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      Infektionsschutz und spezielle Hygienemaßnahmen in klinischen Disziplinen

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          Abstract

          5.1 Persönliche Hygiene von Patient und Personal Axel Kramer, Sylvia Ryll und Ojan Assadian Der Weltgesundheitstag vom 7. April 1983 stand unter dem Motto „Gesundheit für alle – Aufgabe für jeden“. Die damit verbundenen Appelle, sich bewusst um die eigene Gesundheit zu kümmern, begründen sich in der Erkenntnis, dass die sog. Zivilisationskrankheiten einschließlich Tumoren und Infektionskrankheiten meist multifaktoriell entstehen und zumindest teilweise durch die Lebensweise mitbestimmt werden. Das betrifft auch die Einflussnahme auf den Genesungsprozess hospitalisierter Patienten (Kap. 8.6) und deren Schutz vor NI. Im Sinne der Primärprävention Individualhygienewerden zur Individualhygiene alle unmittelbar und mittelbar gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen des Menschen in seiner Selbstverantwortung für Gesundheit, Leistungsfähigkeit sowie körperliches und seelisches Wohlbefinden gerechnet. Die persönliche Hygiene der Mitarbeiter geht deutlich über das Anliegen der Individualhygiene hinaus, da der Patient für seine Betreuung nicht nur gepflegte, gesunde Mitarbeiter erwartet, sondern von den Mitarbeitern bei der pflegerischen und ärztlichen Betreuung kein Infektionsrisiko ausgehen darf. 5.1.1 Bettlägeriger Patient Allgemeine Betreuung Menschliche Patient, bettlägeriger Patient, bettlägerigerBetreuung, allgemeineZuwendung vermag in Verbindung mit individueller Betreuung dem Patienten die Kraft zu geben, die Krankheit zu überwinden oder sie zumindest zu ertragen. Die verständnisvolle Zuwendung zur Persönlichkeit des Patienten, zu seinen Ängsten und zu seinen Genesungsaussichten helfen ihm in Ergänzung zur eigentlichen Therapie bei der Krankheitsbewältigung. Hieraus ergibt sich eine der schönsten und dankbarsten Aufgaben für alle im Gesundheitswesen Tätigen: die Betreuung des Patienten im umfassenden Anspruch zur Wiederherstellung der Gesundheit, zum Erhalt der Leistungsfähigkeit und zur Förderung des physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens. Eine ruhige, besonnene Arbeitsatmosphäre gibt dem Patienten das Gefühl der Geborgenheit und erleichtert ihm die Anpassung an einen gesundheitsfördernden Tagesrhythmus. Bei stationärer Behandlung hat der Patient die meisten Kontakte mit dem Pflegeteam. Ihm vertraut er vielfach seine Probleme, Hoffnungen, Wünsche, u. U. seine Lebensgeschichte an. Er erhofft sich warmherzige Zuwendung, Beratung und Pflege. Durch die Vertrauensstellung kann das Pflegeteam auf den Heilungsprozess und die Persönlichkeit des Patienten Einfluss nehmen, nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern vielmehr im Vorübergehen. Die Einflussnahme kann sich auf Körperhygiene, Ernährung einschließlich der Aufklärung über den Missbrauch von Genussmitteln, körperliche Aktivität sowie das richtige Verhältnis zum Arzneimittel und zur Krankheit erstrecken. Im günstigsten Fall kann das Team dem Patienten gedanklich Wege eröffnen, die Krankheit zu überwinden, mit dem Leiden, wenn es sich um eine chronische Erkrankung handelt, zu leben bzw. Beistand im Prozess des Sterbens zu erhalten. Zur Anregung gesundheitsfördernder Verhaltensweisen sind die Vorbildwirkung des einzelnen Mitarbeiters sowie das Erscheinungsbild und der Hygienestatus der Einrichtung wichtige Einflussgrößen. Eine gesunde, angepasste Patientenverpflegung kann zum Nachdenken über gesunde Ernährung beitragen. Das betrifft z. B. das Angebot von Frühstück und Abendessen als Büffet, die Möglichkeit von Wahlessen einschließlich spezieller Diäten für die Mittagsmahlzeit und die Beratung bei der Essenauswahl. Zur Dispositionsprophylaxe gehören der Patient, bettlägerigerDispositionsprophylaxeSchutz vor physikalischen und chemischen Umgebungsfaktoren (Kap. 9.8, Kap. 9.9), ein behagliches Raumklima sowie eine angenehme Innenausstattung und Beleuchtung (Kap. 9.7). Körperreinigung und -pflege Individuelles PatientenhygieneKörperreinigungSauberkeitsverhalten lässt sich nicht in Normen und Vorschriften festschreiben. Die Einstellung zur Sauberkeit wird im Wesentlichen durch Einflüsse der Erziehung, Tradition und das soziale Umfeld geprägt und unterliegt in der weiteren Entwicklung geschlechts- und berufsspezifischen Einflüssen bis hin zu Modetrends. Bei den in Tab. 5.1 zusammengefassten Empfehlungen zur Körperhygiene ist zu berücksichtigen, dass aufgrund starken Schwitzens einerseits, hingegen geringerer Verschmutzung andererseits der Rhythmus im Krankenhaus abweichen kann. Tab. 5.1 Empfehlungen zur Körperhygiene (abgeleitet aus Untersuchungen von Bergler 1973, 1989 und Kramer et al. 1993) Maßnahme Rhythmus Ganzkörperbad Wöchentlich Duschen oder Körperwaschung Täglich Waschung Rima ani Morgens und abends, u. U. auch zwischenzeitlich Zähneputzen Morgens und abends (mindestens jeweils 2 min) Haarwäsche 1–2 Mal/Woche Händewaschen Vor dem Essen, nach Toilettenbenutzung, nach Verschmutzung Eincremen des Körpers Nach jedem Duschen Gesichtspflege: Morgens und abends, u. U. auch zwischenzeitlich Tagescreme Nach morgendlicher Reinigung Nachtcreme Nach abendlicher Reinigung Anwendung dermatologischer Salbe Bei Wundsein bzw. individuellem Bedürfnis Wechsel Unterwäsche, Strümpfe Täglich Wechsel Hemden, Blusen Täglich bis jeden 2. Tag Wechsel Pyjama1 Mindestens wöchentlich Bettbezug1 Alle 2 Wochen Bettlaken, Kopfkissen Bei Bedarf, z. B. nach starkem Schwitzen, Durchfeuchtung, während antiseptischer Sanierung bei MRSA (Kap. 5.2, Kap. 6.2) 1 Häufiger bei starkem Schwitzen, nach Durchfeuchtung oder während antiseptischer Sanierung (Kap. 6.2) Für den Patienten kann bei der Krankenhausaufnahme zusätzlich zur Aushändigung des desinfizierbaren Patientenidentifikationsarmbands die Aushändigung einer kurz gefassten Darstellung der Körperpflege zur Gesundheitsaufklärung beitragen. Hände: Zur HändehygienePatient PatientenhygieneHändehygieneHautreinigung sind Seifen auf Tensidbasis anstelle flüssiger Seifen auf Alkalibasis zu bevorzugen (Tab. 5.2 ). Obwohl die Händedesinfektion signifikant wirksamer ist als Händewaschung (Kap. 2.1), was sich selbst außerhalb des Krankenhauses epidemiologisch nachweisen lässt (Hübner et al. 2010), wird durch Waschen mit Wasser und Seife mit der Ablösung der Schmutzpartikel zugleich ein großer Teil der transienten Flora, aber nur ein geringerer Teil der residenten Flora entfernt. Bei Virusgrippe ist durch Händewaschung eine Schutzwirkung erreichbar (Eggers, Terletskaia-Ladwig und Enders 2009) bzw. war kein zusätzlicher Effekt der Händedesinfektion nachweisbar (Hübner et al. 2010). Allerdings ist die Seifenwaschung deutlich aggressiver als die Händedesinfektion (Kap. 5.20). Durch Abspülen mit Wasser und Abtrocknen wird die Verminderung der Bakterienzahl nach dem Händewaschen noch verbessert (Schmidt und Kramer 1996). Tab. 5.2 Wirkung von Alkali- und Tensidseifen auf die Haut Wirkung Alkaliseifen Tensidseifen Kalkseifenbildung Ja Nein Quellung Ausgeprägt Gering Austrocknung Mäßig Gering bis mäßig (abhängig von rückfettenden Zusätzen) Entfettung Ausgeprägt Verschiebung des Haut-pH-Werts zum Alkalischen Je nach Expositionsdauer mäßig bis stark Nein Alkalineutralisationsvermögen Deutlich verzögert Wenig verzögert Haut-pH-Regeneration Stark beeinträchtigt Kaum beeinflusst Spreitung Nein Möglich (nach Kramer, Weuffen und Schwenke 1973) Körperwaschung: Das KörperwaschungPatient PatientenhygieneKörperwaschungPflegeteam kann auf die Motivierung des Patienten zur Körperhygiene mit Takt und Einfühlungsvermögen Einfluss nehmen. Baden, Duschen oder Waschen wirken nicht nur reinigend, sondern auch wohltuend und durch Kreislaufanregung belebend, was vor allem für geriatrische Patienten erwünscht ist. Wegen der mit dem Baden verbundenen Kreislaufbelastung sollten betagte Patienten nicht länger als 20 min und nicht zu heiß (37–38 °C) gebadet werden. Es ist die Verwendung hautschonender, rückfettender Badezusätze zu empfehlen. Stark schäumende Badezusätze sind ungeeignet. Das Zusammenspiel von warmem Wasser, oberflächenaktiven Substanzen und längerer Einwirkzeit begünstigt durch Aufquellen der Haut mit Rhagadenbildung den Eintritt von Infektionserregern, weshalb Duschbad, Sitz- oder Halbbad dem Vollbad im Alter vorzuziehen sind. Werden Badewanne oder Dusche von mehreren Patienten bzw. Heimbewohnern benutzt, ist nach dem jedem Gebrauch desinfizierend zu reinigen. In Einrichtungen der Altenpflege wird z. T. ein Badeplan erstellt, der festlegt, wer wann badet. Diese Badepläne machen das Dilemma der Altenpflege in Heimen deutlich: Auf der einen Seite sind sie unumgänglich, wenn jeder Bewohner ein sauberes Bad vorfinden will, auf der anderen Seite beschneiden sie die Freiheit gerade der jüngeren, mobilen Bewohner. Intimhygiene: Bei der IntimhygieneIntimhygienePatient PatientenhygieneIntimhygiene soll auf antimikrobielle Substanzen verzichtet werden, da die physiologische Schleimhautflora gestört werden kann. Bei WöchnerinnenIntimhygieneWöchnerinnen ist die Intimhygiene besonders wichtig; 24 h nach der Entbindung sollten sich die Patientinnen mehrmals täglich spülen bzw. bei Bettlägerigkeit gespült werden, auch bei Dammnähten und Episiotomien. Dadurch werden Verkrustungen und Verklebungen vermieden und einer mikrobiellen Kolonisation durch Krankheitserreger entgegengewirkt. Etwa 4–6 Wochen post partum kann die normale Reinigung z. B. mit Intimwaschlotionen begonnen werden. Stillende reinigen sich die Brüste mehrmals täglich mit einer Handdusche; durch die Massagewirkung werden zugleich das Gewebe gekräftigt und die Milchsekretion angeregt (Seidenschnur 1988). Nasenpflege: Bei PatientenPatientenhygieneNasenpflege Nasenpflege mit eitrigem oder serösem Ausfluss sind die Benutzung von Einmalmaterialien und deren hygienische Abwurfmöglichkeit zu gewährleisten. Bei Gefahr oder ersten Anzeichen von Wundwerden im Bereich der Naseneingänge sind dem Patienten Wundheilsalbe oder pflegende Öle zur Verfügung zu stellen. Reinigen der Fingernägel (Maniküre): Die ManiküreNagelpflege, Patient PatientenhygieneManiküre umfasst das kurzeitige Baden der Hände in warmem Wasser, damit die Nägel weicher werden und sich leichter schneiden lassen, das Schneiden und/oder ggf. Feilen der Fingernägel und das abschließende Eincremen der Hände. Beim Schneiden der Fingernägel ist darauf zu achten, dass die umliegende Haut und das Nagelbett nicht verletzt werden. Mund- und Zahnpflege: Hier ist der Mundpflege Zahnpflege PatientenhygieneMundpflege PatientenhygieneZahnpflegeZusammenhang zwischen Verhalten und Krankheitsverhütung evident. Gesunde Ernährung sowie regelmäßige Entfernung von Speiseresten und Plaque sind maßgebliche Faktoren zur Verhinderung von Parodontopathien, Karies und langfristig von systemischen Erkrankungen (Kap. 5.18.6). Die Empfehlung, die Zähne nach jeder Mahlzeit zu putzen, wird leider nicht konsequent umgesetzt. Selbst die praktikable Norm, morgens und abends die Zähne zu putzen, ist nicht durchgehend Allgemeingut. Zur Mundhygiene bedarf es der adäquaten Zahnbürste (möglichst elektrisch, sofern das Zahnfleisch intakt ist), die bei regelmäßigem Gebrauch nach 8–12 Wochen erneuert werden soll, sowie Zahnseide und Interdentalbürsten unterschiedlicher Stärke für die Zahnzwischenräume. Durch im Borstenbereich abgewinkelte Bürsten kann die Reinigung der hinteren Molaren erleichtert werden. Für die Dauer eines Klinikaufenthalts sollten neue Zahnbürsten benutzt werden, um mögliche Infektionsketten vom häuslichen Milieu in die Klinik und umgekehrt zu unterbrechen. Zahnbürsten sind mit dem Bürstenteil nach oben aufzustellen. Die Zahnreinigung kann durch antiseptische Mundspülung ergänzt werden. Wegen der erhöhten Kariesgefährdung in der Schwangerschaft und bei Erkrankungen mit veränderter Mundhöhlenflora ist die Zahnreinigung nach jeder Mahlzeit möglichst in Verbindung mit der Anwendung von Zahnseide besonders wichtig. 5.1.2 Mitarbeiter Alle Maßnahmen der Persönlichen Hygiene einschließlich Berufs-, Bereichs- und Schutzkleidung für medizinisches Personal sollen NI und deren Ausbreitung sowie Infektionen des Personals verhindern. Auf sorgfältige Hygieneschulung der Mitarbeiter ist besonderer Wert zu legen. Ungenügendes Wissen ist eine der häufigsten Ursachen für hygienisches Fehlverhalten. Die PersonalhygieneGrundsätze der Personalhygiene sind im IfSG, in Länderhygieneverordnungen, der Biostoff-Verordnung und der TRBA 250, in Bundesgenossenschaftlichen Vorschriften (GUV 8.1), in der Richtlinie der KRINKO sowie in Empfehlungen von Fachgesellschaften (z. B. AWMF, DGKH, VHD, DGSV) geregelt. Zur Berufsausübung ist vom Gesetzgeber Berufskleidung vorgesehen. Kleiderordnung Keine Vorschrift löst so viele Diskussionen aus wie die Einführung einer Kleiderordnung. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass bislang die infektionspräventive Evidenz für das Tragen von Bereichskleidung fehlt und die Regelungen für die Dienstbekleidung nur als elementare Voraussetzung für eine Basishygiene zu begreifen sind. Privatkleidung Vor PersonalhygienePrivatkleidungDienstbeginn ist die PrivatkleidungPrivatkleidung, Personal bis auf die Unterwäsche und die Strümpfe abzulegen und Berufs- bzw. Bereichskleidung anzulegen. Am Dienstende wird die Berufskleidung abgelegt und die Einrichtung in Privatkleidung verlassen. In Arbeitsbereichen, in denen keine Berufskleidung einschließlich Kittel erforderlich ist (z. B. allgemeine Verwaltung, Telefonzentrale, Sekretariat, Bibliothek), kann Privatkleidung getragen werden. Über Berufs- und Bereichskleidung ist keine Privatkleidung zu tragen (Pullover, Langarm T-Shirt). Häufig herrscht Unklarheit wegen PersonalhygieneStrümpfeder Strümpfe. Strümpfe gehören (außer im OP) nicht zur Berufskleidung, weil bei geeignetem Schuhwerk praktisch keine Kontaminationsgefahr besteht. Falls doch eine Benetzung mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten stattfindet, sind die Strümpfe zu verwerfen oder geschützt verpackt zu transportieren und bei mindestens 60 °C (bei geringeren Temperaturen mit desinfizierendem Waschmittel lt. VAH-Liste) zu waschen. Private Strickjacken und Langarm-Shirts sind PersonalhygieneStrickjackengrundsätzlich nicht erlaubt, da sie zur Quelle der Übertragung von Krankenhauserregern werden können. Durch offen getragene Strickjacken kann es zur Aufwirbelung von an Staub gebundenen Erregern kommen. Die langen Ärmel der Jacke und des Shirts behindern zum einen die sichere Händedesinfektion und können durch die Nähe zur Hand schnell zu einer Rekontamination führen. Zusätzlich können sie durch die Berufs- bzw. Bereichskleidung mit Erregern kontaminiert werden bzw. diese bei erneutem Ankleiden rekontaminieren. Eine regelmäßig hygienisch sichere Waschung in der Häuslichkeit ist nicht nachvollziehbar bzw. kontrollierbar. Strickjacken können im Bedarfsfall (z. B. Nachtdienst) vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden und dürfen nicht bei Tätigkeiten am Patienten getragen werden. Sie müssen in einer Krankenhauswäscherei mit desinfizierenden validierten Waschverfahren aufbereitet werden. Bei Tätigkeiten PersonalhygieneSchmuckdie eine Händedesinfektion erforderlich machen, darf kein Schmuck an Händen und Unterarmen getragen werden (TRBA 250). Unter Ringen, Armbändern und Uhren findet keine effektive Desinfektion statt. Somit stellt Schmuck an Händen und Unterarmen ein Erregerreservoir dar und damit eine Gefahrenquelle für Patienten und Pflegekraft. Ketten, lange oder zu große Ohrringe und Piercings können zur Verletzungsgefahr werden, wenn z. B. Patienten danach greifen, oder beim Kleidungswechsel, An- und Ablegen von Schutzkleidung. Ketten und Piercings dürfen in keinem Fall die Desinfektions- und Pflegemaßnahmen behindern. Ringe, Armbänder und Uhren an den Händen und Handgelenken sind zum Dienstbeginn abzulegen. Piercings: Implantierte Piercings (Dermal Anchor) an Händen und Unterarmen sind nicht zulässig. PersonalhygienePiercings PiercingsVon einem Piercings andernorts mit abgeheiltem Stichkanal geht kein Infektionsrisiko aus, sodass es getragen werden kann, solange es keine Kontaminations- und Unfallgefährdung darstellt. Gleiches gilt für Halsketten. Bei nicht abgeheiltem Stichkanal ist zu beachten, dass die Wunde nicht ohne vorherige Händedesinfektion berührt wird. Bei infiziertem Stichkanal ist keine chirurgisch-invasive Tätigkeit zulässig. Es sind keine immunsupprimierten Patienten zu versorgen. Die Infektion ist dem vorgesetzten Arzt unverzüglich zu melden, damit dieser über den weiteren Einsatz entscheiden kann (ggf. Rücksprache mit dem Hygieneteam). Berufskleidung BerufskleidungBerufskleidung PersonalhygieneBerufskleidung (am sinnvollsten kurzärmliger Kasack und Hose) dient dem Schutz der privaten Kleidung vor Verschmutzung und unerwarteter infektiöser Kontamination. Sie wird über der privaten Wäsche getragen. Sie soll die private Kleidung vollständig bedecken. Zugleich vermittelt sie ein einheitliches Erscheinungsbild zur Identifizierung durch die Patienten. Als Basisbekleidung stellt Berufskleidung nur eine bedingte Schutzfunktion für den Mitarbeiter dar und erfüllt nicht die Anforderungen von Schutzkleidung. Ihr Sinn liegt vor allem darin, im Krankenhaus auftretende Krankheitserreger nicht über die Privatkleidung in den häuslichen Bereich zu tragen. Grundsätzlich kann von jedem getragenen Bestandteil der Berufskleidung eine Infektionsgefährdung ausgehen. Damit kann z. B. beim Konsiliarbesuch ebenso wie beim Aufenthalt in einer Cafeteria oder Kantine eine Verbreitung von Krankheitserregern durch Berufskleidung nie ausgeschlossen werden. Es ist ein Erregertransport in unterschiedliche Krankenhausbereiche im Sinne von Kreuzinfektionen möglich. Deshalb muss bei allen Wechseln in Bereichen mit unterschiedlicher Infektionsgefährdung die Kleidung gewechselt oder ein Schutzkittel übergezogen werden. Im Rahmen der Dienstausübung ist über Berufs-, Bereichs- oder Schutzkleidung keine Privatkleidung zu tragen (Pullover, Langarm T-Shirt). Unter kurzärmliger Berufs- oder Bereichskleidung ist analog keine langärmelige Privatkleidung zu tragen. Berufskleidung ist mindestens 2× pro Woche, bei infektiöser Kontamination und/oder Verschmutzung sofort zu wechseln. Nach dem Wechsel wird die Berufskleidung der Krankenhauswäscherei zur desinfizierenden Aufbereitung zugeführt. Unter der Voraussetzung, dass die Indikationen für Schutz- und Bereichskleidung eingehalten werden, kann Berufskleidung auch zur Essenseinahme anbehalten bleiben. Eine Ausnahme bildet z. B. das zahnärztliche Team aufgrund der Kontamination der Berufskleidung durch das bei der zahnärztlichen Behandlung entstehende Aerosol. Der Arztkittel ist Arztkittel PersonalhygieneArztkitteleine spezielle Form der Berufskleidung. Er ist geschlossen zu tragen. Bei Tätigkeiten ohne erhöhte Infektionsgefährdung kann der Arztkittel zum Schutz über der Privatkleidung getragen werden (Visite). Bei direkten Tätigkeiten am Patienten ist der Arztkittel jedoch abzulegen. Wegen der Möglichkeit der unkontrollierbaren Kreuzkontamination ist Berufskleidung getrennt von Privatkleidung aufzubewahren, d. h. Berufskleidung ist nicht im Garderobenschrank des Mitarbeiters zu bevorraten, sondern sie muss bis zur Inanspruchnahme in Wäscheschränken/Regalen gelagert werden. In den USA, Neuseeland und Australien wird dem medizinischen Personal in manchen Gesundheitseinrichtungen keine Berufskleidung zur Verfügung gestellt. Stattdessen erscheinen die Mitarbeiter in kurzärmliger Privatkleidung und legen bei benötigtem Infektionsschutz Bereichs- oder Schutzkleidung an. Damit erfolgt eine Schwerpunktverlagerung auf die Barrierenpflege und Aseptik bei allen Tätigkeiten am Patienten. Berufsschuhe sind nur im Berufsschuhe PersonalhygieneBerufsschuheArbeitsbereich zu tragen. Sie müssen gemäß BG-Vorschrift mindestens vorn geschlossen und mit einem Fersenriemchen versehen sein. Sie sollen bequem und rutschfest sein. Für den Fall der bemerkten oder mutmaßlichen Kontamination müssen sie durch Wischdesinfektion oder sicherer im RDG aufbereitet werden. Schuhe im OP, in Transplantationseinheiten und in Reinräumen (z. B. Hornhautbank, Apotheken) sind täglich aufzubereiten. Schutzkleidung SchutzkleidungSchutzkleidung PersonalhygieneSchutzkleidung wird zusätzlich zur Berufs- bzw. Bereichskleidung bei Tätigkeiten mit erhöhter Kontaminationsgefahr (z. B. Isolationspflege) und/oder Infektionsgefährdung oder bei erforderlicher Sterilität getragen (z. B. Legen eines ZVK). Sie hat die Aufgabe, das Personal und die Patienten vor Kontamination zu schützen. Dazu gehören sterile und unsterile Schutzkittel, flüssigkeitsdichte Schürzen, sterile und unsterile Handschuhe, MNS, Schutzbrillen, Haarschutz. Üblicherweise ist der chirurgische MNS ausreichend (er erreicht die Abscheidequalität von N 95 Filtern). Unsterile flüssigkeitsdichte Einmalschürzen werden bei Tätigkeiten mit dem Risiko der Durchfeuchtung über der Berufs-, Bereichs- oder Schutzkleidung getragen (z. B. bei der Körperwaschung des Pat.). Sie sind nach jedem Gebrauch zu entsorgen. Unsterile Vlieskittel eignen sich für Besucher isolierter Patienten und sind vor Verlassen der Isoliereinheit zu entsorgen. Mitarbeiter können bei isolieren Patienten unsterile Vlieskittel tragen, sofern keine Durchfeuchtung bzw. keine längere mechanische Beanspruchung des Kittels zu erwarten ist (nicht zu verwenden z. B. bei Körperpflege, Mobilisation, aufwendigem Verbandswechsel). Unsterile Schutzkittel (langärmliger Isolierkittel aus erregerdichtem Material nach ISO 22610, 22612, 16604) werden zum Schutz vor Kontamination mit übertragbarem erregerhaltigem Material über der Berufs- bzw. Bereichskleidung getragen, wenn davon auszugehen ist, dass der Vlieskittel die Schutzfunktion z. B. bei zu erwartender mechanischer Beanspruchung nicht erfüllt. Der Schutzkittel ist ausschließlich der Versorgung eines Patienten vorbehalten. Ein Wechsel ist nach Schichtende und zusätzlich nach Kontamination der Innenseite erforderlich. Sterile Schutzkittel sind für Eingriffe in OP-Einheiten und bei aseptischen Eingriffen (z. B. ZVK-Anlage) außerhalb von OP-Einheiten anzulegen. Handschuhe: Unsterile Handschuhe müssen vor geplantem oder potenziellem Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten, Körperausscheidungen und Krankheitserregern und zum Schutz vor chemischen Belastungen (z. B. Desinfektionsmitteln, Zytostatika) angelegt werden. Sterile Handschuhe müssen bei allen Tätigkeiten, die Aseptik verlangen, getragen werden (z. B. chirurgische Eingriffe, Reinraumtätigkeit, ggf. Wundverbandwechsel) Ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) ist anzulegen, wenn mit Verspritzen oder Aerosolbildung vonPersonalhygieneMund-Nasen-Schutz Mund-Nasen-Schutz erregerhaltigem Material zu rechnen ist, ebenso vor Operationen und aseptischen Eingriffen sowie bei der Betreuung von Patienten in Umkehrisolation. Bei Erkältungskrankheiten der Mitarbeiter ist MNS anzulegen, wenn aufgrund der spezifischen Situation eine Übertragung auf Patienten oder andere Mitarbeiter verhindert werden soll (z. B. bei nachgewiesener Virusgrippe). Der MNS muss Mund und Nase bedecken und dicht am Gesicht anliegen. Er kann so lange getragen werden, wie er die Atmung nicht behindert. Sobald er einmal abgenommen wurde, ist er zu verwerfen. Augenschutz: Eine Schutzbrille muss getragen PersonalhygieneSchutzbrille Schutzbrille Augenschutzwerden, wenn mit dem Verspritzen von erregerhaltigem Material oder von Desinfektionsmitteln/Chemikalien zu rechnen ist. Ein Gesichtsschild ist zu benutzen, wenn das gesamte Gesicht vor Kontamination mit Flüssigkeiten geschützt werden soll. Haarschutz: Soll PersonalhygieneHaarschutzeine Kontamination durch Haare verhindert werden (z. B. OP, Küche), ist mit dem Verspritzen von erregerhaltigem Material zu rechnen und bei infektionsgefährdenden Tätigkeiten (z. B. großflächiger Verbandswechsel) sind Einmalhauben zu tragen, die das Kopfhaar bedecken und haarundurchlässig sind. Bereichskleidung Bereichskleidung entspricht in ihrer Funktion der Berufskleidung. Sie unterscheidet sich farblich (blau, grün) von der Berufskleidung. Bereichskleidung darf nur in speziell festgelegten Bereichen getragen werden (ITS-Stationen, OP). Beim Bereichskleidung PersonalhygieneBereichskleidungWechsel in Risikobereiche wird die Berufskleidung abgelegt und Bereichskleidung angelegt. Alternativ kann z. B. für Konsiliarärzte ein langärmlig geschlossen zu tragender Schutzkittel (Isolierkittel) benutzt werden. Bei nicht isolierten Patienten muss der Schutzkittel nicht zwischen verschiedenen Zimmern/Patienten gewechselt werden. Bei isolierten Patienten (unabhängig ob infektiös oder als Schutz) muss der Schutzkittel zwischen verschiedenen Zimmern/Patienten gewechselt werden. Sofern eine Kontamination des Schutzkittels zu erwarten ist (z. B. aufwendiger Verbandswechsel, Drainagenwechsel), muss danach ein frischer Schutzkittel angelegt werden. In jedem Fall ist der Schutzkittel vor dem Verlassen der Station bzw. bei Isolierung im Zimmer abzulegen. Für Patiententransporte und Wege innerhalb der Einrichtung kann ein unsteriler, geschlossen getragener Kittel über die Bereichskleidung angelegt werden. In Reinraumbereichen muss die für den Bereich festgelegte Reinraumkleidung getragen werden. Beim Einschleusen ist die Berufskleidung bis auf die Unterwäsche abzulegen und die Reinraumkleidung anzulegen. Körperhygiene Hände einschließlich Fingernägel PersonalhygieneHändemüssen sauber und gepflegt sein. Die Händehygiene gehört zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung der Übertragung von Krankenhausinfektionen. Sie umfasst neben der Händedesinfektion die Händewaschung sowie Haut schützende Maßnahmen und Hautpflege. Es wird davon ausgegangen, dass bis zu 90 % der exogen übertragbaren NI über die Hände übertragen werden. Bereits kleinste Risse bzw. Mikroverletzungen der Haut können zu Eintrittspforten und Reservoiren für Erreger werden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich eine ungepflegte, raue, rissige Haut nicht sicher desinfizieren lässt. Das gleiche gilt für zu lange Fingernägel, abgeplatzten gerissenen Nagellack und für künstliche Fingernägel (diese sind besonders gefährlich, weil sich Pathogene im Klebebereich ansiedeln und vermehren; war Ursache verschiedener Ausbrüche). Fingernägel sind kurz mit den Fingerkuppen abschließend zu schneiden. Farbiger Nagellack und künstliche Fingernägel sind generell abzulehnen, weil sie die Sichtbeurteilung der Nägel verhindern. Bei der Haarpflege wird die soziale Funktion des äußeren Erscheinungsbildes besonders deutlich. Mit ungepflegten, fettigen oder strähnigen Haaren wird eine Nachlässigkeit des Trägers verbunden. Lange Haare sollen während des Dienstes zusammengebunden oder hochgesteckt getragen werden. Bartträger haben den Bart kurz und gepflegt zu halten oder abzudecken. Duschen: Beim Duschen PersonalhygieneDuschenkommt es zur stärkeren Auflockerung der oberen Epidermisschichten als beim Waschen mit Seife und Lappen. Die damit verbundene verstärkte Freisetzung der Hautflora auch aus tieferen Hautschichten ist ggf. zu berücksichtigen. Falls sich z. B. Mitglieder des OP-Teams zu Dienstantritt oder vor Anlegen der Bereichskleidung duschen, kann durch anschließendes Eincremen der Haut die Partikel- und Erregerabgabe auf < 1 10 reduziert werden. 5.2 Allgemeine und spezielle Pflege Axel Kramer, Sylvia Ryll und Ojan Assadian 5.2.1 Allgemeine Pflege Für den Standard zur Augenpflege bei Krankenhauspatienten Kap. 5.15.8. Körperwaschung Tägliches Duschen oder Körperwaschung mit anschließendem Eincremen der Haut sind ein festes Ritual der Körperhygiene (Bergler 1973 und 1989; Kramer et al. 1993) und häufig der erste Mobilisationsschritt nach Bettlägerigkeit. Bedeutung Die KörperwaschungKörperwaschungBedeutung PatientenhygieneKörperwaschung ist ein wesentlicher Bestandteil der Körperhygiene und wird im stationären Bereich in Form der Teilkörperwaschung/Ganzkörperwaschung von der Pflegekraft für Patienten übernommen, die sich nicht selbstständig waschen können. Dem Patienten zu helfen, die persönliche Hygiene beizubehalten, ist ein fundamentaler Aspekt in der Krankenpflege (Downey und Lloyd 2008). Die Waschung mit Lappen, Wasser und Seife hat mehrere positive Aspekte. Das gilt sowohl für den komatösen wie für den wachen Patienten. Dem jeweiligem Bedürfnis des Patienten angepasst, können die Waschungen sowohl reinigend, belebend, basisstimulierend als auch beruhigend, schweißreduzierend oder körperorientierend wirken. Auch die Waschung im Bett regt die Durchblutung der Haut an (Okumura et al. 1994). Da das Waschen, angepasst an den Stationsablauf, regelmäßig zu festgelegten Zeiten stattfindet, bietet es dem Patienten einen zeitlichen Rahmen. Der Tag des Patienten beginnt in der Regel mit der Ganzkörperwaschung und endet mit einer Teilkörperwaschung. Diese festgelegten, regelmäßigen Rituale geben besonders desorientierten, wahrnehmungs- oder bewusstseinsgestörten Patienten eine gewisse Stabilität. Zudem sind der körperliche Kontakt und die Berührung bei der Waschung ein Ausdruck von Nähe und sozialer Bindung, den Kranke durch diese Art der Pflege erfahren. Darüber hinaus leistet die Körperwaschung durch die mechanische Verminderung von Mikroorganismen einen zusätzlichen Beitrag zur Minimierung der Weiterverbreitung von MRE (Climo et al. 2013). Durchführung Von derKörperwaschungDurchführung Reihenfolge Waschen und Abtrocknen vom Kopf beginnend abwärts, Genitalbereich am Schluss mit separatem Lappen, kann individuell auf den Patienten abgestimmt unter Einhaltung hygienischer Grundsätze abgewichen werden. Bei Beachtung der Grundregel „sauber vor kolonisiert/infiziert“ ist der Wechsel des Waschwassers während einer Waschung nicht immer erforderlich, da die Erregerbelastung bei ausreichender Wassermenge durch den Verdünnungseffekt gering ist. Sinnvoll ist der Wasserwechsel in folgenden Fällen: • Infektion im gewaschenen Bereich, um eine Erregerverschleppung zu verhindern • Vor der Waschung in der Umgebung von Eintrittsstellen für Katheter u. Ä. • Nach der Waschung des anogenitalen Bereichs • Bei starker Verseifung des Wassers, damit keine Seifenrückstände auf der Haut verbleiben. Werden patienteneigene Utensilien verwendet, sollten für Waschlappen schnell trocknende Materialien (z. B. Frottee) VerwendungKörperwaschungMaterial finden. Handschuhwaschlappen sind je nach Produktionsart wegen langsamer Trocknung infolge der doppelten Textilschicht ungünstiger. Bei Verwendung krankenhauseigener Utensilien sind für jeden Waschvorgang frisch aufbereitete Waschlappen und Handtücher zu verwenden. Zur Arbeitserleichterung und geringeren Hautbelastung tragen gebrauchsfertige handelsüblich vorgetränkte Einwegwaschlappen ohne oder mit antimikrobieller Ausrüstung (z. B. OCT) bei, die in Risikobereichen von der Klinik zur Verfügung gestellt werden. Bei der Auswahl sind die Inhaltstoffe der Tränkflüssigkeit zu beachten. Wegen der Gefahr von Allergien sollten keine Parfümstoffe und Konservierungsmittel enthalten sein. Derartige Einwegwaschlappen sind v. a. in der Intensivpflege vorteilhaft. Im Ergebnis einer Anwendungsbeobachtung mit einem vorgetränkten Einwegtuch (nicht-ionische Tenside, Vitamin E, Dexpanthenol, Polihexanid) auf einer ITS wurde vom Pflegeteam die Zeitersparnis und Arbeitserleichterung bestätigt. Innerhalb des einwöchigen Messzeitraums konnten weder subjektiv noch objektiv hautschädigende Einflüsse durch die Pflegetuchanwendung beobachtet werden. Vielmehr zeichnete sich eine Verbesserung des Hautzustands ab (Scharpenack 2012). Für das Waschen des Genital- und Analbereichs werden Schutzhandschuhe angelegt, um eine Kontamination der Hände mit der Fäkalflora zu vermeiden, aber auch zur Wahrung der Intimsphäre. Bei Frauen wird der äußere Genitalbereich von der Symphyse zum Anus gewaschen, um keine Darmflora in den Genitalbereich zu verschleppen, danach wird abgetrocknet. Bei Männern wird mit dem äußeren Genitalbereich einschließlich Glans penis begonnen, danach das Gesäß abgewaschen und abgetrocknet. Die Reposition der Vorhaut darf nicht vergessen werden, um die Ausbildung einer Paraphimose zu verhindern. Nach Ablegen der Schutzhandschuhe wird eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt. Haarwäsche: Ihre Häufigkeit richtet sich nach dem Bedürfnis des Patienten. Bei Verschmutzungen durch Erbrochenes oder Blut ist sie unverzüglich durchzuführen. Sonderfälle sind die Therapie von Mykosen und Kopflausbefall. Vor OPs sind folgende Maßnahmen der Körperhygiene empfehlenswert: • Bei geplanten Eingriffen wird am Vorabend eine Ganzkörperreinigung (falls möglich, Duschbad) mit gleichzeitiger Haarwäsche durchgeführt und danach der Körper eingefettet. • Bei ungeplanten Noteingriffen ist abhängig von der Verschmutzung vor dem Eingriff eine Reinigung durch Ganz- oder Teilkörperwaschung anzustreben. Nasenpflege Ist der Patient PatientenhygieneNasenpflege Nasenpflegenicht selbstständig zur Nasenpflege fähig, übernimmt das Pflegepersonal diese Aufgabe im Rahmen der täglichen Körperpflege. Bei nasaler Absaugung bzw. Intubation sind die Naseneingänge ständig sauber zu halten, wobei für jede Nasenöffnung ein frischer Watteträger zu verwenden ist. Sichtbare Borken bzw. Verunreinigungen müssen vorsichtig mit Watteträger entfernt werden. Diese können vorher mit Kochsalz oder pflegenden Ölen angefeuchtet werden. Für jeden Reinigungsgang muss ein neuer Watteträger benutzt werden. Der hygienische Abwurf benutzter Materialien ist zu gewährleisten. Pflege des äußeren Gehörgangs Die PatientenhygieneGehörgang, äußererReinigung wird mit einem mit Leitungswasser angefeuchteten Einwegtuch ohne Benutzung von Seife oder anderen Reinigungs- bzw. Lösungsmitteln durchgeführt. Damit sollen Gehörgang- und Trommelfellreizungen bis hin zu chronischem Ekzem durch Eindringen der Präparate in den Mittelohrbereich (bei Perforation) vermieden werden. Falls Paraffinöl angewandt wird, ist es aus sterilen Ampullen oder steril abgefüllten Tropfflaschen zu entnehmen, um ein Erregerreservoir zu vermeiden. Von außen sichtbare Beläge (Ohrenschmalz) können vorsichtig mit feuchten Watteträgern entfernt werden. Der Watteträger darf wegen der Gefahr von Verletzungen nicht in den Gehörgang eingeführt werden. Eine Ausnahme machen Wattetupfer, die sich im Anschluss an den zur Reinigung des Gehörgangs bestimmten eingeführten Teil so verdicken, dass die Eindringtiefe limitiert ist und keine Verletzungsgefahr für das Trommelfell besteht. Die Ohrenpflege ist täglich zu gewährleisten. Der Patient wird so gelagert, dass die Reinigung bequem durchführbar ist und Flüssigkeitsreste ablaufen können. Dann wird mit Daumen und Zeigefinger die Ohrmuschel leicht abgezogen und mithilfe der anderen Hand vorsichtig u. U. so lange wiederholt gereinigt, bis Tupfer oder Träger sauber bleiben. Tupfer sind nach einmaliger Benutzung abzuwerfen. Maniküre und Pediküre Das Schneiden der Finger- und Fußnägel durch Pflegepersonal setzt die Einwilligung des Patienten voraus. Bei Patienten mit Nagelpflege, Patient PatientenhygieneManiküre PatientenhygienePediküreperipheren Durchblutungsstörungen, Polyneuropathien und Diabetes mellitus sollte die Fußpflege, insbesondere das Schneiden der Nägel, durch einen Podologen (medizinische Fußpflege) übernommen werden. Bei Verletzung des Nagelbetts können häufig schwer bzw. nicht heilende Wunden entstehen. Die Pediküre umfasst Fußbad, Schneiden der Zehennägel und ggf. Entfernen der Hornhaut. Sie sollte nach dem Baden oder Duschen durchgeführt werden, da die Nägel dann weicher und weniger brüchig sind. Zehennägel werden gerade entlang der Zehenkuppe links und rechts nicht abgerundet (Gefahr der Verletzung des Nagelbetts, Verhinderung des Einwachsens der Nägel) und nicht zu kurz geschnitten. Dagegen werden Fingernägel rund geschnitten. Geräte, bei deren Einsatz es zu unbeabsichtigten Verletzungen kommen kann (z. B. Nagelscheren), sind bei Verwendung an verschiedenen Patienten nach jedem Gebrauch zu reinigen und zu desinfizieren bzw. der maschinellen Aufbereitung zuzuführen. Für den Fall der Hautverletzung ist ein Wundverband mitzuführen. Mundpflege Ziel PatientenhygieneMundpflege Mundpflegeist neben dem subjektiven Wohlbefinden des Patienten der Erhalt der intakten Schleimhaut, einer belagfreien Zunge, geschmeidiger Lippen und des Zahnstatus. Durch eine unzureichende Pflege kann sich die Mundflora so verändern, dass es zu Austrocknung, Rhagaden, Aphthen, Entzündungen, Schädigung der Zähne, Mukositis, Parodontitis, Parotitis und ggf. absteigenden respiratorischen Infektionen kommt. Besonders gefährdet sind behinderte Patienten, Senioren, Patienten unter Chemo- oder Strahlentherapie sowie beatmete und immunsupprimierte Patienten. Der Patient wird über den Sinn der Mundpflege aufgeklärt. Nach Möglichkeit sollten patienteneigene Pflegemittel angewendet werden. Falls die patienteneigenen Utensilien nicht vollständig sind, müssen sie durch Angehörige bzw. die Einrichtung ergänzt werden. Wegen der Aspirationsgefahr wird der Patient zur Mundpflege möglichst mit erhöhtem Oberkörper gelagert. Zuerst wird die Mundhöhle (Taschenlampe) inspiziert, um den oralen Status zu erheben und zu dokumentieren; ggf. ist ein zahnärztliches Konsil anzufordern, im Anschluss wird gereinigt. Ist kein spezieller Wunsch bekannt, wird mit frisch entnommenem Leitungswasser gespült. Ist keine Mundspülung durchführbar, muss die Mundhöhle (Wangeninnenfläche, Wangentaschen, harter und weicher Gaumen, auf und unter der Zunge) mit einem Tupfer ausgewischt werden. Die Industrie bietet sog. Denta swops™ an, die besser von Patienten toleriert werden, da sie angenehmer als Mulltupfer empfunden werden. Zur Lippenpflege sind patienteneigene Pflegemittel oder alternativ Wund- und Heilsalbe anzuwenden. Prothesen: Prothesenträger PatientenhygieneProthesensind gehalten, ihre Zahnprothese regelmäßig zu tragen. Nach jeder Mahlzeit ist die Zahnprothese unter fließendem, warmem Wasser mit mittelharter Zahnbürste (vier Borstenreihen + extra Bürstenelement für Protheseninnenfläche) und Zahnpasta zu reinigen. Vor Einsetzen der Prothese wird der Mund mit Wasser ausgespült. Werden Zahnprothesen nachts herausgenommen, werden sie nach Reinigung mit Zahnpasta und Bürste in Reinigungslösung aufbewahrt. Vor Einsetzen der Zahnprothese ist die Reinigungslösung mit klarem, warmem Wasser abzuspülen. Der Behälter wird anschließend entweder in der Geschirrspülmaschine mit anderem Geschirr aufbereitet oder manuell gereinigt. Prothesen sind regelmäßig auf Plaque und Pilzbefall zu inspizieren und ggf. zur Reinigung in ein zahntechnisches Labor zu geben. Wenn möglich, ist die normale Kautätigkeit zu erhalten; zur Förderung des Speichelflusses können Kaugummi oder Brotkruste gekaut (anschließend Mund spülen) oder Zitronensaft/-scheibe verabreicht werden. Aspekte aus dem Konzept der basalen Stimulation sind hierbei zu beachten. Es ist für ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ausgewogene Ernährung zu sorgen. 5.2.2 Spezielle Pflege Antiseptische Körperwaschung Sie dient der gezielten Dekolonisation bei MRE (Kap. 3.7, Kap. 3.8) oder der Herabsetzung des Risikos einer Weiterverbreitung von MRE in Risikobereichen (Kap. 2.2). Die erfolgreiche Kontrolle einer Rekolonisation des Patienten mit MRE umfasst neben der sachgerechten PatientenhygieneKörperwaschung, antiseptische GanzkörperwaschungantiseptischeAufbereitung des Bettzeugs die Desinfektion aller direkt mit dem Patienten in Kontakt kommenden Gegenstände nach Gebrauch, und falls eine kontaminationsfreie Lagerung im Patientenzimmer nicht gewährleistet ist, auch vor neuerlichem Einsatz am Patienten. In diesem Zusammenhang bisher wenig beachtet werden MP wie Stauschläuche, deren Zwischendesinfektion aufgrund der textilen Materialbeschaffenheit nur mit fragwürdiger Effektivität erfolgt. Für Patienten, für die aufgrund einer Kolonisation mit MRE eine Indikation zur Isolierung besteht, wird daher das Belassen von Stauschläuchen im Isolierzimmer empfohlen (AORN 2002). Dennoch kann von einem solchen Stauschlauch bei nicht ordnungsgemäßer Aufbereitung eine Rekolonisation ausgehen (Golder et al. 2000; Rourke, Bates und Read 2001, Fellowes et al. 2006). Seit Kurzem steht mit einem Einwegstauschlauch (tournistripTM) eine effiziente Möglichkeit bereit, die Rekontamination zu unterbinden (Kerstein und Fellowes 2009). Antiseptische Mundpflege Abhängig PatientenhygieneMundpflege, antiseptische Mundpflegeantiseptischevon der Art der Erkrankung bzw. des Eingriffs kann adäquate Mundhygiene in Verbindung mit Antiseptik zur Verminderung des NI-Risikos beitragen. Das betrifft z. B. immunsupprimierte granulozytopenische Patienten während der Chemotherapiephase. Vor elektiver Chemotherapie ist ein Zahnarzt zu konsultieren, um ggf. eine professionelle Zahnreinigung und die Sanierung kariöser Zähne durchführen zu lassen (Teseler 1990). Für die Dauer der Panzytopenie kann der Mukositis durch antiseptische Mundspülungen vorgebeugt werden (Kap. 2.2.5). Nach Resektion oder Bestrahlung von Mundhöhlenmalignomen kann die Rate oraler Komplikationen durch antiseptische Spülung mit nicht alkoholischen Lösungen auf Basis von CHX oder Cetylpyridiniumchlorid reduziert werden (Lanzos et al. 2010). In der Wirksamkeit mindestens gleichwertig sind OCT- und Polihexanid-haltige Mundhöhlenantiseptika (Rohrer et al. 2010). Bei BeatmungspatientenMundpflegeBeatmungspatienten ist die Mundhöhlenpflege in Form mechanischer Zahnreinigung, regelmäßiger Befeuchtung mittels Instillieren steriler Ringer-Lösung, Sekretabsaugung und antiseptischer Mundspülung wichtig (Kap. 4.4, Kap. 5.9.4). Mundduschen führen nicht unbedingt zur Verbesserung der Zahnpflege und sind mit dem Risiko einer bakteriellen Besiedlung des Restwassers im Schlauchsystem behaftet. Hier kann sich massiv insbesondere P. aeruginosa vermehren. Auch bei behinderten und betagten Patienten verbessert eine gute Mundhygiene in Verbindung mit einer antiseptischen Mundhöhlenspülung nicht nur die Mundhöhlengesundheit, sondern reduziert auch die Häufigkeit respiratorischer Infektionen einschließlich Pneumonien (Kap. 5.18.6). Pflege bei Harn- und Stuhlinkontinenz Vielfach PatientenhygieneStuhlinkontinenz PatientenhygieneHarninkontinenzgenieren sich Patienten und spielen die Beschwerden unbewusst herunter oder ignorieren sie. Umso dankbarer sind sie dann für ein „beherztes“ Ansprechen des Problems, dem allerdings nicht allein die Zuteilung von Inkontinenzvorlagen oder speziellen Matratzenbezügen, sondern eine zügige urologische und/oder proktologische Abklärung mit adäquater Therapie folgen muss. Harninkontinenz per se ist keine Indikation für einen transurethralen oder suprapubischen Harnblasenkatheter. Unterstützende Maßnahmen beinhalten das Blasen- bzw. Beckenbodentraining, ausreichende Flüssigkeitszufuhr bei Harninkontinenz und ballaststoffreiche Ernährung (z. B. Leinsamen) bei Stuhlinkontinenz. Bei der Auswahl von Inkontinenzhilfen ist der Inkontinenzgrad zu beachten. Grundsätzlich müssen sie sicheren Schutz gegen Ausscheidungen und Gerüche gewährleisten sowie hautverträglich und problemlos zu entsorgen sein: Für Männer kommt als Alternative das Kondomurinalsystem in Betracht. Da durch das feuchte Milieu leicht Druckgeschwüre entstehen, sind Inkontinenzhilfen nach jeder Entleerung zu wechseln. Zur Vorbeugung von Hautmazeration sind tagsüber mindestens alle 4 h Füllung und Lage zu kontrollieren. Bei jedem Vorlagenwechsel ist die Haut zum Erhalt ihres Säure- und Fettschutzmantels möglichst nur mit Wasser, ggf. mit pH-neutraler Waschlotion, zu reinigen und sorgfältig mit klarem Wasser nachzuwaschen. Alkaliseifen sowie parfümierte oder desodorierende, d. h. mit antibakteriellen Zusätzen versehene Waschlotionen, sind ungeeignet. Zur Hautpflege sind W/O-Emulsionen geeignet. O/W-Lotionen wirken austrocknend. Abdeckende Cremes (z. B. Baby-Schutz-Creme, Vaseline) sollten nicht verwendet werden, weil sie zum Wärmestau mit nachfolgender Verdunstung und Austrocknung der Haut führen. Enterostoma (Anus praeter; sog. künstlicher Darmausgang): Bei der Pflege von Enterostomata ist auf PatientenhygieneEnterostomadie psychische Situation des Patienten und der Angehörigen Rücksicht zu nehmen. Umso mehr ist die korrekte Pflege wichtig, um Komplikationen wie Schädigung der Darmschleimhaut durch Austrocknung, Mazeration der intakten Haut durch Stuhlansammlung unter der Stomaversorgung sowie Schmerzen oder Hautveränderungen in der Umgebung des Stomas zu verhindern. Die Versorgung eines Enterostomas zielt daher darauf ab, das Stoma durch sichere Anhaftung der Stomaversorgung vor Austrocknung zu schützen und intakte Hautverhältnisse um die Stomaanlagestelle sicher zu stellen. Es stehen eine Vielzahl an guten Lösungen zur Verfügung, die sowohl die Pflege erleichtern als auch die Akzeptanz des Patienten verbessern. Dabei können Stomabeutel bei guter Haftung bis zu 3 d verbleiben. Die erforderlichen Pflegeutensilien richten sich nach der aktuellen Hautbeschaffenheit des Patienten. Pflege bei immobilen Patienten Grundsätzlich PatientenhygieneImmobilitätgelten für den immobilen Patienten keine anderen Sauberkeitsanforderungen, sofern er nicht z. B. stark schwitzt, große nicht abgedeckte infektionsanfällige Wundflächen oder Bestrahlungsareale aufweist. Es ist zu beachten, dass Verbände im Bereich von Eintrittsstellen von Urinkathetern, Drainagen oder Gefäßzugängen nicht durchfeuchten, weil damit das Risiko für die Vermehrung insbesondere von sog. Nasserregern besteht. Besondere Maßnahmen gelten für Patienten mit stark nässenden und juckenden Hauterkrankungen, die leicht superinfiziert werden können (z. B. chronisches Ekzem). Bezüglich der Abdeckung ist das Vorgehen z. B. mit dem Wundmanager abzustimmen. Juckreiz kann schon durch Vermeidung eines Wärmestaus vorgebeugt werden, ggf. sind zusätzlich juckreizstillende Medikamente zu verabreichen. Der Lagewechsel zur Dekubitusprophylaxe wird für jeden Patienten individuell bestimmt. Zur Infektionsprävention beim Verbandswechsel, bei Blutgefäß- und Harnwegkathetern Kap. 4.2, Kap. 4.3, bei Beatmung Kap. 4.4.5 und bei Isolierung Kap. 2.11. 5.3 Infektionsprävention durch gezielte Ernährung und Probiotika Arved Weimann, mit einem Teilbeitrag von Julian-Camill Harnoß, Axel Kramer und Arved Weimann 5.3.1 Klinische Bedeutung der Mangelernährung Häufig ist das Bestehen einer Mangelernährung Ausdruck der Grunderkrankung, z. B. eines Tumorleidens oder einer chronischen Organinsuffizienz. In Mangelernährungpostoperative Bedeutungder Chirurgie konnte retrospektiv die Bedeutung des Ernährungsstatus für die postoperative Morbidität und Letalität bei verschiedenen Krankheitsbildern gezeigt werden (Weimann et al., 2006, Weimann et al., 2009). In einer klassischen Erhebung führte eine Mangelernährung mit Proteinmangel bei 101 Patienten vor großen OPs am Gastrointestinaltrakt zu einer signifikant höheren Rate schwerer postoperativer Komplikationen einschließlich Pneumonie und einer signifikant längeren Krankenhausverweildauer. Auch die Häufigkeit an SSI war erhöht, wenn auch nicht signifikant (Hill 1994). Relevant ist Mangelernährung besonders für die Prognose nach Organtransplantation sowie für die postoperative Morbidität alter Menschen (Weimann et al., 2006, Weimann et al., 2013). In einer prospektiven Erhebung an 5 031 chirurgischen Patienten (Ausschluss Kardiochirurgie) der Veterans Administration von 1995–2000 wurden Diabetes mellitus und Mangelernährung als unabhängige präoperative Risikofaktoren für das Entstehen einer SSI identifiziert (Malone et al. 2002). Als Mangelernährung galt ein signifikanter Gewichtsverlust innerhalb von 6 Monaten vor der OP. Bereits früher haben Khuri et al. (1997) in einer Kohortenstudie der Veterans Administration bei 87 078 chirurgischen Patienten (Ausschluss Kardiochirurgie) als Hauptrisikofaktoren für die Mangelernährungpostoperative 30-Tages-Letalität den präoperativen Serumalbuminspiegel, die ASA-Klasse und die Notwendigkeit einer Notfall-OP identifiziert. Auch das Vorliegen eines Gewichtsverlusts > 10 % war ein signifikanter prädiktiver Faktor. 5.3.2 Erkennen der Mangelernährung Die Definition einer Mangelernährung ist nicht einheitlich. Aktuell wird Mangelernährung krankheitsspezifisch durch erniedrigten BMI, unbeabsichtigten Gewichtsverlust und eine längere Periode unzureichender Nahrungszufuhr definiert (Valentini et al. 2013). Die MangelernährungDefinition MangelernährungDiagnoseEuropäische Gesellschaft für Klinische Ernährung und Metabolismus (ESPEN; Kondrup et al. 2003) empfiehlt als Parameter für das Prä-Screening von Risikopatienten das Vorliegen • eines Körpermassenindex (BMI) < 20 kg/m2. • eines Gewichtsverlusts innerhalb der letzten 3 Monate. • einer reduzierten Nahrungsaufnahme in der letzten Woche. • einer schweren Erkrankung. Bei Zutreffen eines der Faktoren erfolgt eine genauere Stratifizierung. Für geriatrische Patienten wird das Screening mit dem Mini Nutritional Assessment empfohlen, das zusätzlich Mobilität und neuropsychologischen Status berücksichtigt werden. Noch genauer ist das Subjective Global Assessment (SGA; Jeejeebhoy, Detsky und Baker 1990), das neben sorgfältiger Anamnese (Änderungen von Gewicht, Nahrungszufuhr, Leistungsfähigkeit, gastrointestinale Symptome) die körperliche Untersuchung (Ödeme, Aszites, Muskel- und Fettmasse) einschließt. Anhand des Vorliegens bzw. der Ausprägung der Mangelernährung werden die Grade A bis C differenziert. Die Arbeitsgruppe „Chirurgie und Transplantation“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) schlägt für das Vorliegen einer schweren Mangelernährung folgende Definition vor: • BMI < 18,5 kg/m2, • Gewichtsverlust > 10–15 % in den letzten 6 Monaten, • Subjective Global Assessment (SGA) Grad C, • Albumin < 30 g/l (bei Ausschluss von Leber- und Niereninsuffizienz). 