. feste Pulver und nicht wässrige Öle. Für thermostabile MP werden bevorzugt Dampfsterilisationsverfahren eingesetzt, die die Penetration des sterilisierenden Mediums an alle zu sterilisierenden Oberflächen ermöglichen. Sterilisationsverfahren sind nur wirksam, wenn das sterilisierende Medium die zu sterilisierenden Oberflächen erreicht. Behindert wird der Zugang durch das Sterilbarrieresystem, lange Lumina, Dichtungen sowie durch Beläge aus Schmutz, Biofilmen oder Gleitmitteln. Für minimalinvasive chirurgische (MIC-)Instrumente ist das Penetrationsvermögen des Sterilisiermittels durch Validierung zu prüfen. Weiterhin wird die Penetration durch vorhandene Luft im Sterilisierraum, in den Verpackungen und innerhalb der Instrumente behindert, diese muss vor dem eigentlichen Sterilisationsprozess mit Ausnahme der Strahlen- und Heißluftsterilisationsprozesse entfernt werden. Hierfür werden Druckdifferenzenverfahren eingesetzt. Dabei dürfen z. B. beim Sterilisiermitteldampf keine zu hohen Anteile nicht kondensierbarer Gase vorhanden sein. Um sicherzustellen, dass alle inneren und äußeren Oberflächen mit dem Sterilisiermittel in Kontakt treten, ist es notwendig, den verwendeten Sterilisationsprozess zu validieren. Beim Einsatz von neuen komplexen Instrumenten kann ein zuvor ordnungsgemäß arbeitender Sterilisiervorgang allein durch Änderung der Penetrationseigenschaften seine Wirksamkeit in den kritischen Bereichen verlieren. Überwachung von Sterilisationsverfahren Nach der erfolgreichen Validierung eines Sterilisationsverfahrens ist sicherzustellen, dass das Verfahren langfristig reproduzierbar arbeitet. Zu diesem Zweck muss garantiert werden, dass alle wesentlichen Prozessparameter in jeder Charge überwacht werden. In Dampfsterilisationsprozessen sind das Speisewasser (durch Sterilisationsverfahren\""\r""Sterilisationsverfdie Leitfähigkeit), die Dampfqualität und das Druck-Temperatur-Zeit-Profil als physikalische Parameter zu überwachen. In Niedertemperatur-Sterilisationsverfahren ist außerdem die Überwachung der Konzentration der chemischen Substanzen notwendig. Integrale Überwachung: Diese Überwachungsmethoden geben eine Information über den Gesamtablauf des Sterilisati onsverfahrens, jedoch keine Detailinformationen über die Verteilung des Sterilisiermittels im Sterilisierraum. Früher ging man davon aus, dass innerhalb des Sterilisierraums mehr oder weniger homogene Verhältnisse herrschen. Heute ist bekannt, dass gerade aufgrund der eingesetzten komplexen Instrumentarien im Sterilisierraum in Abhängigkeit von der Prozessführung, den Verpackungen und dem eingesetzten Sterilgut selten homogene Verhältnisse herrschen und diese deshalb bei jedem Sterilisationsprozess überwacht werden müssen. Zur örtlichen Überwachung sind Bio- und Chemoindikatoren geeignet. Allerdings können diese Indikatoren lediglich an dem Ort, an dem sie platziert werden, eine Aussage über die Effizienz des Sterilisationsprozesses machen. Bio- oder Chemoindikatoren außerhalb von Paketen geben keine Hinweise auf die Sterilisation innerhalb von Paketen. Indikatoren auf der Oberfläche von Paketen – sog. Prozess- oder Behandlungsindikatoren – erlauben lediglich die Aussage, ob das Paket einen Sterilisationsprozess durchlaufen hat. Bio- und Chemoindikatoren müssen an die Stellen innerhalb des Pakets und innerhalb der Instrumente angebracht werden, die am schwersten vom Sterilisiermedium erreichbar sind. Differenzielle Überwachung: Häufig kann das Innere von Hohlkörperinstrumenten aus Platzgründen nicht mit Streifenindikatoren bestückt werden. Um trotzdem eine effiziente Überwachung durchführen zu können, ist es notwendig, Prüfkörper (Process Challenge Device = PCD) herzustellen, die die am schwersten zu penetrierenden Instrumente simulieren, und Indikatoren einzusetzen, die die Penetration des Prozesses beurteilen. Voraussetzung ist, dass die PCDs schwerer zu penetrieren sind als die komplexesten Instrumente in der Verpackung, sodass der PCD sowohl Instrument als auch Verpackung simuliert. PCDs können außerhalb von Verpackungen eingesetzt werden und haben den Vorteil, dass sie am Ende des Sterilisationsprozesses entnommen und direkt beurteilt werden können. Wie überprüft werden kann, ob ein PCD Instrumente korrekt simuliert, beschreibt DIN 58921. Bioindikatoren: Bei ihrem Einsatz ist sicherzustellen, dass geeignete Prüforganismen für den Sterilisationsprozess eingesetzt werden. Dazu ist die richtige Resistenz auszuwählen. Sterilisationsverfahren:BioindikatorenDie Resistenz von Bioindikatoren wird durch den FBIO-Wert = lgPop × D-Wert bestimmt und unterscheidet sich von Charge zu Charge. Bioindikatoren sollten immer von einem Zertifikat begleitet sein, das Population und D-Wert unter bestimmten Prozessbedingungen angibt, damit die effektive Resistenz des Bioindikators bekannt ist. Sie sollen der Normenserie DIN EN ISO 11138 entsprechen. Bioindikatoren haben den Nachteil, dass das Ergebnis nicht am Ende des Sterilisationsprozesses zur Verfügung steht, sondern die Indikatoren inkubiert werden müssen mit der Konsequenz, dass die Sterilisiergüter bis zur Beurteilung des Bioindikators in Quarantäne zu stellen sind. Deshalb wurden Bioindikatoren entwickelt, deren Inkubationszeit von 5 Tagen auf 3 Stunden reduziert wurde. Die reduzierte Inkubationszeit hat allerdings den Nachteil, dass noch eine nachträgliche Wachstumswahrscheinlichkeit nach dem Ablesen, die mit kürzerer Inkubationszeit wächst, gegeben ist (z. B. 3 h = 3 %, 1 d = 1,5 %, 2 d = 1 %, 5 d = 0,1 % Wachstum). Chemoindikatoren: Besonders für Dampfsterilisationsprozesse wurden Chemoindikatoren entwickelt, die Sterilisationsverfahren:Chemoindikatorendie gleiche oder sogar bessere Aussagefähigkeit im Vergleich zu Bioindikatoren haben, zusätzlich mit dem Vorteil, dass die Ergebnisse am Chemoindikatoren:SterilisationsverfahrenEnde des Sterilisationsprozesses ablesbar sind. Es ist sicherzustellen, dass Chemoindikatoren eingesetzt werden, die die wesentlichen Prozessbedingungen überwachen. Beispielsweise darf ein Chemoindikator für Dampfsterilisationsprozesse in einem bestimmten Temperatur-Zeit-Fenster nur unter Dampfeinwirkung umschlagen und keinesfalls dieselbe Reaktion mit Heißluft zeigen. Die Chemoindikatoren sollen der Normenserie DIN EN ISO 11140 entsprechen. Beim Einsatz von PCDs mit eingesetzten Indikatoren (z. B. BD-Test nach DIN EN 285 oder Hohlkörper-Test nach DIN EN 867-5 Hollow Load A) ist sicherzustellen, dass der Test gegenüber einem Referenzverfahren validiert ist. Es sollen nicht Prüfkörper und Indikatoren unterschiedlicher Hersteller eingesetzt werden, da Indikatoren und PCD spezifisch auf Prüfkörper und Verfahren abgestimmt sein müssen. 2.8.3 Dampfsterilisation Die Sterilisationsverfahren:Anforderungen\"\r\"SterilisVerfAnfordDampfsterilisation wird aufgrund der Verfahrenssicherheit als bevorzugt einzusetzendes Sterilisationsverfahren im Gesundheitswesen empfohlen. Das Sterilisieragens ist gesundheitlich unbedenklich. Das Verfahren ist wirtschaftlich, arbeitet mit Chargenzeiten, die mit den Betriebsabläufen kompatibel sind und ist, abgesehen vom Energieverbrauch, umweltverträglich. Neben der Beanspruchung des Sterilisierguts durch Temperatur und Feuchte des kondensierenden Dampfs wird das Sterilisiergut einschließlich seiner Verpackung mehr oder weniger schnellen Druckwechseln ausgesetzt. Deshalb muss der Sterilisationsprozess auf das Sterilisiergut und die Verpackung abgestimmt sein. In der Praxis gibt es nur wenige Sterilisiergüter (z. B. Mammaprothesen), die aus diesem Grund eine Modifikation der üblichen Prozessabläufe nötig machen. In Bezug auf die Verpackungen wurden in den Normen Druckwechselgeschwindigkeiten festgelegt, die von den Prozessen, die der Sterilisator erzeugt, nicht überschritten werden dürfen und denen die Verpackung widerstehen muss. Deshalb sollten bei Verwendung normgerechter Sterilisatoren und Verpackungen keine Schwierigkeiten auftreten. Die Dampfsterilisation erreicht immer dann ihre Wirkung, wenn der Dampf einen bestimmten thermodynamischen Zustand aufweist, die festgelegte Temperatur hat, die festgelegte Zeit einwirkt, alle Oberflächen des Sterilisierguts erreicht und auf ihnen kondensieren kann. Physikalische Eigenschaften des Dampfs Wasserdampf\t\"Siehe DampfWasserdampf hat physikalische Eigenschaften, die ihn als Sterilisationsagens besonders geeignet machen. Der Temperaturanstieg bei der Erwärmung von Wasser verläuft zunächst monoton zunehmend, knickt dann aber plötzlich zu einer konstanten Temperatur ab. Bis zu diesem Knickpunkt wird das Wasser lediglich erwärmt. Danach beginnt die Verdampfung. Für die Änderung des Aggregatzustands ist viel Energie erforderlich (z. B. bei Atmosphärendruck 9.441 kJ/kg Wasser). Im Dampfsterilisationsprozess wird diese hohe Energiemenge bei der Beaufschlagung des Sterilisierguts mit dem Dampf als Folge seiner Kondensation wieder freigesetzt. Deshalb können Sterilisiergüter sehr schnell aufgeheizt werden. Vorteilhaft ist dabei, dass der kondensierende Dampf sein Volumen extrem vermindert (etwa 1 : 900 bei 2 bar und 121 °C) und dadurch Frischdampf solange ungehindert nachströmen kann, bis das Gut die Dampftemperatur erreicht hat. Dieser Effekt fehlt z. B. bei der Heißluftsterilisation. Kondensierender Dampf ist deshalb ein ideales Hilfsmittel für die schnelle, gleichmäßige Erwärmung der Sterilisiergüter. Bei über freien Wasseroberflächen entstehendem Dampf besteht eine feste Beziehung zwischen Dampfdruck und Temperatur des Dampfs. Dieser Zusammenhang wird vielfach z. B. bei der Dampferzeugung oder der Regelung der Sterilisationstemperatur während der Einwirkzeit genutzt. Bei der Mehrzahl der marktüblichen Sterilisatoren erfolgt eine Druckregelung, um die Sterilisationstemperatur im vorgegebenen Toleranzfeld zu halten. Das ist vorteilhaft für eine schnelle, genaue Regelung. Der über einer freien Wasseroberfläche durch Wärmezufuhr entstehende Dampf wird Sattdampf genannt. Dieser Dampfzustand ist eine der Voraussetzungen für die volle Wirksamkeit des Dampfsterilisationsprozesses. Aufgrund des beschriebenen Zusammenhangs lässt sich durch Messung von Druck und Temperatur die Einhaltung des Sattdampfzustands überwachen. Wird Sattdampf Wärme entzogen, wie es z. B. beim Durchströmen einer Rohrleitung eintreten kann, kondensiert ein Teil des Dampfs und bildet mehr oder weniger große Wassertröpfchen, die bei strömendem Dampf mitgeführt werden. Dieser Dampf wird Nassdampf genannt. Während eines Sterilisationsprozesses erzeugt Nassdampf bei der Erwärmung des Sterilisierguts eine höhere Kondensatmenge als Sattdampf. Das kann zur unvollständigen Trocknung des Sterilisierguts und insbesondere der Verpackung führen. Durchnässte Verpackung verliert ihre Barrierewirkung gegen Mikroorganismen. Nassdampf ist deshalb als Sterilisationsagens ungeeignet. Vorgänge innerhalb des Sterilisators während des Prozessablaufs, aber auch solche innerhalb eines Dampfversorgungsnetzes mit Druckreduktionsstufen können zu Dampfzuständen führen, bei denen die Dampftemperatur höher als die dem Dampfdruck bei Sattdampf zugeordnete Temperatur ist. Man spricht dann von überhitztem Dampf. Ein Beispiel für eine solche Zustandsänderung des Dampfs ist z. B. die Drosselung. Durchströmt Sattdampf eine Drosselstelle, verändert sich seine Temperatur nahezu nicht. Sein Druck fällt jedoch ab. Die für Sattdampf beschriebene Abhängigkeit der Temperatur vom Druck ist dann nicht mehr gültig. Überhitzter Dampf kann z. B. auch beim Befüllen der Sterilisatorkammer mit Dampf nach vorausgegangener Evakuierung oder durch Wärmezufuhr von außen (Heizmantel) entstehen. Die Sterilisationswirkung von überhitztem Dampf wird ab einem bestimmten Punkt der Überhitzung geringer als die von Sattdampf. Aus diesem Grund und um das Sterilisiergut vor zu hohen Temperaturen zu schützen, ist überhitzter Dampf als Sterilisieragens ungeeignet. Der Energieinhalt der Überhitzung ist relativ gering, d. h., bei ablaufenden Prozessen können Wärmesenken in der Sterilisatorkammer, wie z. B. Einbauten, unbeheizte Türen oder auch Sterilisiergüter selbst, dem überhitzten Dampf diese Energie entziehen, wodurch dann wieder Sattdampf am Sterilisiergut wirksam wird. Bei leerer Kammer oder extrem geringer Beladung kann der überhitzte Dampf jedoch in Erscheinung treten. Dampferzeugung Da der Dampf\"\r\"DampfSterilisierdampf fast immer direkt auf das Sterilisiergut einwirkt, muss er zusätzlich zum Dampferzeugungthermodynamischen Zustand folgende Anforderungen erfüllen: • Dampfsterilisation:DampferzeugungEr darf weder auf dem Sterilisiergut noch am Sterilisator Korrosion auslösen. • Er darf auf dem Sterilisiergut keine Ablagerungen erzeugen, die für das Sterilisiergut funktionsgefährdend sind oder toxische Wirkung haben. • Er darf keinen unzulässigen Gehalt an Pyrogenen/Toxinen haben. Allerdings ist ihr Übertragungsmechanismus mit dem Dampf auf das Sterilisiergut noch nicht ausreichend untersucht, deshalb gibt es noch keine Grenzwerte für den Gehalt im Sterilisierdampf. • Er muss frei sein von Partikeln, die im Sterilisator (z. B. an Ventilen) zu Funktionsstörungen führen könnten. • Er darf keinen unzulässigen Gehalt an nicht kondensierbaren Gasen aufweisen. Das ist entscheidend in Bezug auf das Erreichen aller zu sterilisierenden Oberflächen, insbesondere bei porösen Gütern oder Hohlkörpern. Nur Dampf, der diesen Anforderungen entspricht, ist für die Sterilisation geeignet. Er wird deshalb Reindampf genannt. Die Erzeugung von Reindampf erfolgt in Dampferzeugern aus Edelstahl. Aufgrund des korrosionsfesten Werkstoffs werden Verunreinigungen des Dampfs durch Abtragungen von Korrosion vermieden. Bei kleineren Anlagen werden oft mit Widerstandsheizkörpern ausgerüstete Elektrodampferzeuger eingesetzt. Große Dampfmengen werden in sog. Reindampfumformern erzeugt. Das sind Dampfkessel, die primärseitig mit Heizdampf, der in Krankenhäusern meist vorhanden ist, versorgt werden. Bauteile zur Fortleitung und Behandlung des Reindampfs wie Rohrleitungen, Druckminderer oder Kondensatableiter sind, soweit sie mit dem Dampf direkt in Berührung kommen, ebenfalls in Edelstahl auszuführen. In vergangenen Jahrzehnten sind auch sog. Schwarz-Anlagen aus Kesselstahl oder Grauguss ohne vordergründig erkennbare Nachteile für die Erzeugung von Sterilisierdampf eingesetzt worden. In jedem Fall, ob Edelstahldampferzeuger oder „Schwarz-Anlage“, kommt der Speisewasseraufbereitung größte Bedeutung zur Erzielung der gewünschten Dampfqualität zu. Die zu treffenden Maßnahmen unterscheiden sich bei den beiden Dampferzeugungsanlagen grundsätzlich. Außerdem wird die Wasseraufbereitung entscheidend von der vorhandenen Rohwasserzusammensetzung beeinflusst. Es wird deshalb empfohlen, auf der Grundlage der in den Normen für die Speisewasserqualität festgelegten Grenzwerte und einer Wasseranalyse des örtlich vorhandenen Rohwassers die Wasseraufbereitung durch eine Fachfirma auslegen zu lassen. Im Allgemeinen ergibt sich die Notwendigkeit, das Speisewasser nach der Aufbereitung mit physikalischen und/oder chemischen Methoden zusätzlich vor der Einspeisung in den Dampferzeuger zu entgasen, um die Grenzwerte für nicht kondensierbare Gase zu unterschreiten. Dampfsterilisationsverfahren Neben der Zweckbestimmung der Sterilisation beeinflussen Zielsetzungen wie hohe Trocknungswirkung, kurze Chargenzeiten oder geringer Betriebsmittelverbrauch den Prozessablauf. Mit sog. Universalprogrammen wird versucht, eine möglichst große Palette vorkommender Konfigurationen, d. h. die Kombination von Sterilisiergut, Verpackung und Beladungsmuster, abzudecken. Strömungsverfahren: Die in der Kammer (nach Beschickung mit Gut) vorhandene Luft wird durch den Dampfsterilisation:Strömungsverfahreneinströmenden Dampf verdrängt. Dabei stellt sich aufgrund des unterschiedlichen Strömungsverfahren, Dampfsterilisationspezifischen Gewichts von Luft und Dampf sowie der nur zögerlichen Vermischung eine annähernd waagerechte Trennfläche zwischen Luft und Dampf ein. Deshalb kann durch eine Temperaturmessung im unteren Ablass festgestellt werden, wann die Kammer mit Dampf gefüllt ist. Danach kann durch Schließen des Ablassventils der zum Erreichen der gewünschten Sterilisiertemperatur erforderliche Druck aufgebaut werden. Dieser Verdrängungsmechanismus versagt bei nach oben offenen Hohlkörpern und wird bei verpackten Sterilisiergütern stark behindert, sodass der Dampf nicht alle zu sterilisierenden Oberflächen erreicht. Selbst wenn nach längeren Zeitabschnitten die erforderliche Temperatur durch Wärmeübertragung noch erreicht werden sollte, darf daraus nicht auf die vollständige Beaufschlagung des Sterilisierguts mit Dampf geschlossen werden. Das Verfahren ist weder für Hohlkörper noch für poröse Güter und nur mit großen Einschränkungen für verpackte Sterilisiergüter anwendbar. Deshalb wird dieses Verfahren nur noch bei Kleinsterilisatoren mit eingeschränktem Anwendungsbereich angetroffen. Vorvakuumverfahren: Als erster Verfahrensschritt wird vor der Beaufschlagung mit Dampf die in der Dampfsterilisation:VorvakuumverfahrenKammer befindliche Luft durch Vakuumanlagen weitgehend entfernt. Dadurch Vorvakuumverfahren, Dampfsterilisationerreicht der einströmende Dampf die meisten zu sterilisierenden Oberflächen, und es werden die Verpackungsmaterialien durchströmt. Dieses Verfahren wird hauptsächlich durch die erreichbaren Unterdrücke begrenzt. Es ist für eine Vielzahl von Gütern auch in Verpackungen geeignet. Bei schwer zu entlüftenden Gütern, z. B. Textilien, Kapillaren, Schläuchen, versagt auch das Vorvakuumverfahren. Fraktionierte Vakuumverfahren: Es wird mehrfach zwischen Evakuieren und Dampfeinströmen Dampfsterilisation:Vakuumverfahren, fraktioniertegewechselt, bevor der Dampfdruck auf das zur Sterilisation notwendige Niveau aufgebaut wird. Vakuumverfahren, fraktionierte, DampfsterilisationBei diesen Druckwechseln wird der Luftanteil in der Kammer, der sich aus der unvollkommenen Evakuierung ergibt, immer weiter vermindert. Dabei dringen gleichzeitig der Dampf bzw. das Dampf-Luft-Gemisch immer weiter in Hohlräume des Sterilisierguts vor, bis schließlich alle Oberflächen des zu sterilisierenden Guts erreicht sind. Auch das fraktionierte Vakuumverfahren hat je nach den Pressdaten während der Luftentfernung, Anzahl der Fraktionierungen, Drücken nach den Evakuierungen und bei den Dampfstößen unterschiedliche Entlüftungsleistungen (Abb. 2.9 ). Auch fraktionierte Vakuumverfahren sind auf Eignung bei den am schwierigsten zu entlüftenden Gütern zu prüfen. Abb. 2.9 Varianten des fraktionierten Vakuumverfahrens. Eine ausschließlich theoretische Beurteilung der Brauchbarkeit des Verfahrens für schwierige Sterilisiergüter ist nicht möglich. Die Vielzahl der veränderbaren Parameter, die Gewichtung von zusätzlich zur sicheren Sterilisation erwünschten Eigenschaften (Chargenzeit, Betriebsmittelverbrauch, Trocknungswirkung) und herstellerspezifische Versuchsergebnisse führen zu stark voneinander abweichenden Prozessabläufen. Prozessführung Dampfsterilisatoren, die den Normen und damit dem Stand der Technik entsprechen, haben ausnahmslos einen automatisch ablaufenden Prozess. Die Prozessführung hat das Ziel, alle das Ergebnis des Prozesses Dampfsterilisationsverfahren\"\r\"Dampfsterilisationsverfbeeinflussenden physikalischen Größen, die sog. prozessrelevanten Variablen, in vorgegebenen Grenzen zu halten. Dazu gehören im Wesentlichen • Einwirkzeit, • Sterilisationstemperatur, • Druck Dampfsterilisation:prozessrelevante Variablenwährend der Einwirkzeit, • während der Entlüftung durchgeführte Druckwechsel (Anzahl und Absolutdrücke), • Gradienten des Druckverlaufs, • Trocknungsprozessablauf. Obgleich die Sterilisationstemperatur zusammen mit der Einwirkzeit die wichtigste Variable ist, werden die Prozessabläufe nahezu Sterilisationstemperaturausschließlich druckgeregelt. Die Druckregelung mit dem Ziel, vorgegebene Temperaturen zu erzeugen, Einwirkzeit:Dampfsterilisationist nur aufgrund der Korrelation zwischen Druck und Temperatur und nur bei Sattdampf möglich. Sterilisationsprozesse, die eine gute Entlüftungsleistung aufweisen sollen (Universalprogramme), benötigen immer eine Vakuumanlage. Zum Prozessbeginn oder in späteren Prozessabschnitten wird die Kammer evakuiert. Die Geschwindigkeit wird von zahlreichen Einflüssen bestimmt wie Leistung der Vakuumanlage im Verhältnis zur Kammergröße, Kühlwassertemperatur, Menge und Art der Beladung des Sterilisators. Da die Evakuierungsgeschwindigkeit (Gradienten des Druckverlaufs) auch die Entlüftungsleistung beeinflusst, sollte sie überwacht werden, um erkennen zu können, wann vorgegebene Toleranzbereiche überschritten werden. Gleiches gilt für die Prozessabschnitte, in denen Dampf in die Kammer strömt (Dampfstoß). Die Geschwindigkeit des Dampfeinströmens (Gradienten des Druckverlaufs) wird bei modernen Sterilisatoren überwacht, teilweise sogar geregelt (Gradientenregelung). Nach den Prozessschritten, die der Luftentfernung und Dampfdurchdringung dienen (Fraktionierungen), wird der Druck in der sog. Steigezeit auf den zur Erzielung der geforderten Sterilisationstemperatur erforderlichen Wert erhöht. In der dann folgenden Plateauzeit wird der Druck so geregelt, dass die Temperatur im vorgeschriebenen Toleranzband bleibt. Das Toleranzband hat üblicherweise die Sterilisationstemperatur als Untergrenze (Abb. 2.10 ). Dem Übergang von der Steigezeit zur Plateauzeit kommt besondere Bedeutung zu. Die festgelegte programmierte Sterilisierzeit beginnt erst, wenn an einem festgelegten für den Kammerraum repräsentativen Referenzpunkt die Sterilisationstemperatur erreicht ist. Gleichzeitig wird ab diesem Zeitpunkt durch Vergleich von Temperatur und Druck überprüft, ob Sattdampf vorliegt. Beurteilungskriterium ist die sog. Ausgleichszeit, die Zeit vom Erreichen der Sterilisationstemperatur am Referenzpunkt bis zum Erreichen der Sterilisationstemperatur im bzw. am Sterilisiergut. Nach Ablauf der Plateauzeit, die sich aus Ausgleichszeit und Einwirkzeit zusammensetzt, folgen Prozessschritte, die zunächst dem Trocknen des Guts und letztlich der Belüftung der Kammer dienen, um eine Entnahme des Guts zu ermöglichen. Zum Trocknen wird üblicherweise Vakuum, teilweise von Zwischenbelüftungen unterbrochen, eingesetzt. Abb. 2.10 Anforderungen an den Temperaturverlauf Dampfsterilisation:Temperaturverlaufnach DIN EN 285. Um diesen Prozessablauf zu erzeugen, sind Dampfsterilisatoren im Allgemeinen mit zusammenwirkenden Gruppen von Komponenten (Mess-, Befehlsgeräte, Steuerung) ausgerüstet. Da sich das Ergebnis „steril“ in praxi nicht am behandelten Produkt nachweisen lässt, kommt der fehlerfreien Erfassung der verfahrensrelevanten Parameter entscheidende Bedeutung zu. Bei modernen Sterilisatoren ist deshalb vorgeschrieben, dass für die Überwachung bestimmter verfahrensrelevanter Parameter, mindestens für Druck und Temperatur, von der Steuerung unabhängige Mess- und Registrier- oder Anzeigegeräte zu verwenden sind. Dadurch können Abweichungen vom vorgegebenen Prozessablauf durch Fehler in den Messgeräten, die Eingangssignale für die Steuerung liefern, erkannt werden. Solche Fehler werden dann bei der Produktfreigabe erkannt. Viele Sterilisatoren sind bereits mit Fehlerüberwachungssystemen ausgerüstet, die einen Vergleich der Messwerte aus der Verfahrensführung und -überwachung durchführen und bei Überschreitung vorgegebener Toleranzen eine Fehlermeldung absetzen. Luftinsel und nicht kondensierbare Gase Eine Luftinsel Luftinselist gefährlich bei der Dampfsterilisation. Dampf kondensiert an kaltem Dampfsterilisation:Prozessführung\"\r\"DampfsterilisationProzessfueMaterial. Die Luft kann nicht kondensieren. Ein kaltes Textilpaket filtert darum aus einer Dampf-Luft-Strömung den Dampf heraus, übrig bleiben Kondensat im Paket und eine Luftströmung. Bei einem Paket, in das der Dampf von allen Seiten gleichzeitig eintritt, kondensiert der Dampf von außen nach innen im Paket, die Luft strömt zum Zentrum des Pakets und staut sich dort zu einer „Luftinsel“ auf. Die Luft bildet dabei eine isolierende Schicht auf dem Kondensat. Wird die Luft nicht entfernt, kann die Luftschicht so dick werden, dass die Kondensation und damit der Wärmeübergang auf das Sterilisiergut an dieser Stelle fast völlig zum Erliegen kommen. Ist der Druck in der Luftinsel genauso groß wie in der Kammer, hört die Strömung auf. In einer Luftinsel herrscht dann zwar der gleiche Gesamtdruck wie überall in der Kammer, aber die Temperatur ist in einer Luftinsel wesentlich niedriger als an anderen Stellen in der Kammer. Selbst für das homogene Normprüfpaket kann nicht vorhergesagt werden, wo sich eine Luftinsel bildet; das gilt erst recht für den gesamten Nutzraum der Kammer. Der Aufenthaltsort einer Luftinsel kann nur als Wahrscheinlichkeit angegeben werden. Die Zeit, die es dauert, bis sich eine Luftinsel auflöst, hängt stark von den Umständen ab. Beim Bowie-Dick-Test werden z. B. keine Luftinseln < 4 cm Durchmesser gefunden, weil sie sich auflösen, bevor sie nachweisbar sind. Verfahrenstechnisch ist es darum nicht wesentlich, ob sich Luftinseln bilden (sie bilden sich immer), sondern wie schnell sie sich wieder auflösen. Die Ausgleichszeit kann dafür ein Anhalt sein. Restluft und im Dampf enthaltene nicht kondensierbare Gase konzentrieren sich grundsätzlich dort, wo Dampf kondensiert, also an kalten Teilen der Kammer und Gas(e), nichtkondensierbare\t\"Siehe Inertgasein der Ladung. Bei voller Ladung kondensiert überall Dampf. Wird dabei an einer Inertgas(e)Stelle isolierende Luft abgeschieden, wird weiterer Dampf nicht dort kondensieren, sondern an einer anderen Stelle, an der die Kondensation nicht behindert ist. So wird die Luft in einer vollen Ladung im Allgemeinen auf viele kleine und darum weniger gefährliche Luftnester verteilt. In Schläuchen und Hohlkörpern kann allerdings eingeschleuste oder dort verbliebene Luft lange Lumina blockieren. Es kann nicht garantiert werden, dass sich in voller Ladung keine stabilen Luftinseln bilden, im Allgemeinen ist dazu aber wesentlich mehr Luft nötig als bei Teilbeladung. Nicht entfernte Restluft im Sterilisator wirkt sich bei Teilbeladung kritischer aus als bei Vollbeladung, da sich die Luft auf nur wenige Pakete verteilt. Die Teilbeladung hat im Gegensatz zur vollen Ladung nur so viel Masse, dass daran genügend Dampf kondensiert, um eine Luftinsel zu bilden. Durch Teilbeladung wird eine Konzentration der Luft in einem kleinen Volumen erzwungen. Die Teilbeladung ist darum grundsätzlich kritisch. Nicht kondensierbare Gase (Inertgase) gelangen bei der Dampfzufuhr in den Sterilisator. Kann eine kritische Konzentration nicht kondensierbarer Gase nicht vermieden werden, muss die Dampfversorgung saniert werden, um die Reproduzierbarkeit der Sterilisation sicherzustellen. Nicht kondensierbare Gase zeigen nur geringe Temperaturabweichungen gegenüber der Wasserdampftemperatur und können deshalb durch thermoelektrische Messungen nur schwer erkannt werden. Maßgeblich ist die effektiv in die Kammer eingetragene Gasmenge. Je mehr Dampf verbraucht wird (z. B. bei großen Kammern), desto größer ist das Risiko. Die Konzentration dieser Gase im Dampf ändert sich laufend; außerdem können sie sich im Dampfnetz sammeln (z. B. bei Stillstand des Sterilisators). Auf dem Bowie-Dick-Testbogen verursachen sie im Allgemeinen ausgedehnte, aber nur schwache Farbabweichungen. Nicht kondensierbare Gase werden u. U. beim Bowie-Dick-Test nicht erfasst; dieses Risiko muss durch ein Luftnachweisgerät oder Chargenüberwachungssystem minimiert werden. Anwendung der Dampfsterilisation Wer ein MP in Verkehr bringt, muss u. a. angeben, wie das Produkt aufbereitet und sterilisiert wird (Einzelheiten zur Dokumentation siehe DIN EN ISO 17664). Der Hersteller muss Angaben machen zur Dampfsterilisierbarkeit des MP, zu Sterilisationstemperatur, Plateauzeit, Entlüftungsverfahren, ggf. Ausgleichszeit, Höchstwerten von Fremdstoffen im Kondensat des Sterilisierdampfs, Medizinprodukt(e):SterilisationshinweiseEinzelheiten des anzuwendenden Sterilisationsprozesses, zum Prüfkörper, der das MP repräsentiert, zu ggf. nach der Sterilisation nötigen Maßnahmen, Einzelheiten über Zubehör und dessen Anwendung (betrifft z. B. Pflegemittel und Vorrichtungen zum Schutz der Produkte bei Sterilisation und Transport), weil das Zubehör den Zutritt von Dampf und die Trocknung wesentlich erschweren kann. Es reicht nicht, eine theoretische Anzahl der möglichen Sterilisationszyklen zu kennen, vielmehr muss z. B. auch eine mögliche Änderung der biologischen Sicherheit und der Materialeigenschaften beurteilt werden. Die Dokumentation sollte angeben, wie der Betreiber relevante Veränderungen auch ohne aufwändige Untersuchungen erkennen kann. Mit Dampf werden metallische Gegenstände mit ausreichendem Korrosionsschutz, Keramik, Glas, wässrige Lösungen, Textilien aus Baumwolle, Leinen und hitzebeständigen Mischgeweben, Gummiwaren und thermostabile Kunststoffe sterilisiert. Temperaturen > 140 °C schädigen Baumwollfasern, erkennbar ist das z. B. an der Änderung der Festigkeit und Saugfähigkeit von Textilien; geschädigte Textilien bilden Flusen. Gummiwaren sind grundsätzlich dampfsterilisierbar, es gibt aber verschiedene Mischungen, die unterschiedlich oft sterilisiert werden können. Auch einige Kunststoffe können mit Dampf sterilisiert werden, das muss aber im Einzelfall untersucht sein. Kunststoffe können durch Wasseraufnahme, Ausscheiden von Weichmachern und vorzeitiges Altern geschädigt werden. Mit starker Schädigung bzw. Zerstörung ist bei Wolle, Leder und elektrischen Geräten zu rechnen. In Dampfsterilisatoren können neben vielen Chemikalien keine wasserfreien Öle, Fette, Paraffine, Pulver und Stäube sowie Innenraum und Inhalt dicht geschlossener Gefäße, es sei denn, sie enthalten Wasser, sterilisiert werden. In einem Gemisch aus Öl oder Fett und Wasser (Emulsion) scheiden sich Fremdstoffe an den Wassertröpfchen ab. Dadurch kommen Mikroorganismen in Kontakt mit Wasser und werden inaktiviert. Dieser Vorgang lässt sich aber nur in homogenen, gut durchmischten Emulsionen reproduzieren. Instrumentenöle sind solche Emulsionen. Die Dampfsterilisation von Flüssigkeiten kann lebensgefährlich sein (Implosion) und darf nur in speziellen Sterilisatoren durchgeführt werden. Grundsätzlich ist ein Gewebe umso schwieriger zu sterilisieren, je mehr es die Eigenschaft einer Folie hat. Der Trockenheitsgrad eines Gewebes hat entscheidenden Einfluss auf die Sterilisation. In poröses Gut kann der Dampf eindringen, es saugt Feuchtigkeit auf und besitzt einen gewissen inneren Strömungswiderstand. Zellulose ist ein poröser Stoff und ist Bestandteil von Textilien und Verpackungen. Gewebe mit besonderer Ausstattung (z. B. Laminate, mikroporöse Folien) können sich bei der Sterilisation völlig anders als herkömmliche Textilien verhalten. Hohlkörper sind, soweit möglich, mit der Öffnung nach unten zu sterilisieren, damit Kondensat herauslaufen kann. Kritisch sind im Allgemeinen Geräte mit tiefen Hohlräumen, z. B. Schläuche und MIC-Instrumente. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Teile an einer Seite geschlossen oder an beiden Seiten offen sind. Maßgeblich für die Sterilisierbarkeit mit Dampf sind Material, Querschnitt, Länge und Wandstärke der Gegenstände. Hohlkörper aus porösem Material mit geringer Wandstärke sind nicht schwierig zu sterilisieren, kritisch sind undurchlässige Werkstoffe wie Metall und Polytetrafluorethylen (PTFE). Hohlkörper mit etwa 2–8 mm Innendurchmesser scheinen kritisch zu sein, bei Hohlkörpern < 2 mm Innendurchmesser überwiegt die Kapillarwirkung, sie sind bei entsprechender Verfahrensführung sicher zu sterilisieren. Hohlkörper sind umso schwieriger zu sterilisieren, je tiefer sie sind. Einen wesentlichen Einfluss auf die Entlüftung einerseits und Luftinselbildung andererseits hat die Kombination verschiedener Hohlräume mit unterschiedlichen Querschnitten; sie können gegenüber unterschiedlichen Verfahren nicht durch Hohlkörper mit überall gleichem Querschnitt repräsentiert werden. Einseitig geschlossene Rohre aus gleichem Material und Querschnitt entsprechen in der Dampfdurchdringung beidseitig offenen Rohren doppelter Länge. Einseitig geschlossene Rohre, die am geschlossenen Ende ein großes Volumen aufweisen, zeigen eine bessere Dampfdurchdringung als Rohre mit gleichmäßigem Querschnitt. Einseitig geschlossene Rohre, die demgegenüber ein großes Volumen am offenen Ende aufweisen, zeigen eine schlechtere Dampfdurchdringung als Rohre mit gleichmäßigem Querschnitt. Schmiermittel (Instrumentenöl oder -milch) auf Basis hygroskopischer Öle/Fette dürfen nur, wenn es keine Alternative gibt, und dann nur gezielt in geringen Mengen aufgetragen werden. Einige Instrumente müssen geschmiert werden, damit sie funktionsfähig sind. Fett und Öl behindern aber den Zutritt sterilisierender Feuchtigkeit. Bei der Sterilisation von Instrumenten können Umstände auftreten, etwa Verdunsten von Feuchtigkeit aus Emulsionen, die vom Sterilisationsprozess selbst und von der Art der verwendeten Verpackungen abhängen. Wer Pflegemittel als Zubehör zu MP in Verkehr bringt, muss detailliert angeben, für welche Prozesse das Mittel vorgesehen ist, z. B. welches Vakuum nach Dampfzugabe zulässig ist. Ist diese Dokumentation nicht verfügbar, darf der Anwender das Pflegemittel nicht einsetzen. Instrumentenöl erschwert im Allgemeinen auch die Trocknung. Zusammen mit dem Kondensat abtropfende Pflegemittel können dazu führen, dass die Verpackung nach der Sterilisation ölig ist und nicht mehr trocken wird. Werden Pflegemittel verwendet, müssen Pflegemittelreste vor jeder erneuten Sterilisation zuverlässig vom Instrument und ggf. von der Verpackung entfernt werden. Routinebetrieb Bei Betriebsbeginn muss grundsätzlich ein Sterilisationszyklus mit leerer Kammer durchgeführt werden; zu wählen ist im Allgemeinen das Programm zur Sterilisation von Textilien. Das Anheizen eines Sterilisators ist ein instationärer Zustand mit Dampfsterilisation:Anwendungsgebiete\"\r\"DampfsterilisationAnwhöherem Dampfverbrauch und längeren Steigezeiten. Solche Zeiten sind durchaus prozessrelevant, darum darf auch der Bowie-Dick-Test nicht in der Leercharge erfolgen. Täglich ist bei jedem Sterilisator eine Sterilisator(en):KontrolleFunktionskontrolle (Sichtkontrolle + Dampfdurchdringungstest) durchzuführen, bevor er für die Routinesterilisation freigegeben wird. Bei der Sichtkontrolle wird festgestellt, ob bei Stillstand und Betrieb des Dampfsterilisators Undichtigkeiten, ungewöhnliche Geräusche oder andere Mängel auftreten und die Verfahrensparameter korrekt angezeigt und registriert werden. Ferner wird geprüft, ob die Betriebszeiten und andere Kennwerte beim Dampfdurchdringungstest eingehalten werden. Der Dampfdurchdringungstest (Bowie-Dick-Test) weist nach, dass kondensierender Dampf alle Oberflächen in der Referenzbeladung schnell und gleichmäßig erreicht. Die Einwirkzeit beträgt 3,5 Minuten bei 134 °C oder 15 Minuten bei 121 °C. Beim Bowie-Dick-Test mit dem porösen Testpaket wird die Dampfpenetration in Hohlkörper nicht abgebildet. Daher wird seit 2008 in der Norm DIN EN 285 für Großsterilisatoren zusätzlich der Typtest für Hohlkörper nach EN 867–5 Hollow Load gefordert, um die Sterilisation von MIC-Instrumenten abzubilden. Die Anordnung der Pakete bzw. Container auf dem Beschickungswagen, d. h. das Beladeschema, muss vorgeschrieben sein (Abb. 2.11 ) Abb. 2.11 Beladung des Sterilisator(en):BeladungSterilisators.. Im Allgemeinen wird Sterilisiergut nach den Wünschen des Verbrauchers zu einer Einheit (Paket, Sieb, Set) zusammengestellt. Hilfsmittel sind Packlisten, grafische Darstellungen oder Fotos. Dampfsterilisator\t\"Siehe auch SterilisatorDiese Vorgaben sind Arbeitsanweisungen und gleichzeitig Grundlage der Materialwirtschaft. Instrumente und andere schwere Güter, von denen Kondensat abtropfen kann, sind auf den unteren Beladeebenen des Sterilisators oder Beschickungswagens anzuordnen. Im besonderen Maß gilt das für Instrumentencontainer, die so gebaut sind, dass sie viel Kondensat abgeben. Gut in „weichen“ Verpackungen muss in Sterilisierkörben sterilisiert, transportiert und gelagert werden. Bei Klarsichtverpackungen darf die Folienseite nicht nach unten weisen. „Weiche“ Verpackungen müssen so im Sterilisator angeordnet sein, dass der Dampfzutritt nicht behindert ist, auch nicht zu anderen Gütern. „Weiche“ Verpackungen sollen bei der Sterilisation nicht auf anderem Gut liegen, hingegen können bis zu drei geeignete Container mit einem Zwischenraum übereinandergestapelt werden. Prüfungen DIN EN 285 und DIN EN 13060 Dampfsterilisation:Routinebetrieb\"\r\"DampfsterilisationRoutinespezifizieren Mindestanforderungen an die Leistung von Dampfgroß- bzw. -kleinsterilisatoren; die Leistungen werden durch die genormten Prüfungen verifiziert. Der Hersteller des Sterilisators muss den Prozess und die Prozessparameter einschließlich ihrer Toleranzen beschreiben und zusätzlich angeben, welche Vorrichtungen am Sterilisator vorhanden sind, die bei jedem Zyklus automatisch feststellen, ob die vorgegebenen Toleranzen, z. B. Sterilisationstemperaturband oder festgelegte Konzentration nicht kondensierbarer Gase, im Dampf eingehalten sind und außerdem wie die korrekte Funktion dieser Vorrichtungen geprüft und justiert werden kann. Diese Leistungsangaben müssen bei der Validierung bestätigt werden. Die Typprüfung ist ein Leistungsnachweis für Typprüfung, DampfsterilisatorSterilisatoren Dampfsterilisator:Typprüfungmit standardisierten Beladungen. Die Typprüfung gilt für einen Prozess mit festgelegten Parametern. Geprüft werden technische Kennwerte, Temperaturverteilung in der Ladung (Ausgleichszeit), Dampfdurchdringung, Trocknung und Reproduzierbarkeit des Prozesses. Die Werkprüfung ist eine Kontrolle, die mindestens Dichtigkeit und Dampfdurchdringung bei jedem individuellen Werkprüfung, DampfsterilisatorSterilisator erfasst. Maßgeblich bei jeder Prüfung eines Prozesses eines Dampfsterilisators ist die Prüfung des Druck- und Temperaturverlaufs in der Kammer und in der Ladung. Temperaturen werden mit Widerstandsthermometern Dampfsterilisator:Werkprüfungoder Thermoelementen erfasst und mit Prüfmessgeräten mit einer Genauigkeit von etwa ± 0,5 °C gemessen und registriert. Die Sensoren werden durch den Teststutzen in die Kammer eingeführt und sorgfältig eingedichtet. Es können auch Loggersysteme eingebracht werden. Sattdampfbedingungen herrschen überall in der Kammer und in der Ladung, wenn die Temperatur an allen Messstellen nach der Sattdampfkennlinie vom Kammerdruck bestimmt wird. Als Referenzmessstelle für die Kammertemperatur gilt im Allgemeinen eine Stelle „mindestens 10 mm tief in der Strömungsleitung“. Als kälteste Stelle in der Ladung gilt nach DIN EN 285 das Zentrum des Normprüfpakets. Allerdings trifft das nur bei 17 % aller Prüfungen mit „kleiner Beladung“ zu (Wichmann et al. 1993). Darum müssen thermometrische Prüfungen auf statistischer Grundlage durchgeführt werden. Die Berechnung des „Penetrationsfehlers“ erlaubt eine bessere Beschreibung der dynamischen Vorgänge in der Ladung als die einfache Temperaturmessung. Sie berücksichtigt z. B. auch, dass Luftinseln in der Ladung wandern. Der „Penetrationsfehler“ hat die Dimension s × K [sK], ein „Penetrationsfehler“ von 150 sK entspricht maximal 2 °C Differenz während der Plateauzeit zwischen einer beliebigen Stelle im Normprüfpaket und dem Kammerausgang (Abb. 2.12 ). Abb. 2.12 Fläche im Zeit-Temperatur-Diagramm als Maß für den Penetrationsfehler, DampfsterilisatorDampfsterilisator:PenetrationsfehlerPenetrationsfehler. Als Ergänzung zu thermometrischen Prüfungen können auch Prüfungen mit biologischen Indikatorsystemen nach DIN EN ISO 11138-3 durchgeführt werden. Biologische Dampfsterilisator:BioindikatorenIndikatoren sind dann angezeigt, wenn durch das Einbringen von Temperaturfühlern die Messung verfälscht wird oder das Einbringen nicht möglich ist. Vorteilhaft bei Indikatoren ist es, dass man die Zahl der Messstellen frei wählen und die Prüfbeladung z. B. im Labor vorbereitet werden kann. Für Auswahl, Gebrauch und Interpretation biologischer Indikatoren zur Entwicklung, Validierung und Routinekontrolle von Sterilisationsprozessen wird in DIN EN ISO 14161 ein Leitfaden angeboten. Die Trockenheit von Sterilgut wird durch Wiegen und durch Augenschein beurteilt. Bei Prüfungen wird jedes Teil einer Beladung in seiner Verpackung vor und nach der Sterilisation gewogen. Der Masseunterschied wird durch das Kondensat verursacht, das im Gut zurückgeblieben ist. Nach DIN EN 285 ist bei der „Prüfung der Trocknung bei Textilbeladung“ mit einem Normprüfpaket maximal 1 % Massezunahme, bei der „Prüfung der Trocknung bei Metallbeladung“ sind maximal 0,2 % (= 30 g) zulässig. Zusätzlich wird geprüft, ob sichtbare oder fühlbare Feuchtigkeit auf der Verpackung oder auf dem Produkt zurückgeblieben ist. Hat das Gewicht eines Pakets abgenommen, kann meist angenommen werden, dass sich die Feuchtigkeit rasch im Paket ausgleicht und die wahrnehmbare Feuchtigkeit verschwindet, bei Pfützen auf Kunststoffteilen darf davon jedoch nicht ausgegangen werden. Die Vergleichsprüfung des Gewichts muss bei etwa gleicher Temperatur erfolgen. Auch sollte nicht sofort nach Entnahme aus dem Sterilisator gewogen werden, da heiße Luft in den Paketen ein geringeres Gewicht zur Folge hat (Heißluftballon-Effekt). Große praktische Bedeutung hat der Bowie-Dick-Test, der Dampfsterilisator:Bowie-Dick-Test Bowie-Dick-Test:Dampfsterilisatoreine einfache Kontrolle der Leistung des Sterilisators erlaubt. Zur Herstellung eines 7 kg schweren Normprüfpakets eignen sich z. B. 33 gefaltete Baumwolltücher. Das Normprüfpaket darf mehrfach benutzt werden, bis es verschmutzt ist (Bowie 1963). Für Prüfungen, deren Ergebnis reproduzierbar sein soll, sollten nie frische, sondern mehrfach sterilisierte Tücher verwendet werden. Vor dem Einsatz müssen die Tücher die Luftfeuchtigkeit aufgenommen haben, um eine hygroskopische Kondensation zu vermeiden. Der Testbogen wird horizontal in der Mitte des Pakets zwischen die Tücher gelegt. Das Prüfpaket wird in ein weißes Baumwolltuch eingeschlagen. Die Verwendung einer anderen Verpackung, z. B. von Sterilisationspapieren oder Containern, ist unzulässig, weil dadurch der Test verfälscht wird. Für den Bowie-Dick-Test muss die Kammer bis auf das Prüfpaket und die Beschickungseinrichtung leer sein. Das Prüfpaket wird mit horizontal liegenden Tüchern in der Mitte der Kammer etwa 100–200 mm über dem Kammerboden so aufgestellt, dass der Dampf ungehindert von allen Seiten eindringen kann, z. B. auf einem Sterilisierkorb. Bei Sterilisatoren mit 300 mm hohem Nutzraum (Fassungsvermögen 1 Sterilisiereinheit [StE]) ist das nicht möglich; zur Überprüfung dieser Sterilisatoren sollte die Masse des Prüfpakets auf 5 kg und dessen Höhe auf etwa 17 cm verringert werden. Luftinseln entstehen mit großer Wahrscheinlichkeit in der Nähe der vertikalen Achse des Prüfpakets und bilden sich als heller Fleck auf dem Testbogen ab. Sie bewegen sich im Testpaket und treiben vor allem zur Mitte und nach unten (dabei hinterlassen sie einen elliptischen Fleck oder eine Kometenspur). Schwache Luftinseln lassen sich nur erkennen, wenn der Testbogen gegen eine starke Lichtquelle betrachtet wird, z. B. heller Himmel oder 60-Watt-Glühlampe. Man kann dann die Farbdichte besser beurteilen und wird weniger durch Nebeneffekte abgelenkt. Solche Nebeneffekte entstehen z. B. durch nicht ganz gleichmäßige Verteilung der Feuchtigkeit in den Textilien; viele Testbögen zeigen dann graue oder silbrige Zonen. Aus solchen Farbabweichungen kann man keine sinnvollen Schlüsse ziehen. Anstelle des genormten Bowie-Dick-Tests mit dem Normprüfpaket können alternative Systeme nach DIN EN ISO 11140-4 verwendet werden. Das sind Prüfkörper mit einem Indikatorsystem, das auf Fehler weitgehend wie das Normprüfpaket mit dem Testbogen reagiert. Zur Prüfung von Kleinsterilisatoren wird ein spezieller Hohlkörpertest, DampfsterilisatorHohlkörpertest verwendet, der am geschlossenen Ende eine Aufnahmevorrichtung für ein Indikatorsystem hat. Dieser Indikator, der in der Europäischen Norm DIN EN 867-5 als „Hollow-Load“ beschrieben ist, soll die speziellen Probleme bei der Entlüftung tiefer Hohlkörper darstellen. Freigabedokumentation Dokumentieren bedeutet aufschreiben, unterschreiben und archivieren. Die Dokumentation der Sterilisation ist produkt- und nicht patientenbezogen. Die Dokumentation der Freigabe sollte in knapper Form die Dampfsterilisator:Prüfungen\"\r\"DampfsterilisatorPruefungentägliche Nutzung des Sterilisators darstellen: • Bewertung der Ergebnisse der täglichen Funktionskontrollen (Sichtkontrolle, ggf. Vakuumtest und Bowie-Dick-Test bzw. spezieller Hohlkörpertest für jedes Programm), • Bewertung der prozessrelevanten Parameter (Prozessablauf Abb. 2.13 ), Abb. 2.13 Beurteilung des Dampfsterilisation:ProzessablaufsbeurteilungProzessablaufs. • Bewertung der eingesetzten Chargenüberwachung, • Bewertung der Trockenheit und Unversehrtheit der Verpackung, • ggf. Ergebnisse anderer Kontrollen (z. B. Kontrolle der Leitfähigkeit des Speisewassers). Für jeden Zyklus sollten angegeben werden: • Zyklusnummer oder Datum, • gewähltes Sterilisierprogramm (falls verschiedene Programme wählbar), • Art des Sterilguts und Beladeschema, • Freigabe der Charge durch die dazu autorisierte Person (Unterschrift). Jede Packung muss gut lesbar gekennzeichnet sein. Die Protokollierung kann mit Kurzzeichen erfolgen, insbesondere können das gewählte Programm, die Art des Sterilguts und das Beladeschema mit Kurzzeichen angegeben werden, wenn in der Arbeitsanweisung die entsprechenden Vorgaben enthalten sind. Im Tagebuch muss nicht jedes einzelne Teil vermerkt sein, wenn die Rückverfolgbarkeit auf andere Weise gewährleistet ist. Die Kennzeichnung muss auch an lagerndem Sterilgut erkennbar sein, ohne das Gut zu berühren, und sollte folgende Angaben enthalten: • Zustand des Guts (STERIL) und Sterilisationsverfahren (Dampf), • Freigabekennzeichnung durch Verplombung, • Inhalt, • Sterilisierdatum, • Bezeichnung des Sterilisators und Chargennummer. Zur Freigabekennzeichnung kann z. B. ein Etikett verwendet werden. Anstelle von Sterilisatorbezeichnung und Chargennummer kann eine Identitätsnummer angegeben werden. Außerdem soll ein Prozessindikator Klasse 1 nach DIN EN ISO 11140-1 helfen, Sterilgut von nicht sterilisiertem Gut zu unterscheiden. Grundsätzlich muss der Ablauf jedes Sterilisationszyklus durch die verantwortliche Person überwacht werden. Die Prozessvariablen müssen grundsätzlich aufgezeichnet werden. In der Praxis wird im Allgemeinen ein automatisch arbeitendes Gerät zur Registrierung der Prozessvariablen (Drücke, Temperaturen, Zeiten) verwendet, der verantwortliche Bediener kontrolliert die Aufzeichnungen und bestätigt bei der Freigabe, dass der Prozess korrekt abgelaufen ist. Die Aufzeichnung darf grafisch oder alphanumerisch erfolgen, sie muss sicherstellen, dass Werte außerhalb der zulässigen Grenzen identifiziert werden können. Überhitzung durch hygroskopische Kondensation Rubner (1907) fand eine 5-, 10- bzw. 22-fache Verlangsamung der Bakterienabtötung, wenn er gesättigten Dampf ohne weitere Wasserverdampfung von 95 auf 100 °C, von 100 auf 127 °C bzw. von 90 auf 100 °C erhitzte. Überhitzter Dampf ist nicht mit Wasserdampf gesättigt, d. h., er ist „relativ trockener“, kann noch Wasserdampf aufnehmen und austrocknend wirken. Dieser „austrocknende Effekt“ ist eine wesentliche Ursache für die Abnahme der Tötungswirkung überhitzten Dampfs. „Bakteriensporen müssen etwa 4–5 % Feuchtigkeit enthalten, um durch Hitze von ca. 100 °C vernichtbar zu sein. Je langsamer dieser Feuchtigkeitsgrad erreicht wird, umso länger widerstehen sie der Hitze.