EUSKIRCHEN - In den ersten beiden Quartalen 2020 verursachte die Coronapandemie erhebliche
Einbußen in den Arztpraxen. Um die Versorgung der Patienten aufrechtzuerhalten, wurde
ein Schutzschirm für Vertragsärzte vom Gesetzgeber beschlossen. "Der Deutsche Dermatologe"
liefert in einem zweiten Teil eine weitere Übersicht zum Stand der Dinge in den einzelnen
KV-Regionen.
Starke Rückgänge bei Fall- zahlen und Umsätzen stellen manch eine Arztpraxis vor große
Herausforderungen während der COVID-19-Krise. Kassenärztliche Vereinigungen rechnen
in einzelnen Praxen mit einem Fallzahlenrückgang von über 50 Prozent. Prognosen wie
diese zeigen, wie wichtig die Ausgleichszahlungen sind. Mit dem Schutzschirm für Vertragsarztpraxen
hat der Gesetzgeber den ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Nun müssen auf Landesebene
die detaillierten Änderungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ausgearbeitet und
Einigungen mit den Krankenkassen erzielt werden.
Baden-Württemberg
Pandemiebedingte Vergütungsausfälle bei vertragsärztlichen Leistungen gleicht die
KV aus, sodass - bei unveränderter Praxiskonstellation - 90 Prozent des GKV-Gesamthonorars
aus dem Vorjahresquartal gesichert sind. Bei Neupraxen orientiert sich die Ausgleichszahlung
am Fachgruppendurchschnitt. Alternativ berücksichtigt die KVBW auf Antrag das Honorar
des vorherigen Praxisinhabers. Einen entsprechenden Beschluss hat die Vertreterversammlung
im Mai gefasst. Die Ausgleichszahlung umfasst demnach auch extrabudgetäre Leistungen
wie Früherkennung und ambulante Operationen.
Auch in Baden-Württemberg müssen die Patientenzahlen auf die Pandemie zurückgehen
und nicht auf verkürzte Präsenzzeiten in der Praxis. Grundsätzlich müssen die Mindestsprechstunden
erfüllt sein, damit die Härtefallregelung greift. Eine Antragstellung ist nicht erforderlich,
Niedergelassene erhalten die Ausgleichszahlungen automatisch.
Bayern
Bei Vorliegen entsprechender, durch die Coronakrise bedingter Rückgänge wird Vertragsarztpraxen
in Bayern zugesichert, dass sie mindestens 90 Prozent des Honorars aus dem Vorjahresquartal
erhalten. Diese Änderung des HVM beschloss die Vertreterversammlung der KV Bayerns.
Auch hier ist die Voraus- setzung für den Honorarausgleich ein Rückgang des GKV-Gesamthonorars
und des Honorars aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) gegenüber dem
Vorjahresquartal um mehr als zehn Prozent sowie eine verminder- te Patienteninanspruchnahme.
Der für den Honorarrückgang maßgebliche Fall- zahl- oder Fallwertrückgang muss auf
der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Praxis hat diese Kausalität durch eine entsprechende
Erklärung zu versichern. Die Umsetzung der Ausgleichsregelung erfolgt in Bayern im
zweiten Quartal 2020 automatisch. Im Bereich der extrabudgetären Gesamtvergütung (EGV)
verhandelt die KVB derzeit noch mit den Krankenkassen über Ausgleichs- regelungen.
Berlin
Die Vertreterversammlung der KV Berlin hat den Corona-Schutzschirm für Niedergelassene
in einer Sondersitzung beschlossen. Demnach werden Arztpraxen in Berlin 90 Prozent
des Honorars aus dem Vorjahresquartal für die Zeit der Coronakrise zugesichert - vorausgesetzt,
die Fallzahl und das Gesamthonorar der Praxis sind um mehr als zehn Prozent gesunken
und die Praxis hat an mindestens 80 Prozent der Werktage eines Quartals Leistungen
abgerechnet. Zusätzlich muss die KV Berlin über erhaltene Entschädigungszahlungen
nach dem Infektionsschutzgesetz oder sonstige finanzielle Hilfen informiert werden.
Hierzu stellt die KV im Online-Portal eine Abfrage bereit. Die Abfrage ist für alle
Praxen obligatorisch.