5.3.3 Präoperative Ernährung Eine Ernährungpräoperative, parenteralepräoperative parenterale Ernährung wurde mit dem Ziel einer Verbesserung des Outcomes in vielen Studien v. a. der 1980er-Jahre auch prospektiv untersucht. Problematisch sind u. a. die hohe Variabilität und Heterogenität der Eingangskriterien, der Inzidenz und Definition der Mangelernährung, der Komplikationen und der Zusammensetzung der Ernährung. In einer Metaanalyse (Klein et al. 1997) reduzierte die präoperative parenterale Ernährung die absolute Rate postoperativer Komplikationen um 10 %. Eine besondere Bewertung im Hinblick auf das Auftreten von SSI wurde nicht durchgeführt. Am meisten profitierten Patienten mit schwerer Mangelernährung (Bozzetti et al. 2000; Heyland et al. 2001b; Veteran Affairs Study Group 1991). Es besteht heute Konsens, dass die Verschiebung einer OP zur Durchführung einer gezielten Ernährung nur bei schwerer Mangelernährung angezeigt ist (Braga et al. 2009; Weimann et al., 2006, Weimann et al., 2013). Die Leitlinien der ESPEN empfehlen eine präoperative Ernährung bei mangelernährten Patienten vor großen gastrointestinalen Eingriffen für die Dauer von 7–14 d, wenn die OP ohne Risiko verschoben werden kann (Braga et al. 2009; Weimann et al., 2006, Weimann et al., 2013). Aus der grundsätzlichen Überlegung, dass die enterale Zufuhr physiologisch ist, sollte ihr der Vorzug gegeben werden (Weimann et al. 2006). Die Datenlage zum Vergleich von präoperativer enteraler und parenteraler Ernährung ist unzureichend. Die prästationäre Durchführung der enteralen Ernährung ist auch zur Vermeidung von NI anzustreben. Für Tumorpatienten wird vor großen viszeralchirurgischen Operationen (Ösophagussesektion, Gastrektomie, partielle Duodenopankreatektomie) für 5–7 d die Zufuhr einer Trinknahrung mit immunmodulierenden Substraten (Arginin, ω-3-Fettsäuren und Ribonukleotide) empfohlen. Aktuell sprechen die Daten für die postoperative Fortsetzung der Immunutrition (Marimothu et al. 2012; Osland et al. 2014). Eine enterale Ernährung wird üblicherweise bis zum Abend vor der OP durchgeführt (Weimann et al. 2013). Um eine metabolische Konditionierung durchzuführen und unnötige präoperative Nüchternheit zu vermeiden, wird in den Leitlinien vor großen OPs nicht zuletzt im Rahmen eines Fast-Track- oder Enhanced-Recovery-after-Surgery-Konzepts (ERAS) die Aufnahme einer glukosehaltigen Trinklösung (12,6 g/100 ml) empfohlen (Ljungqvist, Nygren und Thorell 2002; Lassen et al. 2009; Weimann et al., 2006, Weimann et al., 2013). Ob das auch zu einer geringeren Komplikationsrate mit Abnahme von SSI führt, ist noch nicht endgültig geklärt (Awad et al 2013; Mathur et al. 2010; Noblett et al. 2006; Yuill et al. 2005). 5.3.4 Einfluss der postoperativen Ernährung auf SSI Zeitpunkt des Kostaufbaus: Generell ist postoperativ keine Unterbrechung der Nahrungszufuhr erforderlich. Der orale Kostaufbau sollte sich v. a. nach der Toleranz des Patienten richten (Weimann et al. 2013). Ein Ernährungpostoperativefrühzeitiger oraler bzw. enteraler Kostaufbau reduziert im Vergleich zur längerfristigen Nüchternheit das Infektionsrisiko und wirkt sich günstig auf die Krankenhausverweildauer aus (Weimann et al., 2006, Weimann et al., 2006). Lewis, Andersen und Thomas (2009) sowie Lewis et al. (2001) zeigten in einer Metaanalyse aus 11 Studien mit 837 Patienten eine – wenn auch nicht signifikante – Verminderung des SSI-Risikos. Eine nicht ausreichende Nahrungszufuhr für mehr als 14 d ist mit erhöhter Letalität assoziiert (Sandström et al 1993). Parenterale Ernährung: Die Indikation zu künstlicher ErnährungErnährungparenterale besteht auch bei Patienten ohne Zeichen der Mangelernährung, die perioperativ voraussichtlich mehr als 7 d keine orale Nahrungszufuhr oder mehr als 14 d oral eine nicht bedarfsdeckende Kost (< 60–75 %) erhalten. Hier wird ohne Verzögerung der Beginn einer enteraler Ernährung empfohlen (Weimann et al. 2013). In einer Metaanalyse zum Vergleich der enteralen mit der parenteralen Ernährung, die Studien an chirurgischen und internistischen Patienten berücksichtigte, zeigte sich bei den enteral ernährten Patienten eine signifikant niedrigere SSI-Rate (Braunschweig et al. 2001). Auch für kritisch Kranke fand sich in mehreren Metaanalysen eine Assoziation der enteralen Ernährung mit einer signifikant niedrigeren lnfektionsrate (Heyland et al. 2003; Marik und Zaloga 2001). Daher geben alle aktuellen Leitlinien zur Ernährung beatmeter Intensivpatienten bei ihren Empfehlungen der enteralen Ernährung den Vorzug vor der parenteralen Ernährung. Sie soll bei hämodynamisch stabilen Patienten möglichst frühzeitig innerhalb von 24–48 h beginnen (Kreymann et al. 2006; McClave et al. 2009; Reinhart et al. 2010). Sofern keine kalorienbedarfsdeckende enterale Substratzufuhr möglich ist, wird eine Kombination aus enteraler und parenteraler Ernährung empfohlen (Singer et al. 2009; Weimann et al. 2013). Sofern eine parenterale Ernährung indiziert ist, kann die Supplementierung mit ω-3-Fettsäuren erwogen werden, für die sich in einer Metaanalyse Vorteile bzgl. Verminderung von SSI zeigten (Chen B et al. 2010; Pradelli et al. 2012). Immunmodulierende Sondennahrungen: In den ESPEN-Leitlinien für Sondennahrung, immunmodulierendeEnterale Ernährung in der Chirurgie (Weimann et al. 2006) werden immunmodulierende Sondennahrungen für Patienten nach großen hals- und viszeralchirurgischen Tumoroperationen (Larynx-, Pharynx-, Ösophagusresektion, Gastrektomie, partielle Duodenopankreatektomie) oder schwerem Polytrauma empfohlen. Für den Einsatz einer Kombination immunmodulierender Substrate (Arginin, Glutamin, ω-3-Fettsäuren, Ribonukleotide) in der enteralen Ernährung chirurgischer Patienten konnte in mehreren Metaanalysen eine signifikante Reduktion der infektiösen Komplikationen und der Krankenhausverweildauer gezeigt werden (Cerantola et al. 2011; Drover et al. 2011; Heyland et al. 2001a; Marik und Zaloga 2010; Marimuthu et al 2012; Montejo et al. 2003; Osland et al 2014). In der Metaanalyse von Montejo et al. (2003) wurde in 5 der 26 Studien die Inzidenz von SSI angegeben, weitere 10 enthielten Daten zum Auftreten von SSI. Die Odds Ratio von 0,46 mit dem 95 %-Konfidenzintervall von 0,30–0,69 (p = 0,003) spricht auch hier für den Einsatz der immunmodulierenden Kombination. Farreras et al. (2005) zeigten in einer prospektiven randomisierten Studie nach Magenresektion mit Supplementierung immunmodulierender Substrate signifikant weniger Komplikationen (Tab. 5.3 ). Als Maß für die Wundheilung war die Menge an Hydroxyprolin in einem s. c. implantierten Katheterröhrchen signifikant höher in der Interventionsgruppe. Neu diskutiert wird das geeignete Timing der Intervention prä-, peri- oder ausschließlich postoperativ (Marimuthu et al 2012; Osland et al 2014). Tab. 5.3 Postoperative Komplikationen bei enteraler Ernährung nach Magenresektion mit und ohne Supplementierung immunmodulierender Substrate Komplikation Interventionsgruppe (n = 30) Kontrollgruppe (n = 30) P Wundheilungsstörung 0 8 (26,7 %) 0.005 Wunddehiszenz 0 2 (6,7 %) n. s. Eviszeration 0 1 (3,3 %) n. s. Nahtbruch 0 5 (16,6 %) 0.03 Infektiöse Komplikationen 2 (6,7 %) 9 (30,0 %) 0.01 Chirurgische Wundinfektionen 1 (3,3 %) 4 (13,3 %) n. s. Intraabdomineller Abszess 0 1 (3,3 %) n. s. Sepsis 0 0 Pneumonie 0 2 (6,7 %) n. s. Harnwegsinfektionen 1 (3,3 %) 2 (6,7 %) n. s. Komplikationen insgesamt 4 (13,3 %) 13 (43,3 %) 0.01 Letalität 1 (3,3 %) 2 (6,7 %) n. s. Im Ergebnis einer retrospektiven Kosten-Nutzen-Analyse anhand einer nationalen US-amerikanischen Datenbank kann bereits ab einer Infektionsrate > 0,91 % und für Mangelernährte > 3,31 % ein ökonomischer Vorteil durch die kostenaufwendigere immunmodulierende Supplementierung für normal ernährte Patienten erwartet werden. Für die spezielle Vermeidung einer SSI werden für Patienten in gutem Ernährungsstatus Werte von 1,7 % und bei Vorliegen einer Mangelernährung von 4,8 % angegeben (Strickland et al. 2005). Für die parenterale Gabe von Glutamin wurden Glutamin, parenterale Gabein 2 Metaanalysen aus 14 Studien günstige Auswirkungen auf die SSI-Rate und die Hospitalliegedauer chirurgischer Patienten gezeigt (Bollhalder et al 2012; Novak et al. 2002; Wang et al. 2010). Das Problem vieler in die Metaanalysen eingeschlossener Studien ist die Heterogenität und Inkonsistenz. Aus heutiger Sicht wurden auch enteral ernährbare Patienten parenteral mit Glutamin ernährt. In den DGEM-Leitlinien (Weimann et al. 2013) wird aufgrund dieser Datenlage nicht zuletzt aus Kostengründen die parenterale Gabe von Glutamin nur für mangelernährte, enteral nicht adäquat ernährbare Patienten empfohlen. Zur Frage, ob eine parenterale Glutaminapplikation günstigerweise mit einer enteralen Ernährung mit und ohne Kombination immunmodulierender Substrate erfolgen sollte, liegen keine Daten vor. Zhou et al. (2003) fanden in einer randomisierten Studie bei 40 Verbrennungspatienten bei Anreicherung der enteralen Diät mit 0,35 g Glutamin/kg KM/d als Monosubstanz nach 30 d eine signifikant weiter fortgeschrittene Wundheilung (86 vs. 72, p = 0,041). Auch die frühe enterale Ernährung mit Präbiotika reduziert die postoperative Infektionsrate signifikant (Kap. 5.3.5). Dies gilt ebenso, wenn auch nicht signifikant, für die SSI-Rate. Möglicherweise hat die zusätzliche Gabe des probiotischen Lactobacillus plantarum 299 günstige Auswirkungen auf die Infektionsrate von Patienten nach Magen- und Pankreasresektionen (Rayes et al. 2002a). Eine Verminderung der Rate an Wundinfektionen konnte von derselben Arbeitsgruppe auch für Patienten nach Lebertransplantation gezeigt werden (Rayes et al., 2005, Rayes et al., 2007). Die in den Studien verwandte synbiotische enterale Diät steht allerdings noch nicht auf dem Markt zur Verfügung. Für orale Supplemente als Trinklösung wurde in einer randomisierten Studie bei Pflegeheimbewohnern mit Wundproblemen eine signifikante Verbesserung von Parametern der Wundheilung sowie der kognitiven Funktion gezeigt (Collins, Kershaw und Brockington 2005). Der Einfluss des Ernährungsstatus bzw. einer perioperativen Ernährungstherapie auf das Auftreten infektiöser Komplikationen, hierunter auch die Rate an SSI, und auf die Morbidität insgesamt kann als gesichert gelten. Mit dem Ziel einer Verkürzung der Krankenhausverweildauer in der Chirurgie müssen Risikopatienten bereits prästationär erkannt und die Frage der präoperativen Ernährungstherapie geklärt werden. Hier könnten integrierte Versorgungsformen zukünftig Bedeutung erhalten. Auch postoperativ sollte die Ernährung möglichst frühzeitig oral bzw. enteral erfolgen. Bei Patienten mit großen viszeralchirurgischen Tumoroperationen wird die perioperative Gabe immunmodulierender Substrate empfohlen. Abhängig von der jeweiligen Infektionsrate können die günstigen Auswirkungen der Ernährungsintervention trotz des erhöhten Kostenaufwands im Gesamtergebnis mit Einsparungen einhergehen. 5.3.5 Infektionsprävention durch Probiotika Julian-Camill Harnoß, Axel Kramer und Arved Weimann Der menschliche Darm ist von etwa 1013–1014 aeroben und anaeroben Bakterien und Pilzen besiedelt. Das entspricht mindestens der Anzahl der Körperzellen. Mehr als 1 000 Spezies sind an der Besiedlung beteiligt, wobei die Zusammensetzung nur in Ansätzen definiert ist. Die Darmflora wird wegen ihrer Dimension und Bedeutung teilweise auch als das vergessene Organ bezeichnet. Die natürliche Darmflora dient im Zusammenwirken mit der mechanischen Schleimhautbarriere und der darauf befindlichen bis zu 1,5 mm dicken Schleimschicht (Glykokalix) sowie unspezifischen Schutzfaktoren und lokalen Immunmechanismen der Abwehr unerwünschter Kolonisation mit nachfolgender Infektion durch Krankheitserreger. Begriffe • Unter Eubiose wird Eubiosedie statistische Norm der kultivierbaren Darmflora verstanden (Grütte und Hänel 1968). • Bei der Dysbiose liegt Dysbioseeine Störung des Verhältnisses der Arten der Darmflora zueinander vor. • Als Probiose wird das Zusammenleben artfremder Spezies bezeichnet, Probiosevon der eine oder mehrere Arten einen Vorteil und die anderen keinen Nachteil erfahren. • Die Antibiose charakterisiert die Beziehung zwischen einzelnen Individuen oder Gruppen verschiedener Mikroorganismenspezies, die für eine oder mehrere der beteiligten Spezies Nachteile mit sich bringt (Vermehrungshemmung oder sogar Abtötung). • Präbiotika sind Präbiotikanatürliche, nicht verdauliche Lebensmittelbestandteile (z. B. Oligosaccharide wie Inulin). Sie sollen die Gesundheit verbessern, indem sie die Darmflora durch selektive Stimulation probiotisch aktiver Bakterien günstig beeinflussen (Gibson und Roberfroid 1995; Takemura et al. 2010) und erwiesen sich z. B. wirksam zur primären Prävention bei Kindern mit geringem Risiko für eine atopische Dermatitis (Grüber et al. 2010). • Probiotika sind ProbiotikaPräparationen aus lebensfähigen Mikroorganismen. Sie sollen durch Verbesserung der gastrointestinalen mikrobiellen Balance einen gesundheitsfördernden Einfluss auf den Wirt entfalten (Fuller, 1989, Fuller, 1991; Fuller und Gibson 1997). • Synbiotika Synbiotikasind Kombinationen aus Pro- und Präbiotika, also von lebensfähigen Mikroorganismen und ihrem Substrat. Der Begriff Probiotika wurde 1965 von Lilly und Stillwell nach dem Vorbild der Natur kreiert. Grundlage war die Erkenntnis, dass bei der Ernährung mit Muttermilch anstelle von Flaschennahrung Lactobacillen und Bifidusbakterien die Darmflora dominieren, was mit einem geringeren Anteil von Pathogenen verbunden ist. Etwa 1980 begann die moderne Ära der Probiotika mit der Wiederbelebung des Konzepts, dass sich oral in ausreichender Anzahl zugeführte apathogene oder kommensale Mikroorganismen in der Darmschleimhaut ansiedeln und zur Prävention und Therapie von Infektionen beitragen können. In der Folge sind seit 1998 mehr als 500 Peer Reviews zur Probiose erschienen. Wirkungsweise von Probiotika Verschiedene ProbiotikaWirkungsweiseFaktoren tragen zur probiotischen Wirkung bei, wobei deren Zusammenwirken im Einzelnen noch nicht geklärt ist (Karlsson et al. 2010; O'Hara und Shanahan 2007; West et al. 2009). Dazu gehören • die Vergrößerung der bakteriellen Diversität im Darm, • die Synthese antimikrobieller Substanzen, • eine pH-Absenkung durch Essig- und Milchsäurebildung, • Nährstoffkonkurrenz, • Eine Adhäsionshemmung durch Besetzung oder Modifikation von Attachmentrezeptoren, • die Modifikation von Toxinen, • eine Immunstimulation durch IgA und antiinflammatorische Zytokine, • die Interaktion mit intestinalen Toll-like-Rezeptoren, • der Abfall der Fettsäuren Isovalerin- und Valerinsäure im Kot. Die Wechselwirkung der Darmflora mit dem Darmepithel und dem Immunsystem hat positive Auswirkungen nicht nur auf den Darm selbst, sondern auch auf den oberen Respirationstrakt, die Haut und den Urogenitaltrakt. Probiotisch wirkende Spezies Eine Bakterienspezies, probiotisch wirkendeReihe von Bakterienspezies wirken probiotisch, insbesondere Bifido- und Laktobazillen (Azais-Braesco et al. 2010), aber auch Enterococcus-faecium-Stämme (Hosseini et al. 2009), Bacillus-subtilis- und Escherichia-coli-Stämme (Tsaruk'ianova und Osadchaia 2007), Clostridium butyricum (Pan et al. 2008) und Saccharomyces spp. (Czerucka, Piche und Rampal 2007). Die infektionspräventiven Effekte von Probiotika scheinen spezies- und dosisabhängig zu sein (Azais-Braesco et al. 2010). Seit 2008 wurden mehr als 230 probiotische Produkte registriert. Tierexperimentelle Befunde zur protektiven Wirkung von Probiotika An folgenden Modellen konnte eine Schutzwirkung nachgewiesen werden: Reisediarrhö/Wistarratte (Bisson et al. 2010), Citrobacter rodentium-Infektion/neonatale Maus (Gareau et al. 2010), akute Gastroenteritis/Hund (Herstad et al. 2010), bessere Entwicklung, Anstieg Plasmaimmunoglobuline/Broileraufzucht (Mountzouris et al. 2010), Kolonkarzinom/Maus (de Moreno de LeBlanc und Perdigón 2005). Klinische Effektivität von Probiotika In Probiotikaklinische Effektivitätden letzten Jahren ist die Anzahl registrierter klinischer Studien mit der Zielsetzung, die Effektivität von Probiotika zu untersuchen, deutlich angestiegen (Tab. 5.4 ). Tab. 5.4 Registrierte klinische Studien (Gorbach 2008) Jahr USA Außerhalb der USA Vor 2003 0 2 2003 0 3 2004 4 5 2005 5 15 2006 6 21 2007 6 24 Nach Vanderhoof und Young (2008) lassen sich vermutlich folgende Erkrankungen durch Probiotika präventiv oder therapeutisch beeinflussen: virale Diarrhö, antibiotikaassoziierte Diarrhö, C. difficile-assoziierte Diarrhö, Reisediarrhö, atopische Dermatitis, Reizdarmsyndrom, rheumatoide Arthritis, Enteritis regionalis Crohn und/oder Colitis ulcerosa, bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms (Small Intestinal Bacterial Overgrowth), Karies, kindliche Allergien und/oder Asthma (Prävention), Laktoseintoleranz, Dickdarmkrebs (symptomatische Besserung) und zu hoher Cholesterolspiegel. Zur Behandlung der Rotavirus-GastroenteritisProbiotikaRotavirus-Gastroenteritis (Verkürzung der Erkrankungsdauer) und zur Prävention der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) bei Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht (VLBW) ist der Nutzen von Probiotika als gesichert anzusehen. Bei akuter Rotavirus-Gastroenteritis konnte die Erkrankungsdauer ohne Nebenwirkungen um 3 d verkürzt werden, sofern Lactobacillus GG am 1. Erkrankungstag gegeben wurde (Shornikova et al. 1997). In einer prospektiven randomisierten verblindeten Studie wurde bei VLBW die Ernährung mit Muttermilch (2-mal/d, n = 187) mit Ernährung mit Muttermilch + Infloran (Lactobacillus azidophilus + Bifidobacterium infantis; 2-mal/d, n = 180) verglichen. Sowohl die Letalität (24/187 vs. 9/180) als auch die NEC > Stadium 2 (10/187 vs. 2/180) wurden durch Zusatz von Infloran signifikant reduziert. Es waren keine Probiotika in der Blutkultur nachweisbar (Lin et al. 2005). Als Ergebnis einer Metaanalyse, bei der 7 von 12 randomisierten Studien auswertbar waren, ergaben sich gleichfalls ein geringeres Risiko für NEC (relatives Risiko 0,36), eine reduzierte Letalität (relatives Risiko 0,47) und eine verkürzte Zeit bis zu normaler Ernährung. Die Gabe von Probiotika hatte keinen Einfluss auf die Sepsisrate (relatives Risiko 0,94) und auch sonst wurden keine Nebenwirkungen beobachtet (Deshpande, Rao und Patole 2007). Eine schwächere Evidenz zur Effektivität von Probiotika mit dem Bedarf für weitere Studien ist gegeben bei • antibiotikaassoziierter Diarrhö bei Erwachsenen mit Einsatz einer Mischung von B. mesentericus, E. faecalis und C. butyricum, allerdings nicht bei C. difficile-assoziierter Diarrhö (Chen CC et al. 2010), • Therapie der akute Diarrhö im Kindesalter (Weizmann 2010), • chronischer Obstipation, • Reisediarrhö (McFarland 2010), • Senkung der Morbidität von akuten respiratorischen Infektionen (Cox et al. 2010). Aussichtsreich ist der präoperative und Surgical Site InfectionsPrävention durch Probiotikafortgesetzte Probiotikaperioperative Gabepostoperativ Einsatz von Probiotika zur Prävention von SSI bei viszeralchirurgischen Eingriffen bis zur Stabilisierung der Darmflora (Liu et al. 2011). Grundlage ist die Hypothese, wonach es während der Hospitalisierung zu einem Wechsel der Darmflora mit Ansiedlung unerwünschter nosokomialer Erreger kommt, die lokal und durch Translokation (Linton und Hinton 1988; Wells 1990) Ursache von SSI werden können. Weitere Hinweise für die Effektivität von Probiotika liefert die Erhöhung der Kolonisationsresistenz als Schutz vor nosokomialer Besiedlung bei Intensivpatienten (Forestier et al. 2008), als Schutz vor H.-pylori-Infektion (Lesbros-Pantoflickova, Corthésy-Theulaz und Blum 2007) sowie als Schutz vor Darminfektion mit Pathogenen (Paton, Morona und Paton 2006). Ebenso wurde die durch Lipopolysaccharide induzierte Akute-Phase-Response durch Probiotika reduziert (Jiang et al. 2010). Die Hypothese wird weiterhin dadurch gestützt, dass diverse Lactobacilli und verwandte Spezies physiologisch eine größere Rolle im Magen spielen als bisher bekannt war (Ryan et al. 2008). Erste vielversprechende klinische Ergebnisse zur Reduktion von SSI wurden erzielt bei Pankreatoduodenektomie und Lebertransplantation (Rayes et al., 2002c, Rayes et al., 2005, Rayes et al., 2007) sowie bei Hepatektomie wegen Gallengangskarzinom (Sugawara et al. 2006). Bei Patienten mit Polytrauma oder akuter Pankreatitis wurden die Häufigkeit von Sepsis und SSI sowie die Mortalität reduziert (Madsen 2008). Eine Metaanalyse von 13 randomisierten klinischen Studien mit 962 Patienten hat für den Einsatz von Probiotika und Synbiotika bei elektiv chirurgischen Patienten eine Reduktion der postoperativen Sepsis (p = 0,03 bzw. p = 0,02) ergeben (Kinross et al. 2012). Für Traumapatienten hat eine Metaanalyse von 5 Studien mit 281 Patienten eine signifikante Reduktion der NI (p = 0,02), der beatmungsassoziierten Pneumonien (3 Studien, p = 0,01) und der Intensivliegedauer (2 Studien, p = 0,001) gezeigt. Ein Einfluss auf die Letalität bestand nicht. (Guo et al 2013). Die Autoren weisen auf die auch bestehende erhebliche Heterogenität der Studiendesigns hin. Für Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ergab eine PRCT eine signifikante Reduktion der Infektionsrate und der Verweildauer auf der Intensivstation durch die Gabe einer Formel mit Glutamin und Probiotika (Falcao de Arruda und de Aguilar-Nascimento 2004). Die Frage der am besten geeigneten Probiotikaspezies ist noch nicht geklärt. Dazu sind weitere klinische Studien mit hoher Patientenzahl notwendig. Möglicherweise ist die Gabe von Probiotika eine kostengünstige gleichwertige Alternative zur selektiven Darmdekontamination ohne deren Problematik des erhöhten Selektionsdrucks auf Bakterien (Rayes et al. 2002b). Absolute Kontraindikationen für den klinischen Einsatz von ProbiotikaProbiotikaKontraindikationen sind Sepsis, akute Pankreatitis und schwere Immunsuppression. Derzeit ist die Indikation von Probiotika nicht gesichert bei • Reizdarmsyndrom (positive Wirkungen in Einzelstudien, starker Placeboeffekt, keine Langzeitergebnisse; Hoveyda et al. 2009), • Enteritis regionalis Crohn und Colitis ulcerosa (Marteau et al. 2006), • Neurodermitis (Brouwer et al. 2006). Bei der nekrotisierenden Pankreatitis induzierten Probiotika in der PROPATRIA-Studie eine erhöhte Letalität (Besselink et al. 2008). Bei probiotischer Therapie eines Neonaten mit Omphalozele wurde eine Sepsis durch Bifidobacterium breve ausgelöst (Ohishi et al. 2010). Als Fazit der bisherigen Studien lässt sich ableiten: Probiotika sind wie ein Gegenfeuer – mit der richtigen Idee wirkungsvoll, mit der falschen Idee verhängnisvoll. 5.4 Der verstorbene Patient Stefan Koch und Michael Ossadnik Die hygienische Bedeutung von Leichen Verstorbene Patientenhygienisches Risikowird vom Laien, aber auch vom medizinischen Personal vielfach überschätzt. Erst bei fortgeschrittener Leichenfäulnis treten als Folge der Proteolyse biogene Amine und Ptomaine auf, deren Berührung jedoch ungefährlich ist. Hygienisches Risiko: Bei im Krankenhaus auftretenden Sterbefällen können folgende Situationen unterschieden werden: • Sterbefall mit bekannter Anamnese und Diagnose. Sofern keine ansteckende Krankheit vorlag, besteht kein höheres hygienisches Risiko als zu Lebzeiten. • Sterbefall mit noch nicht geklärtem Grund- und Nebenleiden (z. B. Tod zu Beginn des Krankenhausaufenthalts). Er soll so lange als potenziell ansteckend betrachtet werden, bis etwaige Verdachtsmomente (Tbk, AIDS, Virushepatitis, CJD) ausgeräumt sind. Ebenso müssen bei der Behandlung akut erkrankter Patienten, die im bewusstlosen oder moribunden Zustand zunächst in der Notaufnahme des Krankenhauses behandelt wurden und noch dort verstorben sind, Schutzmaßnahmen beachtet werden. Gegebenenfalls hat der Leichenschau führende Arzt gegenüber dem zuständigen Gesundheitsamt Meldepflichten zu erfüllen. • Sterbefall infolge ansteckender Krankheit bzw. mit ansteckender Krankheit als Nebenleiden (z. B. auch bei immunsuppressiver Behandlung und reduzierter Immunitätslage). Bedarf in Abhängigkeit von der Erkrankung spezieller Schutzmaßnahmen (Kap. 2.11). 5.4.1 Versorgung verstorbener Patienten Der Todeseintritt ist durch die ärztliche Leichenschau festzustellen. Bei dieser sind medizinische Schutzhandschuhe, ein Schutzkittel und, sofern ansteckende Krankheiten vermutet werden oder bekannt sind, ggf. Mund-Nasen- und Gesichtsschutz zu tragen. Bei der Verstorbene PatientenVersorgungVersorgung Verstorbener, die i. d. R. vom Pflegepersonal durchzuführen ist, sind folgende Prinzipien zu beachten: • Wichtigster Grundsatz ist die dem Verstorbenen entgegenzubringende Achtung, wie sie auch dem Lebenden gebührt. • Der Verstorbene wird, falls nicht schon in der Sterbephase geschehen, mit seinem Bett in ein Einzelzimmer gebracht. Sollte sich der Sterbeplatz in einem Mehrbettzimmer befinden, ist er mit Wandschirm vom übrigen Zimmer abzutrennen. • Die Versorgung des verstorbenen Patienten sollte möglichst frühzeitig nach dem ärztlich festgestellten Todeseintritt durchgeführt werden. • Durch das Pflegepersonal wird der Verstorbene flach im Bett gelagert. Alle Kissen, Decken und Lagerungshilfsmittel werden entfernt. Eventuelle Verschmutzungen wie Blut oder Reste von Pflaster und Salbenverbänden werden ebenso entfernt wie Infusionen, Katheter und Sonden. • Drainagen sollten durch das Pflegepersonal knapp über der Wunde gekürzt, mit dicht schließenden Klemmen oder eng anliegenden Plastikbeuteln verschlossen, aber nicht gezogen werden. Eine vollständige Entfernung gekürzter Drainageschläuche usw. sollte erst vom Personal der Pathologie bzw. des Bestattungswesens erfolgen, um die im Rahmen einer evtl. durchzuführenden Sektion erfolgende Dokumentation nicht zu verfälschen. • Dem Verstorbenen wird ein frisches Hemd (Einmalhemd) angezogen; verstorbene Säuglinge werden in ein Leinentuch eingeschlagen. Die Augen sind zu schließen und mit feuchtem Tupfer zu beschweren. Die Haare werden gekämmt, das Kinn wird mit einer Mullbinde hochgebunden, die Hände werden übereinander oder seitlich neben den Körper gelegt. • Schmuck ist zu entfernen. Wird ein Ehering getragen, ist der Ehegatte zu befragen, ob dieser zu entfernen ist. Zahnprothesen sollen erst entfernt werden, wenn sicher ist, dass keine Angehörigen vom Verstorbenen Abschied nehmen wollen. • Zur Identifizierung erhält der Verstorbene einen sog. Fußzettel an Großzehe oder Unterschenkel gebunden. Auf ihm sind die Personalien des Verstorbenen, Sterbedatum und Station zu notieren. • Abschließend wird der Verstorbene mit einem sauberen Leinentuch ganz bedeckt. Bei übertragbaren Krankheiten soll Verstorbene PatientenKrankheiten, übertragbareder Verstorbene nicht gewaschen, rasiert oder frisiert werden. Situationsabhängig ist zu entscheiden, ob ein Umkleiden erforderlich bzw. vertretbar ist. Abhängig von der Übertragbarkeit der vorliegenden Erkrankung ist die Kleidung des Verstorbenen ggf. als infektiöse Wäsche zu entsorgen bzw. zur Wiederaufbereitung einem Desinfektionswaschverfahren zuzuführen. Die nachfolgenden Empfehlungen sind in jedem Fall auf die vorliegende Infektionskrankheit abzustimmen: • Das Personal hat Hygieneschutzbekleidung mit Überkleidern bzw. flüssigkeitsundurchlässigen Schürzen und Handschuhe zu tragen. • Nicht klimatisierte Zimmer sollten gelüftet werden. Nach der Versorgung einschließlich der Abschiednahme wird der Verstorbene so unauffällig wie möglich in die Leichenhalle bzw. den Leichenkühlraum transportiert. Das mit der Versorgung von Verstorbenen beauftragte Personal muss über die Richtlinie über „Biologische Arbeitsstoffe beim Umgang mit Verstorbenen“ belehrt sein und es empfiehlt sich, den Umgang mit Verstorbenen in einem hausinternen Standard zu regeln. • Infektiöse Verstorbene sollten besonders gekennzeichnet werden. • Die Leinentuchabdeckung sollte ggf. mit Desinfektionslösung getränkt werden; besser ist ein Leichensack aus Plastikfolie mit Reißverschluss (bodybag). • Bett, Nachttisch und je nach Todesursache auch das übrige Bettenzimmer werden desinfizierend gereinigt. • Privateigentum wird erfasst und geht ggf. desinfiziert mit Nachlassprotokoll an die Angehörigen zurück. 5.4.2 Abschiednahme und Aufbahrung Die Verstorbene PatientenAbschiednahme Verstorbene PatientenAufbahrungAbschiednahme auf Station sollte ärztlich oder pflegerisch begleitet werden. In Vorbereitung der Abschiednahme werden der Oberkörper, zumindest aber das Gesicht des Verstorbenen aufgedeckt, Augentupfer und Kinnbinde werden entfernt. Sollte der Mund nicht geschlossen bleiben, empfiehlt sich eine unter das Kinn gelegte und mit dem Hemd versteckte Mullbinde. Da die zeitliche Verzögerung des Abtransports des Leichnams, wenn die Hinterbliebenen längere Anfahrtswege haben, organisatorische und hygienische Probleme aufwerfen kann, sollte in der Einrichtung oder bei Vorhandensein eines Instituts für Pathologie innerhalb desselben ein „Raum der Stille“ existieren, in dem eine pietätvolle hygienisch einwandfreie Abschiednahme gewährleistet ist. Der Leichnam sollte in einem desinfizierbaren, abwaschbaren Spezialsarg mit Edelstahlboden und abnehmbaren Seitenwände liegen. Die Innenauskleidung des Aufbahrungssargs (meist Papier bzw. Karton) muss bei eventueller Verschmutzung problemlos entfernbar sein. Die zur Aufbahrung verwendete Sarggarnitur und das Leichenhemd können bei der Abholung des Verstorbenen durch das Bestattungsunternehmen mit übergeben werden und verursachen dadurch keine zusätzlichen hygienischen, organisatorischen und finanziellen Aufwendungen. Aus krankenhaushygienischen Gründen ist eine Wand- und Fußbodengestaltung mit abwaschbaren Werkstoffen (z. B. Keramik, Kunst- oder Naturstein) vorzuziehen. Der Raum sollte über eine Be- und Entlüftung verfügen. Der Aufbahrungsraum muss für das Personal zum Zwecke der Herrichtung des Leichnams vom Einsargungsraum zugängig sein und nach Möglichkeit nahe der Kühlräume liegen. Die Lage des Aufbahrungs- und Besucherraums sollte jeglichen Durchgangsverkehr, Beeinträchtigungen durch Geräusche (Kühlmaschinen, Rohre, Gespräche des Personals usw.) zugunsten einer pietätvollen besinnlichen Abschiednahme ausschließen. Nach der Aufbahrung ist der Aufbahrungssarg zu desinfizieren und zu reinigen. Für kleinere Einrichtungen, in denen eine Abschiednahme auf der Station nicht möglich und kein Raum der Stille vorhanden ist, sollten die Angehörigen darauf hingewiesen werden, dass die meisten Bestattungsunternehmen über Räume für die Abschiednahme verfügen. Bei Verstorbenen mit ansteckenden Krankheiten ist auf eine Aufbahrung zu verzichten. 5.4.3 Transport von Verstorbenen Der Verstorbene PatientenTransportTransport wurde in der Vergangenheit auf unterschiedliche und z. T. pietätlose Weise praktiziert (fahrbare Blechwanne mit Haube, Transport ohne gesondertes Behältnis in Fahrzeugen usw.). Die einzig akzeptable Variante ist der Transport des Verstorbenen in seinem Bett (oder Stretcher), das i. d. R. höhenverstellbar ist und ein kräfteschonendes Umlagern erleichtert. Der Leichentransport außerhalb des Krankenhauses bleibt autorisierten Bestattungsunternehmen vorbehalten. Mit der fachgerechten Aufbewahrung des Verstorbenen in speziell dafür vorgesehenen Kühleinrichtungen und der Übergabe des Leichnams an das beauftragte Bestattungsunternehmen endet die Verantwortlichkeit des Krankenhauses. 5.5 Prävention von SSI in der Chirurgie Axel Kramer, Stefan Maier, Claus-Dieter Heidecke, Günter Kampf und Kurt Oldhafer 5.5.1 Grundlagen Der Infektionsschutz des chirurgischen Patienten beinhaltet nicht nur die Prävention von SSI. Er dient ebenso dem Schutz vor weiteren NI mit den Schwerpunkten: beatmungsassoziierte Pneumonie (Kap. 4.4), gefäßkatheter-assoziierte Blutstrominfektionen (Kap. 4.2), katheter-assoziierte HWI (Kap. 4.3), Sepsis (Kap. 4.5), C.-difficile-assoziierte Diarrhö (Kap. 3.9) und Infektionen mit multiresistenten grampositiven Bakterien, wie MRSA und VRE (Kap. 3.7) einschließlich S. aureus, sowie mit gramnegativen Bakterien, wie ESBL, 3 MRGN und 4 MRGN (Kap. 3.8). Gemäß CDC-Definition wird nach dem Schweregrad unterschieden zwischen oberflächlichen (A1) und tiefen Infektionen des OP-Schnitts (A2) sowie Infektionen von Räumen und Organen im OP-Gebiet (A3) (Mangram et al. 1999) (Kap. 3.1). Häufigkeit und Übertragung von SSI Inzidenz: Im KISS-Projekt (NRZ 2013) wird Surgical Site InfectionsInzidenzseit 2002 das eingriffsabhängige Infektionsrisiko ermittelt (Tab. 5.5 ). Es ist einheitlich bei laparoskopischen Eingriffen niedriger als bei offen chirurgischen Eingriffen. Tab. 5.5 SSI-Inzidenz im Zeitraum Januar 2009 bis Dezember 2012 (NRZ 2013) Eingriff n Gepoolte SSI-Raten A1 A2 A3 Appendektomie laparoskopisch 13 231 0,38 0,09 0,2 offen chirurgisch 4 684 3,31 0,98 0,3 Cholezystektomie laparoskopisch 49 766 0,55 0,09 0,15 offen chirurgisch 5 095 3,71 1,04 0,79 Kolon laparoskopisch 8 139 2,51 0,74 1,79 offen chirurgisch 23 092 1,51 0,31 0 Herniotomie laparoskopisch 14 109 0,05 0,05 0,02 offen chirurgisch 14 193 0,27 0,1 0,02 Eingriffe an der Mamma 44 938 0,46 0,28 Nephrektomie 4 230 1,11 0,5 0,47 Rektum-OP 1 732 4,04 0,81 3,81 Schilddrüsen-OP 16 478 0,39 0,12 0,03 Eingriffe an der Aorta abdominalis 1 858 0,54 0,92 Karotisgabel-Rekonstruktion 4 730 0,06 0,13 Arterielle Rekonstruktion untere Extremitäten 15 836 1,64 1,78 Koronare Bypass-OP mit Entnahme autologer Gefäße an Extremitäten (Extremitätenwunde) 40 161 0,29 0,32 Koronare Bypass-OP mit Entnahme autologer Gefäße an den Extremitäten (Thoraxwunde) 40 161 1,12 1,54 0,79 Koronare Bypass-OP ohne Entnahme autologen Gefäße an den Extremitäten 10 079 1,55 1,51 0,51 Venöses Stripping 3 879 0,23 0,26 0 Prävalenz: Im Unterschied Surgical Site InfectionsPrävalenzzur Inzidenz vermitteln Prävalenzraten aufgrund einer Vielzahl von Faktoren wie Neuzugänge, Liegedauer usw. nur einen begrenzten Eindruck über die tatsächliche Verbreitung einer Krankheit (Kap. 3.1). In der NIDEP-1-Studie wurde für 5 377 Patienten auf den chirurgischen Abteilungen von 72 Krankenhäusern eine SSI-Prävalenz von 1,34 % ermittelt. Bei Betrachtung nur der operierten Patienten lag die Prävalenz bei 2,13 % und aufgeschlüsselt für Cholezystektomien bei 1 %, für Herniotomien bei 2,9 %, für Kolon- oder Rektumoperationen bei 3,8 % sowie für Appendektomien bei 4,1 % (Kampf et al. 1996b). SSI waren nach HWI (1,45 %) die zweithäufigste NI in der Chirurgie (Kampf et al. 1996a). Insgesamt waren SSI in deutschen Akutkrankenhäusern nach nosokomialen Pneumonien und HWI mit etwa 16 % die dritthäufigste nosokomiale Infektionsart (Rüden 1995). In der ersten vom ECDC durchgeführten europäischen Prävalenzerhebung zwischen September und Dezember 2011 waren SSI in Deutschland (Stichprobenumfang 39 699 Patienten an 134 Krankenhäusern) mit einem Anteil von 24,7 % an die erste Stelle der NI gerückt, gefolgt von HWI mit einem Anteil von 22,4 % (NRZ 2012). Letalität: SieSurgical Site InfectionsLetalität gibt die Zahl der Sterbefälle an einer bestimmten Krankheit bezogen auf die Zahl der an dieser Krankheit Erkrankten an. Als Letalitätsrate wird sie in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Erkrankung auf 10 000 oder 100 000 Erkrankte bezogen. Legt man die für Deutschland auf alle NI bezogene kalkulierte Letalität von ca. 2,6 % (Gastmeier et al. 2008) auch für SSI zugrunde – was nicht zutreffen muss – resultiert eine Anzahl von etwa 2 500 Patienten pro Jahr, die aufgrund von SSI versterben. Infektionsrisiko: Das Surgical Site InfectionsInfektionsrisikoInfektionsrisiko wird durch die Eigenschaften der Mikroorganismen bestimmt. Dazu gehören Virulenz (Grad der Pathogenität), Kontagiosität (Übertragbarkeit), Anzahl, Tenazität (Haftfähigkeit), Invasivität (Eindringvermögen), Vitalität (Vermehrungsvermögen), Toxizität (Giftigkeit) und Immunität (Abwehrvermögen). Patienten mit malignen Erkrankungen, Leukopenie, Autoimmunerkrankungen, offenen Verletzungen, AIDS und Diabetes mellitus sind besonders infektionsgefährdet. Operationen mit einer Dauer über dem 75. Perzentil erhöhen das SSI-Risiko. Auch ein Tracheostoma, eine maschinelle Beatmung, Harnblasen- und Gefäßkatheter sowie Drainagen erhöhen das Infektionsrisiko (Abb. 5.1 ). Für das Entstehen von SSI ist eine Reihe von Risikofaktoren gesichert (Tab. 5.6 ). Abb. 5.1 Ursachenkomplex für Surgical Site InfectionsUrsachenSSI [L106] Tab. 5.6 Risikofaktoren für das Entstehen von SSISurgical Site InfectionsRisikofaktoren Präoperative Risikofaktoren (Wirtsorganismus) Hoher NNIS-Score (Kap. 5.7.1), verlängerte präoperative Verweildauer, höheres Lebensalter, Vorerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Dialyse, Lebererkrankung), Infektion/Kolonisation mit MRE, Infektion anderer Lokalisation, nasale Kolonisation mit S. aureus/MRSA, Mangelernährung/reduzierter Allgemeinzustand, Adipositas, Vitamin-C-Mangel, Rauchen, Alkoholabusus, maligne Grunderkrankung abhängig vom Tumorstadium, Vorbestrahlung, Anämie, Granulozytopenie < 1 500/µl, bestimmte OP-Arten Perioperative Risikofaktoren Unsachgerechte OP-Feldvorbereitung (Antiseptik, Haarentfernung) und chirurgische Händedesinfektion, nicht korrekte PAP, verzögerter OP-Zeitpunkt bei Verletzung, Hypothermie, Hypoxie, bakterienpermeable Schutzkleidung und Abdeckmaterial, Handschuhperforation, Atemwegsinfektion beim OP-Team, Erfahrung des Operateurs, Fremdkörper Eingriffsbezogene Risikofaktoren Dauer, Anzahl, Umfang und Art des Eingriffs (z. B. Notfall- vs. Elektiveingriff, Kontaminationsgrad, Rezidiveingriff), OP-Technik einschließlich Blutstillung, Implantat Postoperative Risikofaktoren Unsachgerechte postoperative Wundversorgung, Drainage, parenterale Ernährung, antibiotische Behandlung > 1 Tag postoperativ, postoperative invasive Maßnahmen, die mit Bakteriämien einhergehen, Unterkühlung (Quellenangaben in Maier, Kramer und Heidecke 2010; Oldhafer et al. 2007) Voraussetzung für das Entstehen einer SSI ist die endogene Präsenz von Krankheitserregern oder deren exogener Eintrag. Die Infektion kann prä-, intra- und selten auch postoperativ entstehen und u. U. erst nach Wochen oder Monaten zum Ausbruch kommen. Infektionswege: Zweifellos ist der Surgical Site InfectionsInfektionswegePatient selbst die wichtigste SSI-Quelle, gefolgt vom Personal. Bezüglich des Stellenwerts der Übertragungswege lässt sich anhand von Basiswissen, Kasuistiken und Studien bestenfalls eine grobe Einstufung ableiten (Abb. 5.2 ). Abb. 5.2 Übertragungswege für Erreger von Surgical Site InfectionsÜbertragungswegeSSI [L106] Das Hygienemanagement muss folgende Infektionsmöglichkeiten berücksichtigen: • Iatrogene NI durch direkte Übertragung durch Arzt oder Pflegepersonal bei diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen • Apparativ bedingte NI durch MP oder krankenhaustechnische Ausrüstungen • Umgebungsinfektion aus dem Milieu der Gesundheitseinrichtung, z. B. über Hände, Flächen oder Raumluft (z. B. Schimmelpilzinfektion bei Immunsuppression) • Endogene oder Selbstinfektion mit Herkunft des Erregers vom Patienten selbst (Kap. 3.1) • Eingeschleppte Infektion durch andere Patienten, das Team oder Besucher (überwiegend sog. Community-acquired Infections) Das ärztliche und das pflegerische Team kommen nicht nur als Überträger, sondern auch als Infektionsquelle in Betracht. Daher dürfen Mitarbeiter mit eitrigen Infektionen für die Dauer der Infektiosität nicht operativ tätig werden (Oldhafer et al. 2007). Ätiologie von SSI In Surgical Site InfectionsÄtiologieder Viszeralchirurgie sind Vertreter der Darmflora die häufigste Ursache von SSI (Tab. 5.7 ). Ebenfalls endogen ist S. aureus, ausgehend von der Kolonisation im Nasen-Rachen-Raum, eine häufige Ursache von SSI (Oldhafer et al. 2007) Im Ergebnis des NNIS wird deutlich, dass sich die Ätiologie von SSI im Vergleich der Zeiträume 1986–1989 und 1990–1996 nicht wesentlich geändert hat (Tab. 5.7). In Deutschland ist das Erregerspektrum ähnlich, wobei im Zeitraum 2009–2013 erwartungsgemäß MRSA an Bedeutung zugenommen hat (Tab. 5.8 ). Tab. 5.7 Isolate bei SSIStaphylococcus aureusSurgical Site InfectionPseudomonas aeruginosaSurgical Site InfectionProteus mirabilisSurgical Site InfectionKlebsiella pneumoniaeSurgical Site InfectionEnterokokkenSurgical Site InfectionEnterobacterSurgical Site InfectionEscherichia coliSurgical Site InfectionSurgical Site InfectionsErregerspektrum Erreger Anteil (%) der Isolate1 1986–1989 (n = 16 727) 1990–1996 (n = 17 671) S. aureus 17 20 KNS 12 14 Enterococcus spp. 13 12 E. coli 10 8 P. aeruginosa 8 8 Enterobacter spp. 8 7 P. mirabilis 4 3 Klebsiella (K.) pneumoniae 3 3 Andere Streptococcus spp. 3 3 C. albicans 2 3 Streptococcus Gruppe D – 2 andere grampositive Aerobier – 2 B. fragilis – 2 1 Ausschluss von Isolaten mit einem Anteil < 2 %. Tab. 5.8 Erregerspektrum von SSI in Deutschland im Zeitraum Januar 2009 bis Dezember 2012 (NRZ 2013) Erreger Allgemeinchirurgien (%) Abdominalchirurgie n (%) Gefäßchirurgie n (%) S. aureus 96 (33,9) 162 (4,2) 225 (36,1) MRSA (Anteil von S. aureus) 13 (13,5) 50 (30,9) 46 (20,4) Enterococcus spp. 12 (4,2) 1 069 (27,5) 101 (16,2) E. coli 13 (4,6) 1 172 (30,1) 79 (12,7) KNS 21 (7,4) 128 (3,3) 75 (12,0) P. aeruginosa 4 (1,41) 221 (5,7) 49 (7,9) Enterobacter spp. 5 (1,8) 185 (4,8) 40 (6,4) Klebsiella spp. 5 (1,8) 212 (5,5) 28 (4,5) Proteus spp. 4 (1,4) 145 (3,7) 35 (5,6) Bacteroides spp. 4 (1,4) 235 (6,0) 7 (1,1) Citrobacter spp. 2 (0,7) 91 (2,3) 10 (1,6) C. albicans 1 (0,4) 85 (2,2) 4 (0,6) Folgen von SSI Durch Surgical Site InfectionsFolgenFall-Kontroll-Studien konnte gezeigt werden, dass sich das Sterblichkeitsrisiko von Patienten durch eine SSI verdoppelt, sie mit einer um 60 % höheren Wahrscheinlichkeit auf einer Intensivstation behandelt werden und 5 Mal häufiger später wieder im Krankenhaus behandelt werden. Durchschnittlich entstehen durch eine SSI Kosten von etwa 3 000 € und verlängert sich die Aufenthaltsdauer in der Klinik um etwa 6,5 d (Kirkland et al. 1999). Hochgerechnet bedeutet das eine Belastung für die Versicherungssysteme von fast 300 Mio. € Mehrkosten und 614 000 zusätzlichen Krankenhausbehandlungstage pro Jahr in Deutschland (Maier, Kramer und Heidecke 2010). 5.5.2 Prävention von SSI Nur Surgical Site InfectionsPräventiondurch die klare Regelung des HygienemanagementsSurgical Site InfectionsHygienemanagement mit repetitiver Evaluation der Ergebnisse im Sinne einer prospektiven Surveillance kann eine kontinuierlich hohe Qualität der Hygiene gewährleistet werden. Hierbei ist zu beachten, dass unrealistische Hygieneanforderungen aufgrund ökonomischer Zwänge sowie zur Gewährleistung der Compliance der Beteiligten kontraproduktiv sind (Maier, Kramer und Heidecke 2010). Eckpfeiler der Qualitätssicherung sind die Aufbereitung von MP, die Umsetzung der Multibarrierenstrategie und der Aufbau eines mehrdimensionalen schnittstellenübergreifenden Qualitätsmanagements (QM) zur Prävention von SSI, die Realisierung von Antibiotika-Stewardship und die Surveillance von SSI einschließlich der Erfassung und Bewertung des Auftretens von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen (IfSGuaÄndG 2011). Für die Umsetzung der Multibarrierenstrategie sind die KRINKO-Empfehlungen (Gastmeier et al. 2003; Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 1997, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 1999, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2000a, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2000b, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2001, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2003, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2012a, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2012b, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2012c; Oldhafer et al. 2007) besonders relevant. Ungeachtet der Evidenzstärke sind eine Reihe von Präventionsmaßnahmen, die fortlaufend evaluiert werden, etablierter Standard. Da sich die Studienlage seit der CDC-Guideline (Mangram et al. 1999) und der KRINKO-Empfehlung (Oldhafer et al. 2007) geändert hat, wird nachfolgend eine Neubewertung gemäß der von der KRINKO (2010b) empfohlenen Kategorisierung vorgenommen (Tab. 5.9 ). Tab. 5.9 Stellenwert wichtiger Maßnahmen zur Prävention von SSI Maßnahme Vorgeschlagene Evidenz Prä-, perioperativ Sanierung bestehender Infektionen vor elektiven Eingriffen IA Qualitätsgerechte Aufbereitung von MP IA, IV Aseptische Disziplin im OP IB Kurze präoperative Verweildauer IB Begrenzung der Personenanzahl im OP auf das erforderliche Maß IB Screening und Dekolonisierung von S. aureus bei besonderer Gefährdung II Risikoadaptiertes MRSA-Screening und Dekolonisierung IB Risikoadaptiertes Screening auf 3 und 4MRGN II Einstellen des Rauchens IB Korrektur metabolischer Abweichungen bei elektiven Eingriffen II Gewichtsreduktion bei elektiven Eingriffen II Antiseptisches Bad III Indikationsgerechte PAP IA Clipping oder keine Rasur IA Verbot künstlicher Fingernägel und Fingerringe IB/IV Chirurgische Händedesinfektion IB Hautschutz der Hände IV Präoperative Hautantiseptik IA Hautversieglung III Antiseptische Inzisionsfolie (indikationsabhängig) II Erregerdichte OP-Abdeckung IB Verzicht auf Darmreinigung in der Darmchirurgie II Screening des OP-Teams bei Ausbruch von SSI durch S. aureus oder A-Streptokokken IB Sterile OP-Handschuhe, steriler Kittel, Mund-Nasen-, Haarschutz IB Intraoperativ Vermeidung akzidenteller Hypothermie IA Antiseptische Spülungen während der OP III Antiseptisches Nahtmaterial (indikationsabhängig) IB–III∗ Laparoskopische OP-Technik (indikationsabhängig) IB Keine Lagerung von Sterilgut außerhalb Sterilverpackung und außerhalb TAV IB Turbulenzarme TAV (Hüft- oder Kniegelenk; zum Zusammenhang zwischen erreichter Asepsis über dem OP-Feld und SSI-Rate keine validen Studien) III Strenge Indikationsstellung für Drainagen IB Postoperativ Desinfektion relevanter Flächen im OP IB Aseptische Wundversorgung IB Surveillance IA/IV Rahmenbedingungen OP-Technik und chirurgische Erfahrung II Qualitätsmanagement der Hygiene IA/IV Einführung eines SSI-Bundles IB Fehleranalyse IB Evaluation der Hygiene durch Patienten II ∗ IB: Shunt-und Wirbelsäulenchirurgie, II: Visteralchirurgie, III: Gefäßchirurgie, Kopf-Hals-Chirurgie (Quellen in Maier, Heidecke und Kramer 2014) Bei der nachfolgenden Kommentierung werden überwiegend seit 2006 erschienene Veröffentlichungen berücksichtigt. Präoperativ Sanierung von Infektionen vor elektiven Eingriffen: Wann immer möglich, sollen klinisch manifeste Infektionen außerhalb sowie im OP-Gebiet vor elektiven Eingriffen als Risikofaktor identifiziert (Cheadle 2006; van Walraven und Musselman 2013) und saniert werden (Oldhafer et al. 2007). Aufbereitung von MP: Die Surgical Site InfectionsPräventionsmaßnahmen, präoperativeAufbereitung chirurgischer Instrumente ist ein zentrales Element zur Qualitätssicherung. Da auch hier Defizite nicht ausgeschlossen sind (Attenberger 2005; Azizi et al. 2012; Barion 2011; Becker und Lohan 2002; Department of Health 2009; Heudorf 2011; Murdoch et al. 2006; Thiede und Kramer 2013), empfiehlt es sich, dass sich der verantwortliche Chirurg mittels der Kompetenz des Hygienefachpersonals davon überzeugt, dass die Qualitätsanforderungen an die Aufbereitung eingehalten sind. Kurze präoperative Verweildauer: Bei elektiven abdominalchirurgischen Eingriffen steigt das SSI-Risiko mit zunehmender präoperativer Krankenhausaufenthaltsdauer (Apanga et al. 2014; Patel et al. 2011; Saxena et al. 2013). Für stationär allgemein- und gefäßchirurgisch versorgte Patienten war das SSI-Risiko höher als für ambulant versorgte Patienten, was allerdings nicht als unabhängiger Risikofaktor identifizierbar war (Neumayer et al. 2007). Risikoadaptiertes MRSA-Screening und Dekolonisierung: Es dient bei planbaren OPs der Möglichkeit der präoperativen Dekolonisierung (Ammerlaan et al. 2009) bzw. bei nicht aufschiebbarer OP ggf. der Auswahl eines MRSA-sensiblen Antibiotikums zur PAP sowie der Aufbereitung der OP-Einheit nach dem Eingriff s. u. (Kramer et al. 2012c). Screening auf multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien (MRGN): Ein erhöhtes Risiko ist bei positiver Anamnese, nach Kontakt mit in der Anamnese bekanntermaßen mit 3- und 4MRGN kolonisierten oder infizierten Patienten und bei Patienten aus Ländern mit hoher Prävalenz gegeben (KRINKO 2012c). Nach der OP eines Patienten mit Kolonisation oder Infektion mit 3- oder 4MRGN wird der OP-Saal bis zum Ablauf der Einwirkungszeit der Flächendesinfektion als „septisch“ deklariert, wobei auch das patientenferne Umfeld in die Zwischendesinfektion einbezogen wird. Das OP-Team schleust sich neu ein, und es erfolgt ein kompletter Wechsel der Reinigungsutensilien und der Bereichskleidung des Reinigungspersonals. Bei Verlegung auf die Station sind die Empfehlungen zur Isolierung einzuhalten (KRINKO 2012c). Einstellung des Rauchens: Rauchen wirkt sich negativ auf die Wundheilung aus, reduziert die Blutzirkulation in der Haut, stört die Hämoglobinfunktion, wirkt immunsuppressiv und stört respiratorische Funktionen (Hussey, Leeper und Hynan 1998), was seine Bedeutung als Risikofaktor für SSI erklärt (Durand et al. 2013; Mawalla et al. 2011; Olsen et al. 2008; Singh 2013; van Walraven und Musselman 2013). Allerdings gelang der Nachweis als unabhängiger Risikofaktor nicht immer, möglicherweise aufgrund des Stichprobenumfangs (Kuri et al. 2011) und der unterschiedlichen Dauer des Rauchens. Es wird empfohlen, das Rauchen mindestens 30 d vor einem elektiven Eingriff einzustellen. Eine Karenz von 6–8 Wochen vor elektiven Eingriffen reduziert die SSI-Rate signifikant (Oldhafer et al. 2007). Metabolische Korrektur bei elektiven Eingriffen: Bei der Etablierung der „Fast-Track“-Konzepte hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass mehrtägiges Fasten vor und nach viszeralchirurgischen Eingriffen zu vermeiden ist. Mangelernährung ist bei aufschiebbaren Eingriffen 7–14 d präoperativ auszugleichen (Kap. 5.3.1). Ob auch bei MangelernährungPrävention von SSIsTumorerkrankungen ein Aufschieben der OP mit dem Ziel der Optimierung des Ernährungszustands sinnvoll ist, ist offen, weil unbekannt ist, wie stark die onkologische Grunderkrankung in diesem Zeitraum fortschreitet und fraglich ist, ob und in welcher Zeit eine Verbesserung des Ernährungszustands erreichbar ist. Grundsätzlich sollen Patienten bis zum OP-Tag und so rasch wie möglich postoperativ enteral ernährt werden. Bei Diabetes mellitus wird prä- und postoperativ die engmaschige Kontrolle des Blutglukosespiegels mit Vermeidung von Werten > 200 mg/dl bzw. > 11,1 mmol/l empfohlen (Chan et al. 2009; Gandhi et al. 2007). Anämie: Bei Vorliegen einer Anämie ist die Indikation für eine Bluttransfusion entsprechend der Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten zu überprüfen (Kommentar KRINKO 2007b). Immunsuppression: Bei immunsupprimierten Patienten ist ein interdisziplinäres präoperatives Patientenmanagement zu empfehlen, damit sowohl individuelle Möglichkeiten der Reduktion der Immunsuppression als auch spezifische Maßnahmen zur Prophylaxe und ggf. antimikrobiellen Therapie festgelegt werden können. Gewichtsreduktion bei elektiven Eingriffen: Bei Adipositas Grad II und III ist eine Gewichtsreduktion insbesondere für Eingriffe zu erwägen, bei denen der OP-Erfolg von der Körpermasse beeinflusst wird (z. B. Narbenhernien) (Oldhafer et al. 2007). Antiseptisches Bad: Für die am Abend vor der OP übliche Ganzkörperwäsche oder das Duschen (NICE 2013) ist weder bei Benutzung antiseptischer noch normaler Seife ein Einfluss auf die SSI-Rate nachgewiesen (Webster und Osborne 2007). In einer Studie mit nachgewiesener Reduktion der Hautflora wurde keine Neutralisation von CHX nach der Probengewinnung angegeben; da nur je eine SSI in der CHX- und Plazebogruppe auftrat, bleibt unabhängig von dem methodischen Mangel der fehlenden Neutralisation der Einfluss auf die SSI-Rate offen (Veiga et al. 2009). Perioperativ Perioperative Antibiotikaprophylaxe (PAP): Die Indikation Surgical Site InfectionsPräventionsmaßnahmen, perioperative Antibiotikaprophylaxe, perioperativeSurgical Site Infectionzur PAP wird abhängig von der Art des operativen Eingriffs, der Wundklassifikation sowie individuellen und operationsbedingten Risikofaktoren gestellt (Prospero et al. 2010). Sie ist wegen des mit ihr verbundenen Resistenzdrucks und weiterer potenzieller Nebenwirkungen gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften nur bei gesicherter Indikation durchzuführen (SIGN 2014). Entscheidend für Beginn und Dauer der Antibiotikagabe ist, dass ab dem Zeitpunkt des Hautschnitts für die Dauer der OP ein wirksamer Blut- und Gewebespiegel gewährleistet ist. Bei starkem Blutverlust (> 1 l) oder länger dauernden Operationen (Eingriff länger als die doppelte Halbwertszeit des Antibiotikums) muss eine Folgedosis verabreicht werden (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012a). Für die Auswahl des Antibiotikums sind die Wirksamkeit gegen die häufigsten Wundinfektionserreger bei der jeweiligen OP, die Gewebegängigkeit und die lokale Resistenzsituation entscheidend (Oldhafer et al. 2007). Ferner ist die korrekte Dosierung abhängig vom Körpergewicht und von erhöhten oder erniedrigten Verteilungsräumen zu beachten (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012a; Prospero et al. 2010) (Kap. 2.10.2). Bei gesicherter Indikation und einmaliger Verabreichung innerhalb des Zeitfensters von 30–60 min leistet die PAP einen signifikanten Beitrag zur SSI-Reduktion. Clipping oder keine Rasur: Haare sind präoperativ nur bei operationstechnischer Notwendigkeit bevorzugt mittels Clipping zu entfernen (Kramer et al. 2008c). Hände und Fingernägel: Künstliche Nägel verleiten zur Vernachlässigung der Händehygiene, erhöhen die Perforationsgefahr für Schutzhandschuhe und wurden als Ursache für SSI-Ausbrüche identifiziert (Gordin und Schultz 2007). Künstliche Fingernägel dürfen nicht getragen werden, weil sie als Quelle von NI-Ausbrüchen identifiziert wurden. Die Nageloberfläche soll nicht rissig sein, z. B. durch abgeplatzten oder gerissenen Nagellack. Farbiger Nagellack ist abzulehnen, weil er die Sichtbeurteilung der Nägel verhindert und je nach Abstand zur Auftragung die Wirkung der Händedesinfektion herabsetzt (Assadian et al. 2011). Vor operativen Eingriffen sollen keine Nagelbettverletzungen oder entzündlichen Prozesse an der Hand vorliegen. Unter sorgfältiger Risikoabwägung erscheint es bei nicht entzündlichen Veränderungen bzw. kleinen Verletzungen im Bereich der Hand vertretbar, die OP mit zwei übereinander gezogenen Paar Handschuhen, ggf. nach vorheriger Abdeckung mit antiseptischer Salbe und zusätzlichem Fingerling, durchzuführen. An Händen und Unterarmen getragene Schmuckstücke behindern die Händehygiene und können zu einem Erregerreservoir werden (Fagernes und Lingaas 2009; Fagernes, Lingaas und Bjark 2009; Trick et al. 2003). Außerdem führt das Tragen von Eheringen zu erhöhter Perforation von OP-Handschuhen (Nicolai, Aldam und Allen 1997). Chirurgische Händedesinfektion: Zur Gewährleistung ihrer standardisierten Durchführung sollte das Vorgehen in einer SOP festgelegt sein (Kramer et al. 2008a). Für die Einwirkzeit von 1,5 min ist experimentell folgendes Vorgehen gesichert (Hübner et al. 2011a): 1. Vollständiges Benetzen beider Hände (10 s), 2. Benetzen beider Unterarme (10 s), 3. Wiederholtes Benetzen der Hände (70 s). Entscheidend ist, dass Hände und Unterarme für die Dauer der Einwirkzeit vollständig benetzt sind. Die Handflächen sind unter Vermeidung von Benetzungslücken für die Dauer der deklarierten Einwirkzeit mittels Einreibetechnik komplett feucht zu halten, wobei das Hauptaugenmerk auf Fingerkuppen, Nagelfalzen und Fingerzwischenräumen liegt (Kap. 2.1). lodophore sind aus toxikologischen Gründen nicht mehr einzusetzen (Below, Bauer und Kramer 2007). Hautschutz der Hände: Zur Erhaltung des physiologischen Hautzustands sind Hautschutz und Hautpflege unerlässlich (Kap. 5.20.3). Eine Fragebogenerhebung unter Chirurgen ergab diesbezüglich erhebliche Defizite (Brune et al. 2014). Am wichtigsten ist der präexpositionelle Hautschutz, der sich nicht durch postexpositionelle Hautpflege ersetzen lässt (Berndt et al. 2002; Kap. 5.20.3). Bei der Auswahl der Präparate ist deren nachgewiesener Nutzen zu berücksichtigen (Harnoss et al. 2014). Außerdem darf die Wirksamkeit der chirurgischen Händedesinfektion nicht beeinträchtigt werden (Große-Schütte et al. 2011; Harnoss et al. 2014). Präoperative Hautantiseptik: Ihre Effektivität ist einer der Schlüsselpunkte für die Prävention von SSI, weil davon die in die Tiefe der OP-Wunde gelangende Erregermenge abhängt. Hautantiseptikperioperative, SSI-PräventionMittel der Wahl sind alkoholbasierte Präparate, ggf. mit Zusatz remanenter Wirkstoffe (Darouische et al. 2010). Durch die Einführung der assistierten Applikation mit Freigabe des Hautantiseptikums auf ein Schwämmchen werden die wünschenswerte Standardisierung der präoperativen Hautantiseptik und zugleich eine höhere Effektivität erreicht. Alternativ ist das Vorgehen mit Tupfer und Kornzange mit gleicher Effektivität standardisierbar (Ulmer et al. 2014). Hautversieglung: Die Versieglung Surgical Site InfectionsHautversieglungder Haut nach Hautantiseptik wurde zur Fixierung der auf der Hautoberfläche verbleibenden Mikroflora eingeführt. Im Draft der neuen CDC-Guideline wird die Hautversieglung nicht mehr für notwendig erachtet (Assadian et al. 2011). Die in einer retrospektiven, nicht-randomisierten Studie in der Herzchirurgie beschriebene signifikante Herabsetzung der SSI-Rate (Dohmen et al. 2011) konnte in einer prospektiven Studie nicht bestätigt werden (Waldow et al. 2012). Bei Gefäßoperationen an der unteren Extremität konnte in einer prospektiven, randomisierten, doppelblinden Studie eine signifikante Herabsetzung der SSI-Rate nachgewiesen werden (Iyer et al. 2011). Gestützt werden diese Befunde durch eine signifikante Herabsetzung der wiedergewinnbaren Hautflora nach Versieglung aus Inzisionswunden beim Schwein bzw. beim Menschen (Daeschlein et al. 2014; Eckardstein von et al. 2011; Towfigh et al. 2008; Wilson 2008). Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um den präventiven Einfluss der Hautversiegelung abzuklären. Antiseptische Inzisionsfolie: Bei Verwendung nicht antiseptisch imprägnierter Inzisionsfolie steigt das SSI-Risiko signifikant, deshalb ist ihr Einsatz kontraindiziert (Webster und Alghamdi 2007). Mit Iod imprägnierte Folie ist in vitro mikrobiozid wirksam. Auch bei Anwendung auf der Haut kommt es zu einer antiseptischen Wirkung unter der Inzisionsfolie, zugleich wird die bakterielle Wundkontamination verringert (Kramer, Assadian und Lademann 2010). Wegen der geringen Effektstärke war die Reduktion der SSI-Rate allerdings nur bei großem Stichprobenumfang zu sichern (Parks et al. 2007). OP-Abdeckung: Nach präoperativer Antiseptik wird das OP-Feld mit als MP Klasse I zertifizierten Abdeckmaterialien der Qualität Standard oder High Performance (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2011a; DIN EN 13.795 2010) steril abgedeckt. In der Kombination von erregerdichter OP-Abdeckung und OP-Schutzkittel war der Nutzen zur SSI-Prävention nachweisbar (Rutala und Weber 2001). Sofern OP-Abdeckmaterialien die Anforderungen der DIN EN 13795–1/3 (2010) erfüllen, sind Einweg- und Mehrwegmaterialien aus infektionspräventiver Sicht gleichwertig, denn beide sind bakteriendicht. Abhängig vom Eingriff muss der Patient nicht vollständig entkleidet werden. Allerdings sind nicht entkleidete Patienten ggf. keimarm abzudecken, um einen Erregereintrag in den OP-Situs einzuschränken und standardisierte OP-Bedingungen zu gewährleisten. Verzicht auf Darmreinigung in der Darmchirurgie: Sofern die präoperative Darmreinigung nicht aus OP-technischer Sicht für erforderlich angesehen wird, gilt sie als entbehrlich (Anthony et al. 2011; Fry 2011; Matsou et al. 2011; Murray et al. 2010). Screening des OP-Teams: Wird im Rahmen der Surveillance eine Häufung von SSI durch S. aureus oder Gruppe-A-Streptokokken auffällig, ist ein Screening auf Kolonisation beim gesamten perioperativen Team durchzuführen (Oldhafer et al. 2007). Vermeiden einer akzidentellen Hypothermie: Als Hypothermie gelten Körpertemperaturen ≤ 36 °C. Die peri- und postoperative Hypothermie ist ein unabhängiger Risikofaktor für SSI (Kurtz, Sessler und Lenhardt 1996; Linam et al. 2009). Die Ursachen sind multifaktoriell, z. B. verzögerte Gerinnung, erhöhte Fibrinolyse, durch Thrombozytopenie und verringerte Thromboxan-B2-Synthese vermehrter Blutverlust mit Transfusionsbedarf, Immunsuppression, periphere Vasokonstriktion mit Hypoxie der Wunde (Allen et al. 1997; Greif et al. 2000; Hopf et al. 1997; Torossian et al. 2015). Peri- und postoperativ soll der Zustand der Normothermie aufrechterhalten werden, sofern nicht therapeutische Gründe (z. B. Neuroprotektion) eine Hypothermie erfordern (Brandt, Mühlsteff und Imhoffe 2013; Flores-Maldonado et al. 2011; Lehtinen et al. 2010; Melling et al. 2001). Aktives Erwärmen ist effektiver als passives; für besonders vulnerable Eingriffe kann die Kombination beider Möglichkeiten einschließlich präoperativer Erwärmung überlegen sein (Moola und Lockwood 2013). Zum Schutz des Patienten vor Auskühlung eignen sich temperierte OP-Tischauflagen, Wärmestrahler (Raumheizer, Infrarotlampen), Wärme speichernde bzw. Wärme freisetzende Abdeckung und konvektive Wärmesysteme (z. B. Bair Hugger-Wärmeeinheit). Aktives inneres Erwärmen ist endogen durch Aminosäureinfusion und exogen z. B. durch warme Infusionen, Inhalationen, Lavagen erreichbar. Die Körperkerntemperatur soll 1–2 h vor Beginn der Anästhesie und intraoperative kontinuierlich oder alle 15 min gemessen werden (Torossian et al. 2015). Bereichs- und Schutzkleidung: Die farbige OP-Bereichskleidung wird in der Schleuse angelegt. Sie ist bei sichtbarer Verschmutzung bzw. Kontamination sowie bei erneuter Einschleusung zu wechseln. Beim Wechsel von Personal zwischen Aufwach- und OP-Raum muss (ggf. durch Schutzkittel) Sorge getragen werden, dass die Bereichskleidung nicht mit Krankheitserregern kontaminiert wird (Holst et al. 1997). Vor Betreten des OP-Raums werden MNS (Anforderungen gemäß DIN EN 14683 2012) und Haarschutz angelegt, sofern die sterilen Instrumente bereits gerichtet sind, eine OP demnächst beginnt oder durchgeführt wird. Der MNS muss ausreichend groß sein, Mund und Nase bedecken und eng am Gesicht anliegen. Barthaare müssen (ggf. in Kombination mit der OP-Haube) vollständig abgedeckt sein. Aus Gründen des Arbeitsschutzes kann es erforderlich sein (z. B. OP von Patienten mit florider Tuberkulose), eine Atemschutzmaske zu tragen (Kramer et al. 1997). Der Haarschutz muss das Haupthaar vollständig bedecken. Er darf nicht zu Hause gewaschen werden, weil aufgrund fehlender Verfahrensvalidierung keine Desinfektion gewährleistet ist (Hübner et al. 2011c). Wache Patienten mit Eingriff in Regionalanästhesie sollten ebenfalls einen MNS tragen, um beim Sprechen und Atmen die Verbreitung von Aerosolen zu vermeiden. Hygieneverstöße sind ein nach OP herunterhängender MNS und dessen erneute Verwendung sowie der Griff zur benutzten Maske ohne nachfolgende Händedesinfektion. Bei Gefahr des Verspritzens von Blut oder Sekreten sind Schutzbrille bzw. Gesichtsschild angezeigt. Die sterilen OP-Handschuhe werden nach dem Anlegen des sterilen OP-Kittels erst nach Lufttrocknung des Händedesinfektionsmittels angelegt, weil andernfalls das Perforationsrisiko steigt (Pitten et al. 1998/99). Der Tragekomfort von OP-Handschuhen aus Naturlatex wird derzeit von keinem anderen Material erreicht. Gepuderte Latexhandschuhe sind wegen des Allergisierungsrisikos untersagt (Technische Regeln für Gefahrstoffe 401). Bei einem Übertragungsrisiko für HIV oder HBV (o. a. Infektionskrankheiten) vom Patienten sollte Double Gloving mit Indikatorsystem gewählt werden. Alternativ kommen OP-Handschuhe mit zusätzlicher antimikrobieller Barriere in Betracht (Daeschlein et al. 2011). Im Trageprozess wurde bei diesem Handschuhtyp die in den Handschuh freigesetzte Hautflora unabhängig von der OP-Dauer und der Art des Eingriffs signifikant herabgesetzt, sodass sich auch das Risiko für SSI reduzieren könnte (Assadian et al. 2014). Nach dem Ablegen von OP-Handschuhen empfiehlt sich eine hygienische Händedesinfektion, da durch unerkannte Leckagen oder Kontakt beim Abstreifen der Handschuhe die Hände kontaminiert sein können. Bei Eingriffen mit Viruslast durch unbehüllte Viren muss das Desinfektionsmittel viruzid wirksam sein. OP-Schuhe sollen vor Kontamination durch Flüssigkeit schützen und maschinell aufbereitbar sein. Vor jeder neuen Operation wird die sterile OP-Kleidung einschließlich MNS und Haarschutz gewechselt (Oldhafer et al. 2007). Der OP-Mantel soll knöchellang sein und darf in der Gestaltung von Kragen und Ärmelbündchen den Träger nicht behindern. Bewegungsfreiheit, Feuchtigkeitsaustausch und ergonomische Qualität sind für ein aseptisches Arbeiten wichtig. • Standard-Performance-Qualität (flüssigkeitsabweisend) ist für feuchtigkeitsarme bzw. wenig dynamische OPs vorgesehen. • High-Performance-Qualität (flüssigkeitsdicht) ist für chirurgische Eingriffe mit hohem Flüssigkeitsanfall bzw. mit von der Intensität oder Dauer der OP (Schwitzen) verbundenem erhöhtem Infektionsrisiko vorgesehen. Antiseptische Spülungen/Tränkung: Im Draft der CDC-Guideline werden folgende antiseptische Möglichkeiten als ungelöste Frage eingeordnet (HICPAC): intraoperative Spülung (z. B. intraabdominal, tiefe oder subkutane Gewebe) und Eintauchen von Implantaten in antiseptische Lösungen vor der Implantation. Die Applikation von Antiseptika in die Inzision wird abgelehnt. Antiseptisches Nahtmaterial: Nahtmaterial ist einem Implantat vergleichbar. Als Oberfläche ergeben sich für einen 150 cm langen 1er polyfilen Vicryl-Faden 130 cm2. Die um die Naht stattfindende Biofilmbildung schützt die Mikroorganismen vor der Nahtmaterial, antiseptischesWirtsabwehr (Edmiston et al. 2006; Kathju et al. 2009) und erhöht das SSI-Risiko (Blomstedt, Osterberg und Bergstrand 1977; Osterberg und Blomstedt 1979). Nähte in kontaminierten Bereichen befähigen Bakterien zur Penetration in tiefere Gewebeschichten (Chu und Williams 1984). Zugleich wird die zur Infektion erforderliche Bakterienmenge durch Nahtmaterial etwa um den Faktor 10 000 reduziert (Howe und Marston 1962). In der Folge ist das Risiko der Nahtinsuffizienz durch Infektion in bakteriell besiedelten Darmbereichen erhöht. Deshalb wurde mit Triclosan imprägniertes Nahtmaterial entwickelt, das in vitro und tierexperimentell außer gegenüber P. aeruginosa (Chuanchuen, Karkhoff-Schweizer und Schweizer 2003) antimikrobiell effektiv ist. Im Draft zur CDC-Guideline (HIPAC 2014) wird im Unterschied zur aktualisierten Empfehlung des National Institute for Health and Care Excellence (National Institute for Health and Clinical Excellence 2013) der Einsatz des antiseptischen Nahtmaterials als nicht notwendig erachtet. Allerdings wurden nur 4 Quellen bewertet. Bei Berücksichtigung aller bisherigen Studien empfehlen drei Metaanalysen (Edmiston, Daoud und Leaper 2013; Daoud, Edmiston und Leaper 2014; Wang et al. 2013) den Einsatz für viszeralchirurgische Indikationen. Allerdings erwies sich in einer nach den Metaanalysen von veröffentlichtem RCT unter Beteiligung von 24 Zentren bei elektiver medianer abdominaler Laparotomie bei vergleichbaren Patientenmerkmalen die Reduktion um 1–3 % als nicht signifikant. Jedoch wurde die Komplikation eines Platzbauchs, der möglicherweise auf tiefe unentdeckte Wundinfektionen zurückführbar ist, signifikant reduziert (Diener et al. 2014). Die Gründe für die unterschiedlichen Effektstärken in den unterschiedlichen Studien sind in weiteren RCTs abzuklären. Laparoskopische vs. konventionelle OP-Technik: Bei laparoskopischen OPs war das Risiko sowohl für SSI als auch für HWI und pulmonale Infektionen in einer Reihe von Analysen signifikant reduziert (Aziz et al. 2006; Boni et al. 2006; Ingraham et al. 2010; Markides, Subar und Riyad 2010; Perugini und Callery 2001; Sauerland, Lefering und Neugebauer 2004). Als Gründe werden der kleinere Zugang, die frühere Mobilisation, die geringere Immunsuppression und die geringe Notwendigkeit zum Einsatz von ZVK gesehen (Boni et al. 2006). Keine offene Lagerung von Sterilgut: Da die Aufbereitung von Sterilgut mit hohem technischen Aufwand durchgeführt wird, muss alles getan werden, um eine Kontamination nach der Aufbereitung zu vermeiden (Dancer et al. 2012). Das ist vor allem dann zu beachten, wenn sich die Lagerfläche außerhalb des Lüftungsfelds der RLTA befindet, weil es dann zur Kontamination z. B. des Instrumentiertisches durch Erregeraufwirbelung aus der Umgebung kommt (Diab-Elschahawi et al. 2011). Turbulenzarme Verdrängungsströmung (TAV): Während sich aus einigen Studien eine schwache Evidenz für den positiven Einfluss von LAF bei alloplastischem Hüft- und Kniegelenkersatz ableiten lässt, stellen neuere Analysen diese Ergebnisse in Zweifel (Brandt et al. 2008; Breier et al. 2011; Gastmeier, Breier und Brandt 2012; Kap. 6.4). In der Viszeralchirurgie sind RLTA mit TAV nicht erforderlich. Bei sog. kleinen operativen Eingriffen in einem Eingriffsraum und bei Eingriffen, für die die Risikobewertung ergibt, dass die in der OP-Einheit vorhandene Luftkoloniezahl der normalen Raumluft entsprechen kann, ist aus infektionsprophylaktischer Sicht keine RLTA erforderlich (Kap. 6.4). Postoperativ Desinfektion im OP: Nach Indikation Surgical Site InfectionsPräventionsmaßnahmen, postoperativejeder OP sind die patientennahen und die sichtbar kontaminierten Flächen sowie der begangene Fußbodenbereich im OP zu desinfizieren. Nach Betriebsende werden alle Fußbodenflächen und potenziell kontaminierte Flächen in allen Räumen der OP-Abteilung einer Wischdesinfektion unterzogen (Oldhafer et al. 2007). Bei kolorektaler OP mit Verdacht auf oder mit gesicherter C. difficile Infektion muss die Flächendesinfektion mit sporozid wirksamen Präparaten (Peroxide) durchgeführt werden. Aufenthaltsdauer: Eine kurze postoperative stationäre Aufenthaltsdauer (Roumbelaki et al. 2008) und eine frühzeitige MobilisierungSurgical Site InfectionsPrävention des Patienten tragen zur Reduktion des Risikos für SSI und Thrombosen sowie zur Verkürzung der Hospitalisierung bei (Browning, Denehy und Scholes 2007). Aseptische Wundversorgung: Die primär Wundantiseptikverschlossene, nicht sezernierende OP-Wunde wird am OP-Ende mit einer sterilen Wundauflage abgedeckt. Da bei ansonsten gesunden Patienten (d. h. nicht bei Immunsupprimierten, Diabetikern, unter Kortikosteroidtherapie usw.) nach 24 h keine Infektionsgefährdung mehr besteht, wird die Verwendung einer neuen Wundauflage vom ggf. erforderlichen Schutz der Wunde vor mechanischer Belastung bestimmt (Oldhafer et al. 2007). Bei sekundär heilenden Wunden sind beim Verbandswechsel folgende Grundsätze zu beachten (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2004): • Vorbereitung: Desinfektion der Arbeitsfläche, Vorbereiten des Materials, Händedesinfektion, Einmalhandschuhe (unsteril, nach Bedarf steril), Instrumentensammelbehälter, Abfallsack. • Unreine Phase: Bei Bedarf (großflächige bzw. Verbrennungswunden) Schutzkleidung (Kittel, Maske und Haube), Händedesinfektion, Verband mit Einmalhandschuhen oder instrumentell entfernen und kontaminationsfrei entsorgen, Handschuhe ausziehen, Wundinspektion. • Reine Phase: Händedesinfektion, Reinigung der Wunde, Anlegen des neuen Verbands je nach Wundgröße mit sterilen Instrumenten oder sterilen Handschuhen, Instrumente nach Gebrauch kontaminationsfrei entsorgen, abschließend Händedesinfektion, Dokumentation. Verbandswechsel sind in der Reihenfolge erst aseptische, dann infizierte Wunden einzuplanen. Die Entfernung von Verband, Nahtmaterial und Drainagen erfolgt unter aseptischen Bedingungen. Drainagen: WunddrainagenWundeDrainagen sind unabhängig vom Eingriff ein unabhängiger Risikofaktor für das Entstehen einer SSI (Rao et al. 2011; Tang et al. 2001; VArik et al. 2010). Zur Notwendigkeit von Drainagen gibt es eine Diskrepanz zwischen Evidenz und täglicher Praxis. Unbestritten ist der Einsatz bei therapeutischen Indikationsstellungen (Abszess-, Hämato-, Pneumo-, Pyothoraxdrainagen). Allgemein akzeptiert wird die prophylaktische Indikation zur Sicherung/Ableitung einer Ösophagusanastomose (Lebensbedrohung durch Mediastinitis). Bei Hohlraumbildung durch größere Defekte oder beim Belassen eröffneter Schleimbeutel kann eine Drainage zur Gewährleistung des ungehinderten Abflusses von Zellresten, Blut, Lymphe, Galle und Wundsekret sowie zur Wundflächenadaptation erforderlich sein (z. B. nach Eingriffen an Leber- und Gallenwegen, Pankreas, Magen, Thorax, Mediastinum, Milz-, Kolon-, Rektumresektion, Lymphknotendissektion). Für die hepatobiliäre, Pankreas- und Schilddrüsenchirurgie haben sich routinemäßige Drainagen dagegen nicht als vorteilhaft erwiesen (Domínguez Fernández und Post 2003). Für die prophylaktische Drainage in der kolorektalen Chirurgie konnte kein präventiver Einfluss auf die Anastomosenleakage und die SSI-Rate nachgewiesen werden (Jesus et al. 2004). Auch bei subkutaner Penrose-Drainage war kein signifikanter Einfluss auf die Prävention einer SSI nachweisbar (Imada et al. 2013). Wunddrainagen sollen nur bei entsprechender Indikation und so kurz wie möglich eingesetzt werden. Offene Drainagen sind wegen des Infektionsrisikos nicht zu verwenden. Sofern Drainagen indiziert sind, sollen sie über eine separate Inzision ausgeleitet werden (Oldhafer et al. 2007). Die geschlossene Drainage ist mit dem Auffanggefäß ohne Diskonnektionsmöglichkeit fest verbunden. Das Auffangsystem wird aufgrund seines Fassungsvermögens (> 1 l) nicht zwischenzeitlich entleert, sondern zusammen mit der Drainage entfernt. Der Drain ist mittels Naht zu fixieren. Die Punktionsstelle ist mit sterilem Verband ohne Abknicken der Drainage abzudecken. Die optimale Drainage sollte nicht nur unterschiedliche Saugleistungen ermöglichen, diese sollten innerhalb des geschlossenen Systems je nach Heilungsstadium auch variierbar sein (Roth et al. 2006). Bei geplant länger liegenden Wunddrainagen empfiehlt sich ein Saugsystem mit Rücklaufsperre. Beim Wechsel des Auffangbehältnisses ist Asepsis zu wahren (Händedesinfektion, nichtsterile Handschuhe, Desinfektion der Konnektionsstelle mit Hautantiseptikum). Surveillance von SSI: Die Infektions-Surveillance (Kap. 3.1) ist im IfSG verbindlich festgelegt und dient der Evaluierung der Maßnahmen der Primärprävention. Sie beinhaltet die fortlaufende Erfassung von SSI auf der Basis der Definitionen der CDC mit Analyse und Interpretation der Situation. Allein durch ihre Einführung wird das Infektionsrisiko gesenkt (Molina-Cabrillana et al. 2007). Für die Surveillance von SSI ist mindestens eine sog. Marker-OP auszuwählen (KRINKO 2000b). Wegen der Vergleichbarkeit kann es vorteilhaft sein, hierfür einen aseptischen Eingriff auszuwählen. Entscheidend ist, dass sich für die Marker-OP eine repräsentative Anzahl ergibt. Im Modul OP-KISS können häufig vorkommende bzw. besonders relevante Indikator-Operationen ausgewählt werden (Gastmeier et al. 2012). OP-Technik und chirurgische Erfahrung: Atraumatisches Gewebehandling ist eine wichtige Voraussetzung für die primäre Wundheilung und somit für die Vermeidung von SSI (McHugh, Hill und Humphreys 2011). In der Literatur finden sich keine Hinweise auf eine Korrelation von chirurgischer Exzellenz und SSI-Rate, wohl aber auf eine solche mit chirurgischer Expertise. Chirurgen mit hoher Fallzahl (jenseits der Lernkurve) hatten bei der minimal-invasiven Rektumchirurgie deutlich weniger SSI als Kollegen in der Lernkurve (Ito et al. 2009). SSI-Bundle: Für Bündelstrategie Surgical Site InfectionsBündelstrategiedie Prävention von SSI hat es sich als effektiv erwiesen, besonders wichtige Maßnahmen zu einem sog. Maßnahmenbündel zusammenzufassen, das Bündel zu trainieren und dessen Einhaltung in Form einer Selbstkontrolle mittels Checkliste zu überwachen (Corcoran et al. 2013; Lavu et al. 2012; Trussell et al. 2008), weil dadurch die Compliance der Durchführung verbessert wird (Aboelela, Stone und Larson 2007; Ecri Institute 2007). Die Bundle-Strategie begleitet die Kultur der Null-Toleranz gegenüber Nichteinhaltung der gesicherten Maßnahmen zur Prävention von SSI. Ein SSI-Bundle sollte das risikoadaptierte präoperative MRSA-Screening, die indikations- und zeitgerechte PAP, die standardisierte präoperative Hautantiseptik, die aseptische Disziplin des OP-Teams und die Surveillance umfassen. Fehleranalyse: Mehr als zwei Fehler bei der PAP (z. B. falscher Zeitpunkt, falsche Auswahl des Antibiotikums) hatten einen signifikanten Einfluss auf die SSI-Rate (Young et al. 2011). Ebenso war allein durch die Kontrolle der Einhaltung der PAP mittels Checkliste eine signifikante Senkung der SSI erreichbar (Hayenes et al. 2009). 5.5.3 Schutz vor Infektionen durch blutübertragbare Viren Blutübertragbare Viren stellen für Patienten und Personal ein Risiko dar. Erkrankungen an akuter Virushepatitis und Erregernachweise für HBV, HCV (namentlich) und HIV (nichtnamentlich) sind gemäß IfSG meldepflichtig. Personalgefährdung: In der Dialyse war nach Pflege HCV-positiver Patienten trotz der Hepatitis-C-VirusPersonalgefährdung Hepatitis-B-VirusPersonalgefährdung Human Immunodeficiency VirusPersonalgefährdungbekannten Maßnahmen zur Vermeidung einer Kontamination der Hände mit Blut während des direkten Patientenkontakts signifikant häufiger HCV-RNA an den Händen der Mitarbeiter nachweisbar (Alfurayh et al. 2000). Eintrittspforte für HBV und HCV ist in chirurgischen Disziplinen in erster Linie das Panaritium, gefolgt von Stich- und Schnittverletzungen. In der akuten virämischen Phase sind von Patienten mit HBV bis zu 5 × 108 (Zyzik et al. 1986), bei Patienten mit HCV bis zu 107 infektiöse Einheiten/ml Blut nachweisbar (Davies und Lau 1995). Eine fast unsichtbare Menge Blut (1 µl) kann noch immer infektiös für HBV und HCV sein. Aufgrund der in bis zu 83 % unbemerkten Perforation von OP-Handschuhen (Thomas, Agarwal und Mehta 2001) kam es bei 13 % der Mitarbeiter zur Ansammlung nachweisbarer Blutmengen im Handschuh (Naver und Gottrup 2000). Die Impfung ist nur bei HBV möglich, wobei die Effektivität des Impfstoffs sehr hoch ist (Kralj et al. 1998). Umso unverständlicher ist die unterlassene Schutzimpfung. Bei akzidenteller Kontamination des Personals sind unverzüglich die empfohlenen Sofortmaßnahmen einzuleiten (Kap. 5.29.4). Patientengefährdung: Der Patient Hepatitis-B-VirusPatientengefährdung Hepatitis-C-VirusPatientengefährdung Human Immunodeficiency VirusPatientengefährdungkann durch infektiöse Mitarbeiter mit HBV, HCV oder HIV infiziert werden. Beispiel: Ein Assistenzarzt in der Anästhesie, der von einem HCV-Indexpatienten infiziert wurde und erst nach 6 Wochen eine klinisch apparente Hepatitis aufwies, führte in diesem Zeitraum weitere Narkosen durch. Gleichzeitig hatte er am rechten Mittelfinger eine Wunde, die wiederholt blutete bzw. aus der Exsudat austrat. Während der Arbeit am Patienten trug der Mitarbeiter keine Handschuhe. Nachfolgend wurde bei 5 Patienten eine Hepatitis C nachgewiesen, die außer der Behandlung durch diesen Arzt keine Risikofaktoren für eine Hepatitis C aufwiesen. Obwohl der genaue Übertragungsweg nicht bewiesen werden konnte, wurde die Übertragung durch die Hautläsion des Arztes als die wahrscheinlichste angesehen (Ross et al. 2000). Insgesamt sind mehr als 40 Fälle bekannt, in denen HBV von Ärzten auf Patienten übertragen wurden, wobei von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird (Beier et al. 2000). Das kalkulierte Risiko einer HCV-Infektion wird bei unbekanntem Serostatus des Operateurs mit 0,00018 %, bei positivem HCV-Status mit 0,014 % angegeben (Ross, Viazov und Roggendorf 2000), d. h., die Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei mindestens 1 von 5 000 Operationen innerhalb von 10 Jahren beträgt 0,9 % (unbekannter Serostatus des Operateurs) bzw. 50,3 % (positiver HCV-Status des Operateurs). Der Schutz des Patienten istHepatitis-B-VirusSchutz des Patienten Hepatitis-C-VirusSchutz des Patienten Human Immunodeficiency VirusSchutz des Patienten nicht einfach sicherzustellen. Nach aktueller Rechtsprechung handelt es sich bei HBV- bzw. HCV-positiven Mitarbeitern um Carrier. Grundsätzlich kann die zuständige Behörde Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Kommt es zur Untersagung der beruflichen Tätigkeit, muss berücksichtigt werden, dass die Maßnahme notwendig, geeignet und verhältnismäßig sein muss. Bei Feststellung einer Infektiosität des Arbeitnehmers für HBV, HCV bzw. HIV ist die individuelle Beratung des Arbeitnehmers durch den Betriebsarzt zum weiteren beruflichen Einsatz erforderlich (Kap. 5.29.2). 5.5.4 Effektivität der Prävention Durch Einhaltung der Hygieneregeln kann ein substanzieller Anteil von SSI verhindert werden. In der SENIC-Studie wurde durch retrospektive Analyse von 339 000 Patientenakten der Jahre 1970–1975 ermittelt, dass etwa ein Drittel der NI durch ein Infektionssurveillance- und Kontrollprogramm mit fortlaufender Überprüfung der Maßnahmen der Primärprävention, der Surveillance von NI und der personellen Realisierung des Präventionsprogramms (Pflegefachkraft für Krankenhaushygiene und ein für die Infektionsprävention spezialisierter Arzt) vermeidbar ist (Haley et al. 1985). Die Umsetzung akzeptierter Standards zur Prävention von SSI ist immer dann besonders erfolgreich, wenn unterschiedliche, einander ergänzende Maßnahmen in Form des Multibarrierensystems der Primärprävention mit Einführung sog. Bundles etabliert werden und die Effektivität durch Infektionssurveillance ermittelt wird (Kap. 3.1). Studien zur Compliance bestätigen die Notwendigkeit einer konsequenten Umsetzung evidenzbasierter Maßnahmen (Howard et al. 2009; Spady, de Gara und Forgie 2008). So lag die Compliance z. B. für die PAP bei nur 80 % (Pons-Busom et al. 2004) und wurde ihr Zeitpunkt nur in 29 % der Fälle eingehalten (Yalcin et al. 2007). In einer prospektiven, doppelblinden Kohortenstudie konnte die Compliance zur zeitgerechten PAP von 5,9 auf 92,6 % und zur perioperativen Normothermie von 60,5 auf 97,6 % verbessert werden (Forbess et al. 2008). Voraussetzung für die Umsetzung infektionspräventiver Maßnahmen sind die Ausarbeitung des Hygieneplans und seine Präzisierung durch SOPs. Damit der Hygieneplan umgesetzt wird, müssen bei jedem Mitarbeiter das Problembewusstsein provoziert und die Einhaltung der zuvor im Team erarbeiteten Regelungen überwacht werden. Eine wirksame Methode ist die Kontrolle mittels Checklisten, z. B. wurde ein Infektionspräventions-Check-in mit 12 Items entwickelt, der vom Chirurgen vor jeder OP auf Einhaltung überprüft wird (Kramer, Schilling und Heidecke 2010). Zur Überprüfung der Einhaltung von Hygienemaßnahmen in der postoperativen Betreuung wurde der sog. Infektionspräventions-Check-out mit 15 Items entwickelt (Kap. 8.14). Hierdurch erhält der Patient die Möglichkeit der Bewertung ausgewählter Hygienemaßnahmen (Kramer, Schilling und Heidecke 2010). Prinzipiell besteht unter Chirurgen eine große Akzeptanz für Lehrvideos als Lernmedium. Deshalb wurde zur Unterstützung der Umsetzung der World Alliance for Patient Safety von 2004 ein Lehrfilm zur Prävention postoperativer Wundinfektionen erstellt (Oldhafer et al. 2009). Das Einhalten der Standards durch jeden Mitarbeiter – sog. Nulltoleranz gegenüber Handlungslücken – kann den Anteil der SSI auf das unvermeidbare Minimum reduzieren. Aufgrund der endogenen Entstehung von SSI und der nicht komplett realisierbaren Distanzierung des Patienten vor Krankheitserregern gibt es jedoch kein Nullrisiko für SSI. 5.6 Orthopädie und Unfallchirurgie Julia Seifert, Dirk Stengel und Axel Ekkernkamp 5.6.1 Epidemiologie 2013 wurden in OrthopädieSSI-Epidemiologie UnfallchirurgieSSI-Epidemiologie Surgical Site InfectionsOrthopädie Surgical Site InfectionsUnfallchirurgieDeutschland allein in den Krankenhäusern mehr als 16 Mio. chirurgische Interventionen durchgeführt (www.gbe-bund.de). Mit etwa 4,5 Mio. Eingriffen an den Bewegungsorganen liegen Orthopädie und Unfallchirurgie an der Spitze der Eingriffsstatistik chirurgischer Fächer. Bei mehr als 370 000 gelenkersetzenden Maßnahmen pro Jahr in deutschen Kliniken und einer SSI-Rate von 1–2 % (Geipel und Herrmann 2004; Frommelt 2004; Trampuz et al. 2007) entstehen rein rechnerisch 3 700–7 400 behandlungsassoziierte Infektionen pro Jahr. Berücksichtigt man die erhöhte SSI-Rate von bis zu 5 % in sog. Risikokollektiven (Wechseloperationen, durchgemachte Infektionen u. a.), könnte die Zahl der SSI auf 18 500 ansteigen. 1994 wurde die NIDEP 1 als erste repräsentative bundesweite Studie zur Prävalenz von NI in Deutschland durchgeführt (Kap. 3.1). Die Prävalenz von NI betrug damals bei internistischen Patienten3,0 %, bei chirurgischen Patienten 3,8 %, bei gynäkologisch-geburtshilflichen Patienten 1,5 % und bei Intensivpatienten 15,3 %. Für die Unfallchirurgie und Orthopädie werden seit 1996 die SSI nach festgelegten Tracer-OPs (Knie- und Hüftgelenkersatz, proximale Oberschenkelfrakturversorgung, Osteosynthese des Sprunggelenks, Hallux valgus OP, Spondylodese) im KISS ausgewertet. Die nationale Punktprävalenzstudie 2011 zeigte für die Gesamtprävalenz der NI (3,4 %) keine statistisch signifikante Änderung gegenüber NIDEP-1; jedoch ergab sich eine neue Rangfolge: SSI lagen mit 24,3 % an der Spitze aller NI (Behnke et al. 2013). Die Diskussion um „Vision-Zero“ oder „Targeting-Zero“, d. h. das Erstreben einer Null-Infektionsrate nach operativen Eingriffen, ist aus chirurgischer Sicht kritisch. Sie gibt der Laien-Öffentlichkeit eine Zielvorstellung, die unter realen Umständen nicht erreichbar sein wird, vor. Eine SSI ist auch bei aseptischen Eingriffen als nicht vollständig vermeidbares Risiko einzuordnen, da weder die Haut vollständig dekontaminierbar, noch eine intra- und/oder postoperative Bakteriämie durch PAP sicher vermeidbar ist. Schließlich kann abhängig von der Größe des OP-Zugangs auch ein Erregereintrag über die Raumluft stattfinden. Im europaweiten Vergleich von SSI-Raten nach der Implantation von Hüft- und Knieendoprothesen erreicht Deutschland insbesondere in Bezug auf A3-Infektionen (Abb. 5.3 , Abb. 5.4 ) nicht ganz den EU-Durchschnitt – es besteht also ein Potenzial zur Reduktion. Abb. 5.3 Kumulative Inzidenz der SSI-Raten von Hüftendoprothesenimplantationen 2010–2011 (aus: Surveillance of Surgical Site Infections in Europe 2010–2011) [W922-001/L106] Abb. 5.4 Kumulative Inzidenz der SSI-Raten von Knieendoprothesenimplantationen (2010–2011) (aus: Surveillance of Surgical Site Infections in Europe 2010–2011) [W922-001/L106] 5.6.2 Pathogenese von SSI Die OrthopädieSSI-Pathogenese UnfallchirurgieSSI-PathogeneseAngabe einer Kontaminationsklasse reicht nicht mehr aus, um das Infektionsrisiko für SSI abzuschätzen. Vielmehr sind zahlreiche individuelle, patienteneigene und operationsbedingte Risiken beschrieben, die mit einem erhöhten postoperativen Infektionsrisiko einhergehen und auch bei aseptischen, sauberen Eingriffen oder bei nicht kontaminiertem Gewebe zu infektiösen Komplikationen führen können (Tab. 5.10 ). Tab. 5.10 Risikofaktoren OrthopädieSSI-RisikofaktorenUnfallchirurgieSSI-Risikofaktorenfür die Entstehung von SSI Patienteneigene Faktoren Chirurgische Faktoren Präoperativ Intraoperativ Postoperativ • Alter (Zunahme pro Dezennium) (Lizan-Garcia, Garcia-Caballero und Asensio-Vegas 1997; Zelenitsky et al. 2000) • Diabetes mellitus (Zelenitsky et al. 2002) • Immuninkompetenz • Reduzierter Allgemeinzustand • Übergewicht (Itani et al. 2008; Lofgren et al. 2005) • Mangelernährung • ASA-Score > II (Irribarren und Araujo 2006) • MRSA/MSSA-Träger (Chaberny und Gastmeier 2009; Finkelstein et al. 2002; Perl und Roy 1995) • Fieber/Schüttelfrost innerhalb einer Woche vor der Operation • Weibliches Geschlecht bei Eingriffen am Kolon, Kardiochirurgie (Salehi et al. 2007) • Männliches Geschlecht nach Trauma, in der Gefäßchirurgie, bei Kniegelenkersatz (Jamsen et al. 2009) • Dialysepatienten • Hepatitis • Stoma (Zelenitsky et al. 2000) • Drogenabusus • Infektionen anderer Lokalisation • Arterielle Mangeldurchblutung • Periphere Ödeme • Lymphangitis • Neuropathie • Vorausgegangene Antibiotikatherapie (Garcia Prado et al. 2008) • Rauchen (Khan, Manan und Qadir 2006) • Linksherzversagen nach koronarem Bypass (Rosmarakis et al. 2007) • Bakterielle Translokation bei Laparotomie (MacFie et al. 2006) • Rheumatoide Arthritis bei Kniegelenkersatz (JAmsen et al. 2009) • Zirrhose (Pessaux et al. 2005) • Notfalloperation • Längerer präoperativer Krankenhausaufenthalt • Falsche Wahl des Antibiotikums • Zeitpunkt der Antibiotika-Gabe: mehr als 2 Stunden zu früh oder zu spät (Classen et all. 1992) • Wundklassifikationen kontaminiert-schmutzig • Vorbestrahlung • Hochrisiko-Operation • Rezidiveingriffe • Steine im Gallengang, Gallengangsverschluss • Erhöhte Werte für C-reaktives Protein • Fremdkörperimplantation • Rasur nicht unmittelbar vor OP • Präoperative Urinkatheter (Pessaux et al. 2005) • Vorausgegangene (neurochirurgische) Eingriffe (Lietard et al. 2008) • Erfahrung des Chirurgen (Gislason, Søreide O und Viste 1999, Medina et al. 1997) • Operationsdauer über 2 h (Zunahme je h) • Infizierter Operationsbereich • Kontaminierter Operationsbereich • Bluttransfusion, Albuminzufuhr • Lange Anästhesiedauer • Mehr als ein operativer Eingriff • Diathermie • Sauerstoffabfall • Unterkühlung (Scott und Buckland 2006) • Wundstapler • Unvorhersehbare Komplikationen • Operationstechnik (Nichols, Condon und Barie 2005) • Unterkühlung • Ineffektive Wirkspiegel (Zelenitsky et al. 2000) • Verfahrenswechsel Laparoskopie/Laparotomie (Chaberny und Gastmeier 2009; Chen et al. 2008) • Enterokokken, Enterobakterien, Bacteroides fragilis in der Wunde (Rode, Brown und Millar 1993) • Drainagedauer länger als 3 Tage • Respiratorische Sepsis • Invasive Techniken, Urinkatheter, Thoraxdrainage, Nasensonde. zentraler Venenkatheter • Nachweis von Dialyse (Centofanti et al. 2007) • Frühe Reoperation wegen Blutungen (Centofanti et al. 2007) • Liquorleck, externer Shunt (Lietard et al. 2008) (nach Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie 2010) [X346] Avitale Fremdkörper und Implantate wie Osteosynthesematerialien oder Endoprothesen spielen eine große Rolle bei der Entstehung von SSI. Sie lösen chemisch lokaltoxische Reaktionen aus: neben einem Korrosionsprozess, Metall- oder Polyethylenabrieb begünstigt die hohe Oberflächenspannung die Adhäsion von Albumin, Wirtszellen und Mikroorganismen. Bereits die Kolonisation von Fremdmaterial mit 102 Erregern kann eine Infektion auslösen (Elek und Conen 1957). Nach Adhäsion der Erreger auf der Oberfläche des Fremdmaterials kommt es bei einigen Erregern zur Proliferation und Ausbildung von Zelllayern, dem sog. BiofilmBiofilm (Zimmerli, Trampuz und Ochsner 1998). Dieser besteht aus der zunächst flächenhaft, dann dreidimensional wachsenden Mikroflora sowie den von ihr aus Glykosaminen gebildeten Exopolysacchariden. Der Biofilm bietet den Erregern ausgezeichneten Schutz und ermöglicht es ihnen, sich auf veränderte Umgebungsbedingungen einzustellen. Die Toleranz gegenüber pH- und Temperatur-Schwankungen, Antibiotika, UV- und Röntgenstrahlung sowie Nährstoffmangel steigt erheblich (Kap. 4.9). Einige Erreger (S. aureus, S. epidermidis, P. aeruginosa und E. coli) sind in der Lage, sog. Small Colony VariantsSmall Colony Variants (SCV) zu bilden, die sich durch langsamere Vermehrung und erniedrigte Stoffwechselaktivität auszeichnen. Sie schützen sich besonders durch ihre Inaktivität, sind schwer oder gar nicht nachweisbar und typischerweise Auslöser von Infektionsrezidiven (Zheng et al. 2012). Ob die Erreger erfolgreich bekämpft werden können oder ob sich eine Infektion manifestiert, wird durch eine komplexe Interaktion zwischen Funktionsfähigkeit der eigenen Körperabwehr (Wirtsfaktor), der Last und Virulenz der Erreger (Erregerfaktoren) sowie von operativen Bedingungen wie Handhabung der Antibiotikaprophylaxe, gewebeschonendem Operieren (iatrogener Faktor) und dem Implantat (Implantatfaktor) bestimmt. 5.6.3 Erregerspektrum Etwa OrthopädieErregerspektrum UnfallchirurgieErregerspektrumzwei Drittel der Infektionserreger gehören zum grampositiven Spektrum. Häufigstes Agens für SSI und speziell für Infektionen von Implantaten sind Staphylokokken (Tab. 5.11 ) (Trampuz und Zimmerli 2006). Offene und verschmutzte Frakturen sind dagegen häufig mit sog. Umwelterregern (P. aeruginosa, E. coli u. a.) kontaminiert (Hofmann 2004; Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie 2010). Tab. 5.11 Erregerspektrum von SSI (in %) (Daten des OP-KISS des NRZ aus den Jahren 2009–2013) Erreger Allgemeinchirurgie Abdominalchirurgie Gefäßchirurgie Urologie Gynäkologie Herzchirurgie Traumatologie/Orthopädie Neurochirurgie Gesamt S. aureus 96 (33,92) 162 (4,16) 225 (36,06) 46 (20,09) 209 (23,46) 535 (25,31) 843 (32,80) 20 (35,09) 2 116 (19,96) MRSA (Anteil an S. aureus) 13 (13,54) 50 (30,86) 46 (20,44) 11 (23,91) 17 (8,13) 106 (19,81) 122 (14,47) 365 (17,25) Enterococcus spp. 12 (4,24) 1 069 (27,48) 101 (16,19) 38 (16,59) 87 (9,76) 182 (8,61) 289 (11,25) 5 (8,77) 1 778 (16,77) E. coli 13 (4,59) 1 172 (30,13) 79 (12,66) 27 (11,79) 104 (11,67) 107 (5,06) 118 (4,59) 4 (7,02) 1 620 (15,28) Koagulase neg. Staph. 21 (7,42) 128 (3,29) 75 (12,02) 19 (8,30) 97 (10,89) 557 (26,35) 507 (19,73) 7 (12,28) 1 404 (13,24) Koagulase neg. Staph.∗ 18 (6,36) 45 (1,16) 51 (8,17) 16 (6,99) 70 (7,86) 455 (21,52) 395 (15,37) 7 (12,28) 1 050 (9,90) P. aeruginosa 4 (1,41) 221 (5,68) 49 (7,85) 3 (1,31) 20 (2,24) 72 (3,41) 66 (2,57) 2 (3,51) 435 (4,10) Enterobacter spp. 5 (1,77) 185 (4,76) 40 (6,41) 9 (3,93) 16 (1,80) 91 (4,30) 86 (3,35) 4 (7,02) 432 (4,08) Klebsiella spp. 5 (1,77) 212 (5,45) 28 (4,49) 5 (2,18) 27 (3,03) 59 (2,79) 37 (1,44) 373 (3,52) Proteus spp. 4 (1,41) 145 (3,73) 35 (5,61) 2 (0,87) 49 (5,50) 54 (2,55) 56 (2,18) 1 (1,75) 345 (3,25) Bacteroides spp. 4 (1,41) 235 (6,04) 7 (1,12) 3 (1,31) 15 (1,68) 3 (0,14) 7 (0,27) 274 (2,58) Citrobacter spp. 2 (0,71) 91 (2,34) 10 (1,60) 1 (0,44) 6 (0,67) 23 (1,09) 7 (0,27) 140 (1,32) C. albicans 1 (0,35) 85 (2,19) 4 (0,64) 2 (0,87) 2 (0,22) 20 (0,95) 8 (0,31) 122 (1,15) C. albicans ∗ 1 (0,35) 14 (0,36) 1 (0,16) 1 (0,44) 2 (0,22) 8 (0,38) 6 (0,23) 33 (0,31) Anzahl der Erreger in der Tabelle 167 3 705 653 155 632 1 703 2 024 43 9 039 Anzahl der anderen Erreger 39 386 63 19 137 231 473 8 1 348 Anzahl der Erreger insgesamt 206 4 091 716 174 769 1 934 2 497 51 10 387 Anzahl Infektionen ohne Erreger 105 1 394 106 87 300 481 466 13 2 939 Anzahl Infektionen mit Erreger 178 2 496 518 142 591 1 633 2 104 44 7 662 Anzahl Infektionen insgesamt 283 3 890 624 229 891 2 114 2 570 57 10 601 ∗ als alleinige Erreger [T745] Etwa 25 % der SSI werden durch gramnegative Stäbchenbakterien und ca. 10 % durch obligate Anaerobier verursacht. Der Nachweis von MSSA im OrthopädieMSSA UnfallchirurgieMSSANasenvorhof ist mit einem erhöhten SSI-Risiko verbunden, weshalb bei elektiver Endoprothetik ein entsprechendes Screening und ggf. eine Eradikation erfolgen sollte (Chen, Wessel und Rao 2013; Perl et al. 2001). MRSA: Seit den 70er-Jahren wirdMethicillin-resistenter Staphylococcus aureusOrthopädie Methicillin-resistenter Staphylococcus aureusUnfallchirurgie OrthopädieMRSA UnfallchirurgieMRSA eine Zunahme von MRSA beobachtet. Die Eradikation ist mit einer signifikanten Senkung von SSI nach orthopädischen OPs verbunden und ist zugleich kosteneffektiv (Lee et al. 2010). Für die Therapie stehen stamm- und empfindlichkeitsabhängig Cotrimoxazol, Fosfomycin, Fusidinsäure, Vancomycin, Daptomycin, Linezolid und Tigecyclin zur Verfügung, wobei zu beachten ist, dass einige dieser Antibiotika nicht für die Behandlung von Knocheninfektionen zugelassen sind (sog. Off-label use). MRGN: In den letzten Jahren Multiresistente gramnegative ErregerSurgical Site Infections, Orthopädie Multiresistente gramnegative ErregerSurgical Site Infections, Unfallchirurgie OrthopädieMRGN UnfallchirurgieMRGNzeichnet sich eine zunehmende Resistenz innerhalb der gramnegativen Stäbchenbakterien ab. Zu den Ursachen gehört auch der stetig zunehmende Tourismus in Länder mit endemischem Vorkommen, mit niedrigeren hygienischen Standards und mit unkontrolliertem Antibiotikaverbrauch. Neben Kriegsverletzten und Soldaten haben auch zivile Reisende, die Kontakt zum ausländischen Gesundheitssystem solcher Länder hatten, ein hohes Risiko, sich mit MRGN zu kontaminieren. Bei stationärer Aufnahme in heimische Krankenhäuser können sie zum Auslöser von NI werden. Im Rahmen des seit 2012 von der KRINKO empfohlenen Screenings (Kap. 3.8) wurden 20 % der unfallchirurgischen bzw. traumatologischen Patienten mit unmittelbarem Kontakt zum Ausland (Urlaub) bzw. ausländischen Gesundheitssystemen MRE-positiv gescreent. Mehr als zwei Drittel (81 %) davon waren MRGN (Seifert et al. 2014). Da Sanierungsmaßnahmen für MRGN derzeit nicht sinnvoll erscheinen, ist die präventive Hygiene von besonderer Bedeutung. Kliniken sollten für die Behandlung von Infektionen mit MRGN ein Antibiotikamanagement erarbeiten (McPherson 1999). 5.6.4 Diagnostik und Nachweisverfahren Die Diagnose einer Infektion beruht auf der Inspektion und Untersuchung, bei der auf die 5 typischen klinischen Zeichen (Rubor, Tumor, Calor, Dolor und Functio laesa) zu achten ist, auf radiologisch nachweisbaren Veränderungen im Röntgenbild und MRT (Weichteilinfiltrationen und -abszesse, Osteolysen, periostale Reaktionen, Sequester, Implantatlockerung, ausbleibende knöcherne Durchbauung) sowie auf einen positiven Erregernachweis. MRT-UntersuchungenOrthopädieSSI-Diagnostik UnfallchirurgieSSI-Diagnostik gehören zum Standardverfahren in der Diagnostik von Weichteil-, Knochen- und Implantat-assoziierten Infektionen und können auch bei einliegendem Material mit guter oder ausreichender Qualität durchgeführt werden. Dabei sind die Größe des Implantats und die magnetische Flussdichte (Tesla) ausschlaggebend dafür, ob ein MRT möglich oder kontraindiziert ist. Zu große Implantate erhitzen sich und liefern eine schlechte Bildqualität. Wichtigstes Kriterium für den Nachweis einer manifesten SSI ist der Erregernachweis. Dazu sollten immer aus verschiedenen Regionen des Infektionsgebiets drei bis sechs Abstriche gewonnen werden. Günstigerweise erfolgen sie vor der Antibiotikaerstgabe. Besser als Abstriche sind Abradate, die ebenfalls kulturell aufgearbeitet werden können. Außerdem sollten tusätzliche Abradate für eine histologische Untersuchung gewonnen werden. Die Abstrichentnahme ist im Rahmen jeder Revisionsoperation obligat, sollte aber erst am Ende der OP, also zur Kontrolle des Therapieerfolgs, erfolgen. Abstriche aus purem Eiter sind häufig steril. Wichtig ist, dass Abstriche/Abradate mit 1 ml steriler physiologischer Kochsalzlösung in sterilen Röhrchen keinesfalls länger bals 2 h transportiert werden. Prinzipiell sollten die Transportzeiten der Proben so kurz wie möglich sein und soltle der Transport bei Raumtemperatur erfolgen, um falsch positive und falsch negative Ergebnisse zu minimieren. Punktate in sterilen Spritzen sollten nicht mehr als 30 min nach der Entnahme im Labor verarbeitet werden. Sie können den Verdacht innerhalb kürzester Zeit bei positivem Befund durch Gramfärbung und mikroskopische Untersuchung bestätigen (Sensitivität 10–30 %, Spezifität > 90 %). Bei Punktaten mit > 10 ml sollten aerobe und anaerobe Blutkulturflaschen beimpft werden. Die angesetzten Kulturen sollten mindestens 14 d bebrütet werden, da andernfalls mit falsch negativen Ergebnissen zu rechnen ist. Das gilt besonders für den Nachweis von Propionibakterien, die nahezu regelhaft erst in der zweiten Woche der Bebrütung nachgewiesen werden konnten (Schäfer et al. 2008). Bei wiederholt negativen Ergebnissen empfiehlt es sich, Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren (Breitspektrum-PCR, Erregerspezifische PCR) durchzuführen. Allerdings sind diese Verfahren teuer, weisen eine hohe Sensitivität und geringere Spezifität auf und können noch nicht zu den Standardverfahren gezählt werden. Paraklinische Parameter wie CRP, Leukozyten, PCT und BSG sind unspezifisch. Sie eignen sich üblicherweise als Verlaufsparameter und insbesondere zur Beurteilung des Therapieerfolgs, wenn sie initial erhöht waren. Ein weiterer diagnostischer Ansatz bei Implantatinfektionen besteht darin, das entfernte Material in einen sterilen Behälter zu geben, um den Biofilm im Labor durch Ultraschallbehandlung abzulösen (SonifikationSonifikation). Hierdurch lässt sich die Sensitivität des kulturellen Keimnachweises insbesondere bei Patienten mit Antibiotikabehandlung signifikant verbessern (Vester et al. 2010). 