“ Die Ursache der Tötung der Sporen oder anderer Vegetationszustände der Bakterien liegt in Koagulationserscheinungen des Eiweißes. Hygroskopisches Wasser reicht zur Koagulation aus. Wasserdampf erzeugt aber auch chemische Einwirkungen und spaltet Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und Ammoniak aus Bakterien ab (Lehmann 1901). Schon im Lehrbuch von Flügge (1940) wird hervorgehoben, dass die tötende Wirkung überhitzten Wasserdampfs umso mehr herabgesetzt ist, je weiter sich die Temperatur von der gesättigten Dampfs entfernt. Überhitzter Dampf (von 100 °C beginnend) zeigt erst oberhalb von 110 °C (bis 135 °C) eine verminderte keimtötende Wirkung; ab 140 °C wird eine zunehmende Wirkung beobachtet, die in ähnlicher Weise wie die Dampfdesinfektionskraft der heißen Luft zu werten ist (von Esmarch 1950). Bei Praxismessungen mit künstlich getrockneten textilen Gütern in verschiedenen Verpackungen wurde die hygroskopisch bedingte Überhitzung in einem modernen Sterilisator gemessen (Fleischhack et al. 2004). Dabei wurden bei 121 °C bzgl. der gemessenen Maximalwerte Überhitzungen zur theoretischen Sattdampftemperatur zwischen 0,4 K und 7,6 K, bei 134 °C zwischen 0,5 K und 4,3 K gemessen. Aus Untersuchungen in unterschiedlichen Behältnissen ist ableitbar, dass bei Nutzung von Behältern, in denen sich viel Kondensat bildet, der Überhitzung entgegengewirkt werden kann. Jedoch spielt neben dem Containermaterial auch die Größe der Behälter eine Rolle. In jedem Fall sind absolute Feuchten vor Beginn der Sterilisation oberhalb von 6–7 g/kg Luft sinnvoll, um im normgerechten Temperaturband der Sterilisation mit feuchter Hitze zu bleiben. Die Konditionierung des Guts in den Vorvakuumstufen reicht in diesem Bereich nicht aus, um bei trockenem Gut Überhitzungen zu vermeiden. Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn man das Gut dem Sterilisationsprozess zu warm (Temperatur > 30 °C) aussetzt. Die von Rubner (2007) überwiegend bei strömendem Wasserdampf von 100 °C festgestellten Überhitzungen von 40–50 °C konnten in einem modernen fraktionierten Vakuumverfahren bei 121 °C- und 134 °C-Prozessen nicht festgestellt werden. Die Überhitzungen sind insofern prozessrelevant, als sie bei der Validierung gemessene Temperaturen in diesem Bereich bei der Bewertung außerhalb des zulässigen Temperaturbandes bringen können. Deshalb müssen nicht nur die Möglichkeit zur Überhitzung trockener, textiler Güter bekannt sein, sondern auch die Möglichkeiten zum Gegensteuern. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, inwieweit die gemessenen Überhitzungen zur verminderten Abtötung führen. Die Arbeiten von Spicher et al. (1993, 1996, 1999) mit Bakterien- und Sporenträgern aus zellulosehaltigem Filterpapier und Glasfaservlies im gesättigten Wasserdampf bei 75, 100 und 120 °C haben die Aktualität der Überhitzung und die dadurch bedingte Minderung der Geschwindigkeit der Bakterien- bzw. Sporentötung eindrucksvoll nachgewiesen. Die wichtigsten Aussagen sind: • Keimträger aus zellulosehaltigem Filterpapier überhitzten in gesättigtem Wasserdampf infolge hygroskopischer Kondensation innerhalb weniger Sekunden. • Die Überhitzung klang nur langsam ab. Selbst nach 20 Minuten war die Temperaturdifferenz zwischen Indikator und Wasserdampf noch nicht ausgeglichen. • Einen zusätzlichen Beitrag zur Überhitzung lieferte eine an die Keimträger angetrocknete Suspension von Testorganismen in Blut. • Bioindikatoren aus Glasfaservlies und aus zuvor angefeuchtetem Filterpapier nahmen die Temperatur des Dampfs ohne jegliche Überhitzung an. • Glasfaservlies übt erwünschte Effekte auf den Testorganismus aus, d. h., es erhöht die Sporenresistenz, ohne dass dabei die Wirkungsbedingungen der Noxe verändert werden. • Je höher die Überhitzung, umso größer war die Häufigkeit von Indikatoren mit überlebenden E. faecium. Die Überhitzung führt zur Minderung der Geschwindigkeit der Abtötung. • Sporen von B. subtilis besaßen auf überhitzten Indikatoren erheblich höhere Resistenz als auf nicht überhitzten. Dabei überraschte vor allem, dass eine Überhitzung um nur 2 K eine derart große Erhöhung der Resistenz zur Folge hat. • Bei Überhitzungen um 4 K waren die Sporen von B. subtilis ca. 2,5-mal so resistent wie gegen gesättigten Wasserdampf. Die höchste Resistenz trat bei Überhitzung um 29 K auf, die Sporen waren hierbei 119-mal so resistent. • Die Resistenz von B. stearothermophilus und Sporenerde war bis zu einer Überhitzung um 10 K nur geringfügig erhöht. Die höchste Resistenz trat bei Überhitzung um 22 K auf. Die Sporen waren 4,1-mal so resistent. Praxisempfehlung: Bei der Sterilisation poröser Güter ist es wichtig, dass unabhängig von äußeren klimatischen Verhältnissen eine relative Feuchte von mindestens 30 % bei einer Raumtemperatur von mindestens 20 °C garantiert wird. Das ist nur mit Klimatisierung einschließlich Befeuchtung (vor allem im Winter) möglich. Poröse Güter müssen, bevor sie in den Sterilisator gelangen, ausreichend Zeit erhalten, damit sie sich an die normalen raumklimatischen Verhältnisse anpassen können. Auch die Sterilisation von Wäsche ist nur möglich, wenn sie sich an das Raumklima angepasst hat. Das Sterilisieren von „warmer und trockener Wäsche“ aus der Heißmangel kann ggf. nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Ein Beschicken des warmen Sterilisators, ohne ihn sofort zu starten, führt zu Fehlleistungen beim Erreichen der notwendigen Sterilisiersicherheit bei porösen Gütern. Weiterhin ist empfehlenswert, für die Sterilisation z. B. von Tupfern diese in notwendigen Portionen in Klarsichtbeuteln zu verpacken und diese allein oder im Korb zur Sterilisation in einen gesonderten Stahlcontainer einzubringen. Dieser Container kann nach der Sterilisation sofort entladen und ggf. wieder für textile Güter eingesetzt werden. Die Tupfer in ihrer jeweiligen Verpackung sind dann lagerfähig.Kondensation, hygroskopische\"\r\"KondensationhygroskopUeberhitz Dampfsterilisation:Kondensation, hygroskopische\"\r\"KondensationhygroskopUeberhitz Vorbereitung und Durchführung der Validierung und Revalidierung Abnahme-, Funktions- und Leistungsbeurteilung Unter Validierung versteht man ein dokumentiertes Verfahren zum Erbringen, Aufzeichnen und Interpretieren der Ergebnisse, um zu zeigen, dass ein Verfahren ständig mit den vorgegebenen Spezifikationen übereinstimmt. Hierfür müssen Vorgaben vorliegen, deren Einhaltung bei der Abnahme-, Funktions- und Leistungsbeurteilung überprüft wird und zu deren Erstellung sowohl seitens des Sterilisatorherstellers als auch seitens des Betreibers Vorarbeiten zu leisten sind. Für Betreiber von Sterilisatoren (z. B. Krankenhäuser, Dienstleister) gründet sich die Notwendigkeit der Validierung bzw. Qualitätssicherung der Sterilisation auf § 4 (2) der MPBetreibV. Danach sind Reinigung, Desinfektion und Sterilisation mit validierten Verfahren durchzuführen. Vorgaben sind dem MPG, der MPBetreibV, der gemeinsamen Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI (KRINKO) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM; 2001) sowie nationalen bzw. europäischen Normen zu entnehmen, insbesondere DIN EN 285, DIN EN ISO 17665-1, DIN EN 556-1, DIN EN ISO 14937 und DIN 58946. Die Validierung beinhaltet gemäß DIN EN ISO 17665-1 • die Abnahmebeurteilung (IQ – installation qualification) = Nachweis, dass die Ausrüstung ihrer Spezifikation entsprechend bereitgestellt und in Betrieb genommen wurde, • die Funktionsbeurteilung (OQ – operational qualification) = Nachweis, dass die installierte Ausrüstung innerhalb vorgegebener Grenzwerte ihre Funktion erfüllt, wenn sie entsprechend den Arbeitsanweisungen eingesetzt wird, • die Leistungsbeurteilung (PQ – performance qualification) = Nachweis, dass die Ausrüstung, wenn sie entsprechend den Arbeitsverfahren in Betrieb genommen und bedient wird, beständig den vorgegebenen Kriterien entsprechend arbeitet und sterile MP liefert. Durch die Abnahme- und Funktionsbeurteilung (diese beiden Schritte entsprechen etwa der Kommissionierung gemäß früherer DIN EN 554) soll nachgewiesen werden, dass der Sterilisator und der Raum, in dem er installiert ist, mit den vorgegebenen Anforderungen übereinstimmen und die Kalibrierung der Instrumente, die für die Kontrolle, Anzeige und Aufzeichnung verwendet werden, innerhalb vorgegebener Grenzen liegt. Kontrolliert werden u. a. • mitgelieferte Papiere wie Bedienungsanleitung, Wartungsbuch, Druckkesselzertifikat, Bestätigung Typtest/Werktest, Kalibrationszertifikate für die Messeinrichtungen sowie Schaltpunkte und Grenzwerte der automatischen Regelung, • ob der Sterilisator sicher und betriebsbereit ist • ob die vorgegebenen Werte wie Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit eingehalten werden und es zu keiner gegenseitigen Störung mit anderen technischen Geräten kommt • Genauigkeit der Messeinrichtungen sowie der Dichtheit der Dampf-, Druckluft- und Wasserversorgung • Qualität von Dampf, Druckluft und Wasser. Durch die Leistungsbeurteilung wird nachgewiesen, dass der Sterilisationsprozess bei den vom Betreiber eingesetzten Sterilisatorladungen reproduzierbar an allen inneren und äußeren Oberflächen die beabsichtigte Wirkung erzielt. Die Anforderungen gelten nach DIN EN 285 als erfüllt, wenn • die Temperatur innerhalb des Sterilisiertemperaturbands (Sterilisiertemperatur als untere Grenze +3 °C) liegt, • die Temperaturdifferenz zwischen tiefstem und höchstem Wert einschließlich der theoretischen Temperatur ≤ 2 °C beträgt, • die Temperaturschwankung ≤ ±1 °C ist, • die Ausgleichszeit ≤ 15 s bei ≤ 800 l Kammervolumen und ≤ 30 s bei > 800 l Kammervolumen beträgt. Im Gegensatz dazu wird in DIN EN ISO 17665-1 lediglich gefordert, dass der notwendige F0-Wert zum Erreichen der Sterilisationssicherheit nachgewiesen wird. Seitens des Sterilisatorherstellers sind neben den mitgelieferten Papieren die Programmdaten und zulässigen Toleranzen für jedes Sterilisationsprogramm bereitzustellen. Vom Betreiber ist die Dokumentation (SOP) des gesamten Bereichs der Sterilgutversorgung zu erstellen, d. h. von der Entsorgung gebrauchter Güter über die Reinigung/Desinfektion, Pflege und Funktionskontrolle, Zusammenstellung der Sets, der Verpackungen, Festlegung des Sterilisationsverfahrens, Beladung des Sterilisators, Sterilisation, Entnahme der Güter, Kontrolle und Freigabe der sterilisierten Charge, Lagerung und Bereitstellung bis zur erneuten Verwendung. Außerdem ist die Erstellung von SOPs für tägliche Routinetests erforderlich. Dabei sollten auch die Zuständigkeiten festgelegt werden. Weitere Punkte, die im Zuge der Abnahme- und Funktionsbeurteilung abgefragt und vom Betreiber vorgelegt werden müssen, betreffen einen Schulungsplan sowie den Schulungsnachweis für die in der Sterilisation beschäftigten Mitarbeiter. Außerdem sind folgende Unterlagen zur Einsicht bereitzuhalten: • vorangegangene Prüfberichte, • Herstellerangaben über die Sterilisierbarkeit der zu sterilisierenden Güter, • Zuordnung der MP gemäß Klassifizierung nach KRINKO-Empfehlung (2001), • Speisewasseranalyse, • Leitfähigkeitswerte des Speisewassers, • Bestimmung des Anteils an nicht kondensierbaren Gasen, • Kalibrierplan und -bescheinigung für die Instrumentierung, • Umgebungsbedingungen des Sterilisators (Temperatur, relative Luftfeuchte), • Kontroll-, Prüfberichte von Reinraummessungen (sofern zutreffend), • Kontrollberichte, die die Einhaltung der vorgegebenen Arbeitsanweisungen belegen. Vor Beginn der Messungen muss die prüfende Stelle zur Absicherung der Ergebnisse die Kalibrierung der Prüfmessgeräte und die Prüfung der Vakuumdichtheit des Sterilisators nach Einbringen der Messfühler ausführen. Im Zuge der Abnahme- und Funktionsbeurteilung sind folgende Messungen vorgesehen: • Vakuumtest, • Bowie-Dick-Test, • Teilbeladung mit Normprüfpaket als Bestandteil des Nachweises der Reproduzierbarkeit des Prozesses im Rahmen der Leistungsbeurteilung, • Bestimmung des Temperaturprofils in der leeren Kammer, • volle Beladung mit Textilien bzw. Instrumenten in repräsentativer Konfiguration, wenn die Trocknung geprüft werden soll. Bei der Leistungsbeurteilung müssen abhängig von den in der Praxis vorgesehenen Sterilisationsprogrammen und Konfigurationen je Programm geprüft werden: • volle Beladung mit porösem Gut (wenn im Routinebetrieb vorgesehen und nicht bereits im Rahmen der Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung geprüft), • volle Beladung mit Instrumenten (wenn nicht bereits im Rahmen der Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung geprüft), • Teilbeladung mit Normprüfpaket (insgesamt drei Durchläufe je Programm als Nachweis der Reproduzierbarkeit), • volle Mischbeladung (wenn im Routinebetrieb vorgesehen), • ggf. weitere repräsentative Praxiskonfigurationen (Teilbeladungen, Mischbeladungen). Sind bei der Abnahme- und Funktionsbeurteilung bereits repräsentative Beladungen geprüft und dokumentiert worden, brauchen sie bei der Leistungsbeurteilung nicht wiederholt zu werden. Ist der Sterilisator für einen eingeschränkten Anwendungsbereich vorgesehen, kann ein geringerer Prüfumfang vom Prüfer festgelegt werden.Dampfsterilisation:Funktionsbeurteilung\""\r""Dampfsterilisationabnahmebeurt Dampfsterilisation:Abnahmebeurteilung\""\r""Dampfsterilisationabnahmebeurt Revalidierung oder „erneute Leistungsbeurteilung“ Durch regelmäßige Dampfsterilisation:Leistungsbeurteilung\""\r""DampfsterilisationabnahmebeurtRevalidierung oder „erneute Leistungsbeurteilung“ soll bestätigt werden, dass die während Dampfsterilisation:Revalidierungder Abnahme- und Funktionsbeurteilung aufgezeichneten Daten weiterhin Gültigkeit haben und der Sterilisationsprozess weiterhin reproduzierbar die beabsichtigte Wirkung erzielt. Die Revalidierung oder „erneute Leistungsbeurteilung“ umfasst mindestens: • Vakuumtest, • Bowie-Dick-Test, • Bestimmung des Temperaturprofils in der leeren Kammer (je Sterilisiertemperatur), • Teilbeladung mit Normprüfpaket je Programm, • eine repräsentative Konfiguration je Programm (Referenzbeladung der letzten Leistungsbeurteilung). Dieser Mindestumfang gilt dann, wenn der Nachweis der Prozessstabilität (z. B. täglicher Bowie-Dick-Test und Aufzeichnung der Prozessparameter der durchgeführten Sterilisationen) seit der letzten Prüfung dokumentiert vorliegt. Treten nicht akzeptable Abweichungen vom validierten Prozess auf, sind deren Ursachen zu ergründen und zu beseitigen. Das kann eine erneute Leistungsbeurteilung nach sich ziehen. Der Umfang der Überprüfung hängt vom Grund der Beanstandung ab. Ebenso kann eine erneute Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung nach längerer Periode der Nichtbenutzung des Sterilisators sowie nach Änderungen und Servicearbeiten, die auf den Sterilisationsprozess Einfluss haben können, erforderlich sein. Wurde der Sterilisator größeren Modifikationen unterworfen, ist es durch die Abnahme- bzw. Funktionsbeurteilung nicht möglich, die Originalmesswerte der Erstvalidierung zu bestätigen oder ist ein offensichtlicher Fehler erkennbar, müssen die alten Daten als ungültig betrachtet werden. In diesem Fall ist eine komplette Wiederholung der Validierung erforderlich. 2.8.4 Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd(NTDF)-Sterilisation FormaldehydFormaldehyd (FA) ist ein farbloses, stechend riechendes, die Schleimhaut reizendes Gas mit einem Siedepunkt von –19 °C. Die Wahrnehmbarkeit liegt unter der Gefährdungsschwelle. FA ist als trockenes Gas mikrobiozid unwirksam. Die Affinität zu Wasser (gesättigte wässrige Lösung „Formalin“ [35–39 %]) ist hoch. FA neigt zur Polymerisation (deshalb z. B. 10 % Methanol als Stabilisator in Formalin). Die Einstufung nach Gefahrstoffverordnung ist „giftig“ mit Kennzeichen „T“. Der MAK-Wert beträgt 0,3 ppm. FA ist als Humankanzerogen eingestuft. Die Dampfsterilisation\""\r""Dampfsterilisationmikrobiozide Wirkung von FA beruht auf der Reaktion mit Aminogruppen in Eiweißmolekülen und Aminosäuren (Kirchhoff 1974), wodurch es zur Denaturierung kommt. Sporen können infolge der Feuchte und Wärme beim Sterilisationsprozess zum Stoffwechsel aktiviert werden. In diesem Zustand kann FA eindringen und wirksam werden. Bei Viren führt FA-haltiger Wasserdampf zur irreversiblen Schädigung der Nukleinsäure. Rubner berichtete 1906 über die Verbesserung der mikrobioziden Wirkung von FA in Wasserdampf bei Temperaturen < 100 °C. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in Großbritannien erstmals Verfahren zur Anwendung eines Wasserdampf-FA-Gemischs als „Low-Temperature-Steam with Formaldehyd“ beschrieben (Alder et al. 1966, 1971, Adam 1974). In Deutschland führten Marcy (1974), in Skandinavien Handlos (1977a, 1977b, 1979) und Nyström (1983) Untersuchungen zur sterilisierenden Wirksamkeit des FA-Wasserdampf-Gemischs durch. Durch Mecke (1979) wurde in Deutschland ein Verfahren, das im Gegensatz zu bisherigen Verfahrenstemperaturen zwischen 76 und 80 °C bei 60 °C arbeitete, beschrieben. Grundlagenuntersuchungen an den in Deutschland entwickelten Sterilisatoren wurden in den 1980er Jahren von Spicher und Borchers (1984, 1987, 1988) sowie zur Wirksamkeit und Einsatzbreite von Fleck und Steiger (Fleck und Steiger 1983, Fleck et al. 1984) durchgeführt. Verfahrensgrundlagen Die Sterilisation mit NTDF ist ein physikalisch-chemisches Verfahren. Wasserdampf dient zur Erwärmung und Befeuchtung des Sterilisierguts, zur Aktivierung des sterilisierenden Agens sowie in der Prozessführung mittelbar zur Luftentfernung aus Sterilisierkammer und Sterilisiergut. Außerdem wird Wasserdampf zur Desorption von FA nach dem Sterilisationsprozess verwendet. Der Entlüftungsprozess besitzt bei der Sterilisation mittels Wasserdampf und FA den gleichen Stellenwert wie bei der Dampfsterilisation. Eine wesentliche Aufgabe des Dampfs ist der Transport von FA, der am Sterilisiergut mit dem Dampf kondensiert, sodass sich an den Oberflächen des Guts ein mit FA angereicherter Feuchtfilm als Sterilisiermittel bildet. Die Prozessführung muss das geringe Penetrations- und Permeationsvermögen von FA mit technischen Mitteln ausgleichen. Vorteilhaft ist bei der NTDF-Sterilisation, dass FA während der Sterilisation wirksam wird, ohne wesentlich in Materialien einzudringen. Da am Sterilisiergut FA-Rückstände verbleiben, muss während der Desorption sichergestellt werden, dass diese bei der Entladung des Guts so weit reduziert sind, dass die festgelegten Höchstkonzentrationen von FA in der Umgebung oder in bzw. am Sterilgut nicht überschritten werden und kein Risiko für Personal und Patienten entsteht. In TRGS 513 und DIN EN 14180 werden Grenzwerte für Umgebung und Sterilgut vorgegeben. Zum Schutz der Patienten wird gefordert, dass an einem standardisierten Testmaterial, das intensiv FA bindet, die Rückstände am Gut keine gesundheitsschädigenden Reaktionen hervorrufen. Das gilt nach DIN EN 14180 als erfüllt, wenn bei Verwendung von spezifizierten zellulosehaltigen Filterscheiben mit 70 mm Durchmesser diese im Mittel nicht mehr als 200 μg (5 μg/cm2) und als Spitzenwert 400 μg (10 μg/cm2) FA-Gehalt aufweisen. Der im Dampf gelöste FA wird mit dem Dampf aus der Sterilisierkammer, den Verpackungen sowie dem Sterilisiergut entfernt und im Betriebswasser zur Kondensation gebracht, sodass keine Formaldehydabgabe an die Raum- oder Außenluft erfolgt. Schwieriger ist die Entfernung von an Oberflächen angelagerten FA-Rückständen, z. B. als schwerlösliches Paraformaldehyd. Durch Siedevorgänge kann er jedoch in vertretbaren Zeiten abgebaut werden. Durch ein fraktioniertes Vakuumverfahren wird durch wiederholten Wechsel von Dampfkondensation auf dem Gut und anschließende Verdampfung im Vakuum (sog. Dampfwäsche) erreicht, dass die Rückstände entfernt sind und das Sterilgut nach Abschluss der programmintegrierten Formaldehyddesorption ohne Nachbehandlungsschritte einsatzfähig ist. Die Sterilisation bei geringen Temperaturen mit FA-haltigem Wasserdampf ist nur für thermolabile MP vorzusehen. Die in Deutschland entwickelten Verfahren arbeiten mit 60 °C. Für Sonderfälle können auch Programme um 50 bzw. 80 °C angewendet werden. Die Anforderungen an NTDF-Sterilisatoren sind in DIN EN 14180 beschrieben. Die Sterilisierkammer als vakuumfester Behälter ist mittels trockener Flächenbeheizung oder mit einem mit Wasser gefüllten Doppelmantel allseitig zu beheizen. Der Sterilisator meldet Betriebsbereitschaft, wenn die Sterilisierkammer auf die Sterilisiertemperatur vorgewärmt ist. Die Vakuumanlage besteht z. B. aus einer Wasserringvakuumpumpe mit Betriebswasserumlaufbehälter mit einem Dampfkondensator, thermostatisch gesteuertem Kühlwasserzulauf und Abwasserauslass. Im Sterilisator ist ein Verdampfer mit vorgeschalteter Dosierpumpe integriert, die die FA-haltige Wirklösung bzw. FA und Wasser für die Sterilisation oder reines Wasser für die Formaldehyddesorption zuführt. Während des Betriebs können mittels Vakuumpumpe sowohl Luft als auch direkt das Sterilisiermittel bzw. seine Einzelkomponenten oder auch reiner Wasserdampf aus der Sterilisierkammer abgesaugt und in den Betriebswasserbehälter als Kondensat übergeleitet werden. Bei allen Absaugvorgängen durch die Vakuumanlage gelangen die Komponenten in das Betriebswasser, wo sie gelöst sind bzw. aus dem Behälter entweichen können. Es treten weder Dampf noch Formaldehyd gasförmig aus dem System aus. Da bei in dieser Form ausgestatteten Sterilisatoren keine FA-haltige Abluft anfällt, wird keine Abluftleitung benötigt. Zur Versorgung der Sterilisierkammer mit Dampf und FA wird der Verdampfer bereits während der Vorwärmphase der Sterilisierkammer aufgeheizt. Ist nach dem Start das Vorvakuum in der Sterilisierkammer erreicht, wird je nach System Wasserdampf oder Wirklösungsdampf in die Kammer eingelassen. Bei einer Sterilisiertemperatur von 60 °C muss sich ein Kammerdruck von 200 mbar absolut einstellen. Ist dieser erreicht, wird lediglich zur Konstanthaltung der Sterilisationsbedingungen in der Kammer geringfügig nachdosiert. Hierdurch wird erreicht, dass die Sterilisiertemperatur entsprechend dem Sättigungszustand in engen Grenzen konstant bleibt. Nach Abschluss der Sterilisierphase wird mit reinem Wasserdampf die Dampfwäsche durchgeführt. Der Sterilisationsprozess besteht im Wesentlichen aus 3 Phasen. Während der Konditionierung erfolgen die Entfernung der Luft und der Transport des Dampfs zur Bildung des Feuchtefilms an allen Stellen des Sterilisierguts durch Kondensation, der Transport und Konditionierung, NTDF-Sterilisationdie Verteilung des FA an alle Wirkorte und die Anreicherung des Feuchtefilms. Während der Einwirkzeit werden mit vorbestimmten Temperaturen und Dampfdrücken die FA-Konzentration und der Sättigungszustand des Dampfs und damit die Konstanthaltung der Feuchte bewirkt. Einwirkzeit:NTDF-SterilisationWährend der Desorption erfolgen die Entfernung des FA und seiner Rückstände vom Sterilgut sowie die Trocknung. Eine Nachlüftung schließt sich zur Minimierung von Rückständen bis zur Desorption, NTDF-SterilisationEntnahme des Guts an. Entscheidend für die Sicherheit der Sterilisation ist das während der Konditionierung angewendete Verfahren des FA-Eintrags und der FA-Penetration zu allen Wirkorten mit folgenden Möglichkeiten, wobei die Art der Luftentfernung variieren kann: • Zuführung von Wasserdampf unterschiedlicher Art mit anschließender ein- oder mehrmaliger Zugabe von FA zum Abschluss der Konditionierung, • Zuführung von verdampfter Wirklösung aus einem Vorrats- bzw. über einen Injektionsverdampfer während der gesamten Konditionierung. In Deutschland hat sich das fraktionierte Vakuumverfahren durchgesetzt. Seine Besonderheit liegt in den geringen Druckwechselamplituden. FA wird bereits von Beginn der Konditionierung dem Dampf in den Fraktionierungsstufen zugegeben. Für besonders thermolabile Sondergüter beschrieben Steiger und Scheel (1994) ein Verfahren bei 50 °C (123 mbar). Höhere Temperaturen, jedoch unterhalb der Siedetemperatur bei atmosphärischem Druck, sind in Abhängigkeit von der Temperaturverträglichkeit besonderer Sterilisiergüter, z. B. zur Reduzierung der Chargenzeiten, anwendbar. Die Einwirkzeit:NTDF-SterilisationEinwirkzeit für die Sterilisation beträgt bei den derzeitigen Verfahren mit 60 °C 60 Minuten. Durch Verfahrensoptimierungen sind noch kürzere Zeiten zu erwarten. Die Einwirkzeit wird durch ein kurzes Nachvakuum abgeschlossen. Durch einen mehrfach wiederholten Wechsel zwischen Dampfzugabe (Kondensation) und Evakuierung (Wiederverdampfung) wird der erforderliche Siedevorgang zur Lösung der FA-Rückstände auf dem Sterilgut erzeugt. Nach dem Nachvakuum zur Trocknung erfolgt die Lüftung mit steril filtrierter Luft. Nach erreichtem Druckausgleich in der Kammer ist der Sterilisationsprozess beendet. Die Entfernung der FA-Rückstände vom sterilisierten Gut erfolgt so wirkungsvoll, dass es ohne Nachbehandlung verwendbar ist. Erfolgt nach Ende des Sterilisationsprozesses die Entnahme nicht innerhalb 30 Minuten, beginnt automatisch eine Nachlüftung in 30-Minuten-Abständen bis zum Zeitpunkt der Entladung zur Minimierung geringer Restmengen, die überwiegend von der Verpackung in die Sterilisierkammer abgegeben werden können. Betrieb Gemäß MPG darf die Bedienung nur durch NTDF-Sterilisation:Verfahrensgrundlagen\"\r\"NTDFSterilisationGrundlbesonders geschultes Personal erfolgen. Beim Betrieb muss die Qualitätssicherung gewährleistet werden. Die Notwendigkeit der Validierung ergibt sich aus der MPBetreibV (Kap. 2.8.3, „Vorbereitung und Durchführung der Validierung und Revalidierung“) und aus der Einstufung der Sterilisation als „spezielles Verfahren“ nach DIN EN ISO 13485. Außerdem muss beim Betrieb von NTDF-Sterilisatoren die Gefahrstoff-VO eingehalten und ggf. die TRGS 513 berücksichtigt werden. Der Betrieb von NTDF-NTDF-Sterilisation:GenehmigungSterilisatoren bedarf ggf. der Erlaubnis durch die zuständige Behörde. Die Erlaubnis wird nach der neuen Gefahrstoff-VO nicht mehr benötigt für die „Anwendung von Begasungsmitteln in automatischen, programmgesteuerten Gassterilisatoren im medizinischen Bereich mit einem Kammervolumen < 1 m3, soweit Tätigkeiten entsprechend einem vom Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit veröffentlichten verfahrens- und stoffspezifischen Kriterium (VSK) durchgeführt werden. Für NTDF-Verfahren liegt VSK V (veröffentlicht in TRGS 513) vor und gilt für Geräte, die dem Stand der Technik entsprechen (z. B. DIN EN 14180, DIN EN 61010-1 und -2-040, DIN 58948-7). In diesem Fall kann die Notwendigkeit des Nachweises einer Sachkunde durch einen behördlichen Lehrgang für das Bedienpersonal entfallen, da das Schutzziel durch den Stand der Technik sichergestellt ist. Im Routinebetrieb sind NTDF-Sterilisatoren, die der DIN EN 14180 entsprechen, als problemlos anzusehen. Sie beinhalten vollautomatische Programme, die die Desorption des FA einschließen. Die zu sterilisierenden MP müssen vor der Sterilisation in eine normengerechte Verpackung eingebracht und diese verschlossen werden. Das erfordert für die Verpackung • Durchlässigkeit für Feuchte (Dampf) und Gas (Luft und FA), • Undurchlässigkeit für Mikroorganismen und Viren, • Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Belastung im trockenen und feuchten Zustand während der Fraktionierungsstufen der Sterilisation, der Desorption und der Lagerung, • erregerdichte Verschließbarkeit zur Vermeidung der Rekontamination bei der Entnahme aus dem Sterilisator und der Lagerung, • geringe Eigenmasse zur Vermeidung störender Kondensatbildung während der Sterilisation und der damit verbundenen Bindung von FA, • geringes Ad- und Absorptionsvermögen für FA zur Minimierung der FA-Rückstände. Für die FA-Sterilisation eignet sich die Klarsicht-Sterilisierverpackung nach DIN EN 868-5, eine Verbundverpackung aus Sterilisationspapier und durchsichtiger Polyamidfolie bzw. eine entsprechende Verpackung, bei der anstelle von Sterilisationspapier Tyvek, ein Polyethylenvlies, verwendet wird. Das Material eignet sich auch als Doppelverpackung. Bei der Auswahl der Verpackungsmaße sind Breite und Länge ausreichend zu wählen, insbesondere wenn das Gut größere Hohlräume innerhalb der Verpackung entstehen lässt. Der wiederholte Luft- und Dampfaustausch führt zu erheblicher Belastung der geschlossenen Verpackung. Eine Minderung ist zu erreichen, wenn die durchlässigen Flächen ausreichend groß bemessen werden. Reine Papierverpackungen in Beutel und Bogenform sowie Container sind nicht geeignet. Papier bindet intensiv FA. In Metallcontainern entsteht massenabhängig Kondensat, das unerwünscht FA bindet; ausgenommen sind kleine Behälter aus Metall und Kunststoff, die als leichte Schutzkästen für empfindliche Objekte verwendet werden. Hierbei handelt es sich jedoch meist nicht um eigentliche Sterilisier-, sondern um Schutzverpackungen, die zusätzlich mit Klarsichtsterilisierverpackungen zu umhüllen sind. Textilien und Folienschläuche sind als Verpackungsmaterial für die Formaldehydsterilisation ungeeignet. Bei der Beladung müssen die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Sterilisation, die Entstehung von Kondensat und eine Sättigungsfeuchte aufrechterhalten werden. Hierbeigeht es um die Bildung NTDF-Sterilisator, Beladungeines Feuchtefilms. Das entstehende Kondensat und seine Wiederverdampfung am Gut dienen beim fraktionierten Vakuumverfahren der Entlüftung und Dampfdurchdringung des Guts, insofern auch dem Transport des FA an alle Wirkorte, z. B. in enge Spalten oder Lumen von Schlauchsystemen. Wie bei der Verpackung des Sterilisierguts muss auch bei der Beladung der Sterilisierkammer beachtet werden, dass der Kondensatanfall gering gehalten und das Entstehen von Kondensatpfützen, z. B. durch horizontale Flächen oder durch nach oben offene Hohlräume, vermieden wird. In solchen Ansammlungen werden reichlich FA gebunden und die spätere Desorption erschwert. Daher sind bei Beladung und Betrieb die Angaben des Herstellers und der DIN 58948-7 zu berücksichtigen. Die Freigabe des Sterilguts ist in zwei Abschnitte zu unterteilen. TRGS 513 fordert eine Freigabeprüfung aus Arbeitsschutzgründen. Vor der Entnahme des Guts ist zu prüfen, ob die NTDF-Sterilisation:SterilgutfreigabeEntfernung des FA ausreichend erfolgt ist. Da die zur Desorption verwendete Dampfwäsche ein physikalischer Vorgang ist, gilt die Kontrolle des Prozessverlaufs als geeignetes Prüfmittel. Hierzu wird der vom Gerät registrierte Druck- und Temperaturverlauf ausgewertet und geprüft, ob er mit der vom Gerätehersteller spezifizierten oder dem bei der Validierung ermittelten Verlauf übereinstimmt. Ähnlich erfolgt die Freigabeprüfung des Sterilguts anhand der Aufzeichnung des Geräteschreibers des Druck- und Temperaturverlaufs während der Entlüftungs-, Durchdampfungsphase und Einwirkzeit und anhand des Vergleichs mit der Spezifikation des Herstellers oder der Validierung. Das Sterilgut kann nach Entnahme aus dem Sterilisator und Sichtkontrolle ins Sterilgutlager weitergeleitet oder umgehend verwendet werden. Die Freigabeentscheidungen müssen dokumentiert werden. Bei nicht erfolgter Freigabe ist die Verweigerung schriftlich zu begründen.NTDF-Sterilisation:Betrieb\"\r\"NTDFSterilisationBetrieb Prüfung und Validierung Grundsätzlich ist zwischen der Prüfung der Leistung der Sterilisatoren und der Prüfung der Wirksamkeit der Sterilisation zu unterscheiden. Zur Beurteilung der Sterilisationsleistung wird die Validierung durch MPG und MEDBetreibV vorgegeben. Die Anforderungen an die Validierung von NTDF-Prozessen sind in DIN EN 15424 bzw. im Normenentwurf DIN EN ISO 25424 beschrieben. Die Validierung beinhaltet Abnahme-, Funktions- und Leistungsbeurteilung des Sterilisationsprozesses unter Einbeziehung der Einflüsse, die von den zu sterilisierenden Gütern, ihrer Verpackung und der jeweils üblichen Beladung der Sterilisatoren ausgehen. Aufgrund der physikalisch-technischen Nähe des NTDF-Verfahrens zur Dampfsterilisation nach dem fraktionierten Vakuumverfahren erfolgen die Prüfung von Sterilisatoren und die Leistungsbeurteilung der Sterilisation in gleicher Art durch Messungen und Aufzeichnung der physikalischen Verfahrensparameter. Im Routinebetrieb ist es ausreichend, anhand der Prozessaufzeichnungen die vom Hersteller spezifizierten Werte für Kammerdruck, Kammertemperatur und Druckverlauf, bestätigt durch die Validierung, während des Prozessablaufs zu überprüfen und bei Einhaltung das Gut freizugeben. Der Verlauf der Prozesswerte gibt u. a. Aufschluss über die Qualität der Entlüftung und Dampfdurchdringung der Kammer und der Güter in ihrer Sterilisierverpackung mit FA-haltigem Wasserdampf. Sie kann, soweit erforderlich, durch mikrobiologische Prüfungen und die Beurteilung der FA-Konzentration im Wasserdampf ergänzt werden. DIN 58948-7 gibt vor, dass bei Einsatz von Bioindikatoren solche nach DIN EN ISO 11138-5 in einem Prüfkörper nach DIN EN 867-5 Hollow Load einzubringen sind (Abb. 2.14 ). Abb. 2.14 Prüfkörper nach DIN EN 867-5. Die Prüfkörper sind repräsentativ für durch FA schwer zu sterilisierende Objekte und bestehen aus einem 1.500 mm langen Schlauch mit 2 mm Innendurchmesser, der einseitig mit einer Kapsel zur Aufnahme des Bioindikators verschlossen wird. Das System ist als repräsentativ für einen durchgängigen Schlauch mit doppelter Länge anzusehen. Der Einsatz von Bioindikatoren in Kombination mit repräsentativen Prüfkörpern sollte bei Revalidierungen oder „erneuten Leistungsbeurteilungen“ vorgesehen werden. Die laufende Überprüfung der FA-Konzentration in der Sterilisierkammer erübrigt sich, wenn sich in Abhängigkeit des Verdampfungsverfahrens zur Konditionierung die gleiche FA-Konzentration im Dampf einstellt, wie sie durch die zu verdampfende Wirklösung vorgegeben ist. Außer der Prüfung der sterilisierenden Wirksamkeit muss die Wirksamkeit der Entfernung von FA-Rückständen überprüft werden. Zur Validierung der Desorption und zum Prozedere der Prüfdurchführung enthalten die DIN EN 14180 und 15424 Vorgaben. 