Der radiologische Befundbericht ist das zentrale Mittel der Kommunikation zwischen
Radiolog:innen und den zuweisenden Kolleg:innen
, auch im Rahmen der hämatologisch-onkologischen Diagnostik. Viele Untersuchungen
weisen darauf hin, dass eine strukturierte Befundung Vorteile gegenüber herkömmlichen
Befundberichten aufweist. Insbesondere vor dem Hintergrund der rasanten Fortschritte
in der Medizintechnik sowie der Computer- und Informationstechnologie, aber auch in
der diagnostischen Bildgebung und in der radiologisch-onkologischen Therapie könnte
die strukturierte Befundung die Qualität der Versorgung erheblich verbessern. Wir
sprachen über den Nutzen, die Möglichkeiten und Herausforderungen der strukturierten
Befundung mit PD Dr. Thorsten Persigehl, Köln. Er leitete als Vorsitzender in der
Arbeitsgemeinschaft Onkologische Bildgebung der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)
den Schwerpunkt „Strukturierte Befundung“ und gegründete kürzlich das radCIO am Centrum
für Integrierte Onkologie (CIO) in Köln.
best practice onkologie:
Sehr geehrter Herr Dr. Persigehl, Sie engagieren sich seit Jahren für die strukturierte
Befundung in der Radiologie. Wie kam es dazu und was treibt Sie an?
T. Persigehl:
Nach meiner Ausbildung zum Facharzt für Radiologie am Universitätsklinikum Münster
ging ich 2010 für zwei Jahre über ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) an die Radiologie des Columbia University Medical Centers (CUMC) in New York,
NY/USA, zum Chairman Prof. Lawrence H. Schwartz. Schon damals befasste sich die Gruppe
um Prof. Schwartz u. a. mit strukturierter Befundung. Gemeinsam mit onkologisch Forschenden
hatte Prof. Schwartz die RECIST (Response-Evaluation-Criteria-in-Solid-Tumours)-Kriterien
zur radiologischen Beurteilung von soliden Tumoren entwickelt mit dem Ziel, in Studien
die Wirkung klassischer zytostatischer und zytotoxischer Tumortherapien mit der Bildgebung
objektiver zu dokumentieren. Das faszinierte mich, zumal ich selbst ein eher strukturierter
Mensch bin. Ich mag es, wenn – wann immer möglich – eindeutig und klar kommuniziert
wird, insbesondere in der Radiologie. Worte wie „kann man nicht ausschließen“, „kann
sein“, „möglicherweise“ oder „etwas größer“ und „etwas kleiner“ lassen Raum für Interpretation,
erfordern diese sogar in vielen Fällen von dem betreuenden Onkologen. Dies führt dann
oft zu einem Stille-Post-Effekt. Gerade in der klinischen Diagnostik kommt es aber
auf eine möglichst eindeutige, präzise Kommunikation an. Die onkologischen Kolleg:innen,
die einen Patienten in die Radiologie schicken, haben eine klare Fragestellung. Ist
unsere Befundung vage, folgt daraus nicht selten auch eine vage Diagnose. Der Zuweisende
sollte sich aber nicht fragen müssen: Was meint denn der Radiologe? Mein Anliegen
ist es, jedem Zuweisenden einen möglichst eindeutigen Befund mit allen relevanten
Informationen mitzuteilen, auf dessen Basis dann die optimale Therapieentscheidung
gefällt werden kann. Ziel ist es, das Beste aus den Bildern herauszuholen, um letztendlich
auch den bestmöglichen Therapieerfolg für den Patienten zu erreichen.
Mein Anliegen ist es, jedem Zuweisenden einen möglichst eindeutigen Befund mit allen
relevanten Informationen mitzuteilen, auf dessen Basis die optimale Therapieentscheidung
gefällt werden kann
best practice onkologie:
Was genau ist unter dem Begriff der strukturierten Befundung zu verstehen?