5.6.5 Therapie Unabhängig von der Infektionsgenese besteht die Therapie aus einer Kombination von chirurgischem Vorgehen und antibiotischer Behandlung. Antibiotikatherapie: Leitlinien OrthopädieAntibiotikatherapie UnfallchirurgieAntibiotikatherapie AntibiotikatherapieOrthopädie AntibiotikatherapieUnfallchirurgieund Empfehlungen zur spezifischen Antibiotikatherapie typisch orthopädisch-unfallchirurgischer Infektionen (Implantatinfektionen, Osteitis, septische Arthritis oder Spondylodiszitis) existieren derzeit nicht. Die 2012 vom BMG implementierte ART-Kommission hat die jeweiligen Fachgesellschaften aufgefordert, sich mit der Erstellung solcher Leitlinien zu beschäftigen. Die ART-Kommission empfiehlt außerdem die künftige Bestellung sog. ABS-Experten und -beauftragter für Kliniken und Praxen, die im Rahmen von ABS-Kursen (Antibiotic Stewardship) besondere Kompetenzen für einen rationalen Einsatz von Antibiotika erlangen (Wolcott und Ehrlich 2008). Im Rahmen der Novellierung des IfSG wurden länderspezifische Hygieneverordnungen erlassen, in denen u. a. die Einrichtung einer Hygienekommission vorgeschrieben ist. Ihre Aufgaben sind aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands unterschiedlich definiert worden. In einigen Ländern wird ihr auch die Erstellung von Antibiotikaempfehlungen nach hausinterner Erreger- und Resistenzstatistik, die in Zusammenarbeit mit den beratenden Mikrobiologen und der Arzneimittelkommission erarbeitet werden sollte, zugewiesen. Eine generelle Empfehlung für eine spezifische Antibiotikatherapie ist nur eingeschränkt möglich, da Faktoren wie hausinterne Resistenz, patienteneigene Risikofaktoren, Erregerart, Resistenz und Virulenz Einfluss auf die Wahl des Antibiotikum haben. Bei unkomplizierten postoperativen Wund- und Weichteilinfektionen kann Ampicillin/Sulbactam eingesetzt werden. Komplizierte Wund- und Weichteilinfektionen und/oder Fremdkörper-assoziierte Infektionen erfordern aufgrund des beschriebenen Pathomechanismus der Biofilmbildung und der möglichen Entwicklung von SCV eine antibiotische Kombinationstherapie (Tab. 5.12 ). Diese muss resistenzgerecht sein, sollte einen bakteriziden Wirkmechanismus sowie gute Knochen- und Gewebegängigkeit haben und eine niedrige Rate spontaner Resistenzentwicklung aufweisen. Tab. 5.12 Geeignete Antibiotika für Infektionen im Bereich Unfallchirurgie und Orthopädie Erreger Antibiotikum S. aureus, S. epidermidis Ampicillin/SulbactamRifampicin + Penicillin oder ChinolonFosfomycin + ChinolonCephalosporin, Glykopeptid S. aureus (MRSA) Vancomycin + RifampicinAlternativ: Daptomycin∗, Linezolid∗ Streptokokken, Enterokokken AminopenicillineAlternativ: 3. Generationscephalosporine Gramnegative Erreger 3. Generationscephalosporin + Chinolone Anaerobier ClindamycinAlternativ: Carbapeneme ∗ (keine Zulassung zur Therapie von Knocheninfektionen, sog. Off-label use) Die Dauer der systemischen Antibiotikatherapie sollte bei Infektionen von Osteosynthesen für mindestens 6 Wochen und bei Protheseninfekten für mindestens 12 Wochen erfolgen (Trampuz et al. 2007). Vor einer Reosteosynthese oder einer Prothesen-Reimplantation sollte eine zweiwöchige Antibiotikapause eingehalten werden. Stengel et al. (2001) zeigten in ihrer Metaanalyse zum Thema Antiobiotikatherapie von Knochen- und Gelenkinfektionen die methodischen Schwächen von 22 RCTs und 3 quasi RCTs mit insgesamt 927 Patienten. Nur 12 Studien lieferten Ergebnisse zum primären Endpunkt (Infektionsfreiheit nach 1 Jahr), 8 Studien wiesen eine nicht verblindete Randomisierung, stark heterogene Patientenpopulationen und z. T. erhebliche Schwächen im Bereich der Erregergewinnung (Punktate und Gewebe nur in 7 Studien) auf. Die Studie von Zimmerli, Trampuz und Ochsner Zimmerli et al. (1998) liefert die Basis für die noch heute gültige Kombinationstherapie mit Rifampicin und Chinolonen bei Implantatinfektionen mit Staphylokokken. Fazit dieser Metaanalyse war, dass keine Überlegenheit eines Therapieansatzes über einen anderen nachgewiesen werden konnte, dass sich ein Benefit für die Kombinationstherapie Rifampicin/Fluorchinolone zeigte, dass das chirurgische Vorgehen ein wesentlicher Kofaktor für eine erfolgreiche Sanierung ist, dass eine Eradikation bei 77 % der Patienten gelang und dass in immerhin 19 % der Fälle unerwünschte Ereignisse auftraten. Da Fluorchinolone zu den sog. Reserveantibiotika zählen, sollte ihr Einsatz rational und nur unter Hinzuziehung mikrobiologischer Expertise erfolgen (Wolcott und Ehrlich 2008). Die systemische Antibiotikatherapie kann z. B. bei offenen und verschmutzten Frakturen durch lokale Platzierung antiobiotikahaltiger Träger ergänzt werden (Ostermann, Seligson und Henry 1995). Lokale Antibiotikatherapie: Als Trägermaterialien kommen resorbierbares Kollagen oder bei Osteitis mit knöchernen Defekten Polymethylmethacrylat (PMMA) infrage. Dem Zement können bestimmte hitzeresistente Antibiotika (Ampicillin, Gentamycin, Amikacin, Vancomycin, Clindamycin, Teicoplanin, Daptomycin, Linezolid, Ofloxacin) zugemischt werden. Dabei sollte das pulverisierte Antibiotikum 10 % der Gesamtpulvermenge nicht überschreiten (Hendrich, Frommelt und Eulert 2004). Zu beachten ist, dass der mit einem Antibiotikum vermischte Zement ein modifizeirtes MP ist. Der Patient ist daher vorab über das Vorgehen aufzuklären und muss einwilligen. Günstig sind kommerzielle gentamicinhaltige Zementgemische, die sich durch Zugabe von z. B. Vanco- und Clindamycin besonders in der Therapie von Problemerregern mit rezidivierender oder persistierender Infektion als vorteilhaft erwiesen haben. Ein interessanter Aspekt ist, dass Vancomycin die Freigabe anderer zugesetzter Antibiotika verbessert (Gentamicin, Tobramycin), weshalb eine Kombination von z. B. Vancomycin und Gentamicin im Zement sinnvoll sein kann (Penner, Masri und Duncan 1996). Die Gefahr einer Resistenzentwicklung ist durch die hohen lokalen Konzentrationen (das 8- bis 25-fache der MHK) gering. Systemische Nebenwirkungen sind bisher nicht beschrieben. Die Freisetzung der Medikamente aus dem Zement ist nach ca. 3 Wochen beendet. Zementspacer oder PMMA Ketten sollten dann nach Möglichkeit wieder entfernt werden, da sie selber als Fremdkörper fungieren und so zur Infektionsquelle werden können. Antibiotikahaltige Kollagenfliese sind nach 3–4 Wochen vollständig resorbiert. Sie können im Rahmen des Resorptionsvorgangs zu unerwünschter Wundsekretion führen. Daher empfiehlt sich die Anwendung eingefärbter Fliese, sodass das Sekret eindeutig zuzuordnen ist. Chirurgische Therapie: Die chirurgische Therapieplanung sollte stets die individuelle Komorbidität des Patienten, die zugrunde liegende Verletzung, das Implantat, das Erregerspektrum und die Compliance des Patienten berücksichtigenSurgical Site Infectionschirurgische Therapie. Wesentlich ist die rasche, radikale chirurgische Sanierung der Infektion durch Debridement aller infizierten und avitalen oder minderperfundierten Gewebe. Revisions-OP erfolgen nur, wenn im Rahmen der ersten OP keine ausreichende Radikalität erzielt werden konnte oder die am Ende der OP gewonnenen Abstriche keine Erregerfreiheit zeigen. Prinzipiell entspricht die operative Radikalität derjenigen bei der Tumorchirurgie. Verschmutzte Wunden, offene Frakturen sowie stark mit Debris behaftete Wunden oder tiefe unzugängliche Infektionsbereiche können durch eine gepulste und in Niederdrucktechnik durchgeführte Jet-Lavage mit 1–3 l einer Ringer-Laktat- oder NaCl-Lösung gereinigt werden. Empfehlenswert ist dabei die Anwendung von Spülungen mit 0,02 % oder 0,04 % Polihexanidlösung, die möglichst über einen Zeitraum von 5–10 min einwirken sollte. Im Gelenkbereich kann Polihexanid allerdings aufgrund seiner Toxizität für den Knorpel nicht angewandt werden. Ob und zu welchem Zeitpunkt ein Implantat/eine Endoprothese entfernt werden soll und wann eine Neuimplantation erfolgen kann, wird kontrovers diskutiert. Frühinfektionen mit niedrig virulenten Erregern und bei geringer Komorbidität des Patienten können, sofern keine Zeichen einer Materiallockerung bestehen, einer chirurgisch-antibiotischen Kombinationstherapie unter Erhalt des Implantats zugeführt werden (Trampuz und Zimmerli 2006; Trampuz et al. 2007). Prothesen könnten in diesem Fall belassen, bewegliche Teilkomponenten gewechselt oder aber ein einzeitiger kompletter Wechsel durchgeführt werden. Bei allen anderen Infektionsformen ist die Entfernung des infizierten Implantats bzw. der Prothese dringlich zu erwägen. Bei zementierten Prothesen ist darauf zu achten, dass der Zement rückstandslos entfernt wird. Nach Ausbau der Prothese können Zementspacer mit entsprechender Antibiotikazumischung eingebracht werden. Für Frakturen, die noch nicht knöchern konsolidiert sind, muss ein Verfahrenswechsel geplant werden. Ebenso sind alle gelockerten Osteosynthesen zu entfernen. Bis zur Infektionssanierung kann ein Fixateur externe (monoaxial oder als Ringfixateur) angelegt werden. Bei sicheren Zeichen für eine Osteitis oder Osteomyelitis kann eine Resektion des infizierten Knochensegments notwendig werden. Die verschiedenen technischen Verfahren der Kallusdistraktion und des Segmenttransports (Methode nach Ilizarov) (Schnettler und Steinau 2004; Trampuz und Widmer 2006) einschließlich der plastischen Weichteilrekonstruktion sollten Kliniken vorbehalten sein, die große Erfahrung in der Behandlung dieser Erkrankung haben. Erst nach sicherer Sanierung (fehlender Erregernachweis, Leukozyten und CRP im Normbereich, keine klinischen oder radiologischen Zeichen einer Infektion über einen Zeitraum von mindestens 6 Wochen) ist ein erneuter Verfahrenswechsel, sofern notwendig, empfehlenswert. Vor einer Prothesenreimplantation empfehlen wir die operative Gewinnung von Gewebematerial aus dem ehemals infizierten Gelenkbereich (3–6 Abradate) und den kulturellen Nachweis von Erregerfreiheit. Die Antibiotikatherapie sollte zum Zeitpunkt der Gewebegewinnung seit 2 Wochen beendet sein. Zwischen den Eingriffen kann ein Wundverschluss durch eine spannungsfreie Naht erfolgen oder, falls nicht möglich, durch temporäre Deckung mit Polyvinylalkohol Hydroschaum oder Hautersatzstoffen. Bei erkennbarer Heilungs- und sekundärer Granulationstendenz großer, stark sezernierender Wunden kann eine weitere Wundkonditionierung durch einen Vakuumverband erfolgen. Verbleibende Weichteildefekte sollten innerhalb der ersten 1–2 Wochen plastisch rekonstruiert werden. 5.6.6 Prävention Für Surgical Site InfectionsPrävention Surgical Site InfectionsPräventiondie Vermeidung von SSI ist es notwendig, an mehreren Stellen der Patientenbehandlung präventiv zu wirken. Diese Strategie wird auch als „Bundle strategy“ (BündelstrategieBündelstrategie) bezeichnet (Schweizer et al. 2013). Einzelaspekte dieses „Bundles“ für den Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie werden im Folgenden dargestellt. Kritische Indikationsstellung: Die Indikationen für sog. Bagatelleingriffe in der Unfallchirurgie und Orthopädie (Gelenkpunktionen, Materialentfernungen etc.) sind nach Abwägung aller bestehenden exo- und endogenen Risiken kritisch zu stellen. Präoperative Waschung: Kontrovers diskutiert wird die präoperative antiseptische Waschung der OP-Region, für die bisher keine Evidenz nachzuweisen ist (Wertheim et al. 2004). Sofern keine Verschmutzung vorliegt, sind übliche Maßnahmen der Körperhygiene ausreichend. Präoperative Rasur: Eine Haarentfernung im OP-Gebiet mittels Rasur sollte unbedingt vermieden werden, da sie das Infektionsrisiko erhöht. Die Haarentfernung ist nur dann zu empfehlen, wenn sie operationstechnisch notwendig ist. Empfohlen wird die Verwendung von elektrischen Haarschneidemaschinen (Clipper) empfohlen (KRINKO 2007a). Präoperative Antibiotikaprophylaxe: Für Antibiotikaprophylaxe, präoperativeUnfallchirurgie Antibiotikaprophylaxe, präoperativeOrthopädieden Bereich der Unfallchirurgie und Orthopädie ist die Effektivität der präoperativen intravenösen Single-Shot- und Kurzzeit-Antibiotikaprophylaxe (24 h) durch Metaanalysen und durch darin nicht berücksichtigte plazebokontrollierte, randomisierte Studien belegt (Stengel et al. 2003). Die Antibiotika sollten mindestens 30 min vor Schnittzeit infundiert werden. Ob eine erneute Gabe notwendig ist, hängt von der Halbwertszeit des Medikaments und der OP-Dauer ab und muss individuell entschieden werden. Der Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF hat eine Leitlinie zur PAP erstellt (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012a). Ob die Antibiotika bei offenen Frakturen mit hochgradiger Verschmutzung und somit Kontamination nicht nur einmalig (single-shot), sondern kalkuliert darüber hinaus (kalkulierte Antibiotikatherapie) gegeben werden sollten, ist bislang nicht eindeutig geklärt (Hauser, Adams und Eachempati 2006; Trampuz et al. 2007) und liegt damit im Ermessen des Chirurgen. In jedem Fall sind ausreichend Abstriche und Abradate zu gewinnen, die mikrobiologisch untersucht werden müssen. Das Antibiotikum zur kalkulierten Therapie sollte die zu erwartenden Erreger erfassen, Dauer und Dosierung müssen adäquat sein. OP Handschuhe: Besonders für orthopädisch-unfallchirurgische OPs findet sich eine von der OP-Dauer abhängige im Vergleich zu anderen chirurgischen Disziplinen erhöhte Mikroperforationsrate der Handschuhe, die gehäuft am Zeigefinger der nicht dominanten Hand des Operateurs nachweisbar ist (Harnoss et al. 2010). Da die Perforationshäufigkeit von zwei übereinander getragenen Handschuhen signifikant geringer als die einzeln getragener Handschuhe, wird für alle großen und/oder lang dauernden Operationen das Tragen von zwei Paar Handschuhe empfohlen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 2011). Implantatbeschichtung: In-vivo-Studien zeigen für antibiotika- oder silberbeschichtete Implantate eine antimikrobielle Wirkung (Webster und Osborne 2007; www.gbe-bund.de). Da randomisierte kontrollierte Studien bisher fehlen, ist noch kein präventiver Nutzen nachgewiesen. Screening: Screeningmaßnahmen auf MRE für Risikopatientenkollektive sind bei stationärer Aufnahme oder Übernahme aus dem Ausland gemäß Empfehlungen der KRINKO durchzuführen. Sanierung von S.-aureus -Trägern: Patienten, bei denen eine Kontamination des Nasenvorhofs mit MSSA oder MRSA bekannt ist, sollten vor elektiven Knochen- und Weichteileingriffen eradiziert werden, da die Kolonisation mit einem signifikant erhöhtem Risiko für postoperative S.-aureus-Infektionen einhergeht (de With et al. 2013). 5.7 Häufigkeit, Ursachen und Prävention von Infektionen in der Neurochirurgie Jan-Uwe Müller und Henry W. S. Schroeder 5.7.1 Infektionsgefährdung und Einflussfaktoren auf das SSI-Risiko Postoperative entzündliche Komplikationen bei neurochirurgischen Patienten sind selten Surgical Site InfectionsNeurochirurgie NeurochirurgieSurgical Site Infection NeurochirurgieInfektionsgefahr, haben aber insbesondere bei Kraniotomien und ausgedehnten spinalen Eingriffen oft dramatische Folgen. Neben Liquorleckagen führen sie bei etwa 1 % der Patienten zur unplanmäßigen Wiederaufnahme (Buchanan et al. 2014; Young und Lawner 1987). Die Kenntnis von Risikofaktoren und kritischen Patientenpopulationen ermöglicht eine bewusste Einschätzung des individuellen Risikos für einzelne Patienten und erlaubt den Einsatz präventiver Maßnahmen (Kubilay et al. 2013; Leverstein-van Hall et al. 2010; Prusseit et al. 2009). Neben oberflächlichen und tiefen lokalen Infektionen mit einer Häufigkeit von 0,5–6,4 % (Tab. 5.13 ), spielen systemische entzündliche Komplikationen eine wesentliche Rolle. Die Wahrscheinlichkeit für diese Komplikationen liegt mit 5,4–6,2 % (Agarwal und Thomas 2013; erman et al. 2005) um ein Mehrfaches höher als die lokaler Infektionen. Beispielhaft zeigt das der National Nosocomial Infections Surveillance System Report (2004) mit einer Rate Katheter-assoziierter Harnwegsinfektionen von 6,7/1 000 Anwendungstage; auch die mit einem ZVK oder mit invasiver Beatmung assoziierten Infektionsraten lagen mit 4,6 respektive 11,2 Ereignissen 1 000 Anwendungstage bei neurochirurgischen Patienten vergleichsweise hoch. Tab. 5.13 Infektionsraten bei neurochirurgischen Eingriffen n Lokale Infektionen (%) Systemische Infektionen (%) Autoren 408 0,5 0 Chang et al. 2003 2 334 1,6 5,43 Agarwal und Thomas 2003 503 Keine Angaben 6,2 Erman et al. 2005 2 944 4 % Keine Angaben Korinek 1997 1921/2052 2,11/5,92 Keine Angaben Bullock et al. 1988 1711/1852 0,61/2,72 Keine Angaben Djindjian, Lepresle und Homs 1990 2031/1992 0,51/3,52 Keine Angaben Geraghty und Feely 1984 4181/4122 1,01/3,62 Keine Angaben Young und Lawner 1987 2 249 6,4 Keine Angaben Narotam et al. 1994 20 3391/11 5882 2,31/2,82 4,41/9,62 Sharma et al. 2009 3 1 unter Antibiotikaprophylaxe 2 Kontrollgruppe ohne Antibiotikaprophylaxe 3 positiver Erregernachweis in Blut/Liquor Risikofaktoren Zusätzliche Risikofaktoren hängen von der Art des Eingriffs, dem Kontaminationsgrad der Wunde und den individuellen Risiken des Patienten ab. Der NNIS System Report 2004 zeigte eine Infektionsrate von 0,91 % bei Kraniotomie in der Niedrigrisiko-Gruppe gegenüber 1,72 % bzw. 2,4 % in der Patientenpopulation mit erhöhtem und stark erhöhtem Risikoindex (CDC NNIS System 2004) (Tab. 5.14 ). Tab. 5.14 Infektionsrate (Edwards et al. 2009) bei neurochirurgischenNeurochirurgieInfektionsrisiko Eingriffen unter Beachtung des NNIS-Risikoindex (Culver et al. 1991) Eingriff Infektionsrate in % (Anzahl der Eingriffe) Risikoindex 0 Risikoindex 1 Risikoindex 2, 3 Kraniotomie 2,15 (7 902) 2,15 (7 902) 4,66 (1 761) Andere neurochirurgische Eingriffe 1,53 (2 356) Wie Risikoindex 0 Wie Risikoindex 0 Ventrikelshunt 4,04 (867) 5,36 (12 324)/5,93 (4270) Wie Risikoindex 1 Spinale Fusion 0,7 (20 059) 1,84 (16 640) 4,15 (4 511) Spinale Refusion 2,32 (863) Wie Risikoindex 0 8,63 (126) Laminektomie 0,72 (20 972) 1,1 (15 054) 2,3 (4 051) Der verwendete NNIS-Score (Culver et al. 1991) erfasst die Faktoren präoperativer Zustand des Patienten gemäß ASA-Score (ASA 1963), Kontaminationsgrad der Wunde sowie Dauer der OP (Werte des 75. Perzentils). Basierend darauf werden die Gruppen 0 bis 3 mit zunehmendem Infektionsrisiko für einzelne Eingriffsgruppen gebildet (Tab. 5.15 ). Die in dieser Untersuchung verwandte Einteilung der Eingriffe in die Gruppen sauber (aseptisch), sauber-kontaminiert (bedingt aseptisch), kontaminiert und verschmutzt (infiziert) bildet jedoch die spezifischen Risiken bei Eingriffen am Liquorsystem bzw. auch beim Einsatz großer Implantate in der kranialen und Wirbelsäulenchirurgie nicht ausreichend ab. Näher am klinischen Alltag ist die von Narotam et al. (1994) vorgenommene Modifikation mit der zusätzlich aufgenommenen Gruppe „Sauber mit Fremdkörper“ (Tab. 5.16 ). Tab. 5.15 Berechnung des NNIS-Scores (Culver et al. 1991) NeurochirurgieNNIS-Score Faktor Score Berechnung a) Klassifikation der Wundkontamination Sauber (aseptisch) 1 1 Punkt, falls Score für Wundkontamination > 2, sonst 0 Punkte Sauber-kontaminiert 2 Kontaminiert 3 Schmutzig 4 b) ASA-Score ASA 1: gesunder Patient 1 1 Punkt, falls ASA-Score > 2, sonst 0 Punkte ASA 2: geringgradige bis mittelschwere systemische Erkrankung 2 ASA 3: schwere systemische Erkrankung 3 ASA 4: schwere lebensbedrohliche systemische Erkrankung 4 ASA 5: moribunder Patient, der ohne OP wahrscheinlich nicht überleben würde 5 c) Dauer der OP Kraniotomie: T = 4 h 1 Punkt, falls Operationsdauer T überschritten wird, sonst 0 Punkte Anderer ZNS-Eingriff: T = 4 h Ventrikulärer Shunt: T = 2 h Spinale Fusion: T = 4 h Laminektomie: T= 2 h Die Addition der Werte für a, b und c ergibt den NNIS-Score mit Werten von 0–3. Tab. 5.16 RisikoklassifikationNeurochirurgieRisikoklassifikation Eingriffe neurochirurgischer Eingriffe (Narotam et al. 1994) Kategorie Beschreibung Verschmutzt Patienten mit einer Infektion zum OP-Zeitpunkt (viszerale oder Hirnabszesse, subdurale Empyeme, Meningitis, Osteitis, purulente Hautinfektionen) Kontaminiert Keine Zeichen einer Infektion, aber Kontamination des OP-Gebiets, d. h. offene Schädelbasisfraktur, Skalpierungsverletzung (älter als 4 h), Liquorrhö, Re-Eingriff innerhalb von 4 Wochen Sauber-kontaminiert Eröffnung der Nasennebenhöhlen, Schädelbasisfraktur, Abweichung von der Standardtechnik, OP-Dauer > 2 h Sauber mit Fremdkörper Eingriff erfüllt Kriterien „saubere Chirurgie“, aber permanente oder temporäre Verwendung von Fremdmaterialen wie Shunts, Reservoirs, Ventrikelkatheter oder große Metallimplantate Sauber Ausschluss aller o. g. Kriterien, Wunddrainagen im subgalealen Raum nicht länger als 48 h Andere identifizierte Risikofaktoren sind: • Liquorfistel (Agarwal und Thomas 2003; Korinek 1997; Narotam et al. 1994) • Eingriffsart Shunt-OP (Erman et al. 2005; Narotam et al. 1994) • Kontaminationsgrad des OP-Gebiets (Notfalleingriffe, sauber-kontaminierte und kontaminierte Eingriffe; Korinek 1997; Narotam et al. 1994) • OP-Dauer > 4 h (Korinek 1997; Narotam et al. 1994; Valentini et al. 2008), • Lange liegende Harnwegskatheter (Agarwal und Thomas 2003; CDC NNIS System 2004) • Alter (Erman et al. 2005) • Gegenwart von Fremdkörpern/Implantaten (Erman et al. 2005) • Diabetes mellitus (Erman et al. 2005) • ICP-Monitoring (Erman et al. 2005) • Re-Eingriffe (Korinek 1997) • Fremdkörperimplantation (Narotam et al. 1994) • Gestörte Bewusstseinslage (Agarwal und Thomas 2003) • Elektive Beatmung (Agarwal und Thomas 2003; CDC NNIS System 2004) • Externe Ventrikelableitung (Agarwal und Thomas 2003) • Fehlerhafte Händedesinfektion, falscher Handschuheinsatz (Agarwal und Thomas 2003) • Extensiver Antibiotikaeinsatz (Agarwal und Thomas 2003). Insgesamt 80 % der lokalen SSI werden durch Staphylokokken hervorgerufen. Dabei muss man sich in Erinnerung rufen, dass sowohl das OP-Gebiet als auch die Hände nur desinfiziert und nicht sterilisiert werden und der endogene Erregereintrag dominiert (Kap. 2.10.5). Aufgrund der Heterogenität der neurochirurgischen OP-Gebiete ist eine getrennte Analyse der Risikofaktoren sinnvoll, die im Folgenden durchgeführt wird für • elektive Kraniotomien, • transorale und transsphenoidale Eingriffe, • liquorableitende Operationen, • spinale Eingriffe, • Medikamentenpumpen und Implantate zur Tiefenhirnstimulation, • offenen Schädel-Hirn- und spinale Traumen, • Eingriffe bei entzündlichen Erkrankungen. Grundsätzlich gelten auch für die Neurochirurgie die in der Chirurgie etablierten fachübergreifenden Prinzipen der Infektionsprävention (Kap. 5.5). Deshalb soll in diesem Kapitel nur auf fachspezifische Besonderheiten eingegangen werden. 5.7.2 Elektive Kraniotomie Infektionsrisiko: Die Kraniotomie, elektive Surgical Site InfectionsKraniotomie, elektive Kraniotomie, elektiveInfektionsrisikoGefahr von SSI ist mit 0,9–2,4 % in Abhängigkeit von der Risikogruppe des Patienten sehr gering. Der Nachweis einzelner Risikofaktoren gestaltet äußerst schwierig, weil nur die wenigsten Studien eine ausreichend hohe Anzahl von Patienten einschließen. Faktoren mit Einfluss auf das Infektionsrisiko sind: • Liquorfistel (Abu Lytsy und Ronne-Engstrom 2014; Agarwal und Thomas 2003; Korinek 1997; Lietard et al. 2008; Narotam 1994) • Re-Eingriff innerhalb von 4 Wochen (Korinek 1997; Lietard et al. 2008) • Lange OP-Dauer (Abu, Lytsy und Ronne-Engstrom 2014; Korinek 1997) • Externe Liquordrainage (Korinek 1997; Lietard et al. 2008) • Einsatz großflächiger Implantate • Kontaminationsgrad der Wunde (Korinek 1997; Lietard et al. 2008). Präventionsmaßnahmen: Während Kraniotomie, elektiveInfektionspräventionpatientenbedingte Risikofaktoren kaum zu beeinflussen sind, können Modifikationen der OP-Technik zu einer Senkung der Infektionsrate beitragen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Vermeidung von Liquorfisteln gelegt werden. • Für die plastische Deckung von Duradefekten ist autologem Material der Vorzug einzuräumen, da es Hinweise auf eine erhöhte Infektionsrate bei Verwendung von Durasubstituten (Abu, Lytsy und Ronne-Engstrom 2014; Malliti et al. 2004; Nakagawa et al. 2003) gibt. Die Autoren bevorzugen daher die Verwendung autologen Materials, das bei sorgfältiger Präparation i. d. R. in ausreichendem Maß schon im OP-Gebiet zur Verfügung steht. • Inwiefern die präoperative Haarentfernung einen Einfluss auf das Infektionsrisiko hat, ist nicht endgültig geklärt. Zumindest weisen einzelne Publikationen keinen negativen Effekt bei Verzicht darauf nach (Bekar et al. 2001; Kretschmer, Braun und Richter 2000; Miller et al. 2001; Tang, Yeh und Sgouros 2001). Gemäß der Empfehlung ist eine Entfernung nur bei chirurgischer Notwendigkeit bevorzug mittels Kürzen der Haare bzw. chemischer Entfernung unmittelbar vor der OP durchzuführen (KRINKO 2007a). • Eine PAP scheint die Rate lokaler SSI zu senken (Holloway et al. 1996; Kanat 1998; Zeidman, Thompson und Ducker 1995). Andere Arbeiten zeigen keinen signifikanten Einfluss (Korinek 1997; Lietard et al. 2008). Allerdings sind die betrachteten Untersuchungen mit bis zu maximal 2 900 eingeschlossenen Patienten bei einer primären Infektionsrate von weniger als 1 % statistisch bei zu geringem Stichprobenunfang nicht aussagekräftig. Das Ergebnis deckt sich jedoch mit den klinischen Erfahrungen, sodass auch in unserer Klinik die PAP mit einem gegen Staphylokokken wirksamen Cephalosporin der 2. Generation etabliert wurde (Kap. 2.10.5). 5.7.3 Transorale und transsphenoidale Eingriffe Der transoraleNeurochirurgietransoraler Eingriff Neurochirurgietranssphenoidaler Eingriff Zugang zum kraniozervikalen Übergang bzw. der transsphenoidale Zugang zur Hypophyse erfolgt durch kontaminiertes Gebiet mit nur eingeschränkten Möglichkeiten der Antiseptik. Trotzdem treten hier auffallend wenige Infektionen auf. Transsphenoidaler Zugang Infektionsrisiko: Die infektiösen Komplikationen bei transsphenoidalem Operation, transsphenoidaleInfektionsrisiko Surgical Site Infectionstransspenoidale OperationZugang zur Hypophyse sind relativ gut dokumentiert. Ciric et al. (1997) berichteten nach der Befragung von mehr als 900 Neurochirurgen über Meningitiden bei lediglich 2 % der Patienten im postoperativen Verlauf. Buchfelder und Fallbusch (1988) gaben eine Infektionsrate von 0,6 % an, Ammirati, Wei und Ammirati (2014) eine Infektionsrate 1,1–2,1 %. Ursache dieser Komplikationen ist in den meisten Fällen eine Liquorfistel (Black, Zervas und Candia 1987), die ein sekundäres Aufsteigen von Erregern aus dem kontaminierten Zugangsbereich ermöglicht. Weitere infektiöse Komplikationen sind Abszesse der Hypophyse sowie Entzündungen und Mukozelen im Bereich des Sinus sphenoidalis (Berker et al. 2012; Buchinsky et al. 2001; Gondim et al. 2011; Herman et al. 1998). • Bei der Vorbereitung transsphenoidaler Eingriff ist eine gezielte Fokussuche im Bereich der Nasennebenhöhlen sinnvoll. • Postoperative Liquorfisteln müssen zügig diagnostiziert und saniert werden. Präventionsmaßnahmen: Maßnahmen Operation, transsphenoidaleInfektionspräventionzur Reduktion des Infektionsrisikos bei transsphenoidalem Zugang zur Hypophyse sind: • Präoperativer Ausschluss von Entzündungen im Zugangsbereich • Verwendung minimalinvasiver Techniken mit geringer Gewebetraumatisierung • Vermeiden einer postoperativen Liquorrhö durch Schonung des Diaphragma sellae und durch einen liquordichten Verschluss des Zugangswegs • Sorgfältige Schleimhautpräparation zur Vermeidung einer Mukozele • Nachuntersuchung auf Liquorrhö und Sekretstau in den Nasennebenhöhlen • PAP. Transoraler Zugang Die Neurochirurgietransoraler Eingriff Operation, transoraleInfektionsrisiko Surgical Site Infectionstransorale OperationDatenlage beim seltener genutzten transoralen Zugang zum kraniozervikalen Übergang und zum Klivus ist sehr heterogen. Infektionsrisiko: Typische entzündliche Komplikationen sind hier lokale Wundheilungsstörungen (Kingdom, Nockels und Kaplan 1995), Liquorfisteln (Hayakawa et al. 1981; Kondoh et al. 1990; Tuite et al. 1996) und in deren Folge Meningitiden (Kingdom, Nockels und Kaplan 1995). Seltene Komplikationen sind Entzündungen im Bereich des weichen Gaumens und eine Otitis media infolge eines Verschlusses oder einer Durchtrennung der Tuba auditiva. Präventionsmaßnahmen: Empfohlene Operation, transoraleInfektionspräventionMaßnahmen zur Verringerung des Infektionsrisikos bei transoralem Zugang zur Schädelbasis und zum kraniozervikalen Übergang sind: • Eine möglichst kleine anatomische Freilegung • Das Vermeiden eienr Spaltung des weichen Gaumens • Ein mehrschichtiger Wundverschluss an der Rachenhinterwand (Hayakawa et al. 1981) • Bei Duraeröffnung die Anlage einer temporären externen Liquordrainage (Hayakawa et al. 1981) • Eine Tracheostomie bei erwarteten Schluckstörungen zum Vermeiden einer Aspirationspneumonie. 5.7.4 Liquorableitende Operationen Ventrikuloperitoneale und ventrikuloatriale Ableitungen Infektionsrisiko: Die Implantation permanenter LiquorableitungenNeurochirurgieLiquorableitung, permanente Liquorableitung, permanenteInfektionsrisiko Surgical Site InfectionsLiquorableitung ist im Langzeitverlauf mit Infektionsraten von 3–20 % verbunden (Kulkarni et al. 2001). Risikofaktoren sind die OP-Dauer (Kestle et al. 1993; Kontny et al. 1993), das Patientenalter (Choux et al. 1992; Mancao et al. 1998; Piatt und Carlson 1993; Pople et al. 1992; Prusseit et al. 2009; Renier et al. 1984; Shapiro et al. 1988) mit gehäuftem Auftreten bei Infektionen, nosokomialeLiquorableitungssystemeFrühgeborenen (PHVD Drug Trial Group 1998) sowie postoperative Liquorfisteln (Welch 1979). Eine weitere Ursache kann im intraoperativen Kontakt zwischen Kathetermaterial und der Haut des Patienten bzw. des Operateurs liegen. Kulkarni, Drake und Lamberti-Pasculli (2001) belegnten einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Beschädigung der OP-Handschuhe und Shuntinfektionen. Präventionsmaßnahmen: Zur Reduktion von Liquorableitung, permanenteInfektionspräventionShuntinfektionen sind folgende Maßnahmen empfehlenswert: • Vermeidung postoperativer Liquorleckagen durch äußerste Sorgfalt bei der Implantation • Vermeidung des Hautkontakts der Implantate • Möglichst Verwendung shuntfreier Versorgungstechniken wie z. B. der endoskopischen Ventrikulostomie • Verkürzung der OP-Dauer durch optimale Koordination der Abläufe • PAP mit staphylokokkenwirksamem Antibiotikum • Atraumatische OP-Technik • Tragen von doppelten Handschuhen. Temporäre externe ventrikuläre und lumbale Liquorableitungen Infektionsrisiko: Bei der externen Liquordrainagen besteht ein NeurochirurgieLiquorableitung, temporäre Liquorableitung, temporäreInfektionsrisikohohes Risiko für NI (Scheithauer et al. 2010). Bei der externen Ventrikeldrainage wird die infektionsrate mit 6–22 % (Acikbas et al. 2002; Herman et al. 1998; Lyke et al. 2001) angegeben und bei der lumbalen Katheteranlage mit bis zu 10 % (Coplin et al. 1999; Shapiro und Scully 1992). Gesicherte Einflussfaktoren sind die Liegedauer sowie die Frequenz der Probenahme aus den Drainagen (Leverstein-van Hall et al. 2010; Schade et al. 2005). Risikofaktoren für Infektionen bei externen Liquordrainagen (Bader, Littlejohns und Palmer 1995; Lozier et al. 2002; Schreffler, Schreffler und Wittler 2002) sind die Dauer der Drainage, eine Diskonnektion des Drainagesystems, ein Verschluss der Drainage sowie die Frequenz der Probenentnahme Das Risiko ventrikulärer und lumbaler Drainagen unterscheidet sich bei gleicher Liegedauer nicht. Präventionsmaßnahmen: Empfehlenswert Liquorableitung, temporäreInfektionspräventionsind Reduktion der Probenentnahme auf ein vertretbares Minimum, Wechsel der Drainage nach 5–10 Tagen, bei klinischen oder paraklinischen Infektionsnachweis sofortiges Entfernen der Drainage und ggf. Neuanlage nach einen vertretbaren Zeitintervall. Die externe Liquordrainage ist keine Indikation zur PAP, da keine Evidenz in Form randomisierter Studien mit dem Endpunkt Meningitis vorliegt (McCarthy und Wenzel 1977; Poon, Ng UND Wai 1998). Möglicherweise kann die Infektionsrate durch langstreckige Tunnelung des Ventrikelkatheters reduziert werden (Khanna et al. 1995). Für externe Ventrikelableitungen sind silberimprägnierte bzw. antibiotikabeschichtete Katheter verfügbar, deren antimikrobieller Effekt in vitro nachgewiesen wurde (Secer et al. 2008). Erste randomisierten Studien bestätigen diesen Effekt (Keong et al. 2012). Eine Antibiotikaimprägnierung bringt wahrscheinlich keinen Vorteil gegenüber einer Silberauflage (Winkler et al. 2013). Vorgehen bei Shuntinfektionen: Infektionen sind ShuntinfektionLiquorbei ventrikuloperitonealen Ableitungen eine der häufigsten Komplikationen. Die aussichtsreichste Behandlungsmethoden sind die vollständige Entfernung des infizierten Ableitungssystem, die intermittierende oder kontinuierliche externer Liquordrainage und die Neuimplantation nach Ausheilung der Infektion (Schreffler, Schreffler und Wittler 2002). Deutlich geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Ausheilung der Infektion bei direktem Austausch des infizierten Ableitungssystems unter Antibiotikagabe. Eine Ausheilung der häufig chronischen Infektion unter Antibiotikatherapie bei Belassen des Shuntsystems ist gegenüber den beiden o. g. Behandlungsverfahren die Methode mit der geringsten Erfolgsaussicht (Schreffler, Schreffler und Wittler 2002). 5.7.5 Spinale Eingriffe Infektionsrisiko: Die Wahrscheinlichkeit Neurochirurgiespinale Eingriffe WirbelsäulenoperationInfektionsrisiko Surgical Site InfectionsWirbelsäulenoperationvon NI nach spinalen Eingriffen beträgt in Abhängigkeit von der Art des Eingriffs und patientenindividueller Risikofaktoren 1–6 % (CDC NNIS System 2004; Edwards et al. 2009; Takahashi et al. 2009). Dabei vervielfachen v. a. patientenindividuelle Risikofaktoren das Infektionsrisiko. Risikofaktoren für Infektionen nach spinalen Eingriffen sind die Wundgröße, die OP-Dauer, die lange Verwendung von Drainagen, das Ausmaß des Blutverlusts, Instrumentierung und Übergewicht (Chiang et al. 2014). Da die Inzidenz von NI bei instrumentierten Eingriffen mit 3,8 % (Levi, Dickman und Sonntag 1997) bzw. 4,2 % (Wimmer et al. 1998) angegeben wird, müssen spinale Eingriffe mit und ohne Instrumentierung in Bezug auf das Infektionsrisiko getrennt betrachtet werden. • Bei nicht instrumentierten spinalen Eingriffen ist Wirbelsäulenoperationnicht instrumentierteeine SSI-Rate von ca. 1–2 % zu erwarten (Dimick, Lipsett und Kostuik 2000). Neben oberflächlichen und tiefen Weichteilinfektionen sind Diszitiden und Spondylodiszitiden unangenehme und langwierige Komplikationen. Seltener, aber in ihrem Ausmaß bedeutsamer sind spinale epidurale Abszesse, in deren Folge durch Raumforderung und Kompression neuraler Strukturen oder durch sekundäre Entwicklung von Meningitiden und Myelitiden schwerste neurologische Defizite eintreten können. • Bei instrumentierten spinalen Eingriffe liegt Wirbelsäulenoperationinstrumentiertedie Infektionsrate deutlich höher und scheint bei dorsaler Instrumentierung höher zu sein als bei ventraler (Olsen et al. 2003; Wimmer et al. 1998). Häufigste Erreger sind auch hier Staphylokokken. Allerdings finden sich bei posterioren lumbosakralen Zugängen häufig gramnegative Erreger. Disponierend ist hier eine Inkontinenz, die zur Kontamination der Wunden führen kann. Die lokale Applikation von Vancomycinpulver (0,5–2 g) scheint die Infektionsrate zu senken. Jedoch ist die Datenlage für eine generelle Empfehlung noch nicht ausreichend (Chiang et al. 2014). Präventionsmaßnahmen: MaßnahmenWirbelsäulenoperationInfektionsprävention zur Reduktion entzündlicher Komplikationen in der Wirbelsäulenchirurgie sind • die Reduktion des Gewebetraumas durch mikrochirurgische und minimalinvasive OP-Techniken (O'Toole, Eichholz und Fessler 2009), • die intermittierende Spülung der Wunde mit NaCl-Lösung, • die Minimierung des Einsatzes von Wunddrainagen (Payne et al. 1996), • eine PAP (Kap. 2.10.5), • ein Handschuhwechsel nach 90 Minuten (Partecke et al. 2009). • Da das Risiko von NI proportional zum Ausmaß des Gewebetraumas steigt, sollten nach Möglichkeit mikrochirurgische (Olsen et al. 2003) und minimalinvasive Techniken eingesetzt werden. • Beim Auftreten von Infektionen ist die Entfernung metallischer Implantate nicht zwingend erforderlich. Kunststoffimplantate müssen dagegen i. d. R. explantiert werden. 5.7.6 Medikamentenpumpen, Implantate zur tiefen Hirnstimulation und andere Neurostimulatoren Infektionsrisiko: Bei Pumpen zur intrathekalen Medikamentenapplikation und Stimulatoren für Neurostimulatoren, Infektionsrisiko Implantateneurochirurgische, Infektionsrisikoverschiedene Einsatzgebiete sind implantatabhängige entzündliche Komplikationen mit 1–4,7 % ein seltenes Ereignis (Bhatia et al. 2011; Fenoy und Simpson 2014; Harke et al. 2003; Kenney et al. 2007). Neben lokalen Entzündungen können sowohl Meningitiden als auch spinale und zerebrale Abszesse und Granulome mit dem Bild einer Paraplegie bzw. mit zentralen neurologischen Defiziten auftreten. Präventionsmaßnahmen: Bei der Implantation dieser Apparate gelten dieselben Vorsichtsmaßnahmen wie bei der Implantation ventrikuloperitonealer Ableitungen. Eine PAP mit einem staphylokokkenwirksamen Antibiotikum ist empfehlenswert. Sanierungsversuche bei belassenen Implantaten werden zwar erfolgreich beschrieben (Boviatsis et al. 2004; Zed et al. 2000), sollten aber wegen der geringen Erfolgschancen und der hohen Komplikationsgefahr unterbleiben. Vielmehr ist die vollständige Entfernung des Implantats und eine Neuimplantation in Analogie zur Sanierung chronisch infizierter ventrikuloperitonealer Ableitungen das Mittel der Wahl. 5.7.7 Offene Schädel-Hirn- und spinale Traumen Aufgrund des unterschiedlichen Verletzungs- und Kontaminationsmusters werden penetrierende Schädel-Hirn-Verletzungen, fronto- und otobasale offene Schädel-Hirn-Traumen sowie offene spinale Verletzungen getrennt betrachtet. Direkt offene penetrierende Schädel-Hirn-Traumen Bei Schädel-Hirn-Trauma Schädel-Hirn-Traumadirekt offenes penetrierendesSchussverletzungen ist eine Wundversorgung mit Entfernung von Blutungen, Nekrosen, Knochenfragmenten sowie eingedrungenen Fremdkörpern wie Haaren und Kleidung vorzunehmen. Das intakte Hirngewebe sollte dabei geschont werden. Sowohl am Ein- als auch am Austritt des Projektils ist eine plastische Deckung des Duradefekts notwendig. S. aureus ist der häufigste Erreger, aber auch gramnegative Bakterien sind regelmäßig nachzuweisen. Häufig wird eine antibiotische Behandlung mit Cephalosporinen empfohlen (Esposito und Walker 2009; Gutierrez-Gonzalez et al. 2008). Baystone et al. (2000) empfehlen eine Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure, alternativ Cefuroxim, sowie Metronidazol über 5 Tage. Ein analoges Vorgehen ist bei anderen penetrierenden Schädel-Hirn-Verletzungen notwendig. Indirekt offene frontobasale und otobasale Schädel-Hirn-Verletzungen Bei Schädel-Hirn-Traumaindirekt offenes fronto- und otobasalesoffenen frontobasalen Verletzungen besteht ein deutlich erhöhtes Meningitisrisiko im Langzeitverlauf. Daher ist die plastische Deckung des Duradefekts unbedingt erforderlich. Oft verhindert jedoch ein begleitendes Hirnödem die frühzeitige operative Versorgung. Der Nutzen einer prophylaktischen Antibiotikatherapie ist umstritten. Eljamel und Foy (1990) stellten darunter einen Rückgang entzündlicher Komplikationen fest, während Choi und Spann (1996) eine Zunahme entzündlicher Komplikationen nachwiesen. Prospektive randomisierte Studien hierzu liegen nicht vor. Die Autoren empfehlen den Verzicht auf eine prophylaktische antibiotische Therapie bei engmaschigem Screening nach Hinweisen auf eine Meningitis. Otobasale posttraumatische Liquorfisteln heilen i. d. R. unter intermittierender oder kontinuierlicher externer Liquorableitung spontan aus. Eine prophylaktische antibiotische Therapie ist nicht notwendig. Penetrierende Wirbelsäulenverletzungen Schussverletzungen Wirbelsäulenverletzung, penetrierendeder Wirbelsäule sind mit einer Infektionsrate von 5–8 % verbunden. Kolonverletzungen vor Eintritt des Projektils erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Infektion (Romanick et al. 1985; Velmahos und Demetriades 1994). Bei dieser Art der Verletzung wird die operative Entfernung des Projektils empfohlen, um die Infektionsrate zu senken. Allerdings zeigten andere Autoren (Kihtir et al. 1991; Kumar, Wood und Whittle 1998; Lin et al. 1995), dass unter Antibiotikatherapie und Verzicht auf spinale Revision keine spinalen Infektionen auftraten. 5.7.8 Eingriffe bei entzündlichen Erkrankungen Hirnabszess Ätiologie: Die Hirnabszess HirnabszessÄtiologieUrsache eine Abszedierung ist in den meisten Fällen die direkte Fortleitung einer Infektion aus der Umgebung. Häufigste Lokalisationen sind dabei Otitiden und Mastoiditiden sowie Sinusitiden (Tab. 5.17 ) (Radoi, Ciubotaru und Tataranu 2013). Bei hämatogener Ausbreitung finden sich häufig multiple Abszesse bevorzugt im Stromgebiet der A. cerebri media. Weitere Risikofaktoren sind vorangegangene neurochirurgische Eingriffe sowie offene Schädel-Hirn-Verletzungen (Tab. 5.17). Tab. 5.17 Lokalisation des infektiösen Fokus bei direkter und hämatogener Ausbreitung von Hirnabszessen Direkte Fortleitung Hämatogen • Otitis media • Mastoiditis • Sinusitis • Osteomyelitis • Zahnwurzelgranulome • Bronchiektasen • Lungenabszess • Endokarditis • Dentale Sepsis • Osteomyelitis • Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt mit kardialem Rechts-links-Shunt Im Rahmen der Geneseklärung sollten auch eine medikamentöse Immunsuppression, konsumierende Grunderkrankungen, eine HIV-Infektion und ein chronischer intravenöser Drogenabusus beachtet werden. Die Behandlung des HirnabszessTherapieHirnabszesses besteht in der operativen Entfernung des Eiters, der Sanierung des Fokus sowie systemischer antibiotischer Therapie. Therapie: Eine medikamentöse Therapie sollte erst nach der Entnahme einer mikrobiologischen Probe eingeleitet werden. Bei ausgeprägtem perifokalem Ödem ist eine zusätzliche Gabe von Dexamethason empfehlenswert. Eine ausschließlich medikamentöse Therapie ist nur in der Frühphase vor der eitrigen Einschmelzung des Abszesses oder bei multiplen Herden sinnvoll (Tab. 5.18 ). Die sich entwickelnde Membran behindert später eine ausreichende Medikamentenpenetration. Die Dauer der antibiotischen Behandlung sollte mindestens 4–6 Wochen betragen (Felsenstein et al. 2013). Tab. 5.18 Empfohlene ungezielte Antibiotikatherapie bei Hirnabszess (Dosierung für einen ca. 75 kg schweren Erwachsenen)AntibiotikatherapieHirnabszess Medikament Dosierung Flucloxacillin (alternativ Oxacillin) 3 × 2 g i. v. Cefotaxim 3 × 2 g i. v. Metronidazol 2 × 500 mg i. v. Bei bereits eingeschmolzenen Abszessen ist die ultraschallgestützte oder stereotaktische Abszessentleerung Mittel der Wahl. In seltenen Fällen kann ein reifer Abszess in toto analog einer Tumoroperation entfernt werden. Subdurales Empyem Hierbei Empyemsubduraleshandelt es sich um eine fulminant verlaufende, akut lebensbedrohliche Erkrankung. Häufig findet sich ein ausgeprägtes Hirnödem mit der akuten Gefahr einer zerebralen Herniation. Ursächlich sind häufig Entzündungen der Stirnhöhle oder des Mastoids, offene Schädel-Hirn-Verletzungen sowie vorangegangene neurochirurgische Eingriffe (Nathoo et al. 1999). Die Therapie besteht in der sofortigen Drainage des Empyems in Kombination mit antiödematöser Kortikoidtherapie. Die initiale kalkulierte (empirische) Therapie erfolgt z. B. mit Cefotaxim, Flucloxacillin und Metronidazol und beginnt sofort nach Entnahme der mikrobiologischen Proben. Wird intraoperativ ein Erreger nachgewiesen, ist eine Deeskaltation der initial sehr breit wirksamen Therapie anzustreben. Spinale Abszesse und Empyeme In Abszess, spinaler Empyemspinalesden letzten Jahren ist eine deutliche Verschiebung der Ursachen spinaler Entzündungen von spontan lokalen oder hämatogenen Ursachen hin zu Komplikationen iatrogener Maßnahmen zu beobachten. Dabei spielen v. a. die extensive Nutzung von Schmerzkathetern und die sog. periradikuläre Therapie eine wichtige Rolle. Das Risiko entzündlicher Komplikationen liegt bei ca. 0,2 % für diagnostische Eingriffe (Zeidman, Thompson und Ducker 1995). Problematisch ist dabei die Kombination aus vorbestehenden vertebrogenen oder diskogenen Schmerzen mit neu auftretenden Schmerzen als Folge der Entzündung, die häufig erst in der Spätphase bei manifesten neurologischen Defiziten zur Diagnosestellung führen. Die wichtigste prophylaktische Maßnahme ist daher die Reduktion invasiver Behandlungsmaßnahmen. Die häufigsten Erreger sind auch hier Staphylokokken (Rigamonti et al. 1999). Prädisponierende Faktoren für spinale Entzündungen sind (Rigamonti et al. 1999) intravenöser Drogenabusus, Diabetes mellitus und vorangegangene spinale Eingriffe oder Injektionen. Therapie: In der Regel ist die chirurgische Sanierung des Prozesses erforderlich. Üblicherweise wird neben der Ausräumung des Abszesses besonders bei langstreckigen epiduralen Abszessen der Einsatz einer Saug-Spül-Drainage notwendig. Die antibiotische Therapie sollte sofort nach Materialentnahme für die mikrobiologische Diagnostik mit einer Kombinationstherapie gegen anaerobe und aerobe Bakterien begonnen werden. 5.7.9 Hygienemaßnahmen Antibiotikaprophylaxe Kap. 2.10.5 Händehygiene: Wie in allen Disziplinen wird auch in der NeurochirurgieNeurochirurgieHygienemaßnahmen die SSI-Rate durch indikationsgerecht durchgeführte Händedesinfektion reduziert. In einer Interventionsstudie konnte nach Einführung eines Händehygieneprogramms die SSI-Rate von 8,3 auf 3,8 % gesenkt werden (Le et al. 2007). Einfluss der Raumklasse: In einigen Fällen konnte ein Erregereintrag via Raumluft in das OP-Areal als Ursache neurochirurgischer SSI identifiziert werden (Duhaime et al. 1991; Reichert und Schultz 2002). Da durch Laminar Air Flow (LAF) eine effektivere Verdrängung luftgetragener Mikroorganismen und Partikel im Vergleich zu Mischlüftung erreicht wird und bei der Implantation von Hüftendoprothesen ein infektionspräventiver Einfluss nachgewiesen werden konnte (Kramer et al. 2010c), ist davon auszugehen, dass durch LAF zumindest bei lang dauernden Eingriffen mit Implantation von Fremdmaterial ein zusätzlicher Schutz erreichbar ist. Surveillance: Zur exakten Identifizierung neurochirurgischer SSI ist ein aktives Surveillanceprogramm zu etablieren (Burnichon et al. 2007; Heipel et al. 2007). Nur auf dieser Basis sind eine Evaluation des QM und eine Qualitätssicherung möglich. In unserer Klinik wurde als Marker-OP die postoperative Diszitis ausgewählt. 5.8 Neurologie und Psychiatrie Sarah Bornmann, Maren Eggers und Christof Kessler Für neurologische und psychiatrische Kliniken existieren bindende Vorschriften für Standardmaßnahmen zur Infektionsprävention, um eine Verbreitung von Krankheitserregern unter Patienten, Personal und Besuchern zu vermeiden. Da entzündliche Prozesse des ZNS zu Beginn oft ein uncharakteristisches klinisches Bild bieten, ist die Entscheidung nicht einfach, welche Hygiene- und Schutzmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Die Furcht vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) und importierter Virusinfektionen wie dem Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom (SARS) oder dem Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV) sowie das häufigere Auftreten von Borreliose, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Influenza haben zu Unsicherheiten über die notwendigen Hygienemaßnahmen geführt. Die Situation wird dadurch erschwert, dass bisher nach Aussagen der Deutschen Krankenhausgesellschaft keine Studien zu spezifischen hygienischen Fragestellungen in der Neurologie und Psychiatrie vorliegen. 5.8.1 Infektionsrisiko bei Eingriffen in der Neurologie Grundsätzlich unterscheidetSurgical Site InfectionsNeurologie sich der Umgang mit potenziell infektiösem Gewebe, Liquor oder Blut in der Neurologie nicht von anderen Fachgebieten. Eine Infektionsgefährdung kann in seltenen Fällen im Rahmen therapeutischer und diagnostischer Verfahren in der Neurologie ausgehen. Elektroden: Durch Oberflächenelektroden sind keine lokalen oder systemischen Infektionen beschrieben. Infektionen durch Nadelelektroden sind eine Rarität. Letztere Elektroden, neruologische, Infektionsrisikowurden nach elektromyographischen Untersuchungen durch S. epidermidis, Mycobacterium (M.) fortuitum und HBV verursacht (Burris und Fairchild 1986; Nolan, Hashisaki und Dundas 1991). In einem Fall konnte bei insgesamt 75 HBV-Neuinfektionen, die sich zwischen 1991 und 1996 ereignet hatten, eine Index-Person ausfindig gemacht werden. Überträger war ein HBe-positiver Techniker, der bei den betroffenen Patienten ein EEG mit Nadelelektroden durchgeführt hatte (Johnson et al. 2000). Nach Einführung einer abschließenden Sterilisation nach der Reinigung und Desinfektion der Elektroden traten keine weiteren Fälle mehr auf. Außerdem wird über einen Patienten berichtet, der durch Implantation von EEG-Tiefenelektroden an CJD erkrankte (Bernoulli et al. 1977). Die Elektroden waren vorher bei einem Patienten mit dieser Erkrankung benutzt und mit einem Standardverfahren sterilisiert worden. Liquorpunktion: Bei der lumbalen oder subokzipitalen Liquorpunktion kann die Übertragung von LiquorpunktionInfektionsrisikoKrankheitserregern durch Kontamination der Liquornadel bei der Passage durch die Haut erfolgen. Die iatrogene MeningitisMeningitis, iatrogene nach Liquorpunktion ist eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation. Kasuistiken betreffen z. B. Meningitiden durch S. aureus (n = 3), S. salivarius (n = 2), P. aeruginosa, Acinetobacter spp. und M. tuberculosis (je n = 1) (Torres et al. 1993; Domingo et al. 1994; Pandian et al. 2004). In einer prospektiven Studie an 1 880 Neugeborenen konnte nur in einem Fall der Zusammenhang zwischen lumbaler Liquorentnahme und sekundärer bakterieller Meningitis festgestellt werden (Hristeva et al. 1993). Bei LiquorshuntInfektionsrisikosehr unreifen Frühgeborenen mit Hydrocephalus malresorptivus nach intraventrikulären Blutungen wird heute meist vorübergehend ein Rickham-Reservoir implantiert. Die unter der Haut gelegene Punktionskammer ist über einen Katheter mit dem Seitenventrikel verbunden. Das lässt die wiederholte Punktion und Druckmessung unter streng aseptischen Kautelen zu. Bei einem Teil der Kinder kann das Reservoir im Verlauf ersatzlos explantiert werden. Persistiert der Hydrozephalus, erhalten die Kinder einen dauerhaften ventriukuloperitonealen Shunt. Griewing und Machetanz (2001) registrierten im Zeitraum 1970–1995 bei etwa 28 000 diagnostischen Liquorentnahmen keine Meningitis. Bei 2 000 Lumbalpunktionen mit Einzelinjektion im Rahmen einer intrathekalen Zytostatikatherapie bei Meningeosis neoplastica kam es in 3 Fällen zu postpunktionellen Meningitiden. Da in seltenen Fällen mit einer iatrogenen Entzündung des Liquorraums nach einer Punktion gerechnet werden muss, sind ausreichende Schutzmaßnahmen nicht nur aus hygienischer, sondern auch aus juristischer Sicht einzuhalten (Tab. 5.19 ). Tab. 5.19 Diagnostische und therapeutische Verfahren mit besonderen hygienischen AnforderungenNervenleitgeschwindigkeitsmessung, HygienemaßnahmenLiquorpunktionHygienemaßnahmenElektromyografieHygienemaßnahmenElektroenzephalografie, Hygienemaßnahmen Eingriff/Maßnahme Anforderungen Liquorpunktion (lumbal, subokzipital, ventrikulär) Hautantiseptik, sterile Tupfer, sterile Handschuhe, MNS, steriles Abdeck- oder Lochtuch, grundsätzlich steriles Einmalmaterial Verschiedene Nadelinstrumente zur klinischen Untersuchung der Schmerzempfindung sterile Nadeln, Hautantiseptik, grundsätzlich steriles Einmalmaterial EMG, Messung von Nervenleitungsgeschwindigkeit und evozierten Potenziale mit Nadelelektroden Elektroenzephalografie (Nadel-Skalpelektroden, Sphenoidalelektroden) Infusionen von aus Humanserum gewonnenen Substanzen (z. B. Immunglobulintherapie bei Polyradikulitiden) Einhaltung der Grundsätze der Infusionstherapie Prionenerkrankungen: 1920 berichtete Creutzfeldt (Creutzfeldt 1920) über eine 23-jährige Frau, die an einem rasch progredienten hirnatrophischen Prozess verstorben war. Drei ähnliche Fälle wurden ein Jahr später von Jakob (Jakob 1921) publiziert. In den folgenden Jahrzehnten fielen neuropathologische Prionkrankheiten PrionkrankheitenÜbertragungÄhnlichkeiten zwischen CJD, Kuru, BSE beim Rind und Scrapie auf (Hadlow 1959). Infektiöses Agens sind in allen Fällen Prionen. Beim Menschen werden durch Prionen ferner vCJD, das Gerstmann-Sträussler-Syndrom und die Fatal Familial Insomnia (FFI) ausgelöst (Kap. 3.3). Iatrogene Übertragungen wurden durch Hornhauttransplantation, Duraimplantation, kontaminierte stereotaktische EEG-Elektroden und durch in üblicher Weise und damit bezüglich CJD ungenügend sterilisiertes neurochirurgisches OP-Besteck verursacht (Will und Matthews 1982; Collins et al. 1999) (Kap. 3.3). 