2.8.5 Ethylenoxid(EO)-Sterilisation Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-Sterilisation\t\"Siehe NTDF-Sterilisation EO ist ein außerordentlich reaktionsfähiges Alkylierungsmittel. Der Siedepunkt liegt bei 11 °C, was bedeutet, dass EO bei Normaldruck und Raumtemperatur gasförmig vorkommt. Die Technische Richtkonzentration (TRK) ist auf 1 ppm festgesetzt. Sein EthylenoxidGeruch ist angenehm etherisch-aromatisch. Infolge der Geruchsschwelle von 700 ppm ist EO erst bei Konzentrationen weit über dem gesetzlich festgelegten Grenzwert wahrnehmbar. EO ist hochtoxisch, im Tierversuch kanzerogen und als wahrscheinliches Humankarzinogen eingestuft. Intoxikationssymptome reichen von Schleimhautreizungen, Kopfschmerz über Übelkeit und Erbrechen bis zur Bewusstlosigkeit. EO ist brennbar und als Gemisch mit Luft explosiv. Es kann bei Ethylenoxid:Intoxikationkatalytischer Einwirkung insbesondere von Säuren und Laugen polymerisieren; hierbei kann es zu stark exothermen Reaktionen kommen. Moderne EO-Sterilisatoren werden mit nicht zündfähigen Gasgemischen betrieben und entsprechen dem Minimierungsgebot des Bundeschemikaliengesetzes. Durch Zusatz von Inertgasen, z. B. CO2 oder Stickstoff, kann die Polymerisations- bzw. Zündfähigkeit herabgesetzt bzw. vermieden werden. So sind Gemische von 6 % EO und 94 % CO2 unter Normaldruck nicht zündfähig. EO verfügt über starkes Penetrationsvermögen, sodass eine sichere Sterilisation auch bei mikroskopischen Rissen in Oberflächen von Kunststoffteilen (crazing effect) gewährleistet ist. Verfahrensgrundlagen Das starke Penetrationsvermögen von EO gewährleistet, dass auch im Innern des Sterilisierguts EO vorhanden ist und zurückgehalten werden kann. Eine nachgeschaltete zwangsverriegelte Desorption, die dem vollautomatischen Sterilisationsprozess folgt, garantiert die Entfernung des Sterilisationsgases entsprechend den Auflagen der DIN EN ISO 10993-7. Die Verfahrensparameter bei der EO-Sterilisation sind Konzentration, Temperatur, Einwirkzeit, Druck und Feuchte des Sterilisierguts. Bei Verfahren nach Stand der Technik liegen die Konzentrationen des Wirkgases zwischen 250 und 1.200 mg/l. Bei speziellen Programmen für besondere MP können Sterilisationstemperaturen zwischen 28 und 55 °C gefahren werden. Der Sterilisationsdruck liegt zwischen 1,2 und 5,5 bar Überdruck. Die Einwirkzeiten können je nach Produkt und Verpackung zwischen 90 und 240 Minuten liegen. In der Sterilisationskammer kann die relative Feuchte zwischen 30 und 90 % Einwirkzeit:Ethylenoxid-Sterilisationvorgewählt werden. Eine Online-Messung übernimmt die Kontrolle des dynamisierenden Befeuchtungsprozesses. Das Sterilisationsgas für Verfahren im Überdruck wird als geprüfte, fertige Mischung in Druckgasflaschen angeboten. Für den Betrieb von Unterdruckverfahren stehen Kartuschensysteme zur Verfügung. Bei der EO-Sterilisation reagiert EO irreversibel mit endständigen funktionellen Eiweißgruppen (Carboxyl-, Amino-, Hydroxyl- und Sulfhydrylgruppen). Für die Alkylierung ist die Ionisierung der endständigen Wasserstoffatome, die nur bei entsprechender Feuchte des Sterilguts gegeben ist, Voraussetzung. Mit zunehmender Feuchtigkeit sinkt die Resistenz der abzutötenden Mikroorganismen. Mikroorganismen, die in Verunreinigungen, z. B. Salzkristalle, eingeschlossen sind, lassen sich durch intensive Befeuchtung, die auch Kristallisierungen oder Inkrustationen löst, zuverlässig sterilisieren. Die Befeuchtung soll nach amerikanischen Angaben zwischen 3 und maximal 60 % relative Feuchte (RF) liegen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass bei Vorliegen von Verunreinigungen eine Befeuchtung von > 80 % RF notwendig ist (Adam 1973). Die amerikanischen Angaben lassen sich nur durch die früheren relativ langen Einwirkzeiten bei der EO-Sterilisation erklären, bei denen infolge hydrolytischer Spaltung des EO zu Glykol ein starker Konzentrationsabfall bei hoher relativer Feuchte gegeben war. Zur ausreichenden Befeuchtung des Sterilisierguts müssen die Geräte über ein leistungsfähiges Evakuierungssystem (Wasserringpumpe) verfügen, wobei im Vakuum Wasserdampf erzeugt wird. Zur Restluftverdrängung dient eine Fraktionierung oder Durchströmung der Kammer mit Dampf. Durch gleichmäßige Beheizung der Kammerwände und Türen wird eine Kondensation des Dampfs bzw. eine Abkühlung des Wirkgases vermieden. Eine Vorwärmung bzw. Vergasung gewährleistet, dass das Wirkgas mit der Sterilisiertemperatur in die Kammer eintritt und während des Prozessverlaufs entsprechend dem validierten Programm gehalten wird. Durch ein alternatives Spülsystem mit steriler Luft und wiederholter Evakuierung müssen nach der Sterilisation das Gas aus Kammer und Verpackung sowie die im Material zurückgehaltenen Rückstände entfernt werden. Diese zwangsverriegelten Programmschritte dürfen erst beendet werden, wenn sichergestellt ist, dass Mensch und Umwelt nicht gefährdet werden. Die Regelung gewährleistet die Einhaltung der sterilisationsrelevanten Parameter und die Überprüfung der Dokumentation per Datenfernübertragung. Zur Entsorgung des Sterilisiergases stehen verschiedene Systeme zur Wahl, die die Auflagen der Technischen Anleitung (TA) Luft erfüllen. Die Sterilisation mit EO ist auf thermolabile Objekte zu beschränken. Aufgrund des Diffusionsverhaltens von EO ergeben sich die folgenden Verfahrensschritte: • Prüfung der Verfügbarkeit der notwendigen Medien (Stromversorgung, Gasvorrat, Druckluft,Ethylenoxid-Sterilisation:Sterlisiergut Wasser), • Kammerdichtigkeitsprüfungen (Unterdruck, Überdruck), • Aufheizen der Befeuchtungs- und Vergasungseinrichtungen sowie der Sterilisationskammer auf Betriebstemperaturen, • vollautomatische, dynamisierende Befeuchtung des Sterilisierguts entsprechend der vorgewählten relativen Feuchte, • Gaseinlass über Wärmetauscher und Druckreduzierung bis zum gewählten Sterilisationsdruck, • fortlaufende Überwachung der im validierten Prozess festgelegten Parameter während der Expositionszeit, • Gasablass über Entsorgungssysteme mit anschließendem Nachvakuum und Luftspülung, • Vergleich der Dokumentation zum validierten Prozess und Freigabe. Die MP müssen nach der Expositionszeit desorbiert werden. Bei modernen Verfahren können sie oft schon unmittelbar nach der Entnahme aus dem Sterilisator zur Anwendung freigegeben werden, wenn keine unzulässigen Abweichungen bei der Kontrolle der Dokumentation zum validierten Prozess festgestellt werden. Bei nicht einwandfreier Auslüftung sind Reizungen oder Verätzungen des mit den betreffenden Materialien in Kontakt befindlichen Gewebes zu befürchten. Bei Kontakt mit Blut kann es zur Hämolyse kommen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass EO ein wahrscheinliches Humankarzinogen ist. In der DIN EN ISO 10993-7 werden über die Anwendung der MP in Kurzzeit-, Langzeit- und Daueranwendung genaue Angaben gemacht. Das ist bei der Validierung im Hinblick auf die Desorptionszeiten zu beachten. Betrieb Ethylenoxid-Sterilisation:Verfahrensgrundlage\"\r\"EOSterilisationVerfGrundl Grundlage ist die geltende Ethylenoxid-Sterilisation:ErlaubnisErlaubnis der zuständigen Behörde für den Betrieb eines vollautomatischen EO-Niedertemperatursterilisators nach TRGS 513. Die gesetzlichen Bestimmungen für die EO-Sterilisation basieren Ethylenoxid-Sterilisation:Betriebim Wesentlichen auf dem Chemikaliengesetz, spezifiziert durch die Gefahrstoff-VO und weitergehend durch die TRGS 513, die sowohl für Ethylenoxid-Sterilisation:gesetzliche BestimmungenSterilisatoren mit einem Nutzraum bis zu 1.000 l als auch für größere Anlagen der industriellen Nutzung gültig ist. Der Betreiber muss über eine ausreichende Anzahl an Befähigungsscheininhabern verfügen. Ein Befähigungsscheininhaber muss vom Betreiber als Leiter (Sterilisationsleiter) benannt werden. Ihm obliegt die Verantwortung für den Betrieb des Sterilisators und die Einhaltung der Vorschriften. Über die Sterilisation ist Buch zu führen. Es ist zwingend erforderlich, dass der Begasungsleiter während der wesentlichen Arbeitsschritte anwesend ist. Im Aufstellraum des Sterilisators und ggf. im Raum der Sterilgutentnahme müssen die Auflagen der TRGS und der Arbeitsstätten-VO eingehalten werden. Wartungsarbeiten, Reparaturen sowie wesentliche Änderungen dürfen nur durch den Hersteller bzw. von ihm bevollmächtigte Personen durchgeführt werden. Die Sterilisatoren sind in einjährigem Abstand durch einen Sachkundigen sicherheitstechnisch zu überprüfen. Es sind nur geprüfte Verpackungsmaterialien (nach DIN EN 868-7/8) zu wählen, die sich bei der Validierung der Produkte und Prozesse als geeignet erwiesen haben. Geeignet sind in modernen Geräten auch geprüfte Containersysteme. Bei weichen Verpackungssystemen besteht eine Seite aus porösem Material, z. B. Papier, über das vorwiegend der Gas-, Sterilluft- und Wasserdampfaustausch erfolgt. Aus hygienischer Sicht ist es empfehlenswert, das Sterilgut doppelt zu verpacken. Die doppelte Verpackung stellt bei leistungsfähigen Gassterilisatoren kein Hindernis für die Sicherheit der Sterilisation oder Desorption dar. Bei der doppelten Verpackung ist darauf zu achten, dass Papier auf Papier und Folie auf Folie zu liegen kommen, damit sichtbar ist, welcher Gegenstand sich in der jeweiligen Verpackung befindet. Die Lagerfähigkeit sterilisierter MP wird in den Hygieneplänen beschrieben. Die Beladung erfolgt nach den bei der Validierung festgelegten Beladungsmustern. Für moderne Verfahren sind diese Vorgaben für Sterilität und Desorptionserfolg ohne Bedeutung. Prüfung, Freigabe und Validierung Ethylenoxid-Sterilisator, Beladung EO-Ethylenoxid-Sterilisation:PrüfungSterilisationsprozesse müssen nach Aufstellung gemäß DIN EN ISO 11135-1 validiert werden. Zur Prüfung gehört auch ein Leistungsnachweis mit provozierenden Prüfkörpern nach DIN EN 1422 Anhang F. Die Sterilisationskammern von EO-Sterilisatoren, die im Überdruck arbeiten, unterliegen der Druckbehälter-VO und sind prüfpflichtig. Die regelmäßige mikrobiologische Überprüfung obliegt dem Verantwortungsbereich des Betreibers. Ein vorzeitiges Öffnen der Sterilisationskammer muss durch Zwangsverriegelung verhindert werden, damit sichergestellt ist, dass beim Öffnen des Sterilisators die Grenzwerte eingehalten werden. Die Ethylenoxid-Sterilisation:SterilgutfreigabeFreigabe des Sterilguts, die in der Verantwortung des Sterilisationsleiters liegt, darf erst erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass die Dokumentation dem validierten Prozess entspricht und alle sterilisationsrelevanten Parameter zur parametrischen Freigabe aufgezeichnet sind. Die Validierung wird vom Gerätehersteller in Zusammenarbeit mit einem akkreditierten Labor angeboten und zur Begutachtung einer Benannten Stelle vorgelegt. Aufgrund des Ethylenoxid-Sterilisation:ValidierungErgebnisses erfolgt die Zulassung zur Sterilisation und Freigabe von MP. 2.8.6 Wasserstoffperoxidgas-Sterilisation Durch die Entwicklung neuer Werkstoffe für Ethylenoxid-Sterilisation\"\r\"EOSterilisationMP und auf der Suche nach Möglichkeiten, bei niedrigen Temperaturen eine schadstoffarme Sterilisation durchführen zu können, wurde das Wasserstoffperoxidgas-Sterilisationsverfahren entwickelt. Verfahrensgrundlage Wirkprinzip der sog. Niedertemperatur-H2O2-Gasplasma-Technologie ist die Anwendung von H2O2-Gas als Sterilisiermittel bei einer Kammerwandtemperatur von ca. 45 °C und dazugehörigem Kammerdruck zwischen 6 und ca. 10 Torr (7,8–13 mbar). Gegebenenfalls wird nach der Einwirkzeit ein durch ein hochfrequentes Elektromagnetfeld erzeugtes Plasma zur Entfernung des noch verbliebenen H2O2-Gases benutzt. Auf frei liegenden glatten Keimträgern konnte für B. pumilus, B. athrophaeus, G. stearothermophilus, M. terrae und A. Wasserstoffperoxid-Sterilisation:Verfahrensgrundlage niger als resistenteste Testorganismen gemäß DIN EN ISO 14937 ein sicherer Sterilisationserfolg nachgewiesen werden (Peters und Borchers 1995). Die Verpackungen Tyvek-Folienschlauch, Zellophan oder die Phiole beim Cycle-shure-Bioindikator stellten kein bedeutendes Hindernis für die Sterilisation dar. Für G. stearothermophilis als resistentestem Testorganismus konnte Pflug (1999) unter den zur Anwendung gelangenden Sterilisationsbedingungen (3–9 Torr, 50 °C, H2O2-Konzentration 1,4–6,0 mg/l) in einem speziellen Resistometer und bei freien, glatten Oberflächen je nach Sterilisiermittelkonzentration D-Werte zwischen 2,4 und 37 s nachweisen. Vom Hersteller ist die Materialkompatibilität des H2O2 für alle gängigen bei MP verwendeten Materialien nachzuweisen. Die Wirksamkeit des Sterilisiermittels unter realen Prozessbedingungen konnte auf freien Oberflächen sicher nachgewiesen werden. Die Abtötungsgeschwindigkeit variiert stark in Abhängigkeit von den Materialien der MP. Die auf dem Markt befindlichen Geräte benötigen lediglich eine geeignete Netzstromversorgung. Das Sterilisiermittel wird konfektioniert bereitgestellt. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Sterilisiermittels ist, dass die MP trocken sind und sich in hydrophober Verpackung befinden. Die gereinigten, desinfizierten und trockenen Güter werden in spezifizierter Verpackung im Nutzraum des Geräts platziert. Der Prozess läuft z. B. bei plasmaunterstützten Verfahren in folgenden Teilschritten ab: • erste Vakuumphase zur weiteren Trocknung der Güter, • zweite Vakuumphase zum Unterschreiten der Verdampfungstemperatur des Sterilisiermittels, • einmaliges Verdampfen von H2O2/H2O aus einer Ampulle in den Nutzraum (H2O2-Anteil 59 %), • Diffusionsphase mit Verteilung des H2O2-Dampfs in der Kammer, an Oberflächen und in die Hohlräume des Sterilisierguts, • erneutes Evakuieren und Erzeugung eines Hochfrequenzmagnetfelds zwischen Kammerwand und dem in geringer Entfernung dazu positionierten Anodengitter. Dann wiederholen sich die Schritte ab zweite Vakuumphase in einem zweiten Zyklus. Durch veränderte Technologie wird in neueren Gerätetypen der Wirkstoff angereichert, um Wirksamkeit und Penetration zu verbessern. Betrieb Die Gerätehersteller liefern dem Anwender das konfektionierte Sterilisiermittel, das im Prozessverlauf automatisch der Sterilisierkammer zugeführt wird. Der Anwendungsbereich wird in folgender Weise eingeschränkt: • Nur MP mit leicht zugänglicher Oberfläche sind sicher sterilisierbar. Bei komplexen Hohlkörpern gibt es hinsichtlich des Eindringens des Sterilisiermittels Einschränkungen, die der Hersteller benennt. • Um längere Lumina sterilisieren zu können, werden u. U. sog. Booster (konnektierbare zusätzliche Ampullen mit dem Sterilisiermittel) vor dem eigentlichen Sterilisationsprozess eingesetzt. Das stellt einen veränderten Prozess im Sinne der Validierung dar und muss separat betrachtet werden. • Geringe Blutmengen und Salzkristalle setzen die Wirksamkeit stark herab, sodass MP vor der Sterilisation besonders sorgfältig aufbereitet werden müssen. • Bei Metallabschirmung ist die Wirksamkeit stark eingeschränkt. Ein PCD aus Metall ist ein fast absolutes Hindernis für die Abtötung, da Kondensationsprozesse die Penetration des Sterilisiermittels behindern. Wegen des Vorhandenseins von gasförmigem H2O2 sind folgende Sterilisiergüter nicht sterilisierbar: • flüssige und pulverförmige Stoffe, • Textilien, • zellulosehaltige Materialien wie Tupfer, • sehr lange, blind endende Hohlkörper, • Sterilisiergut in Metallcontainern. Für die Praxis Wasserstoffperoxid-Sterilisation:Betriebist zu fordern, dass die für das Verfahren zulässigen Konfigurationen der MP definiert und bei zu erwartenden Diffusionsverzögerungen vor allem in Hohlkörpern die Grenzen durch den Hersteller genau benannt werden. Der jeweilige MP-Hersteller muss ebenfalls angeben, ob und unter welchen Voraussetzungen sein Produkt mit diesem Verfahren sterilisiert werden kann. Zur weiteren Verfahrensoptimierung sollte die Penetration des Sterilisiermittels an alle inneren und äußeren Oberflächen verbessert werden. Als Verpackungsmaterial können nur nicht metallhaltige, hydrophobe Materialien verwendet werden. Normalerweise wird Tyvek-Folie bzw. Polyprolylen-Vlies verwendet. Es dürfen keine zellulosehaltigen Verpackungen eingesetzt werden. In Tyvek-Folie verpackte MP werden in offenen Kunststoffkästen in die Kammer eingebracht. Die Anforderungen an Anordnung und Beladungsdichte in Siebkorb und Kammer entsprechen im Wesentlichen denen anderer Sterilisationsverfahren. Zusätzliche Hinweise sind den Herstellerangaben zu entnehmen. Da die Prozessführung automatisch abläuft und redundant überwacht wird, muss davon ausgegangen werden, dass bei Ablauf des Sterilisationsprozesses ohne Störung die Sterilisation ordnungsgemäß erfolgt ist. Danach kann das Sterilgut freigegeben werden. Der Geräteausdruck ist der Dokumentation beizufügen. Prüfung und Validierung Bezüglich der Validierbarkeit ist festzustellen, dass oft die Hersteller der Wasserstoffperoxid-Sterilisation:PrüfungSterilisatoren firmeneigene mikrobiologische Validierungen in Verbindung mit der Wasserstoffperoxid-Sterilisation:ValidierungTestung von physikalischen Rahmenbedingungen anbieten. Die Wirksamkeit der Prozessführung ohne Booster wird anhand eines selbst entwickelten Prüfkörpers nachgewiesen. Ein direkter Nachweis am jeweiligen konkreten MP unter Praxisbedingungen (Performance Qualification) erfolgt nicht, d. h., der Nachweis, dass vor allem an den inneren Oberflächen der MP in jedem Fall die physikalischen Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Gasphase des Sterilisiermittels eingehalten werden, ist derzeit noch nicht gegeben. Die Vorteile der H2O2-Gas-Sterilisation, wie Geschwindigkeit, Rückstandsarmut, Einfachheit für den Anwender, können zurzeit im medizinischen Alltag nur eingeschränkt genutzt werden. Eine Verbesserung des Penetrationsverhaltens des Sterilisiermittels und der Penetrationsbedingungen im Sterilisationsprozess würden eine Überschreitung der o. a. Grenzen des Verfahrens möglich machen. Durch veränderte Prozessführung, geeignete, vereinbarte Anweisungen und technische Hilfsmittel (insbes. solche zur rückstandsfreien Vorreinigung der Güter und zur Verfahrensvalidierung) dürfte es möglich werden, das Verfahren weiterzuentwickeln. 2.8.7 Sterilisation mit trockener Hitze (Heißluftsterilisation) Wasserstoffperoxid-Sterilisation\""\r""H2O2Sterilisation Während bei Dampfsterilisationsverfahren den Mikroorganismen durch Kondensation Feuchte Sterilisation:trockene Hitze"\t""Siehe Heißluftsterilisationzugeführt wird, trocknet man bei der Sterilisation mit trockener Hitze die Mikroorganismen während der Erwärmung aus und zerstört die Strukturen. Die Resistenz gegen trockene Hitze ist wesentlich höher als gegen feuchte Hitze. Dabei ist es besonders wichtig, dass die Sterilisiertemperatur während der Einwirkzeit an allen Stellen im Gut gegeben sein muss (Abb. 2.15 ). Abb. 2.15 Absterbekurven von Bioindikatoren in Dampf und Heißluft. Weil trockene Luft eine geringere Wärmekapazität als gesättigter Wasserdampf besitzt, ist sie ein schlechter Wärmeleiter und es sind längere Ausgleichszeiten erforderlich (Abb. 2.16 ). Diese sollten aber nicht zu groß sein, da sich sonst Resistenzverschiebungen ergeben, die erhebliche Auswirkungen auf die Tötungswirkung (D-Wert-Verschiebung) haben können. Schon Lewith (1890) wies die Abhängigkeit der Denaturierung vom Wassergehalt des Hühnereiweißes nach. Abb. 2.16 Schematische Darstellung der Chargenzeit bei Heißluftsterilisation:ChargenzeitHeißluftsterilisation \ (die Ausgleichszeit kann wesentlich länger dauern als dargestellt; nach Steuer und Lutz-Dettinger 1990). Während man bei Dampfsterilisationsverfahren davon ausgehen kann, dass nach ausreichender Entlüftung und Einbrin gen von inertgasfreiem Sattdampf in der Sterilisierkammer überall dieselbe Temperatur vorherrscht, ist in einem Heißluftsterilisator die Temperatur nicht homogen verteilt. Aus diesem Grund setzt man mechanische Einrichtungen (Lüfter) bei der Sterilisation mit trockener Hitze ein, die eine gerichtete Luftbewegung oder wenigstens Durchwirbelung der Luft im Nutzraum ermöglichen (Zwangskonvektion). Das Temperaturgefälle folgt der Richtung des Luftstroms. Es ist abhängig von der Konstruktion des Apparats, aber auch von der Anordnung des Guts im Sterilisationsgerät. Daher können beträchtliche Temperaturunterschiede innerhalb des Guts auftreten. Die Wärmeleitfähigkeit des Guts (Verpackung, MP) übt einen besonderen Einfluss auf Temperaturverteilung und Temperaturausgleich aus. Der Messort für die Temperaturmessung zur Steuerung und Regelung der Heizung und zur Anzeige soll an der kritischen Stelle der Sterilisatorkammer sein. Da die Beladung erheblichen Einfluss auf die Temperaturverteilung in der Kammer hat, ist dieser Messort unter Worst-case-Bedingungen durch den Hersteller festzulegen (ISO 20857). Damit soll sichergestellt werden, dass in den jeweiligen Geräten für den entsprechenden Einsatzweck die Sterilisierbedingungen auch an kritischen Orten eingehalten werden können. Haupteinsatzgebiet für Heißluftsterilisation:EinsatzgebietHeißluftsterilisatoren ist die Sterilisation von Glaswaren z. B. im Laborbereich und in der Apotheke. Häufig findet man noch den Einsatz derartiger Sterilisationsverfahren im Bereich niedergelassener Ärzte und Zahnärzte sowie in der Ophthalmologie. Verfahrensgrundlage Bei der Heißluftsterilisation kommt es infolge der Einwirkung hoher Temperaturen auf die Mikroorganismen zur Denaturierung der Proteine mit irreversibler Schädigung von Zellmembran und DNA, was eine Abtötung zur Folge hat. Als resistentester Mikroorganismus hat sich B. atropheus erwiesen. Seine Absterbekinetik führt zu einem mathematischen Berechnungsmodell für das Erreichen der Sterilisiersicherheit aufgrund des Temperatur-Zeit-Verlaufs. Die Sterilisation erfolgt üblicherweise mit einer Temperatur von 180 °C und einer Abtötungszeit von 30 Minuten (Extrembereiche 160 °C/200 Minuten bzw. 200 °C/4,5 Minuten). Bei Temperaturen > 200 °C (Kap. 2.8.10) werden auch Pyrogene zerstört. Deshalb wird dieses Verfahren auch zur Entpyrogenisierung hitzebeständiger Materialien z. B. im pharmazeutischen Bereich eingesetzt. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Sterilisiermittels ist, dass die MP gereinigt, desinfiziert, trocken und sicher verpackt im Nutzraum des Geräts platziert werden. Es ist darauf zu achten, dass die Güter in der Sterilisierkammer von der heißen Luft möglichst vollständig umströmt werden können. Die Beladungsvorschriften des Herstellers sind zu beachten. Eine sichere, erregerdichte Verpackung ermöglicht die Lagerfähigkeit. Die heute im Einsatz befindlichen Heißluftsterilisatoren sind i. d. R. elektrisch beheizte, gut wärmeisolierte Geräte. Das Nutzvolumen reicht bis zu 250 l. Darüber hinaus gibt es industrielle Anwendungen mit sehr viel größeren Kammervolumina bis hin zu Tunnelöfen z. B. zur Vorbereitung von Glasgefäßen für die sterile Abfüllung. Die jeweiligen Sterilisationsprozessabläufe setzen sich zusammen aus • Erwärmungszeit = Zeitspanne von Beginn der Wärmezufuhr bis zum Erreichen der Betriebstemperatur an der Messstelle des Geräts, • Sterilisierzeit: Erwärmungszeit, Heißluftsterilisation – Ausgleichszeit = Zeitspanne zwischen Erreichen der Sterilisierzeit:HeißluftsterilisationBetriebstemperatur an der Messstelle des Geräts und Erreichen der Sterilisiertemperatur an allen Stellen des Ausgleichszeit, HeißluftsterilisationSterilisierguts (Abb. 2.16), – Abtötungszeit = Zeitspanne, in der bei der jeweiligen Sterilisiertemperatur die resistentesten Keime abgetötet werden unter Berücksichtigung der Ausgangsbelastung, • Abtötungszeit, Heißluftsterilisation Abkühlzeit = Zeitspanne vom Abstellen der Energiezufuhr nach beendeter Sterilisierzeit bis zum Abfall der Temperatur auf 80 °C am Thermometer.Abkühlzeit, Heißluftsterilisation Betrieb Es ist empfehlenswert, bei der Typprüfung durch Heißluftsterilisation:Verfahrensgrundlagethermoelektrische Messungen für anwenderbezogene Referenzbeladungen (z. B. Fußpflegeset, Glasbeladung) die erforderliche Sterilisierzeit zu ermitteln. Die für die Sterilisation benötigten hohen Temperaturen bedingen, dass man nur Gegenstände mit diesem Verfahren sterilisieren kann, die bei ca. 200 °C nicht geschädigt werden. Eine Sicherheitsspanne von 20 °C über der üblichen Sterilisationstemperatur von 180 °C ist nötig, weil bei derzeit im Betrieb befindlichen Geräten bei dem Verfahren auftretende Übertemperaturen auftreten können. Die Verpackung der zu sterilisierenden Materialien muss den Wärmeübergang aus der Luft der Sterilisierkammer an alle zu sterilisierenden inneren und äußeren Oberflächen gewährleisten und den jeweiligen Sterilisiertemperaturen standhalten. Folglich sind Tücher und Papier ungeeignet. Verpackungen für die Heißluftsterilisation müssen den durch die Wärmeausdehnung der Materialien entstehenden Verformungen bzw. Ausdehnungen standhalten. Die Luft dehnt sich in diesem Temperaturbereich > 50 % gegenüber Raumtemperatur aus und zieht sich beim Abkühlen entsprechend zusammen. Starre Behälter müssen hitzebeständige Filter haben. Behälter aus Metall, besonders aus Aluminium, mit geeigneten Filtern sind die Verpackung der Wahl. Edelstahl ist weniger günstig, da er eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Aluminium besitzt. Beim Einsatz von Filtersystemen ist darauf zu achten, dass die starke Wärmeausdehnung nicht zu Undichtigkeiten der Behälter führt, die die Sterilität beeinträchtigen. Eine weitere Möglichkeit zur erregerdichten Verpackung von MP bilden wärmebeständige Folienverpackungen. Hier ist darauf zu achten, dass das jeweilige Folienschweißgerät an das Temperaturniveau angepasst ist, da die Siegelnähte bei einer Temperatur oberhalb der Heißluftsterilisationstemperatur verschweißt werden müssen. Die Kammer ist so zu Heißluftsterilisator, Beladungbeladen, dass die Luft ungehindert zwischen allen Oberflächen der Packstücke zirkulieren kann (Abb. 2.17 ) Abb. 2.17 Richtige und falsche Beschickung eines Heißluftsterilisators. Die durch die Heizung A erhitzte Luft soll die Beschickungsgüter B und C sterilisieren.. Der Nutzraum darf nicht so überfrachtet werden, dass die Zirkulation behindert wird. Jedes einzelne Teil muss derart eingelegt werden, dass es von allen Seiten von Heißluft umströmt wird. Bei Sterilisatoren mit Zwangskonvektion ist die Richtung des Luftstroms zu berücksichtigen. Größere Gegenstände können einen Windschatten verursachen, in dem die Erwärmung beträchtlich verzögert werden kann. Ein nicht selten zu beobachtender Fehler ist die Zusammenstellung einzelner Objekte zu Blöcken. Weiterhin ist sicherzustellen, dass die zu sterilisierenden Objekte wie bei jedem anderen Sterilisationsprozess trocken beladen werden. Bei nassen Gegenständen wird ein Teil der Wärme zur Verdunstung der Feuchtigkeit verbraucht und deren Erwärmung dadurch verzögert. Freigabe und Chargendokumentation Die Freigabe des Sterilguts obliegt der dafür ausgebildeten und benannten Person. Die Freigabekriterien Heißluftsterilisation:Betrieb\"\r\"heissluftsterilisationBetriebeiner erfolgreichen Sterilisation werden in den Bedienungsanleitungen der Geräte benannt. Entscheidend sind die stabile Einhaltung der Prozessabläufe und deren Heißluftsterilisation:FreigabeDokumentation. Die jeweiligen Chargen sind zu bezeichnen und zu dokumentieren. Aufgrund des Einsatzgebiets werden bei der Validierung Sterilisatoren für den allgemeinen Gebrauch und für einen speziellen Einsatzzweck Heißluftsterilisation:Chargendokumentationunterschieden. Für die erste Gruppe sollten vor der Auslieferung eine Reihe von Prüfungen durch den Hersteller erfolgt sein, deren Ergebnisse bei der Validierung berücksichtigt werden können. Der Hersteller hat an jedem Gerätetyp eine Typprüfung durchzuführen. Hierzu gehören die thermoelektrischen Prüfungen der leeren Kammer sowie die Prüfung mit einer Normbeladung aus Metall und aus Glas. Auf der Basis der Messergebnisse sind repräsentative Messungen für jedes Gerät durchzuführen. Die Prüfberichte gehören zur Gerätedokumentation und sind dem Anwender zu übergeben. Damit kann bei der Validierung auf repräsentative Untersuchungen zurückgegriffen werden. Weiterhin stehen über Dokumentationsmöglichkeiten der Prozessabläufe geeignete Überwachungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Prüfung unter realen Bedingungen ist nach dem Worst-Case-Prinzip durchzuführen. Bei der zweiten Gruppe ist durch den speziellen Zuschnitt der Gerätekonfiguration nur ein spezieller Einsatzweck möglich. Hier wird nur dieser spezielle Zweck bei der Validierung geprüft. Andere Einsatzmöglichkeiten sind auszuschließen. 2.8.8 Sterilisation mit ionisierenden Strahlen (Strahlensterilisation) Heißluftsterilisation\"\r\"heissluftsterilisationIn Gammaanlagen wird als Strahlenquelle fast ausschließlich Co-60, sehr selten Cs-137 eingesetzt. Elektronenbeschleuniger (β-Strahler) nutzen beschleunigte Elektronen bis Strahlensterilisationzu einer Energie von 10 MeV. In Röntgenanlagen wird ein Target mit beschleunigten Elektronen bestrahlt und die Sekundärstrahlung, die Röntgenstrahlen (X-Rays), genutzt. Die ionisierenden Strahlen bewirken bei ausreichend hoher Energie Ionisierungen, die in der Reihenfolge abnehmender Empfindlichkeit Bakterien, Pilze, Bakteriensporen und Viren abtöten. Durch Einsatz der Strahlen werden zuerst Zellteilungsvorgänge beeinträchtigt, danach folgt die Verlangsamung des Wachstums, ehe es nach Ausschaltung der Atmung und Fermentation zum Zelltod kommt. In der Regel wird die Strahlensterilisation wegen der hohen Investitionen, des Strahlenschutzes und der hohen Kapazität einer Anlage nur industriell genutzt und durch Serviceunternehmen angeboten. Das Sterilisiergut wird in der Transport- bzw. Endverpackung, z. B. in erregerundurchlässigen Folien, verpackt und auf einem Transportband durch die Bestrahlungsanlage geführt. Die Strahlen erreichen jeden Hohlraum, der dadurch sterilisiert wird. Das Sterilgut erwärmt sich nur um wenige Grad. Das Sterilgut kann nach der Bestrahlung sofort eingesetzt werden. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Sterilisationswirkung von Strahlen, z. B. • Erregerdichte, • Alter der Bakterienkultur, • Sauerstoffgehalt (in Gegenwart von Sauerstoff sind Bakterien empfindlicher gegen Strahlen), • Strahlenschutzwirkung bestimmter Stoffe, • Feuchtigkeit (trockene Zellen benötigen zur Abtötung höhere Dosen), • Reaktivierung (entstandene Enzymdefekte können wieder repariert werden). Nicht alle Kunststoffe können sterilisiert werden, z. B. kann Teflon® durch Bestrahlung brüchig werden. 2.8.9 Bakterielle Toxine Exotoxine sind gewebeschädigende Proteine. Sie werden von Bakterien, z. B. Clostridien und Bazillen, aktiv in die Umgebung abgegeben, sind durch Erhitzung inaktivierbar und lösen typische ExotoxineErscheinungen aus. Exotoxine können innerhalb des infizierten Wirtsorganismus gebildet werden (z. B. Diphtherie-, Scharlachtoxin) oder nach Bildung außerhalb des Körpers z. B. durch Nahrungsverzehr aufgenommen werden (z. B. Botulinumtoxin). Letzteres wird seit über 10 Jahren bei schweren neurologischen Leiden und neuerdings als Anti-Aging-Mittel zur Glättung faltiger Haut eingesetzt (Hacker 2003). Zu den Exotoxinen gehören auch die Superantigene von Strepto- und Staphylokokken. Diese vernetzen und stimulieren spezifisch Makrophagen und CD4-T-Lymphozyten, sodass große Mengen Botenstoffe gebildet werden und eine ähnliche Wirkung eintritt wie bei Endotoxinen. Ein Beispiel ist das sog. Toxic-Shock-Toxin. Endotoxine sind Lipopolysaccharide (LPS) der äußeren Membran gramnegativer Bakterien. Sie werden vor allem beim Absterben (Lyse), aber auch bei der Zellteilung vitaler Bakterien freigesetzt (EndotoxineRietschel und Brade 1993). Ihre wesentliche toxische Komponente, das Lipid A, ist hitzestabil. Die Wirkung ist prinzipiell unabhängig von der bakteriellen Herkunft, die Wirkungsbreite sehr unterschiedlich. Endotoxine können als konstanter Stimulus den Tonus körpereigener Immunabwehr aufrechterhalten (Leinmüller 2004). Klinisch können durch LPS Fieber, Schüttelfrost und Sepsis verursacht werden. LPS werden relativ langsam über das retikuloendotheliale System (Leber, Milz) und durch Sekretion (gebunden an Makrophagen in Alveolen und Bronchien) eliminiert. Freie Endotoxine werden im Blut an ein LPS-bindendes Protein (LBP) gebunden und heften an den CD14-Rezeptor z. B. auf Makrophagen an. Zusammen mit TLR4 (TOLL-like receptor) werden Makrophagen aktiviert und setzen verschiedene Mediatoren wie Tumor-Nekrose-Faktor und die Interleukine 1, 6 und 8 frei, Diese aktivieren im positiven Fall die wirtseigene Abwehr und Immunprozesse, unterstützen die Zerstörung von Fremdzellen oder Mikroorganismen und tragen durch lokale Entzündungsreaktion zur Heilung bei. Zubereitungen und Produkte, die nach Europäischem Arzneibuch (Ph. Eur.) steril und pyrogenfrei sein müssen Fieber (Pyrogenität) ist nicht zwingend an Infektionsfähigkeit gekoppelt, auch sterile Lösungen können Fieber hervorrufen. FieberPyrogene sind bakterieller, viraler, fungieller, parasitärer Pyrogenität\t\"Siehe Fieberoder chemischer bzw. biochemischer Natur. Sogenannte Superantigene grampositiver Erreger können eine exzessive T-Zell-Aktivierung verursachen und ebenso wie LPS durch Makrophagenaktivierung einen „Zytokinsturm“ induzieren, der eine hyperinflammatorische Phase einläuten kann (Schütt 2004). Bakterielle Endotoxine zeigen die stärkste pyrogene Wirkung. Zu Fieber kommt es indirekt, da das exogene Pyrogen von T-Lymphozyten phagozytiert und daraufhin Interleukin 1 gebildet wird, das als endogener Mediator auf das Temperaturregelsystem im Hypothalamus wirkt und Prostaglandin E2 induziert. Fieber kann auftreten, wenn Pyrogene in einer Menge > 0,05 μg/kg parenteral zugeführt werden. Insbesondere Parenteralia, analoge Zubereitungen und Produkte unterliegen Anforderungen gemäß Europäischer Pharmacopea (EuAB) hinsichtlich Sterilität und Pyrogenfreiheit (Tab. 2.19 ). Der Nachweis von Pyrogenen/Endotoxinen ist immer dann durchzuführen, wenn er vom EuAB vorgeschrieben ist. Es ist immer der Test auf Pyrogene durchzuführen, wenn auf Endotoxine vom Substrat her nicht getestet werden kann. Parenteralia müssen nachweislich frei von Pyrogenen sein und unterliegen bzgl. Endotoxinen Grenzwerten (Tab. 2.20 ). Tab. 2.20 Beispiele für Endotoxin-Grenzwerte zur Anwendung am Menschen.Medizinprodukt(e):Endotoxin-Grenzwert Zubereitung Endotoxin-Grenzwert (IE/ml) Parenteralia ≤ 0,5 (DAB: 0,05) Zur intrathekalen Anwendung ≤ 0,06 Insulin/human ≤ 10 Wasser für die Herstellung von Dialysat ≤ 0,25 Dialysekonzentratlösung ≤ 0,25 Hämodialysat ≤ 0,5 Tab. 2.19 Beispiele für sterile medizinische Produkte, die frei von Pyrogenen sein müssen. Anwendung Beispiel Intravenös • Injektionslösungen einschl. Wasser zur Injektion • Infusionslösungen • Konzentrate und Pulver zur Herstellung von Injektions- und Infusionszubereitungen • Biologische Präparate zur Injektion bzw. Infusion (z. B. Immunglobuline, Albumin) • Blutgerinnungsfaktoren Hämodialyse • Hämolysat • Wasser für die Herstellung von Dialysat Spüllösungen • Für Körperhöhlen • Für Wunden • Für Körperoberflächen • Produkte mit direktem/indirektem Kreislaufblutkontakt, z. B. Katheter, Gefäßimplantate, Blutbeutel • Ophthalmologische Produkte, z. B. Silikonöl, Hyaluronsäure, Kontakt- und Intraokularlinsen • Implantate, z. B. chirurgische Implantate, Dentalimplantate • Produkte mit direktem Liquor-/ZNS-Kontakt, z. B. Sonden, Katheter • Produkte mit indirektem Blutkontakt, z. B. Verbandstoffe, Bauchtücher, Tupfer, Handschuhe Das EuAB gibt den Endotoxin-Grenzwert (in I.E./ml) für Wirkstoffe zur parenteralen Anwendung auf der Basis der Dosis als an, wobei K der Medizinprodukt(e):Endotoxin-GrenzwertGrenzwert der Endotoxine mit pyrogener Wirkung je kg und h und M die Endotoxin-Grenzwertempfohlene Maximaldosis des Produkts je kg und h ist. Der Endotoxin-Grenzwert hängt vom Produkt und von der Art seiner Anwendung ab. Für Flüssigkeiten werden die Endotoxin-Grenzwerte im EuAB in den jeweiligen Monographien aufgeführt (Tab. 2.20) und umfassen z. B. Parenteralia einschließlich Impfstoffen und Wirkstoffen für Parenteralia, Hämodialyselösungen und Spüllösungen für Körperhöhlen. Nachweismethoden für Pyrogene und Endotoxine Medizinprodukt(e):Sterilität\"\r\"MPpyrogenfrei Medizinprodukt(e):Pyrogenfreiheit\"\r\"MPpyrogenfreiIm Kaninchentest wird postuliert, dass das Kaninchen, bezogen auf die Körpermasse, ähnliche Pyrogene, NachweismethodenEmpfindlichkeit gegenüber Pyrogenen aufweist wie der Mensch. Nach i. v. Endotoxine:NachweismethodenInjektion der Prüflösung unter Mitführung von Kontrollen und rektaler Messung der Körpertemperatur ist der Pyrogennachweis positiv, wenn die Summe der Temperaturerhöhung bei 3 Kaninchen mindestens 1,4 °C beträgt. Die Mehrzahl von Biologika wie Gerinnungsfaktoren, Konzentraten, Immunglobulinen, Albuminen wird so geprüft. In diesem Test reagiert das Kaninchen nicht auf alle für den Menschen pyrogene Stoffe gleichermaßen; daher erlaubt der Test nur eine qualitative Aussage (Hartung et al. 2001). Der Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL-Test) dient der Bestimmung von Endotoxinen gramnegativer Bakterien mithilfe des Amöbozyten-Lysats („LAL-TestBlutkörperchen“ in der Hämolymphe) des Pfeilschwanzkrebses Limulus-Amöboztyen-Lysat-Test\t\"Siehe LAL-Test Limulus polyphemus. Im EuAB sind 6 Methoden für drei Techniken (Gelbildungstechnik, turbidimetrische Technik, Technik mit Chromogenen) beschrieben. Ist in der jeweiligen Monografie nichts anderes angegeben, ist in Zweifels- oder Streitfällen die Gelbildungsmethode nach der Grenzwertprüfung zugrunde zu legen. Dieser Test ist besser standardisierbar und sensitiver als der Kaninchentest, jedoch gibt es Diskrepanzen zwischen negativem Test und pyrogenen Wirkungen beim Patienten. Der LAL-Test erlaubt eine quantitative Aussage (zuverlässige Nachweisgrenze bei 0,1 IE/ml bzw. knapp darunter). Er ist ein In-vitro-Test allein für Endotoxine in Eluaten (Spüllösungen) und Dialysat. Der Test spricht insbesondere auf Endotoxine von E. coli und Salmonellen an (Ph. Eur. 2002). Bei der In-vitro-Pyrogentestung (IPT) mit Vollblut wird verdünntes Heparinblut mit der zu untersuchenden Probe zusammengebracht bzw. das Produkt direkt in das zelluläre IPTVollblut-Testsystem eingelegt und bei 37 °C In-vitro-Pyrogentestung\t\"Siehe IPTinkubiert. Anschließend wird die Freisetzung von Fiebermediatoren (speziell Interleukin 1β oder/und Interleukin 6) im ELISA gemessen. Geprüft werden können zelluläre Blutkomponenten und andere zelluläre Therapeutika (z. B. Stammzellen, lymphokinaktivierte Killerzellen, gentherapeutische Präparationen), Plasma, Albumine, Öle, visköse Substanzen, Pulver, Feststoffe durch Einlegen oder Durchspülen (z. B. bei der Biokompatibilitätsprüfung für MP, Dialysegeräte, Filter), Dialyseflüssigkeit und Pyrogene im Staub bei Belastung mit organischen Stäuben (50 IE/m3 inhalierbare Staubexposition über 8 Stunden). Der IPT erfasst Pyrogene gramnegativer und grampositiver Bakterien, Pilze, Parasiten, Viren und chemische Pyrogene. Er erlaubt eine sichere quantitative Aussage ab 0,03 IE/ml Endotoxin. Es werden einfach durchführbare kommerzielle Pyrogentests angeboten (spezielle Zellkulturtechniken oder Inkubatoren sind nicht erforderlich; Hartung et al. 2001). Zerstörung bzw. Beseitigung von Endotoxinen Lipid A übersteht Kochen, die Dampfsterilisation (bei 121 °C/20 Minuten oder 134 °C/5 Minuten) und die herkömmliche Strahlensterilisation. Sämtliche Glasgeräte und andere hitzebeständige Geräte sind nach EuAB für den LAL bei 250 °C für 30 Endotoxine:ZerstörungMinuten Einwirkzeit mit einem validierten Endotoxine:BeseitigungHeißluftsterilisationsprozess zu entpyrogenisieren. Endotoxine können an der Oberfläche bestimmter Kunststoffarten oder Glastypen adsorbiert und später freigesetzt werden (EuAB 2002). Nach Wallhäußer (1995) sind 200 °C für 60 Minuten zur Zerstörung der Endotoxine ausreichend (andere Quellen auch 120 Minuten). Folgende Verfahren kommen für die Endotoxinzerstörung bzw. -beseitigung z. B. infrage: • Heißluftsterilisation für thermostabile Güter für 2 Stunden bei 200 °C, 45 Minuten bei 220 °C oder 30 Minuten bei 250 °C, • Ultrafiltration von Flüssigkeiten mit speziellem Membranfilter für Wasser, Glukose, Mischungen von Aminosäuren, 0,2 μm Filtermembran (z. B. Infusions-Inline-Filter für Infusionen, Umkehrosmosemembran) oder Hartfilter aus Kieselgur, Porzellan, gesintertem Glas oder Keramikkerzen, • Einwirkung von Alkali- und Säurelösungen (z. B. verdünnte Natronlauge für Kunststoffe), Auskochen mit KMnO4 (sehr stark oxidierend in wässriger Lösung) oder Einwirkung von H2O2 definierter Konzentration und Anwendung, • Dreifachdestillation oder häufiger. Weitere Möglichkeiten sind z. B. die Dampfsterilisation bei 121 °C über 2 Stunden mit nachfolgender Pyrogentestung, das Ab- und Ausspülen von Kunststoffen mit ultrafiltriertem endotoxinfreiem Wasser oder die industrieseitige Herstellung von sterilen pyrogenfreien Flüssigkeiten in Behältnissen aus Thermoplaste (z. B. Aufblasen bei 250 °C, füllen, versiegeln). Endotoxine und Dampfsterilisation Es gibt Hinweise, dass der regelmäßigen Sichtkontrolle und Reinigung/Desinfektion des Wassertanks Endotoxine:Dampfsterilisationvon Kleinsterilisatoren mehr Aufmerksamkeit zu schenken ist. Dampfsterilisation:EndotoxineStrobel (2002) beschreibt postoperativ eine Reizung der Augenvorderkammer, die durch Endotoxineinbringung, ausgehend vom kontaminierten Speisewasserbehälter des Dampfkleinsterilisators, verursacht sein könnte. Dazu bestimmten Martin et al. (2001) die Erreger- und Endotoxingehalte im Wasserreservoir eines Dampfkleinsterilisators. Whitby und Hitchins (2002) beschreiben den Zusammenhang zwischen Endotoxinen im Wasserbehälter eines Dampfkleinsterilisators und dem Sattdampf in der Sterilisatorkammer. Für Großsterilisatoren ist die Datenlage nicht ausreichend, um von einer direkten Gefahr evtl. endotoxinbeladener OP-Instrumente nach der Sterilisation ausgehen zu können. Anzunehmen ist jedoch, dass sich eine Endotoxinbeladung auf den Sterilisiergütern nach maschineller Reinigung und Desinfektion befindet, weil das Hochheizen des letzten Spülwassers aus dem Permeattank Endotoxine nicht zerstören kann. Auch kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Endotoxine mit dem Sterilisierdampf in die Kammer bzw. durch die Sterilisation evtl. zusätzlich freigesetzte Endotoxine auf die Güter und so z. B. in OP-Wunden gelangen können. Bis aufgrund ausreichenden Wissens detaillierte Anforderungen aufgestellt werden können, wird als vorbeugende Maßnahme empfohlen, eine Sichtprüfung des Speisewasserbehälters auf optische Sauberkeit im Rahmen der Validierung und periodischen Prüfungen (monatlich) durchzuführen, um erforderlichenfalls eine gründliche Reinigung und Desinfektion des Speisewasserbehälters vorzunehmen. Auch sollte die Möglichkeit der routinemäßigen Entleerung des Speisewasserbehälters bestehen. Seitens der Hersteller der Sterilisatoren wäre es sinnvoll, Hinweise in der Betriebsanweisung zu geben, was evtl. nach längeren Stillstandzeiten zu tun ist. Im Rahmen der Wasseraufbereitung für die Reinigung/Desinfektion und Sterilisation gilt es als gesichert, dass die Reversosmosemembran selbst (durch die Querströmung unterstützt) eine Barriere für Bakterien und Endotoxine darstellt. Der Vorratsbehälter (Tank) des Permeats und die Harze der Mischbettionenaustauscher (Patronen) sind hingegen immer als kontaminiert und endotoxinhaltig anzusehen. Der Speisewasserbehälter für den Eigendampferzeuger ist ebenfalls als potenziell kontaminiert und endotoxinbeladen einzustufen. Die Belastung wird umso höher sein, je stärker die Biofilmbildung im Speisewasserbehälter bzw. der Endotoxineintrag in den Speisewasserbehälter ist. Für Europa existieren bisher für MP bzw. deren Oberflächen keine Grenzwerte, wie sie seit langem für Parenteralia bzw. andere Flüssigkeiten (Tab. 2.19) festgelegt sind. In der FDA-Guideline ist z. B. ein Grenzwert von < 20 EU/Device angegeben. Bei Anwendung dieses Grenzwerts ist es derzeitig schwierig bis unmöglich, Konsequenzen bei der Anwendung der untersuchten MP abzuleiten (z. B. Transplantate, OP-Instrumente). 2.8.10 Grundsätze der Verpackung bzw. des Sterilbarrieresystems MP werden in der sog. Bakterientoxine\"\r\"BakterientoxineEndverpackung sterilisiert. Das MP und seine Verpackung werden als Einheit betrachtet und als Packung bezeichnet. Ein Sterilbarrieresystem ist die Mindestverpackung, die das Eindringen von Mikroorganismen verhindert. Der Begriff Sterilbarrieresystem soll in Zukunft die bisher gängigen Begriffe wie Sterilbarrieresystem:DefinitionPrimär-, Sekundär-, Transportverpackung ersetzen. Bei dieser Art der Bezeichnung besteht die Verpackung des Sterilguts aus der Mindestverpackung (Sterilbarrieresystem), evtl. mit einer Schutzverpackung und ggf. mit einer Umverpackung. Die Verpackung hat die Aufgabe, MP vor Kontamination und Beschädigung während Lagerung und Transport zu schützen. Außerdem kann die Verpackung die aseptische Präsentation erleichtern. Die Verpackung muss auf das Sterilisationsverfahren abgestimmt sein und gewährleisten, dass Luft und Sterilisiermedium in der Packung ausgetauscht werden. Es gibt Weich- und Hartverpackungen. Weichverpackungen sind im Regelfall Einmalprodukte wie glattes oder gekrepptes Papier, Papierbeutel, Klarsichtbeutel aus Papier und Kunststofffolie, Vliese (z. B. Sterilisiergut:Weichverpackungennon woven) und „One Step“ (doppeltes Vlies). Hartverpackungen sind wieder verwendbare Sterilisierbehälter aus Aluminium, Chrom-Nickel-Stahl, Kunststoff oder Aluminium mit Kunststoffdeckeln. Verpackungen mit Siegelung müssen Sterilisiergut:Hartverpackungenleicht zu öffnen sein. DIN EN ISO 11607 beschreibt Anforderungen an die Verpackungsmaterialien, die Entwicklung von Verpackungsprozessen und die Validierung des Verpackungsprozesses. DIN EN 868, Teil 2–8, beschreibt Anforderungen, die Hersteller von Verpackungsmaterialien zu erbringen haben. In DIN 58953 werden Anwendungshinweise gegeben. Die Primärpackung besteht aus einer Einfach- oder Zweifachverpackung. Die Zweifachverpackung ist dann z. B. eine „One-Step“-Verpackung, die aus zwei verschweißten Vliesen besteht. Der Sterilisiergut:PrimärpackungVerpackungsprozess besteht dann aus einem Arbeitsgang. Eine Innenumhüllung wäre z. B. ein Vlies, in dem das MP für die aseptische Präsentation eingeschlagen ist. Wird das MP in zwei Arbeitsgängen verpackt (übliches Verfahren in Deutschland), wird die erste Packung als Primär- und die zweite als Sekundärpackung bezeichnet. Die Sekundärpackung kann auch die Lagerverpackung sein. Die Transportpackung Sterilisiergut:Sekundärpackungenenthält Primär- und/oder Sekundärpackungen und dient dem Schutz während des Transports. Sie kann auch nach der Sterilisation angebracht werden (z. B. ein Sterilisiergut:Transportpackungenluftdicht verschlossener Transportwagen). Voraussetzung für die notwendige Qualität des Verpackungsprozesses ist neben der Validierung das Vorhandensein von SOPs wie in DIN EN ISO 13485 und der Aufbereitungsempfehlung des RKI gefordert. Das Personal muss die für die Aufbereitung erforderlichen Kenntnisse und die entsprechende Ausbildung besitzen. Sterilbarrieresysteme müssen so gekennzeichnet werden, dass für den Anwender deutlich erkennbar ist, dass die Endpackung einem Sterilisationsprozess unterzogen wurde. Eine Kennzeichnung in diesem Sinn ist der Prozessindikator Klasse I nach DIN EN 11140-1, der z. B. auf Etiketten und Tüten aufgebracht ist, oder ein mit einem Indikator versehenes Klebeband. Der Indikator muss dem Sterilisationsverfahren angepasst sein. Zusätzlich muss jede Packungsstufe folgende Angaben enthalten: • Name und/oder Identifikation der herstellenden/verpackenden Stelle, • Name und/oder Identifikationsschlüssel der packenden Person, • Produktbezeichnung, • Chargenkennzeichnung, • Verfalldatum, • ggf. Lager- und Handhabungshinweise, • ggf. Kennzeichnung „steril“, • Menge. Im Lauf der Jahre ist eine Reihe von Regeln erarbeitet worden; die wichtigste lautet: Im Rahmen der Validierung werden alle Verpackungsarten geprüft. Nur die Verpackungen oder Beladungen, die in Ordnung sind, können angewendet werden. Es ist eine Reihe von Regeln anzuwenden: • Heißsiegelfähige Beutel und Papier-Folie-Verpackungen sollen mit Temperaturen von 150–200 °C versiegelt werden; dieser Prozess muss validiert werden. Die Haltbarkeit (shelf life, Lagerdauer bis zur Anwendung einschließlich Transportzeit) derartiger Verpackungen muss belegt werden. • Sterilisierbehälter dürfen nur bis zu 1–2 cm unterhalb des Behälterrands gefüllt werden. Deckel und Dichtung müssen geprüft werden. • Aus Sicht der Trocknung sind Aluminiumbehälter oder Papierverpackungen (non woven) gut geeignet. • Sterilisierbehälter müssen ein Verschlusssystem haben, das ein unerlaubtes Öffnen sichtbar macht. • Weichverpackungen sollten in Sterilisierkörben sterilisiert und ggf. gelagert werden. Die Körbe werden senkrecht nicht über den Rand hinaus beladen. Werden die Körbe nicht ausreichend gefüllt, sind die Packungen zusätzlich mit Papier oder Vlies einzuschlagen. • Papier- und Klarsichtbeutel sollen nicht mehr als 75 % gefüllt werden. Das maximale Beladegewicht darf 3 kg nicht überschreiten. • Das Nennmaß für die Siegelnahtbreite sollte üblicherweise 8 mm betragen, jedoch 6 mm nicht unterschreiten. Entscheidend für die Lagerung sind die Lagerbedingungen wie Luftfeuchtigkeit, Druckdifferenzen und Temperatur. Die Anzahl der Verpackungen hat keinen Einfluss auf die Rekontamination (Luther und Martiny 1992). Die Lagerung sollte in Schubladen, Schränken oder in einem abgeschlossenen klimatisierten Raum stattfinden. Dann ist es leichter, die wichtigen Parameter wie Zugluft, Temperatur und relative Feuchte zu regeln und zu überwachen. Steigt z. B. die Luftfeuchtigkeit stark an, besteht die Möglichkeit, dass Erreger in die Verpackung oder durch Filter auf die Instrumente gelangen. Sofern die Verpackung/Filter aus Papierfasern besteht, die sich durch Aufnahme von Feuchtigkeit ausdehnen, kann die Filterwirkung beeinträchtigt werden. Die MP können dann nicht mehr verwendet werden. Ein längerer Aufenthalt des Sterilguts in Aufzügen und die Lagerung an Austrittsöffnungen der Klimaanlage sind zu vermeiden. Eine Änderung der Lagerbedingungen hebt möglicherweise die Verwendbarkeit auf. Die Lagerdauer bis zur Anwendung einschließlich der Transportzeit (shelf life) der Verpackungen muss belegt werden. Die Lagerdauer wird vom ärztlichen Leiter in der Hygieneordnung festgelegt. Ungeschützte Lagerung soll vermieden werden und dient nur der Bereitstellung zum unmittelbaren Gebrauch. 