T. Persigehl:
Die strukturierte Befundung umfasst zwei Dinge: zum einen eine klare Kommunikation
mit eindeutigen Begrifflichkeiten und zum anderen das Checklistenprinzip. Die Befundung
auf Basis einer Checkliste – ähnlich wie dies ja in der Luftfahrt seit Jahren die
Sicherheit der Passagiere gewährleistet – führt auch in der Befundung eines radiologischen
Bildes zu mehr Sicherheit und Qualität. Zudem gewährleisten interdisziplinär abgestimmte
Checklisten, dass der Befund auch alle Kriterien berücksichtigt, die für den Zuweisenden
wichtig sind. Schon 2010 belegten die Untersuchungen der Gruppe um Prof. Schwartz,
dass sich gerade chirurgisch und onkologisch tätige Kolleg:innen standardisierte strukturierte
radiologische Befunde auf Basis einer mit ihnen abgestimmten Checkliste wünschen;
Befunde in denen sie sich gut orientieren können und aus denen wichtige Informationen
rasch ersichtlich sind. Dazu gehört auch, dass gleiche Informationen immer an gleicher
Stelle eines Befundes zu finden sind und auch Unauffälliges benannt wird und klar
wird, dass es nicht einfach nur vergessen wurde. Dabei sind standardisierte Befundvorlagen
natürlich hilfreich. Dass dies zu einer besseren Entscheidung führt, mag eine Analyse
veranschaulichen, die im Rahmen einer Studie von Brook und Kollegen zur strukturierten
Befundung beim Pankreaskarzinom durchgeführt wurde: Dabei wurden drei Chirurgen befragt,
inwieweit sie anhand von Freitextbefunden oder standardisierten strukturierten Befunden
eine Entscheidung für oder gegen eine Operation treffen könnten. Es zeigte sich, dass
auf Basis der Freitextbefunde für den jeweiligen Chirurgen nur in 31 %, 43 % und 25 %
der Befunde ausreichende Informationen vorlagen, hingegen in den strukturierten Befunden
mit 96 %, 69 %, und 98 % der Fälle alle für den Chirurgen relevante Informationen
aufgeführt waren, auf deren Grundlage eine optimale Operationsentscheidung getroffen
werden konnte.
best practice onkologie:
Worauf beruhen diese Checklisten?
T. Persigehl:
Als ich nach meiner Rückkehr aus New York hier am Uniklinikum Köln 2012 begann, wurde
mir anhand von Magnetresonanztomographie (MRT)-Befunden von der Prostata und der Leber
sehr bewusst, wie heterogen, ungenau und oft unverständlich Freitextbefunde sein können.
Daher haben wir sehr schnell radiologische Diagnosealgorithmen u. a. vom American
College of Radiology (ACR) eingeführt. Diese RADS (Imaging Reporting and Data System)
gibt es für eine Reihe von Organen: BI-RADS für die Brust, LI-RADS für die Leber,
PI-RADS für die Prostata und oder Lung-RADS für die Lunge sowie das CAD-RADS für das
Herz.
best practice onkologie:
Welche Vorteile hat die strukturierte Befundung?
T. Persigehl:
Wir haben dann 2012 begonnen auf der Basis von LI-RADS die strukturierte Befundung
bei Leberläsionen einzuführen. Dies hat nicht nur zu einer besseren Qualität der Befundung
geführt, die Lernkurven bei jüngeren Kolleg:innen wurden auch besser, weil sie sich
an der genauen Reihenfolge der LI-RADS-Kriterien des standardisierten strukturierten
Befundmoduls orientieren konnten. Dass die strukturierte Befundung auch zu einer Effizienzsteigerung
führen kann, zeigte sich auch außerhalb der Onkologie in der strukturierten Befundung
der Herz-CT und -MRT. Lagen die Herz-MRT-Untersuchungen früher gerne mal einige Tage,
bis sie befundet wurden, werden diese heute nahezu umgehend bearbeitet. Im Befundungsmodul
werden etwa 10 Kriterien abgefragt, und bei eindeutigen Aufnahmen sind diese mit 10 Klicks
beurteilt und der Befund steht. Als Freitextbefund bräuchte man dazu wenigstens 10 min
für das Diktat, also eine eindeutige Zeitersparnis.