1985 und 1986 wurden Fälle beschrieben, bei denen die CJD 5–22 Jahre nach Erhalt von aus menschlichen Hypophysen extrahiertem Wachstumshormon auftrat (Gibbs et al. 1985; Titner et al. 1986). Bei PrionkrankheitenPersonalschutz PersonalschutzPrionkrankheitenmedizinischem Personal wurde die Erkrankung bisher nur selten dokumentiert (Brown 1980), wobei sich die Infektion nicht auf Patienten zurückführen ließ. Obwohl Pathologen, Neuropathologen und Sektionsgehilfen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind, liegen keine Berichte über Infektionen vor (Rosenberg et al. 1986). Ebenso sind keine Veröffentlichungen zur Gefährdung bei Zahnbehandlungen, z. B. bei der Eröffnung der Pulpahöhle oder bei Anwendung hochtouriger Präparationsinstrumente mit Freisetzung von Nervengewebe, bekannt. Hier muss man vorläufig davon ausgehen, dass ein potenzielles, aber nicht näher untersuchtes Risiko besteht. Damit ergibt sich, dass CJD nicht ansteckend im üblichen Sinne, aber übertragbar ist. Für Ärzte und Pflegepersonal ist im persönlichen Umgang mit Erkrankten keine Infektion zu befürchten. • Bei invasiven Maßnahmen, z. B. Blut- oder Liquorentnahme, EMG oder operativen Maßnahmen, ist bei Verdacht oder gesicherter Diagnose von CJK große Vorsicht vor Selbstverletzung geboten. • Nur die ausschließliche Verwendung von Einmalmaterialien bietet die sichere Gewähr, dass eine Krankheit nicht auf andere Patienten übertragen werden kann. • Zur Wiederverwendung vorgesehene MP sind vor der Sterilisation risikoabhängig zusätzlich effektiven Dekontaminationsverfahren zu unterziehen (Kap. 3.3). 5.8.2 Antimikrobielle Maßnahmen bzw. Verfahren aus neurologischer Sicht Hautantiseptik. Vor jedem Einstich in die Haut ist die Antiseptik erforderlich (Kap. 2.2.3), wobei abhängig vom Eingriff sterilisierte oder sterile Tupfern zu verwenden sind. Für Peridural-/Spinalanästhesie mit Katheteranlage bzw. Anlage eines Periduralkatheters zur Schmerztherapie sind sterile Tupfer, steriles HautantiseptikNeurologie NeurologieHautantiseptikAbdeck- oder Lochtuch, sterile Handschuhe, MNS, steriler Kittel und OP-Haube zu verwenden (Morin et al. 2006). Bei länger liegendem Katheter sind alkoholbasierte Hautantiseptika mit remanentem Wirkstoffzusatz (CHX oder OCT) einzusetzen. Auf talgdrüsenreicher Haut, wie in der Schweißrinne des Rückens, ist vor lumbaler Liquorentnahme und vor der Diagnostik mit Nadelelektroden die verlängerte und für das ausgewählte Antiseptikum deklarierte Einwirkungszeit zu beachten (jeweils aktuelle Desinfektionsmittelliste des VAH). Nach aktuellen Erkenntnissen kann die Einwirkzeit abhängig vom Präparat auf 2,5 oder 3 min begrenzt werden (Hübner et al. 2011b; Kampf et al. 2007). Vor dem Aufbringen von Oberflächenelektroden ist keine Antiseptik erforderlich. Aseptik. Die überlegte adäquate AseptisNeurologie NeurologieAseptikVorbereitung der Lumbalpunktion unter Anwendung aseptischer Arbeitstechniken und die zu Beginn durchgeführte hygienische Händedesinfektion helfen, Infektionen vorzubeugen. Die Vorbereitung muss durch geschultes Personal erfolgen. Der Kontaminationsvermeidung dient das Arbeiten mit freien Unterarmen. Es konnte der Zusammenhang zwischen der Kontamination des Areals aus der Mundhöhle vor der Lumbalpunktion mit nachfolgender Meningitis nachgewiesen werden (Pandian et al. 2004; Veringa, van Belkum und Schellekens 1995). Erfolgt die Vorbereitung des Zubehörs auf einer Arbeitsfläche, muss diese zuvor wischdesinfiziert bzw. bei Punktionen, die einen Wechsel und ein zwischenzeitliches Ablegen steriler Instrumente erfordern, zusätzlich steril abgedeckt werden. • Für die Lumbalpunktion müssen sterile Handschuhe und ein MNS getragen werden. • Aus Gründen des Selbstschutzes ist das Tragen von Schutzhandschuhen bei der neurophysiologischen Diagnostik mit Nadelelektroden zur Vermeidung von durch Blut übertragbaren Infektionen routinemäßig zu empfehlen. Aufbereitung von Medizinprodukten: Oberflächenelektroden MedizinprodukteaufbereitungNeurologie NeurologieMedizinprodukteaufbereitungwerden nach jedem Patienten von der verbliebenen Elektrolytpaste gereinigt und eine Wischdesinfektion durchgeführt. Bei Patienten mit floriden bakteriellen oder viralen Infektionen wird empfohlen, Oberflächenelektroden sorgfältig zu reinigen und, wenn es das Elektrodenmaterial ermöglicht, unter Beachtung von Konzentration und Einwirkzeit der VAH-Liste mit einem Instrumentendesinfektionsmittel zu desinfizieren. Bei Infektionen mit unbehüllten Viren sind viruzide Mittel zu verwenden. Wenn die Elektrode nicht zu desinfizieren ist, muss sie entsorgt werden. Bei bestätigter oder ungeklärter Diagnose sind kritische und semikritische MP CJD-spezifisch aufzubereiten oder zu verwerfen (Kap. 3.3). Nadeln für Akupunktur, Myografie und Nervenleitgeschwindigkeitsmessung sind wegen des CJD-Risikos grundsätzlich als Einwegmaterial zu empfehlen. Distanzierung bei Meningoenzephalomyelitis: Grundsätzlich Meningoenzephalomyelitis, Isolierung IsolierungMeningoenzephalomyelitisrichtet man sich zunächst nach dem potenziellen Erreger, bei dem die strengsten Isolierungsmaßnahmen notwendig sind. Nach Klärung der Ätiologie sind die Maßnahmen dem nachgewiesenen Erreger anzupassen (Tab. 5.20 ). Tab. 5.20 Isolierungsempfehlungen bei Meningitiden/Enzephalitiden Reich Erreger Isolierung Schutzkittel, Handschuh1 MNS Haarschutz Wirkungsspektrum für die Desinfektion Aufhebung der Isolierung Unbekannt + + + + Viruzid Nach Diagnose fehlender Übertragung Bakterien N. meningitidis + + + + Bakteriozid 24 h nach Therapiebeginn S. pneumoniae (+) – – – B. burgdorferii, L. monocytogenes, E. coli, H. influenzae – + – – M. tuberculosis Nur bei offener Tbc + + + Tuberkulozid Bei offener Tbc bis neg. Sputumbefund Pilze C. neoformans 2 – – – – Fungizid Behüllte Viren Herpes-simplex-Virus Typ-I und II, Varicella-Zoster-Virus, Epstein-Barr-Virus – + – – Begrenzt viruzid HIV – + – – Achtung bei profuser Diarrhö Influenza3 + + + + 7 Tage nach Erkrankungsende Masern3 + + + + Nach Erkrankungsende Mumps3 + + + + Nach Erkrankungsende Tollwut + + – Während der Erkrankung Flaviviren wie z. B. FSME-, Dengue- oder West-Nil-Virus, Lymphozytäre-Choriomeningitis-Virus (LCM-Virus) und weitere durch Athropoden-übertragene (Arbo-)Viren wie z. B. Sandfliegenfieber (Toskana), – – – – Unbehüllte Viren Adenoviren +2 + + + Viruzid Nach Erkrankungsende Enteroviren (Coxsackie A und B, Echo, Enterovirus 71, Polio) – + – – Nach Erkrankungsende Parvovirus B192 – – – – Kein Kontakt zu nicht immunen Schwangeren Prionen CJD4, vCJD4 – Bei Lumbalpunktion Bei Verunreinigung mit Liquor u. Ä. Guanidinthiocyanat Während der Erkrankung Protozoen T. gondii – – – – Würmer ZystizerkoseToxocariasis – – – – Gründliche Händewaschung nach operativer Entfernung 1 Bei erwartetem Kontakt 2 Kein Kontakt zu Immunsupprimierten 3 Geimpftes bzw. immunes Personal einsetzen (+) keine Pflege durch Ungeimpfte > 60 Jahre 4 Bei Verletzung mit Expositionsrisiko Wunde mit 1 M NaOH auswaschen, danach gründlich unter fließendem Wasser spülen Grundsätzlich ist insbesondere bei klinischen Hinweisen auf eine Genese durch Pneumo- und Meningokokken zunächst eine Einzelunterbringung des Patienten notwendig. Als Schutz vor DistanzierungsmaßnahmenMeningoenzephalomyelitisKontamination müssen MNS, Schutzkittel und Handschuhe bei möglichem Kontakt mit erregerhaltigem Material, mit kontaminierten Objekten oder mit der erkrankten Person angelegt werden. Zur Desinfektion von Instrumenten, Flächen und Wäsche sollen Desinfektionsmittel und -verfahren mit dem Wirkungsbereich B angewandt werden (Kap. 2.4). Für die hygienische Händedesinfektion sind bis zur Diagnoseklärung viruzide Präparate auszuwählen. Bei allen routinemäßigen Desinfektionsmaßnahmen und bei der Schlussdesinfektion ist jeweils die Konzentration für die Einwirkungszeit von 1 Stunde einzusetzen. 5.9 Intensivmedizin Matthias Gründling, Sven-Olaf Kuhn, Konrad Meissner und Axel Kramer Nosokomiale Infektionen (NI) limitieren, insbesondere wenn sie zur Sepsis führen, häufig den Erfolg intensivmedizinischer Bemühungen. 5.9.1 Epidemiologie Nach der Infektionen, nosokomialeIntensivstation Infektionen, nosokomialeEpidemiologie IntensivstationGesundheitsberichterstattung des Bundes treten in Deutschland auf Intensivstationen (ITS) jährlich > 60 000 NI auf (Geffers, Gastmeier und Rüden 2002). Bei den neuesten Daten der Extended Prevalence of Infection in Intensive Care (EPIC II) Study (7. Mai 2007) auf 1 265 Intensivstationen aus 75 Ländern (Vincent et al. 2009), bei denen nicht zwischen nosokomialen und nichtnosokomialen Infektionen unterschieden wurde, wurden von 13 796 gescreenten Intensivpatienten 51 % als infiziert eingestuft. Am häufigsten waren Infektionen des Respirationstrakts (64 % der infizierten Patienten), gefolgt von abdominalen Infektionen (20 %), Blutstrominfektionen (15 %) und HWI (14 %). Bei 70 % der Infektionen gelang ein Erregernachweis, dabei handelte es sich in 62 % der Fälle um gramnegative, in 47 % der Fälle um grampositive Bakterien und in 17 % um Pilze. Bei der EPIC Study 15 Jahre zuvor waren 45 % der Patienten infiziert, wobei bei 23 % eine auf der ITS erworbene Infektion vorlag (Vincent et al. 1995). Atemwegsinfektionen waren mit 65 % am häufigsten, gefolgt von Harnwegs- (18 %) und Blutstrominfektionen (12 %). Die am häufigsten nachgewiesenen Erreger waren Enterobacteriaceae (34 %), S. aureus (30 %), P. aeruginosa (29 %), KNS (19 %) und Pilze (17 %). 5.9.2 Pathophysiologie Das Infektionen, nosokomialePathophysiologie IntensivmedizinEntstehen von NI auf der Intensivmedizin ist durch verschiedene Faktoren bedingt. Durch Grunderkrankungen oder die akute lebensbedrohliche Situation (OP, Trauma, Herzinfarkt) existiert eine eingeschränkte Immunkompetenz des kritisch kranken Patienten. Diese trifft auf eine Vielzahl invasiver diagnostischer und therapeutischer Verfahren, die physiologische Barrieren durchbrechen. Die besondere hygienische und mikroökologische Situation auf einer ITS (Häufung infizierter Patienten, massiver Einsatz von Breitspektrumantibiotika, enger Kontakt zwischen Personal und Patient) begünstigt zusätzlich das Entstehen von NI. In der Regel geht der Infektion eine Kolonisation primär nicht kolonisierter Areale voraus. Diese kann durch endogenen Erregertransfer, Selektion und Übergewicht potenziell pathogener Erreger der patienteneigenen Flora (Oropharynx, Gastrointestinal-, Urogenitaltrakt) oder durch exogene Übertragung entstehen. Wird das Gleichgewicht zwischen Immunkompetenz und Erregerlast gestört, kommt es zur NI. 5.9.3 Diagnostik von NI in der Intensivmedizin Die Infektionen, nosokomialeDiagnostik IntensivmedizinInfektionsdiagnostik gestaltet sich im Einzelfall schwierig, da zwar oft klassische Infektionssymptome vorhanden sind, diese aber durchaus eine nichtinfektiöse Ursache haben können. Der Nachweis von Bakterien in primär sterilen Arealen gestattet noch keine ausreichende Differenzierung zwischen Infektion und Kolonisation. Da die adäquate Therapie über das Outcome des infizierten Patienten entscheidet (Kumar et al. 2009), müssen vor dem schnellen Beginn der antiinfektiven Therapie Blutkulturen und mikrobiologisches Material vom vermuteten Infektionsort gewonnen werden (O'Grady et al. 2008). Infektionssymptome wie Fieber, Bewusstseinsstörungen und Kreislaufdepression können beim Intensivpatienten oft nicht infektiöse Ursachen haben. Andererseits sollte bei derartigen Symptomen bis zum Ausschluss immer an eine NI gedacht werden. Hilfreich ist neben apparativen Verfahren wie Röntgen, Sonografie und CT die Bestimmung von EntzündungsparameternEntzündungsparameter (Burillo und Bouza 2014). Bei der Diagnostik lebensbedrohlicher Infektionen bietet Procalcitonin (PCT) wegen vergleichsweise guter Sensitivität und Spezifität Vorteile gegenüber dem CRP und dem Leukozytengehalt im Blut (Hetherill et al. 1999). Entscheidend für die Wahl des Infektionsparameters ist zudem die Kinetik der Marker. Während Interleukin-6 in den ersten Stunden einer Infektion bzw. Entzündung erhöht ist und dann schnell wieder abfällt, werden PCT nach 6 h und CRP nach 24 h signifikant ansteigen und länger erhöht bleiben (Meisner, Adina und Schmidt 2006). Für schwere Infektionen scheint PCT daher der am besten geeignete Parameter zu sein. Ausreichende klinische Daten liegen jedoch bisher nur für die ambulant erworbene Pneumonie vor (Christ-Crain et al. 2004; Christ-Crain und Muller 2014). Für die klinische Routine empfiehlt sich die Diagnosestellung strikt nach Definitionskriterien in Kombination mit einer PCT-Bestimmung. Beispielhaft sei die Pneumoniediagnostik erwähnt (Kap. 4.4.3). 5.9.4 Allgemeine Maßnahmen zur Prävention nosokomialer Infektionen in der Intensivmedizin Händehygiene Die IntensivstationHändehygiene HändehygieneIntensivmedizin IntensivstationInfektionsprävention IntensivstationHygienemaßnahmenDurchsetzung indizierter Händehygiene vermeidet die Übertragung der wichtigsten nosokomialen Krankheitserreger, was für Intensivpatienten besondere Bedeutung besitzt. Wichtig ist, dass vor und nach jedem Patientenkontakt sowie nach Kontakt mit Sekreten oder den dem Patienten zugeordneten Flächen (Bett, Spritzenpumpe, Monitor usw.) eine Händedesinfektion erfolgt. Außerdem ist die Händedesinfektion vor allen aseptischen Tätigkeiten erforderlich auch wenn dabei saubere Einmalhandschuhe zum Personalschutz getragen werden. Auch nach dem Ablegen von Handschuhen soll eine Händedesinfektion erfolgen. Wegen der Hautbelastung ist Händewaschen nur bei Verschmutzung der Hände bzw. Kontamination mit Bakteriensporen wie C. difficile zusätzlich zur Händedesinfektion durchzuführen (ansonsten Risiko der Umfeldkontamination mit anderen Erregern + schlechtere Hautverträglichkeit + beeinträchtigte Wirkung durch Restfeuchte). Im Griffbereich jedes Patienten und am Zutritt zur Station ist ein Desinfektionsmittelspender vorzusehen, um die Händedesinfektion für jeden Eintretenden einschließlich Besucher zu ermöglichen, und durch ein Piktogramm auf die Benutzung aufmerksam zu machen. Distanzierung Mit der Zunahme von MRE kommt der Einhaltung der DistanzierungIntensivmedizin IntensivstationDistanzierung IsolierungIntensivmedizin IntensivstationIsolierungDistanzierungsmaßnahmen, insbesondere der Isolierung (Kap. 2.11) sowie der Gewährleistung von Aseptik (Barrierepflege, Schutzhandschuhe, Non-Touch-Technik, Schutzkleidung) und Antiseptik, besondere Bedeutung zu. Räumliche und personelle Voraussetzungen beeinflussen die NI-Rate, weil der auf einer ITS häufige enge Kontakt zwischen Personal und Patient insbesondere bei Pflegemaßnahmen eine erhebliche Gefahr der Erregerübertragung birgt. Personelle Voraussetzungen: Ein nicht angemessener Pflegeschlüssel geht mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einher (Hugonnet. Chevrolet und Pittet 2007; Needleman et al. 2002, Spigaglia et al. 2009). Bei aufwendiger Intensivtherapie sind nach den Richtlinien der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (1979) 3 Pflegekräfte/Patient anzustreben. Der beste Personalschlüssel gibt keine Garantie für eine effektive Infektionsprophylaxe, wenn das Personal nicht geschult ist. Bauliche Anforderungen: Die Abtrennung Isolierungbauliche Anforderungender Station mittels Schleuse bringt keinen infektionspräventiven Nutzen (Pitten, Wackerow und Wendt 2001). Eine ITS ist so zu gestalten, dass ausreichend separate Vorbereitungsräume, Entsorgungs- und Lagerräume vorhanden sind. Neben den räumlichen Voraussetzungen müssen die hygienischen Anforderungen an die Intensivtechnik beachtet werden (Beachtung der Desinfizierbarkeit von Oberflächen, ggf. Sterilisierbarkeit von Geräteelementen und Reduktion von Kabelverbindungen, Tastaturen und Bedienelementen mit oder ohne Touchscreen bei der Geräteauswahl). Bei der Neuplanung von Intensiveinheiten empfiehlt es sich, mindestens die Hälfte der Zimmer als Einbett- und die übrigen als Zweibettzimmer vorzusehen. Ideal sind Lösungen mit beweglichen Zwischenwänden. Einzelzimmer mit vorgeschalteten Schleusen ermöglichen die Isolierung von Patienten mit MRE, offener Tuberkulose, Virusgrippe oder ausgedehnten Wundflächen. Zur Umkehrisolation stark abwehrgeschwächter Patienten (z. B. lang anhaltende Granulozytopenie und Sepsis, andere Komplikationen nach Stammzelltransplantation) muss die RLTA die Luftzirkulation von innen nach außen sicherstellen (leichter Überdruck im Isolationszimmer). Ansonsten reduziert ein leichter Unterdruck, im einfachsten Fall durch Luftabführung in der Sanitärzelle, den Erregertransfer nach außen. Je nach Lage der Räume kann bei Ausstattung der Fenster mit Fliegengaze die zusätzliche Möglichkeit der Fensterlüftung erwogen werden, sofern aufgrund der Umgebung nicht mit einem Eintrag von Aspergillus-Sporen zu rechnen ist. Die Zimmer selbst müssen so groß sein (> 20 m2), dass die intensivmedizinische Ausstattung (z. B. Beatmungsgerät, Infusionspumpe) ohne hygienische Risiken bedient werden kann, d. h. bei der Bedienung bettseitiger Technik der Kontakt mit dem Patientenbett vermieden wird. Das betrifft auch den Bettenabstand zur Wand. Um auf die Notwendigkeit der Desinfektion patientennaher Flächen aufmerksam zu machen, sollten diese bereits herstellerseitig mit einer Warnfarbe (z. B. gelb) markiert werden. Bei Kontamination von Flächen z. B. mit Blut, Sputum, Wundsekret u. Ä. hat die umgehende Beseitigung mit Schutzhandschuh und desinfektionsmittelgetränktem Tuch zu erfolgen. Auf der Station müssen ausreichende Arbeitsflächen zur aseptischen Zubereitung vorhanden sein. Sofern nicht elektiv planbare iv. Infusate auf der ITS hergestellt werden sollen, kann das als Kompromisslösung für Nicht-CMR Arzneimittel in einer LAF Werkbank gemäß DIN 12469-Klasse 2 in einem separaten Raum mit ausschließlich geschultem Personal (n=2) durchgeführt werden. Hierzu ist ein detaillierter Standard gemeinsam mit der Krankenhaushygiene festzulegen (Kap. 6.8.1). Allerdings sollten elektiv planbare Mischlösungen zur total parenteralen Ernährung in der Apotheke in LAFs unter Reinraumbedingungenen von Fachpersonal hergestellt werden. Auch eine desinfizierende Reinigung der Fußböden wird in Hochrisikobereichen – wie allen ITS – von der KRINKO empfohlen (Kap. 2.5). Auf der ITS müssen mikrobielle Umweltreservoire eliminiert werden (z. B. Blumenvase, Waschlotion, Tee u. a. Lebensmittel) Abnahmestellen für Wasser zum menschlichen gebrauch (Wasserhähne, Duschköpfe) sollten mit 0,2 mm Bakterienfiltern versehen sein, wenn das Wasser für die Pflege von ITS Patienten genutzt wird. Der Einsatz von selbstdesinfizierenden Siphons kann erwogen werden. (Kap. 6.6.2). Screening Intensivstationen IntensivstationMRSA-Screening MRSA-ScreeningIntensivmedizinhaben die höchste Prävalenz v. a. von MRSA und Glykopeptid-intermediär-sensiblem S. aureus (GISA), der zunehmend für Therapieversagen verantwortlich ist. Deshalb ist auf der ITS ein generelles MRSA-Aufnahmescreening mittels PCR mit Kontaktisolierung bis zum negativen Befund notwendig (Kalenic et al. 2010; Kramer et al. 2010a; Simon et al. 2009a; Wilson et al. 2006). In Verbindung mit einer konsequenten Dekolonisierung der MRSA-Träger kann die MRSA-Prävalenz auch klinikweit gesenkt werden und erwies sich als kosteneffektiv (Trautmann 2008; Kap. 3.7.4). Wird der Patient bereits bei Aufnahme mit einem MRSA-wirksamen Antibiotikum behandelt, kann das Screening nur mittels PCR durchgeführt werden. Rationale Antibiotikatherapie Antibiotikaanwendung IntensivstationAntibiotikatherapie AntibiotikatherapieIntensivmedizin und -auswahl sind wegen des häufigen Einsatzes und der Häufung von MRE in der Intensivmedizin besonders relevant. Darüber hinaus wirkt sich der inadäquate Umgang mit Antibiotika an einem Klinikum auf die Intensivstationen besonders ungünstig aus. Insofern müssen alle Fachrichtungen dazu beitragen, durch rationalen Umgang mit Antibiotika die Probleme in der Intensivmedizin zu reduzieren (de Wit et al. 2013). Grundlage des rationalen Umgangs mit Antibiotika muss eine Antibiotikarichtlinie mit verbindlicher Regelung allgemeiner Grundsätze und lokaler Besonderheiten sein. Sie sollte mindestens alle 3 Jahre aktualisiert werden. Kernpunkte sind die sofortige, kalkulierte, hochdosierte und frühzeitige i. v. Gabe eines Breitspektrumantibiotikums bei Verdacht auf eine schwerwiegende Infektion ebenso wie eine (bis auf wenige Ausnahmen) auf 7–10 d begrenzte Behandlungsdauer. Die Auswahl der für die empirische/kalkulierte Therapie am besten geeigneten Antibiotika richtet sich nach dem nachgewiesenen oder vermuteten Infektionsherd, der Antibiotikaanamnese des Patienten, der lokalen Resistenzsituation am Klinikum, pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Aspekten sowie den durch die Behandlung zu erwartenden Nebenwirkungen. Jede begonnene Antibiotikatherapie sollte alle 48–72 h anhand klinischer und mikrobiologischer Kriterien neu evaluiert werden. Oft liegen zu diesem Zeitpunkt Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik vor, die eine Deeskalation der initial sehr breit wirksamen Therapie möglich machen. Jede nicht gerechtfertigte Antibiotikatherapie sollte sofort beendet werden. Die nicht indikationsgerechte Gabe von Breitspektrumantibiotika führt unweigerlich zu vermehrter Resistenzentwicklung und zu einem Selektionsvorteil für MRE. Vor der kalkulierten Antibiotikatherapie sollte ohne Zeitverzug unbedingt der Versuch der Erregerisolierung aus dem bekannten oder vermuteten Infektionsherd erfolgen. Die isolierten Erreger sind eine der Grundlagen für die Deeskalation oder Umstellung der Therapie (Kap. 4.4.4). Wesentlich für die weitere Behandlung sind die Veränderung des klinischen Zustands und die Kinetik der Entzündungsparameter (Kap. 5.9.3). Es konnte für Intensivpatienten mit lebensbedrohlichen Infektionen gezeigt werden, dass bei identischem Outcome in der Gruppe, bei der die Antibiotikatherapie mittels PCT gesteuert wurde, signifikant weniger Antibiotika verabreicht wurden (Bouadma et al. 2010). Der rationale Antibiotikaeinsatz kann sowohl beim einzelnen Patienten sekundär endogene Infektionen reduzieren helfen als auch das infektiologische Geschehen allgemein positiv beeinflussen. Surveillance Aufgrund SurveillanceIntensivmedizin IntensivstationSurveillanceder Relevanz von NI für das Outcome des Patienten sind nach § 23 IfSG Intensivstationen verpflichtet, mindestens eine NI zu erfassen. Die dafür bedeutsamste ist die nosokomiale bzw. beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP). Schon die Einführung der Surveillance trägt zur Reduzierung der NI-Rate bei (Haley et al. 1985), weil die Aufmerksamkeit für das Problem erhöht wird und die Ergebnisse Basis für anschließende Interventionen sind. Für die Intensivmedizin kommen als zu überwachende Infektionen die beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) (KRINKO 2013a) und die primäre ZVK-assoziierte Sepsis (CABSI) infrage. Aus- und Fortbildung Der Effekt strukturierter Schulungsprogramme auf die NI-Rate ist für Gefäßkatheter-assoziierte Blutstrominfektionen (CABSI) und verbesserte Händehygiene nachgewiesen (Kap. 2.1, Kap. 4.2.4). In die Ausbildung des Intensivpersonals werden zunehmend Trainingseinheiten an Simulatoren implementiert, für die eine Reduktion der Komplikationen bei Katheteranlage und von CABSI nachgewiesen wurde (Barsuk et al. 2009). Auch für die VAP ist die Wirksamkeit von Ausbildungsprogrammen und des Einsatzes speziell geschulten Personals bezüglich Reduktion von Pneumonie, Beatmungsdauer und Intensivverweildauer belegt (Babcock et al. 2004; Zack et al. 2002). Ebenso existieren für die Sepsis als häufigste Todesursache in der Intensivmedizin zunehmend Daten über den die Sterblichkeit reduzierenden Effekt von Ausbildungsprogrammen (Kap. 4.5.3). In den Empfehlungen der CDC werden Personalschulung, Aus- und Fortbildung als infektionspräventive Maßnahme in den höchsten Evidenzgrad eingestuft. 5.9.5 Spezielle Infektionsprophylaxe Beatmungsassoziierte Pneumonie Die Pneumonie, beatmungsassoziierteProphylaxebeatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) ist bei beatmeten Intensivpatienten die am häufigsten erworbene NI. Ihre klinische Bedeutung beruht darauf, dass sie die häufigste Sepsisursache ist, die Mortalität von Intensivpatienten signifikant erhöht und die Dauer der maschinellen Beatmung sowie des Intensiv- und Krankenhausaufenthalts verlängert. In zahlreichen Empfehlungen wird auf die Prävention der VAP eingegangen (Dodek et al. 2004; Rotstein et al. 2008; Tablan et al. 2004). Zielführend ist die aktuelle Empfehlung der KRINKO zu diesem Thema (KRINKO 2013a). Die beste Prophylaxe ist die Verhinderung der Beatmung z. B. durch nicht invasive Atemunterstützung bei hierfür geeigneten Patienten. Unabhängige Risikofaktoren sind höherer SOFA-Score bei Aufnahme auf die ITS, Länge der mechanischen Beatmung sowie schlechter Ernährungsstatus (Zahar et al. 2009). Eine effektive Prophylaxe reduziert nicht nur Morbidität und Mortalität von Intensivpatienten, sie führt auch zur erheblichen Reduktion der Behandlungskosten. Surveillance und Personalschulungen zählen auch bei VAP zu den effektiven Prophylaxeregimen (Zack et al. 2002). Maßnahmen wie Händedesinfektion vor und nach jedem Kontakt mit der Beatmungseinheit sowie (zusätzlich zu den Einmalhandschuhen) mit Sekreten des Respirations- und Oropharyngealtrakts sind Standard der Pneumonieprophylaxe. Insbesondere bei Kolonisation mit MRE müssen die Patienten isoliert werden, da die Übertragung mit anschließender Kolonisation des Oropharynx eine der Ursachen für die Entstehung der VAP ist. Vor Operationen sollten der prä- und perioperative Zustand optimiert werden. Neben optimalem Ernährungszustand sowie Beachtung der Hygienestandards bei Intubation und Beatmung während der Narkose sind die effektive perioperative Schmerztherapie mit nicht sedierenden Medikamenten und der Einsatz regional schmerzausschaltender Anästhesieverfahren zu bevorzugen. Ist die maschinelle Beatmung unvermeidbar, sollte sie so kurz wie möglich durchgeführt werden. Aufwachversuche und anschließende Adaptation der Sedierung reduzieren die Beatmungsdauer und somit die VAP-Rate. Maßnahmen, die zu andauernder Alkalisierung des Magensafts führen, wie Gabe von H2-Blockern und Protonenpumpenhemmern zur Stressulkusprophylaxe sowie die kontinuierliche Ernährung über eine Magensonde, sollten auf das Mindestmaß beschränkt werden. Die enterale Ernährung soll an die Peristaltik adaptiert sein und bei Subileuszuständen über eine Jejunalsonde erfolgen, um die Gefahr der Aspiration zu minimieren. Bei Verdacht auf Schluckstörungen und bei tracheotomierten Patienten ist vor oraler Nahrungszufuhr mittels Schluckdiagnostik die Gefahr der Aspiration auszuschließen. Bei Schluckstörungen sollte die enterale Ernährung über eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) erfolgen. Bei geeigneten Patienten ist die nicht invasive Maskenbeatmung der endotrachealen Intubation und Beatmung vorzuziehen. Die invasive Beatmung sollte über einen orotrachealen Tubus erfolgen. Nasotracheale Tuben gehen mit höherer Sinusitisrate einher, die wiederum mit einer höheren Pneumonierate assoziiert ist. Ob die frühe Tracheotomie die VAP-Rate reduziert, ist nicht abschließend geklärt. Die subglottische Absaugung und Drainage über spezielle Tuben ist geeignet, die VAP-Rate zu reduzieren. Mundhöhlenantiseptik mit CHX reduziert die Häufigkeit von früh manifesten Pneumonien bei kardiochirurgischen Patienten. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass durch selektive Darmdekontamination (SDD) die Rate nosokomialer Pneumonien und die Letalität beatmeter Intensivpatienten reduziert werden kann, in der aktuellen KRINKO Empfehlung wird die SDD jedoch vor dem Hintergrund der zunehmenden Prävalenz von MRGN kritisch hinterfragt (Kap. 2.10.12). Die bevorzugte Lagerung des Oberkörpers in 45°-Position wird von der KRINKO Empfehlung nicht mehr zur Pneumonieprophylaxe empfohlen. Mittels Lagerungsmaßnahmen und Anwendung kinetischer Betten kann zwar eine Reduktion der Pneumonierate, nicht aber der Sterblichkeit erreicht werden, eine generelle Empfehlung zur Prophylaxe der VAP kann daher nicht gegeben werden (Delaney et al. 2006). Beatmungsschläuche sollten (solange sie intakt und nicht grob verschmutzt sind) nicht häufiger als wöchentlich und nach jedem Patienten gewechselt werden. Zur Anfeuchtung sollten HME-Filter gegenüber aktiver Kaskadenbefeuchtung bevorzugt werden. Vor dem Umlagern der Patienten sind Kondensatrückstände aus dem Beatmungsschlauch zu entfernen (Sekretfalle). Ob Atemgymnastik bzw. Physiotherapie die VAP-Rate reduziert, ist nicht belegt. Zur Prophylaxe der VAP bietet die geschlossene endotracheale Absaugung keine Vorteile gegenüber der offenen, sie ist jedoch bei mit MRE besiedelten Patienten zu empfehlen, damit die Umgebungskontamination beim Absaugen reduziert wird (Jongerden et al. 2007). Durch Bündelung der Maßnahmen (sog. Bundles) wird der Erfolg der Infektionsprävention optimiert. Das am besten Bündelstrategieuntersuchte Bundle zur VAP-Prävention umfasst Training, Händehygiene, Schräglagerung, antiseptische Mundpflege, Verzicht auf Sedierung, Prophylaxe tiefer Venenthrombosen und peptischer Ulzera, Einhaltung des Beatmungs-Weaning-Protokolls und ggf. eine kontinuierliche subglottische Sekretabsaugung über einen speziellen Tubus (Resar et al. 2005). Gefäßkatheter-assoziierte Blutstrominfektion (CABSI) Während Blutstrominfektion, gefäßkatheterassoziierteProphylaxebei peripheren Venenzugängen und arteriellen Kathetern NI von untergeordneter Bedeutung sind, stellen zentrale Gefäßkatheter wie ZVK und Rechtsherzkatheter (Pulmonalarterienkatheter) ein nicht unerhebliches Infektionsrisiko dar. Etwa 80 % aller primären Bakteriämien sind einem zentralen Gefäßkatheter assoziiert (CABSI) Den KISS-Surveillance-Daten zufolge war 2005 von 1,5 CRBSI/1 000 Kathetertagen (entspricht 8 400 Infektionen/Jahr) auszugehen, einem europäischen Survey zufolge wird eine Häufigkeit von 1–3,1 CRBSI/1 000 Kathetertage angenommen (Suetens et al. 2007). Durch regelmäßige Fortbildung des Personals müssen Indikationen, sachgerechte Anlage, Pflege und Infektionskontrollmaßnahmen zur Prävention von CABSI vermittelt werden. Infektionswege können intraluminal, Blutstrominfektion, gefäßkatheterassoziierteInfektionswegeextraluminal und hämatogen sein. Ätiologisch kommen v. a. CoNS, S. aureus, Enterococcus spp., Corynebacterium spp., gramnegative Erreger wie E. coli oder P. aeruginosa und C. albicans in Betracht. Die Infektionsrate verschiedener Punktionsstellen für ZVK wurde offenbar nie randomisiert untersucht. Die Punktion der V. subclavia zeigt in einigen Untersuchungen die geringste Kolonisations- bzw. Infektionsrate im Vergleich zur V. jugularis bzw. V. femoralis (Nagashima et al. 2006; Templeton et al. 2008). Die Anzahl der Lumina erhöht die Infektionsrate; nicht benötigte Lumina sollten unter aseptischen Kautelen mit steriler 0,9-prozentiger NaCl-Lösung oder mit einer antimikrobiell wirksamen Blocklösung geblockt werden. Die Katheteranlage ist unter hygienisch optimierten Bedingungen wie auf der ITS bzw. im OP mit einer niedrigeren Kolonisationsrate verbunden. Shaldon-Katheter können bei schlanken, normalgewichtigen IST-Patienten auch in die Vena femoralis (Leiste) gelegt werden. Die Anlage hat streng aseptischGefäßkatheterAnlage unter maximalen Barrierevorkehrungen nach einem für alle gültigen Standard zu erfolgen, der mithilfe einer Checkliste überprüft werden kann. Nach Händedesinfektion werden Kopfbedeckung, MNS, steriler Kittel und sterile Einmalhandschuhe angezogen, das Punktionsgebiet wird großflächig mit Hautantiseptikum (Alkohol plus remanenter Wirkstoff) benetzt und mit einem ausreichend großen sterilen Lochtuch abgedeckt. Das Lochtuch soll so groß bemessen sein, dass eine Kontamination des Führungsdrahtes sicher vermieden wird (Seldinger-Technik). Vor der Punktion kann eine zweite Antiseptik der Einstichstelle erfolgen (wieder mit Abwarten der Einwirkzeit). Bei ultraschallgestützter Punktion ist der Ultraschallkopf steril zu verpacken. Die Katheterinsertionsstelle wird entweder GefäßkatheterInsertionsstelle, Pflegemit steriler Gaze oder mit einem sterilen, transparenten (semipermeablen) Folienverband abgedeckt. Während bislang für die wiederholte Antiseptik an der Insertion venöser oder arterieller Katheter kein infektionspräventiver Effekt nachgewiesen werden konnte, gibt es Hinweise für die Effektivität beim ZVK. Sowohl durch 0,1-prozentiges OCT/30-prozentiges Propan-1-ol + 45-prozentiges Propan-2-ol als auch durch 74-prozentiges Ethanol/10-prozentiges Propan-2-ol war eine signifikante Reduktion der Mikroflora an der Katheterinsertionsstelle nachweisbar, wobei OCT/Propanol über 24 h effektiver war (Dettenkofer et al. 2002). Eine Metaanalyse von 6 randomisierten Studien, die unterschiedliche Zusammensetzungen aus CHX und 10-prozentigem PVP-Iod in ihrer Eigenschaft zur Prävention katheter-assoziierter Infektionen beurteilte, zeigte die Überlegenheit von CHX (Chaiyakunapruk et al. 2002). Analysiert man diese Metaanalyse genauer, ergibt sich jedoch lediglich für die Studien, in denen CHX in alkoholischer Lösung eingesetzt wurde, eine Überlegenheit gegenüber den Interventionsgruppen, in denen 10-prozentiges PVP-Iod allein eingesetzt wurde. Durch Einsatz von chlorhexidinbeschichteten Schwämmen als Verband (sog. Biopatch™) kann eine weitere Reduktion von Kolonisation und CRBSI erreicht werden (Raad, Hanna und Maki 2007, Timsit et al. 2009). Inzwischen gibt es auch einen CHX-freisetzenden transparenten Folienverband (Scheithauer et al. 2014; Timsit et al. 2012). Auch durch eine tägliche Ganzkörperwaschung mit CHX-haltigen Tüchern wurden in der internistischen Intensivtherapie die Raten ZVK-assoziierter Blutstrominfektionen und positiver Blutkulturen signifikant reduziert (Popovich et al. 2009). Ob dies bei konsequenter Anwendung anderer evidenzbasierter Präventionsmaßnahmen und ggf. zusätzlch zu einem CHX-freisetzenden Verband an der Eintrittsstelle von Vorteil ist, wird kontrovers diskutiert. Es ist zu berücksichtigen, dass bisher fast alle Studien zur Infektionsprävention bei Intensivpatienten mittels Antiseptik bzw. Imprägnierung mit CHX durchgeführt wurden, weil OCT-haltige Antiseptika bisher in angloamerikanischen Ländern nicht verbreitet sind. Bezüglich Nutzen-Risiko-Bewertung sind OCT-haltige Antiseptika zur Insertion (zusammen mit Isopropanol) und Pflege (mit Phenoxyethanol) der ZVK-Eintrittsstelle ebenfalls gut geeignet. Die tägliche Reevaluation der Notwendigkeit des Gefäßzugangs trägt entscheidend zur Verhinderung von CABSI bei. Zur Vermeidung von CABSI ist die Beachtung von Empfehlungen im Umgang mit Infusionen und Infusionssystemen essenziellBlutstrominfektion, gefäßkatheterassoziierteInfusionssysteme. Fetthaltige Lösungen (sog. 3-in-1-Lösungen) sollten in 24 h einlaufen, reine Lipidlösungen in 12 h und Blut bzw. Blutprodukte in 6 h. Die aktuellen Empfehlungen legen ein Wechselintervall für Infusionssysteme von 72–96 h bzw. für reine Lipdlösungen von 24 h fest. Bei lipidhaltigen Medikamenten (z. B. Propofol) sind die entsprechenden Angaben in der Fachinformation zu beachten. Für die Verwendung antibiotika- bzw. antiseptikaimprägnierter Katheter kann derzeit keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden. Der zeitlich befristete Einsatz aus individualmedizinischen Erwägungen (Patienten mit sehr hohem Risiko, z. B. Brandverletzte) oder bei anhaltend hohen CABSI-Raten kann erwogen werden. Bei Einhaltung des Präventionsbundles bleibt offen, ob sich ein zusätzlicher Effekt sichern lässt (Hockenhull et al. 2009). Die Blockung von ZVK-Lumina mit Antibiotika kann derzeit nicht generell empfohlen werden ggf. sollten hierzu aus infektionspräventiven Gründen eher Ethanol oder Taurolidin verwendet werden (Zacharioudakis et al. 2014). Mit der Bundle-Strategie (Marschall et al. 2014) Blutstrominfektion, gefäßkatheterassoziierteBündelstrategieist eine signifikante Reduzierung der CABSI-Rate erreichbar (Berenholtz et al., 2004, Berenholtz et al., 2014; Pronovost, Berenholtz und Needham 2008; Pronovost et al. 2006). Sie umfasst Training, Händehygiene, optimale Auswahl der Insertionsstelle, maximale Barrierevorkehrungen bei Anlage und Diskonnektion, Hautantiseptik mit CHX/Isopropanol (oder OCT/Isopropanol) sowie tägliche Überprüfung der Notwendigkeit mit rechtzeitiger Katheterentfernung. In den entsprechenden Studien wird die korrekte Umsetzung des Standards zur ZVK Anlage von einer Pflegefachkraft beobachtet und dokumentiert. Bei Abweichungen vom vereinbarten Vorgehen („Hygienefehler“) weist die beobachtende Person den Arzt darauf hin und darf die (fehlerhafte) ZVK-Anlage ggf. auch unterbrechen. Katheter-assoziierte Harnwegsinfektionen (HWI) Im Harnwegsinfektionen, katheter-assoziierteProphylaxeErgebnis der deutschen Prävalenzstudie des Kompetenznetzwerks Sepsis (SepNet) sind urogenitale Infektion mit 6,5 % bzgl. schwerer Sepsis prävalent. Die 2014 aktualisierte Leitlinie U. S.-amerikanischer Fachgesellschaften (Lo et al. 2014) fasst die aktuellen Empfehlungen zusammen. Darin wird u. a. auf die strenge Indikationsstellung für die Anwendung von Harnwegskathetern (HWK) hingewiesen (Kap. 4.3). Analog wie bei zentralen Gefäßzugängen sollte regelmäßig (ITS: täglich!) die Notwendigkeit von HWK überprüft werden. Bei Querschnittssyndrom bzw. wenn immer möglich und praktikabel ist ein intermittierender Einmalkatheterismus zu bevorzugen. Die Anlage transurethraler Katheter hat streng aseptisch mit geschlossenem Urinableitsystem zu erfolgen. Ein Routinewechsel von Katheter oder Drainagesystem bringt aus Gründen der Infektionsprävention keinen Vorteil. Zur Vermeidung eines Refluxes muss sich der Sammelbehälter stets unter Blasenniveau befinden. Auf freien Abfluss ist zu achten bzw. ein Abknicken oder eine Obstruktion des Ableitschlauchs ist zu vermeiden. Um Ablagerungen und Verkrustungen zu vermeiden, sind Silikonkatheter am besten geeignet. Bei langfristig vorhandener Indikation zu einer kontinuierlichen Harnableitung ist ein suprapubischer Katheter von Vorteil: in Bezug auf die Prävention von HWI ist dies jedoch nicht bewiesen. (individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung). Eine Harnableitung mittels Urinkondomen ist ggf. zu erwägen. Anhand der verfügbaren Studien kann keine generelle Empfehlung zur Verwendung antimikrobiell beschichteter Katheter gegeben werden (Lo et al. 2014). Postoperative Wundinfektionen (SSI) Sie Surgical Site InfectionsProphylaxesind die dritthäufigste NI. S. aureus ist im Erregerspektrum führend. Darüber hinaus ist die Kolonisation bzw. Infektion mit MRE besonders bei längerer Krankenhausliegedauer als weitere Ursache zu nennen. Am bedeutendsten ist die intraoperative Infektionsentstehung (Kap. 5.5). Postoperativ spielen Eintrittspforten wie Wunddehiszenzen oder Drainagen eine große Rolle. Somit sind strenge Wundhygiene und Sorgfalt bei der Wundversorgung die wichtigsten postoperativen Maßnahmen zur Vermeidung von SSI. Der Verbandswechsel erfolgt aseptisch frühestens nach 24–48 h, bei durchfeuchteten bzw. durchgebluteten Verbanden sofort. Drainagebeutel sind unter Patientenniveau zu befestigen; eine Dekonnektion ist so weit wie möglich zu vermeiden, d. h. kein Routinewechsel der Auffangbehältnisse. Drainagen sollten generell so bald als möglich entfernt werden (Kap. 5.5.2). Gastrointestinale nosokomiale Infektionen Häufigster Infektionen, nosokomialegastrointestinale Infektionen, nosokomialeClostridium difficileErreger ist bei erwachsenen Intensivpatienten C. difficile (Kap. 3.9). Auch virale Erreger wie Noro- oder Rotaviren (Kap. 3.5) können sich auf einer ITS bei lückenhafter Basishygiene oder verzögerter virologischer Diagnostik (beim Indexpatienten) ausbreiten. Die im ambulanten Bereich häufigen bakteriellen Gastroenteritiserreger (Salmonellen, Yersinien, Campylobacter) spielen auf der ITS eine untergeordnete Rolle. Die massive Zunahme schwerer C.-difficile-assoziierter ErkrankungenClostridium-difficile-assoziierte Erkrankung (CDAD) in den letzten Jahren (Geffers und Gastmeier 2011) (von der Antibiotika-assoziierten Diarrhö bis zur lebensbedrohlichen pseudomembranösen Colitis mit toxischem Megakolon mit Multiorganversagen) ist zum einen eine Folge des unsachgemäßen Einsatzes von Breitspektrumantibiotika (Lubbert, John und von Muller 2014). Dabei spielen v. a. Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Carbapeneme und Fluorchinolone eine herausragende Rolle (Spigaglia et al. 2009). Des Weiteren werden vor allem bei alten Menschen vermehrt bestimmte hypervirulente C.-difficile Stämme mit weltweiter epidemischer Ausreitung nachgewiesen. Zur Clostridium-difficile-assoziierte ErkrankungPräventionPrävention ist die Überprüfung einer kalkulierten antiinfektiven Therapie nach 72 h unbedingt erforderlich. Mehrere Studien zeigen, dass der Einsatz von Protonenpumpenhemmern mit der Zunahme von CDAD assoziiert ist (Barlette et al. 2013; Buendgens et al. 2014). Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind gegen Clostridiensporen unwirksam. Nach dem Ablegen der Einmalhandschuhe muss erst eine Seifenwaschung der Hände und anschließend eine Händedesinfektion erfolgen (Dubberke et al. 2014). Außerdem müssen die zur Umgebungs-/Flächendesinfektion bei diesen Patienten eingesetzten Desinfektionsmittel sporozid wirksam sein. • Die Distanzierung infizierter Patienten durch Einzel- bzw. Kohortenisolierung von an CDAD erkrankten Patienten ist mindestens bis 2 d nach Abklingen der Symptome erforderlich. • Eine Kontrolluntersuchung des Stuhls bei erfolgreich mit Vancomycin, Metronidazol oder Fidaxomycin oral behandelten Patienten wird nicht empfohlen. Zur Clostridium-difficile-assoziierte ErkrankungDiagnostikkosteneffektiven Diagnostik einer Durchfallerkrankung auf der ITS sollte in der Anamnese v. a. die Zeit seit der Hospitalisierung berücksichtigt werden. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass auch Intensivpatienten durch Nahrungsmittel an einer Salmonellose erkranken, eine CDAD ist jedoch am wahrscheinlichsten. Als Cut-off gilt die Zeitspanne von 72 h seit Hospitalisierung. Bei Patienten, die innerhalb dieser Zeit eine Diarrhö entwickeln bzw. einem speziellen Risikoprofil (Alter > 65 Jahre und dauerhafte Organfunktionsstörung, HIV, Neutropenie oder V. a. Ausbruch) zuzuordnen sind, sollte die Stuhldiagnostik auf Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter usw. erfolgen. Auch an Noroviren ist bei entsprechender Klinik und Anamnese zu denken. Bei allen anderen Fällen oder im Zweifelsfall sollte (ausschließlich bei symptomatischen Patienten) eine CDAD ausgeschlossen bzw. bestätigt werden. Als Screeningtest dient der Nachweis der C.-difficile-Glutamat-Dehydrogenase (GDH) im Stuhl, ist dieser Nachweis positiv, wird mittels ELISA nach den Toxinen A und B gesucht (TcdA und TcdB). Die Erregeranzucht ist bei Proben symptomatischer Patienten aus klinischen Hochrisikobereichen und bei Ausbrüchen zu empfehlen, damit ggf. eine toxigene Kultur angelegt und zeitnah hypervirulente CD-Isolate mit molekularbiologischen Methoden identifiziert und typisiert werden können. Durch bettseitige Rektoskopie ist noch vor dem Eintreffen des endgültigen mikrobiologischen Ergebnisses der Stuhluntersuchung eine Differenzialdiagnose mit dem Nachweis typischer Pseudomembranen möglich. Die Therapie der Clostridium-difficile-assoziierte ErkrankungTherapieCDAD erfolgt mit enteral appliziertem Vancomycin oder mit enteral/parenteral verabreichtem Metronidazol. Andere Antibiotika sollten – wenn immer möglich – abgesetzt werden. Schwere Krankheitsmanifestationen und CDAD Fälle bei Hochrisikopatienten werden primär mit Vancomycin behandelt. Die Therapie der CDAD mit Vancomycin oder Metronidazol erhöht das Risiko der Selektion von VRE. Etwa ein Drittel aller Patienten erleidet mindestens einen Rückfall während des Aufenthalts. Der Einsatz von Fidaxomycin ist mit einer geringeren Rezidivrate assoziiert aber primär sehr kostenintensiv. 5.10 Anästhesie Sven-Olaf Kuhn, Matthias Gründling, Konrad Meissner und Axel Kramer 5.10.1 Allgemeine Prinzipien Bei AnästhesieInfektionsrisikoder Durchführung von Anästhesieverfahren besteht ein hohes Risiko des Erregertransfers. Sowohl nichtinvasive Techniken wie die orotracheale Intubation als auch Verfahren zur Anlage verschiedener intravasaler bzw. regionaler Katheter sind für den Patienten und seine Umgebung mit einer Vielzahl möglicher Kontaminationen verbunden. Mit dem Anstieg des Durchschnittsalters der Patienten und der Zunahme der Komorbiditäten ist auch eine Zunahme von Infektionen mit Problemerregern zu beobachten. Trotz der zunehmenden Präsenz von MRE und anderen Problemerreger existiert kein 100-prozentig zuverlässiges Screeningverfahren, das es ausreichend lange präoperativ erlaubt, im Bedarfsfall speziell erforderliche Hygienemaßnahmen zu treffen. Insbesondere die Einbestellung von Patienten unmittelbar vor dem geplanten Eingriff oder für ambulante Eingriffe ist für ein frühzeitiges Erkennen von „Hygieneproblemen“ ungeeignet. Andererseits ist die Beachtung gerade der Basishygienemaßnahmen eine häufig unterschätzte Möglichkeit zur Infektionsverhütung (Beovic, Bufon und Cizman 2005). In jedem Fall sind die Maßnahmen der AnästhesieBasishygienemaßnahmenBasishygiene, d. h. die Gesamtheit der Hygienemaßnahmen, die bei der Versorgung der Patienten anzuwenden sind, einzuhalten, um die Übertragung von Erregern oder erregerhaltigen Sekreten auf den Patienten bzw. zwischen Patienten (Patientenschutz), auf das medizinische Personal (Personalschutz) sowie auf Geräte und Flächen zu verhindern. Die AnästhesieHändehygiene HändehygieneAnästhesieHände sind Hauptüberträger für NI. Die Kontamination von Oberflächen, die häufig durch das Anästhesiepersonal berührt werden (Narkosegerät, Monitor, Wegehähne), stellt einen relevanten Risikofaktor in der Infektionsübertragung dar (Loftus et al., 2008, Loftus et al., 2011). Deshalb kommt der Händedesinfektion eine herausragende Bedeutung zu. Gut sichtbar angebrachte und ausreichend viele Desinfektionsmittelspender in den Vorbereitungs- und Eingriffsräumen sowie direkt am Anästhesiearbeitsplatz (kurze Wege) sind eine einfache, effektive Maßnahme. Besonders vor der Zubereitung von Medikamenten und Infusionslösungen sowie vor aseptischen Tätigkeiten wie dem Legen von Gefäßzugängen, Urinableitungen, Intubation oder endotrachealem Absaugen, aber auch nach Toilettengang, Naseputzen oder Ablegen von Schutzhandschuhen hat eine Händedesinfektion zu erfolgen. Auch das Tragen von Einmalhandschuhen bei Kontakt mit Sekreten und Körperflüssigkeiten ist unverzichtbarer Bestandteil der Händehygiene (Boyce und Pittet 2002; Gemmell, Birks und Radford 2008). 5.10.2 Personalhygiene In AnästhesiePersonalhygiene PersonalhygieneAnästhesieden OP-Bereichen ist das Tragen von farblich sich von anderen Bereichen unterscheidender Bereichskleidung, maschinell desinfizierbaren Bereichsschuhen sowie von geeigneter Kopfbedeckung, MNS bzw. Gesichtsschutz obligat. Die Kleidung ist bei Verunreinigung, vor Verlassen des OP-Bereichs bzw. nach Verlassen eines „septischen Saals“ zu wechseln. Das Wechseln des MNS soll bei Durchfeuchtung oder Verunreinigung sowie zumindest dann vor jedem neuen Patienten erfolgen, wenn bei dem Patienten eine respiratorische Infektion oder tracheale Kolonisation mit Problemerregern bekannt ist. Ein einmal abgenommener MNS ist in jedem Fall zu verwerfen. Die hygienische Händedesinfektion ist vor Betreten und Verlassen des OP-Bereichs Pflicht. Aus hygienischen Gründen und zur Verhütung von Arbeitsunfällen verbieten sich jeglicher Schmuck und Uhren an Händen und Unterarmen (UVV BGV C8 § 22). Situationsabhängig sind Hautschutz- und Hautpflegemittel anzuwenden. Fingernägel sind sauber und kurz zu halten, künstliche Fingernägel sind nicht zulässig. Ein Saalwechsel des Anästhesiepersonals bei aseptischen Eingriffen ist nach hygienischer Händedesinfektion möglich, sollte jedoch so weit es geht vermieden werden. Bei septischen Eingriffen ist der direkte Saalwechsel untersagt. In diesen Fällen muss ein Wechsel der OP-Kleidung inkl. Schuhe, MNS und OP-Haube erfolgen. Von infektiösen Durchfallerkrankungen (z. B. Norovirusinfektionen) betroffene Mitarbeiter sind von der Patientenversorgung auszuschließen. Zur Durchsetzung der Hygienestandards und zur Verbesserung der Compliance muss die regelmäßige Fortbildung durch die ärztliche und pflegerische Leitung der Anästhesiebereiche in Zusammenarbeit mit dem Hygienefachpersonal durchgeführt werden. 