Brandenburg
Ab dem ersten Quartal 2020 sollen auch in Brandenburg die Ausgleichszah- lungen für
den ambulanten Bereich zur Sicherung der Vertragsarztpraxen greifen, so die Ankündigung
der KV Brandenburg. Hierfür sind quartalsweise ein Antrag und eine Erklärung der Praxis
erforderlich. Das entsprechende Formular für das erste Quartal sowie ein weiteres
Formular für eventuelle Sonderanträge finden Mitglieder der KVBB über ihr DatenNerv-Programm.
Derzeit verhandele die KV mit den Krankenkassen über einen Schutzschirm. Auch in Brandenburg
möchte man erreichen, dass Vertragsärzte mindestens 90 Prozent des jeweiligen Vorjahresquartals
ausgeglichen bekommen.
Bremen
In Bremen wird die KV Ausgleichzahlungen leisten, sodass der Verlust für niedergelassene
Ärzte deutlich gemindert wird. Im Bereich der MGV werden voraussichtlich alle erbrachten
Leistungen wie angefordert und zu 100 Prozent vergütet. Es wird auf mindestens 90
Prozent des MGV-Honorars des Vorjahresquartals aufgestockt. Praxisbezogene MGV-Bereinigungen
im Abrechnungsquartal werden vom MGV-Honorar im Vorjahresquartal abgezogen. Im Bereich
der EGV greift der Schutzschirm, wenn das Gesamthonorar einer Praxis um mehr als zehn
Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal reduziert wurde - nach der Ausgleichszahlung
aus dem MGV-Schutzschirm - und diese Honorarminderung in einem Fallzahlrückgang infolge
der Pandemie begründet ist.
Um die Ausgleichzahlung zu erhal- ten, müssen Praxen nachweisen, dass sie während
der Krise nicht grundlos "vom Netz" gegangen sind. "Damit gezielt die Praxen, die
unverschuldet Einnahmeeinbußen infolge der Coronakrise erleiden mussten, von dem Schutzschirm
profitieren, wird die KV Bremen eine 'Gerechtigkeitsklausel' in den HVM hineinformulieren",
heißt es in einer Ankündigung der KVHB. Niedergelassene Ärzte sind dazu angehalten,
eine ergänzende Erklärung zur Quartalsabrechnung abzugeben. Abgefragt werden Abwesenheitszeiten
und Angaben zu staatlichen Hilfen und anderen Entschädigungsleistungen, die in Anspruch
genommen wurden. Bei Praxen, die während der Pandemie ohne guten Grund ihren Versorgungsauftrag
nicht erfüllt oder keine Vertretung organisiert haben, werden die Ausgleichzahlungen
anteilig reduziert.
Hamburg
Den niedergelassenen Ärzten soll für das erste und zweite Quartal ein pandemie-bedingter
Rückgang des extrabudgetären Honorars auf 90 Prozent des Vorjahresumsatzes ausgeglichen
werden. Beim budgetierten Honorar hat die Vertreterversammlung die Interventionsgrenze
für Fachärzte auf 80 Prozent festge- legt. Das bedeutet, dass die Abrechnung zunächst
nach den Bestimmungen des HVM durchgeführt wird. Dann wird das Honorar im budgetierten
Bereich mit dem entsprechenden Honorar des Vorjahresquartals verglichen. Liegt dieses
bei oder über 80 Prozent des Vorjahres, wird die Abrechnung ganz normal nach HVM durchgeführt.
Bei Praxen, deren Abrechnung unter dieser Grenze liegt, wird das Honorar auf diese
Grenzen aufgestockt.
Mit den verbleibenden Finanzmitteln werden anschließend die das Budget übersteigenden
Leistungsanforderungen bezahlt. Sind diese bedient und noch Mittel vorhanden, werden
damit die Ausgleichsquoten angehoben. Auf diese Weise will die KV sicherstellen, dass
die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellte Gesamtvergütung auch komplett abgerufen
werden kann. Arztpraxen müssen für die Ausgleichszahlungen keine Anträge stellen.
Der Abrechnungsbescheid soll laut KV Hamburg alle HVM- und Rettungsschirm-Regelungen
berücksichtigen.
Nordrhein
Nachdem sich die KV Nordrhein mit den gesetzlichen Krankenkassen auf einen Schutzschirm
für die Praxen verständig hat, hat die Vertreterversammlung einen geänderten HVM beschlossen.