Die LI-RADS-basierte strukturierte Befundung bei Leberläsionen hat nicht nur zu einer
besseren Qualität der Befundung geführt, auch die Lernkurven bei jüngeren Kolleginnen
und Kollegen wurden besser
Aber natürlich ist der Befund einer Computertomographie (CT)- oder MRT-Aufnahme keine
reine Bildbeschreibung. Er muss eingebettet sein in den klinischen Kontext und verglichen
werden mit Voraufnahmen – insbesondere in der Onkologie. Hier kommt es auf die Expertise
des Radiologen an, das Bild entsprechend zu interpretieren. Gerade hier helfen die
strukturierten Befundungsmodule, nichts zu übersehen und die wichtigen, für den Patienten
relevanten Informationen zu extrahieren. Im Einzelfall bei sehr komplizierten Situationen
müssen die strukturierten Befunde natürlich durch Freitext ergänzt werden.
best practice onkologie:
Für die Hämatologie und Onkologie ist die Bildgebung nicht nur für die Diagnostik
wesentlich, sondern auch für das Therapiemonitoring und zunehmend auch für radiologisch-therapeutische
Interventionen. Was bietet in diesem Zusammenhang die strukturierte Befundung?
T. Persigehl:
Heute liegen uns für die verschiedenen Tumoren schon einige standardisierte Befundungstemplates
vor, und zwar für unterschiedliche Anforderungen – für die initiale Evaluation, das
Staging und das Therapiemonitoring. Dabei greifen wir bei den soliden Tumoren auf
die bereits erwähnten RECIST-Kriterien zurück. Hämatologische Neoplasien wie Lymphomen
werden nach Lugano klassifiziert. In meinen Augen führt dies zur Optimierung der weiteren
Therapieentscheidung.
best practice onkologie:
Welche Bedeutung hat eine strukturierte Befundung für die Operationsplanung und das
Therapiemonitoring?
T. Persigehl:
Eine strukturierte Befundung bietet dem Operateur alle für seine Entscheidung – für
eine Operation (Op.) sowie für die Op.-Planung – relevanten radiologischen Informationen
auf einen Blick. Für das Therapiemonitoring ist die strukturierte Befundung dann besonders
wertvoll, wenn auch Veränderungen quantitativ dokumentiert werden können, insbesondere
wenn es um einen relevanten Tumorprogress geht und möglicherweise eine Therapieumstellung
erfolgen muss. Dann ist nicht nur die Frage relevant, ob ein Progress vorliegt, sondern
auch, um welche Art von Progress es sich handelt, um einen geringen oder einen relevanten
Progress. Mit dem strukturierten Befund bei soliden Tumoren wird auf Basis der RECIST-Kriterien
ein Progress definiert als 20 % mehr Tumormasse, hingegen weniger als 20 % noch als
einigermaßen stabiles Tumorleiden. Die RECIST-Kriterien wurden allerdings ursprünglich
als Parameter für das Therapiemonitoring unter klassischer Chemotherapie in Studien
– quasi unter kontrollierten Bedingungen – entwickelt. Die klinische Realität sieht
aber anders aus. Um diese Kriterien auch im klinischen Alltag nutzen zu können, haben
wir hier in Köln daher gemeinsam mit den Kolleg:innen aus der Onkologie begonnen,
sie zu modifizieren. So definieren wir gerade klinische Kriterien, mit denen wir nicht
nur einen Minor- und einen Major-Progress differenzieren, sondern auch einen Mixed-Response
beurteilen. Diese zusätzlichen Feinheiten in der Therapieantwort sollen in unseren
klinischen Workflow Eingang finden.
Für das Therapiemonitoring ist die strukturierte Befundung dann besonders wertvoll,
wenn Veränderungen auch quantitativ dokumentiert werden können
best practice onkologie:
Könnten Sie die strukturierte Befundung anhand eines Beispiels – vielleicht dem Pankreaskarzinom –
veranschaulichen?
T. Persigehl:
Für das Pankreaskarzinom haben wir 2020 – gemeinsam mit den Viszeralchirurgen, Onkologen
und weiteren klinischen Kolleg:innen – ein detailliertes Template für die strukturierte
Befundung der Pankreasbildgebung entwickelt, welches es mittlerweile sogar bis in
die S3-Leitlinien geschafft hat – und nun auch in die Erhebungsbögen der Deutschen
Krebsgesellschaft (DKG) für die zertifizierten Zentren. Jedes der viszeral-onkologischen
Zentren wird danach gefragt, ob sie mit diesem Template arbeiten.