5.10.3 Räumliche Besonderheiten Eine Anästhesieräumliche BesonderheitenTrennung zwischen OP-Saal bzw. Eingriffsraum, Einleitungs- und Ausleitungsraum und dem Aufwachbereich ist nicht zwingend erforderlich. Prinzipiell bestehen keine Bedenken, die Anästhesieein- bzw. -ausleitung direkt im OP-Saal durchzuführen (Kap. 9.4). Auch die verschiedenen Punktionen und Katheteranlagen sind unter Beachtung der Basishygiene unproblematisch. 5.10.4 Medikamente, Narkosemittel, Blut und Blutprodukte Medikamente und Narkosemittel müssen staubgeschützt, übersichtlich und den Fachinformationen entsprechend temperiert gelagert werden. Die Temperatur der Medikamenten- und Blutkühlschränke ist regelmäßig zu kontrollieren und zuAnästhesieNarkosemittel NarkosemittelVerabreichung NarkosemittelHygienemaßnahmen dokumentieren. Die Bevorratung hat ökonomisch und so zu erfolgen, dass Überlagerung bzw. Verfall vermieden werden. Für die Applikation von Narkotika und anderen Medikamenten ist die Verwendung steriler Einwegmaterialien Standard. Das Vorbereiten der Medikamente bzw. Infusionen erfolgt immer unmittelbar vor Verwendung und nicht auf Vorrat (BGH Urteil 1981, Schneider und Bierling 1996). Aus hygienischen Gründen verbietet sich eine Resteverwertung! Ob die Verwendung von Rückschlagventilen vor einer Spritze in Spritzenpumpen und eine mindestens 1 m langes Überleitsystem eine Alternative darstellt, ist nicht belegt und daher abzulehnen, weil es nicht nur um bakterielle, sondern auch virale Infektionsgefährdung geht und gerade bei horizontaler Lage und Druckschwankungen die Klappen flottieren und Rückspüleffekte auftreten können (Kiski 2009; Koller und Assadian 2000). • Das Verwenden von Vorratsbehältnissen für Medikamente wie Spritzen oder Flaschen zur Versorgung mehrerer Patienten und die Weiterverwendung von Infusionsresten oder Infusionssystemen für nachfolgende Patienten ist obsolet (Hirschmann 2010). • Die mehrfache Nutzung von Einmalspritzen während der Anästhesie bei demselben Patienten, z. B. für Repetitionsdosen, ist abzulehnen, weil bei erneutem Befüllen einer entleerten Spritze eine Kontamination des ausgezogenen Spritzenstempels möglich ist. Bei Nutzung von Ampullen zur mehrfachen Entnahme ist die Verwendung neuer Einwegmaterialien (Spritzen und Kanülen) nach vorheriger Desinfektion des Gummiverschlusses erforderlich (Kap. 4.1.3). Medikamente ohne Konservierungsstoffe und v. a. lipidhaltige Medikamente wie Propofol sind besonders kontaminationsanfällig, sodass die Aseptik besonders sorgfältig zu wahren ist. Für lipidhaltige Infusionen wird eine maximale Infusionsdauer von 12 h gefordert. Eröffnete („angestochene“) Blutkomponenten sind innerhalb von 6 h zu transfundieren. Nach den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut in der jeweils gültigen Fassung, dürfen Blutprodukten vom Anwender keine Medikamente bzw. Infusionslösungen beigefügt werden (Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats 2008). Erforderliche Ausnahmen von den oben aufgeführten Regeln (z. B. Notfallmedikamente) müssen vom Krankenhaushygieniker und dem zuständigen Apotheker in einer Standardarbeitsanweisung festgelegt werden (KRINKO 2011b). Zur Applikation von Anästhetika und anderen Medikamenten ist neben der Beachtung der Zubereitungsvorschriften des Herstellers das aseptische Arbeiten Vorschrift. Vor allen vor Manipulationen an Zuspritzstellen, Spritzenpumpensystemen oder Infusionen ist eine Händedesinfektion notwendig. Besonders Zuspritzstellen z. B. an Venenverweilkanülen, Wegehähnen und Kathetern sollen frei von Blut oder Blutprodukten gehalten werden und sind vor Benutzung zu desinfizieren und danach mit sterilen Verschlussstopfen zu sichern. Für die Transfusion von Blut und Blutprodukten sowie Gerinnungspräparaten gelten neben den Festlegungen der Transfusionsrichtlinien die gleichen Hygienevorgaben (KRINKO 2002c; O'Grady et al. 2011). Spitze Gegenstände wie Punktionsnadeln oder Skalpelle sind umgehend in einem speziellen Abwurfbehältnis zu entsorgen – kein Recapping! 5.10.5 Durchführung der Anästhesie Allgemeinanästhesie: Zur Narkoseeinleitung gelten Allgemeinanästhesie, Hygienemaßnahmen AnästhesieAllgemeinanästhesiedie o. g. Hygieneanforderungen für den Umgang mit Medikamenten zur intravasalen Injektion. Die Zuspritzstellen und Wegehähne sind mit sterilen Verschlussstopfen zu verschließen. Die Intubation hat aseptisch zu erfolgen. Jeder Patient erhält einen neuen Atemsystemfilter (ASF). Wird kein ASF verwendet, müssen nach Beendigung der Narkose das Narkoseschlauchsystem und das Narkosekreissystem (Atemsystem) entsprechend der Herstellerangaben aufbereitet werden. Bei Verwendung eines ASF kann das Narkoseschlauchsystem bis zu 7 Kalendertage eingesetzt werden, sofern seine Funktionalität und Dichtigkeit gegeben sind, die Abscheideleistung des ASF für luftgetragene Partikel > 99 % beträgt und für Flüssigkeit Retentionswerte bis zu Drücken von mindestens 60 hPa (= 60 mbar) oder 20 hPa oberhalb des gewählten maximalen Beatmungsdrucks im Narkosesystem erreicht werden. Kommt es unter Rückatmungsbedingungen zu sichtbarer Kondensation von Wasser im Schlauchsystem, kann der Einsatz von Elektretfiltern derzeit nicht empfohlen werden. Nach jedem Patienten sind alle Handkontaktflächen an der Narkosegerätschaft einschließlich Schlauchsystem und Handbeatmungsbeutel desinfizierend aufzubereiten. Bei Vorliegen oder Verdacht einer meldepflichtigen Infektionskrankheit mit Übertragungsmöglichkeit wird als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme der komplette Wechsel von Schlauchsystem und Handbeatmungsbeutel nach der Narkose empfohlen (Kramer et al. 2010b). Regionalanästhesie: Mit 2,4 % liegt die Infektionsrate AnästhesieRegionalanästhesie Regionalanästhesie, Hygienemaßnahmenvon Katheterverfahren nach Angaben deutscher Einzelzentren im Bereich der häufigen Komplikationen (Maier, Wawersik und Wulf 1986). Das Infektionsrisiko einer postoperativen Schmerztherapie mittels Periduralkatheter ist unter den organisatorischen Bedingungen normaler Krankenpflegestationen niedrig (Neuburger et al. 2006; Popping et al. 2008; Wiegel et al. 2007). Wenn, dann sind multifaktorielle Ursachen wie lokalisationsspezifische Besonderheiten (talgdrüsenreiche Haut potenziell häufiger infiziert), Komorbiditäten oder Mehrfachpunktionen für die Infektionen verantwortlich. Periphere Regionalanästhesie: Rumpfferne Regionalanästhesieverfahren werden nach Hautantiseptik und sterilem Abdecken mit sterilen Handschuhen durchgeführt. Für die Anlage von Kathetern zur Regionalanästhesie ist das Abdecken des Punktionsgebiets mit einem Lochtuch erforderlich. Neben dem aseptischen Vorgehen wird für die Regionalanästhesie die Verwendung von Bakterienfiltern und das Untertunneln von Kathetern empfohlen (s. auch Morin et al. 2006). Zentralvenöse Katheter, Arterienkatheter in Seldinger-Technik, Peridural- bzw. Spinalkatheter, rumpfnahe Nervenblockaden: Die GefäßkatheterHygienemaßnahmenAnlage erfolgt unter streng aseptischen Bedingungen. Nach der Händedesinfektion wird der Instrumentiertisch mit MNS, Kopfbedeckung, sterilem Kittel und sterilen Periduralkatheter, Hygienemaßnahmen Spinalkatheter, Hygienemaßnahmen Nervenblockaden, rumpfnahe, HygienemaßnahmenEinmalhandschuhen aseptisch vorbereitet, das Punktionsgebiet ausreichend lange großflächig desinfiziert und mit einem ausreichend großen sterilen Lochtuch bedeckt. Bei sonografiegestützter Punktion muss der Ultraschallkopf steril bezogen werden; die Verwendung von sterilen Handschuhen als „steriler Bezug“ ist abzulehnen. Die Insertionsstelle der Katheter wird entweder mit sterilem Gaze- oder mit sterilem transparentem (semipermeablem) Folienverband abgedeckt. Durch Applikation alkoholbasierter Hautantiseptika mit Gehalt an remanentem Wirkstoff auf die Insertion des ZVK ist eine signifikante Reduktion der Hautkolonisation erreichbar (Dettenkofer et al. 2002). Reinigung und Desinfektion des Anästhesieequipments: Die regelmäßige, mindestens tägliche Desinfektion der ReinigungAnästhesieequipment,DesinfektionAnästhesieequipment AnästhesieMedizinproduktereinigungAußenflächen der Narkosegeräte, Überwachungsmonitore und Kabel ist obligat bei vermuteter bzw. sichtbarer Kontamination der Kontaktflächen nach jedem Patienten. Eine äußere Kontamination macht nicht nur bei Faltenschläuchen einen Systemwechsel erforderlich. Die Verwendung hydrophober, virusdichter Filter zwischen Patient und Narkoseschlauchsystem ermöglicht die mehrmalige Nutzung der Schlauchsysteme. Prinzipiell bestehen keine Einwände für die Verwendung aufbereitbarer Narkosesysteme. Die Aufbereitung der Kreisteile ist nur erforderlich im Rahmen von Wartungsarbeiten und nicht routinemäßig. Die Reinigung bzw. Desinfektion von Computerbildschirmen und Eingabegeräten erfolgt regelmäßig mit vom Hersteller empfohlenen Produkten. Bei der Benutzung von Laryngoskopen ist neben der Reinigung und Desinfektion der Spatelblätter besonderes Augenmerk auf die Desinfektion der Griffe zu legen. Blutdruckmanschetten, Pulsoxymeter, EKG-Kabel oder Temperatursonden werden nach jedem Patienten desinfiziert. 5.10.6 Perioperative Antibiotikaprophylaxe Sie soll 30 min bis 1 h vor dem Schnitt verabreicht werden. Abgesehen von sehr langen Operationen ist keine Repetitionsdosis erforderlich. Das Infektionsrisiko wird dadurch nicht zusätzlich positiv beeinflusst, wohl aber der Selektionsdruck zur Verbreitung von MRE Antibiotikaprophylaxe, perioperativeAnästhesie AnästhesieAntibiotikaprophylaxe, perioperativeverstärkt (Kap. 2.10.1). Der Anästhesist sollte für die rechtzeitige Applikation der Antibiotika vor dem OP-Beginn und ggf. als Repetitionsdosis nach einer OP-Zeit von 2–4 h Sorge tragen. 5.10.7 Hygieneanforderungen bei speziellen Erregern C. difficile: Von dem rasanten Clostridium difficileHygieneanforderungen, Anästhesie AnästhesieClostridium difficileAnstieg durch Infektionen mit C. difficile sind v. a. ältere und multimorbide Patienten betroffen. Die Hauptübertragung der C.-difficile-Sporen erfolgt v. a. von infizierten oder kolonisierten Patienten über die Hände des Personals (Kap. 3.9.9). Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind unwirksam. Zur Beseitigung der Sporen sollten zunächst eine Händewaschung mit Wasser und Seife und anschließend eine Händedesinfektion durchgeführt werden. Die Anwendung eines sporoziden Händedesinfektionsmittels (Peressigsäure) ist nur im Ausnahmefall bei massiver Kontamination der nicht behandschuhten Hand in Betracht zu ziehen. Patienten mit C.-difficile-Infektionen sollten mindestens so lange isoliert werden, wie die akute Durchfallsymptomatik existiert. Andere fäkal-oral übertragbare Infektionen: Nur bei Kontakt mit Stuhl bzw. ggf. mit Erbrochenem besteht ein Übertragungsrisiko. Das Tragen von Schutzhandschuhen ist notwendig. Abgesehen von den Basishygienemaßnahmen sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich. Bei Norovirusinfektionen sind zur Händedesinfektion viruzide Händedesinfektionsmittel zu verwenden. Patienten mit MRE, MRSA, (VRE) und ESBL: Generell muss auf das Risiko einerAnästhesieMRE AnästhesieMRSA AnästhesieVRE AnästhesieESBL Multiresistente ErregerHygieneanforderungen, Anästhesie Methicillin-resistenter Staphylococcus aureusHygieneanforderungen, Anästhesie Vancomycin-resistente ErregerHygieneanforderungen, Anästhesie ESBL-BildnerAnästhesieTransmission auf andere Patienten hingewiesen werden. Neben der OP-Planung (Saal, Zeitpunkt) ist das beteiligte Personal vorab gut zu informieren. Auf die Einhaltung der Händehygiene ist zu achten. Eine Distanzierung zu anderen Patienten ist zu gewährleisten. Patienten mit nasaler MRSA-Besiedlung sind so lange wie möglich mit MNS zu versorgen. In der Regel werden zur Versorgung solcher Patienten Handschuhe, Kopfbedeckung, MNS und ein zusätzlicher Schutzkittel über der Bereichskleidung empfohlen. Verbrauchsmaterialien und Geräte werden nur patientengebunden verwendet. Soweit möglich, sollte nicht benötigtes Equipment aus der Umgebung des Patienten entfernt werden. Bei Auftreten von VRE bzw. ESBL werden prinzipiell dieselben Distanzierungsmaßnahmen wie bei MRSA empfohlen (Kap. 3.6, Kap. 3.7.5). Parenteral übertragbare Krankheiten (HIV, HBV, HCV): Medizinisches Personal ist gegen Hepatitis B zu impfen. Eine Übertragung durch Blut zu Blut bzw. AnästhesieHepatitis AnästhesieHIV Human Immunodeficiency VirusHygieneanforderungen, Anästhesie Hepatitis-B-VirusHygieneanforderungen, Anästhesie Hepatitis-C-VirusHygieneanforderungen, AnästhesieBlut auf Schleimhäute ist im Rahmen von Anästhesien möglich. Zum Schutz vor Blut oder Körpersekreten ist zusätzlich zu Einmalhandschuhen ein kombinierter Augen- und MNS zu tragen. Durch Tröpfchen übertragbare Infektionen: Hierbei ist die Verwendung von Einwegnarkosesystemen zu bevorzugen. AnästhesieTröpfcheninfektionenBei aerosolgenerierenden Tätigkeiten (z. B. Intubation, offenes endotracheales Absaugen, Bronchoskopie) ist z. B. bei Influenza, Vogelgrippe, SARS und virusbedingtem hämorrhagischem Fieber mindestens eine FFP2-Maske erforderlich. Aerogen (durch Tröpfchenkerne) übertragbare Infektionen: Bei geschlossener Tuberkulose sind keine besonderen Maßnahmen seitens der Anästhesie erforderlich. Bei offener Tuberkulose ist für Patient und Personal das Tragen von Atemschutzmasken mindestens der FFP-Klasse 2 erforderlich. Sollte bei Masern und Varizellen aus anderer Indikation eine Anästhesie erforderlich sein, ist nachweislich immunes Personal einzusetzen. CJD und Variante CJD: Prophylaktisch ist die strikte Einhaltung der Basishygiene ausreichend, da die CJD nicht per inhalationem übertragbar ist (Kap. 3.3). Der Nutzen sog. prionensicherer Beatmungsfilter ist nicht belegt. Aus Sicherheitsgründen wird eine Creutzfeldt-Jakob-KrankheitHygieneanforderungen, Anästhesie AnästhesieCreutzfeldt-Jakob-Krankheitprionendekontaminierende spezifische Aufbereitung aller Instrumente, die direkten Kontakt mit Mundhöhle, Pharynx, Tonsillen und Respirationstrakt hatten, empfohlen. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko, eine CJD zu haben oder zu entwickeln, sind Einwegprodukte zu verwenden. Es dürfen keine nicht dampfsterilisierbaren MP wie Gummituben und Larynxmasken aufbereitet werden – sie werden nach Gebrauch entsorgt. Ebenfalls empfiehlt sich die Verwendung von Einwegmaterialien für Akupunkturnadeln, Myografie- bzw. NLG-Nadeln (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012b). Die Einwegprodukte sind separat zu entsorgen und als Abfall (Abfallschlüssel 180103/C-Abfall) in sicheren Behältnissen zur Verbrennung geben (Tast Force vCJK 2002). Für die Endoskopie von CJD-Patienten sollte der Gerätepool in der Uniklinik Göttingen am Institut für Neuropathologie oder eine in der Aufbereitung befähigte Zentralsterilisationsabteilung genutzt werden (Kap. 3.3). 5.11 Gynäkologie und Geburtshilfe Axel Kramer und Marek Zygmunt 5.11.1 Häufigkeit und Ätiologie nosokomialer Infektionen Gynäkologie Während Infektionen, nosokomialeGynäkologie GynäkologieInfektionsrisiko Surgical Site InfectionsGynäkologieMitte der 1990er-Jahre Harnweginfektionen (HWI) mit 50–80 % an der Spitze der NI standen, hat sich ihr Anteil durch konsequenten Verzicht auf transurethrale Verweilkatheter und verbesserte postoperative Versorgung bei suprapubischer Harnableitung deutlich reduziert. In einer neuen Stichprobe betrug der Anteil von HWI nur 33 %, für SSI 38 % und für Sepsis, Haut- und Weichteilinfektionen je 11 %. Die stationäre Verweildauer bei HWI verlängerte sich um das mehr als Dreifache. Im Durchschnitt fanden sich 2,4 Risikofaktoren bei Auftreten einer NI (Diabetes mellitus, Hypertonie, Durchblutungsstörungen, Blasenkatheter). Im OP-KISS betrug die SSI-Rate 0,2–4,8 % (Tab. 5.21 ). International differiert die SSI-Rate nach abdominaler Hysterektomie zwischen 2 % und 21 % (Lazenby und Soper 2010). Als unabhängige Risikofaktoren wurden hoher Glukoseserumspiegel 5 d postoperativ, Bluttransfusion und Body Mass Index (BMI) > 35 ermittelt (Olsen et al. 2009). Etwa ⅔ der SSI in der Gynäkologie verlaufen als oberflächliche A1-Infektion. Tab. 5.21 SSI-Rate (%) in DeutschlandSurgical Site InfectionsGynäkologie im Zeitraum 2009–2013. Diese Risikokategorie wurde nach Summe der Risikopunkte eingeteilt (Wunden der Kategorie 3 oder 4; ASA Score ≥ 3; Dauer der Operation > 75 % Perzentil) (NRZ für Surveillance von NI 2014) Engriff Risikokategorie 0 1 2,3 0–3 Hysterektomie: abdominal laparoskopisch 0,16 0,89 4,76 0,42 vaginal 0,57 0,22 0,37 0,46 Sectio caesaria 0,65 Mamma-OP 0,52 1,23 2,58 0,87 An GynäkologieErregerspektrumerster Stelle des Erregerspektrums steht S. aureus (23,5 %), gefolgt von MRSA (8,1 %), Enterococcus spp. (9,8 %), E. coli (11,7 %), KNS (10,9 %), Proteus spp. (5,5 %), Klebsiella spp. (3,9 %), P. aeruginosa (2,2 %), Enterobacter spp. (1,8 %), Bacteroides spp. (1,7 %), Streptococcus spp. (1,5 %) und C. albicans (0,2 %) (NRZ 2014). Die nekrotisierende Fasziitis mit meist polymikrobieller Ätiologie erfordert als lebensbedrohliche SSI ein ausgedehntes sofortiges Débridement des gesamten betroffenen Gewebes bei gleichzeitiger parenteraler Breitspektrum-Antibiotikatherapie. Geburtshilfe Bis Infektionen, nosokomialeGeburtshilfe GeburtshilfeInfektionsrisiko Surgical Site InfectionsGeburtshilfezur Einführung der Händewaschung mit Chlorkalklösung betrug die Letalität an Kindbettfieber 3–11 % (Semmelweis 1861). Heute werden die meisten geburtshilflichen Infektionen durch Vertreter der vaginal-zervikalen Flora, häufig polymikrobiell, zumeist aszendierend verursacht (Emmons et al. 1988). Präpartale Risikofaktoren für NI Schwangere die Infektionen, nosokomialeRisikofaktoren, präpartale Infektionen, nosokomialeSchwangerschaftpräpartal längere Zeit stationär behandelt werden, haben ein höheres Risiko für NI als Kreißende, die erstmals unmittelbar vor Wehenbeginn aufgenommen werden, bedingt z. B. durch infektionsbedingte drohende Fehl- oder Frühgeburt und/oder durch Kolonisation mit der Hospitalflora (Koepcke 2001). Der Zusammenhang zwischen bakterieller Vaginose/aerober Vaginitis und Gefahr der aszendierenden Infektion mit und ohne vorzeitigen Blasensprung, vorzeitiger Geburt, Chorioamnionitis sowie neonatalen, puerperalen und maternal-fetalen Infektionen gilt als gesichert (DGGG 2013; Donati et al. 2010; Lamont und Taylor-Robinson 2010; Saling et al. 1997). Die Strategie der vaginalen pH-Selbstmessung ermöglicht die Erkennung von pH-Wert-Abweichungen, sodass ein Teil der für Spätabort und Frühgeburt relevanten Risikofaktoren binnen kurzer Frist mit adäquater Therapie beantwortet werden kann (DGGG 2013; Hoyme, Schwalbe und Saling 2005). Infektionen nach Amniozentese oder anderen Formen der invasiven pränatalen Diagnostik und Therapie (Choriozentese, Chordozentese) haben eine Häufigkeit von < 1 % (Workman und Philpott-Howard 1997). Ein invasives Monitoring des Fetus (Amniozentese, fetale Blutgasanalyse, Skalpelektrode) sollte generell und insbesondere bei Vorliegen einer blutübertragbaren Infektionskrankheit vermieden oder nur bei strenger Indikationsstellung nach Abwägung der Risiken durchgeführt werden (zu Risikofaktoren für Frühgeburt und Spätabort Kap. 2.10.8). Die Häufigkeit des invasiven fetalen Monitorings ist auf das erforderliche Minimum zu reduzieren und eine Chorioamnionitis so rasch wie möglich zu behandeln. Postpartale NI der Mutter Die wichtigsten Infektionen, nosokomialeRisikofaktoren, postpartalepostpartalen Infektionen sind HWI, Endometritis, SSI (nach Dammriss bzw. Schnitt und ggf. Laparotomiewunde), das prä- und postpartales Amnioninfektionssyndrom (AIS) sowie die Mastitis puerperalis (Kap. 2.10.8). Nach Sectio caesarea ereigneten sich nach älteren Angaben in Deutschland in 12 % Inflammation der abdominalen Wunde, gefolgt von Endometritiden in 11 %. Der Anteil an Atemwegsinfektionen betrug 3,6 %, an Haut- und Schleimhautinfektionen 2,6 % und an Bakteriämien 0,4 % (Decker und Hirsch 1977). Nach vaginaler Entbindung wurde in 3,6 % der Fälle eine Bakteriurie gefunden (Decker und Hirsch 1977). HWI sind HarnwegsinfektionenSchwangerschaftsowohl während der Schwangerschaft als auch postpartal häufig, weshalb während der Schwangerschaft (und erneut bei Fieber) ein Screening auf Bakteriurie mit Sanierung bei relevantem Befund empfohlen wird (DGU 2010; Kressel und. Linnemann 2004). Obwohl die antibiotische Therapie von HWI wirksam ist, kann aufgrund der Datenlage kein spezifisches Behandlungsregime während der Schwangerschaft präferiert werden (Vazquez und Abalos 2011). In der Schwangerschaft empfiehlt sich bei begründetem V. a. eine HWI (Symptomatik, positiver Streifentest) die Anlage einer Urinkultur (Mittelstrahlurin; Erregernachweis und Antibiogramm). SSI: Für den Zeitraum 2009–2013 wurde die SSI-Rate nach Kaiserschnitt mit 0,65 % ermittelt (Tab. 5.22 ). Im ErgebnisSurgical Site Infectionspostpartale einer prospektiven Studie in Norwegen war die SSI-Rate innerhalb 30 postoperativer Tage mit 8,9 % deutlich höher, betrug dagegen nur 1,8 % bei Erfassung bis zur Entlassung. Als unabhängige Risikofaktoren wurden OP-Dauer > 38 min und BMI > 30 ermittelt (Opoien et al. 2007). In Alberta, Kanada, war die SSI-Rate mit 9,9 % innerhalb des Zeitfensters von 30 postoperativen Tagen noch höher, wobei die in mehr als 25 % fehlende PAP von Einfluss gewesen sein dürfte (Griffiths et al. 2005). Das steht in Übereinstimmung zu Ergebnissen einer estnischen Studie mit einer SSI-Rate von 6,2 %, wobei 42 % erst nach Entlassung auftraten. Bei einem Vergleich von 12 europäischen Ländern für den Zeitraum 2010 und 2011 differierte die SSI Rate zwischen 0,5–8,2 % und wurde für die USA mit 1,9 % angegeben (Ruef, Eisenring und Troillet 2013). Tab. 5.22 Risiko der Infektionsausbreitung bei ausgewählten Infektionen der Gebärenden Erreger Risiko B. burgdorferi, T. gondii Nein C. albicans, CMV, C. trachomatis, B-Streptokokken, HBV, HCV, Hepatitis-D- und -E-Virus, HIV, L. monocytogenes, N. gonorrhoeae, Parvovirus B19, Rötelnvirus, T. pallidum Gering EHEC, Sarcoptes scabiei Mäßig HSV, Masern-, Mumps-, Rota-, Noroviren, Varizella-coster-Virus, Influenza-Viren Hoch Invasives fetales Monitoring, Chorioamnionitis und die Wundklassifikationen kontaminiert und schmutzig-infiziert sind mit erhöhtem SSI-Risiko korreliert (Mitt et al. 2005). Weitere Risikofaktoren sind die Dauer des Eingriffs und OP-Technik. Durch intraoperativen Handschuhwechsel des OP-Teams nach Plazentalösung konnte die SSI-Rate signifikant gesenkt werden (Ventolini, Neiger und McKenna 2004). Nur selten treten SSI nach Episiotomie auf (Kressel u. Linnemann 2004). Ohne PAP kann die postpartale Endometritis Endometritis, postpartalein 5–95 % nach Kaiserschnitt und in 1–4 % nach vaginaler Entbindung auftreten und sich auf Myometrium und parametrales Gewebe mit Abszess und Sepsis ausbreiten (Enkin 1989; Kressel und Linnemann 2004). Bei elektiven Eingriffen ist das Risiko mit 7 % (0–24 %) deutlich geringer als bei nicht elektiven Eingriffen mit 30,1 % (3–61 %) (Smaill und Hofmeyr 2007). Im Ergebnis einer prospektiven Surveillance mit inkonsistenter PAP betrug die Rate 2 % (Mah et al. 2001). Wichtigster Risikofaktor sind ein vorzeitiger Blasensprung, aber auch eine protrahierte Entbindung, die Retention von Plazentaresten und häufige vaginale Untersuchungen. Das Amnioninfektionssyndrom (AIS) Amnioninfektionssyndromentsteht vorwiegend aszendierend durch Vaginalflora. Bei begründetem Verdacht auf AIS müssen unverzüglich antibiotische Therapie und rasche Geburtsbeendigung erfolgen. Mastitis puerperalis: Milchstau und mangelnde Stillhygiene begünstigen die Entstehung einer Mastitis puerperalisMastitis puerperalis. Beim Stillen kann vor allem S. aureus von der Haut und/oder aus dem kindlichen Nasopharynx über Rhagaden in die mütterliche Brustdrüse gelangen und sich lymphogen, seltener kanalikulär oder hämatogen ausbreiten. Bei Vermeidung von Milchstau und Rhagadenbildung wird die Frühmastitis kaum noch beobachtet. Ausbrüche von A-Streptokokken-Infektionen sind selten, bedürfen aber der sofortigen Abklärung und Therapie (Mastro et al. 1990). An eine A-Streptokokken-Infektion ist immer bei rascher Verschlechterung des Zustands der Wöchnerin zu denken. Der Ursprung kann im (Nasen-)Rachen-Raum der Mutter sein. Es sind aber auch Fälle beschrieben, in denen A-Streptokokken von kolonisiertem chirurgischem Personal insbesondere intraoperativ auf Patienten übertragen wurden (Literatur in KRINKO 2007c). Ausbrüche von Staphylokokkeninfektionen sind selten, lediglich für MRSA und CA-MRSA ist das Risiko höher (Bratu et al. 2005; Jenum et al. 2008; Moore und Williams 1991). Auch für S. marcescens (Stephen und Lalitha 1993) und Influenzaviren (Pramanick et al. 2011) sind Ausbrüche beschrieben. Bei Wöchnerinnen kann eine Influenza besonders schwer verlaufen; eine Influenza-Impfung ist vor oder während der Schwangerschaft (ab dem 2. Trimenon) zu empfehlen (Blanchard-Rohner und Siegrist 2011). Infektionen des Neugeborenen Neugeborene sind vor allem durch Infektionen mit B-Streptokokken, H. simplex und C. trachomatis gefährdet. Spontan geborene Neugeborene leiden aufgrund der physiologischen Besiedlung des Neugeborenen mit der mütterlichen Flora (Kramer et al. 2013b) seltener als mittels Sektio entbundene an gastrointestinalen Infektionen (Lotz et al. 2006; van Epps 2006). Allerdings kann das Neugeborene bei Kolonisation des Geburtskanals mit Pathogenen z. B. eine Ophthalmia neonatorum erwerben. Deren Inzidenz wurde für die USA mit 1,6 % und für afrikanische Länder > 23 % angegeben (Kramer et al. 2002). Staphylokokken waren zu 37 % (Kap. 2.10.8), Chlamydien zu 34 % an der Ätiologie beteiligt, während Virusinfektionen selten waren (Assadian et al. 2002). Äußerst selten kann durch mütterliche Mykosen eine Candida-Sepsis ausgelöst werden (Chapman und Faix 2003; Mendling et al. 2006). Außerdem können Neugeborene durch anogenitale und orale Candidosen in ihrem Befinden beeinträchtigt werden (Blaschke-Hellmessen 1998; Mendling et al. 2006). 5.11.2 Prävention von NI Gynäkologie Präoperative Katheterisierung Kap. 2.10.8. Präoperatives Screening: Das Risiko GynäkologieInfektionspräventionfür eine postoperative Infiltration der Vaginalmanschette nach Hysterektomie wird durch präoperative Vaginitis oder Vaginose (bakteriell oder T. vaginalis) erhöht. Deshalb wird gelegentlich von einigen Autoren ein präoperatives Screening empfohlen, um vor elektiven Eingriffen eine antibiotische Sanierung vorzunehmen (Lazenby und Soper 2010). Zur antibiotischen Prophylaxe gehört auch der Wiederaufbau der physiologischen Scheidenflora. Haarentfernung: Falls die Haare im Schambereich aus operationstechnischen Gründen entfernt werden sollen, ist Clipping im Vergleich zur Rasur mit dem geringsten SSI-Risiko verbunden (Kramer et al. 2008c). Antiseptik: ZusätzlichAntiseptikVulva und Vagina zu den in anderen chirurgischen Disziplinen für ein erhöhtes SSI-Risiko identifizierten Risikofaktoren (Kap. 2.10.8, Kap. 5.5) ist die kolonisierte bzw. infizierte Vagina ein spezieller Risikofaktor. Vagina und Vulva werden nach der Geburt mit diphtheroiden und anaerob wachsenden Stäbchenbakterien, Sarzinen, Coli- und Smegmabakterien sowie Hefen besiedelt. Bis zur Pubertät dominieren Staphylokokken, Streptokokken, Coliforme und Diphtheroide. Im Erwachsenenalter herrscht L. azidophilus vor (Wewalka und Spitzbart 1993), daneben kommen auch andere Lactobacillus spp. vor. Vor diagnostischen oder therapeutischen transvaginalen Eingriffen ist die VaginalantiseptikVaginalantiseptik indiziert. Zur Antiseptik sind mindestens drei separate Tupfer für die großen, die kleinen Labien und den Urethraeingang zu verwenden. In klassischen Vorschriften werden fünf Tupfer gefordert (getrennt für rechts und links, große und kleine Schamlippe, Urethra). Nach Antiseptik der äußeren Schamlippen mit frischem, satt mit Antiseptikum getränktem Tupfer wird die gesamte Vagina mit leichtem mechanischem Druck für 1 min ausgewischt, der Vorgang für 1 min wiederholt. Die Antiseptik soll die gesamte Anourogenitalregion einbeziehen. In Hinblick auf Wirksamkeit und fehlende systemische Gefährdung ist die Kombination von OCT mit Phenoxyethanol PVP-Iod-basierten Antiseptika vorzuziehen (Below, Brauer und Kramer 2007; Hübner, Siebert und Kramer 2010). Bei abdominalen und Mamma-Eingriffen müssen Bauchnabel und intertriginöse Bereiche gründlich gesäubert und anschließend antiseptisch behandelt werden. Hierfür sind alkoholbasierte Hautantiseptika mit Zusatz remanenter Wirkstoffe (OCT, CHX) Mittel der Wahl (Levin et al. 2011, Kap. 2.2.3). Auf wunden Hautarealen kommen OCT- oder Polihexanid-basierte Antiseptika auf wässriger Basis in Betracht. Durch Vaginalantiseptik unmittelbar vor Sectio caesaria (mit PVP-Iod) wird das Risiko der postoperativen Endometritis signifikant reduziert (Haas et al. 2010, Memon et al. 2011). PAP: Sie Antibiotikaprophylaxe, perioperativeGynäkologie GynäkologieAntibiotikaprophylaxe, perioperativewird für alle Arten der Hysterektomie empfohlen (außer bei nicht direktem Zugang von der Bauchhöhle zum Uterus bzw. zur Vagina), ebenso für Karzinomoperationen, chirurgische Schwangerschaftsabbrüche, Sectio caesarea (Conroy et al. 2012), Sterilitätseingriffe, Hysterosalpingografie, das Einlegen von Implantaten und Mamma-OP (v. a. bei Adipositas und Diabetes mellitus) sowie Eingriffen in bestrahlten Arealen (Hoyme 2005; van Eyk et al. 2012). Bei Sectio caesarea wird das Endometritisrisiko durch PAP um ⅔ bis ¾ reduziert; außerdem werden das HWI-Risiko und die postpartale febrile Morbidität herabgesetzt (Smaill und Hofmeyr 2007). Nicht routinemäßig sollte sie hingegen bei diagnostischer oder operativer Hysteroskopie, Endometriumablation, transabdominaler Myomektomie, Laparoskopie ohne Hysterektomie (Kap. 2.10.8; Lazenby und Soper 2010) sowie bei elektiver Mammachirurgie bei Wundklassifikation 1 (Gupta et al. 2000) durchgeführt werden. Eine großzügige PAP wird in der Fertilitätschirurgie empfohlen, ist aber nicht durch Studien belegt. Um das Ergebnis der PAP zu optimieren, muss die Auswahl des Antibiotikums der Empfindlichkeit des Erregers Rechnung tragen (Hof et al. 2012). Nahtmaterial: Entrolltes Nahtmaterial soll wegen des Kontaminationsrisikos nicht auf dem Instrumentiertisch zwischengelagert werden, um den Rest für die Subkutannaht zu verwenden. Durch Einsatz von antiseptisch imprägnierten Nahtmaterial war tendenziell eine Senkung der SSI-Rate nach brustkrebschirurgischen OPs erreichbar (Williams et al. 2011; Zhang et al. 2011). Wunddrainage: Wegen des erhöhten SSI-Risikos ist die Indikationsstellung streng zu stellen (Kap. 2.10.8). Wird die Drainage für erforderlich angesehen, ist ein geschlossenes System anzuwenden (z. B. Niederdruckverfahren, Handy-Vac, keine intraperitoneale Redon-Drainage wegen starker Gewebetraumatisierung). Aufbereitung fachspezifischer MP: • Spekula sind MP semikritisch A MedizinprodukteaufbereitungGynäkologie GynäkologieMedizinprodukteaufbereitungund sollten vorzugsweise im RDG, können aber auch manuell aufbereitet werden. • Vaginalsonden werden vor der Ultraschalluntersuchung mit einer Hülle (z. B. Untersuchungskondom oder Einmalhandschuh) geschützt. Nach der Untersuchung und Entfernung von Schutzhülle und Gelresten mit weichem Einmaltuch ist die Desinfektion z. B. mit desinfektionsmittelgetränkten Fertigtüchern durchführbar. Wegen möglicher Kontamination mit Papillomaviren ist auf die Deklarierung viruzid zu achten. Bei sichtbaren Ablagerungen ist die Sonde mit einer mit sterilem Wasser getränkten Kompresse abzuwischen. • Ultraschallköpfe mit Hautkontakt werden nach jeder Untersuchung mit einem mit Instrumentendesinfektionsmittel getränkten Tuch abgewischt. Sofern kein Hinweis auf eine Infektion durch unbehüllte Viren vorliegt, ist die Deklarierung „begrenzt viruzid“ ausreichend. Geburtshilfe Obwohl die Schwangerschaft keine Erkrankung und die Entbindung primär kein operativer Eingriff ist, sind alle üblichen Maßnahmen der Basishygiene zum Schutz vor NI und zum Schutz des Personals auch hier notwendig und in einem eigenen Hygieneplan für den Kreißsaal festzuschreiben. Präpartale mikrobiologische und virologische Screeninguntersuchungen Kap. 2.10.8. Händehygiene: Die HändehygieneGeburtshilfe GeburtshilfeHändehygienewichtigste Maßnahme zur Prävention postpartaler Infektionen ist die Händedesinfektion in Verbindung mit dem Tragen nichtsteriler Handschuhe bei der vaginalen Untersuchung. Bei vaginalen operativen Entbindungen (Vakuumextraktion, Forceps), Nachtastung und manueller Plazentalösung sind sterile Handschuhe bzw. OP-Kittel zu benutzen. Bei drohender Frühgeburt sollte einer Spiegeluntersuchung und vaginaler Sonografie der Vorzug gegeben und von der Palpation Abstand genommen werden. PAP: Sie Antibiotikaprophylaxe, perioperativeGeburtshilfe GeburtshilfeAntibiotikaprophylaxe, perioperativeist erforderlich bei vorzeitigem Blasensprung > 18 h vor Geburt, Fieber > 38 °C, elektiver und sekundärer SC (Wagner et al. 2006) oder Zeichen eines AIS (Kap. 2.10.8), nicht jedoch bei einfacher operativer vaginaler Entbindung (Kressel und. Linnemann 2004). Die Antibiotikagabe bei Nachweis von B-Streptokokken oder zur Endokarditisprophylaxe muss ebenfalls berücksichtigt werden. Aseptik: Vaginale und transvaginale UntersuchungenAseptisGeburtshilfe GeburtshilfeAseptik, insbesondere nach Blasensprung, invasives fetales Monitoring und Harnblasenkatheterisierung müssen streng indiziert unter Wahrung der Aseptik durchgeführt werden. Antiseptik: Aus der AntiseptikGeburtshilfe GeburtshilfeAntiseptikSicht der Gynäkologie wird nur im Falle einer Verletzung der Geburtswege oder bei Plazentalösung die Vagina vorbereitet. Die Antiseptik des Geburtskanals vor der Entbindung ist nicht üblich und wird nicht empfohlen. Im Ergebnis von zwei Cochrane Analysen war nach Vaginalantiseptik mit CHX vor der Entbindung die Reduktion der postpartalen Endometritis nur als Trend sicherbar (Lumbiganon et al. 2004). Die z. T. beobachtete Reduktion der neonatalen Kolonisation mit betahämolysierenden Gruppe-B-Streptokokken war nicht mit wichtigen Endpunkten wie Early-onset-Sepsis, Meningitis, Pneumonie oder Mortalität assoziiert, während andererseits bei den Müttern leichte Nebenwirkungen (Brennen, lokale Irritation) beobachtet wurden (Ohlsson et al. 2014). Hygiene im Kreißsaal: Die GeburtshilfeHygienemaßnahmenEinrichtung soll Behaglichkeit vermitteln, trotzdem müssen Oberflächen und Mobiliar der desinfizierenden Reinigung zugängig sein. Nach der Entbindung werden mit Blut oder Körperflüssigkeiten kontaminierte Gegenstände und Flächen der desinfizierenden Reinigung mittels Wischen unterzogen. Gleiches gilt für Gebärstuhl/-bett der Kreißenden. Die Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal ist aus psychohygienischen Gründen zur Selbstverständlichkeit geworden (David et al., 1994, David et al., 2009; Sioma-Markowska et al. 2004). Nach einer Sektio wird der frühe Haut-zu-Haut-Kontakt gefördert und dadurch das Risiko der Hypothermie des Neugeborenen reduziert (Pestvenidze und Bohrer 2007). Das Team muss trainiert werden, die Väter zur aktiven Teilnahme an der Entbindung und ggf. auch Sektio zu befähigen (Gutmann und Tabak 2011). Durch den Vater ergibt sich kein erhöhtes Infektionsrisiko (Banda 2008). Vor dem Eintreten soll er allen Schmuck an den Händen ablegen und die Hände desinfizieren. Bereichskleidung oder Schutzkittel sind für den Vater nicht erforderlich (Ausnahme Sektio). Bei respiratorischen Infektionen ist insbesondere während der Influenzasaison das Tragen eines MNS zu empfehlen (CDC 2011); zu Herpes labialis siehe unten. Wassergeburt: Durch WassergeburtGeburtshilfeWassergeburt Wassergeburt, Hygienemaßnahmen wird im Ergebnis einiger Studien die Entbindungsdauer verkürzt, die Rate von Episiotomien und die Schmerzperzeption der Gebärenden verringert (Thoni, Mussner und Ploner 2010). Werden die Hygieneanforderungen nicht eingehalten, ist die Gebärende durch Infektionen mit P. aeruginosa und andere Wasserpathogene gefährdet. Das Neugeborene ist sowohl durch Wasserpathogene als auch durch die Stuhlflora der Mutter und das Personal durch Kontakt mit bluthaltigem Wasser gefährdet. Fallberichte lassen den Schluss zu, dass Infektionen beim Neugeborenen zu schwerwiegenden Erkrankungen sowohl durch P. aeruginosa (Vochem, Vogt und Döring 2001) als auch durch L. pneumophila, letztere mit tödlichem Verlauf, führen können (Franzin et al. 2001, Nagai et al. 2003). Damit ist eine mikrobiologisch unbedenkliche Wasserqualität unabdingbare Voraussetzung bei der Unterwassergeburt. Voraussetzungen für die Unterwassergeburt seitens der Kreißenden und des Kindes sind keine geburtshilflichen Risiken, Informationen über Infektionsstatus der Kreißenden, um bei das Personal gefährdenden Infektionskrankheiten keine Wassergeburt zuzulassen, Impfschutz des Personals gegen blutgetragene Infektionen sowie ein Reinigungseinlauf bei der Kreißenden (Bösenberg et al. 2002; GNPI 2012). Nur die Kreißende darf sich in der Wanne aufhalten. • Das Einlaufwasser muss den Anforderungen an Wasser für den menschlichen Gebrauch genügen. Wird die mikrobiologische Wasserqualität inkl. Pseudomonaden (0/100 ml) und Legionellen (0/100 ml) (Dyck, Exner und Kramer 2007) nicht erreicht, sind endständige Bakterienfilter zu verwenden. • Die Gebärwanne muss der Kreißenden ausreichende Bewegungsfreiheit gewähren und sollte von drei Seiten zugängig sein. Die Wassereinläufe sollten sich im Beinbereich befinden. Überläufe sind wegen des Kontaminationsrisikos abzulehnen. Gleiches gilt für Luftdüsen. • Nach Entbindung und Ablassen des Wassers mit kurzem Nachspülen der Wanne sind die kontaminierten Flächen mit einem Flächendesinfektionsmittel mit begrenzt viruzider Wirksamkeit zu behandeln; vor erneuter Benutzung ist die deklarierte Einwirkungszeit abzuwarten. • Es sind Gesichts-, Augen- und langärmliger Hand-/Armschutz als Personal- und Patientenschutz zu empfehlen. • Schon allein aus Haftungsgründen ist die Infektionssurveillance zu empfehlen. Whirlpool: Die Nutzung GeburtshilfeWhirlpoolvon Whirlpools während der Wehen hatte positiven Einfluss auf Analgesie, Zustand des Perineums und Zufriedenheit, die mütterliche und kindliche Infektionsrate blieb unbeeinflusst (Rush et al. 1996). Unmittelbar nach der Geburt sollen und müssen Neugeborene nicht gebadet werden. Neugeborene können rasch auskühlen. Wochenstation: Rooming-in-GeburtshilfeWochenstation Wochenstation, HygienemaßnahmenPflege im Einzel- bzw. Doppelzimmer mit zugehöriger Sanitäreinheit oder das Familienzimmer sind fest etabliert (De Carvalho Guerra Abecasis u. Gomes 2006, Lee et al. 2010). Durch die enge Mutter-Kind-Bindung werden die Entwicklung des Kindes und das Behaglichkeitsempfinden der Mutter gefördert (Janssen, Dennis und Reime 2006) und erreicht, dass ein hoher Anteil der Neugeborenen auch nach der Entlassung weiter gestillt wird. Im Vergleich zur zusammengefassten Unterbringung der Neugeborenen in größeren Einheiten wird das Infektionsrisiko für das Neugeborene bei Rooming-in reduziert (Fujita und Murono 1996; Langmaack, Schleipen und Daschner 1982). Ausnahmen sind gegeben, wenn durch die Infektion der Mutter eine vitale Bedrohung des Neugeborenen zu befürchten ist. Vorlagen zum Auffangen des Wochenflusses müssen keimarm sein und kontaminationsgeschützt gelagert werden. Mastitis puerperalis: Ihre Mastitis puerperalisPräventionPrävention beinhaltet (in der Klinik) Händedesinfektion vor dem Anlegen des Neugeborenen, Vermeiden von Milchstau durch Training der Stilltechnik, Wechsel zwischen unterschiedlichen Stillpositionen, um beim Saugen durch das kindliche Kinn verschiedene Quadranten zu massieren, Anlegen an beide Brüsten nacheinander in wechselnder Reihenfolge (Leertrinken beider Brüste), Vermeidung des Kontakts zwischen Brust und Lochien, Verwendung sauberer Stilleinlagen, lokale Behandlung entstehende Rhagaden der Brustwarzen; nach dem Stillen anhaftende Milchreste zuerst trocknen lassen und erst dann BH anlegen, Stressvermeidung (evtl. mit dem Kind tagsüber schlafen). Herpes simplex neonatorum: Bei Herpes simplex neonatorumder Mehrzahl der Patienten mit primärer Herpes-labialis-Manifestation im Bläschenstadium lässt sich an den Händen der Mutter HSV nachweisen. Die Läsionen sollten deshalb abgedeckt, die Mütter zur Händedesinfektion angehalten und beim Stillen ein MNS angelegt werden. Kreißenden mit genitalen Herpesbläschen wird die Sektio empfohlen (ACOG 2007). Bei einer mehrfach rezidivierenden HSV-Infektion wird eine antivirale Therapie mit Aciclovir empfohlen (Anzivino et al. 2009). Säuglinge mit disseminiertem Herpes neonatorum oder mit HSV-Enzephalitis (Le Doare et al. 2014) müssen kontaktisoliert werden (Kap. 3.4.10, Kap. 5.13.5). Ophthalmia neonatorum: Gemäß Ophthalmia neonatorumAWMF-Leitlinie (GNPI 2012) ist die gesetzliche Vorschrift zur generellen Durchführung der Credé Prophylaxe aufgehoben. Es wird ggf. eine gezielte antibiotische Therapie nach Lidabstrichentnahme empfohlen (Kap. 5.15.3). Spezielle Schutzmaßnahmen vor peri- und postpartalen Infektionen (Kap. 3.3.2, Kap. 3.4) In Tab. 5.22 wird das von Gebärenden ausgehenden Infektionsrisiko für Dritte orientierend eingestuft. Neugeborene mit Masern-, Mumps-, Varicella-zoster-, Röteln-, Influenza- oder Norovirusinfektion müssen isoliert werden. Streptokokken: Bei postpartaler StreptokokkenGeburtshilfe GeburtshilfeStreptokokkenund postoperativer A-Streptokokken-Infektion müssen Mutter und Kind bis 24 h nach Beginn der Antibiotikatherapie isoliert werden. Bei gehäuftem Auftreten (> 2 Erkrankungen) muss eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen; ein Personalscreening ist zu erwägen. Da B-Streptokokken schwere Infektionen beim Neugeborenen hervorrufen können (Early und Late Onset), wird das Screening aller Schwangeren auf B-Streptokokken zwischen 35 + 0 und 37 + 0 SSW (vaginal und rektal) empfohlen, um bei positivem Nachweis mindestens 4 h vor der Geburt mit einer Antibiotikaprophylaxe (Penicillin parenteral) zu beginnen (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2008; Kressel und Linnemann 2004). Dadurch kann in bis zu 90 % der Fälle eine Neugeborenensepsis verhindert werden, ohne dass nach bisherigem Wissensstand eine Zunahme anderer potenzieller Risiken (z. B. Anaphylaxie, Zunahme von nicht durch B-Streptokokken verursachten Sepsisfällen) verbunden ist. MRE: Bei Auftreten von Multiresistente ErregerGeburtshilfe GeburtshilfeMREMRSA und weiterer MRE gelten die diesbezüglichen Regeln (Kap. 3.7, Kap. 3.8.5). Gegebenenfalls ist die antiseptische Sanierung der Scheide zu empfehlen, jedoch ist keine Sektio erforderlich. Die Hautdekontamination beim Neugeborenen kann mit OCT erfolgen. Wegen des Risikos der alimentären Aufnahme von Listerien und EHEC ist während der Schwangerschaft kein Genuss von rohen Fleischwaren, Rohmilch, Vorzugsmilch und nicht pasteurisierten Milchprodukten zu empfehlen. Virushepatitiden: Bei HBsAg-positiven Hepatitis-B-VirusGeburtshilfe GeburtshilfeHepatitis-B-VirusMüttern oder bei unklarem Hepatitis-B-Status der Mutter ist das Neugeborene in den ersten 72 h nach der Geburt aktiv und passiv zu immunisieren. Es darf danach gestillt werden. Bei Hepatitis-C-VirusGeburtshilfe GeburtshilfeHepatitis-C-VirusHepatitis C sollte bei hohem Virustiter und gleichzeitiger HIV-Infektion eine Sektio durchgeführt werden. Die HCV-Infektion allein stellt dagegen keine Kontraindikation für die vaginale Entbindung dar (Ross, Viazov und Roggendorf 1999). Bei operativer Entbindung ist Double Gloving zu empfehlen. Da das Übertragungsrisiko für HCV durch Stillen nicht sicher eingeschätzt werden kann (CDC 1998), wird die Viruslast als Entscheidungskriterium herangezogen. HIV: Wichtig ist das Screening auf HIVHuman Immunodeficiency VirusGeburtshilfe GeburtshilfeHuman Immunodeficiency Virus, da durch präpartale antivirale Therapie das Übertragungsrisiko auf das Kind um nahezu 70 % gesenkt werden kann (Public Health Service Task Force 2004) und durch primäre Sektio die Transmissionsrate mit 55–80 % deutlich reduziert wurde (International Perinatal HIV Group 1999, European Mode of Delivery Collaboration 1999). Bei HIV-Infektion sind die Empfehlungen zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen (in Überarbeitung) und der AWMF zur Prävention blutübertragbarer Virusinfektionen (AWMF 2011b) zu beachten. Tbc: Bei TuberkuloseGeburtshilfe GeburtshilfeTuberkuloseoffener Lungentuberkulose sind die Schutzmaßnahmen des RKI-Ratgebers (2013), des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (2012) und der Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF (2006, in Überarbeitung) einzuhalten. Candida-Infektionen können zwar unter der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen werden, erfordern aber unter der Entbindung kein besonderes Hygieneregime zum Schutz Dritter. Besucher Sofern diese gesund sind, gibt es keine Besuchseinschränkung. Allerdings sollte beim Eintritt eine Händedesinfektion durchgeführt werden. Bei Erkältungen von Personal und Besuchern ist ein MNS anzulegen. Nach dem Naseputzen ist die Händedesinfektion durchzuführen. Personal und Besucher mit floridem Herpes labialis dürfen nur nach Händedesinfektion und Anlegen eines MNS und eines patientenbezogenen Schutzkittels Kontakt mit dem Kind haben (Kap. 3.4). Bei Vorliegen hoch kontagiöser Darminfektionen soll für die Dauer der Erkrankung kein Kontakt mit Neugeborenen erfolgen. 5.11.3 Infektionsprophylaxe bei Verfahren der assistierten Reproduktion Zur Reproduktion, assistierte, Infektionsprävention GynäkologieReproduktion, assistierteInfektionsprävention werden folgende Maßnahmen empfohlen (Kupka und Weigel 2008): • präkonzeptionelle Sanierung bei Infektion der Vagina: Screening auf Vaginose, Chlamydien, B-Streptokokken, vor invasiven Maßnahmen Auswaschen der Vagina bzw. Abtupfen der Portio mit steriler isotoner Kochsalzlösung, Antiseptik wird wegen möglicher Beeinflussung des Spermas nicht empfohlen • Verwendung von Einmalinstrumenten bei Follikelpunktion, Spermienpräparation, Embryokultur und Embryotransfer • Hitzesterilisation und ggf. Ultraschallreinigung von Mehrweg-Utensilien • Anreicherung des Kulturmediums mit Penicillin und Streptomycin • Qualitätskontrollen des Kulturmediums (Mikroorganismen, Endotoxine, Pyrogene) • Serumsupplement nur mit Albuminpräparationen aus getesteten (HIV, HBV, HCV, CMV, T. pallidum), quarantänegelagerten Spenderpools; notfalls Eigenserum der Patientin verwenden • Einhalten der Hygienevorschriften zur Spermiengewinnung • Regelmäßige Aufbereitung der Lagerbehälter für Kryokonservate • Röteln- und Varizellenschutz der Mutter • Impfprävention und hygienische Schutzmaßnahmen für das Laborpersonal. Zellspender müssen frühestens 7 d vor jeder Eizellentnahme oder Samengewinnung ein Screening für HIV, Hepatitis B und Hepatitis C (Anti-HIV-1, -2, HbsAg, Anti-HBc, Anti-HCV-Ab) durchführen lassen (Gewebegesetz 2007). Bei Vaginose wurden durch vaginale Applikation von Probiotika die Spermien vor Lipidperoxidation geschützt, was eine aussichtsreiche Option zur Verbesserung der In-vitro-Fertilisation darstellt (Barbonetti et al. 2011). 5.11.4 Surveillance Durch Surveillance wird das Infektionsrisiko quantifiziert, die Infektionsrate reduziert und können Schlussfolgerungen für Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden. Daher ist die Surveillance unverzichtbares Instrument der Infektionskontrolle (Vincent-Bouletreau et al. 2005, Mahmood, Fazal ur Rehman und Chughtai 2008). 5.11.5 Personalschutz Im Ergebnis der Gefährdungsanalyse (Kap. 5.29.2) sind die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen und die Aufklärung zu Schutzimpfungen zu dokumentieren (Kap. 2.12.1). Wegen des häufigen Kontakts mit Blut, Amnionflüssigkeit und weiteren Sekreten und Exkreten (bis zu 39 % Kontamination bei der Geburtshilfe; Panlilio et al. 1992) sind die erforderlichen Sofortmaßnahmen bei akzidenteller Kontamination regelmäßig in Erinnerung zu bringen (Arribas Llorente et al. 2004; Catanzarite et al. 2007; Jagger, Berguer und Gomaa 2009; Lewis et al. 1995). Zum Infektionsrisiko für das OP-Team bei Laserentfernung von Kondylomata Kap. 5.26.6. 5.12 Urologie Hansjürgen Piechota und Peter Brühl Im Jahr 2011 liegen Urologie, InfektionsrisikoHarnwegsinfektionenHarnwegsinfektionenHäufigkeit (HWI) in Deutschland mit 23,4 % nach SSI an 2. Stelle der NI. Das entspricht etwa 155 000 nosokomialen HWI (nHWI) in Deutschland pro Jahr. Die nach einer sekundären Bakteriämie ggf. auftretende Urosepsis weist eine signifikante Mortalität von etwa 10 % auf (Gould et al. 2010). Damit hat die Prävention von nHWI einen hohen individuellen und sozioökonomischen Stellenwert, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Resistenzentwicklung bakterieller Erreger. Da nHWI in etwa 80 % der Fälle mit einem Harnwegskatheter (HWK) assoziiert sind, hat der korrekte Umgang mit HWK den höchsten Stellenwert für die Infektionsprävention. Konkrete Handlungsanleitungen sind in den aktuellen Empfehlungen der KRINKO und des Arbeitskreises Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF (2015) hinterlegt (KRINKO 2015). In Übereinstimmung damit sind die Kernempfehlungen zur Prävention katheter-assoziierter HWI in acht englischsprachigen Leitlinien über 30 Jahre bemerkenswert konstant geblieben (Conway und Larson 2012; Lo et al. 2014): • Jede HWK-Anlage bedarf der strengen, ärztlichen Indikationsstellung. • Die Technik beim Katheterismus und bei der Katheterpflege erfordert ebenso wie die Erkennung von katheter-assoziierten Komplikationen eine regelmäßige Schulung. • Das Legen eines Katheters erfolgt stets unter streng aseptischen Bedingungen. • Es dürfen nur sterile und geschlossene Harnableitungssysteme verwendet werden. • HWK sollen so früh wie möglich wieder entfernt werden. Eine antimikrobielle Prophylaxe ist weder bei der Einlage, noch beim Wechsel oder während der Liegedauer eines HWKs erforderlich. Selbst bei einer asymptomatischen Bakteriurie ist sie lediglich vor Operationen am Harntrakt indiziert (KRINKO 2015). 