2.8.11 Aus- und Weiterbildung Sterilisiergut:Verpackung\"\r\"Sterilisiergutverpack Ausbildung: Sterilbarrieresystem\"\r\"SterilisiergutverpackDie komplexen Arbeitsabläufe und die Arbeit im Team stellen hohe Anforderungen. Schrittweise wird in den ZSVA ein QM eingeführt, die Validierung von Prozessen muss mit dem Sterilisation:AusbildungPrüflabor durchgeführt werden. Auch die Funktionsprüfung und die Einführung der Risikobewertung erfordern neue Ausbildungsinhalte. 1998 hat der Gesetzgeber erkannt, dass die Tätigkeit in der Aufbereitung besondere Anforderungen stellt, die nur durch eine Ausbildung oder besondere Kenntnisse und Erfahrung erbracht werden können. Die Betreiber-VO fordert in § 2 für Mitarbeiter in der ZSVA eine Ausbildung oder die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen. 1997 begann die DGSV, Weiterbildungseinrichtungen zu akkreditieren. Hier werden die Fachkundekurse I–III durchgeführt. Im Zuständigkeitsbereich der Hansestadt Hamburg gelang es, einen staatlichen Abschluss für die Qualifizierung des Personals ins Leben zu rufen. Das RKI weist für die Qualifizierungsmaßnahmen auf die Ausbildungsrichtlinien der DGSV und der Hansestadt Hamburg hin. Die Ausbildung muss sicherstellen, dass das Personal der ZSVA die mit der Aufbereitung eines MP anfallenden Arbeiten selbstständig ausführen kann. Weiterbildung: Die schnellen Veränderungen im Gesundheitswesen, neue Verpackungssysteme und schwieriger aufzubereitende Instrumente erfordern die ständige Weiterbildung. In allen Abteilungen, in denen aufbereitet wird, muss jährlich eine dokumentierte Einweisung des Personals in den Betrieb von Sterilisationsgeräten und RDG erfolgen. Zur Gewährleistung Sterilisation:Weiterbildungder Qualifikation im niedergelassenen Bereich ist der Erwerb der Sachkunde für die Instandhaltung von MP in der ärztlichen Praxis 2003 als gemeinsame Initiative von DGSV, DGKH und dem Berufsverband der Deutschen Hygieniker eingeführt worden. 2.9 Aufbereitung von Medizinprodukten Marc Thanheiser und Martin Mielke 2.9.1 Anforderungen Sterilisation\"\r\"ReinmittVorauss Mit Krankheitserregern kontaminierte chirurgische Instrumente (MP) können bei erneuter Anwendung zu Infektionen führen. Auch darf von MP bei der Anwendung keine Gefahr von Gesundheitsschäden durch pyrogenbedingte, allergische oder toxische Reaktionen sowie aufgrund veränderter technisch-funktioneller Eigenschaften des MP ausgehen. Aus diesen Gründen müssen MP entsprechend der Art der vorherigen und folgenden Anwendung sowie der konstruktiven und materialtechnischen Eigenschaften vor erneuter Anwendung aufbereitet werden. 2.9.2 Rechtsgrundlage Die ordnungsgemäße Aufbereitung von Medizinprodukteaufbereitung:RechtsgrundlageMP ist in § 4 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) auch in einer Rechtsnorm angesprochen. Dort wird unter anderem aufgeführt, dass die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden MP unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen ist, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Eine ordnungsgemäße Aufbereitung wird vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der KRINKO am RKI und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ beachtet wird. Die in § 4 MPBetreibV genannte Empfehlung, im Folgenden als KRINKO-BfArM-Empfehlung bezeichnet, dient als fachliche Basis für die nachfolgenden Ausführungen. Auf den amtlichen Originaltext der Empfehlung wird ausdrücklich hingewiesen (Bgbl 2001; 44: 1.115–26). 2.9.3 Verantwortung Für die korrekte Aufbereitung von MP ist der Betreiber verantwortlich. Basierend auf einer Risikobewertung und Einstufung (Kap. 2.9.5), hat der für die Aufbereitung Verantwortliche unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers schriftlich festzulegen, mit welchen Verfahren (in allen Einzelschritten) und unter welchen Bedingungen (z. B. Räume, Arbeitsmittel, Qualifikation des Personals) seine MP aufbereitet und gelagert werden. Die Aufbereitung und die stete Erfüllung der Anforderungen setzt ein Qualitätsmanagementsystem voraus, Medizinprodukteaufbereitung:Verantwortlichkeitenund es sind vor der Aufbereitung von MP die Zuständigkeiten für alle Schritte der Aufbereitung zu regeln und zu dokumentieren sowie die Einzelschritte der Aufbereitung unter Angabe der jeweilig notwendigen Prüfungen in Standardarbeits- und Betriebsanweisungen festzulegen. Dabei ist zu beachten, dass der für die verschiedenen Prozessschritte jeweils Zuständige seine Aufgabe aufgrund seiner Position und Qualifikation (Aus-, Weiter- und Fortbildung) auch tatsächlich erfüllen kann (s. hierzu auch die Stellungnahmen der für die Überwachung zuständigen Länder unter www.DIMDI.de; Empfehlung für die Überwachung der Aufbereitung von Medizinprodukten). 2.9.4 Grundsätzliche Aspekte der Aufbereitung von Medizinprodukten Voraussetzung für die Aufbereitung ist, dass die Eignung der zur Anwendung kommenden Aufbereitungsverfahren und die Wirksamkeit im Rahmen einer produkt-/produktgruppenspezifischen Prüfung und Validierung belegt wurden (s. auch DIN EN 17664). Die Verkehrsfähigkeit eines wieder verwendbaren MP schließt ein, dass der Hersteller Angaben zur Aufbereitung einschließlich Reinigung/Desinfektion, Spülung, Trocknung, Sterilisation, Transport sowie zur sachgerechten Lagerung zur Verfügung stellen muss (s. Richtlinie 93/42/EWG und DIN EN ISO 17664). Sofern von den Angaben des Herstellers zur Aufbereitung abgewichen wird, muss das begründet und dokumentiert werden und sichergestellt sein, dass die Funktionsfähigkeit und die Anwendungssicherheit des aufbereiteten MP vollumfänglich gewährleistet sind. Es ist zweckmäßig, bereits vor der Anschaffung eines MP Durchführbarkeit und Aufwand der Aufbereitung zu überdenken und die Anwender sowie die für die Aufbereitung und für die Hygiene Zuständigen in die Entscheidung über die Beschaffung des MP sowie die erforderlichen Mittel und Geräte für die Aufbereitung einzubeziehen. 2.9.5 Risikobewertung und Einstufung von Medizinprodukten Hinsichtlich der Art der Anwendung und des sich daraus ableitenden Risikos können MP eingestuft werden in • unkritische MP, Medizinprodukt(e):unkritischedie lediglich mit intakter Haut in Berührung kommen, • semikritische Medizinprodukt(e):semikritischeMP, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen, • kritische MP Medizinprodukt(e):kritischezur Anwendung von Blut, Blutprodukten und anderen sterilen Arzneimitteln und MP, die die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen einschließlich Wunden kommen (Tab. 2.21 ). Tab. 2.21 Risikobewertung und Einstufung von Medizinprodukten vor Aufbereitung gemäß der KRINKO-BfArM-Empfehlung „Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“.Medizinprodukt(e):unkritischeMedizinprodukt(e):semikritischeMedizinprodukt(e):semikritisch BMedizinprodukt(e):semikritisch AMedizinprodukt(e):kritischeMedizinprodukt(e):kritisch CMedizinprodukt(e):kritisch BMedizinprodukt(e):kritisch A Einstufung Medizinprodukt Vorbehandlung Reinigung/Desinfektion Spez. Kenn-zeichnung Sterilisation Kritische Verfahrensschritte, besondere Anforderungen Unkritisch z. B. EKG-Elektroden X Semikritisch A) ohne besondere Anforderungen z. B. Spekulum (X) X (X) Mindestens Desinfektion mit geprüften Mitteln/Verfahren (Wirkungsbereich AB gemäß der Definition der RKI-Liste) B) mit erhöhten Anforderungen z. B. flexibles Endoskop (Gastroskop) X1 X X2 Zusätzlich:s. entsprechende spezielle Anlage zur hygienischen Aufbereitung flexibler Endoskope und endoskopischer Zusatzinstrumente; bevorzugt maschinelle Reinigung und Desinfektion Kritisch A) ohne besondere Anforderungen z. B. Wundhaken (X) X X Bevorzugt maschinelle Reinigung und DesinfektionDampfsterilisation B) mit erhöhten Anforderungen z. B. MIC-Trokar X1 X (X) X Zusätzlich: • Nachweis einer anerkannten Ausbildung zum Sterilgut-Assistenten des mit der Aufbereitung Betrauten (Sachkundenachweis) • in jedem Fall maschinelle thermische Reinigung/Desinfektion aller Teile mit direktem Gewebekontakt in Reinigungs- und Desinfektionsgeräten • Dampfsterilisation aller Teile mit Gewebekontakt C) mit besonders hohen Anforderungen X1 X X X3 Geeignete Sterilisation; zusätzlich:Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems (DIN EN ISO 13485/13.488) durch eine von der zuständigen Behörde akkreditierte Stelle; Risikoanalyse DIN EN ISO 14971 (X) Arbeitsschritt optional. 1 Vorreinigung unmittelbar nach Anwendung 2 Ggf. bei Endoskopen, die in sterilen Körperhöhlen eingesetzt werden 3 Für nicht thermische (Niedertemperatur-)Verfahren der Sterilisation wurde der Nachweis der Inaktivierung von Prionen bisher nicht erbracht. Das ist bei MP dieser Gruppe zu beachten, die bestimmungsgemäß in Kontakt mit eröffnetem lymphatischem Gewebe oder Nervengewebe kommen. Konstruktive und materialtechnische Details des Produktdesigns können erhöhte Anforderungen an die Aufbereitung stellen. Daher erfolgt eine weitere Differenzierung der semikritischen und kritischen MP in folgende Gruppen: • Semikritisch oder kritisch A: Medizinprodukt(e):semikritisch A Medizinprodukt(e):kritisch Aohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung; darunter fallen z. B. massive Instrumente. • Semikritisch oder kritisch B: Medizinprodukt(e):semikritisch B Medizinprodukt(e):kritisch Bmit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung; darunter fallen z. B. MP, bei denen – die Effektivität der Reinigung nicht durch Inspektion unmittelbar beurteilbar ist (z. B. wegen langer, enger, insbesondere endständiger Lumina, komplexer, schlecht zugänglicher und daher schlecht bespülbarer Oberflächen), – die Anwendungs- oder Funktionssicherheit beeinflussende Effekte der Aufbereitung (einschließlich des Transports) auf das MP und seine Materialeigenschaften nicht auszuschließen sind (z. B. knickempfindliche MP, empfindliche Oberflächen) und die somit einen erhöhten Aufwand bei der technisch-funktionellen Prüfung erfordern, – die Anzahl der Anwendungen oder der Aufbereitungszyklen durch den Hersteller auf eine bestimmte Anzahl begrenzt ist. • Kritisch C: mit Medizinprodukt(e):kritisch Cbesonders hohen Anforderungen an die Aufbereitung; darunter fallen z. B. thermolabile (nicht dampfsterilisierbare) Hohlkörperinstrumente (Tab. 2.21). Bei Zweifeln an der Einstufung ist das MP der jeweils höheren (kritischeren) Risikostufe zuzuordnen. 2.9.6 Einzelschritte der Aufbereitung Medizinprodukt(e):Einstufung\""\r""MPEinstufungDie Kette der erforderlichen Medizinprodukt(e):Risikobewertung\""\r""MPEinstufungAufbereitungsprozesse muss optimiert sein, da Schwächen in einem der durchzuführenden Einzelschritte den Gesamterfolg gefährden. Alle Einzelschritte der Aufbereitung müssen daher auf das MP, die vorausgegangene Aufbereitung und die vorausgegangene und nachfolgende Anwendung des MP abgestimmt sein und durch Anwendung validierter Verfahren den Erfolg stets nachvollziehbar und reproduzierbar gewährleisten (Kap. 2.9.7). Gemäß gesetzlichen Vorgaben soll die Aufbereitung nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgen und den Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigen. Hinsichtlich der Durchführung der Aufbereitung wird daher ausdrücklich auf die entsprechenden mandatierten europäischen Normen (www.named.din.de) und die entsprechenden Abschnitte der KRINKO-BfArM-Empfehlung verwiesen. Bei der Vorreinigung, Reinigung und Desinfektion ist durch die Verfahrensführung sicherzustellen, dass es zu keiner Fixierung von Rückständen bzw. Proteinen (z. B. Blut, Sekreten, Geweberesten) am MP kommt, da diese die Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsleistung beeinträchtigt. Die alkalische Reinigung zeichnet sich durch hohe Wirksamkeit hinsichtlich der Lösung von Protein- und Fettrückständen sowie eine gewisse antimikrobielle und prioninaktivierende Wirkung aus. Leider haben Desinfektionsmittel wie Glutaral, Orthophthalaldehyd und Peressigsäure aufgrund ihres Wirkungsmechanismus proteinfixierende Eigenschaften. Auf Reiniger mit nachgewiesener prioninaktivierender oder dekontaminierender Wirkung wird hingewiesen (Bertram et al. 2004). Einige dieser Formulierungen haben auch bakterizide und virozide Eigenschaften (Beekes et al. 2010). Von den zur Verfügung stehenden Sterilisationsverfahren wurde bisher nur für die Dampfsterilisation (insbesondere 134 °C, 5–18 min) und für bestimmte Wasserstoffperoxid-basierte Verfahren eine relevante Wirkung auf Prionen nachgewiesen (Rogez-Kreuz et al. 2009). Grundsätzlich müssen alle äußeren und inneren Oberflächen für die eingesetzten Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsmittel zugänglich sein (Öffnen von Ventilen/Hähnen, Gelenkinstrumenten). Komplexe MP müssen ggf. zerlegt werden. MP, die sachgerecht zu reinigen sind, sind i. d. R. auch geeignet, desinfiziert bzw. sterilisiert zu werden. Im Nachfolgenden wird kurz auf wesentliche Aspekte der Einzelschritte eingegangen. Vorbereitung der Aufbereitung: Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufbereitung von MP ist in der Regel eine Vorbereitung notwendig. Das sachgerechte Vorbereiten beinhaltet das Medizinprodukteaufbereitung:VorbereitungVorbehandeln, Sammeln, Vorreinigen und ggf. Zerlegen der angewendeten MP und deren zügigen, sicher umschlossenen und Beschädigungen vermeidenden Transport zum Ort der Aufbereitung. Folgende Anforderungen sind zum Erreichen des angestrebten Ziels zu erfüllen: • Grobe Verschmutzungen des MP sollen unmittelbar nach Anwendung z. B. durch Abwischen von äußeren Verschmutzungen und Spülung von Arbeitskanälen entfernt werden. • Die Mittel und Verfahren der Vorreinigung sind auf die nachfolgenden Aufbereitungsverfahren abzustimmen, insbesondere um nachteilige Effekte (z. B. Fixierung) auf folgende Schritte auszuschließen. Bei allen Schritten der Vorbereitung sind die Belange des Arbeitsschutzes, z. B. durch geeignete Schutzkleidung, Schutzbrille, geeignete Handschuhe, Raumluftqualität, zu gewährleisten. Das bedeutet auch, dass eine Kontamination der Umgebung im Rahmen der Aufbereitung so weit wie möglich vermieden und ggf. eine desinfizierende (Vor-)Reinigung durchgeführt werden muss. Reinigung: Mit der Reinigung wird eine Abreicherung von Medizinprodukteaufbereitung:ReinigungVerschmutzungen angestrebt. Medizinisch relevante Verunreinigungen Reinigung:Medizinprodukteenthalten in der Regel Proteine. Eine sachgerechte Reinigung erzielt Medizinprodukt(e):Reinigungregelmäßig Werte < 100 μg Protein/Instrument. Die Reinigungsverfahren müssen folgende Anforderungen erfüllen: • Gewährleistung einer rückstandsfreien, nicht fixierenden Reinigung (s. o.). • Nach der Reinigung/Desinfektion dürfen bei normaler Sehkraft an allen Teilen des MP keine Verschmutzungen (z. B. Verkrustungen, Beläge) erkennbar sein. Gegebenenfalls erfordert die Beurteilung der Reinigungsleistung den Einsatz geeigneter anderer Methoden (z. B. Proteinbestimmung). • Bei der Anwendung von Ultraschall ist auf die Dosierungsvorgabe des mit Ultraschall getesteten Reinigungs-/Desinfektionsmittels und der vorgegebenen Beschallungszeit zu achten. Der Einsatz von Ultraschall ist nicht bei allen MP möglich oder effektiv (Vorsicht z. B. bei Klebungen und weichen oder luftgefüllten MP). Im Zweifelsfall ist der Hersteller zu befragen. Der Beladung der Ultraschallbäder ist besondere Sorgfalt zu widmen (z. B. Vermeidung von Schallschatten, alle Teile des MP müssen komplett von Flüssigkeit bedeckt sein). Da Ultraschall zu Temperaturveränderungen führen kann, soll die Betriebstemperatur geräteseitig kontrolliert werden. Aus Gründen des Arbeitsschutzes ist eine Abdeckung der Ultraschallbäder empfehlenswert. • Die Reinigungslösung wird durch organisches Material und chemische Rückstände verunreinigt und ist bei sichtbarer Verschmutzung sofort zu wechseln. Mindestens arbeitstäglich ist diese frisch anzusetzen und das Reinigungsbecken gründlich mechanisch zu reinigen und zu desinfizieren. Desinfektion: Die Desinfektion dient dem Ziel, Desinfektion:Medizinproduktedie Menge potenzieller Krankheitserreger auf ein Maß zu reduzieren, Medizinprodukt(e):Desinfektionvon dem bei Kontakt mit intakter Haut oder Schleimhaut keine Medizinprodukteaufbereitung:DesinfektionInfektionsgefahr ausgeht. Die Desinfektionsleistung ist daher über die Reduktion der Bakterien-/Virus-/Pilzlast auf Oberflächen, hier von MP, definiert (z. B. DIN EN ISO 15883). Die verwendeten Desinfektionsverfahren müssen nachweislich bakterizid, fungizid und virozid sein. Die Wirksamkeit in RDG ist durch Fachgutachten vom Hersteller unter den jeweiligen Bedingungen der Aufbereitung zu belegen. Thermischen Verfahren in RDG ist wegen der zuverlässigeren Wirksamkeit (z. B. geringere Beeinträchtigung durch Restverschmutzung) sowie der einfachen parametrischen Überwachung (s. a. A0-Konzept der DIN 15883-1) und des Arbeitsschutzes der Vorrang vor chemischen bzw. chemothermischen Desinfektionsverfahren zu geben. Spülung und Trocknung: Mit der Spülung sollen Rückstände der vorausgegangenen Aufbereitungsprozesse entfernt werden. Zum Medizinprodukteaufbereitung:SpülungBeispiel müssen Reinigungs- und Desinfektionsmittelreste durch intensives Medizinprodukt(e):SpülungNachspülen sorgfältig entfernt werden. Zur Vermeidung von Rekontaminationen und Kristallbildungen ist geeignetes Wasser zu verwenden, das mikrobiologisch mindestens gesicherte Trinkwasserqualität hat. In jedem Fall erfordert die abschließende Spülung mindestens entmineralisiertes Wasser, um Kristallbildungen auf dem MP, die z. B. den anschließenden Sterilisationsprozess stören können, zu vermeiden. Die Verwendung von Druckluft mit gesicherter mikrobiologischer Qualität wird zur Trocknung aufgrund ihrer guten und raschen Wirkung empfohlen. Prüfung der technisch-funktionellen Medizinprodukt(e):Trocknung Sicherheit: Die Medizinprodukteaufbereitung:TrocknungPrüfungen auf Sauberkeit, Unversehrtheit und definierte technisch-funktionelle Eigenschaften haben zum Ziel, MP auszusondern, bei denen erkennbare Rückstände auch durch erneute Reinigung nicht entfernt oder bei denen technisch-funktionelle Mängel nicht beseitigt werden können. Insbesondere bei der Durchführung von Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen sind auch technisch-funktionelle Prüfungen nach Abschluss von Reinigung, Desinfektion, Spülung und Trocknung, aber vor der Sterilisation durchzuführen. Einflüsse des Aufbereitungsverfahrens auf die Materialeigenschaften sowie die technisch-funktionelle Sicherheit sind in der Regel produktspezifisch und müssen daher im Einzelfall unter Verwendung von Herstellerangaben geprüft und vom Betreiber in den Standardarbeitsanweisungen zur Aufbereitung neben den Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Verpackung: Die Verpackung besteht i. d. R. aus mechanischer Schutzverpackung, Sterilverpackung und ggf. Umverpackung (Lager- und Transportverpackung) und muss abgestimmt sein auf • Medizinprodukteaufbereitung:Verpackungdas zur Anwendung kommende Sterilisationsverfahren (z. B. Ermöglichung des Eintritts des Sterilisationsmittels), • die Eigenschaften des desinfizierten oder zu sterilisierenden MP und den Erhalt seiner Funktionsfähigkeit (z. B. mechanischer Schutz empfindlicher Teile), • die vorgesehene Lagerung und den Transport (Berücksichtigung mechanischer Belastungen). Eine Rekontamination des MP nach seiner Aufbereitung muss bis zur Anwendung ausgeschlossen sein (s. a. mandatierte Normen, Empfehlungen des AK „Qualität“ der DGSV und „Leitlinie für die Validierung des Siegelprozesses nach DIN EN ISO 11607-2“). Sterilisation: Die Sterilisation dient der Sterilisation:MedizinprodukteInaktivierung aller vermehrungsfähiger Mikroorganismen und Viren. Eine Medizinprodukt(e):Sterilisationden Ansprüchen in der Medizin genügende Sterilisation erreicht das Medizinprodukteaufbereitung:Sterilisationmit einer Sicherheit von 1:1.000.000 (SAL 10–6). Zur Sterilisation muss ein hinsichtlich seiner Eignung für das MP geprüftes und wie oben definiert wirksames Verfahren angewendet werden. Für den Erfolg der Sterilisation sind auch die Art des Sterilguts, die Verpackung und die Beladungskonfiguration von Bedeutung. Es ist zweckmäßig, sachgerechte Verpackungs- und Beladungsmuster z. B. durch Fotodokumentation zu definieren. Der formale Beleg über die Erfüllung dieser Anforderungen und die Berücksichtigung ggf. störender Einflussfaktoren erfolgt bei der Validierung. Der Anwendung thermischer Sterilisationsverfahren mit Sattdampf (bei 121 °C oder wegen der Prionensicherheit besser 134 °C) ist aufgrund ihrer zuverlässigen Wirksamkeit und guten parametrischen Überwachung der Vorzug zu geben (siehe DIN EN ISO 17665, DIN EN ISO 13060, DIN EN 285). Grundsätzlich ist auch die Anwendung von Heißluft ein Verfahren, das es erlaubt, einfach aufgebaute thermostabile Instrumente zu sterilisieren (siehe DGKH-Empfehlungen für die Validierung und Routineüberwachung von Sterilisationsprozessen mit trockener Hitze für Medizinprodukte). Eine Anwendung bei komplexeren MP (z. B. Kritisch-B-MP) wird allerdings allgemein beanstandet. Kennzeichnung: Aufbereiteten MP sind Informationen beizugeben, die unter Berücksichtigung des Ausbildungs- und Kenntnisstands des vorgesehenen Anwenderkreises und der Komplexität des MP eine sichere Anwendung ermöglichen. Auf der Verpackung des MP, ggf. auf dem MP selbst, müssen für den Anwender erkennbar angebracht sein: • Name des Herstellers und ggf. Modell, Größe, Chargen- oder Seriennummer, • Angaben zur Unterscheidung zwischen freigegebenen und nicht freigegebenen MP (auch wenn die Aufbereitung mit einer Desinfektion endet), • Angaben, die die Entscheidung über zeitabhängige Aspekte der gefahrlosen Anwendung des MP erlauben, z. B. Chargenkennzeichnung und Sterilisierdatum, ggf. vom Hersteller angegebenes Verfallsdatum bzw. Sterilgutlagerfrist, sofern diese kürzer ist als das Verfallsdatum, • ggf. Hinweise zur technisch-funktionellen Prüfung und Sicherheit, • bei Aufbereitung durch Dritte Name und Anschrift des Unternehmens. Ist die Anzahl der möglichen Aufbereitungen bei einem Medizinprodukt vom Hersteller festgelegt, müssen zusätzlich Anzahl und Art der durchgeführten Aufbereitungen erkennbar sein. Freigabe zur Anwendung: Die Aufbereitung von MP endet mit der Freigabe zur Anwendung. Diese erfolgt auf der Basis der Übereinstimmung der bei der Aufbereitung jeweils ermittelten Prozessparameter mit denen der Validierungsprotokolle und schließt die Durchführung sowie die Dokumentation der täglichen Routineprüfungen, die Überprüfung und Dokumentation des vollständigen, korrekten Prozessverlaufs (chargenbezogene Routineprüfungen und Chargendokumentation), die Überprüfung der Verpackung auf Unversehrtheit und Trockenheit sowie die Überprüfung der Kennzeichnung ein. Die die Aufbereitung beschreibenden SOPs müssen auch die Art und Dokumentation der Freigabeentscheidung und das Vorgehen bei Abweichungen vom korrekten Prozessablauf enthalten. Dokumentation: Die im Rahmen der Medizinprodukteaufbereitung:Dokumentation Dokumentation:MedizinprodukteaufbereitungAufbereitung erfassten Messwerte der Prozessparameter und die Freigabeentscheidung sind mit Bezug auf die freigebende Person und die Charge zu dokumentieren und gemäß § 9 Abs. 2 MPBetreibV aufzubewahren. Die Aufzeichnungen und Nachweise sind den zuständigen Behörden auf Verlangen vorzulegen. Transport und Lagerung: Transport und Lagerung dürfen die Eigenschaften des aufbereiteten MP nicht nachteilig beeinflussen. Bei der Lagerung von aufbereiteten MP sind die Angaben des Herstellers des MP und des Verpackungsmaterials zu berücksichtigen. 2.9.7 Validierung: Beleg der Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsleistung Medizinprodukteaufbereitung:Schritte\""\r""MPAufbereitungEinzelschr Weder das mit der Desinfektion angestrebte Ziel der „Keimarmut“ noch das mit der Sterilisation verfolgte Ziel der „Sterilität“ sind an dem aufbereiteten MP unmittelbar erkennbar. Bei Desinfektion und Sterilisation handelt es sich um Prozesse, deren Effektivität nur durch Anwendung validierter Verfahren und durch Überwachung von relevanten Prozessparametern, die im Rahmen der Validierung definiert werden, belegt werden kann. Die Validierung soll dem MP und seiner Risikobewertung und Einstufung angemessen sein. Die produktspezifische Validierung von Aufbereitungsprozessen wird in der Regel vom Hersteller durchgeführt (DIN EN ISO 17664). Soweit keine einheitlichen Produktchargen gebildet werden können, müssen die dokumentierten Prüfungen im Rahmen der Validierung an Produkttypen bzw. Prüfmodellen erfolgen, die nachweislich repräsentativ für alle wesentlichen Merkmale der zu bildenden Gruppe von MP anzusehen sind. Die Validierung resultiert in einem Dokument, aus dem hervorgeht, auf welche Weise ein zuvor definierter Zustand (z. B. Sterilität) reproduzierbar erbracht wird. Dieses Dokument enthält auch Angaben darüber, welche Daten für die Überwachung des Prozesses erforderlich sind und wie diese Daten zu interpretieren sind. Die Qualität der maschinellen Aufbereitung wird in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahren der Reinigung/Desinfektion und Sterilisation durch folgende Prüfungen sichergestellt (s. auch jeweils aktuelle mandatierte Normen DIN EN ISO 15883, DIN EN ISO 17665): • eine Inbetriebnahmeprüfung (bestehend aus Installations-, Betriebs- und Leistungsqualifikation), • tägliche Routineprüfungen, • chargenbezogene Routineprüfungen, • messtechnische Überwachung und Prüfung der Verfahrensparameter, • periodische Prüfungen (erneute Leistungsbeurteilung). Die zu prüfenden Parameter und die ggf. zu verwendenden Reinigungs- und Chemoindikatoren ergeben sich aus dem Validierungsprotokoll. Bei Reinigungs- und Desinfektionsverfahren sind speziell maschinelle Verfahren validierbar (s. DIN EN ISO 15883). Überwachungs-, Kontroll- und Warnsysteme der Maschinen stellen die Voraussetzungen für eine gesicherte Reinigung und Desinfektion und damit Aufbereitung dar. Manuelle Reinigungs- und Desinfektionsverfahren sind schwieriger zu standardisieren und daher weniger zuverlässig reproduzierbar. Sofern sie eingesetzt werden, müssen sie stets nach SOPs und mit auf Wirksamkeit geprüften und materialverträglichen Mitteln und Verfahren durchgeführt werden. Sterilisationsverfahren sind unter der Voraussetzung ihrer Anwendung bei rückstandsfrei gereinigten MP vollständig validierbar. 2.10 Rationale prophylaktische Antibiotikaanwendung 2.10.1 Grundlagen der perioperativen Antibiotikaprophylaxe (PAP) Medizinprodukt(e):Aufbereitung"\t""Siehe MedizinprodukteaufbereitungHannes Wacha1 1 In Deutschland werden ca. 6,4 Mio. Operationen jährlich in Krankenhäusern mit einer durchschnittlichen postoperativen Wundinfektionsrate (Antibiotika:Anwendung, prophylaktische"\t""Siehe AntibiotikaprophylaxeSSI-Rate, entsprechend der anglo-amerikanischen Literatur SSI = surgical site infection: es werden alle Infektionen nach chirurgischen Eingriffen [oberflächliche, tiefe Infektionen und Infektionen von Organen und Körperhöhlen] genannt) von 2 % (Gastmeier et al. 2004; siehe auch deutsche Fassung der Literaturstelle von Gastmeier und v. a. BQS Portal: hier werden die Daten von unseren Kollegen in Deutschland unter CDC A1–A3 den SSI-Definitionen nach dokumentiert) durchgeführt. Uneinheitlich verwendete Definitionen der SSI (Barie 2002) und Verkürzung der Verweildauer erschweren möglicherweise die exakte Erfassung, sodass vermutlich mit einer höheren SSI-Rate gerechnet werden muss. Sie kann nach aseptischen Eingriffen bis zu 5 % und nach intraabdominellen Eingriffen bis zu 40 % betragen (Bratzler und Houck 2004, Rovera et al. 2005). Mit jeder SSI (Definition nach CDC, s. o.) steigt das Risiko weiterer Komplikationen. Eine effektive PAP besitzt somit ein bedeutendes Präventionspotenzial (einschließlich Kostensenkung). Empfehlungen und Leitlinien sowie die Einführung von Kontrollsystemen können die Prophylaxe verbessern, sie aber nicht flächendeckend etablieren (Rüden et al. 1997, Bratzler et al. 2005, Warters et al. 2006, Forbes et al. 2008, Kritchevsky et al. 2008, Papaioannidou et al. 2008, Pan et al. 2009). Vorschläge zur Verbesserungen beinhalten z. B. Checklisten im Rahmen von Anästhesieprotokollen und die lückenlose Dokumentation der Maßnahmen zur perioperativen Prophylaxe (Wax et al. 2007, Willemsen et al. 2007, Fry 2008, Rosenberg et al. 2008, Haynes et al. 2009). Selbst bei leitlinienkonformer PAP werden jedoch nicht in allen Fällen ausreichende Wirkspiegel erreicht (Caffarelli et al. 2006, Dalley et al. 2007, Koopman et al. 2007). Dies hängt zum einen von der Substanzwahl, zum anderen vom Patienten ab. Prospektiv randomisierte Studien belegen die Wirksamkeit der PAP, wobei neben dem Grad der bakteriellen Besiedlung und der Wundklassifikation (Cruse und Foord 1980; Tab. 2.23) je nach Wundkategorie ein individuelles Infektionsrisiko und patienteneigene sowie OP-bedingte Besonderheiten bei der Indikationsstellung zu be- rücksichtigen sind. Empfehlungen können daher nicht nur auf der Basis evidenzbasierter klinischer Studien und Metaanalysen erarbeitet werden, sie müssen auch gut ausgewiesene experimentelle und klinische Studien berücksichtigen, die nachweislich wundunabhängige Risikofaktoren für eine SSI oder infektiöse Komplikationen (z. B. Pneumonie, Harnweginfektion, Sepsis) anderer Art beinhalten. Definition Die PAP besteht bei operativen Eingriffen i. d. R. in einer kurzzeitigen, meist einmaligen Gabe eines Antibiotikums kurz vor, bei Beginn oder spätestens während des Eingriffs. Sie kann evidenzbasierte Hygienerichtlinien zur SSI-Prävention nicht ersetzen. Die Vermeidung anderer postoperativer Komplikationen wie Sepsis, Pneumonie, Harnwegsinfektionen oder Meningitis wurde bisher durch wenige Studien differenziert betrachtet (El-Mufti et al. 1989, Dietrich et al. 2002, Susman 2003, Barker 2007, Falagas et al. 2008). Die Effektivität für diese Komplikationen wurde bislang vornehmlich aus Studien abgeleitet, die mit dem Ziel der Analyse von SSI-Raten durchgeführt wurden (Wacha 2007). Indikation Die Indikation wird anhand der Wundklassifikation und aufgrund zusätzlicher Risikofaktoren des Patienten gestellt. Bei allen Patienten mit der Wundklassifikation „kontaminiert“ und „schmutzig“ wird die PAP unabhängig von weiteren Faktoren durchgeführt. Auch bei aseptischen Eingriffen mit Fremdkörperimplantation ist die PAP etabliert. Bei „sauberen“ und „sauber-kontaminierten“ Eingriffen oder Wunden ist die Indikation abhängig vom Vorliegen von Risikofaktoren (Tab. 2.22 ) zu prüfen. Bei besonders schwerwiegenden Infektionskomplikationen (z. B. nach intrakraniellem Eingriff) wird die PAP unabhängig von Risikofaktoren empfohlen. Tab. 2.22 Risikofaktoren Patienteneigene Faktoren Chirurgische Faktoren Präoperativ Intraoperativ Postoperativ • Alter (Zunahme pro Dezennium; Lizan-Garcia et al. 1997, Zelenitsky et al. 2000) • Diabetes mellitus (Zelenitsky et al. 2000) • Immuninkompetenz • Reduzierter Allgemeinzustand • Übergewicht (Lofgren 2005, Itani et al. 2008) • Mangelernährung • ASA-Score > II (Iribarren und Araujo 2006) • MRSA-Träger • Fieber/Schüttelfrost innerhalb einer Woche vor OP • Weibliches Geschlecht bei Eingriffen am Kolon, Kardiochirurgie (Salehi et al. 2007) • Männliches Geschlecht nach Trauma, in der Gefäßchirurgie, bei Kniegelenkersatz (Jamsen et al. 2009) • Dialysepatienten • Hepatitis • Stoma (Zelenitsky et al 2000) • Drogenabusus • Infektionen anderer Lokalisation • Arterielle Mangeldurchblutung • Periphere Ödeme • Lymphangitis • Neuropathie • Vorausgegangene Antibiotikatherapie (Garcia Prado et al. 2008) • Rauchen (Khan et al. 2006) • Linksherzversagen (Rosmarakis et al. 2007) nach koronarem Bypass • Bakterielle Translokation bei Laparotomie (MacFie et al. 2006) • Rheumatoide Arthritis bei Kniegelenkersatz (Jamsen et al. 2009) • Zirrhose 45 • Notfall-OP • Längerer präoperativer Krankenhausaufenthalt • Falsche Wahl des Antibiotikums • Zeitpunkt der Antibiotikagabe: > 2 h zu früh oder zu spät (Classen et al. 1992) • Wundklassifikation kontaminiert-schmutzig • Vorbestrahlung • Hochrisiko-OP • Rezidiveingriffe • Steine im Gallengang, Gallengangverschluss • Erhöhtes CRP • Fremdkörperimplantation • Rasur nicht unmittelbar vor OP • Präoperative Urinkatheter (Pessaux et al. 2005) • Vorausgegangene (neurochirurgische) Eingriffe (Lietard et al. 2008) • Erfahrung des Chirurgen (Medina et al. 1997, Gislason et al. 1999) • OP-Dauer > 2 h (Zunahme je Stunde) • Infizierter OP-Bereich • Kontaminierter OP-Bereich • Bluttransfusion, Albuminzufuhr • Lange Anästhesiedauer • Mehr als ein operativer Eingriff • Diathermie • Sauerstoffabfall • Unterkühlung (Scott 2006) • Wundstapler • Unvorhersehbare Komplikationen • OP-Technik (Nichols et al. 2005) • Unterkühlung • Ineffektive Wirkspiegel (Zelenitsky et al. 2000) • Drainagedauer > 3 d • Respiratorische Sepsis • Invasive Techniken, Urinkatheter, Thoraxdrainage, Nasensonde, ZVK • Nachweis von Enterokokken, Enterobakterien, B. fragilis in der Wunde • Dialyse (Centofanti et al. 2007) • Frühe Re-OP wegen Blutungen (Centofanti et al. 2007) • Leak der Zerebrospinalflüssigkeit, externer Shunt (Lietard et al. 2008) (mod. nach Wacha, ergänzt durch Studien). Erweiterte Indikation bei Vorliegen von Risikofaktoren Unabhängig von der Art des Eingriffs wurden Risikofaktoren aus unterschiedlichsten Patientenkollektiven und Studien zusammengetragen und konnten in einzelnen Untersuchungen als statistisch signifikante Faktoren ausgewiesen werden. Es kann eine Einteilung in patienteneigene, prä-, intra- und postoperative Risikofaktoren vorgenommen werden (Tab. 2.22). Patienteneigene Risikofaktoren sind natürliche, nicht änderbare Risiken wie Alter oder Geschlecht, aber auch nicht korrigierbare Defizite bei dringlichen Eingriffen wie Diabetes mellitus, Immunabwehrschwäche, reduzierter Allgemeinzustand, Übergewicht und Mangelernährung. Patienten mit karzinombedingter chirurgischen Intervention besitzen ein signifikant erhöhtes SSI-Risiko und sollten grundsätzlich eine PAP erhalten. Die Auswahl des Antibiotikums muss die Lokalisation des Tumors berücksichtigen. Wichtige präoperative Risikofaktoren sind ergänzend zu Tabelle 2.22 lokale Faktoren wie Staphylokokkeninfektionen, Mangeldurchblutung, Ödeme, Bestrahlung, Begleiterkrankungen der Haut, Art des Eingriffs. Vor allem ein Mangel an Können und Erfahrung des Operateurs und eine Eingriffsdauer > 2 Stunden erhöhen das Risiko, während es durch atraumatische OP-Technik mit subtiler Blutstillung reduziert wird. Bluttransfusionen, Albuminzufuhr, Anästhesiedauer, Diathermie und Wundstapler sind ebenfalls von Einfluss. Im postoperativen Verlauf haben insbesondere invasive Techniken (z. B. Urinkatheter, Nasensonden, Drainagen) sowie spezielle Besiedelungen hohe Bedeutung (Tab. 2.22). Eine generelle PAP bei allen aseptischen Eingriffen wird derzeit noch abgelehnt. Es gibt aber zahlreiche Hinweise, dass besonders Patienten mit Infektionsrisiken bei aseptischen Eingriffen von einer PAP profitieren. Jede PAP birgt jedoch das Risiko einer Resistenzentwicklung und der Selektion von Erregern mit bereits bestehender Unempfindlichkeit gegenüber gebräuchlichen Antibiotika (Ulger et al. 2005). Zeitpunkt, Dauer und Dosierung Initiale Empfehlungen zum Applikationszeitpunkt einer wirksamen PAP gehen auf tierexperimentelle Untersuchungen von Burke zurück (Burke 1977). Die effektive Periode, in der die PAP SSI signifikant reduziert, ist 1 Stunde vor bis 2 Stunden nach Beginn des Eingriffs, spätestens jedoch vor Wundverschluss (Bates et al. 1989, Classen et al. 1992, Weber et al. 2008). Im klinischen Routineablauf bietet sich bei i. v. Verabreichung der Zeitpunkt der Narkoseeinleitung, also etwa 30–60 Minuten vor der Inzision an. Der späteste noch sinnvolle Zeitpunkt für eine Antibiotikaprophylaxe ist intraoperativ, z. B. beim Auftreten von Komplikationen. Die SSI-Rate nimmt mit jeder Stunde nach dem Hautschnitt signifikant zu, wenn die Antibiotikagabe verzögert wird oder die Applikation länger als 1 Stunde vor OP-Beginn erfolgt. Eine Antibiotikagabe nach Wundverschluss hat keinen Einfluss auf die SSI-Rate. Da das optimale Zeitfenster auch von patientenabhängigen pharmakokinetischen Parametern der eingesetzten Substanzen und der Art der Applikation (Bolusgabe, Kurz-, Dauerinfusion) abhängig ist, ist eine möglichst zur Inzision zeitnahe Verabfolgung bei heute verwendeten moderneren Antibiotika mitkürzeren Halbwertszeiten und rascher Verteilung in die Kompartimente wünschenswert (Zelenitzky et al. 2000). Der Nutzen einer Dauerinfusion von β-Lactam-Antibiotika wird diskutiert (Waltrip et al. 2002, Suffoletta et al. 2008). Bei der Dosierung sollten erhöhte oder erniedrigte Verteilungsräume der Patienten berücksichtigt werden. Einen Hinweis können Körpermasse, Body Mass Index, Einlagerungen, Drainagen u. a. geben. Eine Standarddosierung kann nur unter Idealbedingungen erfolgen. Bei heute üblichen Substanzen sind häufig höhere Dosierungen notwendig (Hutschala et al. 2007). Die einmalige Gabe des Antibiotikums ist für eine effektive Prophylaxe bei einer OP-Dauer < 2 Stunden ausreichend und der mehrmaligen Gabe bei Eingriffen unterschiedlicher Kategorie (kontaminiert bis aseptisch) nicht unterlegen (Su et al. 2005, Fujita et al. 2007, Hutschala et al. 2007, Carignan 2008, Hellbusch et al. 2008, Suehiro et al. 2008). Bei länger dauernden Eingriffen sollte eine Folgedosis in Abhängigkeit von der Halbwertszeit des Antibiotikums verabreicht werden. Eine Antibiotikagabe darüber hinaus gilt als Therapie und nicht als Prophylaxe. Sie kann notwendig werden, wenn Infektionsherde operativ nicht vollständig beseitigt werden konnten (z. B. bei septischer Cholangitis, eitriger Peritonitis, nach Appendix- oder Divertikelperforation u. a.) und ein anhaltend hohes Infektionsrisiko für dem Patienten besteht. Bei Eingriffen an Extremitäten in Blutleere wurden üblicherweise die Antibiotikagabe 10 Minuten vor Anlegen der Blutsperre und eine Folgedosis nach Eröffnen der Blutsperre empfohlen. Auswahl Die Auswahl erfolgt vorrangig nach dem erwarteten Erregerspektrum, das aus der normalen bzw. pathologischen Besiedlung des OP-Gebiets und seiner unmittelbaren Haut- und Schleimhautumgebung resultiert. Falls möglich, sollte sich die Auswahl am Ergebnis der mikrobiologischen Diagnostik orientieren (Zutt et al. 2003). Antibiotika zur PAP sollten ihre Wirksamkeit in klinischen Studien bewiesen haben, nebenwirkungsarm und kostengünstig sein. Um das Zeitfenster optimal für die prophylaktische Wirkung des Antibiotikums zu nutzen, müssen sich Applikationsart und Dosis nach dessen Eigenschaften richten. Es gibt nur wenige klinische Studien, die pharmakokinetische Daten, Applikationszeitpunkt und Substanzwahl mit SSI-Raten korrelieren. Die MHK für relevante Erreger werden bei parenteraler Gabe eines β-Lactam-Antibiotikums im Serum und Gewebe i. d. R. innerhalb weniger Minuten erreicht (Wittmann et al. 1982). Die Pharmakokinetik der Antibiotika im Serum Betalactam-Antibiotikum, perioperative Antibiotikaprophylaxekorreliert mit der Dauer der Wirksamkeit im Gewebe (Novelli 1999). Pharmakokinetische Parameter ändern sich mit der Substanz und den Organfunktionen des Patienten. β-Lactam-Antibiotika mit Halbwertszeiten von 1–2 Stunden wie Cefazolin, Cefuroxim oder Aminopenicilline/β-Lactamaseinhibitor (BLI) sollten möglichst zeitnah zum Eingriff gegeben und intraoperativ nach 2 Stunden OP-Dauer wiederholt werden (Aminopenicilline, perioperative AntibiotikaprophylaxeColombo et al. 1998). Der Vorteil der β-Lactame mit langer Halbwertszeit (z. B. Ceftriaxon) liegt in der Einmalgabe auch bei länger dauernden Eingriffen. Aminoglykoside, falls überhaupt eingesetzt, müssen hoch dosiert (Gentamicin 4,5 mg/kg Körpermasse) werden (Zelenitsky et al 2000, Zelenitzky et al. 2002), um Aminoglykoside:perioperative Antibiotikaprophylaxeeffektive Spiegel auch bei Wundverschluss zu erreichen. Der Stellenwert der Aminoglykoside in der perioperativen Prophylaxe ist heute gering. Primäres Ziel der PAP ist die Senkung der SSI-Rate, sekundäres Ziel die Vermeidung lokaler und systemischer postoperativer Infektionskomplikationen. Die PAP sollte risikoadaptiert und individualisiert erfolgen. Eine zu frühe Gabe des Antibiotikums ist nutzlos. Die Fortführung der PAP über die OP hinaus als präventive Therapie bedarf besonderer Indikation. Bei der Auswahl des Antibiotikums sind Risikoprofil und regionale Epidemiologie zu berücksichtigen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei möglichen sekundären Infektionen, die v. a. durch gramnegative Erreger verursacht werden. Es sollten nur Substanzen eingesetzt werden, bei denen entsprechende Indikationen nachgewiesen sind. Die meisten Erfahrungen liegen für den Einsatz der β-Lactam-Antibiotika vor. Die Auswahl der Substanzen orientiert sich in erster Linie am Erregerspektrum und an der Pharmakokinetik. Für den individuellen Patienten ist das Risiko der Resistenzentwicklung gering. Das gilt jedoch nicht für das Gesamtkollektiv einer Klinik. Ökonomische Gesichtspunkte sind wichtig, auch wenn die Kosten der PAP geringer sind als die Kosten postoperativer Infektionskomplikationen. 2.10.2 Chirurgie Stefan Maier und Claus-Dieter Heidecke Die sozioökonomische Bedeutung der SSI wird anhand der KISS-Daten deutlich. So traten in Deutschland in den beteiligten Einrichtungen zwischen 1997 und 2004 bei 360.000 Operationen 6.800 SSI auf. Hochgerechnet auf die jährlich in Deutschland durchgeführten 5.000.000 Operationen, bedeutet das in Deutschland pro Jahr etwa 94.500 Patienten mit einer SSI mit durchschnittlich 3.000 Euro Mehrkosten, um 6,5 Tage verlängerten Krankenhausaufenthalt, Belastung für die Versicherungssysteme von fast 300.000.000 Euro Mehrkosten und 614.000 zusätzliche Krankenhausbehandlungstage. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass SSI ein unabhängiger Risikofaktor für Letalität oder intensivmedizinische Behandlung im postoperativen Verlauf darstellen. Einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von SSI leistet die PAP. Von den zahlreichen Empfehlungen soll die der PEG (2010) genannt werden. Ziel der PAP Vermeidung von SSI. Es gibt zwar Daten, die darauf hindeuten, dass auch das Auftreten postoperativer Pneumonien oder intraabdomineller Infektionen (Abszesse) positiv beeinflusst wird, diese sind aber bisher nicht ausreichend valide und stammen meist aus nachträglichen Auswertungen von Studien, deren primärer Endpunkt das Auftreten von SSI war. Hervorzuheben ist, dass die PAP nicht etwa weitere hygienische Maßnahmen ersetzen kann (also kein Ausgleich für unzureichende Hygiene), sondern ein Mosaikstein im Gesamtkonzept der Prävention von SSI ist. Indikation Die Indikation ergibt sich aus der Wundklassifikation (Tab. 2.23 ) und zusätzlichen Risikofaktoren. Tab. 2.23 PAP anhand der WundklassifikationWundklassifikation Art der OP Merkmale PAP Sauber Atraumatische OP-Technik, OP im nicht entzündlichen OP-Gebiet, primärer Wundverschluss, einwandfreie chirurgische Technik, Eingriffe am Oropharynx, Respirations-, Gastrointestinal-, Urogenitaltrakt nicht eröffnet Risiko? Sauber-kontaminiert Kleinere intraoperative technische Fehler, Eingriffe im Gastrointestinal-, Respirations-, Urogenitaltrakt ohne „signifikante“ Kontamination, keine Drainage PAP Kontaminiert Intraoperative technische Fehler, offene, frische Wunde, purulente akute Entzündung im OP-Gebiet, Eröffnung des infizierten Urogenital- oder Respirationstrakts, Darmeröffnung mit massivem Austritt von Darminhalt, traumatische Wunde PAP Schmutzig Akute bakterielle Infektionen ohne sichtbaren Eiter, Durchtrennung von sauberem Gewebe zur Eröffnung von Abszessen bzw. Eiteransammlungen, traumatische Wunden mit devitalisiertem Gewebe/Fremdkörperentfernungen, Kontamination mit Fäzes, traumatische Eingriffe Antibiotikatherapie nach Cruse und Foord (1973). Bei sauberen Eingriffen ist die PAP nur bei Vorliegen eines zusätzlichen Risikofaktors (Tab. 2.24 ) indiziert. Bei sauber-kontaminierten oder kontaminierten Eingriffen besteht in jedem Fall die Indikation zur PAP. Bei schmutzigen Eingriffen ist die einmalige PAP im Regelfall nicht ausreichend, hier sollte eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Tab. 2.24 Risikofaktoren für SSI.Surgical Site Infection\t\"Siehe SSISSI:Risikofaktoren Risikofaktor Patienteneigen Alter, Diabetes mellitus, Immuninkompetenz, reduzierter Allgemeinzustand, Übergewicht, Mangelernährung, ASA-Score > 2, MRSA-Träger, Dialyse, Lebererkrankung, Infektionen anderer Lokalisation, Tumorerkrankung Präoperativ chirurgisch Notfall-OP, längerer präoperativer Krankenhausaufenthalt, Vorbestrahlung, Rezidiveingriffe, Fremdkörperimplantation, Rasur nicht unmittelbar vor OP Intraoperativ chirurgisch Erfahrung des Chirurgen, OP-Dauer > 2 h, infizierter OP-Bereich, Bluttransfusion, Kombination von Eingriffen, Diathermie, Unterkühlung, komplikative OP Postoperativ chirurgisch Drainagedauer > 3 d, pulmonale Sepsis, Unterkühlung, Katheter Zeitpunkt und Häufigkeit der Applikation Das Fenster, in dem die PAP sinnvoll ist, reicht von 1 Stunde vor bis 2 Stunden nach dem Hautschnitt. Der ideale Zeitpunkt liegt bei 30–60 Minuten vor OP-Beginn und sollte demnach am besten im Rahmen der Narkoseeinleitung durch den Anästhesisten erfolgen. Häufiges Problem ist die zeitgerechte Anwendung vor dem Hautschnitt, da hier mehrere OP-vorbereitende Maßnahmen gleichzeitig ablaufen, der Patient von der Pflege zur Anästhesie zum Chirurgen übergeben wird, die Zuständigkeit für die PAP in der gemeinschaftlichen Verantwortung von Anästhesist und Chirurgen liegt und leicht vergessen werden kann. Ein Lösungsansatz besteht in der Verwendung präoperativer Checklisten, wie sie von der WHO empfohlen werden. Die PAP erfolgt als Einmalgabe. Lediglich bei lang andauernden Eingriffen (> 3 Stunden) wird eine zweite Dosis empfohlen. Jede weitere Antibiotikagabe gilt als Therapie. Auswahl des Antibiotikums Die Auswahl richtet sich nach dem erwarteten Erregerspektrum. Insbesondere muss unterschieden werden, ob eher eine Infektion durch Hautflora wahrscheinlich ist (z. B. bei Implantaten in der Traumatologie/Orthopädie) oder Infektionen durch Enterobacteriaceae auftreten können (z. B. elektive Kolonchirurgie). Im letzteren Fall sollten bei der Wahl des Chemotherapeutikums Anaerobier mit berücksichtigt werden. Wenn diese durch das eigentliche Antibiotikum der Wahl nicht abgedeckt sind, kann durch Hinzunahme von 500 mg Metronidazol die Lücke geschlossen werden. Folgende weitere Kriterien sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden: • In der lokalen Erreger- und Resistenzsituation gibt es regional teilweise dramatische Unterschiede, die einer allgemeingültigen Empfehlung entgegenstehen. • In einigen Richtlinien findet sich noch die Empfehlung, zur PAP Antibiotika zu verwenden, die nicht in der Therapie zum Einsatz kommen. In einigen Fällen führt das dazu, dass Substanzen verwendet werden, die aufgrund unbefriedigender Resistenzlage nicht mehr zur Therapie verwendet werden. Wir sind der Ansicht, dass die PAP nur dann sinnvoll ist, wenn sie wirksam ist. Entsprechend muss das Präparat gewählt werden. • In einigen Richtlinien wird die Wahl des Antibiotikums vom OP-Gebiet abhängig gemacht. Es werden Untergruppen gebildet wie Magen-, Ösophagus-, Pankreas-, Leber- oder Darmchirurgie. Die Antibiotika, die dann empfohlen werden, unterscheiden sich in den meisten Fällen nicht. Darüber hinaus ist feststellbar, dass die Umsetzung einer Empfehlung unmittelbar mit der Komplexität korreliert. Dementsprechend sollte eine möglichst einfache, generelle PAP für alle OP-Gebiete erfolgen. Gemäß PEG-Empfehlung (2004) sind folgende Präparate bei der PAP in der Viszeralchirurgie sinnvoll: • Cephalosporine der Gruppe II + Metronidazol, • Cephalosporine der Gruppe IIIa + Metronidazol, • Aminopenicilline mit β-Lactamase-Inhibitor, • Fluorchinolone der Gruppe 2/3 + Metronidazol. Es wird darauf hingewiesen, dass die Resistenzen bei E. coli (Leiterreger der SSI mit Enterobacteriaceae) gegenüber Ampicillin/Sulbactam in zahlreichen Regionen so weit angestiegen sind, dass eine Verwendung zur PAP nicht mehr vertretbar ist. Ersatzpräparate bei Allergien: Bei Allergien gegen Penicilline können Fluorchinolone der Gruppe 2/3 + Metronidazol eingesetzt werden. Erregerspektrum: In der Viszeralchirurgie sind die Hauptverursacher von SSI Enterobacteriaceae (E. coli > Klebsiella > Pseudomonas > Proteus spp.). Das deutet darauf hin, dass der Ursprung bei diesen Patienten „aus der Tiefe“ kommt, entweder durch intraoperative Kontamination, postoperative Translokation oder Fortleitung einer okkulten intraabdominellen Infektion (z. B. Abszess) und nicht durch unzureichende Hy giene bei der postoperativen Wundpflege, wie häufig vermutet wird. Substanzeinsatz bei gleichzeitigen Klappenvitien: In den meisten Fällen lässt sich die Indikation für die Endokarditisprophylaxe problemlos mit der PAP durch Verwendung einer Substanz kombinieren. Hier wird auf die Empfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen. PAP unter laufender antibiotischer Therapie: Wird eine antibiotische Therapie entsprechend den Empfehlungen zur PAP in Bezug auf Dosierung und Zeitpunkt durchgeführt, kann von ausreichenden Wirkspiegeln ausgegangen werden, sodass eine zusätzliche PAP i. d. R. nicht erforderlich ist. 2.10.3 Unfallchirurgie und Traumatologie Peter Hinz, Axel Kramer, Matthias Frank und Axel Ekkernkamp SSI-Risiko Die SSI-Rate wird für geschlossene Frakturen mit 1–5 % angegeben und erreicht bei offenen Frakturen in SSI-Risiko:TraumatologieAbhängigkeit vom Ausmaß der Gewebezerstörung eine Häufigkeit SSI-Risiko:Unfallchirurgiebis 43 %. Elektive unfallchirurgische Eingriffe zeigen mit bis zu 2 % eine deutlich geringere SSI-Rate (Seifert et al. 2010). In Deutschland ergaben aktuelle KISS-Daten (1/2005–12/2009) eine SSI-Rate bei Hüftendoprothesen (HTEP) von 0,9 % (elektive HTEP bei Arthrose) bis 2,7 % (ungeplante HTEP bei Fraktur), bei Knieendoprothesen (KTEP) um 0,8 %. In einer niederländischen Studie betrug die SSI-Rate nach elektiver HTEP 2,6 % mit dem höchsten Wert (OR 2,8) bei PAP erst nach der Inzision (van Kasteren et al. 2007). Indikationen Analog wie in der Chirurgie ergibt sich die Indikation für die PAP aus der Wundklassifikation und zusätzlichen Risikofaktoren (Kap. 2.10.1). Die i. v. Single-Shot-PAP ist indiziert und präventiv wirksam bei sauber-kontaminierten oder kontaminierten Eingriffen. Bei sauberen Eingriffen ist die PAP wirksam bei folgenden Risikoeingriffen: Osteosynthesen, Hüft- und Knieendoprothesen, Rückenmarkchirurgie sowie offene Reposition und interne Fixation von Frakturen (Prokuski 2008). Frakturen: Gegenstand von Analysen ist in der Versorgung offener Frakturen v. a. die Frage einmalige PAP oder Antibiotikaprophylaxe:Frakturenverlängerte postoperative Gabe des Antibiotikums, da letzteres oft noch Fraktur(en):Antibiotikaprophylaxeals Standard angesehen wird. Hauser et al. (2006) gelangten im Ergebnis einer Metanalyse zu folgenden Schlussfolgerungen: • „The current „standards“ of antibiotic prophylaxis for open long-bone fractures are based on very little, and in some cases no, direct evidence.“ • „A short course of first-generation cephalosporins, begun as soon as possible after injury, significantly lowers the risk of infection when used in combination with prompt, modern orthopedic fracture wound management.“ Diese Aussagen werden durch folgende RCT-Studie bestätigt. Bei Frakturen der Grade 1 und 2 ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen der SSI-Rate von 6,6 % bzw. 8 % bei einmaliger Gabe von 800 mg Pefloxacin i. v. bzw. verlängerter Antibiotikagabe von Cefazolin über 2 Pefloxacin, Antibiotikaprophylaxe, FrakturenTage (4 × 1 g/d, d. h. Gesamtdosis 8 g), gefolgt von 3 Tagen Oxacillin oral (1 g/d; Carsenti-Etesse et al. 1999). Im Ergebnis einer weiteren Metaanalyse konnte auch bei geschlossenen Long-bone-Frakturen keine Oxacillin, Antibiotikaprophylaxe, FrakturenÜberlegenheit einer multiplen im Vergleich zur Single-Shot-Strategie nachgewiesen werden (Slobogean et al. 2008). Auch zur Auswahl der Antibiotika ist die Studienlage nicht eindeutig. Beim Vergleich der PAP (RCT-Studie) von Ciprofloxacin mit Mandokef (Cefamandol, 2. Generation der Cephalosporine)/Gentamicin war der Unterschied bei Frakturen Grad 3 mit 31 % vs. 7,7 % signifikant, nicht dagegen bei Grad 1 und 2 mit 5,8 % vs. 6 %. Während Mandokef sowohl Gentamicin, Antibiotikaprophylaxe, Frakturengegen grampositive (auch β-Lactamase-bildende Stämme) und gramnegative Bakterien (H. influenzae, P. mirabilis, Streptokokken, E. coli, K. pneumoniae) als auch gegen Anaerobier (außer B. fragilis) wirksam ist, ist Gentamicin v. a. gegen gramnegative Erreger wirksam. Aufgrund der Resistenzsituation am Greifswalder Klinikum wird anstelle von Mandokef Cefazolin als Cephalosporin der 1. Generation in Kombination mit Gentamicin zur PAP eingesetzt und bei offenen Verletzungen zusätzlich mit Polihexanidlösung (s. u.) gespült. Im interdisziplinären Konsens führen wir bei offenen Frakturen aktuell folgende Infektionsprävention durch: Bei mehrstündigem Abstand zur OP so früh wie möglich nach Trauma einmalige Gabe von Cefazolin/Gentamicin i. v., gründliches Débridement, gründliche antiseptische Spülung mit 0,02 % Polihexanid (ca. 3 Minuten) und single Shot 30 Minuten bis 1 Stunde präoperativ mit Cefazolin/Gentamicin i. v. Offensichtlich ist die PAP nicht grundsätzlich bei offenen Frakturen indiziert. So erwies sich bei 193 offenen Frakturen der distalen Phalanx in Kombination mit sorgfältiger Wundtoilette die PAP mit Flucloxacillin (SSI 3 %) dem Placebo (SSI 4 %) nicht als überlegen (doppelblind, prospektiv, randomisiert placebokontrolliert; Stevenson et al. 2003). Bei der PAP ist zu beachten, dass ihre Wirkung bei Blutsperre bzw. Blutleere nicht zum Tragen kommen kann. Offene Weichteiltraumen: Bei landwirtschaftlichen, schwer verschmutzten Weichteiltraumen (Ausschlusskriterium war Weichteiltrauma, offenes, Antibiotikaprophylaxevorherige Antibiotikaanwendung) wurde der Einfluss einer 3-minütigen antiseptischen Spülung Antibiotikaprophylaxe:Weichteiltraumanach chirurgischer Versorgung vor Wundverschluss analysiert (retrospektive, offen kontrollierte, monozentrische, randomisierte Kohortenstudie). Im Vergleich zum Placebo (Ringer-Lösung) wurde durch Lavasept® (Polihexanid in Kombination mit Macrogol) die SSI-Rate signifikant von 4,4 auf 0,9 % reduziert (Roth et al. 2007). Endoprothesen: Bei Hüft- und Endoprothesen, AntibiotikaprophylaxeKnieendoprothesen Antibiotikaprophylaxe:Endoprothesen (HEP und KEP) wird durch PAP im Ergebnis einer Metaanalyse eine hochsignifikante Reduktion von SSI erzielt (Al Buhairan et al. 2008, Kuper und Rosenstein 2008, Hsu und Cheng 2009). Auch bei HEP ist die PAP der verlängerten Antibiotikagabe in der Effektivität überlegen (van Kasteren 2007). Entscheidend ist die Einhaltung des Zeitpunkts der PAP, was leider nicht immer gewährleistet ist. So erhielten bei 988 HEP und KEP 13 % die PAP nicht im 1-Stunden-Zeitfenster (Bhattacharyya und Hooper 2007). Im Unterschied zu den USA und den übrigen Ländern (de Beer et al. 2009, Kuong et al. 2009) wird in den Niederlanden die PAP bei HEP nur bei Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr durchgeführt (Abraham-Inpijn. 2005). Schon 1994 wurde aus der Schweiz berichtet, dass bei HEP ein Ersatz der PAP durch intraoperative antiseptische Spülung im Operationsgebiet mit Polihexanid mit gleicher SSI-Rate möglich ist (Kramer und Willenegger 1994). Bisswunden: In Auswertung des Schrifttums zum mikrobiellen Spektrum, zu den Risikofaktoren für das Entstehen einer Bisswunden, AntibiotikaprophylaxeSSI nach Bissverletzung und zu den Ergebnissen zur Intervention können Antibiotikaprophylaxe:Bisswundenfolgende Empfehlungen zum Management bei Bisswunden abgeleitet werden (Kramer et al. 2010): • Bei der frischen offenen Verletzung ggf. chirurgisches Débridement, danach antiseptische Spülung der Wunde mit einem Kombinationsprodukt, bestehend aus PVP-Iod und Ethanol (z. B. Betaseptic®), keine Antibiotikaprophylaxe, Primärverschluss. • Bei der nahezu geschlossenen frischen Verletzung (z. B. Katzenbiss) ggf. chirurgisches Débridement, Auflage antiseptisch getränkter Kompressen für ca. 60 Minuten mit zwischenzeitlicher Tränkung (Betaseptic®), keine Antibiotikaprophylaxe. • Bei der älteren Verletzung nach ca. 4 Stunden ggf. chirurgisches Débridement, Auflage antiseptisch getränkter Kompressen oder Verbände für ca. 60 Minuten mit zwischenzeitlicher Tränkung (Betaseptic®), parallel einmalige i. v. oder dosisadaptiert orale Gabe von Antibiotika (Amoxicillin/Clavulansäure). • Bei der älteren Verletzung nach ca. 24 Stunden chirurgisches Débridement, danach antiseptische Spülung der Wunde (Betaseptic®), bei klinisch ersichtlicher Infektion/Entzündung chirurgische Revision mit Eröffnung und Antiseptik sowie antibiotische Therapie gemäß Resistogramm (empirischer Start mit Amoxicillin/Clavulansäure).Antibiotikaprophylaxe:Unfallchirurgie\""\r""AntibiotikaprophylaxeUnfallchir 2.10.4 Neurochirurgie Florian Thalhammer Nicht traumatisch bedingte neurochirurgische Operationen zählen zu den primär sauberen bzw. sauber-kontaminierten Eingriffen. Transsphenoidale Zugangswege gelten als primär kontaminiert. Postoperative Wundinfektionen sind insgesamt selten (0,3–4 %; Tab. 2.25 ), jedoch im Fall ihres Auftretens mit hoher Morbidität, Mortalität sowie langem Krankenhausaufenthalt verbunden (Kap. 5.7). Neben der Haut des Patienten mit ihrer physiologischen Staphylokokkenbesiedlung, die als Hauptreservoir gilt, sind als weitere Risikofaktoren die Kopfbehaarung, Implantate sowie die sehr selten auftretende spongiforme Enzephalopathie zu nennen. Tab. 2.25 Wundinfektionsrate ohne perioperative Antibiotikaprophylaxe (Petrica et al. 2009).Wundinfektionsrate, Neurochirurgie Operation SSI Rate (%) Liquorshunt 5–11 Kraniotomie, Wirbelsäulenchirurgie 1–5 Liquorfistel 11–38 Das zu erwartende Erregerspektrum beinhaltet in der Mehrzahl Staphylokokken (S. aureus, KNS), zentrumspezifisch P. acne sowie Streptokokken und vereinzelt Enterobakterien inklusive P. aeruginosa. Bei Hirnabszessen finden sich häufig Mischinfektionen, die wichtigsten Erreger sind Streptokokken, in 50 % der Fälle angeführt von S. milleri (Tab. 2.26 ). Tab. 2.26 Erregerspektrum bei HirnabszessenHirnabszess(e):Erregerspektrum Immunkompetente Patienten Abwehrgeschwächte Patienten Streptokokken (S. milleri 50 %) T. gondii Bacteroides spp. (20–40 %) Nokardien Enterobakterien (Proteus, E. coli, Klebsiella) Pilze P. aeruginosa (10–15 %) Mykobakterien Protozoen Helminthen (nach Klein und Pfister 2010). Als spezielle SSI sind postoperative Meningitiden sehr gefürchtet. Stellenwert der perioperativen Antibiotikaprophylaxe Die PAP wird in der neurochirurgischen Literatur kontrovers diskutiert. Durch sie lässt sich die Inzidenz von SSI um etwa 50 % reduzieren, jedoch ohne Einfluss auf die postoperative Meningitis, deren Infektionsrate mit und ohne PAP 1,5 bzw. 1,6 % betrug (Korinek et al. 2006, Barker 2007, Sharma et al. 2009). Die PAP hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Inzidenz von Bakteriämien, Harnweginfektionen sowie Pneumonien, die bei neurochirurgischen Patienten häufig den Krankheitsverlauf komplizieren (Tab. 2.27 ). Als eindeutige Indikationen gelten aseptische Implantationen von Fremdkörpern, Eingriffe mit langen OP-Zeiten (> 6 Stunden), offene Traumen sowie Rezidivoperationen innerhalb von 5 Tagen nach der Erst-OP. Der Einsatz minimalinvasiver OP-Methoden in der Wirbelsäulenchirurgie kann das SSI-Risiko um den Faktor 10 reduzieren (O'Toole et al. 2009). Eine einfache und effektive Methode zur Senkung des Infektionsrisikos bei Shunt-Operationen ist der Wechsel der Handschuhe, bevor der Ventrikelkatheter erstmals angegriffen und implantiert wird (Rehmann et al. 2010). Tab. 2.27 Risikofaktoren für SSI (Korinek et al. 2006, Lietard et al. 2008).SSI-Risiko:Neurochirurgie Operation Wundinfektion Meningitis Liquorfistel Ja Ja Externe Ventrikeldrainage Ja Gleichzeitige Wundinfektion Ja Männliches Geschlecht Ja OP-Dauer Nein Ja Altemeier-Klassifikation Nein Frühzeitig weitere OP Ja Durchführung der perioperativen Antibiotikaprophylaxe Auch bei neurochirurgischen Eingriffen wird die Single-Shot-Gabe der Antibiotika favorisiert. Je nach OP-Dauer und Halbwertszeit des Antibiotikums, intraoperativem Blutverlust bzw. Flüssigkeitszufuhr muss die PAP wiederholt werden. Bei Ventrikelshunt-Operationen kann die sie bis zu maximal 24 Stunden nach der OP erfolgen, eine längere Antibiotikagabe hat keinen Benefit (Rath et al. 2008). Flucloxacillin, Cephalosporine 1./2. Generation sowie Clindamycin bei β-Lactam-Allergie sind Mittel der ersten Wahl. Bei Vorliegen von MRSA können MRSA-wirksame, aber teure Antibiotika wie Daptomycin, Linezolid, Teicoplanin (geringere Aktivität bei KNS) oder Tigecyclin erwogen werden. Alle Antibiotika können mit Rifampicin – v. a. bei Implantaten – kombiniert werden. Als Spezifikum in der Neurochirurgie kann die Liquorgängigkeit der Antibiotika eine Rolle spielen (Abb. 2.18 ). Abb. 2.18 Liquorgängigkeit verschiedener Antibiotika:LiquorgängigkeitAntibiotika im Hasen-Meningitismodell (modifiziert nach Andersen 2007). Topische Antibiotika und antibiotikabeschichtete neurochirurgische Implantate Die lokale Anwendung von Antibiotika in der (Neuro-)Chirurgie ist Implantat(e):antibiotikabeschichtete neurochirurgischeseit 1700 v. Chr. – beschrieben im Edwin-Smith-Papyrus – bekannt und wird chirurgenspezifisch gehandhabt, ob gleich bis heute für (neuro)chirurgische Eingriffe der Nachweis des klinischen Vorteils aussteht (Alves und Godoy 2010). In einer kleinen prospektiven, doppelblind randomisierten Studie konnten Rozzelle et al. (2008) zeigen, dass nach neurochirurgischen Shunt-Operationen nach Verwendung von mit Triclosan imprägniertem chirurgischem Nahtmaterial die SSI-Rate 4,3 %, in der Vergleichskohorte mit demselben Nachtmaterial ohne antimikrobielle Imprägnierung dagegen 21 % betrug. Zur endgültigen Bewertung des klinischen Benefits des Einsatzes antimikrobiell imprägnierten Nahtmaterials in der Neurochirurgie fehlen größere Bestätigungsstudien. Zur Reduktion postoperativer Implantatinfektionen werden in der Neurochirurgie antibiotikabeschichtete (z. B. mit Clindamycin, Minocyclin, Rifampicin) MP angeboten; für den endgültigen Nachweis der Senkung der SSI-Rate stehen randomisierte, prospektive Multicenterstudien noch aus (Gutiérrez-González und Boto 2010). Für die passagere Ventrikelsonde konnten Wong et al. (2010) bei 184 Patienten zeigen, dass der antibiotikabeschichtete Katheter einer systemischen Antibiotikagabe in Bezug auf eine Meningitisentwicklung nicht unterlegen war und die nosokomiale Infektionsrate keinen signifikanten Unterschied zeigte. 2.10.5 Mund-Kiefer-Gesichts(MKG)-Chirurgie und Zahnmedizin Antibiotikaprophylaxe:Neurochirurgie\""\r""AntibiotikaprophylaxeNeurochir Bilal Al-Nawas Invasive Eingriffe sowie invasive Untersuchungen und vergleichbare Maßnahmen, z. T. auch Operationen, werden in der Zahnmedizin und MKG-Chirurgie meist ambulant durchgeführt. In Abhängigkeit vom Kontaminationsgrad werden sie unterteilt in Eingriffe in nicht kontaminierter Region (Gr. I), z. B. Arthroskopie, in sauber-kontaminierter Region (Gr. II), z. B. Eingriffe am Oropharynx, in kontaminierter Region (Gr. III), z. B. kontaminierte Hautdefekte, und in manifest infizierter Region (Gr. IV), z. B. Abszess (KRINKO 2000). Meist handelt es sich um die Gruppen II und III, wobei SSI meist durch oropharyngeale Pathogene verursacht werden. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen der Prophylaxe zur Vermeidung der negativen Folgen einer Bakteriämie, wie sie Patienten mit Gelenkendoprothesen oder Endokarditisrisiko betreffen kann, und der Prophylaxe von SSI im engeren Sinn. Auch wenn die Antibiotika bzgl. der infrage kommenden Erreger oft identisch sind, besteht der Unterschied in der Konsequenz bei Auftreten von Problemen. So lässt sich die lokal begrenzte SSI meist gut beherrschen, während eine Endokarditis per se vital bedrohlich ist. Es empfiehlt sich also, in die Indikationsfindung den Patienten mit seinen Besonderheiten einzubinden. Resistenzentwicklung Im Vergleich zur Humanmedizin finden sich keine systematischen Daten zur Resistenzentwicklung in der Zahnmedizin. Be richtet wurde bei unkomplizierten Abszessen Antibiotikaresistenz:Zahnmedizinüber geringe Resistenzraten für Penicillin (Eckert et al. 2005a), über das Auftreten von 15–35 % β-Lactamasen bei Bakterien aus odontogenen Abszessen (Kuriyama et al. 2001) sowie über heterogene Daten zu Clindamycin mit teils guter Empfindlichkeit, aber auch mit kritischen Resistenzraten von bis zu 25–45 % (Al-Nawas et al. 2008), wobei die Daten meist aus dem stationären Sektor stammen, eine Übertragbarkeit auf die ambulante Behandlung also kritisch ist, zumal die antibiotische Vorbehandlung eine Rolle zu spielen scheint (Kuriyama et al. 2000, Al-Nawas und Maeurer 2008). Bei schweren Weichgewebeinfektionen, die typischerweise schon vorbehandelt sind, muss man demnach mit einer höheren Resistenzrate für Penicillin und Clindamycin rechnen (Eckert et al. 2005b, Al-Nawas et al. 2008). Aus den o. g. Daten ergibt sich im odontogenen Bereich eine nahezu vollständige Wirksamkeit der durch β-Lactamase-Inhibitoren geschützten Penicilline (z. B. Amoxicillin, Clavulansäure). Bei der Resistenzbeurteilung sollte jedoch bedacht werden, dass die pathogenetische Rolle der identifizierten Bakterien durchaus nicht geklärt ist (Otten et al. 1994). Da ein Erregernachweis in der Therapie unkomplizierter odontogener Infektionen nicht sinnvoll zu fordern ist, bleibt der Wunsch nach validen Resistenzdaten in der ambulanten Zahnmedizin wohl auch in Zukunft unerfüllt. Indikationen für die prophylaktische Antibiotikagabe Endokarditisprophylaxe: Grundsätzlich ist akzeptiert, dass Bakteriämien bei vorgeschädigtem Endokard zu einer infektiösen Endokarditis führen können. Zugleich ist unbestritten, dass Endokarditis, Antibiotikaprophylaxe:Zahnmedizinbei allen zahnärztlichen Behandlungen mit Manipulation an der Gingiva und bei Wurzelkanalbehandlungen Bakteriämien, aber auch bei Routineaktivitäten wie Zähneputzen oder Kauen Bakterien im Blut nachweisbar sind. Beachtenswert ist, dass im Tiermodell 6–8 log Bakterien/ml Blut zur Auslösung einer Endokarditis erforderlich sind (Bahn et al. 1978), bei zahnärztlichen Behandlungen findet man jedoch nur 1–10/ml (Rahn et al. 1987). In einer richtungweisenden Arbeit aus Frankreich wurde die Effektivität der Antibiotikaprophylaxe infrage gestellt (Duval et al. 2006). Seitdem hat sich ein Paradigmenwechel vollzogen (Naber et al. 2007). Es sollen nicht mehr alle Patienten mit Risiko einer infektiösen Endokarditis die Antibiotikaprophylaxe erhalten, sondern nur solche mit hohem Erkrankungsrisiko oder hohem Risiko für einen lebensbedrohlichen Verlauf. Die Antibiotika bleiben dagegen unverändert entsprechend den erwarteten oralen Pathogenen. Für Patienten, die bisher eine Prophylaxe erhielten und bei denen diese jetzt nicht mehr indiziert ist, gibt es die Möglichkeit der individuellen, fakultativen Prophylaxe. Als Risikoprozeduren werden alle Eingriffe angesehen, die zu Bakteriämien führen können, wie Manipulationen an der Gingiva, der periapikalen Zahnregion, Perforationen der oralen Mukosa. Prophylaxe bei Endoprothesen: Ähnlich schwierig ist die Einschätzung der Prophylaxe von Infektionen von Endoprothesen. Es existieren Empfehlungen zur Prophylaxe, die in Deutschland bisher Endoprothesen:Antibiotikaprophylaxebewusst nicht umgesetzt wurden (American Dental Association/American Academy of Orthopedic Surgeons 2003). Jüngere Metaanalysen der spärlichen Literatur stellen den Sinn dieser Prophylaxe bei gesunden Patienten infrage (Uckay et al. 2008), zumal Infektionen von Hüft- oder Knieendoprothesen als Folge von Bakteriämien nach oralen Eingriffen sehr selten sind (Rodgers und Richards 2008). Auch wenn es Arbeitsgruppen gibt, die eine Antibiotikaprophylaxe in den ersten Monaten nach Gelenkimplantation vorschlagen (Nawrath et al. 2009), sollte vor dem breiten Einsatz von Antibiotika in dieser Indikation auch mit Rücksicht auf forensische Überbewertung zunächst ein interdisziplinärer Konsens abgewartet werden; bis dahin ist die prophylaktische Antibiotikagabe bei Patienten mit Gelenkersatz nur bei zusätzlichen allgemeinmedizinischen Risikofaktoren indiziert. Prophylaxe bei einfachen enoralen Eingriffen: Es besteht Konsens, dass für die meisten zahnärztlichen Eingriffe bei gesunden Patienten keine PAP erforderlich ist (Al-Nawas 2002), z. B. im Rahmen der Endodontie (Mohammadi 2009) und in der einfachen dentoalveolären Chirurgie bei gesunden Patienten (Al-Nawas 2002). Kommt die PAP zum Einsatz, wird von den meisten Autoren Penicillin V oder Amoxicillin empfohlen. In Hinblick auf Gewebespiegel scheint Konsens zu bestehen, dass eine etwas höhere Dosierung zur Prophylaxe (z. B. 1–2 g Amoxillin oral als Einmalgabe) sinnvoll erscheint, und zwar vor dem Eingriff (Steinberg et al. 2009; Kap. 2.10.1). Es empfiehlt sich daher, bei der Planung ambulanter Eingriffe die Antibiotikaprophylaxe mit dem Patienten vorzubereiten. Die prolongierte postoperative Gabe hat bei einfachen invasiven Eingriffen keinen Einfluss auf die SSI-Rate. Immunsupprimierte Patienten (z. B. nach Radiatio oder Bisphosphonattherapie) können u. U. von einer prolongierten Prophylaxe über mehrere Tage profitieren (Grötz 2003). Im Gegensatz zur einfachen Zahnextraktion wird die PAP vor Weisheitszahnextraktion (kontaminiertes Gebiet Gr. III) auf der Basis von 12 Studien an über 2.000 Patienten empfohlen (Amland et al. 1995, Ren und Malmstrom 2007). Es bestätigte sich, dass die prolongierte Prophylaxe keinen zusätzlichen Effekt zeigte, wohl aber konnte der negative Effekt einer zu späten, ausschließlich postoperativen Gabe bestätigt werden. Bei Insertion enossaler Implantate (sauber-kontaminiertes Gebiet Gr. II) ergab eine Metaanalyse die Reduktion der Implantatverlustrate bei Anwendung der PAP um 1,9 % (Al-Nawas und Stein 2010). Um diesen Effekt zu erreichen, muss jedoch eine hohe Anzahl an Patienten die PAP erhalten (number needed to treat 53), daher kann eine generelle Empfehlung auch aus forensischen Gründen nicht gefordert werden. Prophylaxe in der komplexen MKG-Chirurgie: Bei den meist komplexen Operationen im (sauber-)kontaminierten Gebiet wird fast durchgängig die PAP empfohlen, z. B. zur Versorgung frakturierter Gesichtsknochen (Knepil und Loukota 2010) und für die Lappenchirurgie (Amland et al. 1995). Bei Unterkieferfrakturen wird nicht nur die Einmalgabe, sondern eine eintägige Gabe diskutiert (Andreasen et al. 2006); interessanterweise wird das durch Daten der kieferorthopädischen Chirurgie gestützt (Danda et al. 2010). Deutlich weniger Daten liegen für die Chirurgie der Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten vor; dennoch empfehlen die meisten Autoren auch hier zumindest die PAP (Smyth und Knepil 2008). Bei komplexen Operationen im sauberen Gebiet (Gr. I) wird eine 24-stündige Gabe empfohlen, z. B. für die Neck Dissection (Seven et al. 2004). Qualitätssicherung Gemäß IfSG § 23 sind Leiter von Einrichtungen für ambulantes Operieren verpflichtet, NI fortlaufend aufzuzeichnen und zu bewerten. Allerdings bezieht sich der Begriff ambulantes Operieren auf Operationen (§ 115 SGB V) und nicht auf invasive (zahnärztliche) Eingriffe. Grundsätzlich ist die Qualitätssicherung und Überwachung der eigenen Erfolgsraten zu fordern, die Überwachung ist für Eingriffe in der kontaminierten Mundhöhle jedoch nicht praktikabel. Zugleich müssen die Resistenzentwicklung von den Verschreibenden kritisch beobachtet und ein wissenschaftlich nicht gesicherter Antibiotikaeinsatz kritisch hinterfragt werden. In allen Empfehlungen stellen die Basispenicilline die zentrale Säule der in der Zahnmedizin verwendeten Substanzen dar.Antibiotikaprophylaxe:Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie\"\r\"AntibiotikaprophylaxeZahn 2.10.6 HNO-Heilkunde Horst Luckhaupt Die Verbreitung von Antibiotikaprophylaxe:Zahnmedizin\"\r\"AntibiotikaprophylaxeZahnMRE wird durch ungezielte Antibiotikagaben in Therapie und Prophylaxe gefördert; deswegen ist ihr zielgerichteter Einsatz auch in der HNO-Heilkunde unerlässlich. Ziel der PAP ist die Vermeidung von SSI, idealerweise ohne wesentliche Beeinträchtigung der Normalflora oder Induktion eines Selektionsdrucks mit der Gefahr der Ausbildung von Antibiotikaresistenzen (Peters 1987). Die PAP ist kein Ersatz für Hygienemaßnahmen zur Prävention von SSI! Gesicherte Indikationen im HNO-Bereich sind tumorchirurgische Eingriffe mit Eröffnung der Schleimhäute von Mundhöhle/Pharynx und/oder Larynx (Johnson et al. 1984, Liu et al. 2008) sowie Gesichtsfrakturen, insbesondere komplizierte Unterkieferfrakturen. Auch bei Anlage einer PEG-Sonde ist die PAP indiziert. Daneben gibt es akzeptierte Indikationen (Einbringen von Implantaten) wie die Kochlearimplantchirurgie. Für zahlreiche HNO-ärztliche Eingriffe der Ohr-, Nasen-, Nasennebenhöhlenchirurgie ist der Nutzen einer PAP noch ungeklärt! Galt eine > 24 Stunden liegende Nasentamponade als Indikation für eine u. U. mehrtägige (ungezielte) antibiotische „Prophylaxe“ (Therapie), zeigen neuere Arbeiten keinen Vorteil (Biswas und Mal 2009). Bei der PAP im HNO-Bereich ist das zu erwartende Spektrum möglicher bakterieller Infektionserreger zu berücksichtigen, insbesondere S. aureus, daneben auch Anaerobier, orale Streptokokken und Enterobacteriaceae. Beste und sicherste Applikationsart ist die i. v. Gabe des Antibiotikums zum Zeitpunkt der Narkoseeinleitung. Dauert ein tumorchirurgischer HNO-Eingriff länger als 3 Stunden, empfiehlt sich eine zweite intraoperative Antibiotikagabe. Die topische Antibiotikaapplikation ist aus infektiologischer Sicht im Rahmen der PAP abzulehnen. Für die PAP im Kopf-Hals-Bereich liegen gute Erfahrungen mit Cephalosporinen der 1. oder 2. Generation (z. B. Cefuroxim), ggf. in Kombination mit Metronidazol (Anaerobierwirksamkeit) vor (Luckhaupt 2007). Alternativen sind β-Lactamase-Inhibitoren wie Amoxicillin/Clavulansäure bzw. Ampicillin/Sulbactam. Bei Einhaltung aller hygienischen Maßnahmen stellt die streng indizierte PAP auch im HNO-Bereich eine wichtige Maßnahme zur Minderung der Resistenzentwicklung dar. 2.10.7 Gynäkologie und Geburtshilfe Franziska Thele und Marek Zygmunt Gynäkologie Harnweginfektionen und SSI gehören zu den häufigsten Ursachen von NI im gynäkologischen Bereich. Neben der Morbidität und seltenen Mortalität erhöhen sie Hospitalisationsdauer und Behandlungskosten. Sonderfälle bilden multimorbide bzw. abwehrgeschwächte Patienten (z. B. Tumorpatienten). Präoperative Infektionsprophylaxe In der Gynäkologie handelt es sich meist um elektive Eingriffe (Ausnahmen z. B. akuter Unterbauchschmerz, stielgedrehte Ovarialzyste, extrauterine Gravidität; Infektionsprophylaxe:präoperative, GynäkologieGeburtshilfe: eilige bzw. Notfallsectio). Neben ambulanter OP-Vorbereitung bzw. möglichst kurzer Krankenhausverweildauer sollten prätherapeutisch vorhandene Infektionen wie Atemwegs-, Harnwegsinfektionen oder Infektionen äußerer oder innerer Genitalorgane antibiotisch saniert werden. Ebenso wichtig sind die internistische Abklärung der Operabilität, die optimale Einstellung eines Diabetes mellitus, Stabilisierung von Herz-Kreislauf-Parametern oder Hämoglobin- bzw. Elektrolytausgleich. Andere Risikofaktoren wie Alter, organspezifische Komorbiditäten, Durchblutungsstörungen, Adipositas oder insbesondere ihre Kombinationen sind u. U. nicht präoperativ optimierbar. Bei vorhandenen und nicht abwendbaren Risikofaktoren sollten ggf. konservative Therapieoptionen (z. B. Bestrahlung von Tumoren, primäre Chemo- oder Antihormontherapie) bzw. eine möglichst kurze OP-Zeit mit Einschränkung der Radikalität der OP überdacht werden. Bei onkochirurgischen, häufig multiviszeralen Operationen (insbesondere Ovarialkarzinom, Darmbeteiligung) erfolgt präoperativ die vollständige Darmentleerung. Bei kleineren abdominalen Eingriffen ist die Säuberung des Enddarms ausreichend (Makroklistier). Vorhandene Piercings sind präoperativ zu entfernen. Clipping ist nur bei OP-technischer Notwendigkeit und, wenn überhaupt, unmittelbar präoperativ durchzuführen. Zur Verringerung von SSI gehört insbesondere bei vaginalen Eingriffen die gründliche Reinigung und Antiseptik der mikrobiell belasteten Anogenitalregion bzw. von Bauch- und Thoraxwand/Axillaregion bei abdominalen bzw. mammachirurgischen Eingriffen. Hierbei ist insbesondere auf die ausreichende Antiseptik von Umbilikalregion, Mamille und Submammar-/Axillarfalte zu achten. Intraoperative Infektionsprophylaxe Die Antibiotikaprophylaxe beinhaltet folgende Indikationen und Möglichkeiten: • Sie ist nicht notwendig bei kleinen Eingriffen (z. B. fraktionierte Abrasio, Kürettage, Marsupialisation, Konisation, diagnostische und operative Hystero- oder Laparoskopie). • I. v. PAP (single shot) bei vaginalen und abdominalen Eingriffen, Mammachirurgie; Kaiserschnitt. • Peri- und postoperativ bei plastischen Eingriffen der Vagina (Inkontinenz-OP mit vorderer und/oder hinterer Plastik) oder Mamma (Reduktionsplastik, Implantateinlage, TRAM oder Latissimus-dorsi-Flap) bzw. tumorchirurgischen abdominalen Eingriffen mit Eröffnung von Harnblase oder Darm. Traumatische OP-Techniken bzw. großflächige Elektroinzisionen (z. B. Mammachirurgie) schaffen große Wundflächen mit Nekrosen, die Infektionsprophylaxe:intraoperative, GynäkologieWundheilungsstörungen, Serombildungen und Infektionen begünstigen. Bei Operationen der Bauchregion erfolgt zur Prophylaxe von Harnblasenverletzungen ein Einmalkatheterismus nach 3-maliger Antiseptik des Ostium urethrae externum (z. B. vor diagnostischer Laparoskopie, Hysteroskopie mit fraktionierter Abrasio, Kürettage, Konisation). Bei zeitlich ausgedehnten Operationen (z. B. operative Laparoskopie, Hysterektomie, Karzinom-OP) wird ein transurethraler Katheter gelegt. Dieser kann mit Ausnahme von Karzinom- oder vaginalen Operationen mit Plastiken direkt postoperativ entfernt werden. Studien belegen gegenüber transurethralen Dauerkathetern den Vorteil der suprapubischen Harnableitung in Bezug auf Harnwegsinfektion und Katheterliege-/Hospitalisationsdauer (McPhail et al. 2006). Die Anlage soll nach Abklärung der Vor- und Nachteile der Harnableitung erfolgen. Zur Antibiotikaprophylaxe bei bedingt kontaminierten bzw. kontaminierten Operationen eignen sich Breitbandpenicilline (z. B. Ampicillin mit β-Lactamase-Hemmer) oder Cephalosporine der 2. Generation. Bei zu erwartendem anaerobem Erregerspektrum sollte eine Kombination mit Metronidazol erfolgen (AWMF-Leitlinien-Register 029/022). Bei Penicillinallergie kann z. B. Clindamycin verwendet werden. Postoperative Infektionsprophylaxe Kurze Hospitalisationsdauer, möglichst kurze Anwendung von i. v. Zugängen, Peridural-, Urinkathetern oder Wunddrainagen verringern das nosokomiale Infektionsrisiko. Infektionsprophylaxe:postoperative, GynäkologieWunddrainagen sollen nur bei klarer Indikation und so kurzzeitig wie möglich über eine separate Inzision gelegt werden. Nach Mamma-OP wird eine Drainage nach < 30 ml Serommenge/24 h entfernt. Bei abdominellen onkochirurgischen Eingriffen mit Lymphknotenentfernung werden die Drainagen bei < 100 ml Fördermenge/24 h entfernt. Bei postoperativer Wundpflege oder Versorgung sekundärer Wundheilungsstörungen oder Infektionen ist auf Asepsis zu achten. Wichtig ist bei SSI die erregerspezifische Therapie (Wundabstrich, Resistogramm). Bei MRSA-positiven Patientinnen ist bis zum Nachweis eines 3-maligen MRSA-negativen Kontrollabstrichs Isolierung notwendig bzw. Entlassung in die Häuslichkeit. Zum Infektionsschutz immunsupprimierter onkologischer Patienten erfolgt bei Leukopenie < 1.000 Leukozyten/μl die protektive Isolierung. Bei zusätzlichem Fieber ≥ 38,0 °C oder Erkrankungsverdacht sollte eine Fokussuche (Röntgen-Thorax, Urindiagnostik, Blutkultur sowie bei Port-System eine Umstellung auf periphervenösen Zugang) und Antibiose erfolgen. Bei Bestätigung einer Port-Infektion muss dieser entfernt werden. Geburtshilfe Kreißsaal: Die normale Geburt ist ein natürlicher Vorgang mit normalen Anforderungen an die Asepsis. Eine Antiseptik der Scheide ist bei intakter Fruchtblase vor der Geburt bei vaginalen Untersuchungen nicht erforderlich. Bei vorzeitigem Blasensprung ≥ 18 Stunden vor Geburt, Fieber ≥ 38,0 °C oder Zeichen eines Amnioninfektionssyndroms erfolgt eine Antibiose mit z. B. Ampicillin zur Vermeidung einer aszendierenden Infektion (AWMF-Leitlinien-Register 015/029). Spezielle Infektionen Bei präpartal nachgewiesener vaginaler β-Streptokokken-Infektion (Streptokokken der Gruppe B, GBS) sollte prophylaktisch 4-stündlich ab Geburtsbeginn Penicillin:Antibiotikaprophylaxe, GeburtshilfePenicillin i. v. verabreicht werden, bei Penicillinallergie z. B. Clindamycin. Die Infektion des Neugeborenen kann eine schwere Allgemeininfektion mit Lungenentzündung und Schocksymptomatik bzw. Neugeborenensepsis zur Folge haben, wobei mit neurologischen Langzeitschäden und einer Letalität von 4 % zu rechnen ist. Ein GBS-Screening ist daher in der Schwangerschaft empfehlenswert (AWMF-Leitlinien-Register 024/020). Bei HIV-1-Infektion der werdenden Mutter HIV-Infektion:Geburtshilfebeträgt die Transmissionsrate bis zu 40 %. Das Risiko kann durch Senkung der Viruslast durch antiretrovirale Medikation, ggf. primäre Sectio, antiretrovirale PEP des Neugeborenen (oral Zidovudin bis zu 6 Wochen) und Stillverzicht auf < 2 % gesenkt werden. Ein HIV-Such- und ggf. HIV-Bestätigungstest sollten daher jeder Schwangeren empfohlen werden (AWMF-Leitlinien-Register 055/002). Die Übertragung von HBV einer akut oder chronisch Schwangerschaft, Suchtestsinfizierten Schwangeren erfolgt, abhängig von der Höhe der Viruslast, im letzten Schwangerschaftsdrittel (5–12 %) bzw. während der Geburt (80 %) bzw. während des Stillens (5 %). Die kindliche Infektion mündet oft in asymptomatischem Verlauf, HBV-Trägerstatus oder Chronifizierung (bis 90 %); 25 % der Kinder sterben an den Folgen (Leberzirrhose/hepatozelluläres Karzinom; Lam et al. 2010). HBs-Antigen- (Mutterschaftsrichtlinien) bzw. Antikörperbestimmung und weitere Antigensuche im letzten Schwangerschaftsdrittel ermöglichen die Planung der primären Sectio, eine frühzeitige aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen und ein Stillen (Senkung des Infektionsrisikos um 95 % bei Impfung innerhalb von 12 Stunden post partum). Die Mutter-Kind-Transmissionsrate von HCV (Prävalenz < 1 %) ist gering (1–6 %) und durch Sectio oder Abstillen nicht weiter absenkbar (AWMF-Leitlinien-Register 021/012). Ein Screening bei Abwesenheit von Koinfektionen oder Risikofaktoren wird in der Schwangerschaft wegen fehlender suffizienter medikamentöser Therapie nicht empfohlen. Präpartal Gesicherte Risikofaktoren für Frühgeburten Antibiotikaprophylaxe:präpartaleund Spätaborte sind bakterielle Vaginose, aszendierende oder maternale Infektionen (Leitich und Kiss 2007). Die Scheidensanierung (pH > 4 und Ausschluss eines vorzeitigen Blasensprungs mittels Amnicheck) bzw. Infektionsvorsorge (Mutterpass) sind in der Schwangerschaft obligat (Mutterschaftsrichtlinien 2008). Screeninguntersuchungen in der Schwangerschaft beinhalten Röteln, Lues und HBsAg. Empfohlen sind weiterhin Screenings auf Toxoplasmose, Chlamydien, B-Streptokokken, CMV und HIV. Als Erreger von Infektionen in der Schwangerschaft gelten HSV 1 und 2, VZV, CMV, HIV, HBV und HCC, HPV, Parvovirus B19, Streptokokken B und A, Listerien, Sprosspilze, Trichomonaden, N. gonorrhoeae, Chlamydien sowie Erreger der bakteriellen Vaginose. Auch eine Harnwegsinfektion sollte antibiotisch saniert werden. Bei Verdacht auf eine unspezifische infektionsbedingte Symptomatik (Polyhydramnion, Wachstumsretardierung, Embryo-/Fetopathie) sollte eine TORCH-Serologie (Toxoplasmose; andere: Hepatitis, HIV, Syphilis, Lues, Listerien, Varizellen; Röteln; Zytomegalie; Herpes simplex) mit Sanierung durchgeführt werden. Eine vorzeitige Wehentätigkeit mit Zervixinsuffizienz und drohender Frühgeburt kann u. U. eine langfristige Antibiotikatherapie erforderlich machen. Nach Ausschluss von Kontraindikationen (Infektion, nicht überlebensfähiger Fetus), kann zwischen der 24. und der 32. Schwangerschaftswoche zusätzlich eine Tokolyse indiziert sein, um eine Lungenreifeinduktion mit Betamethason (2 × 12 mg) zur perinatalen Morbiditäts- und Mortalitätsreduktion (Crowley 2000) durchzuführen. Eine Dauertokolyse über 48 Stunden hinaus ist in der klinischen Routine nicht angezeigt. Maßnahmen wie Langzeittokolyse, Zerklage oder Progesteron beseitigen nicht die Ursache einer vorzeitigen Wehentätigkeit. Bakterielle Erkrankungen der Mutter präpartal (Leukozytose, CRP Anstieg, Fieber, maternale oder fetale Tachykardie), Amnioninfektionssyndrom, Blasensprung > 24 h, grünes Fruchtwasser fordern ggf. ein rasches Entbinden. Das mütterliche Infektionsrisiko bei Amnioninfektionssyndrom ist, verglichen mit dem kindlichem, gering und sinkt nach der Entbindung. Postpartal/Wochenstation NI in der Geburtshilfe stellen in absteigender Reihenfolge Harnwegsinfektionen, Endometritis (S. aureus, Anaerobier, Enterobakterien), SSI (Sectionarbe, Episiotomie) und Mastitis puerpuralis (S. aureus aus Nasopharynx des Neugeborenen) dar. Diese sollten antibiotisch therapiert werden. Ein Abstillen ist auch bei Mastitis puerpuralis bzw. Mammaabszess nicht notwendig. Im seltenen Fall einer Puerperalsepsis (meist A-Streptokokken; Antibiotikaprophylaxe:postpartalelebensbedrohliche Situation) sind die rasche Indikationsstellung zur Antibiose und ggf. Hysterektomie einschließlich Ausschluss mittels Lochialabstrich indiziert. Infektionen des Neugeborenen: Ursachen stellen insbesondere bakterielle Erkrankungen der Mutter präpartal, Blasensprung > 24 Stunden, grünes Fruchtwasser, Frühgeburtlichkeit, intrauterine Mangelernährung, Neugeboreneninfektionenverlängerte/erschwerte Geburt, Schock, Hypoxie oder Hypothermie dar. Fetale Asphyxie, langandauernde Intubation bei Unreife und Atemnotsyndrom, Luftbefeuchter, Blasenkatheter, Pneumothoraxdrainage, Venen-, Arterienkatheter stellen kindliche Risikofaktoren für Infektionen dar. Frühgeborene, Hypotrophie, Abwehrschwäche, Infektionen oder Hirnblutungen (durch Hypoxie) sind weitere erhebliche Risikofaktoren. 