Für das Pankreaskarzinom haben wir interdisziplinär ein detailliertes Template für
die strukturierte Befundung entwickelt, welches es mittlerweile sogar bis in die S3-Leitlinien
geschafft hat
best practice onkologie:
Gibt es Querbezüge zwischen strukturierter Befundung und künstlicher Intelligenz (KI)?
Und wenn ja, welche?
T. Persigehl:
Querbezüge gibt es natürlich, allerdings ist es ein weiter Weg von einem strukturierten
Befund zu einer KI-basierten Unterstützung in der Radiologie. Je mehr Bilddaten aber
zur Verfügung stehen, desto wahrscheinlicher lassen sich bildbasierte strukturierte
Befunde auch mithilfe von KI auslesen und nach bestimmten Kriterien analysieren. Wir
haben für das neugegründete radiologische Centrum für Integrierte Onkologie (radCIO)
eine spezielle onkologische Software (mint Lesion™, MINT Medical, Heidelberg) eingeworben,
die es uns zukünftig ermöglicht, im Rahmen der strukturierten Befundung in die MRT-
oder CT-Aufnahmen direkt die Läsionen einzuzeichnen. Damit liegt direkt eine 2‑D-Segmentierung
vor, die für ein KI-Training genutzt werden kann. Dies ebnet uns den Weg für eine
zukünftig umfangreiche Nutzung der künstlichen Intelligenz in Fragen der Forschung
und Klinik.
best practice onkologie:
Wo sehen Sie Hürden bei der Implementierung der strukturierten Befundung in der Radiologie?
T. Persigehl:
Grundsätzlich sehe ich Probleme in drei Bereichen: technische Probleme im Bereich
der Software, Stichwort kompatible Software und Schnittstellen, dann finanzielle Hürden,
in Bezug auf die Anschaffung, aber auch in Bezug auf die Erstattung, denn die Implementierung
der strukturierten Befundung führt leider nicht zu einer besseren Honorierung der
radiologischen Leistung, und drittens der notwendige „mental change“ in den radiologischen
Köpfen von textbasierter zu strukturierter Befundung, oder besser gesagt von „ich
muss mich nicht festlegen und diktiere es schnell weg“ zu „mir ist die exakte Darstellung
und eine klare Kommunikation wichtig“. Allerdings ist die strukturierte Befundung
in den verschiedenen radiologischen Fachbereichen unterschiedlich wichtig. Im hämatologisch-onkologischen
Kontext ist sie aus meiner Sicht aber unerlässlich, um eine entsprechend hohe Qualität
der Versorgung von Krebspatienten zu gewährleisten. Deshalb bedarf es daher auch in
der Radiologie einer weiteren Spezialisierung in der onkologischen Bildgebung.
Im hämatologisch-onkologischen Kontext ist die strukturierte Befundung aus meiner
Sicht unerlässlich, um eine hohe Qualität der Versorgung von Krebspatienten zu gewährleisten
best practice onkologie:
Sie erwähnten das Projekt radCIO, dessen Projektleiter Sie sind. Worum geht es bei
diesem Projekt? Welche Ziele hat man sich mit radCIO gesetzt?