5.12.1 Transurethrale Katheterdrainage der Harnblase Antiseptik Zielsetzung Harnblasenkatheterisierung, transurethrale Harnblasenkatheterisierung, transurethraleAntiseptik AntiseptikHarnblasenkatheterisierung Blasenverweilkatheter, transurethralerist eine möglichst weitgehende Reduktion der Mikroflora der Genitoperinealregion um den Meatus urethrae bzw. am Introitus vaginae vor der Katheterisierung (Heeg 1997). Bei der Auswahl des Schleimhautantiseptikums ist nicht nur auf die lokale Verträglichkeit, sondern auch auf eine fehlende Resorptionstoxizität zu achten. Quecksilberhaltige Präparate sind aus toxikologischen Gründen und wegen ihrer ungenügenden Wirksamkeit obsolet. Produkte auf Alkoholbasis können aufgrund der Schleimhautunverträglichkeit nur beim anästhesierten Patienten verwendet werden. Iodophore sind am weiblichen Orificium urethrae OCT und CHX in der Sofortwirkung tendenziell überlegen, es ist aber die Resorptionstoxizität zu beachten. Am männlichen Genitale war dieser Unterschied nicht nachweisbar. Hier sind OCT-haltige Antiseptika wegen der besseren remanten Wirkung zu bevorzugen, zumal durch CHX anaphylaktische Reaktionen ausgelöst werden können (Kap. 2.2) (Assadian und Kramer 2008; Krautheim, Jermann und Bircher 2004; Odedra und Farooque 2014). Antiseptik: Beim Mann muss das Präputium (sofern vorhanden) nach steriler Abdeckung komplett retrahiert, die Harnröhrenöffnung mit Daumen und Zeigefinger gespreizt und mitsamt Eichel dreimal hintereinander mit je einem satt getränkten Tupfer abgerieben werden. Bei der Frau werden die großen Schamlippen von der Symphyse weg zum Anus antiseptisch abgerieben und dann mit Daumen und Zeigefinger der einen Hand gespreizt. Die kleinen Schamlippen werden mit der freien Hand und neuem Tupfer in der gleichen Weise von vorn nach hinten gereinigt. Zum Schluss wird die Harnröhrenmündung mit einem weiteren Tupfer behandelt und der letzte Tupfer in den Vaginaleingang eingebracht. Mit der anderen Hand wird der sterile Katheter nach Instillation eines sterilen, anästhesierenden Gleitmittels eingeführt. Bezüglich Aseptik und Antiseptik ist jeder Harnblasenkatheterismus einem chirurgischen Eingriff gleichzusetzen. Aseptik: VoraussetzungHarnblasenkatheterisierung, transurethraleAseptik AsepisHarnblasenkatheterisierung für das aseptische Vorgehen sind standardisierte Arbeitsmaterialien (Set) und ein standardisierter Arbeitsablauf (AWMF 2015). Bei industriell gefertigten Sets (Handschuhe, Abdeckmaterial, Tupfer, ggf. Pinzette zur aseptischen Katheterinsertion, Schleimhautantiseptikum, Gleitmittel) haftet der Hersteller für die Zusammensetzung des Sets und dessen Sterilität. Das ist vor allem in Disziplinen wichtig, in denen seltener katheterisiert wird. Der aseptische intermittierende Katheterismus (IK) ist eine erprobte, sichere Methode zur Blasenentleerung bei bestimmten Formen der neurogenen Blasenfunktionsstörung (Tab. 5.23 ). Der IK kann langfristig erfolgen, wobeiHarnblasenkatheterisierung, transurethraleintermittierende aseptische Katheterismus, intermittierender aseptischer die erfolgreiche Infektionsprävention von einer adäquaten Technik und der Katheterisierungsfrequenz abhängt (4–6 Mal in 24 h). Es stehen handelsübliche sterile Einmalkatheter mit gerader, weicher, konisch verlaufender Spitze und abgerundeten, „entschärften“ Katheteraugen in gut handhabbarer Verpackung in Kombination mit sterilem Gleitmittel zur Verfügung. Das Gleitmittel muss die gleiche Biokompatibilität wie der Katheter besitzen (Kramer et al. 2001). Es werden verschiedene Techniken praktiziert. Im Krankenhaus sollte der IK unter streng aseptischen Kautelen erfolgen. Tab. 5.23 Indikationen für den Katheterismus der HarnblaseHarnblasenkatheterisierung, transurethraleVerweilkatheterHarnblasenkatheterisierung, transurethraleIndikationenHarnblasenkatheterisierung, transurethraleEinmalkatheter Diagnostischer Katheterismus(meist Einmalkatheterismus) Therapeutischer Katheterismus(meist Verweilkatheter) • Intensivüberwachung: Volumenbilanzierung, Nierenfunktionsüberwachung bei schwerkranken Patienten oder langdauernden Operationen (meist Verweilkatheter) • Harngewinnung für mikrobiologische Untersuchung (falls Mittelstrahltechnik versagt) • Sondierung der Harnröhre, z. B. bei fraglicher Lumeneinengung (Harnröhrenkalibrierung) • Diagnostik der unteren Harnwege, z. B. Urodynamik, Miktionszystourethrogramm • Blasenentleerungsstörungen: z. B. bei Bewusstlosigkeit, nach spinalem Trauma, rückenmarknaher Anästhesie (Option suprapubischer Katheter), bei stark obstruktiver Miktion und bei ausgeprägter funktioneller/neurogener Blasenentleerungsstörung1 • Förderung der Wundheilung/Hautschutz im Bereich des äußeren Genitale bei Harninkontinenz; palliative Behandlung der (therapierefraktären) Harninkontinenz (strenge Indikationsstellung!), • Perioperativer Einsatz bei speziellen OP wie z. B. kolorektaler und Beckenchirurgie, endoskopische und spezielle plastisch-rekonstruktive urologische und urogenitale OP • Ausräumung von Blasentamponaden • Spül- bzw. Instillationsbehandlung • Akuter und chronischer Harnverhalt • Kontinuierliche Nulldruck-Ableitung, bei komplizierten Harnwegsinfektionen • Verbesserung des Patientenkomforts und Erleichterung der Pflege am Lebensende 1 intermittierender Einmalkatheterismus (nach Geng et al. 2012, SCIRE 2014) Beim hygienischen Selbstkatheterismus außerhalb des Krankenhauses oder beim Katheterismus durch immer die gleiche Fremdperson (Clean Intermittent CatheterisationHarnblasenkatheterisierung, transurethraleSelbstkatherismus, hygienischer Selbstkatherismus, hygienischer Clean Intermittent Catheterisation Harnblasenkatheterisierung, transurethraleClean Intermittent Catheterisation, CIC) erfolgt eine hygienische Händedesinfektion und Antiseptik des Meatus und seiner Umgebung. Die Utensilien sind sterile Einmalartikel. Auf Handschuhe und sterile Abdeckung wird verzichtet und der gebrauchsfertige Katheter direkt „aus der Hülle“ in die Harnröhre eingeführt. Die Katheterisierungsintervalle sollten eine Füllung der Harnblase über 400 ml vermeiden. Je öfter katheterisiert wird, desto niedriger bleiben Blasenfüllung und Infektionsrate. Die Methode kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Patienten selbst erlernt werden. Wichtig ist die regelmäßige Schulung des Patienten bzw. der Personen, die den IK durchführen. Kathetermaterial Der Harnblasenkatheterisierung, transurethraleKathetermaterial Blasenverweilkatheter, transurethralerMaterialtransurethrale Verweilkatheter kann als Fremdkörper durch physikalische und chemische Faktoren das physiologische Gleichgewicht urothelialer Abwehrmechanismen beeinträchtigen. Abhängig von den Eigenschaften des Kathetermaterials kommt es zur mechanischen Reizung mit nachfolgender Schädigung des Urothels (Nacey, Tulloch und Ferguson 1985), die durch Manipulation am Katheter, Katheterwechsel, Zug am Katheter und Ableitungssystem oder durch Blasenspülungen verstärkt werden (Kap. 4.3). Anforderungen: Zu den spezifischen Adhärenzmechanismen einiger Mikroorganismen gehören die Fimbrien (Pili), mit denen sie an Urothel und Katheteroberflächen anhaften und persistieren können. Zu den unspezifischen Adhärenzmechanismen gehört der Biofilm (Kap. 4.9), der Mikroorganismen an den Oberflächen des Katheterdrainagesystems eingebettet festhält (Warren 1990). Beides wird durch eine raue Katheteroberfläche ebenso begünstigt wie die Katheterinkrustation durch Struvit oder Karbonatapatit, die an ein alkalisches Urinmilieu gebunden und pathognomonisch für eine Bakteriurie mit ureasebildenden Mikroorganismen ist. Die Inkrustation reduziert die Drainageleistung bis zur Obstruktion von Katheterlumen und Ableitungssystem (Stamm 1998) mit Blasenentleerungsstörung und Erhöhung des intravesikalen Drucks (Stickler 2014; Warren 1997; Kap. 4.3). Die Lumenobstruktion verkürzt die Liegedauer des Katheters und erhöht durch die unzureichende Drainage des beim Dauerkatheterträger in der Regel kontaminierten Urins sowie durch die gesteigerte Wechselfrequenz und Manipulation am Katheter das Infektionsrisiko (Urosepsisgefahr!). Struvit und Apatit auf der Katheteraußenfläche irritieren beim transurethralen Katheter das Urothel vor allem der Harnröhre mit der Folge einer bakteriellen Urethritis. Beim Katheterwechsel führen sie zu weiteren urethralen Läsionen mit einer möglichen Bakteriämie durch uropathogener Erreger und der Spätfolge einer Harnröhrenstriktur (Bull et al. 1991; Tritschler et al. 2013). Da Mikroorganismen im Biofilm vor antibiotischen und antiseptischen Maßnahmen geschützt sind, sind harnwegskatheter-assoziierte HWI häufig therapieresistent und persistieren so lange, bis der kontaminierte Fremdkörper entfernt wird. Daher bestehen hohe Anforderungen an die Biokompatibilität eines Katheters. Die Anforderungen an einen HarnwegskatheterAnforderungenHarnwegskatheter sind indikationsabhängig (Tab. 5.23) und beinhalten beim Verweilkatheter im Idealfall folgende Eigenschaften: • chemisch biostabil, d. h. indifferent, alterungsfrei, korrosionsfrei, • biokompatibel, allergenfrei, • physikalisch formstabil, elastisch, elektrostatisch neutral, • morphologisch glatt, wasserabstoßend, antiadhäsiv, • physiologisch gut drainierend, strömungsfördernd. Preisgünstige PVC-Katheter werden zur Einmalkatheterisierung HarnwegskatheterPVCohne längeren Urothelkontakt verwendet (Piechota und Pannek 2007). Latex ist Latex, Harnwegskatheter Blasenverweilkatheter, transurethralerLatexmechanisch stabil und flexibel, jedoch nicht biokompatibel. Die elektronenmikroskopisch erkennbare raue Oberflächenstruktur führt zu erheblicher Inkrustationsneigung und starken Urothelirritationen (Cox 1990, Hedelin, Grenabo und Pettersson 1991). Durch Urethralsekret und Harn werden chemische Zusätze wie Weichmacher und Stabilisatoren aus dem Latex herausgelöst. Latexkatheter induzieren innerhalb weniger Stunden chemisch-toxische Urethritiden, indem Anaphylotoxine freigesetzt werden, die bei der Herstellung als Akzeleratoren (Zinkcarbamat usw.) benötigt werden. Diese wirken toxisch auf das Urothel. Schon aus diesem Grund wird von der längerfristigen Verwendung (> 5 d) unbeschichteter Latexkatheter abgeraten (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2015; KRINKO 2015). Außerdem können Latexbestandteile besonders bei Atopikern und Patienten, die häufig oder dauerhaft katheterisiert werden müssen (z. B. Kinder mit Spina bifida, Patienten mit neurogener Blasenentleerungsstörung und im Rahmen von Mehrfachoperationen) lokale und generalisierte allergische Reaktionen auslösen (Hamann 1994; Merguerian 1991; Turjanmaa 1994). Die Symptome reichen von einer leichten Kontakturethritis über ein Quincke-Ödem und eine generalisierte Urtikaria bis zum anaphylaktischen Schock (Shenot et al. 1994). Das allergene Potenzial von Latexkathetern muss beachtet werden. Wer auf Früchte wie Bananen, Avocado, Kiwi, Papaya, Ananas, Kartoffel, Tomate allergisch reagiert, kann auch auf Latexproteine reagieren (Kreuzallergie). Polyurethan wird für Harnleiter- (endoureterale HarnwegskatheterPolyurethanSchiene, Splint, Doppel-J- oder „Pigtail“-Katheter) und Nephrostomiekatheter verwendet. Auch nach einer längeren Liegedauer von bis zu 6 Monaten werden keine nennenswerten Mengen von Weichmachern oder anderen Additiven herausgelöst. Die Oberfläche zeigt sich elektronenmikroskopisch relativ glatt. Katheter aus HarnwegskatheterSilikon Blasenverweilkatheter, transurethralerSilikonreinem Silikon haben den Vorteil der geringsten kinetischen Reibung und induzieren weniger Urothelirritationen, da sie chemisch inaktiv sind (Khoury et al. 1991). Sie besitzen eine hohe Elastizität und Formstabilität und sind temperatur- und altersbeständig. Die Hydrophobie verhindert vor allem Ablagerungen wasserlöslicher oder wasserhaltiger klebender Substanzen, z. B. von Harn, Serum oder Blut. Davon profitieren besonders Patienten mit hoher Katheterinkrustationsneigung. Elektronenmikroskopisch ist die Oberfläche sehr glatt. Der Silikonkatheter kann daher bei längerfristiger, mehrwöchiger Drainage verwendet werden (Piechota und Pannek 2007). HWK-assoziierte Urothelkomplikationen und Kosten können verringert werden. Bezüglich der Durchflusskapazität zeigt sich eine signifikante Überlegenheit gegenüber Latexkathetern (Hedelin, Grenabo und Pettersson 1991). Die Materialbeschaffenheit des Silikons erlaubt den dünnwandigeren Aufbau des Katheterschafts, sodass eine größere Lumenquerschnittsfläche erreicht werden kann. Da diese Vorteile auch nach der Inkrustationsphase erhalten bleiben, ist schon aus diesem Grund eine Bevorzugung bei längeren Verweilzeiten (> 5 d) gerechtfertigt (Hesse et al. 1994). Dagegen gibt es bis heute keine Evidenz für Unterschiede in der Rate katheter-assoziierter HWI zwischen Latex- und Silikonkathetern (Hosseinpour et al. 2014; Lo et al. 2014; Pickard et al. 2012b). Katheter aus reinem Silikon weisen ein Optimum an Biokompatibilität, Biostabilität und Urothelverträglichkeit auf. Katheterbeschichtungen LatexkatheterHarnwegskatheterbeschichtete Blasenverweilkatheter, transurethralerbeschichteter werden häufig mit Materialien beschichtet, die biostabiler und verträglicher als reines Latex sein sollen. Durch Beschichtung der inneren und äußeren Oberfläche mit einer Silikonelastomer- oder Teflonschicht konnte das toxische Potenzial des Latexkatheters gesenkt werden. Durch die glattere Oberfläche werden Reibung und Inkrustationsneigung im Vergleich zu unbehandelten Latexkathetern reduziert (Bull et al. 1991). Von Interesse ist ferner die Beschichtung mit hydrophilen Polymeren, die chemisch relativ inaktiv und biokompatibel sind. Es handelt sich um hydrophiles Polyurethan (Hydrogel), das bei Kontakt zum Urothel Wasser absorbiert und so zu einem „weichen Gel“ mit geringem Reibungskoeffizienten wird. Diese Katheter gleiten gut bei Katheterinsertion und irritieren das Urothel kaum. Tierexperimentell konnte nachgewiesen werden, dass der hydrogelbeschichtete Katheter nicht zytotoxisch ist und sich in situ keine zytotoxischen Substanzen herauslösen. In vitro wurde eine gegenüber Latex geringere mikrobielle Adhäsions- und Inkrustationsneigung nachgewiesen (Roberts, Kaack und Fußell 1993). Durch die chemische Bindung der Beschichtung an das Substrat kommt es bei kurzer Liegedauer (< 5 d) nicht zu Materialbruch oder Abreibung der Beschichtung, sodass die Bedingungen für die hohe Biokompatibilität kurzfristig erhalten bleiben. Längerfristig ist aber die Oberfläche im Vergleich zu reinem Silikon deutlich instabiler (Bach 1995). Hydrogel-beschichtete Katheter scheinen im Langzeiteinsatz besser toleriert zu werden. Es gibt dagegen keinen Hinweis auf Vorteile im Hinblick auf die Infektionsprävention (Bull et al. 1991, Pickard et al., 2012a, Pickard et al., 2012b). Ziel einer antiinfektiven Imprägnierung ist es, Antibiotika oder Antiseptika in hohen Wirkkonzentrationen in oder auf das Kunststoffmaterial zu bringen und so über einen Low-Delivery-Mechanismus hohe Wirkspiegel gezielt am potenziellen Infektionsort freizusetzen. Gleichzeitig sollen der Harnwegskatheterantiinfektiöse Imprägnierungsystemische Wirkstoffspiegel niedrig sowie die Nebenwirkungen gering sein. In bisherigen Untersuchungen führte das Eintauchen der Kathetermaterialien z. B. in antibiotische Lösungen trotz Optimierung aller physikalisch-chemischen Parameter zu einer nur relativ kurzfristigen Bindung des Antibiotikums (Warren 1997). Eine dauerhaft wirksame Beschichtung mit den verschiedenen Wirkstoffen konnte nicht gesichert werden (Schierholz et al. 1998). Aus Sicht der Infektionsprävention kann keine Empfehlung zur bevorzugten Verwendung bestimmter Kathetermaterialien gegeben werden. Gleiches gilt für alle bekannten hydrophilen und antimikrobiellen Katheterbeschichungen (KRINKO 2015). Die Adhäsion von Mikroorganismen am Katheterpolymer soll durch Beschichtung mit Silberionen verhindert werden (Guggenbichler, Kramer und Reichwagen 2008). Dabei war zunächst kein Einfluss auf SilberHarnwegskatheter HarnwegskatheterSilberbeschichtungdie Inzidenz katheter-assoziierter Bakteriurien und Harnwegsinfektionen feststellbar (Riley et al. 1995). Die Ergebnisse aus 12 Studien zu silberbeschichteten Latexkathetern sind durch methodische Mängel kompromittiert. Die wichtigste Limitation dieser Studien war, dass nicht die symptomatische HWI sondern ausschließlich eine katheter-assoziierte Bakteriurie als Endpunkt untersucht wurde (Johnson, Kuskowski und Wilt 2006). Eine prospektive Cross-over-Studie zu silberimprägnierten Silikonkathetern im Vergleich zu hydrogelbeschichteten Kathetern fand bei ausschließlicher Betrachtung von Normalstationspatienten einen signifikanten Vorteil für silberimprägnierte Katheter (Karchmer et al. 2000). Zwei gut konzipierte prospektive multizentrische Studien zeigen dagegen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Teflon-beschichteten Latexkathetern keinen infektionspräventiven Nutzen von Silikonkathetern, die mit Silber oder dem Antibiotikum Nitrofurazon beschichtet waren (Pickard et al. 2012a). Aufgrund der heterogenen Datenlage wird die Verwendung antimikrobiell beschichteter Katheter zur Infekionsprävention von der KRINKO nicht empfohlen (Jahn, Beutner und Langer 2012; KRINKO 2015). Auch durch die Behandlung von Kathetern mit Salicylsäure (Farber und Wolff 1993) und durch die Freisetzung von Chloridionen aus Iontophorese-Kathetern (Wong, Riedl und Griffith 1995) konnte keine Senkung der täglichen Inzidenz neu erworbener Bakteriurien erreicht werden. Zur Limitierung der Anlagerung von Harnkristallen an Katheteroberflächen wurde heparinisiertes Material HarnwegskatheterHeparinbeschichtungentwickelt. Heparin verhindert die Anlagerung von Fibrinmonomeren. Dadurch sollen die Inkrustationsneigung verhindert und die bakterielle Kolonisation reduziert werden (Fuse et al. 1994). Ein signifikanter infektionsprotektiver Effekt konnte dadurch bisher nicht bewiesen werden. Wie schwierig bei antiinfektiv imprägnierten Kathetern trotz erfolgreicher Laborversuche der Nachweis einer klinischen Effizienz ist, zeigt sich darin, dass es trotz jahrzehntelanger Entwicklungsarbeit zurzeit keine Modifikation gibt, die eine HWK-assoziierte Bakteriurie bzw. bakterielle Entzündung des Urogenitaltrakts zuverlässig unterdrücken kann. Kein Kathetermaterial und keine Katheterbeschichtung können die patientenspezifischen und die mechanisch-physikalischen Faktoren, welche die anatomische Integrität des Urothels beeinflussen, eliminieren (Haacke, Schierholz und Timpe 1997, Pickard et al. 2012b). Eine 2012 aktualisierte Cochrane Analyse zum Einfluss des Kathetermaterials (Latex vs. Silikon vs. PVC) für den Endpunkt HWI hat keine signifikanten Unterschiede gezeigt (Jahn, Beutner und Langer 2012). Beim topischen Einsatz von antimikrobiellen Substanzen müssen zudem Aspekte wie Resistenzentwicklung, Nebenwirkungen und Kosten-Nutzen-Vergleich beachtet werden. Katheterstärke Für Männer wird eine Katheterstärke von 14–18 Charr., für Frauen von 12–16 Charr. und für Kinder je nach Lebensalter von 6–10 Charr. empfohlen. Der transurethrale HarnwegskatheterKatheterstärke Blasenverweilkatheter, transurethralerStärkeKatheter darf kein größeres Kaliber aufweisen als der Meatus urethrae. Zu große Katheter traumatisieren bereits bei Insertion das Urothel. Ein zu enges Anliegen der Harnröhrenwand kann zur Verlegung des Sekretabflusses aus den urethralen Anhangsdrüsen mit erhöhtem Risiko einer Urethritis und Epididymitis führen (Khoury et al. 1991). Es können Urothelischämien und Drucknekrosen mit nachfolgenden Harnröhrenstrikturen entstehen. Große Kaliber wie z. B. Spülkatheter können nur bei spezieller urologischer Indikation erforderlich werden. Zu dünne Katheter sollten nicht verwendet werden, da sich diese beim Einführen in den Mukosafalten verfangen können (via falsa) und leichter obstruieren und abknicken. Katheterhygiene und Katheterwechsel Die HarnwegskatheterKatheterhygienetägliche Reinigung des Meatus und Genitale beim transurethralen Harnwegskatheter bzw. des Punktionsbereichs beim suprapubischen Katheter mit Trinkwasser und Seifenlotion ohne Zusatz antiseptischer Substanzen im Rahmen der normalen Körperpflege reicht zur Reduktion der Kontamination und Kolonisation aus (KRINKO 2015). Katheterhygiene: Die Häufigkeit Blasenverweilkatheter, transurethralerHygieneeiner kathetervermittelten Bakteriurie wird durch antiseptische Meatuspflege nicht beeinflusst. Bei 2-mal täglicher Anwendung von PVP-Iod-Salbe war die Bakteriurierate sogar höher als in einer nicht behandelten Kontrollgruppe (Burke und Riley 1996). Inkrustationen des meatusnahen Katheters treten bei regelmäßiger Katheterhygiene praktisch nicht auf und werden ansonsten schonend mit 3 % H2O2-getränkten Mullkompressen abgelöst. Jeder Zug am Katheter ist zu vermeiden. Bei immobilen Patienten kann als zusätzliche Maßnahme zum Schutz der Wäsche vor Verschmutzung und zum Schutz des Meatus vor Fäkalflora eine trockene, saubere Kompresse ohne Antiseptikum vor den Meatus urethrae um den Katheter geschlungen und geknotet werden. Häufige Lagekontrollen und tägliche Wechsel sind empfehlenswert. Bei Durchfeuchtung und Verschmutzung ist ein sofortiger Wechsel erforderlich. Auf perineale Hygiene ist insbesondere bei Stuhlinkontinenz zu achten (Doughty 2005; Lima et al. 1990). Zur Dekontamination empfiehlt sich hier die Verwendung antiseptischer Waschlotionen. Katheterwechsel: Verweilkatheter HarnwegskatheterWechsel Blasenverweilkatheter, transurethralerWechselsollen nicht routinemäßig in festen Intervallen, sondern bei Bedarf nach individuellen Gesichtspunkten gewechselt werden, z. B. bei symptomatischer HWI sowie bei Katheterdefekt, Verschmutzung, Inkrustation und Obstruktion (KRINKO 2015). Ein regelmäßiger Wechsel des Katheters oder des Ableitungssystems nach festen Intervallen hat keinen Vorteil bei der Prävention Katheter-assoziierter HWI (White und Ragland 1995, Keerasuntonpong et al. 2003). Blasentraining: Beim sog. BlasentrainingBlasentraining Blasenverweilkatheter, transurethralerBlasentraining soll durch intermittierendes Abklemmen eines Verweilkatheters vor dessen Entfernung das Gefühls für einen normalen Miktionsrhythmus wiederhergestellt und ein „Auftrainieren“ der Blasenkapazität erreicht werden. Die Stase des stets kontaminierten Urins kann dabei einer manifesten HWI Vorschub leisten, indem sie das unkontrollierte Bakterienwachstum im feucht-warmen Milieu der Harnblase begünstigt. Hinzu kommt, dass das Urothel der Harnblase bei der Verweilkatheterdrainage zumeist durch mechanische Einwirkungen des Katheters (Katheterspitze, Katheterballon) geschädigt wird. Zystoskopisch zeigen sich multiple petechiale Hämorrhagien und Rötungen sowie ein bullöses Ödem (sog. Kathetermarke) als Zeichen der Verletzung des Uroepithels mit Infiltration der Submukosa durch Entzündungszellen (Kunin 1997). Durch die teilweise Zerstörung der anatomischen Integrität der Blasenwand ist die katheterisierte Harnblase besonders infektionsgefährdet. Beim Blasentraining kann es zu unerwünschten intravesikalen Drucksteigerungen von > 100 cmH2O kommen (Brühl 1995). Der infizierte Harn wird dann durch unkontrollierbare hohe intravesikale Drücke in die vorgeschädigte Blasenwand eingepresst, wodurch die Gefahr einer bakteriellen Invasion besteht (Kap. 4.3, Abb. 4.1). Die Bakteriämie kann zum pyelonephritischen Schub, zur Urosepsis bis zum uroseptischen Schock führen. Bei Insuffizienz der Harnleiterostien (Reflux) steht außerdem der Weg für eine direkte Erregeraszension in die Niere(n) offen. Detrusorspasmen erhöhen den intravesikalen Druck noch weiter und führen zur Katheterleckage, bei der ein hygienisch nachteiliger unwillkürlicher Urinverlust neben dem Katheter auftritt. Das sog. Blasentraining vor Entfernung eines Blasenverweilkatheters ist unnötig und erhöht möglicherweise die Häufigkeit von katheter-assoziierten Infektionen (Chenoweth, Gould und Saint 2014; Griffiths und Fernandez 2007; Phipps et al. 2006). Selbst eine Schrumpfblase beim Dialysepatienten kann nach erfolgreicher Nierentransplantation ohne Blasentraining problemlos die ursprüngliche Kapazität und Funktion wiedergewinnen. Die Kontrolle der Spontanmiktion und des Restharns sind Vorteile des suprapubischen Blasenkatheters. Auf das Blasentraining vor Entfernung eines Blasenverweilkatheters soll wegen des fehlenden funktionellen Nutzens und des Infektionsrisikos grundsätzlich verzichtet werden (Gould et al. 2010; KRINKO 2015). 5.12.2 Suprapubische Katheterdrainage der Harnblase Bei erforderlicher Harnblasendrainage für > 5 d, Wochen oder Monate und nach größeren operativen Eingriffen bietet der suprapubische Blasenverweilkatheter (SBK) entscheidende Vorteile (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2015). Der Harnblasenkatheterisierung, suprapubische Harnblasenkatheterisierung, suprapubischeIndikationen Blasenverweilkatheter, subrapubischer Blasenverweilkatheter, subrapubischerIndikationenSBK umgeht das genitoperineale Biotop und die schutzbedürftige Harnröhre. Der Pflegeaufwand ist geringer. Es entstehen kein(e) katheter-assoziierte(s) Irritation der Harnröhre, Präputialödem, Balanitis, Urethritis, Prostatitis, Epididymoorchitis und Harnröhrenstriktur (O'Kelly et al. 1995). Daher sollte der SBK bevorzugt bei längerfristig Katheterisierten und nach größeren operativen Eingriffen insbesondere im kleinen Becken und am Genitale zur Anwendung kommen (KRINKO 2015; Piechota und Pannek 2003). Die vesikale Bakteriurie tritt beim SBK verzögert auf (Ringert und Groß 1996). Patienten mit transurethralem Verweilkatheter haben pro Kathetertag ein nahezu 5-fach höheres Infektionsrisiko (Geiss 1994). Beim SBK ist das Infektionsrisiko mit Problemerregern (bei geschlossener Harnableitung) reduziert, da die Bauchhaut vergleichsweise geringer kolonisiert ist (Stickler 1994). Zur Frage, ob der SBK gegenüber der transurethralen Harndrainage zu einer signifikanten Verringerung von katheter-assoziierten HWI beitragen kann, liegen widersprüchliche Ergebnisse vor (Conway und Larson 2012; Gould et al. 2009; Healy et al. 2012; Hooton et al. 2010; Lo et al. 2014; McPhail, Abu-Hilal und Johnson 2006; Niel-Weise et al. 2012). Bei Verwendung eines Harnblasenkatheterisierung, suprapubischeMiktionsfähigkeitstraining Blasenverweilkatheter, subrapubischerMiktionsfähigkeitstrainingSilikon-Ballonkatheters besteht nur eine geringe subjektive Belästigung des Patienten, da der SBK im Gegensatz zum transurethralen Katheter den Blasenverschlussmechanismus nicht irritiert. Ein postoperatives Training der Miktionsfähigkeit ist nur mit SBK möglich, weil der Patient spontan Wasser lassen kann. Danach wird der Restharn über den SBK geprüft. Das versuchsweise Entfernen und die ggf. erforderliche Wiedereinlage wie beim transurethralen Katheter entfallen. So können die Wiederherstellung der MiktionsfähigkeitstrainingSpontanmiktion schneller erfolgen, der stationäre Aufenthalt verkürzt und Belastungen für den Patienten sowie Kosten reduziert werden (Baan et al. 2003; Hälleberg Nyman et al. 2013; Jannelli et al. 2007; McPhail, Abu-Hilal und Johnson 2006; Niel-Weise et al. 2012; Phipps et al. 2006). Anforderungen an den Trokar: Der Trokar zur suprapubischenHarnblasenkatheterisierung, suprapubischeTrokar, Anforderungen Blasenpunktion und Kathetereinführung sollte eine einfache, hygienisch einwandfreie und vor allem sichere Handhabung ermöglichen (Irby und Stoller 1993). Die Steuerbarkeit bei der Punktion sollte durch ergonomischen Griff, mechanische Stabilität des Schafts und eine Trokarspitze gewährleistet sein, die ein sanftes Durchstechen der verschiedenen Gewebeschichten mit minimalem Kraftaufwand gewährleistet. Hygienisch bedenkliche und traumatisierende Quetsch-, Riss- oder Gewebeausstanzeffekte, wie sie bei Voll-, Hohl- und innenliegenden Trokaren auftreten können, müssen dabei zuverlässig vermieden werden. Durch den Trokar soll ein Punktionskanal geschaffen werden, der eine die Elastizität der Haut ausnutzende Spannung aufweist, die den Austritt von Urin neben dem Katheter und den Eintritt von Mikroorganismen in die Tiefe der Gewebeschichten bis in die Harnblase minimiert. Die Trennung des Katheters vom (rinnenförmigen) Trokarschaft nach der Punktion soll ohne Verletzungsgefahr für Patienten, Katheter und Hände des Anwenders gewährleistet sein. Diese Postulate an den optimalen Trokar werden z. B. von dem Curity®-Punktionssystem durch wichtige technische Details am Trokargriff und Trokarschaft sowie durch eine funktionell definierte und geometrisch dreigeteilte Trokarspitze erfüllt (Piechota, Meessen und Brühl 1992, Meessen, Brühl und Piechota 2000). So werden nicht nur das Handling und die Sicherheit für Arzt und Patient objektiv verbessert, sondern auch Probleme bei der Harnblasenpunktion minimiert. Bei der suprapubischen Blasenkathetereinlage handelt es sich um einen operativen Eingriff, der nach Aufklärung und Vorbereitung nur vom Arzt durchzuführen ist. Aseptische Technik: Unbedingte Harnblasenkatheterisierung, suprapubischeTechnik, aseptischeVoraussetzung ist die Kenntnis des Füllungszustands der Blase (Palpation, vorzugsweise Sonografie). Die Gefahr einer Verletzung von Peritoneum und Dünndarm ist bei ungenügender Blasenfüllung (< 150 ml) erhöht. Besondere Sorgfalt muss bei Patienten mit früheren Unterbauchoperationen angewandt werden. Hier weisen Peritoneum und Darm oft Verwachsungen auf und stehen deutlich tiefer als im Normalfall. Bei Blasentumoren oder Hauterkrankungen im Punktionsbereich sollte die SBK-Anlage nicht durchgeführt werden. Nach leichter Beckenhochlagerung, Clipping der suprasymphysären Behaarung, Hautantiseptik und Lokalanästhesie genau in der Mittellinie 1–2 Querfinger oberhalb der Symphyse wird der rinnenförmige Trokar mit dem innen liegenden Katheter unter sanftem Druck, ggf. über eine kleine Stichinzision der Haut und der Faszie (Linea alba), in die ausreichend gefüllte Blase vorgeschoben. Nach Entfernung des Punktionstrokars wird der Katheterballon mit steriler 8- bis 10-prozentiger Glycerollösung gefüllt. Die Verwendung einer antimikrobiellen Blockerlösung (Triclosan in Farco-fill® Protect) kann zur Reduktion der Bakteriurie und Inkrustations-/Okklusionsrate beitragen (Pannek und Vestweber 2011). Der Ballon darf unter Beachtung der Herstellerangaben nicht überfüllt werden (Studer, Bishop und Zingg 1983). Für eine Annaht im Einzelfall z. B. bei Erstanlage oder agitierten Patienten sollte vorzugsweise ein monofiler Kunststofffaden verwendet werden. Nach 8–10 d wird der Faden entfernt. Der aseptische Verband ist für 2–3 d zu belassen. Eine schlitzförmige Wundauflage soll dann die Eintrittsstelle des Katheters nicht „abdecken und verbergen“, sondern ihre Überwachung ermöglichen. Sie ist bei Bedarf schonend mit H2O2 (3-prozentig) getränkten Mullkompressen von Sekret oder Krusten zu reinigen. Um Zugkräfte zu vermeiden, wird der Katheter vorzugsweise zwischen Nabel und Punktionsstelle mit einem Pflaster (Führungslasche) befestigt (Yates 2013). Katheterwechsel: Beim Wechsel Blasenverweilkatheter, subrapubischerKatheterwechseldes SBK ist steriles Gleitmittel zu verwenden und auf eine ausreichende Blasenfüllung (ca. 100 ml) zu achten. Wie der transurethrale Katheter muss auch der SBK nicht routinemäßig in festen Intervallen gewechselt werden. Bei Infektion, Inkrustation, Obstruktion, Verschmutzung oder technischem Defekt erfolgt der Wechsel nach individuellen Gesichtspunkten und ärztlicher Indikationsstellung. Dabei ist stets das gesamte Harnableitungssystem auszutauschen (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2015). Die Liegedauer des SBK kann 1–2 Monate betragen. Duschen und Baden sind erlaubt, wobei ein Harnsammelbeutel vorher entleert und unter Harnblasenniveau positioniert wird. 5.12.3 Geschlossene Harndrainage Bereits Kass (1956) sowie Kunin und McCormack (1966) konnten zeigen, dass bei der Verweilkatheterdrainage Blasenverweilkatheter, transurethralergeschlossene Harndrainage Blasenverweilkatheter, suprapubischergeschlossene Harndrainageder Harnblase der Beginn der Bakteriurie von 4 d beim offenen Harndrainagesystem auf bis zu mehr als 30 d beim geschlossenen Harndrainagesystem hinausgezögert werden konnte. Früher war die retrograde intrakanalikuläre Erregeraszension im Katheterlumen bei der Verwendung offener Behälter zum Auffangen des Harns der Hauptinfektionsmodus. Damals wurden bereits nach 2–4 d Bakteriurieraten von nahezu 100 % erreicht, da stehender Harn ein ausgezeichnetes Kulturmedium ist und E. coli sowie Proteus spp. in stehenden Harnsäulen aufsteigend leicht das Blaseninnere erreichen können. Die Öffnung des an seiner Außenseite stets kontaminierten Harndrainagesystems zur Gewinnung von Harnproben, zur Harnblasenspülung, zum Abstöpseln des Katheters (z. B. beim „Blasentraining“) oder zum Entleeren eines vollen Ableitungsbeutels fördern die retrograde mikrobielle Aszension im Harnableitungssystem. Bei der Verweilkatheterdrainage der Harnblase muss ein steriles geschlossenes Harndrainagesystem verwendet werden. Ein geschlossenes Harnableitungssystem schützt das Lumen der Harndrainage während der Ableitung weitestgehend vor Kontamination von außen, kann jedoch die extrakanalikuläre Migration der Mikroorganismen in der mukopurulenten Membran („Bakterienstraße“) zwischen dem Katheter und der Harnröhrenwand nicht verhindern. Systemanforderungen: Im Harndrainage, geschlosseneHandel sind verschiedene geschlossene Systeme, die den Anforderungen der DIN EN ISO/DIS 8669–2: 1997–04 entsprechen. Es sollen jedoch nur Systeme zur Anwendung kommen, welche die nachfolgenden hygienischen Anforderungen (Exner et al. 1980, Brühl 1985) erfüllen: • sterile Einzelverpackung (Setsystem), • Schutzkappe am Konnektor des Drainageschlauchs, • Drainageschlauch, transparent, weitgehend unbenetzbar, mit ausreichender Knickfestigkeit und Flexibilität, Lumenweite (0,7–0,8 cm) und Länge (ca. 1 m), • plan im Konnektor eingelassene Harnprobeentnahmestelle, • flüssigkeitsdicht belüftetete, nicht komprimierbare Tropfkammer am Übergang vom Drainageschlauch zum Harnsammelbeutel mit durchgehend identischer Lumenweite, • Pasteur-Einlauf aus dem Drainageschlauch in die Tropfkammer, • Harnsammelbeutel, Kapazität 2 000 ml, Markierungsskala mit 100 ml graduiert, gut ablesbar, auch bei längerem Gebrauch transparent und nicht verfärbend, flüssigkeitsdichte Belüftung, • vertikal angeordnete, verklebungsgeschützte Rückflusssperre zwischen Tropfkammer und Harnsammelbeutel, die nur bei retrogradem Fluss volumendicht schließt, • sichere Aufhängung bzw. Fixierung unter Blasenniveau, wobei die Tropfkammer senkrecht positioniert sein muss, • Ablassstutzen am tiefsten Punkt des Harnsammelbeutels, leicht zu bedienen bei ausreichender Bodenfreiheit und nicht nachtropfend, integrierte ergonomische Rückstecktasche. Der Sammelbeutel ist rechtzeitig zu entleeren, bevor der Harn mit der Rückflussperre in Kontakt kommt. Bei der Harnentsorgung darf der Ablassstutzen des geschlossenen Harndrainagesystems nicht mit dem Auffanggefäß in Kontakt kommen. Auf Spritzschutz ist zu achten, um eine Kontamination des Personals und der Umgebung mit Gefährdung anderer Patienten zu verhindern. Nach Entleerung empfiehlt sich die Dekontamination des Ablassstutzens mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel (Seuffer 1999). Bei intensivmedizinisch betreuten Patienten soll zur exakten Bilanzierung und Ausfuhrbestimmung ein hygienisch geprüftes, geschlossenes Harndrainagesystem mit integriertem Urinmessgerät (Urimeter) verwendet werden (Drehsen, Schuhmacher und Daschner 1998). Bei Harnentsorgung oder Systemwechsel sind saubere Einweghandschuhe zu tragen. Vor und nach jeder Manipulation am HWK oder Ableitungssystem ist eine hygienische Händedesinfektion erforderlich (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2015). Fehler bei der Auswahl und Handhabung des Harndrainagesystems sind ein bedeutender Risikofaktor für katheter-assoziierte HWI (Chenoweth, Gould und Saint 2014). Zur erfolgreichen Prävention von katheter-assoziierten HWI sind die strenge Beachtung der Regeln der Basishygiene und die regelmäßige Schulung von ärztlichem und pflegerischem Personal unerlässlich (KRINKO 2015). Beim funktionsfähigen Harndrainagesystem ist die Verweildauer des Urins in der Blase und im System extrem kurz, da der Urin durch das System kontinuierlich abfließt. Eine Harntransportstörung kann bei Patienten mit Verweilkatheter infolge einer Abknickung der Harnableitung oder Katheterobstruktion bzw. -okklusion auftreten. Diese entsteht durch intrakanalikuläre Präzipitation von Harnsalzen mit Inkrustation und Verschmutzung des Katheter- und Drainagelumens durch Zelldetritus und eiweißhaltiges Matrixmaterial. Sie wird begünstigt durch dünnlumige Katheter in Verbindung mit herabgesetzter Diurese. Beim Wechsel eines Blasenverweilkatheters ist stets das gesamte geschlossene Harnableitungssystem auszutauschen (KRINKO 2015). Die Isolierung von Patienten mit HWK-assoziierten nosokomialen HWI mindert nicht das Übertragungsrisiko von Krankenhausinfektionserregern und ist außer bei MRE nicht erforderlich. Das Einhalten der Asepsis bei Katheterismus und Katheterpflege sowie die Verwendung geeigneter geschlossener Harndrainagesysteme können nicht durch räumliche Trennung ersetzt werden. 5.12.4 Katheter-/Blasenspülung und Instillation Die früher zur Infektions- und Inkrustationsprophylaxe beim dauerkatheterisierten Patienten übliche Blasenspülung ist wegen der Gefährdung durch unsachgemäße Spülung (Elliott et al. 1989), fehlende Effektivität, Erregerverschleppung und ungeeignete Spülmedien obsolet (Kennedy et al. 1992; Schneeberger et al. 1992). Durch HarnwegskatheterSpülung Blasenverweilkatheter, transurethralerSpülung Blasenverweilkatheter, suprapubischerSpülungManipulationen am Katheter bei direkter Instillation wird die Integrität des geschlossenen Systems unterbrochen und das Infektionsrisiko erhöht. Blasenspülungen bei dauerkatheterisierten Patienten sind nicht nur ineffektiv, sondern im Vergleich zu optimaler Katheterpflege und adäquater Diurese bzw. „innerer Spülung“ kostenintensiver, patientengefährdend und komplikationsträchtig. Eine nachhaltige Reduktion von Mikroorganismen in der Blase oder Infektionsprävention wird nicht erreicht (Chenoweth, Gould und Saint 2014; Daha und Mouton 1985; Gould et al. 2010; Niel-Weise et al. 2012; Phipps et al. 2006; van den Broek). Durch den während der manuellen Blasenspülung unkontrolliert ansteigenden intravesikalen Druck wird das Risiko einer Bakteriämie (Urosepsis) erhöht, da er die bakterielle Invasion des entzündlich oder durch den Harnwegskatheter mechanisch vorgeschädigten Urothels und der Blasenwand begünstigt. Die Spülung der Harnblase über einen HWK wird lediglich bei speziellen urologischen Indikationen wie z. B. der Evakuation von Pus und Detritus bei fibrinös-eitriger Zystitis oder fortgeschrittenen Karzinomen der Harnblase und Prostata, zur Prophylaxe oder Ausräumung von Blutkoagula (Tamponadeprophylaxe nach Blasen- und Prostata-OP) oder zur lokalen Instillationsbehandlung z. B. im Rahmen einer intravesikalen Chemotherapie durchgeführt. Die Spüllösungen müssen steril sein, wobei indifferenten Fertigmedien (NaCl 0,9 % oder Ringer-Lösung) der Vorzug zu geben ist. Die Aufbrauchfrist sollte 12 h nicht überschreiten. Die Applikation erfolgt im geschlossenen System z. B. über doppelläufige Spülkatheter. Bei der sog. inneren Spülung handelt es sich um eine endogene Flüssigkeitsdiurese von mehr als 1 500 ml/24 h unter entsprechender Flüssigkeitszufuhr (spezifisches Harngewicht ≤ 1 015), die jedoch nur bei herzgesunden Patienten eingesetzt werden kann. Zur Verschlechterung der Vermehrungsbedingungen für Bakterien und zur Inkrustationsprophylaxe sollte bei alkalischem Harn-pH eine orale Harnansäuerung z. B. mit Vitamin C oder Acimethin® auf ein pH-Optimum von 5,8–6,2 angestrebt werden (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2015). Die topische Applikation systemischer Antiinfektiva in die Harnblase ist obsolet. Ist die Blase gut drainiert und fließt der Harn klar ab, ist der Einsatz von Antibiotika beim beschwerdefreien Patienten nicht erforderlich. Trüber und übel riechender Urin ist oft Folge einer mangelnden Diurese. Eine ausreichende Diurese trägt über die „innere Spülung“ zur Erregerelimination und Inkrustationsprophylaxe bei. 5.12.5 Synopse der Empfehlungen zur Einschränkung kathetervermittelter nosokomialer HWI (Piechota und Kramer 2014) Indikation • Medizinisch strenge Begründung (Arzt) und Dokumentation. • Weiterbestehen der Indikation täglich ärztlich überprüfen; z. B. Einsatz von Checklisten für Interventionsbündel im Rahmen von Surveillance und QM. • In (Pflege-)Einrichtungen ohne ärztliche Anwesenheit muss Indikationsstellung und -überprüfung durch den Arzt zeitnah eingeholt und dokumentiert werden. • Überprüfung von Alternativen, v. a. des aseptischen intermittierenden Einmal-(Selbst-)Katheterismus (ISK). Personen • Regelmäßige Schulung des ärztlichen und pflegerischen Personals (aseptisches Vorgehen, Katheterisierungstechnik, Umgang mit dem liegenden Katheter, Erkennung von Katheter-assoziierten Komplikationen/Infektionen), • Schulung des Patienten und der häuslich Pflegenden (z. B. Angehörige), ggf. mithilfe geeigneten Informationsmaterials. Arbeitsweise und Materialien • Strenge Beachtung der Basishygiene, • Aseptisches Katheterisieren in einwandfreier Technik, • Verwendung ausschließlich steriler Verbrauchsmaterialien (sterile Handschuhe, Abdeckmaterial, Tupfer [ggf. Pinzette], Schleimhautantiseptikum, Gleitmittel, Katheter, geschlossenes Harndrainagesystem), • Hygienische Händedesinfektion vor und nach jeder Manipulation am Katheter. Katheterisierung und Harnableitungssystem • Bevorzugung des ISK, wenn indiziert und praktikabel, • Suprapubische Katheterdrainage zur Vermeidung subvesikaler Komplikationen bei Langzeitdrainage (> 5 d) und größeren Operationen im kleinen Becken/am Genitale, • Anpassung der Katheterstärke an die Weite des Meatus urethrae • Ballonblock mit sterilem Aqua dest. oder steriler 8–10-prozentiger Glycerol-Wasser-Lösung, • Blockvolumen nach Herstellerangaben (Überblockung vermeiden!), • Nur geschlossene Ableitungssysteme einsetzen mit Probeentnahmestelle für bakteriologische Untersuchungen, Rückflusssperre, Luftausgleichsventil und Ablassstutzen/-ventil (DIN EN ISO 8669–2:1997–04). Kathetermaterial • PVC für Einmalkatheterismus (ISK), • Latex für die Kurzzeitdrainage (< 5 d), sofern eine Latexallergie ausgeschlossen ist, • Silikon für die Langzeitdrainage (> 5d + suprapubisch). Kommentar: Vollsilikon besitzt die höchste Biokompatibilität und -stabilität Latexkatheter besitzen das höchste Allergisierungspotenzial. Hydrogel-beschichtete Katheter und Silikonkatheter bieten Vorteile im Hinblick auf Patientenkomfort und Inkrustationsprophylaxe. Keines der Kathetermaterialien wirkt unmittelbar infektionspräventiv; das gilt auch für antimikrobiell beschichtete Katheter. Handling und Katheterpflege • Abkickung des Katheters und Drainageschlauchs vermeiden, freien Urinabfluss gewährleisten, • Frei hängender Auffangbeutel ohne Bodenkontakt und stets unter Blasenniveau, • Katheter und Drainageschlauch grundsätzlich nicht diskonnektieren (außer bei spezifischen urologischen Indikationen, Kap. 5.12.4), • Wisch-/Sprühdesinfektion der Verbindungsstelle mit alkoholischem Präparat, vorher und nachher, wenn Diskonnektion nicht zu vermeiden ist, • Rechtzeitige Entleerung des Drainagebeutels, bevor Urin mit Rückflusssperre in Kontakt kommt; dabei saubere Einweghandschuhe tragen (Personalschutz), • Bei Entleerung des Drainagebeutels auf Spritzschutz achten, Nachtropfen verhindern, • Ablassstutzen nicht mit Auffanggefäß in Kontakt kommen lassen, • Patientenbezogener Einsatz des Auffanggefäßes, anschließende desinfizierende Reinigung, • Reinigung des Genitales mit Trinkwasser und Seifenlotion ohne antiseptische Zusätze im Rahmen der normalen täglichen Körperpflege, • Gegebenenfalls schonende Entfernung von Inkrustationen am Meatus urethrae z. B. mit 3-prozentigem H2O2. Katheterliegedauer und -wechselintervalle • Reduktion der Liegedauer auf das medizinisch erforderliche Minimum, • Individualisierte Katheter-Wechselintervalle (z. B. bei Infektion, Inkrustation, Obstruktion, Verschmutzung, technischem Defekt) nach ärztlicher Indikationsstellung, • Beim Wechsel des Katheters stets Austausch des gesamten geschlossenen Harndrainagesystems. Gewinnung von Harnproben • Nur aus der dafür vorgesehenen patientennahen Entnahmestelle am Drainagesystem nach vorheriger Wischdesinfektion mit alkoholischem Präparat, • Bakteriologische Urindiagnostik bei dauerkatheterisierten Patienten grundsätzlich nur bei klinischer Symptomatik oder vor Operationen am Harntrakt oder aus epidemiologischen Gründen. Antibiotikaprophylaxe und Blasenspülungen • Keine Antibiotika-Prophylaxe beim Legen eines Dauerkatheters oder während der Katheterliegedauer, • Keine regelmäßigen oder intermittierenden Spülungen über den liegenden Katheter (außer bei speziellen urologischen Indikationen, Kap. 5.12.4), • Keine Instillationen von antiseptischen oder antimikrobiellen Substanzen in das Harndrainagesystem (außer bei speziellen urologischen Indikationen, Kap. 5.12.4). Blasentraining • Obsolet, da es infektiösen Komplikationen Vorschub leistet. 5.12.6 Urologische Endoskopie Neben Endoskopie, urologischeHygienemaßnahmendiagnostischen transurethralen Untersuchungen werden zunehmend minimal-invasive therapeutische Eingriffe (transurethral und perkutan) endoskopisch durchgeführt. Raumanforderungen: Röntgenuntersuchungstische Endoskopie, urologischeräumliche Anforderungenfür retrograde oder antegrade (perkutane) urologische Eingriffe müssen in Räumen positioniert sein, in denen die Einhaltung aseptischer Bedingungen für den Patienten möglich ist. Bei der Zuordnung und Einrichtung derartiger Räume muss berücksichtigt werden, dass die gesamte Behandlungsmaßnahme durchgehend an einem Arbeitstisch vollzogen werden kann. Die Umlagerung von Patienten mit liegenden Sonden vom Endoskopieraum in einen anderen, entfernt liegenden Röntgenraum ist aus ablauftechnischen und hygienischen Gesichtspunkten indiskutabel. Sowohl bei manueller als auch bei maschineller Aufbereitung der Instrumente ist ein vom Untersuchungs- und Behandlungsraum abgetrennter Aufbereitungsraum erforderlich. Weitere Anforderungen der Hygiene an die baulich-funktionelle Gestaltung und apparative Ausstattung von Endoskopieeinheiten sind in der KRINKO-Empfehlung (2002a) aufgeführt. Videokamera: Für videounterstützte minimal-invasive endoskopische Eingriffe gilt der gleiche Anspruch an die Aseptik wie für konventionelle Schnittoperationen. Einzige Ausnahme ist die Videokamera, die nicht sterilisierbar ist und einschließlich des Übertragungskabels mit einer sterilen, wasserdichten Hülle überzogen werden muss. Die transurethrale Videoresektion (Prostata, Blasentumor) minimiert die Gerätekontamination durch den Operateur, bewahrt diesen vor unmittelbarem Augen- bzw. Gesichtskontakt mit dem Okular und minimiert so das Kontaminationsrisiko durch Blut und Urin. Aus Gründen des Personenschutzes ist ein chirurgischer MNS (nach DIN EN 14683), ggf. auch Augenschutz, erforderlich (Muir und Davies 1996, Öge et al. 1998). Die Hygiene im OP-Raum für transurethrale und perkutane Eingriffe entspricht der Aseptik und Antiseptik in der OP-Abteilung für Schnittoperationen (KRINKO 2000b, Kap. 9.4.1). Personal: Eine Endoskopie, urologischePersonalverhaltensterile Abdeckung des Patienten und sterile OP-Schutzkleidung des Operateurs und der Instrumentierenden sind selbstverständlich. Wegen des bisweilen erheblichen Spülwasseranfalls in der operativen urologischen Endoskopie ist dafür Sorge zu tragen, dass weder das Abdeckmaterial noch die OP-Kleidung und OP-Bereichskleidung durchweichen. Das ist keine Frage des Handlings, sondern eine wesentliche Anforderung an flüssigkeitsdichtes Abdeckmaterial (Werner und Feltgen 1998). Die Verwendung geeigneter Einwegmaterialien wie flüssigkeits- und bakteriendichter, reißfester Vliesstoffe vermeidet mögliche Probleme der Aufbereitung (Hansis 1998, KRINKO 2001). OP-Tisch, Patient und Operateur müssen am Ende des Eingriffs trotz Spülung trocken sein. Kontaktgel: Für Endoskopie, urologischeKontaktgel Kontaktgel, Endoskopie, urologischeultraschallgesteuerte perkutane Eingriffe ist Kontaktgel in Weithalsflaschen mit Schraubverschluss ungeeignet, da es durch die Entnahme zahlreicher Einzelproben zur bakteriellen Verunreinigung kommt. Kontaktgel ist ein Nährboden für Mikroorganismen. Zugemischte Konservierungsmittel wie Formaldehyd, Phenol, Glycerol u. Ä. bewirken keine Sterilität. Wegen der möglichen Zytotoxizität und des Risikos anaphylaktischer Reaktionen bei CHX ist ein portioniertes steriles Gel ohne jeden antiseptischen Zusatz zum Einmalgebrauch zu fordern (Kramer et al. 2000). Diesen Zweck erfüllen alternativ auch handelsübliche Gleitmittel für den transurethralen Katheterismus. Bei der Desinfektion von Ultraschallköpfen sind die Herstellerangaben zum zulässigen Aufbereitungsverfahren zu beachten (Schrader 2003). Das Kontaktgel zur Durchführung ultraschallgesteuerter, perkutaner endoskopischer Eingriffe muss steril sein. Endoskopische Instrumente: Endoskopisches Instrumentarium muss unmittelbar nach Gebrauch einer Grob- und Vorreinigung Endoskopie, urologischeInstrumentenaufbereitung InstrumentenaufbereitungEndoskopie, urologischeaußerhalb des Eingriffraums unterzogen werden. Grobverschmutzungen sind sofort nach der OP mit einem Tuch abzuwischen, das mit geeigneter Instrumentendesinfektionslösung plus Reinigungskomponente oder mit einem auf das Desinfektionsmittel abgestimmten Reinigungsverstärker getränkt ist (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2002b, Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut, 2004; Rutala und Weber 2004). Wiederverwendbare Schlauchsysteme müssen durchgespült werden. Die Trockenentsorgung von Endoskopen sollte nur dann erfolgen, wenn die Instrumente zur Vermeidung von Inkrustierung und Korrosion unverzüglich maschinell aufbereitet werden können. Werden OP Einmalinstrumente verwendet, gibt es keine hygienischen Probleme. Die Anwendung wiederverwendbarer OP Instrumente kann nur empfohlen werden, wenn die Konstruktion eine vollständige Aufbereitung und sichere Sterilisation der Kanäle und beweglichen Teile zulässt (Leiß, Exner und Niebel 1995). Bei thermolabilen Instrumente wie den flexiblen Urethrozystoskopen und Ureteroskopen erfolgt eine chemothermische Desinfektion im RDG, was voraussetzt, dass das Endoskop wasserdicht ist, also auch der Instrumentenkopf mit dem Okular und den Bedienungselementen. Alle Endoskope ohne diese Eigenschaften und ohne die Möglichkeit, die Dichtigkeit überprüfen zu können, dürfen nicht mehr verwendet werden. Die lediglich zu diagnostischen Zwecken eingesetzten flexiblen urologischen Endoskope werden als Medizinprodukt semikritisch B eingestuft. Direkt nach der Anwendung erfolgt eine Vorreinigung. Die Reinigung und Desinfektion wird dann bevorzugt maschinell inkl. Lumenerfassung durchgeführt (KRINKO 2012a). Besteht nach Herstellerangaben die Möglichkeit der Gassterilisation, muss diese wahrgenommen werden. Grundsätzlich sollten alle autoklavierbaren endoskopischen Instrumente der Dampfsterilisation zugeführt werden (Steuer und Junghannß 1990). Bei der Aufbereitung von starren und flexiblen urologischen Endoskopen und wiederverwendbaren Instrumenten müssen immer die Herstellerangaben und die KRINKO-Empfehlungen (KRINKO 2002b, 2012a) berücksichtigt werden. Es ist unabdingbar, dass das Personal in der ZSVA über den Einsatzbereich des Instrumentariums und den Ablauf der OP informiert ist, damit funktionsfähige Siebe zur Verfügung stehen. Dafür sollten sog. Team-Hospitationen gemeinsam von Arzt, Pflegepersonal der Endoskopie, HFK und Personal der ZSVA organisiert werden. Mängel entstehen entweder durch die angewandten Reinigungs- und/oder Desinfektionsverfahren, eine unsachgemäße Handhabung der Geräte oder verunreinigte Spüllösungen (während der Endoskopie). Gemäß der Europäischen Richtlinien (MPG) muss der endoskopierende Arzt ggf. die sichere Aufbereitung nachweisen. Nicht der Patient muss beweisen, dass er vom Endoskopanwender geschädigt wurde, sondern der Endoskopanwender muss nachweisen, dass er die vorhandenen Möglichkeiten zur Sicherung der Hygiene und Infektionsprävention ausgeschöpft hat (Produkthaftung). Hier kann es Probleme geben, wenn ein Endoskop manuell aufbereitet oder ein RDG verwendet wurde, dessen Funktion nicht in allen Verfahrensschritten durch Prozessdaten (Validierung) im Rahmen der Qualitätssicherung belegt ist. Die Strukturqualität umfasst damit sowohl personelle und technische Voraussetzungen, als auch definierte hygienische Handlungsweisen, Schulung und Information der Mitarbeiter sowie Dokumentation (Emori und Gaynes 1993). Endoskope, die bei haut- oder schleimhautpenetrierenden Eingriffen und/oder in physiologisch sterilen Körperhöhlen eingesetzt werden, müssen steril sein. Unzureichend aufbereitete und/oder unsachgemäß aufbewahrte Endoskope und Endoskopiezubehörteile sind die Hauptursache für exogene Infektionen bei der Endoskopie. Von Endoskopie, urologischeHygieneanforderungender KRINKO und Behörden wurden zur Basishygiene und Sicherstellung von Asepsis und Antisepsis folgende auf die urologische Endoskopie anwendbare Empfehlungen und Anforderungen an die Hygiene formuliert: • Händehygiene (KRINKO 2000a), • Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen (KRINKO 2000b), • Baulich-funktionelle Gestaltung und apparative Ausstattung von Endoskopieeinheiten (KRINKO 2002a), • Aufbereitung flexibler Endoskope und endoskopischen Zusatzinstrumentariums (KRINKO 2002b), • Reinigung und Desinfektion von Flächen (KRINKO 2004), • Dezentrale Desinfektionsmitteldosiergeräte (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, RKI und KRINKO 2004), • Bekleidung und persönliche Schutzausrüstung (KRINKO 2007d), • Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention von NI (KRINKO 2009), • Punktionen und Injektionen (KRINKO 2011a), • Aufbereitung von Medizinprodukten (KRINKO 2012a), • Abfallentsorgung im Gesundheitswesen (LAGA 2014). 