2.10.8 Transrektale Prostatabiopsie Florian M. E. Wagenlehner, Wolfgang Weidner und Kurt G. Naber Die transrektale ultraschallgesteuerte Prostatabiopsie (TRUSPB) ist ein wichtiges Element bei der Diagnose des Prostatakarzinoms und wird deshalb sehr häufig durchgeführt (Aus et al. 2005). Vorübergehende Nebenwirkungen wie örtlicher Schmerz, Hämaturie, Hämospermie, Dysurie und rektale Blutung werden häufig berichtet (Crundwell et al. 1999, Djavan et al. 2001, Periti et al. 1987). Eine Bakteriurie findet sich bei 20–53 %, eine Bakteriämie bei bis zu 73 % der Patienten (Lindert et al. 2000, Thompson et al. 1980). Fieber in Verbindung mit urogenitalen Symptomen werden bei 3–10 % und postinterventionelle Sepsis bei < 5 % der Patienten beschrieben (Crawford et al. 1982, Enlund und Varenhorst 1997, Lindert et al. 2000, Thompson et al 1980). Perioperative Antibiotikaprophylaxe Durch PAP kann die Inzidenz postinterventioneller infektiöser Komplikationen nach TRUSPB verringert werden (Aron et al. 2000, Aus et al. 1996, Crawford et al. 1982, Isen et al. 1999, Kapoor et al. 1998), weshalb sie als Standard angesehen werden kann, sofern bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Zeitpunkt, Dauer und Applikationsform der PAP sind jedoch umstritten (Taylor und Bingham 1997). In den meisten Studien wurde eine 3-tägige Prophylaxe angewendet (Webb und Woo 2002). In einer kanadischen Studie ergaben sich aber keine Unterschiede zwischen 1- und 3-tägiger Gabe eines Fluorchinolons (Sabbagh et al. 2004). Obwohl generell die Gabe eines oralen Antibiotikums 1–2 Stunden vor dem Eingriff empfohlen wird, um adäquate Gewebekonzentrationen zum Zeitpunkt des Eingriffs zu erzielen (Bergamini und Polk 1989), gibt es dazu bei urologischen Eingriffen nur wenige Studien. In einer schwedischen Studie (Lindstedt et al. 2006) mit 1.322 Prostatabiopsien war die orale Einmalgabe von hoch dosiertem Ciprofloxacin (750 mg) innerhalb von 2 Stunden vor dem Eingriff effektiv, die postinterventionelle Infektionsrate lag bei nur etwa 1 %. Mit dieser Dosierung können ausreichend hohe Urin- und Prostatagewebekonzentrationen bis zu 48 Stunden aufrechterhalten werden (Naber 1989, Naber et al. 1987, Wagenlehner und Naber 2003). Allerdings muss beachtet werden, dass für die präoperative Einmalgabe nur Männer infrage kommen, bei denen präoperative Harnwegsinfektionen (HWI) inklusive asymptomatischer Bakteriurien ausgeschlossen wurden und ferner keine der folgenden Risikofaktoren vorliegen: Dauerkatheter wegen Harnverhalt, rezidivierende HWI, Prostatitis oder andere fieberhafte Genitalinfektion in der Anamnese und Immunsuppression. Zum Ausschluss einer HWI/Bakteriurie sollte am besten innerhalb einer Woche vor dem Eingriff eine Urinkultur durchgeführt werden. Als Surrogatparameter kann nach schwedischen Erfahrungen alternativ auch ein Urinstatus mit negativer Leukozytenesterase und negativem Nitrittest angesehen werden. Dabei übersieht man aber in etwa 1 % der Fälle eine Bakteriurie. Bei diesem Vorgehen wurde eine vorübergehende Hämaturie bei 46 % und eine Dysurie bei 15 % der Männer beobachtet. Nur 12 (0,9 %) der Patienten entwickelten eine fieberhafte urogenitale Infektion; davon mussten 5 wegen schwerer Infektion hospitalisiert werden. Die Sepsisrate wurde mit 0,17 % angegeben. Bei den 12 Patienten, bei denen entweder eine Bakteriurie übersehen wurde oder sich trotz eines negativen Urinstatus eine Bakteriurie fand, entwickelte sich bei 5 eine postinterventionelle symptomatische HWI, davon in 3 Fällen mit Sepsis. Diese Rate ist deutlich höher als bei Patienten mit sterilem Urin, weshalb auch die asymptomatische Bakteriurie als Risikofaktor angesehen werden muss. Die Infektionsrate lag in etwa gleicher Größenordnung wie bei transurethraler Resektion der Prostata (TURP) bei Patienten mit Bakteriurie (Grabe und Hellsten 1989). Allerdings hätten von den 12 Patienten bereits 8 aufgrund von Risikofaktoren (s. o.) von der Antibiotika-Einmalgabe ausgeschlossen bzw. sorgfätiger diagnostiziert und ggf. therapiert werden müssen. Die Studie zeigt an einem großen Patientenkollektiv, dass eine perioperative Antibiotika-Einmalgabe auch bei der TRUSPB ausreichend ist, wenn zuvor eine Bakteriurie durch Urinkultur oder zumindest durch negativen Urinstatus weitgehend ausgeschlossen werden kann und keiner der genannten Risikofaktoren vorliegt. Mit diesem Vorgehen kann die postinterventionelle Infektionsrate auf etwa 1 % gesenkt werden, was im Literaturvergleich niedrig ist (Aron et al. 2000, Aus et al. 1996, Crawford et al. 1982, Djavan et al. 2001, Enlund und Varenhorst 1997, Isen et al. 1999, Kapoor et al. 1998, Raaijmakers et al. 2002). Auf die zusätzliche Gabe eines anaerobierwirksamen Antibiotikums wurde in der Studie bewusst verzichtet, obwohl in sehr seltenen Fällen auch eine postinterventionelle Infektion mit Anaerobiern beschrieben wurde (Miura et al. 2008). Die Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs kann auch bei der PAP einen Beitrag zur Reduzierung der Erregerresistenzentwicklung leisten (Goosens et al. 2005). Antibiotikaauswahl Die Antibiotikaauswahl ist nicht mehr so leicht, da auch in Deutschland eine zunehmende Resistenzentwicklung gramnegativer Erreger gegen Fluorchinolone zu beobachten ist (Kresken et al. 2009). Es häufen sich Berichte über Patienten, die nach Prophylaxe mit einem Fluorchinolon eine schwere postinterventionelle Fluorchinolone, ProstatabiopsieInfektion bis hin zur Sepsis mit einem fluorchinolonresistenten Erreger, meist E. coli, erlitten (Feliciano et al. 2008, Miura et al. 2008, Shigehara et al. 2008, Tal et al. 2003, Young et al. 2009). Da die Prostatabiopsie i. d. R. transrektal erfolgt, genügt es nicht, durch eine Urinkultur fluorchinolonresistente Erreger auszuschließen. Es müssten solche Erreger auch in der Fäkalflora ausgeschlossen werden. Dieser labortechnische Aufwand wird allerdings bisher nur selten praktiziert. Bereits die Einmalgabe eines Fluorchinolons kann die Rate fluorchinolonresistenter E. coli in der Fäkalflora deutlich erhöhen (Wagenlehner et al. 2000). Aus diesem Grund muss bei der Entscheidung für ein Fluorchinolon – das gilt für andere Antibiotika entsprechend – zuvor eine gründliche Medikamentenanamnese erfolgen. Schließlich ergibt sich die Frage, bei welcher Resistenzrate von uropathogenen Urin- und Fäkalerregern Fluorchinolone nicht mehr routinemäßig zur PAP bei TRUSPB angewendet werden sollten. Uns scheint hierbei eine Grenze von 10 % nicht zu niedrig, da eine schwere Infektion nach diagnostischem Eingriff unter allen Umständen vermieden werden sollte. Leider sind alternative Antibiotikaregime bisher nicht gut untersucht worden. Früher galt Trimethoprim mit oder ohne ein Sulfonamid als Standardantibiotikum nicht nur für die Therapie, sondern auch für die Prophylaxe von HWI. Eine Prophylaxestudie bei der TURP zeigte ähnlich gute Ergebnisse wie mit Levofloxacin (Wagenlehner et al. 2005). Heute finden sich aber bereits über 20 % resistente E. coli schon bei der unkomplizierten Zystitis (Naber et al. 2008), sodass auch mit einer entsprechend hohen Resistenzrate in der Fäkalflora gerechnet werden muss. Infrage kämen z. B. Cephalosporine der 3. Generation, z. B. Ceftriaxon 1–2 g, oder Piperacillin in Kombination mit Tazobactam 2,5–4,5 g, wobei allerdings parallel zu einer Fluorchinolonresistenz häufig auch mit einer ESBL-Resistenz zu rechnen ist (Ozden et al. 2009). Orale Cephalosporine, z. B. Ceftibuten, oder orale Aminopenicilline in Kombination mit einem β-Lactamase-Hemmer sind zwar denkbar, dazu fehlen aber aussagefähige Studien. Die Einmalgabe eines Aminoglykosids, z. B. Amikazin, wurde ebenfalls bisher nicht an einem ausreichend großen Patientenkollektiv untersucht. Möglicherweise käme die orale Form des Fosfomycins Trometamol (FT) infrage, da keine Parallelresistenz gegen Fosfomycin und Fluorchinolonen bzw. ESBL-produzierenden Erregern besteht (Akyar 2008). FT wurde zur Prophylaxe bei der TURP angewendet (di Silverio et al. 1990, Periti et al. 1987). Entsprechende Studien, die den heutigen Anforderungen entsprechen, sollten bei TRUSPB durgechführt werden, Therapie von Infektionen trotz Antibiotikaprophylaxe Falls trotz Antibiotikaprophylaxe eine schwere Infektion auftritt, was nie vollständig zu vermeiden ist, muss in etwa 50 % der Fälle (Feliciano et al. 2008) mit einem gegen das zur Prophylaxe verwendete Antibiotikum resistenten Erregern gerechnet werden. Deshalb sollte in jedem Fall vor Einleitung der empirischen Therapie zumindest eine Urin- und bei Sepsis auch eine Blutkultur angelegt werden und ein Antibiotikum einer anderen Klasse zur Anwendung kommen. So käme nach einer Fluorchinolonprophylaxe unter Kenntnis der lokalen Resistenzsituation möglicherweise ein Cephalosporin der 3. Generation oder Amikazin evtl. in Kombination mit einem anaerobierwirksamen Antibiotikum oder Piperazillin/Tazobactam infrage. Besteht aufgrund der Anamnese oder der örtlichen Situation der Verdacht auf ESBL-produzierende Erreger, sollte bei Sepsis oder akuter Prostatitis sofort ein Carbapenem zur Anwendung kommen. 2.10.9 Gastroenterologie Jörg Ringel und Markus M. Lerch Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe in der Gastroenterologie beziehen sich im Wesentlichen auf endoskopische Engriffe. Dabei steht nicht mehr nur die Endokarditisprophylaxe im Vordergrund, sondern es sollen insgesamt interventionsspezifische Infektionsrisiken minimiert werden. Daneben gibt es Leitlinien bzw. Studiendaten, die eine Antibiotikaprophylaxe bei Leberzirrhosepatienten und bei Patienten mit Pankreaspseudozysten in bestimmten Situationen und vor bestimmten Eingriffen empfehlen. Antibiotikaprophylaxe bei endoskopischen Eingriffen Es besteht keine generelle Indikation zur Endokarditisprophylaxe vor endoskopischen Eingiffen. Bei spezifischen Patientengruppen mit besonderem Risiko für eine Endokarditis ist im Rahmen unterschiedlicher endoskopischer Prozeduren eine Antibiotikaprophylaxe indiziert (Tab. 2.28 ). Tab. 2.28 Empfohlene Antibiotikaprophylaxe bei endoskopischen Prozeduren Endoskopische Prozedur Antibiotikum Applikation ERCP • Bestehende Cholangitis oder Sepsis Prinzipiell laufende Antibiose bzw. nach Antibiogramm i. v. • Komplette biliäre Drainage nicht erreichbar (z. B. PSC, nicht entfernbares Konkrement, Karzinom im Leberhilus) z. B. Ciprofloxacin 750 mg oral 60–90 min vor Intervention • Pankreasgangkommunizierende Pankreas(pseudo)-zysten s. o. Fortführung der oralen Ciprofloxacin-Gabe für 3–5 d empfohlen • Lebertransplantation s. o. + Amoxicillin oder Vancomycin s. o. 1 g i. v. 20 mg/kg i. v. über mindestens 1 h EUS • mit Feinnadelpunktion oder Drainage einer zystischen Pankreasläsion z. B. CiprofloxacinoderBreitbandpenicillin und β-Lactamase-Inhibitor s. o. oder 1,2 g für 3–5 d PEG-Anlage Breitbandpenicillin und β-Lactamase-Inhibitor oder Cefuroxim i. v. unmittelbar vor der Intervention (nach Allison et al. 2009). Die prophylaktische Antibiotikagabe bei endoskopischen Eingriffen wird seit Jahren kontrovers diskutiert, insbesondere die Indikationsstellung Antibiotikaprophylaxe:Eingriffe, endokopischezur Endokarditisprophylaxe wurde aufgrund der mangelnden Datenlage deutlich eingeschränkt. Gemäß internationalen Leitlinien und nationalen Empfehlungen ist eine grundsätzliche Endokarditisprophylaxe bei erhöhtem Endokarditisrisiko im Rahmen diagnostischer oder therapeutischer Endoskopien nach derzeitiger Evidenz nicht indiziert (Evidenzgrad III; Empfehlungsgrad B; Allison et al. 2009, Rosien 2009). Hochrisikopatienten, die in der Vergangenheit eine Antibiotikaprophylaxe gut vertragen haben, sollten über die neuen Empfehlungen informiert werden und können in Absprache mit dem behandelnden Arzt weiterhin eine Prophylaxe erhalten (Rosien 2009). Unabhängig von der Endokarditisprävention gibt es für einzelne endoskopische Untersuchungsprozeduren in den Leitlinien Empfehlungen zur prophylaktischen Antibiotikagabe (Tab. 2.28). Das betrifft im Rahmen einer endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikoskopie (ERCP) Patienten mit Cholangitis, Patienten, bei denen keine vollständige biliäre Drainage erreichbar ist (z. B. bei primärer sklerosierender Cholangitis oder Gallenwegsneoplasie), bei Z. n. Lebertransplantation oder bei mit dem Gangsystem kommunizierenden Pankreas- oder Pseudozysten (Allison et al. 2009, Rosien 2009). Bei schwerer Neutropenie (< 0,5 × 109/l) und/oder fortgeschrittenen hämatologischen Neoplasien wird bei Untersuchungen mit erhöhtem Bakteriämierisiko wie z. B. Dilatationsbehandlung und Sklerosierung eine Antibiotikagabe empfohlen (Allison et al. 2009). Bei endosonographischer Feinnadelpunktion oder Drainage zystischer Pankreasveränderungen soll ebenfalls eine Antibiose erfolgen (ASGE Guideline 2005, Allison et al. 2009, Rosien 2009). Trotz teilweise widersprüchlicher Daten empfehlen die internationalen Leitlinien die antibiotische Einmalgabe vor der Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) unabhängig von der Methode (Fadendurchzugmethode oder Direktpunktion; Allison et al. 2009, Rosien 2009). Antibiotikaprophylaxe bei Lebererkrankungen Bei Leberzirrhosepatienten mit überwundener spontaner bakterieller Peritonitis (SBP) oder mit akuter gastrointestinaler Blutung besteht die Indikation zur Antibiotikaprophylaxe (Tab. 2.28). Bakterielle Infektionen treten gehäuft bei Patienten mit Antibiotikaprophylaxe:LebererkrankungenLeberzirrhose auf. Sie können zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der kardiopulmonalen, hepatischen und renalen Funktion führen. Die SBP stellt eine dieser schwerwiegenden Komplikationen dar und ist mit deutlich erhöhter Mortalität assoziiert (Terg et al. 2008, Alaniz und Regal 2009, Chavez-Tapia et al. 2009). Untersuchungen bei Krankenhauspatienten mit Leberzirrhose ergaben Prävalenzen der SBP zwischen 10 und 30 %. Häufige Erreger stellen Enterobacter, E. coli und Klebsiellen dar. In den letzten Jahren wird eine Zunahme von Infektionen durch ESBL bildende E. coli und Klebsiellen beobachtet (Terg et al. 2008). Unter konsequenter Diagnostik und sofortiger antibiotischer Therapie konnte die Mortalität in den letzten 20 Jahren von etwa 80 % auf 50–30 % gesenkt werden. Dennoch liegt das Risiko eines Rezidivs bei etwa 70 % innerhalb des ersten Jahres nach erfolgreicher Behandlung der SBP (Alaniz und Regal 2009, Chavez-Tapia et al. 2009). Deshalb wird eine prophylaktische Antibiotikagabe mit Norfloxacin 400 mg/d empfohlen. Diese soll bis zur vollständigen Aszitesrückbildung, bis zu einer Lebertransplantation bzw. – wenn keines der beiden Ziele erreicht wird – lebenslang durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang haben Studien eine zunehmende Resistenzentwicklung nachgewiesen. Um dieses Risiko zu minimieren, erfolgen teilweise rotierende Antibiotikagaben. Eine nur einmal wöchentliche Gabe hat sich als insuffizient herausgestellt (Alaniz und Regal 2009). Eine erniedrigte Aszitesproteinkonzentration (< 1,5 g/dl) wurde als Risikofaktor für eine SBP ermittelt. Deshalb untersuchten Terg et al. (2008) die prophylaktische Gabe von Ciprofloxacin 500 mg/d bei Patienten mit erniedrigter Aszitesproteinkonzentration, was zu einer geringeren Infektionsrate und einer niedrigeren 12-Monats-Mortalität führte (Terg et al. 2008, Alaniz und Regal 2009). Dennoch wird derzeit nicht generell eine Prophylaxe empfohlen. Patienten mit Leberzirrhose, die aufgrund einer gastrointestinalen Blutung stationär aufgenommen werden, stellen eine weitere Gruppe für eine prophylaktische Antibiose dar. Studien haben eine bis 45 % erhöhte Infektionsinzidenz sowie ein deutlich erhöhtes Rezidivblutungsrisiko gezeigt. Deshalb ist die sofortige Antibiose (noch vor der endoskopischen Diagnostik) mit einem Chinolon oder einem Cephalosporin der 3. Generation für 7 Tage indiziert (Alaniz und Regal 2009, Allison et al. 2009, Rosien 2009). 2.10.10 Hämatologie/Onkologie William Krüger und Gottfried Dölken Hämatologisch-onkologische Patienten können eine erhöhte bis extreme Anfälligkeit für Infektionen haben, verursacht durch die Erkrankung selbst und/oder als Nebenwirkung der antineoplastischen Therapie (Tab. 2.29 ). Tab. 2.29 Wichtige Ursachen für eine erhöhte Infektionsanfälligkeit bei hämatologisch-onkologischen Patienten.Infektionsanfälligkeit:hämatologisch-onkologische Patienten Target Erkrankungsbedingt Therapieassoziiert Granulozyten MDS, akute Leukämien, Knochenmarkinfiltration bei soliden oder hämatologischen Malignomen, schwere aplastische Anämie Zytostatische Behandlung, Bestrahlung Humorale Immunität(B-Lymphozyten) Multiples Myelom, CLL Rituximab-Behandlung, nach allogener Stammzelltransplantation, Graft-versus-Host-Erkrankung Zelluläre Immunität(T-Lymphozyten) Hodgkin-Lymphom, AIDS Mab-Campath-Behandlung,nach allogener Stammzelltransplantation, Graft-versus-Host-Erkrankung Der wichtigste Risikofaktor für die Akquisition bakterieller und mykotischer Infektionen bei hämatologisch-onkologischen Patienten ist die chemotherapieassoziierte Neutropenie (Granulozytopenie). Liegt eine absolute Neutrophilenzahl von < 500/μl oder von < 1.000/μl mit innerhalb von 2 Tagen zu erwartendem Abfall < 500/μl vor, kann anhand der zu erwartenden Dauer der Neutropenie eine Risikoklassifikation vorgenommen werden (Tab. 2.30 ). Tab. 2.30 Risikozuordnung der Patienten nach erwarteter Neutropeniedauer.Neutropeniedauer, Infektionsrisiko Risikoklasse Neutropeniedauer (d) Niedrig ≤ 5 Mittel 6–9 Hoch ≥ 10 Die Gefahr von Infektionen ist noch höher, wenn praktisch keine Zellen (Granulozyten < 100/μl) mehr nachweisbar sind (Hughes et al. 2002). Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist der Zusammenbruch physischer Barrieren, z. B. bei therapieassoziierter Mukositis des Gastrointestinaltrakts. Bei den bakteriellen Infektionen neutropenischer Patienten stehen endogene Erreger aus dem Gastrointestinaltrakt vor Mikroorganismen anderer Schleimhäute und der Haut im Vordergrund. Auf Infektionen mit Hospitalerregern wird in diesem Abschnitt nicht eingegangen. Wirkstoffe: Die früher verbreitete orale Gabe nicht resorbierbarer Antibiotika wie Aminoglykoside ist obsolet. Standard ist die Gabe systemisch wirksamer Chinolonprärarate (Ciprofloxacin, Levofloxacin); alternativ kann Trimethoprim-Sulfmethoxazol (TMP-SMZ) eingesetzt werden. Es existieren umfangreiche Untersuchungen und Leitlinien zur antibiotischen Prophylaxe bei neutropenischen Patienten. Gafter-Gvili et al. (2005) publizierten eine Metaanalyse von 95 randomisierten Studien über den Wert prophylaktischer Chinolongabe, verglichen mit Placebo bei afebriler Neutropenie. Die Chinolongabe führte zur signifikanten Reduktion der Gesamtmortalität, der infektionsassoziierten Mortalität, der Inzidenz von Fieber sowie von klinisch und mikrobiell dokumentierten Infektionen. Die prophylaktische Antibiotikagabe ist mit einem nicht signifikant erhöhten Auftreten von Nebenwirkungen und dem Nachweis resistenter Bakterien assoziiert. Bucaneve et al. sowie Cullen et al. publizierten ebenfalls 2005 zwei große randomisierte Studien über den Nutzen der Levofloxacinprophylaxe bei therapieinduzierter Neutropenie. Bucaneve et al. (2005) gaben bei stationären Patienten Levofloxacin von Beginn der Chemotherapie bis zur hämatologischen Regeneration. Cullen et al. (2005) führten eine einwöchige Prophylaxe bei Patienten während der Neutropenie bei ambulanter onkologischer Behandlung durch. Beide Arbeitsgruppen fanden eine signifikante Reduktion der Fieberinzidenz. Eine Reduktion der infektionsassoziierten Mortalität fand sich nicht, allerdings waren die Letalität insgesamt gering und die Sterblichkeit kein Studienendpunkt. Potenzielle Gefahr jeder antibiotischen Prophylaxe ist die Entwicklung bakterieller Resistenzen mit nachfolgender Infektion mit dem entsprechenden Erreger. Hierzu zeigten Gafter-Gvili et al. (2007) in einer weiteren Metaanalyse, dass diese Gefahr bei der Fluorochinolonprophylaxe nicht besteht. Cullen et al. (2007) versuchten in einer Folgearbeit, bei Patienten mit zu erwartender Grad-IV-Neutropenie Subgruppen zu identifizieren, die besonders von der Prophylaxe profitieren. Die Effektivität der Prophylaxe war unabhängig vom Alter der Patienten, vom Performance-Status und vom Tumortyp. Patienten, die bereits im ersten Zyklus Fieber entwickelten, hatten auch in den Folgezyklen ein hohes Fieberrisiko. Durchführung: Gegenwärtig gibt es keinen vollständigen internationalen Konsensus zum Einsatz von Antibiotika zur Prophylaxe bakterieller Infektionen bei Patienten Antibiotikaprophylaxe:Durchführung, Hämatologie/Onkologiemit chemotherapiebedingter Neutropenie. Die publizierten Leitlinien sind älter als die o. g. Studien und Metaanalysen. Die AG Infektionen in der Hämatologie und Onkologie (AGIHO) empfiehlt bei Hochrisikopatienten (Tab. 2.30) und bei Patienten unter allogener Stammzelltransplantation die Gabe von Chinolonen (Tab. 2.31 ; Kern et al. 2000, Krüger et al. 2005). Alternativ kann bei Unverträglichkeit oder bei Kindern TMP-SMZ gegeben werden, die Chinolonprophylaxe ist aber überlegen (Cruciani et al. 1996. Engels et al. 1998). Tab. 2.31 Medikamente und Indikationen für eine antibiotische Prophylaxe bei Neutropenie. Cave: Die TMP-SMZ-Dosierung unterscheidet sich vom Schema zur PcP-Prophylaxe nach Stammzelltransplantation (Krüger et al. 1998) Wirkstoff Dosierung Standardrisiko Autologe SZT Hochrisiko Allogene SZT Levofloxacin 500 mg – ? + + Ciprofloxacin 2 × 500 mg – ? + + TMP-SMZ+ Colistin 2 × 960 mg3. bis 4 × 2 Mio. IE – - + – –: Gabe nicht empfohlen, +: Gabe empfohlen, ?: Gabe möglich, nach Leitilinien nicht generell empfohlen. Die Ergänzung der Chinolonprophylaxe mit Präparaten, die im grampositiven Bereich effektiv sind, wird nicht empfohlen. Die IDSA-Guideline von 2002 spricht eine ähnliche, aber zurückhaltender formulierte Empfehlung aus (Hughes et al. 2002). Eine Hochrisikosituation liegt i. d. R. bei Patienten unter Induktions- oder Konsolidierungsbehandlung einer akuten Leukämie vor. In die Gruppe mit zu erwartender Grad-IV-Neutropenie, die gemäß der Studie von Cullen von der Prophylaxe profitiert, gehören je nach Intensität der gewählten Chemotherapie weiterhin Patienten mit männlichen Keimzelltumoren, kleinzelligem Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, Non-Hodgkin- und Hodgkin-Lymphom und eventuell weitere (Cullen et al. 2007). Die Neutropeniedauer bei Patienten unter Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation ist deutlich kürzer als bei früherem Einsatz von Knochenmark, eine antibiotische Prophylaxe ist in den Protokollen aber üblich (Kiefer et al. 2006, Montemurro et al. 2007). Bei Patienten, die analog einem Studienprotokoll behandelt werden, empfehlen die Autoren auch bei der Infektionsprophylaxe die Anlehnung an das Protokoll. Die antibakterielle Prophylaxe wird entweder nach granulozytärer Regeneration oder mit Beginn einer therapeutischen Antibiose, z. B. bei Fieber unbekannter Ursache, beendet (Link et al. 2003, Krüger et al. 2010). Zwei Sonderfälle der antibakteriellen Prophylaxe betreffen Patienten nach allogener Stammzelltransplantation: Die prophylaktische Gabe von Metronidazol bis zum Tag +30 nach Transplantation führt über die Reduktion der anaeroben Darmflora zu einer geringeren Inzidenz einer akuten Graft-versus-Host-Erkrankung (Beelen et al. 1999). Patienten mit chronischer Graft-versus-Host-Erkrankung und zusätzlicher Immunsuppression sind anfällig für Infektionen mit grampositiven, bekapselten Bakterien (Atkinson et al. 1979, Ochs et al. 1999). Daher kann auch hier eine Antibiotikagabe indiziert sein (Krüger et al. 2005). Randomisierte Studien liegen für diese Indikation nicht vor. Ein weiterer Ansatz zur Reduktion von Infektionen in der Neutropenie ist der Einsatz hämatopoetischer Wachstumsfaktoren, hier wird auf die Leitlinien der ASCO und der EORTC verwiesen (Aapro et al. 2006, Smith et al. 2006). Bezüglich einer antimykotischen oder antiviralen Prophylaxe wird auf die Leitlinien der AGIHO verwiesen (Sandherr et al. 2006, Cornely et al. 2009).Antibiotikaprophylaxe:Hämatologie\"\r\"AntibiotikaprophylaxeHaematol 2.10.11 Selektive Darmdekontamination (SDD) Matthias Gründling und Sven-Olaf Kuhn Vor mehr als 25 Jahren haben Stoutenbeek et al. (1983) die SDD als eine Methode zur Prävention nosokomialer Infektionen in die Intensivmedizin eingeführt. Prinzip der klassischen SDD ist, dass nicht resorbierbare Antibiotika und ein Antimykotikum in den Gastrointestinaltrakt appliziert werden, dort selektiv gegen potenziell pathogene Mikroorganismen wirken, ohne dass die anaerobe Flora des Darms beeinträchtigt wird. Die These, die dem Verfahren zugrunde liegt, ist, dass durch die SDD die Kolonisationsresistenz gestärkt wird. Der Begriff der Kolonisationsresistenz geht auf van der Waaij zurück und meint, dass verschiedene Faktoren von Seiten des Wirts und der Darmflora eine Resistenz gegenüber der Kolonisation durch potenziell pathogene Mikroorganismen erzeugen. Demnach können durch den Einsatz selektiv wirksamer Antibiotika die physiologische Flora geschont und gleichzeitig potenziell pathogene Mikroorganismen eliminiert werden. Dieses Vorgehen führt nach van der Waaij zu einer geringeren Ausbreitung (multi)resistenter, potenziell pathogener Mikroorganismen und zur Infektionsprophylaxe bei Patienten mit beeinträchtigter Immunabwehr (an der Waaij et al. 1971, van der Waaij 1983). Nach einer Vielzahl tierexperimenteller Untersuchungen fand die SDD zunächst bei neutropenischen Patienten Anwendung. Entscheidende klinische Verbreitung erlangte das Verfahren seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bei beatmeten Intensivpatienten. Zu dieser Anwendung existieren nunmehr über 50 randomisierte klinische Studien und mehr als 10 Metaanalysen. NI sind der wesentliche Grund septischer Erkrankungen und die Haupttodesursache in der modernen Intensivmedizin (Kap. 4.5). Sie entstehen, nachdem es zuvor zu einer Kolonisation mit Mikroorganismen gekommen ist. Bei diesen handelt es sich meist um die endogene Flora aus dem Gastrointestinaltrakt oder dem Oropharynx des Patienten bzw. um Hospitalerreger, die nach Transmission in diesen Regionen kolonisieren. Zeitlich unterscheidet man zwischen frühen Infektionen innerhalb der ersten Behandlungswoche und sog. sekundär endogenen Infektionen nach der ersten Behandlungswoche. Während die frühen Infektionen im Wesentlichen durch die primäre endogene Patientenflora bedingt sind, entstehen sekundäre Infektionen auch durch Erregertransmission auf der Intensivstation und ein Überwuchern von selektionierten Mikroorganismen z. B. nach oder während längerer Breitspektrumantibiotikatherapie. Um die primär endogenen Infektionen in der Prophylaxe mit zu erfassen, beinhaltet die SDD neben der topischen Gabe von Tobramycin, Colistin und Amphotericin B auch die i. v. Applikation von Cefotaxim über die ersten 4 Behandlungstage. Die zusätzliche i. v. Gabe erfolgt, da insbesondere die gastral applizierte Komponente der SDD wegen der in dieser Phase der Intensivbehandlung besonders beeinträchtigten Peristaltik des Gastrointestinaltrakts noch nicht ausreichend wirken kann. Die über eine Magensonde als Suspension applizierte Komponente der SDD dient der Reduktion potenziell pathogener Mikroorganismen (gramnegative aerobe Bakterien, methicillinsensible S. aureus und Pilze) sowie der Reduktion der Endotoxinlast im Darm des Intensivpatienten. Der Darm des Intensivpatienten gilt nach wie vor als der „undrainierte Abszess“ bzw. der „Motor des Multiorganversagens“ (Marschall et al. 1993). In der Annahme, dass beim Intensivpatienten durch reduzierte enterale Ernährung, Subileus und eine Vielzahl anderer Faktoren die Translokation von Endotoxin und Bakterien aus den Gastrointestinaltrakt gesteigert ist, messen viele Autoren der enteralen Komponente der SDD besondere Bedeutung bei. Zusätzlich werden die Substanzen bei der klassischen SDD den beatmeten Patienten als Paste oral appliziert. Dabei soll die Erregerlast der stillen Aspiration erregerhaltigen Materials an der Blockung des Tubus vorbei als wesentlicher pathogenetischer Faktor der Entstehung der ventilatorassoziierten Pneumonie (VAP, Kap. 5.9) reduziert werden. In der klinischen Routine der Intensivmedizin gibt es eine Vielzahl von Abwandlungen, wobei die alleinige selektive orale Dekontamination (SOD) die am häufigsten untersuchte Variante darstellt. Sie zielt auf die Reduktion der Häufigkeit der VAP und die Reduktion der Erregertransmission von Patient zu Patient aus dem Reservoir Oropharynx ab. Obwohl in einer Vielzahl von Studien die Wirksamkeit von SOD und SDD bei verschiedenen beatmeten Patientengruppen nachgewiesen wurde, wird das Verfahren bisher kaum in entsprechenden Leitlinien empfohlen. Grund ist nach Ansicht der Autoren der Leitlinien neben der weiterhin unsicheren Studienlage für einzelne Erkrankungen, z. B. der Sepsis, die potenzielle Gefahr der Selektion von MRE (Guideline 2005, Dellinger et al. 2008). Ebenso argumentieren die praktisch tätigen Intensivmediziner. Bei einer Umfrage auf englischen Intensivstationen gaben 95 % der Befragten an, wegen der unzureichenden Evidenz und der Gefahr der Resistenzentwicklung auf die SDD zu verzichten (Bastin und Ryanna 2009). Inzwischen konnte in prospektiven randomisierten klinischen Studien gezeigt werden, dass durch SDD die Sterblichkeit beatmeter Intensivpatienten reduziert wird. Bei 546 chirurgischen und Traumapatienten zeigten sich in der SDD-Gruppe weniger Infektionen, weniger Organversagen und bei Patienten mit APACHE-II-Score von 20–29 bei Aufnahme auf die Intensivstation eine niedrigere Sterblichkeit. Surveillancekulturen erbrachten keinen Hinweis auf höhere Resistenzraten in der SDD-Gruppe, was in Übereinstimmung zu Langzeitbeobachtungen mit SDD bei beatmeten Patienten steht (Leone et al. 2003, de Jonge 2005, Heininger et al. 2006). Abweichend von den meisten SDD-Studien erfolgten die systemische Antibiotikaprophylaxe über 4 Tage mit Ciprofloxacin und die topische Therapie mit Gentamicin und Polymyxin ohne ein Antimykotikum (Krueger et al. 2002). In einer weiteren Studie bei 934 chirurgischen und internistischen Intensivpatienten zeigte sich eine signifikant geringere Intensiv- und Krankenhaussterblichkeit unter SDD. Die Randomisierung erfolgte stationsbezogen, um Effekte durch geringere Erregertransmissionsraten zwischen den SDD- und Kontrollpatienten zu minimieren (de Jonge et al. 2003). Ein ähnliches, allerdings multizentrisches Studiendesign an über 6.000 Patienten untersuchte zusätzlich die Wirksamkeit alleiniger SOD ohne systemische Antibiotikaprophylaxe. Weder die SDD noch die SOD zeigten in der Studie einen Überlebensvorteil. In der Studie hatten jedoch beide Behandlungsgruppen ein primär höheres Sterberisiko (höheres Alter, höherer APACHE-II-Score). Die logistische Regressionsanalyse erbrachte einen signifikanten Überlebensvorteil für die Patienten der SDD-Gruppe (de Smet et al. 2009). Eine Metaanalyse mit Einschluss > 8.000 Intensivpatienten erbrachte, dass mit SDD die Rate gramnegativer Bakteriämien und die Sterblichkeit reduziert werden können. Am deutlichsten ist der Effekt bei der klassischen SDD. Die Autoren kommen auf eine number needed to treat (NNT) von 22 für einen geretteten Patienten (Silvestri et al. 2007). In einer weiteren Metaanalyse zum Nutzen des kompletten Regimes der SDD, das neben der Antibiotikapropylaxe ein effektives Hygieneregime und Surveillancekulturen von Rachen und Stuhl beinhaltete, ergaben sich bei der Analyse von 21 randomisierten kontrollierten Studien eine signifikante Reduktion der Mortalität und eine NNT von 18 (Silvestri et al. 2009). Es gibt einzelne Berichte über das Auftreten von MRE unter SDD. Inwieweit bei hoher Prävalenz von MRSA, multiresistenten Pseudomonaden, ESBL und VRE eine SDD potenziell schädlich bzw. unwirksam ist, ist derzeit nicht ausreichend geklärt. Naiemi et al. (2006) beschreiben einen ESBL-Ausbruch und warnen vor dem Gebrauch von Cephalosporinen der 3. Generation im Rahmen der SDD. Es wird daher empfohlen, bei der Anwendung von SDD eine Surveillance von Rachen und/oder Stuhlproben durchzuführen. Bezüglich der Infektionsrate nach dem Intensivaufenthalt fanden de Smet et al. (2009), dass die Häufigkeit von NI bei SDD tendenziell höher war als bei Patienten ohne diese Behandlung. Nach derzeitiger Datenlage wird die Anwendung der SDD (komplettes Protokoll) bei beatmeten Intensivpatienten mit zu erwartender Beatmungsdauer > 2 Tagen empfohlen. Ob die alleinige SOD ohne systemische Ceftaximgabe gleich wirksam ist, ist derzeit nicht ausreichend Darmdekontamination, selektive\"\r\"Darmdekontaminationselekbelegt.Antibiotikaprophylaxe\"\r\"AldehydeNutzRisik 2.11 Isolierung und Barrierenpflege Frank-Albert Pitten, Andreas F. Widmer, Axel Kramer und Peter Heeg 2.11.1 Rückblick und wissenschaftliche Grundlagen Bereits in der Bibel sind Maßnahmen der Absonderung von Kranken erwähnt: Isolation für 7 Tage wird empfohlen, wenn ein Mensch auf seiner Haut weiße Flecken aufweist (Leviticus 13:4). Die Pest im Mittelalter ist ein Beispiel für erfolgreiche Isolierungsmaßnahmen ohne wissenschaftliche Grundlage. Die Beschäftigung mit der Historie zeigt, dass sich auch heute die Reaktionen der PestBevölkerung und selbst der Krankenhausmitarbeiter kaum von denen früherer Generationen unterscheiden. Nach dem ersten Ausbruch der sog. Schweinegrippe flohen Tausende von Mexikanern in die USA. HIV-infizierte Mitmenschen wurden in den Anfängen der AIDS-Epidemie sozial isoliert. Die Bemühungen Anfang des 20. Jahrhunderts, die Ausbreitung der Tbk zu reduzieren, sind ein weiteres Beispiel empirischer Infektionsmedizin: Die meisten Sanatorien liegen in den Bergen, wo eine starke, für Mykobakterien letale UV-Strahlung besteht, wie sie noch lange in Krankenzimmern eingesetzt wurde. Viele Erkenntnisse gingen mangels Dokumentation verloren und mussten, etwa im Rahmen der Tuberkuloseepidemien in den USA, teilweise neu erarbeitet werden. 1877 sind aus den USA die ersten medizinischen Dokumente zur Isolierung von Patienten erschienen (Garner 1996). Krankenhäusern wurde empfohlen, Patienten mit Infektionskrankheiten in getrennten Gebäuden zu hospitalisieren. Noch heute finden sich Krankenhäuser aus jener Zeit in sog. Pavillonbauweise wie ein Teil der Charité in Berlin oder viele in der Gründerzeit (1849–1873) erbaute Krankenhäuser in Wien. Wissenschaftliche Grundlage der Isolierung ist ein junges, primär aus der Pflege hervorgegangenes Fachgebiet. Es wurde viel Fachwissen eingebracht, das nicht auf randomisierten Studien, sondern aus Analysen der täglichen Praxis resultierte. Das erste Isolierungsmodell wurde 1910 publiziert. Danach mussten sich Mitarbeiter die Hände nach Patientenkontakt desinfizierend waschen sowie Gegenstände und Apparate desinfizieren, bevor sie aus dem Bereich des infizierten Patienten entfernt wurden. Hierfür wurde erstmals der Begriff des „barrier nursing“ verwendet. Mit dem Einsatz der Sulfonamide und des Penicillins wurden die Infektionskrankheiten kausal behandelbar. Diese Entwicklung führte in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA zur Schließung von Isolierabteilungen. Nach 1960 wurden im Gegensatz zu Europa die meisten Infektionskrankheiten in üblichen Krankenzimmern behandelt. 1970 erschien das erste detaillierte Handbuch zur „Isolation Technique for Use in Hospitals“ der CDC. Es wurde mehrfach ergänzt und erschien zuletzt 2007 als „Guideline for Isolation Precautions: Preventing Transmission of Infectious Agents in Healthcare Settings“ (Siegel et al. 2007). Im deutschsprachigen Raum ist eine KRINKO-Empfehlung zur Isolierung infektiöser Patienten in Vorbereitung. Solange muss auf Empfehlungen zur Vorgehensweise bei einzelnen übertragbaren Krankheiten verwiesen werden (www.rki.de, www.hospvd.ch/swiss-noso). Zahlreiche empirisch bewährte Maßnahmen in der Krankenhaushygiene wurden nicht durch randomisierte Doppelblindstudien erhärtet. Mit zunehmender Bedeutung evidenzbasierter Medizin sind viele aus der Erfahrung und klinischen Beobachtung abgeleitete Empfehlungen in Gefahr, aus aktuellen Veröffentlichungen eliminiert zu werden. Auch eine Reihe neuerer Daten stammen aus nicht randomisierten Interventionsstudien. Obwohl diese Studien wertvolle Aussagen zur Effektivität von Maßnahmen liefern können, wird die Zuverlässigkeit der Aussagen durch verschiedene Einflussfaktoren (z. B. mehrere Interventionen während der Beobachtungszeit) eingeschränkt. Dennoch wurden solche Studien nach sorgfältiger Prüfung in die zitierten CDC-Empfehlungen aufgenommen. Insbesondere bei Isoliermaßnahmen gilt, dass unter den heutigen Bedingungen kaum eine einzelne Maßnahme dazu führt, die Ausbreitung von Erregern nachweislich einzuschränken und die Häufigkeit von Erkrankungen messbar zu reduzieren, zumal gerade die Isolierung typischerweise immer ein Maßnahmenbündel umfasst. Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts treten immer häufiger Erreger im Krankenhaus auf, die gegen alle zur Verfügung stehenden Standardantibiotika resistent und teils nicht mehr systemisch antibiotisch behandelbar sind. Beispiele sind ESBL-produzierende K.-pneumoniae- oder E.-coli-Stämme, Erreger mit Metallobetalactamasen und Stämme von „Totally resistant oder extensively resistant tuberculosis“. Zudem ist es fast ausgeschlossen, dass in den nächsten 10 Jahren neue antimikrobielle Substanzen auf den Markt kommen. Daher haben die amerikanischen Infektiologischen Gesellschaften ein Programm aufgestellt, das „10 to 20“ Programm, wodurch zehn neue Substanzen bis 2020 entwickelt werden sollen; ein unrealistisches Ziel. Die Eingrenzung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten hat daher heute die gleiche Bedeutung wie vor 100 Jahren erlangt. SARS hat eindrucksvoll gezeigt, dass virale Erkrankungen, die die ganze Welt erschüttern, mit Isolationsmaßnahmen effizient bekämpft werden können. Bis zum heutigen Tag gibt es keine wirksame Therapie: Trotzdem ist die SARS-Epidemie erloschen. Beispiele für die Beherrschung nosokomialer Ausbrüche sowohl durch Noroviren als auch durch MRE vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten bestätigen die Effektivität überlegter Isolierungsmaßnahmen im Zusammenwirken mit sinnvollen Desinfektionsmaßnahmen zur Beendigung der Ausbrüche. Besonders erfolgversprechend sind Strategien, die verschiedene Maßnahmen bündeln und bei denen die Isolierung infektiöser Patienten eine von mehreren Interventionen darstellt. Folgende Gleichung soll das erläutern: Die meisten Variablen dieser Gleichung können medizinisch nicht beeinflusst werden, sodass als präventive Maßnahme ausschließlich die Vermeidung oder Reduktion der Exposition zur Verfügung steht, zumal die minimale Infektionsdosis für den individuellen Patienten so gut wie nie bekannt ist. Optimal ist die Isolierung, wenn die Exposition anderer Patienten durch vollständige Trennung ausgeschlossen werden kann. Aus finanziellen oder räumlichen Gründen müssen immer wieder Kompromisse eingegangen und eine geringe Exposition anderer Patienten in Kauf genommen werden, sofern diese nicht immunsupprimiert sind. Isolierung ist eine präventive Maßnahme, die eine Exposition und damit eine Kolonisation und mögliche Infektion verhindern kann. Umgekehrt führt nicht jede unterlassene Isolierung zur Infektionsübertragung, z. B. wenn die Exposition nur kurz ist oder der Erreger eine geringe Virulenz aufweist. Das verursacht in der Praxis gelegentlich Probleme. Mitarbeiter sind bei isolierten Patienten u. U. nachlässig, ohne dass Folgen daraus resultieren. Sie fühlen sich dann bestätigt, dass ihr Fehlverhalten offensichtlich keine Folgen hatte. Falls hier nicht durch Schulung und Weiterbildung durch die Krankenhaushygiene interveniert wird, werden Isolierungsmaßnahmen immer weniger eingehalten und zuletzt eingestellt – eine Entwicklung, die es zu verhindern gilt. Länder mit einer sehr konsequenten Isolationspraxis, z. B. die Niederlande, haben die geringsten Resistenzraten bei MRSA. Eine inkonsequente Isolationspraxis führt meist nicht zum Erfolg. Gerade bei MRSA dauert es Jahre bis Jahrzehnte, bis die Prävalenz sehr hoch wird; es dauert aber nach intensiver Intervention ebenso lang, bis die MRSA-Rate wieder zurückgeht, wie die Beispiele England und Frankreich zeigen (Bootsma et al. 2006). Die Effektivität von Isolierungsmaßnahmen kann erst nach einem längeren Zeitraum und mit hohem Aufwand (Fallzahlen!) quantifiziert werden. 2.11.2 Prinzipien der Isolierung und Übertragungswege Als (Quellen-)Isolierung wird die Distanzierung eines Patienten verstanden, der Träger oder Ausscheider eines infektiösen Erregers ist. Ziel der Maßnahme ist der Schutz anderer Patienten und der Mitarbeiter vor Ansteckung. Bei der protektiven Isolierung (Umkehrisolierung) soll dagegen der Patient vor Krankheitserregern aus seiner Umgebung geschützt werden. Grundsätzlich sind zwei Formen der Prävention durch Isolierungsmaßnahmen in der Klinik notwendig: • Standardmaßnahmen (standard precautions), • gezielte (transmissionsbasierte) Maßnahmen. Die Isolierung:StandardmaßnahmenStandardmaßnahmen umfassen die Händehygiene (Händedesinfektion, Händewaschen) und den Gebrauch von PSA. Neu hinzu gekommen sind in der HICPAC-Richtlinie 2007 die Hustenetikette, die Unterbringung des Patienten, der Umgang mit MP, Flächenreinigung und -desinfektion in der Umgebung des Patienten, Umgang mit Wäsche und sichere Injektionstechniken. Diese neuen Elemente dienen vorwiegend dem Schutz der Patienten. Im Gegensatz dazu stand zuvor mit den aus den „universal precautions“ in die „standard precautions“ übernommenen Maßnahmen eher der Personalschutz im Mittelpunkt. Grundsätzlich, wenn auch in der HICPAC-Richtlinie nicht enthalten, gehören auch Impfungen des Personals zu den Standardmaßnahmen. Transmissionsbasierte Isolierung:transmissionsbasierte MaßnahmenIsoliermaßnahmen orientieren sich dagegen an den Übertragungswegen der Erreger. Die Übertragung von Pathogenen bedarf dreier Voraussetzungen: Infektionsquelle oder Erregerreservoir, empfänglicher Wirt und Übertragungsweg. Infektionsquellen: Krankheitserreger in medizinischen Einrichtungen stammen i. d. R. vom Menschen (nur in Ausnahmefällen von Tieren) oder aus der unbelebten Umgebung des Patienten. Menschliche Quellen umfassen Infektionsquelle(n)Patienten, Beschäftigte, Besucher und Menschen aus dem sozialen Umfeld wie Familienmitglieder (Munoz et al. 2002). Die Personen können manifest oder asymptomatisch an einer Infektion erkrankt sein, können sich in der Inkubationszeit befinden oder vorübergehend oder dauerhaft mit Pathogenen vorzugsweise im oberen Respirations- oder Gastrointestinaltrakt kolonisiert sein. Darüber hinaus ist die endogene Flora des Patienten eine wichtige Infektionsquelle (Donskey 2004). Empfängliche Personen: Bei der Mehrzahl der Bedingungen, die Entstehen und Schwere einer Infektion beeinflussen, handelt sich um patientenassoziierte Faktoren. Daneben sind Pathogenität und Virulenz des Erregers wesentlich, ebenso die Art der Exposition, die infektiöse Dosis und der Pathomechanismus der Erkrankung (Osterholm et al. 2009). Eine Erregerexposition führt nicht zwangsläufig zur Erkrankung. Eine Wirtsreaktion kann völlig ausbleiben, es kann zu transienter oder chronischer Kolonisierung kommen, aus der sich eine manifeste Erkrankung entwickeln kann. Neben erregerassoziierten Faktoren spielen Risikofaktoren wie extremes Alter und Art der Grunderkrankung ebenso eine Rolle wie Medikationen, die die physiologische Flora (z. B. Antibiotika, Säureinhibitoren) und die Immunantwort beeinflussen (wie Kortikosteroide und immunsuppressive Medikamente). Chirurgische Eingriffe und Strahlentherapie beeinflussen natürliche Barrieremechanismen und Organsysteme, Devices schaffen zusätzliche Eintrittspforten für Erreger. Alloplastische Implantate können durch Adhärenz von Mikroorganismen und Biofilmbildung zur Entstehung einer Infektion beitragen (Kap. 4.9). Übertragungsmechanismen: Ihre Kenntnis hilft, Richtlinien sach- und situationsgerecht anzupassen. Bestimmte Krankheitserreger werden auf mehr als einem Weg übertragen. Influenzaviren werden Infektion(en):Übertragungsmechanismenüberwiegend durch Tröpfchen, seltener auch durch direkten Kontakt verbreitet, Noroviren dagegen vornehmlich durch Kontakt, bei Erbrechen aber auch über Tröpfchen. Aufgabe der Krankenhaushygiene ist es, unter den gegebenen Bedingungen die praktikable Lösung auszuarbeiten, was erklärt, dass für ein und dasselbe Problem mehrere Lösungen infrage kommen. Übertragung durch direkten oder indirekten Kontakt ist der wichtigste Übertragungsweg für NI. Übertragung durch Kontakt: Typischer Übertragungsmechanismus ist der direkte physische Kontakt zwischen infizierter oder kolonisierter Person und einer anderen Person. Direkter Kontakt kann auch bedeuten, dass ein Erreger über Blut, bluthaltige Körperflüssigkeiten oder erregerhaltige Sekrete durch eine minimale Verletzung der Haut oder Schleimhaut übertragen wird (Rosen 1997, Beltrami et al. 2003). Die indirekte Übertragung erfolgt über einen kontaminierten Gegenstand oder eine kontaminierte Person. Vor allem die Hände von Mitarbeitern spielen eine wesentliche Rolle, etwa nach Berühren eines infizierten oder kolonisierten Patienten, eines kontaminierten MP (z. B. Blutdruckmanschette, Verband, Thermometer) oder patientennahen Gegenstands, sofern eine nachfolgende Händedesinfektion unterlassen wird. Kontaminierte Arzneimittel und Pflegeprodukte, unzureichend aufbereitete MP (flexible Endoskope) oder kontaminierte Kontaktflächen (z. B. Mobiltelefone, Computertastaturen) tragen ebenfalls zur indirekten Erregerübertragung bei (Hartmann et al. 2004, Ulger et al. 2009). Übertragung durch Luft: Vorwiegend in der amerikanischen Literatur unterscheidet man zwischen Übertragung durch Tröpfchen (droplet transmission) und durch Partikel (airborne transmission). Letzteres ist die „echte“ aerogene Übertragung, weil sie auch über Distanzen erfolgt, die größer sind als der Durchmesser einer Nies- oder Hustenwolke. Zur Tröpfchenübertragung kann es bei Aerosol erzeugenden medizinischen Maßnahmen kommen, z. B. bei endotrachealem Absaugen, nach Extubation, Bronchoskopie, im Rahmen physiotherapeutischer oder Wiederbelebungsmaßnahmen oder bei der Zahnbehandlung (Kap. 5.24). Insbesondere Nasenschleimhaut und Konjunktiven – seltener die Mundschleimhaut – gelten als Eintrittspforten für respiratorische Viren. Studien zur Ausbreitung der Pocken (Fenner et al. 1988) und nicht zuletzt zur Verbreitung von SARS (Wong et al. 2004) haben ergeben, dass eine Tröpfcheninfektion bis zu einer Distanz von knapp 2 m erfolgen kann. Dabei ist die Übertragung abhängig von der Zahl und Ausstoßgeschwindigkeit der Tröpfchen, ihrem Durchmesser, der Temperatur und der Luftfeuchte sowie der Tenazität des Erregers. Die Vorstellung, dass durch Verdunstung des Flüssigkeitsanteils die im Tröpfchen enthaltenen Erreger als sehr kleine Tröpfchenkerne (droplet nuclei) lange in der Schwebephase bleiben und damit das Risiko einer Ansteckung erhöhen, wird für die Übertragung der Lungentuberkulose angenommen, lässt sich aber nicht unbedingt auf andere Erreger übertragen (Cole und Cook 1998). Zu den über Tröpfchen übertragbaren Erreger gehören u. a. Influenza-, Adeno-, Rhino- und SARS-assoziierte Coronaviren, B. pertussis, M. pneumoniae, N. meningitidis, Legionella spp. und Gruppe A-Streptokokken. Nasale S.