Demnach erhalten niedergelassene Vertragsärzte ab dem ersten Quartal 2020 Ausgleichzahlungen
für ihre Honorarverluste, die sich durch die sinkenden Patientenzahlen in Zusammenhang
mit der Coronapandemie ergeben. Voraussetzung für die Ausgleichszahlung ist ein Rückgang
beim Gesamthonorar um mehr als zehn Prozent. Ebenso muss der Rückgang der Fallzahlen
nachweislich mit der Pandemie zusammenhängen. Die Ausgleichszahlung soll automatisch
veranlasst werden und getrennt für die MGV und die EGV erfolgen. Durch eine Selbsterklärung
sollen die Praxen darlegen, ob sie ihren Sicherstellungsauftrag während der Coronakrise
erfüllt haben.
Eine repräsentative Umfrage der KV Nordrhein belegt, dass die Fallzahlen während der
Pandemie fachgruppenübergreifend um rund 25 Prozent zurückgegangen sind. Mit dem nun
beschlossenen Schutzschirm glaubt die KV Nordrhein, eine dauerhafte wirtschaft- liche
Schieflage der Praxen verhindern zu können.
Westfalen-Lippe
Auch in Westfalen-Lippe stehen die Bedingungen des Schutzschirms für die westfälischen
Vertragsärzte fest. Haben Praxen aufgrund der Coronapandemie sinkende Fallzahlen und
damit Einnahmerückgänge von mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal verzeichnet,
soll das Honorar auf bis zu 90 Prozent des Honorars im Vorjahresquartal aufgestockt
werden. Dabei wird das erwirtschaftete GKV-Gesamthonorar der Praxis mit dem entsprechenden
Referenzhonorar aus dem Vorjahresquartal verglichen. Enthalten sind alle Leistungen
des EBM sowie DMP-Vereinbarungen, Palliativvertrag, SPV-Vereinbarung, Onkologievereinbarung,
IVOM- und Kataraktvertrag in Höhe der jeweiligen EBM-Vergütung.
Zur Feststellung des Fallzahlrückgangs wird die Zahl der Behandlungs- fälle mit persönlichem
Arzt-Patienten-Kontakt inklusive Videosprechstunde mit der Behandlungsfallzahl aus
dem Vorjahresquartal verglichen. Zusätzlich müssen betroffene Praxen eine Erklärung
über die Aufrechterhaltung des regulären Praxisbetriebs abgeben sowie Angaben zu anderen
Entschädigungszahlungen, zum Beispiel Kurzarbeitergeld oder finanzielle Soforthilfe
des Bundes, machen. Für Neupraxen ohne ein Referenzhonorar aus dem Vorjahresquartal
wird der durchschnittliche Ausgleichfaktor der jeweiligen Arztgruppe auf das erwirtschaftete
Honorar des aktuellen Quartals angewandt.
Die KVWL geht davon aus, dass im ersten Quartal 2020 nur wenige der westfälischen
Praxen von Einnahmerückgängen betroffen sind. Diese bekommen zusätzlich zu ihrer Abrechnung
ein Schreiben, in dem mitgeteilt wird, dass sie Anspruch auf den Schutzschirm haben
und wie hoch dieser ausfällt.
Saarland
Die Vertreterversammlung der KV Saarland hat die Einführung einer neuen Anlage 8 "Krisenfall-HVM"
in den HVM der KVS beschlossen. Die Änderung gilt rückwirkend zum 1. Januar 2020.
Demnach findet der Krisenfall-HVM in den Abrechnungsquartalen Anwendung, in denen
ein Großschadensereignis, zum Beispiel eine Pandemie, offiziell ausgerufen ist und
die Vertreterversammlung der KVS die Anwendung der Anlage 8 beschließt.
In der Coronakrise hat die Vertreterversammlung diese Anwendung nun zunächst für das
erste und zweite Quartal 2020 beschlossen. Damit Vertragsärzte trotz reduzierter Patientenzahlen
ihren Versorgungsauftrag weiterhin erfüllen können, wird im Rahmen der Honorarabrechnung
für Leistungen der MGV je Quartal und Praxis ein Soll-Honorar ermittelt. Dieses orientiert
sich an dem MGV-Honorar der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal.