Nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr 2019 rechnete das Münchener Geldhaus damit,
dass 2020 noch besser laufen würde. Doch dann brach das Corona-Virus aus und machte
dem Institut einen Strich durch die Rechnung.
"Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen."
Die Liedzeile von John Lennon, dem britischen Musiker und Sänger der Beatles, ermordet
1980 in New York, beschreibt recht gut die derzeitige Lage der Hypovereinsbank (HVB).
Ende Februar, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland, legte das Münchener
Geldhaus noch einen Geschäftsbericht 2019 mit erfreulichen Zahlen vor. Demnach betrug
der Gewinn 810 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Überdies erzielte
das Institut eine Eigenkapitalrendite und eine Kernkapitalquote, die beide höher lagen
als bei Commerzbank und Deutsche Bank. Mit einer Cost Income Ratio von 65 Prozent
war die HVB auch effizienter als die beiden Wettbewerber (siehe Tabelle Seite 32).
Der HVB-Vorstand zeigte sich stolz auf die Bilanz 2019. Bei der Vorlage durfte er
noch annehmen, dass das Gewinnwachstum im laufenden Jahr andauern würde. "Aufgrund
der zufriedenstellenden Entwicklung der operativen Geschäftstätigkeit sowie unseres
Geschäftsmodells gehen wir davon aus, dass wir für 2020 ein gutes Ergebnis vor Steuern
erzielen werden", heißt es im Geschäftsbericht 2019. Auch das Ergebnis nach Steuern
sollte in den kommenden Monaten deutlich steigen. Schließlich sagten Ökonomen noch
eine stabile, wenn auch nicht sonderlich starke Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft
voraus.
Doch dann trat Anfang März das ein, was Beatles-Sänger Lennon als Unwägbarkeit des
Lebens bezeichnete. Das Corona-Virus breitete sich exponentiell in Deutschland aus
und die Bundesregierung sah sich gezwungen, die Aktivitäten von Bürgern und Unternehmen
auf ein Minimum herunterzufahren. Mittlerweile sagen Ökonomen für 2020 eine schwere
Rezession voraus. Ein Rückgang von rund sechs Prozent gilt als wahrscheinlich. Vor
diesem Hintergrund wäre eine Gewinnsteigerung in diesem Jahr für die HVB kaum mehr
zu erreichen. Im Gegenteil, sie wird wohl mit Kreditausfällen insbesondere bei Firmenkunden
rechnen müssen und dafür ihre Risikovorsorge erhöhen. Wie andere Geldhäuser auch kann
die HVB froh sein, wenn das laufende Geschäftsjahr nicht mit Verlusten endet.
Für die Verantwortlichen in München ist es noch zu früh, um eine Aussage bezüglich
des weiteren Geschäftsverlaufs zu treffen. "Sobald größere Klarheit in Bezug auf den
makroökonomischen Ausblick besteht, werden wir das entsprechend kommunizieren", erklärt
die HVB auf Anfrage. Momentan konzentriere sich das Institut vor allem darauf, die
Firmenkunden in der Corona-Krise zu unterstützen. Ob dazu Fristverlängerungen für
Kreditrückzahlungen gewährt würden, wollte die Bank zum Zeitpunkt der Anfrage nicht
bestätigen.
Konsequente Sparpolitik zahlt sich in der Krise aus
Für die Folgen der Corona-Krise gilt die HVB laut Branchenkennern als gut gewappnet.
Gründe dafür seien sowohl eine starke Kapitalbasis als auch ihre Effizienz und Ertragskraft.
"Anders als Deutsche Bank und Commerzbank hat die HVB vor Jahren mit einer konsequenten
Sparpolitik begonnen. Vor der Krise war die HVB also schon da, wo die anderen eigentlich
hinwollen", meint Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School
of Finance and Management.
In der bevorstehenden Weltwirtschaftskrise braucht ein Finanzinstitut eine starke
Kapitalbasis, mit der es etwaige Ausfälle abfedern kann. Darüber muss sich die HVB
keine Sorgen machen. Überdies könnten Erlöse aus Immobilienverkäufen, die im Januar
2020 getätigt und bereits im Geschäftsbericht 2019 erwähnt wurden, bei der künftigen
Ergebnisrettung helfen.
Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Geschäftsberichts meldete der Branchendienst
"Finanz-Szene.de" zudem, dass die HVB 3,3 Milliarden Euro an ihre italienische Muttergesellschaft
Unicredit überwiesen habe. Diese Ausschüttung, die sich aus dem Gewinn von 2019 sowie
aus Rücklagen von 2,5 Milliarden Euro zusammensetzt, legt den Schluss nahe, dass sich
die Unicredit auf Kosten der HVB finanziell stärken will. Tatsächlich wird die Kapitalspritze
der Unicredit in der Corona-Krise nicht ungelegen kommen. Allerdings wurde die Zahlung
bereits im Dezember vereinbart, also deutlich vor dem Ausbruch des Virus in Italien.
Als so genannte interne Ausschüttung musste sie auch nicht von der Aufsicht genehmigt
werden, lässt die HVB wissen. Jedenfalls konnten sich die Münchener die Überweisung
nach Mailand durchaus leisten.
Das von der Unicredit verordnete Kostenmanagement der HVB ist beachtlich. Seit Ende
2013 hat sich die Zahl der Filialen bundesweit nahezu halbiert auf mittlerweile 498.
Waren Ende 2013 rund 19.000 Mitarbeiter für das Geldhaus tätig, waren es Ende 2019
knapp 37 Prozent weniger. "Es ist erstaunlich, dass derzeit nur 12.000 Mitarbeiter
gebraucht werden, um diese Großbank zu steuern", sagt Faust dazu. Und damit nicht
genug, denn bis 2023 will die HVB die Belegschaft auf unter 11.000 reduzieren. Zum
Vergleich: Die Commerzbank beschäftigt im Bundesgebiet dreimal so viele Mitarbeiter.
Laut Bankprofessor Faust hat sich die HVB nach einer sehr konsequenten Sparpolitik
zwar kleiner gemacht als die Frankfurter Konkurrenz, dafür seien die Geschäfte der
Münchner feiner. Und sobald die Wirtschaftsaktivitäten in der Bundesrepublik wieder
hochgefahren werden, sollte die HVB einfach da weitermachen können, wo sie vor dem
Ausbruch des Corona-Virus aufgehört hat. Demgegenüber würden die Commerzbank und ganz
besonders die Deutsche Bank wohl weiterhin mit Restrukturierungsmaßnahmen beschäftigt
sein. Diese beiden Großinstitute müssten ihre Effizienz und damit ihre Ertragskraft
noch erheblich verbessern.
Zum bisherigen Geschäftserfolg der HVB haben nach Expertenmeinungen die erfolgreiche
Digitalisierung und insbesondere das Firmenkundensegment beigetragen. Klug sei die
Entscheidung gewesen, trotz eines strikten Sparkurses mehr Berater einzustellen, erwähnt
Florian Forst, Partner bei Zeb. Überdies sei die HVB in Bayern fest verankert und
könne damit einen regionalen Vorteil ausspielen. In dem wirtschaftlich starken Bundesland
finde sie viele erfolgreiche mittelständische und teilweise auch börsennotierte Unternehmen
vor, die sie mit ihren Bankleistungen bediene.
"Die HVB hat früh angefangen, ein digitales Vertriebsmodell sowohl im Corporate Banking
als auch im Privatkundengeschäft aufzubauen", fügt Forst hinzu. "Dies war freilich
geschickt, aber auch zum Teil aus der Not heraus getrieben, da die HVB nicht bundesweit
präsent ist." Das Vertriebsmodell hat sich bewährt. Wenn ein Kunde seinen Berater
in einer HVB-Filiale besucht, werden bei Bedarf Spezialisten für bestimmte Themen,
beispielsweise die Immobilienfinanzierung, per Videokonferenz zugeschaltet. Das senkt
Personalkosten, weil weniger Fachleute beschäftigt werden müssen. Das Modell gilt
als so effizient, dass andere Institute es übernehmen könnten. Und gerade in Zeiten
von Corona erfahren die Banken und Sparkassen hierzulande, was mit Videotechnik und
anderen digitalen Lösungen für den Kundenkontakt und die Beratung möglich ist (siehe
Beitrag Seite 44).
Gleichwohl, gibt Professor Faust von der Frankfurt School zu bedenken, könnte auch
das starke Firmenkundengeschäft der HVB in Mitleidenschaft gezogen werden, sollte
die Corona-Krise über mehrere Monate anhalten. "Wenn die weitgehende Schließung der
Wirtschaft nicht zu lange dauert, sollte der staatliche Schutzschirm funktionieren
und die Kreditausfälle dürften dann begrenzt sein", prophezeit er. Andernfalls könnte
es viele Ausfälle geben, was die Bilanz der HVB stark belasten würde. Besonders schmerzhaft
wäre der Ausfall von Krediten für klimafreundliche Projekte, zum Beispiel die Finanzierung
von Windparks. Ende 2015 zählte das Geldhaus mit rund vier Milliarden Euro zu den
bundesweit größten Finanzierern dieser Technologie.
Bilanzsumme
Ertrag
Gewinn
Cost Income Ratio
Kernkapitalquote
Eigenkapitalrendite
Deutsche Bank
1.298 Mrd. €
23,2 Mrd. €
-5,7 Mrd. €*
108,2 %
13,6 %
-9,5 %
Commerzbank
464 Mrd. €
8,6 Mrd. €
0,6 Mrd. €
78,3 %
14,3 %
2,3 %
Hypovereinsbank
303 Mrd. €
4,8 Mrd. €
0,8 Mrd. €
65,0 %
17,5 %
7,5 %
Der strikte Sparkurs der HVB und die damit verbundene Schließung etlicher Geschäftsstellen
haben möglicherweise auch eine Schattenseite. Im März berichtete "Finanz-Szene.de"
über einen größeren Kundenschwund bei der HVB und berief sich dabei auf die Nachhaltigkeitsberichte
der Mutter Unicredit. Demnach sei die Zahl der HVB-Kunden von rund zwei Millionen
Ende 2013 auf 1,55 Millionen Ende 2018 gesunken, was mehr als 400.000 Abgänge in fünf
Jahren bedeutet. Auf Nachfrage wollte das Institut dazu nicht Stellung nehmen. Die
Zusammensetzung und Entwicklung der Kundenzahlen würden nicht kommentiert.
Bankprofessor Faust hält den Kundenschwund der HVB nicht zwingend für negativ, sofern
die meisten Abgänger nur wenige kostenpflichtige Bankdienstleistungen in Anspruch
genommen und dem Institut entsprechend geringe Erträge gebracht haben. "Für eine Bank
ist die Qualität der Kunden wichtiger als die Quantität", betont er. "Falls die HVB
im Zuge der Restrukturierungsmaßnahmen ihre besten Kunden weitgehend halten konnte,
sollte dies nicht weiter problematisch sein." Tatsächlich hat sich der Kundenverlust
nicht sonderlich negativ auf die Ertragslage des Geldhauses ausgewirkt, weder auf
die Zins- noch auf die Provisionsüberschüsse. Beide sind seit 2016 relativ stabil
geblieben. Allerdings lagen die Gesamterträge der HVB per Ende 2019 etwa 16 Prozent
unter dem Niveau von 2016, was weitgehend auf ein niedriges Handelsergebnis in den
Jahren 2018 und 2019 zurückzuführen ist.
Nach Auslaufen des derzeitigen Sparprogramms der HVB müsste mit der Rosskur in München
eigentlich Schluss sein. Denn will das Institut in Zukunft mehr ertragreiches Geschäft
in Deutschland machen, muss es künftig wieder in mehr qualifiziertes Personal investieren.
Gerade bei der Beratung von Firmenkunden und vermögenden Privatpersonen kommt es auf
die Spezialisten an, die die Bedürfnisse dieser wichtigen Zielgruppen kennen und erfüllen
können. Angesichts der anhaltend niedrigen Marktzinsen wird es für die HVB und auch
für ihre Frankfurter Konkurrenten wichtig sein, margenreiche Projekte zu finanzieren
sowie Geld in der Beratung zu verdienen. "Ein ständiges Drehen an der Kostenschraube
wird für die HVB auf Dauer nicht reichen, in diesem schwierigen Umfeld erfolgreich
zu sein", resümiert Bankprofessor Faust. "Wichtig ist es, die Erträge zu stabilisieren
und neue Potenziale zu erschließen."
Kompakt
Kurz vor der Corona-Krise hatte die Hypovereinsbank (HVB) die Geschäftsziele für 2020
angehoben. Dann kam die Pandemie und die Bank wird froh sein, wenn sie das Jahr mit
einer schwarzen Null abschließen kann.
Bankexperten sind der Ansicht, dass das Institut für die Krise gut gewappnet sei.
Grund dafür seien sowohl eine starke Kapitalbasis als auch ihre Effizienz und Ertragskraft.
Dauert die Krise länger als ein paar Monate und kommt es im Zuge dessen zu Kreditausfällen,
wird die HVB wie alle Banken darunter leiden.