T. Persigehl:
radCIO steht für radiologisches Centrum für Integrierte Onkologie (CIO). Das CIO am
Uniklinikum Köln ist eins der von der Deutschen Krebshilfe (DKH) geförderten onkologischen
Spitzenzentren in Deutschland und Bestandteil des CIOABCD-Verbunds, zusammen mit den
Uniklinika Aachen, Bonn, Cologne und Düsseldorf. Wir wollen mit dem radCIO die strukturierte
bildbasierte Befundung zum Tumorstaging (cTNM) und Therapiemonitoring in der klinischen
Routine etablieren, dies mit interdisziplinär entwickelten Checklisten und klaren
Kriterien; dies wird speziell gefördert über die DKH. Das radCIO an sich wird über
das REACT-EU-Vorhaben im Rahmen des OP EFRE NRW 2014–2020 zur Digitalisierung in der
Medizin mit 1,15 Mio. Euro gefördert. Aktuell steht der komplexe IT-Aufbau mit mordernsten
onkologischen Softwaremodulen und zahlreichen IT-Schnittstellen an, geplanter klinischer
Start in 2023. Das radCIO wird uns in Köln ermöglichen, radiologisch alle Daten digital
in höchster Qualität nutzen zu können, verbunden mit einer dann onkologischen Subspezialisierung
in der Radiologie. Schon innerhalb der nächsten Jahre werden wir damit einen riesigen
digitalen Datenschatz aufbauen, der dann auch für interdisziplinäre Analysen und Studien
für eine verbesserte Versorgung unserer Krebspatienten zugänglich ist. Wir hoffen,
aus den Real-World-Daten heraus dann viele wichtige Fragestellungen beantworten zu
können, wie etwa: Welcher Patient mit welchen radiologischen Befundmerkmalen zusammen
mit weiteren klinischen und molekularpathologischen Parametern profitiert von welcher
Tumortherapie am besten? Natürlich wollen wir mit diesen Daten auch KI-Trainings machen
oder auch Radiomics‑/Radiogenomics-Analysen auf den Weg bringen: So kann man beispielsweise
an der Morphologie eines Lungenkarzinoms in der CT sehen, ob der Tumor EGFR-mutiert
ist. Natürlich gilt es noch zu evaluieren, wie robust diese Radiomics‑/Radiogenomics-Daten
sind und ob auf dieser Basis Therapieentscheidungen getroffen werden können. Dafür
werden dann in absehbarer Zeit ausreichend Daten zur Verfügung stehen.
best practice onkologie:
Welche Kooperationspartner arbeiten beim radCIO zusammen?
T. Persigehl:
Natürlich arbeiten wir eng mit Prof. David Maintz als Direktor des Instituts für Diagnostische
und Interventionelle Radiologie am Uniklinikum Köln und mit den Kollegen vom Centrum
für Integrierte Onkologie (CIO) zusammen – insbesondere mit den Medizinischen Onkologen,
den Gastroenterologen und Viszeralchirurgen, den Gynäkologen und Urologen. Sehr eng
arbeiten wir in dieser Aufbauphase auch mit Prof. Jürgen Wolf als dem Ärztlicher Leiter
des CIOKöln zusammen. Derzeit fokussieren wir uns auf verschiedene Fachbereiche, um
die Arbeitsabläufe mit den Patienten zu etablieren. Das ist im Bereich der Hämatoonkologie
die chronische lymphatische Leukämie (CLL) mit der Deutschen CLL-Studiengruppe (DCLLSG)
und Frau Prof. Barbara Eichhorst. Im Bereich der soliden Tumoren sind es das metastasierte
Lungenkarzinom, hier natürlich in enger Zusammenarbeit mit der Lung Cancer Group Cologne
(LCGC) um Prof. Jürgen Wolf und primäre CUP(Cancer-of-Unknown-Primary)-Tumoren mit
der Gruppe um Prof. Thomas Zander, wie aber auch weitere Schwerpunkte am Uniklinikum
Köln, wie das hepatozelluläre Karzinom (HCC), das Pankreaskarzinom und das Prostatakarzinom.
Weitere wichtige Partner sind natürlich auch das Institut für Pathologie sowie das
Institut für Medizininformatik und die KI-Forschungsgruppe der Uniklinik Köln.
best practice onkologie:
Könnte das radCIO beispielgebend auch für die anderen NCT(Nationales-Centrum-für-Tumorerkrankungen)-Standorte
sein?
T. Persigehl:
Natürlich würden wir uns das für die Zukunft wünschen. Letztendlich müssen wir durch
gute Daten und Workflows überzeugen. Aber wir sind sehr zuversichtlich. Unser Softwareanbieter
arbeitet in den USA u. a. mit dem Sloan-Kettering Cancer Center (MSKCC) zusammen und
signalisiert uns, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, uns möglicherweise sogar
bereits einen kleinen Vorsprung erarbeitet haben. Es wäre wunderbar, wenn wir uns
hier in Köln mit den besten Zentren weltweit, etwa dem MD Anderson Cancer Center in
Houston, TX/USA, oder dem MSKCC in New York, NY/USA, messen könnten. Natürlich profitieren
wir auch von RACOON, der ersten deutschlandweiten Radiologie-Plattform, die mit Mitteln
der Initiative Nationales Netzwerk der Universitätsmedizin (NUM) zu COVID-19 des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) aufgebaut wurde, mit dem Ziel, die CT-Aufnahmen der
Lunge von COVID-19-Patienten besser beurteilen zu können. Auch diese Plattform ist
„MINT-basiert“, und alle 36 Universitätskliniken verfügen bereits über das gleiche
System. Für die COVID-19-Forschung werden an allen Standorten bereits die gleichen
Templates für die „strukturierte Befundung“ genutzt, und die Daten können dann mit
der jeweils gleichen Fragestellung an den einzelnen Standorten analysiert werden und
dann voll anonymisiert zusammengeführt werden, ohne Datenschutzprobleme. Würde man
für onkologische Forschung und Versorgung auch nur die NCT-Standorte zusammenschließen,
hätte man schon einen immensen Datenschatz, auf den man zugreifen könnte. Das ist
eine Vision, die sich aber hoffentlich in nicht zu ferner Zukunft realisieren lässt.