-aureus-Träger können bei Vorliegen einer Virusinfektion des oberen Respirationstrakts diesen Erreger über 1 m weit streuen (Sheretz et al. 1996). Nur bei wenigen Mikroorganismen ist der Nachweis gelungen, dass sie als Partikel über die Luft übertragen werden. Typisches Beispiel ist das Varizellavirus, bei dem Ansteckungen bis zu einer Distanz von 10 m beschrieben sind und durch PCR das Virus noch in 5 m Entfernung von der Infektionsquelle nachweisbar war (Sawyer et al. 1994). Aerogene Übertragung findet auch bei Masern (Bloch et al. 1985), M. tuberculosis (Tröpfchenkerne) und Schimmelpilzsporen (Aspergillus spp.) statt (Haley et al. 1989, Brenier-Pinchart et al. 2009). Die Ausbreitung von Viren über den Luftweg wurde u. a. für Influenza-, Noro- und Rotaviren beschrieben (Chadwick et al. 1994). Allerdings lagen die Distanzen im Bereich eines Patientenzimmers, sodass eine Ausbreitung über Luftströme innerhalb eines ganzen Gebäudes als unwahrscheinlich anzusehen ist. Übertragung durch Vektoren: Die Übertragung von Infektionen durch tierische Vektoren besitzt für die Epidemiologie von NI nur geringe Bedeutung (Kap. 2.13). Dagegen trägt dieser Infektionsweg vor allem in tropischen und subtropischen Ländern erheblich zur Übertragung von Infektionskrankheiten bei. 2.11.3 Isolierungsmodelle Isolierung:Prinzipien\""\r""IsolierungPrinzipien Ein wesentliches Problem besteht darin, dass eine auf die Krankheit exakt zugeschnittene Isolierpraxis, die zugleich die spezifischen Probleme des Patienten berücksichtigt, sehr individuell ist und damit eine hohe Präsenz der Krankenhaushygiene vor Ort voraussetzt oder einen hohen andauernden Aufwand für die Praxisanleitung des Personals erfordert. Das übersteigt i. d. R. die vorhandenen Ressourcen, sodass einfachere Modelle gesucht werden müssen. Das hat den Nachteil, dass u. U. Maßnahmen getroffen werden müssen, die beim individuellen Patienten nicht zwingend notwendig wären. Erschwerend kommt hinzu, dass insbesondere bei bestimmten Virusinfektionen die Infektiosität zu einem Zeitpunkt am höchsten ist, an dem die Labordiagnose noch nicht gestellt ist. Einige grundsätzliche Probleme wurden im Rahmen der Bekämpfung der HIV-Epidemie gelöst, indem bestimmte Grundmaßnahmen der Prävention bei allen Patienten vorausgesetzt werden (Standardhygiene). Bei Anordnung von Isoliermaßnahmen darf nicht vergessen werden, dass die Isolierung für den Patienten neben der psychischen Belastung (Einsamkeitsgefühl, Angst, Depression) auch zu weniger häufigem Kontakt mit ärztlichem und Pflegepersonal führt. Als Folge traten unerwünschte Ereignisse bei isolierten Patienten häufiger auf als bei nicht isolierten. Die adäquate Versorgung der Patienten unter Isolierbedingungen sollte daher auch eine situationsspezifische psychologische Betreuung umfassen (Abad et al. 2010). Isolierung in Abhängigkeit von der Krankheit: Bei diesem Modell ist die Isolierung auf die individuelle Erkrankung des Patienten ausgerichtet. Sie erlaubt mit einfachen Entscheidungskriterien ein Isolierung:in Abhängigkeit von der KrankheitMaximum an Prävention. Da jedoch häufig bereits Infektiosität besteht, bevor die Diagnose gestellt wurde, setzt die Isoliermaßnahme häufig zu spät ein, sodass mit erheblichem Übertragungsrisiko während der Zeit bis zur Diagnosesicherung zu rechnen ist. Da bei diesem Modell für jede Infektionskrankheit spezifische Isoliervorschriften benötigt werden, was kaum praxisnah ist, wird dieses Modell nur noch bei der Tbk und wenigen seltenen Infektionskrankheiten angewandt. Isolierung nach Kategorien: Hier richten sich die Isoliermaßnahmen nach dem Übertragungsweg der Infektionskrankheit, also über Kontakt, Ausscheidungen (fäkal-oraler Übertragungsweg), Tröpfchen bzw. Luft oder Blut und Körperflüssigkeiten. Bei der sog. strikten Isolierung handelt es sich um eine Kombination von Maßnahmen, die bei möglicher Übertragung sowohl durch Kontakt als auch über Luft zu treffen sind. Die Kenntnisse über blutübertragene Isolierung:strikteInfektionen haben dazu geführt, dass diese Kategorie zugunsten allgemeiner Distanzierungsmaßnahmen weitgehend aufgegeben wurde, sodass eine große Anzahl der früheren Isolationsindikationen ersetzt werden kann. Dennoch ist festzuhalten, dass auch die Maßnahmen der Standardhygiene wiederholte Schulungen und einen gewissen Aufwand erfordern. Isolierung heute: Nahezu alle Empfehlungen ähneln der CDC-Richtlinie (2007). Sie stellen ein pragmatisches Konzept aus epidemiologischer Notwendigkeit, Personal- und Patientenschutz dar. Die grundsätzlichen Maßnahmen – Kontaktisolierung, Isolierung bei Tröpfcheninfektion, aerogener Infektion und als Spezialfall bei Tbk – wurden beibehalten. Die Prävention blutübertragener Infektionen ist Isoliermaßnahmenin den Maßnahmen der Standardhygiene enthalten; eine räumliche Isolierung wird i. d. R. nicht als notwendig erachtet. Einige Erreger, die erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, erfordern differenzierte Hygienemaßnahmen. Hierzu gehören C. difficile, die als Sporenbildner besondere Maßnahmen (Händewaschen nach Händedesinfektion, sporozide Flächendesinfektion; Kap. 3.9) erfordern. In den USA Clostridium difficile:Hygienemaßnahmenhat jedoch die Einführung der Händehygiene mittels Alkohol zu keiner erhöhten Inzidenz der C.-difficile-Infektionen geführt, obwohl diese Aktion keine Wirkung auf Sporen hat. Noroviren erfordern aufgrund ihrer Tenazität ebenfalls spezielle Desinfektionsmaßnahmen (virozide Hände- und Flächendesinfektion; Kap. 3.5). Die rapide Zunahme und Heterogenität von ESBL-Bildnern erfordern ebenfalls ein differenziertes Isolierkonzept (von Baum et al. 2010, Kap. 3.8), derzeit fehlen aber noch grundlegende Daten zur optimalen Prävention einer Übertragung. Nicht selten ist die Umsetzung der im Grunde einfachen Maßnahmen immer noch schwierig. Der Mehraufwand insbesondere für räumliche Isolierung wird i. d. R. von den Kostenträgern nicht bzw. nicht vollständig erstattet, abgesehen davon, dass in vielen Häusern nicht ausreichend Einzelzimmer zur Verfügung stehen. Ein weiterer Grund, warum Isoliermaßnahmen nicht immer korrekt angewandt werden, liegt darin, dass eine nachlässige Isolierung selten eine sofortige Folgeepidemie verursacht, sodass keine unmittelbaren Konsequenzen eines Fehlverhaltens beobachtet werden. Mittel- und langfristig sind die Folgen jedoch kaum mehr zu beeinflussen, wie die weltweite Ausbreitung von MRE zeigt. Zur Umsetzung von IsolierungsrichtlinienIsolierungsrichtlinien in den Hygieneplänen hat sich ein Konzept bewährt, das die Vorteile der transmissionsbasierten Isolierung und der Isolierung nach Krankheiten in sich vereinigt. Das bedeutet, dass im Hygieneplan die isolierpflichtigen Infektionskrankheiten im Einzelnen genannt werden, die Beschreibung der Isoliermaßnahmen aber dem Schema der transmissionsbasierten Isolierung folgt, sodass sich die Diversität der Einzelrichtlinien in Grenzen hält (Tab. 2.32 ). Tab. 2.32 Schutzmaßnahmen bei ausgewählten Infektionen im Überblick.Yersinien, SchutzmaßnahmenVRE:SchutzmaßnahmenVirusgrippe, SchutzmaßnahmenTuberkulose:SchutzmaßnahmenShigellen:SchutzmaßnahmenScharlach, SchutzmaßnahmenSalmonellen:SchutzmaßnahmenRöteln:SchutzmaßnahmenRotaviren:SchutzmaßnahmenPertussis:SchutzmaßnahmenNoroviren:SchutzmaßnahmenMRSA:SchutzmaßnahmenMeningitis:SchutzmaßnahmenMasern:SchutzmaßnahmenImpetigo contagiosa:SchutzmaßnahmenHerpes zoster, SchutzmaßnahmenHerpes-simplex-Viren:SchutzmaßnahmenHepatitis E:SchutzmaßnahmenHepatitis A:SchutzmaßnahmenETEC, SchutzmaßnahmenESBL:SchutzmaßnahmenEHEC, SchutzmaßnahmenDiphtherie:SchutzmaßnahmenDiarrhö:SchutzmaßnahmenClostridium difficile:SchutzmaßnahmenCampylobacter:SchutzmaßnahmenAIDS:SchutzmaßnahmenAdenoviren:Schutzmaßnahmen Erreger Isolierung SH SK MNS HS Umstellung Desinfektion Kontroll-abstrich Aufhebung Isolierung Virtuell6 Einzel Kohortierbar7 Adenovirus – + + + + + – Virozid – Erkrankungsende AIDS (Vollbild) + + + + + + – – + Diphtherie – + + + + + – – + Nach 2 neg. Abstrichen Virushepatitis A/E + + + + + – – Virozid – 2 Wochen postikterisch, 1 Wochen nach Beginn HSV-Primärinfektion – + + - – – – – – Erkrankungsende Herpes zoster – + + + + – – – – Wenn Verkrustung Impetigo contagiosa – + Nur bei gleichem Erreger + + – – – – Nach Abheilung KCE – + + + + + – Virozid – Erkrankungsende Pertussis – + + + + + + – – 5 d nach Erkrankungsbeginn Masern – + + + + + – – – Erkrankungsende Meningitis viral (Enteroviren) – – – + + + – Virozid – Meningokokken-meningitis – + + + + + – – – 24 h nach Therapiebeginn Röteln – + + + + + – – – 7 d nach Exanthembeginn Scharlach – + + + + + – – – 24 h nach Therapiebeginn Tbk und Verdacht – + – + + FFP 2/3 – – – MRSA +1 + + + + + + – + 3 aufeinanderfolgende neg. Abstriche ESBL +1 +7 Nur bei gleichem Resistenzmuster + + +2 – – + 3 aufeinanderfolgende neg. Abstriche Norovirus +3 + + + + (+)4 – Virozid – 48 h nach Symptomende Rotavirus + + + + + (+)5 – Virozid – C. difficile(Toxin) + + + + + – Sporozid – Diarrhö (unbekannter Erreger) + + – + + – – – Nach Symptomende VRE + + + + + +2 – – + Salmonellen + + + + + – – – + Nach neg. Abstrich Shigellen + + + + + – – – – Nach Symptomende Campylobacter + + + + + – – – – Yersinien + + + + + – – – – EHEC/ETEC + + + + + – – – – Verdacht Virusgrippe – + + + + + – – – 3–5 d nach Symptombeginn Virusgrippe – + + + + + – – – 7 d nach Symptombeginn SH = Schutzhandschuh, SK = Schutzkittel, MNS = Mund-Nasen-Schutz, HS = Haarschutz 1 Nicht bei nasaler und endotrachealer Besiedlung. 2 Nur bei nasaler und endotrachealer Besiedlung. 3 Nicht bei Erbrechen. 4 Bei Erbrechen und starken spritzenden Durchfällen. 5 Nicht kontrollierbare Durchfälle. 6 Unter virtueller Isolierung wird Barrierepflege ohne räumliche Abtrennung verstanden. Der Isolierbereich umfasst das Bett und den Bereich, den der liegende Patient mit der Hand erreichen kann. Der Patient darf den Isolierbereich nur mit Auflagen verlassen. 7 Jeweils erreger- und situationsabhängige Einzelentscheidung. Zusätzlich empfiehlt es sich, insbesondere bei Erkrankungen, die mit dem Symptom Durchfall einhergehen, Maßnahmen festzulegen, die bis zur fertigen Diagnose zunächst eine Verbreitung der am häufigsten infrage kommenden Erreger wirksam verhindern. 2.11.4 Praxis der Isolierung In Deutschland besteht nur in wenigen Fällen eine Isolierungsmodelle\"\r\"Isolierungsmodellegesetzlich festgelegte Isolierpflicht. Nach § 30 IfSG hat die zuständige Behörde Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, Isolierpflichtunverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung „abzusondern“. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheits-, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder würden und dadurch ihre Umgebung gefährden. Die vom Gesetz zugelassenen Möglichkeiten der Absonderung reichen von speziellen Isoliereinrichtungen über die Infektionsabteilung von Krankenhäusern bis zur häuslichen Isolierung („in sonst geeigneter Weise“). Das bedeutet, dass die Behörde erheblichen Ermessens- und Handlungsspielraum besitzt. Um beim Auftreten hochinfektiöser lebensbedrohlicher Krankheiten, insbesondere virusbedingtem hämorrhagischem Fieber, die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, wurden bundesweit 5 Behandlungszentren (Hamburg, Frankfurt, München, Berlin, Leipzig) mit Isolierstationen ausgestattet. Ein Rahmenkonzept unter Berücksichtigung von Erstversorgung, Diagnostik, Krankentransport, Behandlung und Gesamtmanagement wurde 2000 von einer Bund-Länder-IsolierstationenArbeitsgruppe publiziert (Fock et al. 2000). Grundsätzlich ist zwischen Isolierungsmaßnahmen:Standardhygiene Isolierungsmaßnahmen:spezifischeStandardhygienemaßnahmen und spezifischen Maßnahmen bei bekannten Übertragungswegen zu unterscheiden. Zahlreiche Autoren und Institutionen haben sich zu Anforderungen an Isolierungseinheiten bzw. -maßnahmen in medizinischen Einrichtungen geäußert. Hervorzuheben ist die HICPAC-Leitlinie (2007), in der ausführlich Anforderungen an das mit der Isolierung betraute Personal, die räumliche Unterbringung und die Versorgung des Patienten unter Berücksichtigung der HICPAC-LeitlinieÜbertragungswege relevanter Erreger formuliert werden. Das RKI hat 2009 grundsätzliche Überlegungen zur Herleitung risikominimierender Maßnahmen zur Infektionsprävention im Gesundheitswesen veröffentlicht, die auf der Homepage unter „Informationen zu ausgewählten Erregern“ mit dem Titel „Herleitung von risikominimierenden, hier infektionspräventiven Maßnahmen in der Praxis“ publiziert wurden. Ausgehend von einer Risikoanalyse und der anschließenden Risikobewertung werden Maßnahmen der Standardhygiene und spezifischen Hygiene bei bekannten Übertragungswegen definiert. Unter der Rubrik „Informationen zu ausgewählten Erregern“ finden sich zudem hilfreiche Informationen zur Infektionsprävention bei zahlreichen Krankheitserregern. Da sowohl bei den spezifischen Hygienemaßnahmen als auch bei Maßnahmen der Standardhygiene die Auswahl der Desinfektionsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung ist, wird zunächst auf diese eingegangen. HygieneleitlinienHygieneleitlinien müssen regelmäßig auf Aktualität überprüft werden. Sie sollen kurz und gut lesbar sein. Deshalb sollen spezielle Angaben, z. B. Namen von Desinfektionsmitteln, ausschließlich in einer einzigen Richtlinie (Desinfektionsmittelliste der Einrichtung) erwähnt werden, um zu vermeiden, dass bei einem Wechsel des Präparats alle Richtlinien angepasst werden müssen. Leicht lösen Richtlinien über die Jahre interne Konflikte aus, weil einige neu aufgebaut, andere nicht angepasst wurden. Querverweise auf die Original-Hygienerichtlinie, z. B. die Desinfektionsmittelliste, sind eine einfache Methode, um dieses Problem zu umgehen. Das ist vor allem bei der Umsetzung ins HTLM-Format für das Intranet hilfreich (Einrichten von Links). Zu empfehlen ist zuvor die breite Bekanntmachung der Richtlinien, bevor sie verabschiedet werden, v. a. in größeren Kliniken, in denen eine allgemeine Anweisung für eine Spezialabteilung unsinnig sein kann. Ohne vorherige breite Information geraten Hygienekommissionen leicht in die Situation, dass die Qualität der gesamten Richtlinie infrage gestellt wird. Sofern Hygienerichtlinien klinikintern bindenden Charakter haben, sind Widersprüche besonders ärgerlich und fördern das Misstrauen der Mitarbeiter. Ein Problem besteht darin, die gedruckten oder elektronisch verbreiteten Informationen auf dem aktuellen Stand zu halten. Im konventionellen System übernimmt ein Ordner die Sammlung der Hygienerichtlinien, wobei die Aktualisierung von den Empfängern manuell vorgenommen werden muss. Das geschieht in praxi nicht immer zuverlässig, sodass verschiedene Versionen in Umlauf sind, was Unsicherheit und Konfusion fördert. Die einfachste Lösung besteht in einem zentralen Server, der die Referenzversion der Richtlinien gespeichert hat, dort können sie bei Bedarf online abgerufen und ausgedruckt werden. Desinfektion Während zur prophylaktischen Desinfektion VAH-gelistete Produkte eingesetzt werden, sind für behördlich angeordnete Entseuchungen gemäß § 18 IfSG Mittel und Verfahren der Desinfektionsmittelliste des RKI anzuwenden. Aufgrund der Wirkstoffkonzentrationen gehen die RKI-gelisteten Desinfektionsverfahren mit deutlich höherer Belastung für Mensch und Umwelt einher und sollten nur auf behördliche Anordnung oder explizite Empfehlung des Krankenhaushygienikers zur Anwendung kommen. Grundsätzlich ist zwischen der laufenden Desinfektion und der Schlussdesinfektion zu unterscheiden (Kap. 2.4, Kap. 2.5). Händedesinfektion: Zum Schutz vor Kontamination sind bei sämtlichen Isolierungsmaßnahmen medizinische Schutzhandschuhe anzulegen. Nach dem Ablegen muss eine Händedesinfektion mit einem alkoholischen Einreibepräparat mit Wirksamkeit gegen den betreffenden Erreger durchgeführt werden (Kap. 2.1, Kap. 2.4). Bei unbehüllten Viren (z. B. Adeno-, Noroviren) ist darauf zu achten, dass der Hersteller die Wirksamkeit durch geeignete Untersuchungen bestätigt hat. In Zukunft werden auch in der VAH-Liste entsprechende Angaben zu finden sein; im Zweifelsfall ist auf Produkte der Desinfektionsmittelliste des RKI zurückzugreifen. Nach Kontakt mit bakteriellen Sporen kommt der Händewaschung mit Wasser und Seife erhebliche Bedeutung zu. Zu beachten ist, dass die Hände nach Ablegen der Handschuhe zunächst mit einem alkoholischen Einreibepräparat (oder peressigsäurebasiert) desinfiziert werden, um vegetative Bakterien sicher abzutöten. Im Anschluss wird die Waschung mit Wasser und Seife durchgeführt, um verbliebene Sporen zu entfernen. Flächendesinfektion: Auch bei der Auswahl des Flächendesinfektionsmittels ist auf die sichere Wirksamkeit gegen die jeweiligen Krankheitserreger zu achten. In der Regel finden sich hinreichende Angaben in der VAH-Liste. Bezüglich der Wirksamkeit gegen Viren oder bakterielle Sporen ist auf gutachtlich belegte Aussagen der Hersteller zu achten (Kap. 2.5). Ob die Anwendungskonzentrationen zur prophylaktischen Desinfektion auch zur laufenden Desinfektion bei Isolierungsmaßnahmen geeignet sind, muss im Einzelfall geprüft werden. Die Anwendung von Konzentrationen im Bereich des sog. 4-Stunden-Werts ist nicht ratsam, da u. U. durch Adsorptionseffekte an Oberflächen und Wischutensilien sowie durch Kontakt mit organischen Verunreinigungen nicht mehr mit hinreichender Wirksamkeit gerechnet werden kann. Zur Schlussdesinfektion sind Desinfektionsmittel mindestens in der Konzentration des 1-Stunden-Werts der VAH-Liste anzuwenden. Die der Konzentration entsprechende Einwirkzeit muss vor erneuter Benutzung der Flächen eingehalten werden! Instrumentendesinfektion: An die Desinfektion im Isolierzimmer eingesetzter MP sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen, sofern diese im RDG an zentraler Stelle durchgeführt Instrumentendesinfektion:Isolierungsmaßnahmenwird. Durch organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass eine Verbreitung der Krankheitserreger auf dem Transportweg vom Patientenzimmer zur Aufbereitung ausgeschlossen wird. Gegebenenfalls ist auf besondere Verpackung sowie gezielte Information des mit der Aufbereitung betrauten Personals zu achten. Besonderes Augenmerk ist auf MP zu legen, die während des stationären Aufenthalts des Patienten im Zimmer verbleiben, z. B. Stethoskop, Blutdruckmanschette. Diese müssen jeweils nach Beendigung einer Untersuchung sowie ggf. vor erneuter Untersuchung desinfiziert werden. Zur Desinfektion können vorgetränkte Tuchsysteme oder (ausnahmsweise!) alkoholische Sprühdesinfektionsmittel verwendet werden. Wäschedesinfektion: Da Krankenhausbettwäsche mit desinfizierenden Verfahren unter Berücksichtigung des Wirkbereichs AB gemäß RKI-Liste aufzubereiten ist, muss lediglich Wäschedesinfektion:Isolierungsmaßnahmensichergestellt werden, dass von der Wäsche während des Transports im Krankenhaus sowie ggf. außerhalb des Hauses kein Kontaminationsrisiko ausgeht. Die Wäsche ist daher in geeignete Behältnisse im Sinne einer Umverpackung zu geben. Leidet der Patient an einer Infektionskrankheit, die auch für Angehörige eine Infektionsgefährdung darstellt und deren Erreger über entsprechende Umweltstabilität verfügt, sind die Angehörigen, sofern sie die Leibwäsche des Patienten zu Hause waschen, zu informieren (z. B. bei Behandlung eines Patienten mit offener Lungen-Tbk). In einzelnen Fällen kann es erforderlich sein, auch die persönliche Wäsche des Patienten desinfizierend aufzubereiten (z. B. während der Phase der MRSA-Eradikation, um eine Reinfektion zu vermeiden). Desinfektion von Ausscheidungen (Stuhl, Urin, Mageninhalt, Wundsekret): Die gezielte Desinfektion von Ausscheidungen, insbesondere des Stuhls, ist nur in Ausnahmefällen angezeigt. In der Regel wird der isolierte Patient eine ihm zugeordnete Sanitärzelle oder separate Steckbecken bzw. Urinflaschen benutzen. Lediglich bei Erregern, deren Ausbreitung in die Umwelt strikt unterbunden werden muss (z. B. Choleravibrionen), muss die Desinfektion der Ausscheidungen gewährleistet sein (Kap. 2.4). Raumdesinfektion: Die früher bei offener Lungen-Tbk regelmäßig angewandten Verfahren zur Raumdesinfektion sind heute nur noch in Ausnahmefällen (z. B. hochkontagiöse Erkrankungen Raumdesinfektion:Isolierungsmaßnahmenwie virusbedingtes hämorrhagisches Fieber) auf Anordnung der zuständigen Behörde bzw. Empfehlung des Krankenhaushygienikers indiziert. Entgegen weitverbreiteter Auffassungen handelt es sich bei der sog. Raumdesinfektion nicht um die Desinfektion der Innenraumluft, sondern um die Desinfektion der raumbegrenzenden Oberflächen sowie der dem Desinfektionsmittel zugänglichen Oberflächen des Inventars. Da im Anschluss an die Verdampfung oder Verneblung eine zusätzliche mechanische Flächendesinfektion erforderlich ist, kommt die Raumdesinfektion kaum noch zur Anwendung. Möglicherweise erfahren diese Verfahren eine Renaissance aufgrund neuerer Untersuchungen zur Anwendung eines Wasserstoffperoxid(H2O2-Aerosols für die Oberflächendesinfektion (Pitten et al. 2008). H2O2weist ein breites Wirkungsspektrum gegen Bakterien inklusive Bakteriensporen, Pilze und Viren auf. Da H2O2 rasch in Wasser und freien Sauerstoff zerfällt, ist die Anwendung mit deutlich geringeren Risiken als bei der Verneblung oder Verdampfung von Formaldehyd verbunden. Die mit dem Aerosol behandelten Räume können unmittelbar nach ausgiebigem Lüften wieder betreten werden. Nachteilig ist lediglich der deutliche Wirkungsverlust von H2O2 in Gegenwart organischer Belastung (z. B. Blut). Toxikologisch ist zu beachten, ob H2O2 Stabilisatoren oder Zerfallskatalysatoren mit erhöhter Persistenz (z. B. Silber) enthalten kann. Standardhygiene Sie Isolierung:Desinfektion\"\r\"IsolierungDesinfbeinhaltet • Desinfektion:Isolierung\"\r\"IsolierungDesinfhygienische Händedesinfektion nach möglichem Erregerkontakt, Kontakt mit Körperflüssigkeiten, zwischen Patientenkontakten und nach Ablegen der Isolierungsmaßnahmen:StandardhygieneHandschuhe, • Schutzhandschuhe (Einmalhandschuhe nach EN 455: puderfrei, proteinarm), ggf. auch Schutzkittel bei zu erwartendem Kontakt mit erregerhaltigem Material, Körperflüssigkeiten, Wunden, Schleimhaut, ggf. Haut, • Instrumentendesinfektion, • Desinfektion von Kontaktflächen und kontaminierten Flächen, • sichere Entsorgung potenziell erregerhaltigen Materials (Kap. 6.7), • Schutz vor Stich- und Schnittverletzungen durch sicheren Umgang (inklusive stichfester Entsorgungsbehälter) mit benutzten Kanülen und anderen Sharps, • Impfschutz gegen impfpräventable Erkrankungen (Kap. 2.12). Die obligate Verwendung von Maske, Schutzbrille und besonderen Schuhen ist ebenso wenig erforderlich wie die routinemäßige Desinfektion patientenferner Flächen. Was die räumliche Isolierung betrifft, orientieren sich die Empfehlungen an der Infektiosität des Patienten und an der Erregerübertragung (Erregerausscheidung, Übertragungsweg), aber auch an Situationen, die besondere Maßnahmen im Krankenhaus erfordern (z. B. nicht kontrollierbare Durchfälle, Desorientierung), und an der Schutzbedürftigkeit, z. B. immunsupprimierte Patienten. Pflegerische, humanitäre oder organisatorische Gründe können ebenfalls eine Einzelunterbringung geraten sein lassen. Räume, in denen Patienten isoliert werden, müssen mit einer Sanitäreinheit, bestehend aus Toilette und Dusche, ausgestattet sein (Toilettenstuhl nur als Notbehelf). Inkubatoren sind als räumliche Isoliereinheit zu betrachten. Bezüglich PSA (Schutzkleidung, Schutzkittel, Handschuhe, Maske oder Gesichtsschutz) wird auf die PSA-BV und TRBA/BGR 250 verwiesen. Die Verwendung von Plastiküberschuhen wird nicht empfohlen, ein Schuhwechsel ist ggf. im Rahmen von Sonderisolierungen erforderlich. Durchführung von Isolierungsmaßnahmen – Beispiele aus der Praxis Die o. g. Grundsätze müssen für den Krankenhausalltag adaptiert werden. Dabei spielt es eine große Rolle, über welchen Ausbildungsstand das Personal verfügt, ob viele temporäre Mitarbeiter beschäftigt sind oder ein Ausbildungsauftrag im Rahmen einer Universitätsklinik vorliegt. Es müssen Kriterien festgelegt werden, die für alle Mitarbeiter verständlich und umsetzbar sind. Die nachfolgenden zur Isolierung von Patienten mit Kontaktinfektionen bzw. mit durch Tröpfchen oder aerogen übertragbaren Infektionserregern aufgeführten Maßnahmen sind für die spezifischen Erreger in einzelnen Merkblättern hausintern anzupassen. Grundsätzliche Überlegungen zur räumlichen Isolierung Seit bekannt ist, dass der bei weitem größte Teil relevanter Krankheitserreger durch direkten oder indirekten Kontakt übertragen wird, wurde das Konzept der Isolierung auf Isolierung:räumlicheeigens zu diesem Zweck errichteten Isolierstationen verlassen. Die vorher übliche separate Unterbringung von Virushepatitis- oder AIDS-Patienten auf eigenen Stationen hat sich erübrigt. Ohnehin machen unter den isolationspflichtigen Patienten jene den größten Anteil aus, die mit MRE besiedelt oder an ihnen erkrankt sind und die daher von den übrigen Patienten isoliert werden müssen. Bei jeder Isolierung ist im Wesentlichen darauf zu achten, dass das Personal vor Betreten der Patientenzimmer Schutzkleidung anlegt. Je nach Situation kann es erforderlich sein, vor dem Anlegen der Schutzkleidung die bereits angelegte Arbeitskleidung teilweise abzulegen (z. B. Arztkittel). Entscheidend ist, dass vor dem Verlassen des Patientenzimmers die möglicherweise kontaminierte Schutzkleidung im Patientenzimmer verbleibt und keinesfalls beim Verlassen des Patientenzimmers getragen wird. Der korrekte Ablauf des Betretens und Verlassens eines infektiösen Patientenzimmers beinhaltet daher folgende Schritte: • (ggf.) Ablegen eines Teils der Arbeitskleidung (z. B. Arztkittel), • Händedesinfektion, • Anlegen der Schutzkleidung (Schutzkittel, Schutzhandschuhe, Mund-Nasen-Schutz, Haarschutz), • Betreten des Patientenzimmers, • Verrichten pflegerischer oder ärztlicher Maßnahmen im Patientenzimmer, • vollständiges Ablegen der Schutzkleidung im Patientenzimmer nahe dem Ausgang, • Händedesinfektion, • Öffnen der Tür des Patientenzimmers mit der frisch desinfizierten Hand (die Hände sollten so feucht sein, dass die Türklinke durch diesen Kontakt praktisch desinfiziert wird), • Verschließen der Tür des Patientenzimmers von außen mit der noch vom Desinfektionsmittel feuchten Hand, • nochmalige Händedesinfektion, • (ggf.) Anlegen der zuvor abgelegten Arbeitskleidung (z. B. Arztkittel). Dieses Vorgehen gestaltet sich je nach räumlicher Konzeption des Patientenzimmers unterschiedlich schwierig. Problematisch ist insbesondere, dass häufig im Patientenzimmer die entsprechenden Abwurfbehältnisse für die kontaminierte Schutzkleidung nicht vorhanden sind. Auch die vor Betreten des Patientenzimmers anzulegende Schutzkleidung kann häufig nur auf dem Flur vor dem Patientenzimmer deponiert werden, was ebenfalls nicht wünschenswert ist. Kohortenisolierung Bei zahlreichen Erregern ist es möglich bzw. in Ausbruchsituationen sogar unumgänglich, Patienten in einer Kohorte zu isolieren. Kohortenisolierung bedeutet, dass Patienten, die mit dem gleichen Erreger infiziert oder besiedelt sind, gemeinsam in einem Patientenzimmer untergebracht werden. Der Entscheidung zur gemeinsamen KohortenisolierungUnterbringung infizierter oder kolonisierter Patienten muss immer eine ärztlicherseits vorzunehmende Risikoabwägung vorangehen. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, statt Kohortenisolierung auf der Isolierung in Einzelzimmern bzw. nur einfach belegten Mehrbettzimmern zu bestehen. Beispielsweise wird man einen Patienten mit Besiedlung oder Infektion eines hoch aggressiven C.-difficile-Stamms (z. B. Ribotyp 027) nicht mit einem anderen Patienten, der an einer C.-difficile-assoziierten Diarrhö (CDAD) erkrankt ist, zusammenlegen. Ebenso wenig erscheint es vertretbar, einen Patienten mit Besiedlung oder Infektion durch einen PVL-positiven cMRSA mit einem anderen MRSA-Stamm gemeinsam zu versorgen. Gerade bei der Unterbringung von MRSA-Patienten ist außerdem der konkrete Status des Patienten zu berücksichtigen. Einen Patienten mit einem frisch diagnostizierten MRSA, der am Beginn einer antiseptischen Sanierung steht, wird man sinnvollerweise nicht mit einem Patienten zusammenlegen, dessen Sanierung bereits kurz vor dem Abschluss steht oder bereits beendet wurde. Die pauschale Unterbringung von „MRSA-Patienten“ in „MRSA-Zimmern“ oder von „C.-difficile-Patienten“ in „C.-difficile-Zimmern“ wird dem Anliegen einer differenzierten Krankenhaushygiene nicht gerecht. Isolierung bei Kontaktinfektion Ziel ist die Vermeidung der Verbreitung der Erreger aus dem Patientenzimmer. Beispiele sind Isolierung:bei KontaktinfektionInfektion oder Besiedlung mit MRSA oder VRE und die C.-difficile-Kontaktinfektion:Isolierungassoziierte Diarrhö. Wichtigste Übertragungswege sind • Hände und kontaminierte Kleidungsstücke des Personals, • kontaminierte Flächen im Patientenzimmer, • kontaminierte Kontaktinfektion:ÜbertragungswegeOberflächen von MP oder anderen Gegenständen, die aus dem Zimmer herausgebracht werden. Spezielle Maßnahmen, die über die o. g. Maßnahmen der Standardhygiene hinausgehen, sind z. B. bei MRSA (Kap. 3.7) • konsequentes Tragen des Mund-Nasen-Schutzes zur Verhütung der Kontamination und späteren Besiedlung des Vestibulum nasi des Personals, • gezielte Antiseptik nach festgelegtem Sanierungsschema, • Patient darf Patientenzimmer nur unter besonderen Bedingungen verlassen (im Einzelfall erregerbezogen abklären!). Regelungen zur Desinfektion der Flächen, MP und Einrichtungsgegenstände beinhalten Angaben zur laufenden und zur Schlussdesinfektion. Die Aufhebung der Isolierung muss erregerbezogen getroffen werden (z. B. 3 negative MRSA-Abstrichserien an 3 aufeinanderfolgenden Tagen, frühestens 48 Stunden nach Beendigung der Sanierung). Isolierung bei Tröpfcheninfektion Ziel ist die Vermeidung der Erregerübertragung durch Tröpfchen (Durchmesser > 5 μm). Isolierung:bei TröpfcheninfektionBeispiele sind nachgewiesene oder vermutete Meningokokkenmeningitis bis 24 Tröpfcheninfektion:IsolierungStunden nach Beginn der Antibiotikatherapie, Pneumonie durch Influenza- oder Adeno- und Noroviren. Wichtigste Übertragungswege sind • Niesen, Husten, Sprechen, • Erbrechen (bei Noroviren!), • tracheales Absaugen. Spezielle, zusätzlich zur Tröpfcheninfektion:ÜbertragungswegeStandardhygiene und zur Vermeidung der Übertragung von Kontaktinfektionen erforderliche Maßnahmen sind • konsequentes Tragen eines geeigneten Mund-Nasen-Schutzes bei Personal und Besuchern. • Verlässt der Patient das Patientenzimmer, muss auch er einen Mund-Nasen-Schutz tragen, in der Regel reicht eine mehrlagige OP-Maske. Chemoprophylaxe bei engem Kontakt ist indiziert insbesondere bei Meningokokkenmeningitis, Abstimmung der Maßnahmen mit dem Gesundheitsamt. Isolierung bei luftübertragenen Infektionen Ziel ist die Vermeidung der Übertragung von Erregern über Aerosole. Isolierung:bei luftübertragenen InfektionenBeispiele sind offene Lungen-Tbk, Varizellen und generalisierter Herpes zoster. Wichtigste Übertragungswege sind • Niesen, Husten, Sprechen, • Erbrechen, • tracheales Absaugen (!), • Verwirbelung sedimentierten Staubs von kontaminierten Oberflächen, • Raumluft. Zusätzlich zu den bei der Isolierung von Patienten mit Tröpfcheninfektionen benannten Maßnahmen sind folgende Maßnahmen erforderlich: • Der Patient – erhält ein Einzelzimmer, sofern technisch möglich, mit negativem Innendruck (Fenster mit Schlüssel verriegeln und Türen geschlossen halten), – darf das Patientenzimmer für Untersuchungen (z. B. Röntgen) nur in Begleitung von instruiertem Personal verlassen, – trägt außerhalb des Patientenzimmers immer eine Schutzmaske mit > 99,7 % Filterwirkung oder eine partikelfiltrierende Halbmaske der Schutzstufe FFP 2S gem. EN 149, – wird angeleitet, Einwegtaschentücher zu verwenden und diese direkt in den bereitgestellten Abfallsack zu geben, – wird angeleitet, eine korrekte Händedesinfektion durchzuführen (insbesondere nach dem Hantieren mit Taschentüchern). • Personal, Besucher: Alle Personen, die das Isolierzimmer betreten, tragen eine Schutzmaske mit > 99,7 % Filterwirkung. Wird die Schutzmaske durchfeuchtet, ist sie gegen eine neue auszutauschen. In Deutschland wird für Personal und Besucher das Tragen einer partikelfiltrierenden Halbmaske der Schutzstufe FFP 2S (oder FFP 3S) nach EN 149 empfohlen. • Flächen und Gegenstände: laufende Desinfektion mit Präparaten auf der Basis tuberkulozider oder viruswirksamer Wirkstoffe (Konzentration gemäß VAH-Liste oder ÖGHMP-Expertisenverzeichnis). Maschinell desinfizierbare Gegenstände kontaminationssicher verpacken und an geeignetem Ort thermisch desinfizieren. Abfälle sind als infektiös zu entsorgen (Kap. 6.7).Isolierungsmaßnahmen:Durchführung\"\r\"Isolierungdurchfuehr 2.12 Impfprophylaxe und Personalschutz Isolierung\"\r\"IsolierungFrank-Albert Pitten und Axel Barrierenpflege\"\r\"IsolierungKramer Schutzimpfungen\t\"Siehe Impfung(en) Impfung(en)Schutzimpfungen gehören zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen in der Medizin, da sie nicht nur Individualschutz bewirken, sondern bei Erreichen hoher Durchimpfungsraten die Eliminierung oder weltweite Ausrottung einzelner Krankheitserreger ermöglichen. Der Impfschutz reicht allerdings in der deutschen Bevölkerung bei Weitem nicht aus, um das Auftreten bzw. die Weiterverbreitung bestimmter Infektionskrankheiten zu verhindern. Für Impfschutz, Bevölkerungmedizinisches Personal ist die Frage nach dem Durchimpfungsgrad aufgrund der beruflichen Exposition und der Patientengefährdung durch ungeimpftes Personal besonders brisant. Leider lässt die Akzeptanz von Schutzimpfungen im medizinischen Bereich sehr zu wünschen übrig (Kap. 7.5, Kap. 5.24). Hier liegt die wichtige Aufgabe der Betriebsärzte, die Aufklärung zu verbessern. Neben der Immunprophylaxe ist die Einhaltung weiterer infektionspräventiver Schutzmaßnahmen für das medizinische Personal wichtig. Gemäß TRBA 250/BGR 250 müssen alle Beschäftigten über notwendige Immunisierungsmaßnahmen bei Tätigkeitsaufnahme und aus gegebener Veranlassung informiert werden. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich insbesondere an den Empfehlungen der STIKO (2011). Aus Gründen der Aktualität wird empfohlen, die aktualisierten Publikationen der STIKO zur Impfprophylaxe auf der Homepage des RKI zu beachten. 2.12.1 Grundsätze Aufklärungspflicht Zu den Impfleistungen des Arztes gehören neben der Durchführung der Impfung die Erhebung der Anamnese (Frage nach Kontraindikationen), die Feststellung der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen sowie die umfassende Aufklärung des Impflings über die zu verhütende Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten, den Nutzen der Schutzimpfung für das Individuum und die Allgemeinheit, die Art des Impfstoffs, die Durchführung der Impfung, Beginn und Dauer des Impfschutzes, Verhalten nach der Impfung, Kontraindikationen, mögliche Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen und Termine für Folge- und Auffrischimpfungen (STIKO 2011). Die vorgenommene Aufklärung muss in den Unterlagen des Impfarztes dokumentiert werden. Kontraindikationen und Zeitabstände zu Impfungen Die Kontraindikationen sind im Detail den Fachinformationen der Impfstoffhersteller zu entnehmen. Nicht geimpft werden sollte Personal mit akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen (Impfung(en):KontraindikationenAusnahme postexpositionelle Impfung). Bei Patienten mit progressiven neurologischen Erkrankungen ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung empfehlenswert. Bei unerwünschten Wirkungen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung sollte bis zur Klärung der Ursache eine nochmalige Impfung mit dem gleichen Impfstoff vermieden werden. Bei erlittenem Impfschaden ist wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen ein Antrag auf Versorgung i. d. R. beim zuständigen Versorgungsamt zu stellen. Keine Kontraindikationen sind z. B. banale Infekte, auch mit subfebrilen Temperaturen (38,5 °C), möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit ansteckenden Krankheiten, Krampfanfälle in der Familie und Fieberkrämpfe in der Anamnese des Impflings, chronische Erkrankungen, nicht progrediente Erkrankungen des ZNS, Ekzeme und andere Dermatosen, lokalisierte Hautinfektionen, Behandlung mit Antibiotika oder niedrigen Kortikosteroiddosen, angeborene oder erworbene Immundefekte bei Impfung mit Totimpfstoffen (serologische Kontrolle des Impferfolgs!), Schwangerschaft der Mutter des Impflings (Varizellenimpfung nach Risikoabwägung), Neugeborenenikterus und Frühgeburtlichkeit (STIKO 2011). Bei Applikation von Lebendimpfstoffen sollte bei Immundefekten die Konsultation des behandelnden Arztes eingeholt werden. Allergien gegen Impfstoffbestandteile (z. B. Neomycin, Streptomycin, Hühnerproteine) sind potenzielle Kontraindikationen. In der Schwangerschaft sollten möglichst nur dringend indizierte Impfungen vorgenommen werden. Das gilt v. a. für Impfungen mit Lebendimpfstoffen, wobei eine versehentlich in der Schwangerschaft durchgeführte Impfung mit Lebendimpfstoffen jedoch keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch darstellt. Bei Gabe von Lebendimpfstoffen ist zu beachten, dass diese simultan oder i. d. R. in einem Mindestabstand von 4 Wochen zu verabreichen sind – Lebendimpfstoff(e)unter der Voraussetzung, dass die Impfreaktion Impfung(en):Zeitabständevollständig abgeklungen ist und keine Komplikationen aufgetreten sind. Bei Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen müssen keine Abstände, auch nicht zu Lebendimpfstoffen, beachtet werden. Nach Gabe von Immunglobulinen dürfen in einem Zeitraum von 3 Monaten keine parenteral zu verabreichenden Lebendimpfstoffe gegeben werden (STIKO 2011). Zeitpunkt der Impfung Bei medizinischem Personal ist der günstigste Zeitpunkt für Schutzimpfungen bzw. zur Überprüfung des Impfschutzes der Eintritt in das Berufsleben bzw. eine Neueinstellung. Schutzimpfungen sollten nach den von der STIKO empfohlenen Impfterminen durchgeführt werden. Bei Nichteinhaltung empfohlener Impfabstände muss mit dem Impfschema nicht neu begonnen werden, da jede Impfung zählt. So reicht auch nach einer über 10 Jahre zurückliegenden Grundimmunisierung gegen Diphtherie und Tetanus eine Boosterimpfung aus. Mindestabstände zwischen den Impfungen sind jedoch entsprechend Fachinformation einzuhalten. Im Internationalen Impfausweis sowie in den Unterlagen des Impfarztes ist die durchgeführte Impfung einschließlich Chargen-Nummer und Handelsname des Impfstoffs zu dokumentieren. Das gilt auch für serologische Befunde vor und nach der Impfung. Dokumentation und Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen In extrem seltenen Fällen werden unerwünschte Wirkungen beobachtet, die sofort diagnostisch abzuklären sind und umgehend dem Gesundheitsamt, der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und/oder der PEG gemeldet werden müssen. Außerdem sollte der Hersteller informiert werden. Der Geschädigte ist über die Möglichkeit einer Antragstellung auf Versorgung hinzuweisen. 2.12.2 Impfungen für medizinisches Personal Die im Einzelfall gebotenen Maßnahmen zur Immunisierung sind im Einvernehmen mit dem Arzt, der die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen durchführt, festzulegen. Die Immunisierung ist kostenlos zu ermöglichen (Kap. 5.29). Es wird allen Beschäftigten im Gesundheitsdienst dringend empfohlen, von der Möglichkeit der Hepatitis-B-Schutzimpfung Gebrauch zu machen. Nachfolgende Schutzimpfungen werden für das gesamte medizinische Personal einschließlich Auszubildender, Praktikanten, Studenten, Reinigungspersonal, Hebammen, externer Dienstleister mit Patientenkontakt (z. B. Fußpflege, Friseur, Physiotherapie) empfohlen: Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Hepatitis A, Hepatitis B, Virusgrippe (Influenza), Pertussis, Masern, Mumps, Röteln. Bei Tätigkeiten in Bereichen mit erhöhter Gesundheitsgefährdung für Patient und Personal (z. B. Pädiatrie, Onkologie, Intensivtherapie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Kinderpsychiatrie, Laborpersonal) sind darüber hinaus weitere Impfungen angezeigt. Krankenhauspersonal mit unklarer Varizellenanamnese sowie unklarem Impfstatus bedarf der serologischen Abklärung des Antikörperstatus. Bei mangelndem Schutz ist die Impfung indiziert, das trifft insbesondere für seronegatives Personal in den Bereichen Pädiatrie, Onkologie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Intensivmedizin und Betreuung immunsupprimierter Patienten zu. Mitarbeiter > 60 Jahren sollten gegen Pneumokokkeninfektionen immunisiert werden. Da die Anzahl älterer Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Pflege in Zukunft deutlich ansteigen wird, zeichnet sich hier ein erheblicher Bedarf ab. Die Schutzimpfung gegen Tuberkulose auf der Grundlage der BCG-Impfung wird nicht mehr empfohlen, da sie keinen sicheren Schutz vor der Infektion bietet. Außerdem behindert die durchgeführte BCG-Impfung die Frühdiagnostik nach möglichem Kontakt mit Mykobakterien. Virusgrippe (Influenza): Die Schutzimpfung gegen die saisonale Influenza wird für das gesamte Personal empfohlen. Hierbei ist der jeweils aktuelle Impfstoff, der die aktuellen saisonalen Varianten umfasst, anzuwenden. Die Impfraten gegen Influenza sind in den meisten Einrichtungen des Gesundheitswesens deutlich zu niedrig. Dabei kommt einer Immunisierung des medizinischen Personals gerade zum Patientenschutz eine besondere Bedeutung zu, da gesichert ist, dass Influenzaviren bereits in der Inkubationszeit übertragen werden können. Gewöhnlich wird seitens des betriebsärztlichen/arbeitsmedizinischen Dienstes der Krankenhäuser jeweils im Herbst dem medizinischen Personal die Influenza-Schutzimpfung angeboten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass das keinesfalls ausreicht, da das Angebot nur selten in Anspruch genommen wird. Besonders hohe Impfraten können nach eigener Erfahrung erzielt werden, wenn der Betriebsarzt auf die Mitarbeiter zugeht, d. h. im Allgemeinen die Impfung auf den Stationen bzw. in den einzelnen Pflegeeinheiten anbietet. Bezüglich der Anwendungshinweise der Schutzimpfungen wird auf die STIKO-Empfehlungen verwiesen. 2.12.3 Postexpositionsprophylaxe (PEP) Sie Impfung(en):medizinisches Personal\"\r\"ImpfmedPerskann bei gegebener Indikation vor Meningokokkenmeningitis, HBV, HIV (Kap. 5.29), Tetanus und Tollwut schützen. Bezüglich der Anwendung der zur PEP Postexpositionsprophylaxeempfohlenen Impfstoffe und antibakteriellen bzw. antiviralen Chemotherapeutika wird auf die jeweils aktuellen STIKO-Empfehlungen hingewiesen. 2.12.4 Weitere Maßnahmen zum Personalschutz Grundsätzlich sind folgende allgemeine Personalschutz:MaßnahmenSchutzmaßnahmen einzuhalten: • Anwendung medizinischer Schutzhandschuhe und Auswahl zwischen Handschuhen unterschiedlicher Qualität in Abhängigkeit von der Art der zu erwartenden Kontamination (AWMF 2009), • Tragen von Schutzkitteln bei möglichem Kontakt mit erregerhaltigem Material, kontaminierten Objekten oder erkrankten Personen (Kap. 5.1), • Tragen von Mund-Nasen-Mund-Nasen-SchutzSchutz/Gesichtsschutz bei Gefahr der Aerosolbildung und des Verspritzens von Blut oder Körpersekreten, • Tragen einer Schutzbrille beim Ansetzen von Desinfektionslösungen, • Entsorgung von Kanülen, Spritzen, Ampullen, Skalpellen und Klingen sowie sonstigen spitzen Gegenständen in flüssigkeitsdichten, bruch-, stich- und verschlusssicheren Behältnissen, • kein Biegen, Abknicken oder Zurückstecken verwendeter Kanülen in die Kanülenschutzhülle, • kein blindes Anreichen oder Greifen von Instrumentarium, • keine Aufbewahrung scharfer und spitzer Gegenstände in Kitteltaschen und keine Entsorgung in Plastiksäcken, • Verwendung von Einwegspritzen und -nadeln sowie geschlossener Systeme zur Blutentnahme (sog. Safety-Systeme), • Verwendung verletzungssicherer Punktionssysteme, • kein Mundpipettieren. Die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung ist gesetzlich in der entsprechenden Verordnung geregelt (PSA-Benutzerverordnung). Zum Schutz bei offener Tbk wird bei erhöhtem Risiko das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes der Schutzstufe FFP2 empfohlen. Dazu gehören der Verdacht bei noch nicht begonnener Chemotherapie, das Vorliegen säurefester Stäbchen im Sputum, Husten auslösende Maßnahmen (z. B. Bronchoskopie), zahnärztliche Behandlung und Erkrankung durch multiresistente Tbk. Partikelfiltrierende Halbmasken sollen nur von einer Person getragen werden. Die Einsatzdauer wird nur von ästhetischen Gesichtspunkten und von dem über die Tragezeit wachsenden Atemwiderstand bestimmt. Hinweise zu Schutzmaßnahmen bei weiteren Infektionskrankheiten Kap. 2.11, für spezielle Personengruppen Kap. 5.29, bei der Entsorgung Kap. 6.7 und im Rahmen der Händehygiene Kap. 2.1. Eine Empfehlung zur Auswahl von Atemschutz geben die BGW in ihren Empfehlungen „Schutzmaßnahmen bei luftgetragenen Infektionen“ sowie die Leitlinie des Arbeitskreises Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF „Atemschutz bei aerogen übertragbaren Krankheiten“. Zur Prävention blutübertragbarer Viruskrankheiten wird auf die 2011 aktualisierte Leitlinie des o. g. Arbeitkreises verwiesen. 2.13 Vorbeugung und Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen Impfprophylaxe\"\r\"IsolierungDesinfWalter A. Maier 2.13.1 Ektoparasiten Personalschutz\"\r\"IsolierungDesinf Ektoparasiten sind auf Blut als Nahrung angewiesen, können dabei Krankheitserreger aufnehmen und bei erneuter Blutmahlzeit auf andere Menschen übertragen. Während sie durch die Stiche meist nur lästig werden, erlangen sie wegen der Möglichkeit der Übertragung (Vektoren) von Krankheitserregern (Hoffmann 2000, Faulde und Hoffmann 2001, Maier 2002, Maier et al. 2003, Süß und Schrader 2004, Süß et al. 2004) größere Bedeutung (Tab. 2.33 ). Tab. 2.33 Medizinische Bedeutung von Insekten, Zecken und Milben.TaubenzeckenStechmückenSchamlausMenschenflohLaufmilbenKrätzemilbenKopflausKleiderlausKatzenflohHundeflohHolzbockFliegenBettwanzen Vektor Diagnose Krankheit Erregerübertragung Pediculus capitis (Kopflaus) Nissen am Haar,mikroskopische Diagnose, Stichreaktion Pediculosis Rickettsien, Borrelien und andere Erreger Pediculus humanus (Kleiderlaus) Nissen an Kleidern,mikroskopische Diagnose, Stichreaktion Pediculosis Rickettsien, Borrelien und andere Erreger Phthirus pubis (Schamlaus) Nissen am Schamhaar, mikroskopische Diagnose, Stichreaktion Pediculosis Rickettsien, Borrelien und andere Erreger Pulex irritans (Menschenfloh) Flohstichreaktionmikroskopische Identifizierung der Adulten Flohbefall Vektor für Pest, Rickettsien Ctenocephalides felis (Katzenfloh) Flohstichreaktionmikroskopische Identifizierung der Adulten Flohbefall Zwischenwirt für die Bandwurmgattung Hymenolepis Ctenocephalides canis (Hundefloh) Flohstichreaktionmikroskopische Identifizierung der Adulten Flohbefall Zwischenwirt für die Bandwurmgattung Hymenolepis Cimex lectularius (Bettwanze) Stichreaktion,makroskopische Identifizierung Wanzenbefall U. U. HBsAg-positiv Culicidae (Stechmücken) Stichreaktion,makroskopische Identifizierung Siehe Text Malaria, Gelb-, Dengue-Fieber Filariosen Fliegen Makroskopische Diagnose U. U. Myiasis Viren, Rickettsien, Bakterien Ixodes ricinus (Holzbock) Makroskopische Diagnose Stichreaktion (Paralyse) FSME, Borrelia burgdorferi u. a. Argas reflexus (Taubenzecke) Makroskopische Diagnose Stichreaktion (Paralyse) Krätzemilben Mikroskopische Diagnosen Krätze – Trombiculidae (Laufmilben) Mikroskopische Diagnose Stichreaktion Rickettsien, Borrelien? Läuse Der Mensch kann von der Kleider-, der Kopf- und der Schamlaus befallen werden. Läuse sind die einzigen ektoparasitischen Insekten, die ausschließlich vom Blut des Menschen leben und deren Entwicklungsstadien (Eier, Larven, Adulte) sich ständig auf dem Menschen aufhalten. Eier werden an Haaren (Kopf- und Schamlaus) oder Kleidung (Kleiderlaus) angeklebt. Läuse können nicht fliegen oder springen. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit der befallenen Person. Die Stiche verursachen einen intensiven Juckreiz. Das dadurch ausgelöste Kratzen führt oft zu Hautentzündungen (Dermatitis, Impetigo u. Ä.) vor allem durch Staphylokokkeninfektion. Ob Läuse zu Krankheitsüberträgern werden, hängt von zwei Voraussetzungen ab: Es müssen erkrankte Patienten vorhanden sein, an denen sich die Läuse infizieren können, und die Läuse:KrankheitsübertragungDichte des Läusebefalls in der Bevölkerung muss ausreichen. In Notzeiten (nach Naturkatastrophen, im Krieg, in Flüchtlingslagern usw.), wenn kein regelmäßiger Kleiderwechsel möglich ist, können Kleiderläuse in Massen auftreten und zu Krankheitsüberträgern werden (Fournier et al. 2002). Vor allem für die Ausbreitung des Fleckfiebers (Rickettsia prowazeki), des Rückfallfiebers (Borrelia recurrentis), aber auch des Wolhynischen Fiebers (Bartonella quintana) sind sie von großer Bedeutung. Die Erreger werden nicht durch den Stich übertragen. Sie können aber im Läusekot mehrere Wochen überleben und mit Staub inhaliert (v. a. Rickettsien) oder nach Zerquetschen der Laus in kleinste Hautverletzungen (v. a. Borrelien) eingerieben werden. Bei Patienten mit diesen Krankheiten, z. B. auch einem Spätrückfall von Fleckfieber (Brill-Zinsser-Krankheit), muss besonders darauf geachtet werden, dass sie frei von Läusen sind. Kleiderlaus: Als wichtigster potenzieller Vektor ist sie in Mitteleuropa nur bei verwahrlosten Personen oder Personen ohne festen Wohnsitz zu finden. Kopflaus: Die Zahl der KleiderlausKopflausträger hat alarmierende Werte erreicht, denn P. capitis kann sich auch bei sehr gepflegten Personen halten. Die Kopflaus hält sich überwiegend im Kopfhaar, bevorzugt am Hinterkopf und auf Kopflausdem Haarboden, auf. Besteht der Befall längere Zeit, können auch Bart-, Achsel- und Schamhaare befallen sein. Die Weibchen sind 2–3,5 mm groß und legen ihre Eier etwas oberhalb der Haarwurzel ab. Nach der Eiablage vergehen etwa 6–9 Tage bis zum Schlüpfen des ersten Larvenstadiums. Die Gesamtentwicklung vom Ei zur Laus dauert je nach Temperatur 2–3 Wochen. Der einzig wichtige Übertragungsmodus der Kopflaus ist der direkte Kopfkontakt, wie er unter befreundeten Kindern üblich ist. Solange sich die Läuse auf dem Menschen aufhalten, läuft die Entwicklung relativ regelmäßig ab, da die Temperaturverhältnisse günstig sind und Nahrung jederzeit verfügbar ist. Verlieren sie jedoch den Kontakt zum Wirt, wird die Entwicklung wegen der niedrigeren Temperatur und des Nahrungsmangels negativ beeinflusst. Unter 22 °C kann sich im Ei keine Larve entwickeln, unter 12 °C legen die Weibchen keine Eier mehr ab. Temperaturen über 37 °C meiden Läuse. Daher verlassen sie einen fieberkranken Patienten. Temperaturen über 47 °C töten die Läuse in etwa 1 Stunde. Gegen Kälte sind Eier und Läuse toleranter. Nissen können bei 15 °C bis zu 9 Tage überleben, bei –10 °C allerdings nur noch 20 Stunden. Sie können also mit Haaren an Mützen, Kämmen oder Polstern auf andere Menschen gelangen. Vitale Larven und Adulte verlassen den Menschen jedoch niemals freiwillig, sodass dieser Übertragungsweg keine Rolle spielt. Für diese blutsaugenden Stadien spielt bei einer Trennung vom Wirt Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsmangel die entscheidende Rolle, denn sie können bei sonst noch günstigen Temperaturen, z. B. 30 °C, nur 1 Tag überleben. Bei 23 °C sind nach 2 Tagen schon über 70 % der Weibchen verstorben. Gem. § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, bei denen ein Kopflausbefall festgestellt wurde, in den in § 33 IfSG genannten Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeit ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach der Entscheidung des behandelnden Arztes eine Weiterverbreitung der Verlausung durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Dieses Verbot gilt entsprechend für die in der Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen mit der Maßgabe, dass sie die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen. Gem. § 34 Abs. 5 IfSG haben die genannten Beschäftigten und die Betreuten bzw. deren Sorgeberechtigte über eine Verlausung der Gemeinschaftseinrichtung unverzüglich Mitteilung zu machen. Nach Abs. 6 benachrichtigt darüber die Leitung der Einrichtung das Gesundheitsamt. Gemäß § 17 (5) können die Landesregierungen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Kopfläusen und Krätzemilben erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. § 36 IfSG bestimmt außerdem, dass neben den in § 33 IfSG genannten Einrichtungen auch Häuser der stationären Pflege und Betreuung, Wohnheime und Massenunterkünfte der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegen. Treten z. B. in Krankenhäusern, Obdachlosenunterkünften oder Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber, Flüchtlinge und Spätaussiedler Läuse auf, gelten die obigen Ausführungen in gleicher Weise. Kleiderlaus: Sie entwickelt sich weitgehend wie die Kopflaus, ist aber etwas größer (3,3–3,8 mm) und robuster. Sie hält sich im Bereich der Körperhaare zwischen Körperoberfläche und Unterwäsche auf, Kleiderlauslegt aber ihre Nissen nicht an Körperhaare, sondern an Stofffasern (meist an Nähten) ab. Da die Larven erst 1–2 Wochen später schlüpfen, verhindert regelmäßiger Wechsel der Unterwäsche, wenigstens einmal wöchentlich, Kleiderlausbefall. Durch das Wäschewaschen bei mindestens 60 °C werden Nissen und Läuse getötet. Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kleiderlausbefall genügen Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung hygienischer Bedingungen, d. h. Körperhygiene und regelmäßiger Wechsel der Unterwäsche. Für die Entwesung der Umgebung können, falls nötig, Detmol-per® (enthält Permethrin und Pyrethrum) und Blattanex-Staub® (enthält Propoxur) verwendet werden. Filz- oder Schamlaus: Sie ist mit 1,25–2 mm die kleinste Laus des Menschen und hat eine gedrungene Gestalt. Filzläuse sind träger als Kopf- Schamlausund Kleiderläuse und lassen ihre Mundwerkzeuge Filzlaus\t\"Siehe Schamlausoft stundenlang an derselben Stelle eingestochen. Daher wechseln sie nicht so leicht den Wirt. Ihr Auftreten kann dem Arzt als Hinweis auf möglicherweise vorhandene Geschlechtskrankheiten dienen (Ko und Elston 2004). Neben dem bevorzugten Aufenthaltsort, den Schamhaaren, findet man sie gelegentlich auch in groben Körperhaaren (Bart-, Augenbrauen- und Achselhaare). Der Befall führt zu ähnlichen Hautreaktionen wie bei der Kopflaus. Darüber hinaus bilden sich an der Einstichstelle oft bläuliche Hautveränderungen (Maculae caeruleae), die diagnostische Bedeutung haben können. Die Behandlung (s. u.) muss auf die empfindlichere Haut der Genitalregion Rücksicht nehmen. Außerdem muss der Geschlechtspartner mitbehandelt werden. Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kleiderlausbefall genügen Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung hygienischer Bedingungen, d. h. Körperhygiene und regelmäßiger Kleiderlaus:VorbeugungWechsel der Unterwäsche. Für die Entwesung der Umgebung Kleiderlaus:Behandlungkönnen, falls nötig, Detmol-per® (enthält Permethrin und Pyrethrum) und Blattanex-Staub® (enthält Propoxur) verwendet werden. Kopf- und Schamlaus können nicht ohne gezielte Behandlung des Patienten beseitigt werden. Hierzu werden primär Insektizide eingesetzt (Schamlaus:BehandlungBurkhart 2004), z. B. Jacutin® Gel (enthält Lindan), Kopflaus:BehandlungJacutin® N (enthält Allethrin, ein Pyrethroid), Infectopedicul® (enthält Permethrin) und Goldgeist® forte (enthält Pyrethrum; Anonymus 2000). Bemühungen, das relativ toxische Lindan durch minder toxische Pyrethroide zu ersetzen, sind wegen der Diskussion um diese Substanzgruppe (s. u.) erschwert. Ob als langfristige Alternative eine systemische oder topische Applikation des Anthelminthikums Ivermectin zur Läusebehandlung eingesetzt werden sollte, ist offen (Ko und Elston 2004). Grundsätzlich sollte die topische Behandlung nach 8 Tagen wiederholt werden, da die Nissen nicht immer zuverlässig abgetötet werden (Maier und Habedank 2002). Man vernichtet auf diese Weise auch die inzwischen aus den Nissen geschlüpften Larven. Nissen haften so fest an den Haaren, dass sie weder durch Kopfwäsche noch durch Insektizidbehandlung abgelöst werden können. Vor allem aus optischen Gründen ist daher bei starkem Befall zu empfehlen, die Nissen (voll oder schon leer) mithilfe eines Nissenkamms (mit sehr engstehenden Zinken) mechanisch zu dezimieren. Flöhe Flöhe können Krankheitserreger wie Yersinia pestis, Läuse\"\r\"MPAufbereitung Rickettsia typhi, R. felis und Bartonella henselae (Azad et al. 1997) übertragen, dieses Risiko scheint zuzunehmen (Flöhe:KrankheitsübertragungRolain et al. 2003). Katzen, Hunde, Vögel und andere Tiere als natürliche Wirte von Flöhen (und von Krankheitserregern) dürfen wegen des Risikos einer Krankheitsübertragung im Krankenhaus nicht geduldet werden. Blindenhunde, die der besonderen tierärztlichen Überwachung unterliegen, sind hiervon ausgenommen. Die blinden, fußlosen, etwa 5 mm großen Flohlarven leben im Schmutz, die Larven des Menschenflohs (Pulex irritans) außer in Schweineställen auch in Fußbodenritzen. In fugenlosen und sauberen Böden können sie sich nicht halten. Flöhe stechen gern an Körperstellen, an denen die MenschenflohKleidung eng anliegt. Dort hinterlassen sie oft „perlschnurartige“ Stichfolgen mit heftigem Juckreiz. Um das scheinbar unerklärliche, plötzliche Auftreten einer Flohplage erklären zu können, müssen die Flöhe identifiziert werden. Mit Hilfe eines Bestimmungsschlüssels (z. B. Weidner 1993) ist das mit einem einfachen Mikroskop zumindest für die hausbewohnenden Floharten möglich. Die in Mitteleuropa häufigsten Floharten mit humanmedizinischer Bedeutung sind der Katzenfloh (Ctenocephalides felis; Größe 1,5–3,2 mm), der Hundefloh (Ctenocephalides canis; Größe 1,5–3 mm), der Hühnerfloh Katzenfloh(Ceratophyllus gallinae; Größe 1–3 mm), der Rattenfloh Hundefloh(Nosopsyllus fasciatus) und der Menschenfloh Hühnerfloh(Pulex irritans). Zur Flohbekämpfung genügt es, die Kleider des befallenen Menschen mit einem Insektizid zu behandeln. Um Neubefall zu verhindern, muss die Brutstätte ermittelt und entwest werden. Die Behandlung befallener Tiere Rattenflohist Aufgabe des Tierarztes, spielt aber wegen des Verbots der MenschenflohTierhaltung im Krankenhaus (s. o.) keine Rolle. Anschließend ist für regelmäßige Reinigung zu sorgen. Meist Flöhe:Behandlunggenügt als Insektizid das pflanzliche Pyrethrum, das bei sachgemäßer Anwendung und vor allem weil es keine Dauerwirkung entfaltet, auch im Wohn- und Schlafbereich eingesetzt werden kann. Zur Larvenbekämpfung werden die Entwicklungshemmer Fenoxycarb, Methopren und Pyriproxyfen empfohlen. Bettwanzen Die einzige medizinisch wichtige Wanze, die in Europa regelmäßig in Häusern vorkommt, ist die nur 4–8 Flöhe\"\r\"flohmm große, flügellose Bettwanze (Cimex lectularius). Larven und Adulte stechen nur Bettwanzennachts, verstecken sich tagsüber in Spalten hinter Tapeten, Fußleisten, Möbeln usw. Sie können auch aus Taubennestern und Tierställen in bewohnte Räume einwandern. Stiche findet man vor allem auf den nachts unbedeckten Körperstellen. Die Stichreaktion ist von Mensch zu Mensch verschieden. Als Krankheitsüberträger scheinen Wanzen keine Rolle zu spielen, obwohl HBsAg im Kot infizierter Wanzen über längere Zeit nachweisbar war (Ogston et al. 1980). Über das Auftreten von Bettwanzen in Krankenhäusern ist in den letzten Jahrzehnten nicht berichtet worden (zur weiteren Information z. B. Martini 1952, Service 1980). Stechmücken Stechmücken der Gattungen Anopheles, Aedes, Ochlerotatus, Culex, Culiseta und Coquillettidia sind weltweit von Bedeutung als lästige Blutsauger und einige Arten als gefürchtete StechmückenKrankheitsüberträger. Auch in Europa werden Plasmodien, Viren, z. B. West-Nil-, Tahyna-, Calovo- oder Sindbis-Viren, auf Menschen übertragen; wie häufig solche Fälle sind, ist unbekannt (Maier 2002). 1997 kam es zu zwei autochthonen P.-falciparum-Fällen in einem Krankenhaus in Deutschland (Krüger et al. 2001) und das West-Nil-Virus erregt heute nicht nur in den USA Besorgnis. Zunehmend häufiger müssen Malariafälle in deutschen Krankenhäusern behandelt werden. Nach Therapie einer Malaria tropica bleiben oft die für die Anophelesmücke infektiösen Gametozyten noch wochenlang im Blut des geheilten Patienten und können die Infektion an den Vektor Anopheles weitergeben. Die Gametozyten der Erreger der Malaria tertiana und quartana werden dagegen ebenso wie die ungeschlechtlichen Stadien durch die blutschizontoziden Medikamente abgetötet, sodass bei rechtzeitiger Therapie kein Risiko einer Malariaausbreitung im Krankenhaus besteht. Immerhin muss in Erinnerung behalten werden, dass Plasmodium vivax auch in Deutschland bis nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitet war und bis heute die Malaria nicht aus Europa verschwunden ist. Stechmücken sollten im Krankenhausbereich nicht geduldet werden. Man muss im Gegenteil dafür sorgen, dass potenzielle Brutstätten (Regentonnen, Zierteiche etc.) in der Nähe durch Abdecken, Trockenlegen oder Fischbesatz reduziert werden. Fliegengitter an den Fenstern verhindern das nächtliche Eindringen in Zimmer. Eingedrungene Mücken können mit einem Pyrethrum-Spray abgetötet werden. Zecken und Milben Der Körperbau der Milben und Zecken ist vergleichbar. Sie unterscheiden sich nur durch die Größe. Holzbock (Ixodes ricinus): Die Larven (0,6–1,2 mm), Nymphen (1,1–2 mm) oder Adulte (2,5–5 bzw. 14 mm) werden von Waldspaziergängern oder von Haustieren (Hund, HolzbockKatze) in die Häuser gebracht. Eine Vermehrung ist Zeckenin zentralbeheizten trockenen Räumen unmöglich. Entfernung der stechenden Zecke innerhalb von 24–48 Stunden lässt eine Übertragung von Borrelia burgdorferi durch I. ricinus unwahrscheinlich werden, verhindert aber nicht die Übertragung des FSME-Virus. Zum Entfernen der Zecke kein Öl, Aceton o. Ä. verwenden und möglichst keinen Druck auf das Idiosoma ausüben, weil B. burgdorferi sonst regurgitativ übertragen werden kann. Die Zecke soll möglichst am Capitulum gepackt und mechanisch entfernt werden. Vorheriges Hin- und Herdrehen scheint das Entfernen zu erleichtern. Wird die Zecke nicht entfernt, fällt sie nach einigen Tagen vollgesogen ab. Durch ein Toxin kann es in ungünstigen Fällen (Befall am Hinterkopf) zu Lähmungen kommen. Taubenzecken (Argas reflexus) leben oft im Dachstuhl alter Häuser, die von Tauben besiedelt werden oder wurden. Sie saugen in allen Entwicklungsstadien Blut, ähnlich wie Bettwanzen, und werden mit diesen auch Taubenzeckenverwechselt. In befallenen Häusern können sie viele Jahre ohne Nahrung überleben und befallen Menschen in den oberen Stockwerken, wenn keine Tauben als Blutquelle mehr zur Verfügung stehen oder die verseuchten Räume als Wohnung ausgebaut werden. Taubenzecken zu vernichten ist schwierig und sollte Fachleuten vorbehalten bleiben, die ein Kombinationsverfahren aus Sprüh-, Stäube-, Schaum- und Nebelmitteln einsetzen können (Anonymus 2000). Krätzemilbe: Der Erreger der Skabies oder Krätze ist nur 0,2–0,45 mm groß. MilbenDie Milbe lebt eigentlich schon „Krätzemilbenendoparasitisch“ im Stratum corneum der Haut. Die Weibchen graben Bohrgänge, in denen sie vom Zellsaft Krätze\t\"Siehe Skabiesbeschädigter Zellen leben und ihre Faeces absetzen. Bevorzugt werden Stellen, an denen die Haut dünn und faltig ist, meist zwischen den Fingern und am Handgelenk, aber auch an Ellenbogen, Füßen, Penis, Skrotum, Gesäß und Achselhöhlen, bei Frauen auch im Bereich der Brüste und Brustwarzen. Im Bohrgang werden die Eier abgelegt; die nach 3–8 Tagen schlüpfenden Larven häuten sich 2-mal, bis nach 4–6 Tagen die adulten Milben entstehen. Erst wenn die Weibchen auf der Haut befruchtet wurden, bohren sie sich in die Haut desselben oder eines anderen Wirts ein. Der Gesamtzyklus von Ei zu Ei dauert 14–31 Tage. Ansteckung ist nur durch intimen, persönlichen Kontakt möglich, z. B. wenn gleichzeitig dasselbe Bett benutzt wird. Man nimmt an, dass für eine Übertragung eine Mindestkontaktdauer von 10–15 Minuten notwendig ist. Eine Übertragung durch Bettwäsche kann normalerweise ausgeschlossen werden, obwohl die Milben 2–4 Tage, unter günstigen Bedingungen sogar etwa 1 Woche fern vom Menschen überleben können. Es gibt aber besonders heftige Verlaufsformen der Skabies (s. u.), bei denen wegen der starken Milbenvermehrung die Ansteckungsgefahr bedeutend höher ist. In solchen Fällen muss die Wäsche entweder bei über 50 °C gewaschen, 4 Tage im Plastikbeutel gelagert oder mit einem Insektizid eingesprüht werden. Auch das Bügeln der Wäsche tötet Milben ab. Die Diagnose der Skabies ist nur bei mikroskopischem Nachweis der Milben eindeutig gesichert. Dazu sucht man das etwas breitere Ende eines Bohrgangs in der Haut, in dem die Weibchen zu vermuten sind, entfernt mit scharfer Kanülenspitze die Haut und überträgt die Milben, die meist an der Nadelspitze hängen bleiben, auf einen Objektträger, eventuell mit einem Tropfen Immersionsöl. Das klinische Bild der Skabies ist bei wiederholter Infektion ausgeprägter als bei Erstinfektion. Die schwere Hautreizung, die dabei entsteht, veranlasst zu heftigem und anhaltendem Kratzen, v. a. nachts. Sekundärinfektionen sind meist die Folge. Eine besonders schwere Form ist die „norwegische Krätze“, die durch Bildung einer dicken Hornschicht über Händen und Füßen und papulären Eruptionen an anderen Körperstellen imponiert. Obwohl die Zahl der Milben sehr hoch ist, verspürt der Patient in diesem Fall kaum Juckreiz. Vermutlich ist eine Abschwächung des Immunsystems die Ursache (die Verwendung von Kortikosteroiden hat zu dieser Form der Krätze geführt). Epidemisches Auftreten ist in Asylantenheimen, Altenheimen, Krankenhäusern nicht selten. Bei leukämischen Kindern soll sie sich ebenfalls ausbreiten (Gröschel 1981). Die Behandlung der Krätze muss dermatologisch durchgeführt werden. Wie bei Pediculosis hatte sich Lindan (Jacutin®, Quellada®) zur Therapie bewährt, u. U. muss nach 2–7 Tagen die Behandlung wiederholt werden. Wegen der geringeren Toxizität werden heute aber Pyrethroide, z. B. Permethrin und Allethrin, bevorzugt (Reich 1996). Bei AIDS-Patienten hat sich Ivermectin als Medikament in einmaliger oraler Dosis offenbar bewährt (Wolff und Koch 1998, Cook und Romanelli 2003). Andere Autoren (Ko et al. 2004) warnen jedoch vor dem Einsatz von Ivermectin wegen angeblich ungeklärter Todesfälle bei Scabies-Behandlung. Räudeerreger (Sarcoptes spp.): Sie können von Hund, Katze, Rind, Schaf, Pferd usw. gelegentlich auf den Skabies\"\r\"SkabiesMenschen übergehen („animale Skabies“). Ohne Neuinfektion kommt es jedoch rasch zur Selbstheilung. Räudeerreger Herbstmilben (Trombiculidae): Die nur 0,3 mm großen Larven (Trombiculidae) werden von März bis September in verseuchten Regionen (Gärten, Parkanlagen, Wiesen, Felder) von Mensch und Haustier in die Wohnungen Herbstmilbengebracht. Die vollgesogenen Milben fallen ab und können sich im Haus nicht weiterentwickeln. Der Erregernachweis am Patienten ist schwierig, das Krankheitsbild aber charakteristisch mit zahlreichen Papeln als Stichreaktion im Bereich der Unterwäsche (Oberschenkel bis Gürtellinie, bei Frauen auch BH-Bereich) wenige Stunden nach einem Besuch im Trombidioseherd. Die Therapie ist symptomatisch, vorbeugend können Repellentien verwendet werden (vgl. Mumcuoglu und Rufli 1983). Haarbalgmilben (Demodex folliculorum, Demodicidae): Sie sind häufig in Haarfollikeln und Talgdrüsen des Gesichts zu finden. Erkrankungen sind selten. Vogelmilben (Haarbalgmilben Dermanyssidae): Sie können von Vogelnestern in Wohnräume, Patientenzimmer usw. eindringen. Die Stichreaktion kann mit Skabies verwechselt werden, daher ist die mikroskopische VogelmilbenDiagnose der Milben notwendig. Vorratsmilben (Tyroglyphoidea) und Hausstaubmilben (Pyroglyphidae): Sie sind keine parasitären Milben, können jedoch zu allergischen VorratsmilbenReaktionen führen. Der Befall kann mikroskopisch nachgewiesen werden (Elixmann 1991).Hausstaubmilben 2.13.2 Hygieneschädlinge Während für Vektoren das Insekt oder die Zecke zur Vollendung des Entwicklungszyklus, verbunden meist mit starker Vermehrung, obligatorisch ist, transportieren die sog. Verschlepper (Vektoren im weiteren Sinne) Krankheitserreger z. B. aus dem Toilettenbereich auf Lebensmittel. Die betreffenden Erreger vermehren sich dabei meist nicht und sind auch nicht auf Arthropoden Ektoparasiten\"\r\"Ektoparasitenzur Vollendung ihrer Entwicklung angewiesen. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren müssen sie im Krankenhausbereich nachdrücklich bekämpft werden. Zur hygienisch bedenklichen Situation kann es kommen, wenn die Tiere in einer Region auftreten, in der einerseits Krankheitserreger vorhanden sind, andererseits Speisen oder Wunden kontaminiert werden können. Diese Situation kann in Krankenhäusern gegeben sein, selten dagegen in Privathaushalten. Fliegen Stubenfliegen (Muscidae): Hierzu gehören die große Stubenfliege (Musca domestica), die Hausfliege (Musca stabilans), die kleine Stubenfliege (Fannia canicularis) und die Latrinenfliege (Fannia Stubenfliegen scalaris). Diese Fliegen legen ihre Eier mit Vorliebe in menschlichen und tierischen Fäkalien ab. Schon die Larven und Puppen können sich daher im Stuhl kranker Menschen mit den Erregern kontaminieren. Krankheitserreger können äußerlich haften, aber auch im Darm der Fliegen tagelang überleben. Daher können Larven, die Krankheitserreger aufgenommen haben, zu infizierten Fliegen werden (Service 1980). Die ausgeschlüpfte Fliege sucht bevorzugt Süßigkeiten und Speisen in Küchen usw. auf, fliegt aber zur Eiablage wieder auf Fäkalien. Durch dieses Pendeln zwischen Kot und Lebensmitteln verschleppt sie zwangsläufig Krankheitserreger. Ihr Verhalten auf den Speisen erleichtert das, denn sie erbricht Teile des Darminhalts und setzt ihren Kot auf den Esswaren während der Nahrungsaufnahme ab. Fliegen können eine Vielzahl von Krankheitserregern verschleppen, z. B. Polio-, Coxsackie-, Hepatitisviren, Rickettsien, Shigellen, Salmonellen, Streptokokken und Staphylokokken. Nach Fliegenbekämpfung nahmen Shigelleninfektionen drastisch ab. Larven der Latrinenfliege werden gelegentlich im Enddarm oder der Blase gefunden. Es scheint sich jedoch nicht um einen echten Myiasiserreger zu handeln. Aas- oder Fleischfliegen (Calliphoridae): Unter ihnen sind vor allem die blauen Brummer (Calliphora spp.) und Goldfliegen (Lucilia spp.) bekannt. Die AasfliegenLarven leben von Leichen, Exkrementen und in Fleischfliegen\t\"Siehe Aasfliegennekrotischem Gewebe. Sie können Krankheitserreger auf Wunden übertragen und dort Eier ablegen. So kommt es in den Sommermonaten nicht selten zu einer Wundinfektion durch Fliegenmaden (Wundmyiasis). Besonders angelockt werden die Fliegen durch übelriechende eitrige Geschwüre. Im Krankenhaus können sie bis in Verbände und unter die Kleider der Patienten vordringen, v. a. wenn diese mit Blut und Eiter kontaminiert sind. Der Larvenbefall einer Wunde muss allerdings nicht unbedingt zur Verschlechterung führen. So werden Maden von Lucilia sericata zur Wundbehandlung speziell bei chronischen Wunden eingesetzt, da sie die Wunde débridieren (durch alimentäre Aufnahme und lytische Zersetzung), antiseptisch effektiv sind (Daeschlein et al. 2006) und die Wundheilung durch freigesetzte Faktoren gefördert wird. Schmeißfliegen (Sarcophagidae): Sie schmeißen (werfen!) ihre Larven im Flug auf Fleisch und Wunden, legen also keine Eier ab. Im Übrigen verhalten sie sich wie Aasfliegen. Fliegenbekämpfung ist eine hygienische SchmeißfliegenNotwendigkeit, die mithilfe moderner Insektizide (Anonymus 2000) relativ einfach ist. Man darf aber vorbeugende Maßnahmen nicht außer Acht lassen. Durch Anbringen von Fliegengittern sind z. B. Prosektur, Infektionsabteilungen, Küchen, Lagerräume und u. U. auch Patientenzimmer zu schützen. Abfälle, Fäkalien, Verbandmaterial, infektiöses Material jeder Art müssen entweder sofort beseitigt oder bis zur Entsorgung fliegensicher untergebracht werden.Fliegen\"\r\"Fliegen Schaben Schaben (Blattodea) sind flach gebaute Insekten, die sich gut in Ritzen und Spalten verstecken können. Sie lieben Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit. Zentren des Befalls im Krankenhaus sind daher meist Zentral- und Stationsküchen, Toiletten und Bäder. Bei der Nahrungsaufnahme sind sie nicht wählerisch. Sie bevorzugen zwar weiche, zucker- oder stärkehaltige Lebensmittel, verschmähen aber auch Blut, Sputum, Exkremente u. ä. Stoffe nicht. Allein ihre Anwesenheit kann den Gesundungsprozess eines Patienten stören, wenn sie mit unberechenbaren Bewegungen durch den Raum huschen und ihren charakteristischen, unangenehmen Geruch verbreiten. Außerdem können sie Allergien verursachen (Hoffmannn 1992). Von hygienischer Bedeutung ist ihr Verhalten bei der Nahrungssuche. Sie laufen wahllos über offen zugängliche Speisen, dabei erbrechen sie gelegentlich halbverdautes Futter und setzen ihren Kot auf Speisen, Geschirr, Möbeln, Instrumenten usw. ab. Dadurch können die verschiedensten Krankheitserreger auf Lebensmittel und Instrumente gelangen (Roth et al. 1957). Ob im konkreten Fall eine Kontamination zustande kommt, hängt davon ab, ob die Schaben zuvor Kontakt mit nosokomialen Erregern hatten. Werden schmutziges Verbandmaterial, Sputum, Fäkalien und Abfälle ordnungsgemäß sofort beseitigt, nimmt das Risiko einer Verschleppung von Krankheitserregern durch Schaben ab. Größtmögliche Sauberkeit ist einerseits ein wesentlicher Faktor, die Verbreitung von Krankheitserregern zu verhindern, andererseits auch die einfachste Bekämpfungsmaßnahme, weil wegen des damit verbundenen Nahrungsmangels die Schabenvermehrung begrenzt wird. Typischerweise waren in einem Klinikum alle Kliniken von Schaben befallen, nicht aber die zugehörigen Institute, sofern sie räumlich getrennt waren (Maier 1983), weil über die Lebensmittelversorgung der Patienten auch die Schaben versorgt wurden. Als Schabenarten sind in Krankenhäusern Mitteleuropas Blattella germanica, Blatta orientalis und Supella longipalpa von Bedeutung. Deutsche Schabe (Blattella germanica): Sie ist im Adultstadium 10–15 mm lang und hell- bis schmutzig braun. Alle Stadien zeigen auf dem Thorax zwei schwarze Längsstreifen. Die Adulten können mithilfe besonderer Schaben:deutscheHaftlappen über senkrechte, glatte Wände laufen. Nach der Kopulation bildet das Weibchen Eipakete (Ootheken), in denen sich die Larven entwickeln und die nach 2–4 Wochen abgelegt werden; danach schlüpfen die Larven. Nach 5 Häutungen der Männchen bzw. 7 der Weibchen wird im günstigsten Fall nach etwa 38–63 Tagen das Imaginalstadium erreicht. Die optimale Temperatur dafür liegt bei 30 °C. Orientalische Schabe (Blatta orientalis): Sie fällt durch ihre Größe (20–27 mm) und fast schwarze oder schokoladenbraune Färbung auf. Nur das Männchen trägt Flügel. Erst nach 10 Häutungen ist das Weibchen nach Schaben:orientalischedurchschnittlich 282 Tagen, das Männchen nach nur 7 Häutungen und 164 Tagen ausgereift. Die Oothek wird nach 1–5 Tagen abgelegt, die Larven schlüpfen aber erst nach 44 Tagen (bei 30 °C, bei niedrigeren Temperaturen viel später). Das Temperaturoptimum liegt zwischen 20 und 29 °C. Da sie also auch relativ niedrige Temperaturen toleriert, findet man B. orientalis auch in Kellerräumen. Braunbandschabe (Supella longipalpa): Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Lebensmitteln aus den USA nach Deutschland eingeschleppt. Sie ähnelt der Deutschen Schabe, besitzt aber keine Längsstreifen auf dem Thorax,Braunbandschaben dieser ist vielmehr sehr dunkel mit hellem Seitenrand. Auffallend ist ein braunes Band zwischen zwei gelblichen Querstreifen auf Hinterbrust und Abdomen. Diese Schaben können auch in unserem Klima fliegen. Neben Küchen u. ä. Räumen, wie sie auch von der Deutschen Schabe besiedelt werden, verschont sie auch Wohn- und Schlafräume nicht. Man findet sie dann u. a. in Schubladen von Schreibtischen und Kommoden (Möbelschabe), wo sie ihre Ootheken verstecken. Schaben, die üblicherweise mit Lebensmitteln eingeschleppt wurden, können sich in einem sauberen Gebäude ohne Schlupfwinkel nicht einnisten. Ein schlechter Erhaltungszustand oder konstruktionsbedingte Mängel eines Gebäudes gewähren ein reichliches Angebot an Schlupfwinkeln. Schaben verstecken sich tagsüber in Spalten und Ritzen und kommen erst bei Dunkelheit zum Vorschein. Durch Ausbessern von Rissen, losen Kacheln usw. wird das verhindert. Möbel, z. B. Schaben:VorkommenKüchenschränke, sollten vom Boden und von der Wand ausreichenden Abstand (etwa 10–15 cm von der Wand, 30 cm vom Boden) haben, sodass keine Verstecke entstehen und überall gereinigt werden kann. Einbauten mit für Schaben versiegelten Zwischenräumen sind technisch nur aufwändig herstellbar, denn Schabenlarven können einen Spalt von 0,5 × 1 mm passieren (Wille 1934). Abgehängte Decken sowie Verkleidungen von Maschinen, Apparaten, Kochkesseln und Leitungen müssen vermieden werden. Neben der konsequenten Beseitigung der Abfälle nach jeder Mahlzeit und ihrer Aufbewahrung in gut schließenden Behältern, möglichst außerhalb des Krankenhauses, muss bedacht werden, dass Lebensmittel grundsätzlich schabensicher aufbewahrt werden müssen. Exkremente und schmutziges Verbandmaterial müssen sofort restlos beseitigt werden. Die Einhaltung dieser Regeln wird zu einer Entwicklungshemmung, bei konsequenter Durchführung zur Beseitigung der Schaben führen. In diesem Zusammenhang ist der hohe Feuchtigkeitsbedarf von Schaben zu erwähnen: Schaben können zwar geringe Luftfeuchtigkeit tolerieren, aber nur wenn sie sich mit Wasser versorgen können. Nasse Spüllappen, tropfende Wasserleitungen, Getränkereste in Bier- oder Limonadeflaschen genügen hierzu. Lassen sich diese vorbeugenden Maßnahmen nicht durchsetzen, bleiben als Alternative nur Insektizide. In Bereichen, in denen sich Patienten aufhalten oder Lebensmittel verarbeitet oder gelagert werden, ist jedoch Vorsicht geboten. Grundsätzlich sollte ein Insektizideinsatz in größerem Rahmen ausgebildeten Fachkräften überlassen bleiben. Gemäß 16. Ausgabe der Entwesungsmittel- und -verfahrensliste des RKI nach § 18 IfSG sind als Fachkräfte Personen zu betrachten, die auf dem Feld der Hygieneinsektizide und -akarizide eine Qualifikation nachgewiesen haben, die dem anerkannten Abschluss zum/zur „Geprüften Schädlingsbekämpfer/geprüften Schädlingsbekämpferin“ nach der Verordnung vom 18.2.1997 (Bgbl I, S. 275) entspricht. Es empfiehlt sich, Qualifikation und Erfahrung der Fachkräfte vor Erteilen des Auftrags zu überprüfen. Soll jedoch nur lokal rasch geholfen werden, genügt u. U. als Überbrückungsmaßnahme, die im Handel frei erhältlichen Druckzerstäuberdosen einzusetzen. Hersteller und Produkte sind der „Bekanntmachung der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen nach § 18 IfSG“ (Bgbl 2000, 2002, 2004) zu entnehmen. Am wenigsten bedenklich sind pyrethrumhaltige Präparate. Dieses aus einer Chrysanthemenart hergestellte Produkt tötet die Insekten bei ausreichender Dosierung rasch und hat zusätzlich einen Austreibeeffekt. Dadurch werden die Schaben aus ihren Verstecken herausgetrieben, sodass man auch tagsüber einen guten Eindruck von der Befallsintensität erhält. Pflanzliches Pyrethrum zersetzt sich rasch, ein Vorteil, um in Krankenzimmern oder Küchen keine Dauerbelastung zu haben. Köder, die Chlorpyrifos, Fenitrothion mit Borsäure oder Fibronil enthalten, sind umweltfreundlicher als Spritz-, Sprüh- oder Vernebelungsmittel. Für eine Bekämpfung in weniger sensiblen Bereichen können Mittel mit Sofort- (Dichlorvos, Bioresmethrin) und/oder Langzeitwirkung verwendet werden wie β-Cyfluthrin, Chlorpyrifos, Cyfluthrin, Deltamethrin, Diazinon, Fenitrothion, Permethrin und Propoxur (Anonymus 2000, 2002, 2004). Langzeitinsektizide dürfen grundsätzlich nur von Fachleuten eingesetzt werden. Rechtzeitige Wiederholung der Behandlung ist wichtig, weil die Embryonen in den Ootheken nicht getötet werden (Maier 1979). Larven der Deutschen Schabe schlüpfen nach 2–3 Wochen, die der Orientalischen Schabe nach 2–3 Monaten. Die meisten Pyrethroide zeichnen sich durch vergleichsweise sehr geringe Toxizität für den Säugetierorganismus aus, da sie rasch durch Esterhydrolyse bzw. Hydroxylierung inaktiviert werden. Insekten metabolisieren dagegen viel langsamer und der Prozess kann durch bestimmte Antagonisten wie Piperonylbutoxid blockiert werden, wodurch die insektizide Wirkung verstärkt wird. Obwohl man davon ausgehen kann, dass Pyrethroide rasch wieder ausgeschieden werden, besteht möglicherweise eine gewisse Gefahr darin, dass bei unsachgemäßer Verwendung Pyrethroide z. B. an Staub gebunden über lange Zeiträume (Monate bis zu 1 Jahr) inhaliert werden und so zu einer ständigen Belastung führen können (Hoffmann 1992). Stehen mehrere solcher Quellen zur Verfügung (Rückstände in Nahrung, Kleidung, im Holzschutz, in Teppichen etc.) und akkumulieren sich, könnte zumindest ein allergenes Potenzial entstehen (Anonymus 2001). Eine Alternative könnten Entwicklungshemmer wie Triflumuron (Starycideâ) bieten (Smith und Pospischil 1990). Pharaoameise Die Pharaoameise Schaben:Bekämpfung\""\r""Schabenkampf(Monomorium pharaonis) ist zum ständigen Schaben\""\r""SchabenBewohner zentralbeheizter Gebäude und vieler Krankenhäuser geworden. Sie baut ihre Staaten in Nestern unter Fußböden und in Mauerritzen. PharaoameiseDort legen die Königinnen ihre Eier ab, bis der Staat auf mehrere tausend Ameisen angewachsen ist. Die nur 1,5–2,4 mm großen Arbeiterinnen sammeln Nahrung, die in das Nest gebracht wird und zur Ernährung der Königinnen und Larven dient. Bevorzugt nehmen sie Zucker oder Honig, aber auch Proteine (Fleisch, Käse) oder Fett auf. Mit Spürsinn finden sie diese Nahrung auch in verschlossenen Behältern, da sie klein genug sind, um durch engste Ritzen zu schlüpfen. Hat eine Arbeiterin den Zugang gefunden, folgen über markierte Straßen andere nach. Im Krankenhaus können sie erhebliche Probleme verursachen, wenn sie in sterile Verbände, Geräte, bakteriologische Kulturen usw. einwandern und diese kontaminieren. Aber auch Patienten selbst, v. a. Frischoperierte, bewegungsunfähige Schwerkranke und Neugeborene, können befallen werden. Die Ameisen wandern unter Wund- und Gipsverbände und benagen die Wunden. Dabei können sie verschiedenste Krankheitserreger, Streptokokken, Staphylokokken und Clostridium Pharaoameise:Krankheitsübertragungspp. übertragen. Die Bekämpfung ist nicht einfach, da die Königinnen im Nest durch Vernebeln oder Spritzen von Insektiziden nicht erreicht werden. Bewährt haben sich Köder mit Insektiziden wie Chlordecon,Pharaoameise:Bekämpfung Hydramethylnon, Pyriproxifen mit Borsäure oder dem Entwicklungshemmer Methopren (Anonymus 2000), da die Arbeiterinnen mit dem präparierten Köder über das Futter auch die Königinnen erreichen. 2.13.3 Vorratsschädlinge Als Vorratsschädlinge kommen eine große Zahl von Insekten (Hygieneschädlinge\""\r""HygieneschaedlingeMotten, Käfer) und Milben in Betracht. Die hygienische Bedeutung dieser Arthopoden ist gering, da sie normalerweise keine Krankheiten verursachen (ausgenommen einige Milben, s. u.). Ihr Auftreten wird aber als ekelerregend angesehen. Der Verzicht auf Insektizidbehandlung von Lebensmitteln hat zu einem vermehrten Auftreten z. B. der Dörrobstmotte (Plodia interpunctella) geführt. Der Befall mit solchen Schädlingen sollte aber nicht als „Gütezeichen für fehlende Insektizidrückstände“ betrachtet werden, denn Entwesung von Vorräten ist auch durch umweltfreundliche Methoden wie z. B. Begasung mit CO2 oder N2 möglich. Vorbeugend sollen Lebensmittel in verschlossenen Behältern aufbewahrt werden. Befallene Packungen müssen vernichtet werden. Zusätzlich kann mit einem pyrethrumhaltigen Spray der betroffene Raum entwest werden. Insektizide mit Dauerwirkung können in Küchen nur dann verwendet werden, wenn alle Lebensmittel entfernt und Geschirr, Tische usw. nach der Behandlung gründlich dekontaminiert werden. Vorratsmilben (Tyroglyphoidea): Sie können vor allem in pflanzlichem Material als Vorratsschädlinge in Massen auftreten und ekzemartige Dermatitiden oder allergische Reaktionen der Atemwege hervorrufen, z. B. VorratsmilbenDörrfruchtdermatitis, Bäckerekzem oder Käsemilbendermatitis. Hausstaubmilben (Pyroglyphidae): Durch Dermatophygoides pteronyssinus und D. farinae können sog. Hausstauballergien hervorgerufen werden (zur Sanierung befallener Wohnungen und Prophylaxe vgl. Elixmann 1991). Mäuse, Ratten: Sie können in der Vorratshaltung schädlich werden und Krankheitserreger übertragen (Faulde 2004). Durch vorbeugende bauliche Maßnahmen und Mäuseregelmäßige Kontrollen, z. B. Anbringen engmaschiger RattenGitter vor Kellerfenstern, muss dafür gesorgt werden, dass die Nager nicht eindringen können. Zur Bekämpfung von Mäusen eignen sich Schlagfallen; bei Befall durch Ratten müssen vergiftete Köder ausgelegt werden. Wegen der damit verbundenen Gefahren muss die Auswahl der Mittel (Liste der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von Wirbeltieren, 2000) Fachkräften überlassen bleiben. Diese Mittel sind, „unabhängig von ihrer Einstufung als Zubereitung gemäß Gefahrstoff-Verordnung, ausschließlich zur Anwendung durch den geprüften Schädlingsbekämpfer gedacht, weil nur bei ihm ausreichende Sachkunde vorauszusetzen ist“ (Anonymus 2000).

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          Krankenhaus- und Praxishygiene
          Krankenhaus- und Praxishygiene
          26 June 2013
          2012
          26 June 2013
          : 9-134
          Article
          B978-3-437-22311-2.10002-7
          10.1016/B978-3-437-22311-2.10002-7
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