best practice onkologie:
Das radCIO ist vor allem universitär ausgerichtet. Was bedeutet eine standardisierte
strukturierte Befundung für die niedergelassene Hämatologie und Onkologie? Lässt sich
das Projekt – ähnlich wie das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) – über
die Sektorengrenzen hinweg ausbreiten?
T. Persigehl:
Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir werden die Praxen, die hier
in Köln lokal mit dem CIO zusammenarbeiten, in das Projekt einbinden. Das radCIO ist
derzeit eher universitär ausgerichtet. Natürlich hoffen wir, dass die niedergelassenen
onkologisch tätigen Kollegen die neue Befundqualität und die onkologische Subspezialisierung
der Radiologie zu schätzen lernen.
best practice onkologie:
Eine letzte Frage: Welchen direkten Nutzen sehen Sie von der strukturierten Befundung
einerseits und dem Projekt radCIO andererseits für den individuellen Patienten?
T. Persigehl:
Natürlich wollen wir durch die strukturierte Befundung die Qualität der Behandlung
für jeden einzelnen Patienten verbessern. Durch das radCIO kommt darüber hinaus das
wissensgenerierende Lernen hinzu, sodass auch wir als Ärzte aus jedem Fall lernen.
Wichtig ist aus unserer Sicht aber auch das Einbinden der Krebspatienten an sich.
Hier ist geplant, jedem Patienten, der im Rahmen des radCIO behandelt wird, über einen
Link im radCIO-Patientenportal seinen individuellen Krankheitsverlauf im radiologischen
Bild anschaulich zu machen. Auch dies soll dazu beitragen, dass sich der Patient immer
mehr als Partner im Behandlungsprozess versteht. Über diesen Zugang kann er zudem
beispielsweise seinen Hausarzt einladen, ihn in diesem Prozess zu begleiten. Hier
wird über das radCIO auch ein neues Verständnis der Gesundheitsfürsorge unterstützt
und die Patientenposition gestärkt.
best practice onkologie:
Herr Dr. Persigehl, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Das Interview führte: Doris Berger, München
Fotos: Heiko Specht
Zur Person:
PD Dr. med. Thorsten Persigehl ist seit 2012 als Radiologe am Institut für Diagnostische
und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Köln tätig. Nach dem Medizinstudium
in Bonn und Münster promovierte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
und absolvierte auch dort auch die Facharztausbildung. Ein Forschungsstipendium der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) führte ihn nach New York an die Radiologie
der Columbia University in die Arbeitsgruppe von Prof. Lawrence H. Schwartz, wo er
begann, sich intensiv mit onkologischer Bildgebung und strukturierter Befundung zu
befassen. In Köln leitet er seit 2012 die Bereiche MRT und onkologische Bildgebung.
Seit 2013 ist er Vorstandsmitglied der AG Onkologische Bildgebung der Deutschen Röntgengesellschaft
(DRG) mit Verantwortung des Gebiets „Strukturierte onkologische Befundung“ und „Onkologische
Weiterbildung“. Im Jahr 2017 wurde er zum Fellow der International Cancer Imaging
Society (ICIS) gewählt und absolvierte das Zusatzstudium „Master of Oncological Imaging“
der Universität Pisa/Italien über die European Society of Oncologic Imaging (ESOI).
Seit Anfang dieses Jahres leitet er zudem das Projekt radCIO am Centrum für Integrierte
Onkologie (CIO) in Köln.