5.12.7 Hygienische Hilfsmittel bei Harninkontinenz Zu den aufsaugenden Hilfsmitteln gehören am Körper getragene Vorlagen/Inkontinenzslips und Unterlagen zum Schutz des Patienten sowie von Betten, Stühlen und der Umgebung. Man unterscheidet körpernahe Einwegvorlagen/Inkontinenzslips, Einwegkrankenunterlagen, am HarninkontinenzHilfsmittel, aufsaugendeKörper getragene Mehrwegvorlagen sowie Mehrwegunterlagen. Der unfreiwillig ausgeschiedene Urin wird von den absorbierenden Materialien aufgesaugt und gebunden. Als aufsaugende Materialien werden meist Zellstoffe wie Zellulose oder Pulp verwendet, aber auch Textilien kommen in Betracht. Diese sind jedoch mit einem erhöhten HWI-Risiko assoziiert (Zimakoff et al. 1996). Die Qualitätsanforderung an aufsaugende Hilfsmittel betrifft Lebensqualität, Wirtschaftlichkeit und umweltgerechte Produktgestaltung. Damit eine optimale Auswahl getroffen wird, müssen Ursache, Häufigkeit und Schweregrad der Harninkontinenz in die Entscheidung einbezogen werden (Füsgen et al. 1998). Ableitende Hilfsmittel für Männer sind Kondomurinale bei anders HarninkontinenzHilfsmittel, ableitende Kondomurinalenicht beherrschbarer Harninkontinenz. Sie bestehen aus eng anliegendem Latex (cave Allergie!) oder Silikon und werden entweder außen durch einen Klebestreifen befestigt oder sind an der Innenseite selbstklebend. Sie werden an ein Harnauffangsystem angeschlossen. Auf Kondom- oder Schlauchabknickung ist zu achten. Wichtig sind Kondomgröße, Klebetechnik und regelmäßiger Wechsel. Bei der Kondomableitung finden sich häufig HWI und entzündliche Affektionen infolge eienr Mazeration der Penisschafthaut (Stover et al. 1991, Zimakoff et al. 1996). Sie darf nicht von Patienten mit symptomatischen HWI oder retrahiertem Penis verwendet werden. Wegen der erheblichen mikrobiellen Kolonisation von Urethra und Perineum mit Pseudomonas, Klebsiella oder Providencia (Montgomerie und Maeder 1998) ist eine sorgfältige genitoperineale Antiseptik zu empfehlen. Für Frauen stehen keine vergleichbaren ableitenden Hilfsmittel zur Verfügung. Anstelle aufsaugender Hilfsmittel ist der suprapubische Katheter eine mögliche Alternative. Kondomurinale sollen über Nacht abgenommen werden, um die mikrobielle Kolonisation zu reduzieren. 5.12.8 Urostomapflege Urostomata Urostomapflegesind alle operativ angelegten artifiziellen Körperöffnungen, die der Harnableitung bei geschädigtem Ureter und bei stark funktionsgestörter oder entfernter Harnblase dienen. Dabei werden trockene Stomata wie beim kontinenten Nabelpouch (Mainz-Pouch-Darmersatzblase) von nassen Stomata wie bei Harnleiter-Haut-Fisteln oder beim Ileum-Conduit unterschieden. Während bei trockenen Stomata regelmäßig ein sauberer Einmalkatheterismus erforderlich ist, müssen nasse Stomata ständig abgeleitet werden. Das erfolgt mit Klebebeuteln, die den Harn unmittelbar nach Austritt aus dem Stoma auf der Hautoberfäche (Harnleiter-Haut-Fistel) oder idealerweise sollte das bei einem gut angelegten Urostoma der Fall sein. Bei Stomata mit Verweilkatheterableitung müssen Stoma und Katheter regelmäßig gepfegt werden. Kontinente Stomata werden für dieUrostomapflegekontinentes Stoma Einmalkatheterisierung täglich mit Trinkwasser und Seifenlotion ohne Zusätze gereinigt. Eine antiseptische Vorbehandlung der umgebenden Haut vor Katheterinsertion ist anders als beim transurethralen Katheterismus nicht zwingend erforderlich bzw. optional. Zum Schutz der Wäsche und aus hygienischen Gründen kann das kontinente Stoma mit einem trockenen Verband geschützt werden. In Einzelfällen kann die Dauerableitung über das kontinente Stoma durch einen Verweilkatheter erforderlich sein. Die geschlossene Harnableitung erfolgt dann beim mobilen Patienten über spezielle Systeme mit Beinbeutelversorgung (Bach und Brühl 1995, Piechota und Pannek 2007). Bei nassen Stomata mit Klebebeuteln (Ileum-/Kolon-Conduit, Ureterostoma) ist regelmäßig eine spezielle StomapflegeUrostomapflegenasses Stoma und Hauthygiene erforderlich, wobei der Schutz der Haut vor Mazeration im Vordergrund steht. Voraussetzung dafür sind exakt für das Stoma ausgeschnittene und abdichtende Klebeplatten. Ihre Hautverträglichkeit muss bei jedem Patienten geprüft und das Fabrikat (z. B. einteiliger Klebebeutel oder zweiteiliges System mit Basisplatte und Beutel) ggf. von Zeit zu Zeit gewechselt werden. Das Haften des Beutels bzw. der Platte setzt eine saubere, trockene, gesunde Haut voraus. Die Säuberung erfolgt mit warmem Trinkwasser und flüssigen Tensidseifen ohne Zusätze. Pflasterrückstände werden mit speziellen Lösungsmitteln (nicht Benzin oder Ether) entfernt. Die Trocknung der Haut vor Aufkleben des Beutels bzw. der Platte erfolgt erforderlichenfalls mittels Föhn. Bei narbigen, verzogenen oder eingesunkenen Stomata sind vor Aufkleben des Beutels zum Niveauausgleich ggf. Hautschutzpasten (z. B. Karaya) aufzutragen oder spezielle konkave Basisplatten mit Gürtelsystemen zu verwenden oder ggf. eine operative Revision zu erwägen. 5.13 Neonatologie und Pädiatrie Arne Simon mit einem Beitrag von Helmut Küster, Matthias Heckmann, Anke Beyersdorff, Sylvia Ryll und Axel Kramer 5.13.1 Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen Ein Infektionen, nosokomialeNeonatologie Infektionen, nosokomialePädiatrieerhöhtes Risiko ergibt sich durch • patientenspezifische Faktoren (z. B. fehlende Immunität und fehlender Nestschutz), • Immunsuppression (z. B. im Rahmen einer zytostatischen Therapie) (Simon et al. 2008), • die gestörte Barrierefunktion von Haut und Schleimhaut (Frühgeborene, Kinder mit Verbrühungen oder Verbrennungen, Kinder mit schwerer atopischer Dermatitis oder Epidermolysis bullosa), • angeborene Fehlbildungen z. B. der Harnwege, des Herzens (Dresbach et al. 2009a) oder des ZNS, • invasive Maßnahmen und den Einsatz spezieller MP, wie Katheter, Drainagen, externe Liquorableitungen oder Shunts (Prusseit et al. 2009; Scheithauer et al., 2009, Scheithauer et al., 2010), • invasive Beatmung (Turton et al. 2008; Simon et al. 2011), • die wiederholte Exposition gegenüber Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum, • mangelnde Compliance bei der Anwendung von krankenhaushygienischen Basismaßnahmen durch das Kind selbst bzw. in seiner Umgebung. Bei Kindern mit hohem Risiko für NI ergänzen sich meist verschiedene Aspekte zu einem komplexen individuellen Risikoprofil, dem nur durch ein Multibarrierekonzept der Infektionsprävention und -kontrolle angemessen begegnet werden kann. 5.13.2 Multiresistente Erreger Die Prävalenz von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen (RKI 2013b) ist bei Kindern insgesamt deutlich niedriger als bei Erwachsenen (Geffers, Schwab und Gastmeier 2009; Christoph et al. 2013; Geffers und Gastmeier 2011; Herrmann et al. 2013). Nach Pädiatriemultiresistente Erreger Multiresistente ErregerPädiatrie Neonatologiemultiresistente Erreger Multiresistente ErregerNeonatologieder von der KRINKO vorgegebenen Terminologie (KRINKO 2011b) wird ein gramnegatives Isolat mit Resistenz gegen 3 von 4 Gruppen von Antibiotika zur empirischen Therapie schwerer Infektionen bei Erwachsenen als 3MRGN, eines mit Resistenz gegen alle 4 Antibiotikagruppen entsprechend als 4MRGN bezeichnet (Kap. 3.8). Erreger, die nur gegen 2 der 4 Antibiotikagruppen in vitro resistent sind, werden in der KRINKO-Empfehlung für Erwachsene nicht als „multiresistent“ ausgewiesen und der Nachweis solcher Erreger hat bei erwachsenen keine krankenhaushygienischen Konsequenzen (KRINKO 2012c). Die Bewertung von Resistenzprofilen in der Pädiatrie ist aus klinisch-therapeutischer Sicht eine andere als auf Intensivstationen für erwachsene Patienten, da Fluorchinolone im Kindesalter nur eingeschränkt zugelassen und nicht zur empirischen Therapie geeignet sind (Bradley und Jackson 2011; Christoph et al. 2013). Daher wurde 2013 eine Erweiterung der Klassifizierung von MRGN für neonatologische und pädiatrische Patienten vorgeschlagen: die 2MRGN NeoPäd (KRINKO 2013a), die berücksichtigt, dass Fluorchinolone im Kindesalter nur eingeschränkt zugelassen und nicht zur empirischen Therapie geeignet sind (Bradley und Jackson 2011; Christoph et al. 2013). Diese gramnegativen Isolate sind resistent gegen Drittgenerations-Cephalosporine und Piperacillin (± Tazobactam), jedoch sensibel gegen Fluorchinolone und Carbapeneme. Entsprechend sollten Kinderkliniken und angegliederte Spezialambulanzen gemeinsam mit den Mikrobiologen und dem Krankenhaushygieniker über die Hygienekommission eigene Vereinbarungen zum Umgang mit MRGN erarbeiten, in denen diese Besonderheit berücksichtigt wird. Im Unterschied zu erwachsenen Patienten sollten mit 3MRGN besiedelte oder infizierte Kinder stets in einem Einzelzimmer isoliert werden (unter bestimmten Bedingungen ist eine Kohortierung möglich, wenn es sich um ein identisches Isolat handelt) (Laux et al. 2013). Dabei ist nicht das Lebensalter, sondern die klinische Behandlungssituation zielführend. Zum Beispiel wird ein 19-jähriger junger Erwachsener mit zystischer Fibrose in der Kinderklinik stationär aus krankenhaushygienischer/infektionspräventiver Sicht genauso behandelt wie ein 6-jähriger Junge mit ähnlichem Krankheitsbild. Die dahinter stehende Überlegung ist, das Risiko einer nosokomialen Übertragung auf Kinder und Jugendliche und das Risiko von Infektionsausbrüchen zu minimieren. 5.13.3 Maßnahmen zum Erkennen von MRE-Trägern (Screening) Auch in der Pädiatrie ist es sinnvoll, bei bestimmten Patienten(gruppen) ein mikrobiologisches ScreeningMRE-ScreeningPädiatrie PädiatrieMRE-Screening durchzuführen, um zeitnah eine Besiedlung mit MRE zu erkennen. Die Indikation für ein derartiges Screening besteht abhängig von der Anamnese in folgenden Situationen (Simon, Graf und Furtwangler 2013): • Patienten mit positivem Nachweis von MRSA/MRGN/VRE in der Anamnese (→ Alert in der elektronischen Krankenakte) • Patienten, die während eines stationären Aufenthaltes direkten oder indirekten Kontakt zu einem Träger von MRSA/MRGN/VRE hatten (z. B. Behandlung im gleichen Krankenzimmer) • Patienten aus Einrichtungen mit bekannt hoher MRE-Prävalenz (z. B. Pflegeheime für Kinder mit Langzeit-Behandlungspflege, neurologische Rehabilitationskliniken) (MRSA, MRGN). • Übernahme aus einer anderen Klinik nach operativen Interventionen und anschließender Intensivtherapie (Chirurgie, Orthopädie, Neurochirurgie) (MRSA) • Patienten, die in den letzten 3 Monaten wiederholt i. v. Breitspektrumantibiotika erhalten haben und wiederholt stationär behandelt werden mussten (MRSA, MRGN). • Patienten mit – Devices wie Harnwegkatheter, Tracheostoma, Ernährungssonde, PEG (MRSA, MRGN) – chronischen (schlecht heilenden) Wunden (MRSA) – chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (MRSA) – urogenitalen Fehlbildungen und wiederholten HWI (MRGN). • Patienten, die aus dem Ausland verlegt werden, insbesondere aus Kliniken in Ost- und Südeuropa und aus anderen Ländern mit hoher Prävalenz von MRGN/MRSA. (Hilfreich ist hier eine „white list“ der Krankenhaushygiene, bei welchen Ländern das nicht erforderlich ist.) • Patienten, die in einer Gesundheitseinrichtung der US-Armee (MEDCENs = military medical centers) behandelt wurden (MRGN; community acquired MRSA?). 5.13.4 Erwartungen des Behandlungsteams an das Hygienefachpersonal Die meisten klinisch-tätigen Pädiater und auch das der Abteilung zugeordnete Pflegepersonal wünschen sich einen intensiven Austausch und eine enge Zusammenarbeit mit dem Hygienefachpersonal auf der Station bzw. in den Ambulanzen. Dabei soll (nicht ausschließlich, aber auch) die Compliance der Mitarbeiter mit den Vorgaben zur hygienischen Händedesinfektion patientennah beobachtet werden (Sax et al. 2007; Monch et al. 2009; Scheithauer et al. 2011). Die KRINKO-Empfehlung zum Hygienemanagement (KRINKO 2009) soll von der ärztlichen Leitung von Kinderkliniken aktiv dazu genutzt werden, eine angemessene Präsenz von Hygienefachpersonal einzufordern. Das Hygienefachpersonal kann mannigfache weitere Arbeitsabläufe aus infektionspräventiver Perspektive analysieren, sich an der Erstellung von abteilungsinternen Standards beteiligen und auch in die Kommunikation mit Patienten und Eltern „einsteigen“, wenn es um die Erläuterung von zusätzlich zur Basishygiene erforderlichen Barrieremaßnahmen bei Besiedlung oder Infektion mit MRE geht. 5.13.5 Isolierung Kinder im Vorschulalter (und oft auch darüber hinaus) gehören zu den Patienten, die sich – auch nach entsprechender Erklärung und Schulung – nicht mehrheitlich an die Basishygiene halten (können). Wahrscheinlich PädiatrieHygienemaßnahmen PädiatrieIsolierung IsolierungPädiatrieist das Risiko unerwünschter Effekte einer Einzelzimmerisolierung in Bezug auf die medizinische Versorgung, die Patientensicherherheit und die psychosoziale Entwicklung bei Kindern größer als bei Erwachsenen (Abad, Fearday und Safdar 2010). Insofern entsteht bei der Isolierung von Kindern aus infektionspräventiven Gründen ein erheblicher Mehraufwand, der nur bei einer angemessenen Personalisierung im Pflegebereich gemeistert werden kann (Haertel et al. 2013; Rogowski et al. 2013). Vor allem in den Wintermonaten kommt es in Kinderkliniken durch saisonal gehäuft auftretende Infektionserkrankungen der Atemwege und des Gastrointestinaltrakts regelhaft dazu, dass die verfügbare Anzahl von Zimmern, die zur Isolierung genutzt werden können, überschritten wird. Ein Isolierzimmer ist Isolierzimmerdefiniert als ein als Einzelzimmer (oder ein zur Kohortenisolierung nutzbarer Raum) mit eigenem Sanitärbereich/Bad und ausreichend dimensioniertem Vorraum zum An- und Ablegen bzw. zur Entsorgung von Kitteln, Handschuhen und MNS. In der allgemeinen Pädiatrie und auf den Intensivstationen (NICU, PICU) ist ein Anteil von Isolierzimmern von mindestens 30 % zu fordern. In der Kinderonkologie sind 40–50 % zielführend, weil hier aus protektiven Gründen zusätzlich hochgradig immunsupprimierte Kinder isoliert werden müssen (z. B. während der Induktionstherapie einer AML). Kinderkliniken müssen auch Isolierzimmer vorhalten, in denen Kinder mit aerogen-übertragbaren Erkrankungen (z. B. Varizellen, Masern, offene Tbc der Atemwege) isoliert werden können. Diese Zimmer sind mit einer Schleuse und ggf. auch mit spezieller Raumlufttechnik ausgestattet, sodass keine Erreger über den Luftstrom aus dem Zimmer in den Stationsflur gelangen können. Asymptomatische Ausscheider: Kinder können bestimmte Krankheitserreger schon einige Tage bevor es zu klinischen Symptomen kommt auf andere Menschen übertragen (z. B. Varizellen, Masernvirus). Zudem scheiden sie mitunter bestimmte Krankheitserreger über Wochen bis Monate aus, obwohl die Symptome der Erkrankung längst abgeklungen sind (z. B. RSV, Rotavirus, Norovirus, Parvovirus B19, CMV). Dieses Phänomen bedingt, dass • Maßnahmen der Basishygiene bei engem Kontakt mit Kindern (und von ihnen potenziell kontaminierten Gegenständen und Oberflächen) besonders konsequent eingehalten werden müssen und • im stationären Behandlungskontext die Ausscheidung bestimmter Erreger kontrolliert werden muss, weil Isolierungsmaßnahmen erst aufgehoben werden können, wenn die Erreger nicht mehr nachweisbar sind (z. B. Rotavirus, Norovirus, RSV). Spielzeug kann zum SpielzeugHygienemaßnahmen PädiatrieSpielzeugVektor von NI werden und sollte daher entweder desinfizierbar sein und zwischen den Patienten desinfiziert werden oder nur von beaufsichtigten Kindern genutzt werden, die zu einer ggf. assistierten Händedesinfektion in der Lage sind. Hier gerät man naturgemäß in einen Konflikt mit der Lebensqualität der Kinder. Kinder, die wegen ansteckender Erkrankungen isoliert werden müssen, sollten ggf. ihr eigenes Spielzeug von zu Hause mitbringen dürfen. Auch die Bedienkonsolen von Fernsehern, Notebooks und Videospielen sind in den Desinfektionsplan einzubeziehen. Besucherregelung: In Absprache PädiatrieBesucherregelung NeonatologieBesucherregelungmit der Krankenhaushygiene ist für Patienten, die mit MRE besiedelt oder infiziert sind, schriftlich eine einheitlich gehandhabte Besucherregelung festzulegen. In Absprache mit den Eltern/Sorgeberechtigten ist die Zahl der Besucher zu begrenzen, damit die zusätzlichen Aufgaben für das Behandlungsteam (Einweisung in die Händehygiene, Anamnese bezüglich Risikofaktoren auf Seiten des Besuchers, ggf. Einweisung in Barrieremaßnahmen) tatsächlich geleistet werden können. Mit MRSA, 3MRGN oder 4MRGN kolonisierte/infizierte Patienten werden meist ausschließlich von den Eltern bzw. Sorgeberechtigten begleitet und erhalten in der Regel keinen zusätzlichen Besuch (Ausnahmen müssen individuell festgelegt werden). Alle Besucher müssen in die hygienische Händedesinfektion eingewiesen werden. Sie sind darüber aufzuklären, dass für Kontaktpersonen mit chronischen Grundkrankheiten im Falle einer MRSA, 3MRGN- oder 4 MRGN-Übertragung ein erhöhtes Risiko für eine langfristige Besiedlung mit einem solchen MRE bestehen kann. Mit aufgenommene Eltern/Sorgeberechtigte: In bestimmten Behandlungssituationen werden enge PädiatrieEltern, mit aufgenommene NeonatologieEltern, mit aufgenommeneKontaktpersonen mit den Patienten stationär aufgenommen. Das ist z. B. nahezu immer bei Kindern im Vorschulalter der Fall, manchmal auch bei besonders pflegebedürftigen Jugendlichen, die außerhalb des Krankenhauses von ihren Angehörigen zuhause gepflegt werden. Die mit stationär aufgenommene Begleitperson ist kein Besucher, denn Eltern oder Sorgeberechtigte sind keine Besucher ihres Kindes im Krankenhaus. (Naturgemäß gelten auf Intensivpflegestationen spezielle Regeln, die vor Ort vereinbart und kommuniziert werden müssen.) Diese Unterscheidung ist auch bei der Frage von Bedeutung, welche Barrieremaßnahmen enge Kontaktpersonen einhalten sollen, wenn sie gemeinsam mit ihrem Kind außerhalb der Intensivstationen isoliert werden. Sind die Patienten bereits bei Aufnahme MRSA- oder MRGN-positiv, ist sehr wahrscheinlich, dass das auch bei engen Kontaktpersonen der Fall ist (Laux et al. 2013; Löhr et al. 2013; Strenger et al. 2013). Auch wenn ein Kind im Krankenhaus eine MRE-Kolonisation oder Infektion erwirbt, kann das kein Grund sein, es von seinen Eltern abzuschirmen oder zu trennen. Mit dem Patienten stationär aufgenommene Eltern/enge Kontaktpersonen werden gemeinsam mit dem Kind im Einzelzimmer isoliert. Die mit aufgenommenen Eltern/engen Kontaktpersonen sollen innerhalb des Isolierbereichs v. a. auf basishygienische Maßnahmen achten (Händedesinfektion, saubere Einmalhandschuhe beim Wechseln der Windel, Schutzkittel außerhalb der Isoliereinheit usw.) und außerhalb des Isolierzimmers keinen direkten Kontakt zu anderen Patienten oder Eltern haben. Sie dürfen gemeinsam von allen Patienten/Familien genutzte Bereiche wie z. B. die Stationsküche, einen Patientenaufenthaltsraum oder das Spielzimmer nicht betreten. Daraus ergeben sich für die Eltern der isolierten Kinder, die potenziell ebenfalls Keimträger sind, strukturell-organisatorische Probleme, die vom Behandlungsteam antizipiert und geregelt werden müssen, z. B. • Wie kommen die Eltern an ihr Essen? • Wo können die Eltern essen (Intensivstation)? • Was geschieht mit dem benutzten Geschirr? • Wo gehen die Eltern auf die Toilette? • Wo können die Eltern duschen? In einigen Kliniken wird für mit aufgenommene Eltern beim Verlassen des Isolierzimmers zusätzlich zur Händedesinfektion das Tragen eines Schutzkittels und eines MNS empfohlen. Die Erfahrung zeigt, dass nicht alle Eltern/Begleitpersonen in der Lage und/oder bereit sind, sich einem so komplexen Maßnahmenbündel aktiv anzuschließen. Dadurch kann ein erhebliches Konfliktpotenzial entstehen, vor allem wenn sich die Begleitpersonen MRE-besiedelter Kinder ausgegrenzt und stigmatisiert fühlen. Auch das erhöht den Aufwand in pädiatrischen Abteilungen erheblich. Handouts/Flyer für die Patienten und ihre Begleitpersonen ersetzen das persönliche Gespräch nicht, sind aber trotzdem sehr hilfreich (z. B. www.mre-rhein-main.de/informationsflyer.php) Vom Hygienefachpersonal wird in diesem Kontext Einfühlungsvermögen und Kommunikationskompetenz erwartet. Ein von der DGKH und anderen Fachgesellschaften und Verbänden unterstütztes Projekt des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit am Universitätsklinikum Bonn, stellt Informationsmaterialien für Kinder und Eltern im Krankenhaus in leicht verständlicher Form und eingängigem Layout zur Verfügung (www.hygiene-tipps-fuer-kids.de). Zusätzlich zur Informationsbroschüre, die über Basishygiene inkl. Händedesinfektion informiert, sind ansprechend gestaltete Poster zum Thema Händehygiene und MNS sowie Schulungsmaterialien für Klinikclowns entwickelt worden. Elternhäuser, Ronald McDonald Haus: Vor allem in Kinderkliniken der Maximalversorgung werden Elternhäuser PädiatrieElternhäuserPatienten behandelt, die überregional oder aus dem Ausland anreisen, um speziell in dieser Klinik behandelt zu werden. Die Patienten (während ambulanter Betreuungsphasen) und ihre Angehörigen werden in kliniknahen Elternhäusern untergebracht, wo sie mit anderen Familien gemeinsam wohnen (gemeinsame Küche, gemeinsame Aufenthaltsräume, oft gemeinsame Waschmaschine usw.). Hier ergibt sich aus infektionspräventiver Perspektive ein Regulierungs- und Supervisionsbedarf. Das klinikeigene Hygienefachpersonal ist jedoch häufig für das Elternhaus nicht zuständig. Da die der Klinik angegliederte Elternhäuser und „Patientenhotels“ zum Ausgangspunkt von nosokomialen Infektionsausbrüchen werden können (Longtin et al. 2010), erscheint es sinnvoll, sie im klinikeigenen Konzept der Infektionsprävention mit zu berücksichtigen (Guzman-Cottrill et al., 2012, Guzman-Cottrill et al., 2013). 5.13.6 Erfassung nosokomialer Infektionen Die Pädiatrienosokomiale Infektionen, Erfassung Infektionen, nosokomialeErfassung, Pädiatrie Neonatologienosokomiale Infektionen, Erfassung Infektionen, nosokomialeErfassung, NeonatologieDeutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat 2009 in Zusammenarbeit mit der DGKH eine gemeinsame Stellungnahme zur Erfassung nosokomialer und Gesundheitssystem-assoziierter Infektionen in der Pädiatrie herausgegeben (www.dgpi.de). Darin wird hervorgehoben, dass es für die Erfassung von NI bei Kindern eigener Module mit geeigneten Definitionen bedarf, von denen die wichtigsten NI adäquat erfasst werden (Simon et al. 2009a). Im Bereich der NICU und der PICU stehen hierzu die entsprechenden Module des NRZ für die Surveillance von NI (z. B. Neo-KISS; pädiatrische Sektion des ITS-KISS) zur Verfügung (Christoph et al. 2013; Geffers et al. 2014). Kinder und Jugendliche in der akuten Phase einer Stammzelltransplantation (während der Granulozytopenie) können in das ONKO-KISS Modul gemeldet PädiatrieONKO-Kiss-Modul ONKO-Kiss-Modulwerden (Dettenkofer et al. 2005). Zwar ist die Inzidenzdichte der NI bei den allogen transplantierten Kindern und Jugendlichen am höchsten (Laws et al. 2005), quantitativ treten aber die meisten NI bei pädiatrisch-onkologischen Patienten außerhalb der Stammzelltransplantation auf. Für kinderonkologische Patienten unter einer konventionellen Chemo- oder Strahlentherapie stehen die Definitionen und Methoden des Oncoped Moduls zurOncoped-Modul PädiatrieOncoped-Modul Verfügung (Biwersi et al. 2009; Krenn et al. 2011; Simon et al., 2000, Simon et al., 2008). Es ist sinnvoll und wünschenswert, dass ein solches Modul für Kinder unter einer konventionellen Chemotherapie in Zukunft in das Spektrum der vom NRZ angebotenen Module eingebunden wird. Im Oncoped Modul werden NI unabhängig von der aktuellen Leukozytenzahl des Kindes erfasst, weil ein erheblicher Teil der NI bei Patienten ohne Granulozytopenie auftritt (z. B. etwa 50 % aller Bakteriämien, mehr als die Hälfte aller C.-difficile-assoziierten Infektionen). Die Erfassung sollte in diesem Patientenkollektiv v. a. valide Informationen über Blutstrominfektionen (BSI; Bakteriämie, Sepsis mit Erregernachweis in der Blutkultur, Candidämie, Candidasepsis) liefern. Ein 2013 publizierter Survey hat gezeigt, dass 2011 in nur 42 % der teilnehmenden GPOH-Zentren (n=29 von ca. 50 in Deutschland) eine prospektive Surveillance von BSI nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes durchgeführt wurde (Simon, Graf und Furtwangler 2013). Hier ist die aktive Zusammenarbeit mit dem Hygienefachpersonal bei der Primärdatenerfassung und Auswertung sowie eine entsprechende Priorisierung von Seiten der Hygienekommission unbedingt erforderlich (KRINKO 2009). 5.13.7 Erfassung des Antibiotikaverbrauchs Bei Kindern wird die antimikrobielle Chemotherapie aufgrund des deutlich niedrigeren Körpergewichts und pharmakokinetischer Besonderheiten in mg/kg Körpergewicht oder in mg/m2 Körperoberfläche dosiert. Es AntibiotikaverbrauchErfassung, Pädiatrie AntibiotikatherapiePädiatriegibt bislang keine international akzeptierten „defined daily doses“ für Antiinfektiva in der Pädiatrie, die sich auf alle Altersgruppen anwenden ließen (Schweickert et al. 2013). Des Weiteren gibt es in den meisten Kliniken noch keine elektronische Patientenakte, in der die Gabe von Antiinfektiva direkt dokumentiert wird und so für eine fallbezogene elektronische Auswertung zugänglich wäre (Simon, Graf und Furtwangler 2013). Daher hat die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) entgegen der vom RKI für Erwachsene vorgegeben Methode vorgeschlagen, in Kinderkliniken folgende (stations- oder abteilungsbezogene) Surrogatparameter zu verwenden (DGPI 2013): • Auslieferung in g/100 Aufnahmen • Auslieferung in g/100 vollstationäre Patiententage Diese Daten sind mithilfe der Apotheke und der Patientenadministration relativ einfach zu generieren. Eine Fraktionierung von i. v. Ampullen/Gebinden („batching“) (Goff et al. 2012) ist nur unter Reinraumbedingungen in der Klinikapotheke zulässig (KRINKO 2011b). Daher muss ein erheblicher Anteil der Standardpräparationen (i. v. Ampullen mit Standarddosis für Erwachsene) verworfen werden. Demnach entsprechen auch die von der Apotheke an die jeweilige Station ausgegebenen Antiinfektiva-Mengen in Gramm nicht dem tatsächlichen fall- oder patientenbezogenen Verbrauch. Sie können lediglich zur Orientierung dienen, welche Antiinfektiva in einer pädiatrischen Abteilung wie häufig zum Einsatz kommen. Aus der Perspektive von Antimicrobial Stewardship Programmen (ASP) (Hyun et al. 2013; Patel und Saiman 2012) reicht es keinesfalls aus, den abteilungsbezogenen Verbrauch allein durch eine Auflistung der Apothekenausgabe darzustellen. Vielmehr muss es möglich sein, den Einsatz von bestimmten Antiinfektiva „fallbezogen“ zu analysieren. 5.13.8 Besondere Behandlungssituationen Neonatologische Intensivstationen Die Intensivstationneonatologische NeonatologieIntensivstationmeisten NI bei Neugeborenen betreffen bei der Geburt extrem unreife Frühgeborene (VLBW, Geburtsgewicht < 1500 g), die auf neonatologischen Intensivstationen (NICU) behandelt werden (Geffers et al. 2014, Härtel, Gille und Orlikowsky 2014). Extrem unreife Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko für NI, weil • bestimmte Teile ihres Immunsystem noch unreif sind (Christoph et al. 2013), • die Haut- und Schleimhautbarrieren in den ersten Lebenstagen nicht vollständig ausgebildet sind (Mannan et al. 2007), • sie in hohem Maße gegenüber invasiven Devices und breit wirksamen Antibiotika exponiert sind (Patel und Saiman 2012; Petel et al. 2010), • ihre spezielle Pflege mannigfache direkte und indirekte (Hand-)Kontakte zum Behandlungsteam und zu den Eltern bedingt (Laux et al. 2013), • sie mitunter mehr als 100 Tage im Krankenhaus behandelt werden müssen (Haertel et al. 2013). Bei FrühgeborenenFrühgeborenenosokomiale Infektionen Infektionen, nosokomialeFrühgeborene Infektionen, nosokomialeIntensivstation, neonatologischegehen bestimmte NI mit einer signifikant erhöhten Morbidität und Mortalität einher (Benjamin et al. 2004; Stichtenoth et al. 2012). Außerdem ist die psychomotorische und mentale Entwicklung noch etliche Jahre nach einer Sepsis während der NICU-Therapie deutlich schlechter als ohne eine solche Infektion (Adams-Chapman 2012; LeCouffe et al. 2014). Bereits die Besiedlung mit fakultativ pathogenen Infektionserregern kann ein Risikofaktor für eine Late-onset-Sepsis sein (Härtel, Gille und Orlikowsky 2014; Smith et al. 2010). Infektionsausbrüche sind in dieser Hochrisikopopulation keine Seltenheit und müssen sehr zeitnah entdeckt und eingedämmt werden (Gastmeier et al. 2007; Schwab et al. 2014). Die KRINKO 2007c (ergänzt und fortgeschrieben 2012 und 2013) hat in einer eigenen Empfehlung zur Prävention von NI bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen Stellung bezogen, auf die an dieser Stelle ausdrücklich verwiesen wird (KRINKO 2007c, 2012b und 2013b). Im dazugehörigen 2013 aktualisierten Dokument zur Risikocharakterisierung finden sich detaillierte Hinweise zur Beurteilung der Relevanz bestimmter Erregerspezies im Kontext der NICU (Christoph et al. 2013). Auch eine aktuelle Übersicht in deutscher Sprache beschäftigt sich mit der Prävention von NI bei Frühgeborenen (Simon et al. 2014). Umgang mit Muttermilch und mit Formulanahrung: MuttermilchMuttermilchHygienemaßnahmen NeonatologieMuttermilch kann bakterielle und virale Krankheitserreger enthalten und diese bei Kontakt auf das Neugeborene oder auf das Personal übertragen. Beim manuellen Umgang mit Muttermilch ist eine Kontamination der Hände des Pflegepersonals möglich. Das gilt auch für die Verabreichung von Muttermilch oder Formulanahrung über eine Magensonde mithilfe von Einmalspritzen, weshalb hier zusätzlich zur hygienischen Händedesinfektion das Tragen von sauberen Eimalhandschuhen empfohlen wird (Berthelot et al. 2001; KRINKO 2007c). Insofern benötigen Kinderkliniken nicht nur für Formulanahrung und Sondenkost, sondern auch für den Umgang mit abgepumpter Muttermilch einen schriftlich festgelegten Hygienestandard. In Pulverform vom Hersteller gelieferte Formulanahrung NeonatologieFormulanahrung Formulanahrung, Hygienemaßnahmenfür Neugeborene ist nicht steril, sondern kann bei Einhaltung der Richt- und Warnwerte mit Bakterien kontaminiert sein (Roy et al. 2005). Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang die Kontamination von Formulanahrung mit Cronobacter (vormals Enterobacter) sakazakii, einem Cronobacter sakazakiiErreger, der durch seine Temperaturtoleranz den Herstellungsprozess überlebt und bei Neugeborenen eine Sepsis mit Meningitis auslösen kann (Agostoni et al., 2004; Healy et al. 2010; Hunter und Bean 2013). • Wasserbäder („Flaschenwärmer“) zum Aufwärmen der Nahrung sind obsolet. • Strikt abzulehnen ist das in der Praxis oft übliche „Vorwärmen“ vorbereiteter Spritzen für die Sondenernährung im Inkubator. Das Aufwärmen der Muttermilch oder Formulanahrung im Milchwärmer auf 28–37oC (Temperaturoptimum der meisten Erreger) schafft ideale Voraussetzungen für ein exponentielles Bakterienwachstum. Bislang ist ungeklärt, ob ein Erwärmen der in der Regel bei 4 oC für maximal 24 h gelagerten Nahrung über Raumtemperatur überhaupt notwendig ist. Inzwischen stehen hierfür wasserfreie, voll desinfizierbare Geräte zur Verfügung. In den Empfehlungen europäischer Fachgesellschaften wird eine maximale Aufbewahrung (Synonym: Verabreichungszeit) bei Raumtemperatur von 4 h angegeben (Agostoni et al. 2004). Pädiatrische Intensivstationen Pädiatrische Intensivstationpädiatrische PädiatrieIntensivstationIntensivpflegestationen (PICU) sind meist interdisziplinär organisiert und behandeln ein breites Patientenspektrum unterschiedlichen Lebensalters. Ein besonders hohes Risiko für NI besteht • bei Kindern mit komplexen angeborenen Fehlbildungen des ZNS (Prusseit et al. 2009), des Herzens, des Gastrointestinaltrakts oder der Harnwege, die operativ korrigiert werden müssen. • bei Kindern nach schweren Unfällen (Alharfi et al. 2014). • bei Kindern mit großflächigen und höhergradigen Verbrühungen und Verbrennungen. In Pädiatriekardiologischekinderherzchirurgischen Abteilungen sollte sich die Surveillance und Prävention vor allem auf postoperative Wundinfektionen und auf Blutstrominfektionen (z. B. katheter-assoziierte Sepsis) fokussieren (Dresbach et al. 2009b). Auch in der Kinderherzchirurgie (und allgemein für PICUs) gibt es inzwischen Präventionsbündel zur Senkung der Inzidenz von postoperativen Wundinfektionen und weiterer NI (Adler et al. 2012; Costello et al. 2008; Smulders et al. 2013; Huskins et al. 2012). Neben den Device-assoziierten Infektionen, inkl. der der beatmungsassoziierten Infektion (Simon et al. 2011) spielt bei den NI auch die Übertragung saisonal auftretender virale Erreger von Atemwegsinfektionen (z. B. RSV, HMPV) und von Gastroenteritiden (z. B. Noro-, Rotavirus) eine wichtige Rolle. Bei stationär behandelten Kindern mit entsprechenden Symptomen muss sehr zeitnah eine gezielte Diagnostik durchgeführt werden. Das erfolgt heute in der Regel mit PCR-basierten Verfahren, sodass die Ergebnisse mit hoher Sensitivität schon nach wenigen Stunden vorliegen. Auch aus anderen Gründen bereits intubierte und beatmete Kinder können an einer nosokomialen RSV-Infektion erkranken und versterben (Simon et al. 2006; von Renesse et al. 2009). Pädiatrisch-onkologische Patienten Pädiatrisch-onkologische Patienten Pädiatrieonkologischemit Leukämien, hochmalignen Lymphomen oder soliden Tumoren (in etwa 20 % des ZNS) sind auch außerhalb der autologen und allogenen Stammzelltransplantation besonders infektionsgefährdet. Die Grunderkrankung oder deren Therapie (zytotoxische Chemotherapie, Bestrahlung, OP) bedingen eine ausgeprägte Störung der Infektionsabwehr und eine vorübergehende hochgradige Beeinträchtigung der Schleimhautbarriere (Mukositis). Der am besten gesicherte Risikofaktor ist die Granulozytopenie (neutrophile Granulozyten < 0.5 ×109/L oder Leukozyten < 1 ×109/L ohne Differenzialblutbild, Tendenz fallend), deren Dauer mit dem Infektionsrisiko korreliert. Die Einteilung in Risikogruppen und die daraus resultierenden Maßnahmen sind im Prinzip die gleichen wie bei erwachsenen Patienten (RKI 2010). Zum Beispiel müssen auch Kinder nach allogener (Fremdspender-)Transplantation in einem Raum protektiv isoliert werden, dessen Raumluft mit Filtern der Klasse H13 gefiltert ist. Andererseits sind kinderonkologische Stationen außerhalb der Stammzelltransplantation offene und sehr lebendige Einheiten mit liberalen Regeln für die Besucher (z. B. Angehörige, Geschwister) und vielen gemeinsamen Aktivitäten im Spielzimmer/Elternküche/Patientenschule usw. Auch die Prävention lebensmittelassoziierter Infektionen spielt hier eine wichtige Rolle (Schmid et al. 2008). Die meisten pädiatrisch-onkologischen Patienten haben einen dauerhaft implantierten ZVK vom Typ Port oder Broviac (Central Venous Access Device; CVAD), der einer spezielle Pflege nach schriftlich festgelegten Standards erfordert (Simon et al. 2013a). Die entsprechende Empfehlung der Fachgesellschaft (GPOH) wurde gerade aktualisiert (Simon et al. 2013a). CVAD-assoziierte Blutstrominfektionen sind die wichtigsten NI bei pädiatrisch-onkologischen Patienten (Miedema et al. 2013; Simon et al. 2008); ihre Diagnostik und Therapie bindet in erheblichem Maß finanzielle und personelle Ressourcen (Biwersi et al. 2009). Die Inzidenzdichte und das Erreger- und Resistenzprofil dieser Infektionen sollte dem Behandlungsteam und dem Hygienefachpersonal (RKI 2009) vor Ort bekannt sein. Auch in dieser pädiatrischen Patientengruppe sind mittlerweile Präventionsbündel zur Vermeidung CVAD-assoziierter Blutstrominfektionen erfolgreich eingeführt worden (Choi et al. 2013; Handrup, Moller und Schroder 2013; Rinke et al. 2012). Mukoviszidose Für Infektionen, nosokomialeMukoviszidose Mukoviszidose PädiatrieMukoviszidosedie Infektionsprävention bei Patienten mit Mukoviszidose (in der Klinik, in Spezialambulanzen und im ambulanten Umfeld) hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe im Auftrag der KRINKO eigene Präventionsstandards definiert (Bremer, Pfeiffer-Auler S und Brunsmann 2011; Simon et al., 2012; Ullrich et al. 2002), auf die an dieser Stelle nur verwiesen werden kann. In der Klinik (in der CF-Ambulanz) muss vor allem die Übertragung von P. aeruginosa auf Patienten mit Mukoviszidose bzw. die Kreuzübertragung zwischen Patienten mit Mukoviszidose verhindert werden. Jugendliche mit Mukoviszidose und MRSA-Kolonisation der tiefen Atemwege (Dasenbrook 2011) sind nur sehr schwer zu dekolonisieren (MacFarlane et al. 2007). 5.13.9 Umgang mit Muttermilch und Frauenmilchspenden Helmut Küster, Matthias Heckmann, Anke Beyersdorff, Sylvia Ryll und Axel Kramer Bedeutung der Ernährung mit Muttermilch MuttermilchMuttermilch MuttermilchBedeutung ist für das Neugeborene die beste Ernährung. Sie enthält nicht nur die optimale Nährstoffzusammensetzung mit entsprechender Bioverfügbarkeit und Verträglichkeit, sondern besitzt wertvolle immunologisch (German, Dillard und Ward 2002; Lonnerdal 2004), antimikrobiell (Hakansson et al., 1985, Hakansson et al., 2000; Isaacs und Thormar 1991; Marks, Clementi und Hakansson 2012; Newburg 1996; Newburg, Ruiz-Palacios und Morrow 2005; Prott et al. 1984; Welk et al., 2009, Welk et al., 2011; Weuffen et al., 1987, Weuffen et al., 1982, Weuffen et al., 1984), antiinfektiv (Yoshioka, Iseki und Fujita 1983), antiinflammatorisch (Buescher und Hair 2001; Garofalo und Goldman 1999; Goldman 1993) und endokrinologisch wirksame Inhaltsstoffe einschließlich Wachstumsfaktoren und Enzyme (Maier 2011; Siafakas et al. 1999) und einen hohen Gehalt an Antioxidantien (Xavier, Rai und Hedge, 2011). Durch die Aufnahme von Lactobacillus acidophilus wird die Kolonisationsresistenz im Gastrointestinaltrakt des Säuglings gefördert (Yoshiaka, Iseki und Fujita 1983), wobei Laktobazillen in vitro auch direkt antimikrobiell wirksam sind (Olivares et al 2006). Mit Muttermilch ernährte Säuglinge litten seltener unter Koliken und schliefen nachts länger. Für Letzteres wird als mögliche Ursache Melatonin diskutiert (Engler et al. 2012). Schließlich wird dem Kind durch den Körperkontakt beim Stillen Wärme und Geborgenheit vermittelt. Bei der Mutter fördert Stillen durch Freisetzung von Hormonen die Rückbildung schwangerschaftsbedingter Veränderungen (Kramer et al. 2013a). Durch Ernährung mit Muttermilch wird nicht nur die Entwicklung des Neugeborenen einschließlich einer Allergieprävention (Maier 2011) im Vergleich zu künstlicher Ernährung besser gefördert (German, Dillard und Ward 2002; Lange, Schenk und Bergmann 2007), sondern es wird zugleich die Inzidenz und Schwere einer Reihe von Infektionskrankheiten reduziert (Aniansson et al. 1994; Bachrach, Schwarz und Bachrach 2003; Chirico G et al. 2008; Golding, Emmett und Rogers 1997; Hanson 2004; Hanson und Korotkova 2002; Koletzko et al. 2013; Ogra, Rassin und Garofalo 2006; Sadeharju et al. 2007). Daher muss alles unternommen werden, um Mütter zum Stillen zu ermutigen (Bundesinstitut für Risikobewertung 1998). Weiterhin gibt es Anhaltspunkte zum präventiven Einfluss auf die Manifestation von Otitis media (Van Gysel et al. 2012), allergischer Diathese (Gdalevich et al. 2001; Laubereau et al. 2004; Schneider, Stein und Fritscher 2007; Sears et al. 2002), Zöliakie (Peters, Schneeweiss und Trautwein, 2001), Enteritis regionalis Crohn (Jackson und Nazar 2006), Adipositas (von Kries et al. 1999; Toschkle et al. 2002), RSV-Bronchiolitis, Pneumonie, Typ 1- und Typ 2-Diabetes, Leukämie, plötzlichem Kindstod, Fettstoffwechselstörungen, Hypertonie und Herzinfarkt (Eidelman 2012; Rudan et al. 2008; Toschke et al. 2002; Ziegler et al. 2003) sowie zur Förderung der neurologischen Entwicklung (Krawinkel 2005; Rozé JC et al. 2012). Insbesondere für die MuttermilchFrühgeborene FrühgeboreneMuttermilchErnährung von Frühgeborenen bis etwa zur 28. Schwangerschaftswoche (SSW) ist die Ernährung mit Muttermilch besonders wichtig, weil die Häufigkeit der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) bei extrem unreifen Frühgeborenen, die mit nativer Muttermilch versorgt werden, geringer ist als bei solchen, die pasteurisierte Muttermilch oder Formulanahrung erhielten (Lucas und Cole 1990; Hylander, Strobino und Dhanireddy 1998; Schanler, Shulman und Lau C 1999; Schanler et al. 2005; McGuire und Anthony 2003). Außerdem wird Muttermilch besser toleriert (Schanler 1995) und führt schneller zum vollen Nahrungsaufbau, womit Dauer und Nebenwirkungen einer parenteralen Ernährung reduziert werden (Stein, Cohen und Herman 1986; Schanler und Hirst 1994). Die Verabreichung von unpasteurisierter Frauenmilch ist besonders wichtig für • eutrophe Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht < 1 000 g oder einer Reife < 28 SSW • hypo/eutrophe Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht < 1 500 g mit enteralen Motilitäts- oder Verdauungsstörungen, nach OP am Magen-Darm-Trakt und bei Kurzdarmsyndrom. Risiken durch Krankheitserreger in Muttermilch In Anlehnung an die Hämotherapie-Richtlinie (Bundesärztekammer 2010) ist die Gefährdung durch MuttermilchMuttermilchInfektionsrisiko anamnestisch für HIV, HBV, HCV, Humanes T-lymphotropes Virus 1 (HTLV-1), HSV und VZV abzuklären. Vor beabsichtigter Milchspende müssen Infektionen mit HIV, HBV, HCV, HSV und VZV serologisch ausgeschlossen werden. Das Ergebnis des Aufklärungsgesprächs muss durch den aufklärenden Arzt schriftlich festgehalten werden. • Bei einer HIV-Infektion ist Stillen wegen der Infektiosität der Muttermilch nicht zu vertreten. • HTLV-1 wird durch Pasteurisieren und anschließendes Einfrieren inaktiviert (Kramer et al. 2013a). • Bei HBV-Infektion kann das Kind ab dem Zeitpunkt der aktiven und passiven Impfung gestillt werden (Kramer et al. 2013a). Da bei hoher HCV-Last im Blut der Mutter, bei Lebererkrankungen, wunden Brustwarzen und bestimmten HCV-Genotypen ein Übertragungsrisiko nicht auszuschließen ist, sollte eine Stillempfehlung nur nach Risikoabklärung gegeben werden (Kramer et al. 2013a). • Bei HSV-Infektion kann gestillt werden, sofern keine Läsionen auf der Brust als Eintrittspforten vorhanden sind (Kramer et al. 2013a). • Bei VZV-Infektion soll das Anlegen erst 3 d nach der letzten frischen Hautläsion erfolgen (Kramer et al. 2013a). • Bei Infektion durch HAV und Virusgrippe kann unter bestimmten Voraussetzungen gestillt werden. Da HAV nur über Hände bzw. kontaminierte Flächen übertragen wird, kann bei Einhaltung der Basishygiene gestillt werden (Kramer et al. 2013a). Bei Virusgrippe kann gestillt werden, sofern es sich nicht um ein neues Virus handelt, gegen das die Mutter keine Immunität ausgebildet haben kann (Kramer et al. 2013a). Zytomegalievirus: Da durch native MuttermilchMuttermilchZytomegalievirus Zytomegalievirus, humanesMuttermilch insbesondere das Risiko für eine NEC herabgesetzt wird, kann nach entsprechender Aufklärung und Zustimmung der Erziehungsberechtigten auch bei CMV-IgG-positiven, aber CMV-IgM-negativen Müttern von extrem unreifen Frühgeborenen (< 28. SSW) unpasteurisierte Muttermilch verabreicht werden (Kramer et al. 2013a). Bei systemischen Infektionszeichen des Frühgeborenen muss dann allerdings auch immer an die Möglichkeit einer CMV-Primärinfektion gedacht werden. Die Pasteurisierung der Muttermilch ist in Mitteleuropa weit verbreitet, in vielen anderen Ländern aber gänzlich unbekannt und kann daher nicht grundsätzlich empfohlen werden. Da CMV in Kolostrum frühestens am 3. Tag post partum nachgewiesen wurde (Doctor et al. 2005), kann die ersten beiden Lebenstage auf jeden Fall auf eine Pasteurisierung verzichtet werden. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass eine Gefährdung durch CMV niemals mit Sicherheit auszuschließen ist, da CMV-IgG-positive Mütter das Virus auch bei negativem CMV-IgM durch Reaktivierung über die Muttermilch übertragen können (Doctor et al. 2005; Hamprecht et al. 2001; Hayes et al. 1972). Für Reifgeborene ist das nicht kritisch, weil die die Auseinandersetzung mit CMV in der Regel asymptomatisch verläuft bzw. das Immunsystem des ansonsten gesunden Kindes die CMV-Infektion kontrolliert (Capretti et al. 2009; Hamprecht et al., 2001, Hamprecht et al., 2003; Kumar et al. 1984). Bei Frühgeborenen werden die Langzeitfolgen einer CMV-Infektion unterschiedlich beurteilt (Dvorak et al. 2003; Dworsky et al. 1983; Kumar et al. 1984; Paryani et al. 1985; Vollmer et al. 2004). Eine aktuelle Nachuntersuchung von Frühgeborenen mit postnatal erworbener CMV-Infektion zeigte eine beeinträchtige kognitive Funktion (Brecht et al 2014). Bei extrem unreifen Frühgeborenen sind schwere Infektionen (Enzephalitis, Pneumonien) mit tödlichem Ausgang beschrieben (Dworsky et al. 1983; Maschmann et al. 2001; Neuberger et al. 2006; Stagno et al. 1980; Vochem et al. 1998). Insbesondere Frühgeborene an der Grenz der Überlebensfähigkeit (22.–24. Entwicklungswoche) scheinen gefährdet zu sein (Mehler et al. 2014). Da das reifste Kind mit einem schweren CMV Verlauf ein Frühgeborenes von 30 SSW war (Hamprecht et al. 2001), wäre eine Option, das Virus bei Frühgeborenen bis zu einem korrigierten Alter von 30 SSW zu inaktivieren (Pickering, Kimberlin und Long 2012), nachdem die Erziehungsberechtigten über den damit verbundenen Nachteil der erhöhten NEC-Rate aufgeklärt wurden. Bei Borreliose, Gonorrhö, Syphilis und Tuberkulose (neg. Sputum, kein aktiver Herd in der Brust) kann unterMuttermilchStillverbot Antibiotikatherapie der Mutter gestillt werden (Kramer et al. 2013a). Es ist zu beachten, dass durch den Übergang des Antibiotikums in die Muttermilch Magen-Darm-Störungen, Sprosspilzbesiedelung von Schleimhäuten und Sensibilisierung verursacht werden können. Bei Borreliose ist bisher keine Erkrankung der Neugeborenen durch Stillen bekannt geworden. Im akuten Stadium der Listeriose ist Stillen kontraindiziert. Nach antibiotischer Therapie von ca. 4 d und gleichzeitiger präventiver Therapie des Kindes kann jedoch gestillt werden (Neuberger et al., 2006). Bei Toxoplasmose kann gestillt werden, da mit dem Übertritt von T. gondii auch Antikörper in die Milch gelangen (Neuberger et al. 2006). Bei Fieber unklarer Ursache sollte das Stillen insbesondere bei Verdacht auf eine Virusinfektion bis zur Ursachenklärung unterbrochen werden. Risikobewertung physiologischer Flora bzw. potenziell pathogener Mikroorganismen in Muttermilch Im Gegensatz zu MuttermilchKeimbelastungFormulanahrung (Kramer et al. 2013a) gibt es für Muttermilch, die an das eigene Kind gefüttert wird, bisher keine mikrobiologischen Qualitätsstandards. Der Grund hierfür sind fehlende Studien, ob bzw. ab welchem Ausmaß einer mikrobiellen Belastung Muttermilch pasteurisiert werden sollte bzw. ob der Nutzen nichtpasteurisierter Muttermilch selbst bei Vorkommen potenziell pathogener Bakterien höher ist, als wenn pasteurisierte Muttermilch gegeben wird, deren immunologischer, antiinfektiver und ernährungsphysiologischer Wert durch das Pasteurisieren deutlich verliert (Dvorak et al. 2003; Rath, Gembruch und Schmidt 2010). Zugleich ist weder für kommensale Hautflora noch für potenziell pathogene Erreger die minimale Infektionsdosis bekannt (Cossey et al. 2011). Nur für Enterokokken einschließlich VRE wird die Infektionsdosis mit 10–100 Erreger angegeben (Robine, Derangere und Robin 2000). Da der kommerzielle Vertrieb von menschlicher Muttermilch über das Internet etabliert ist und propagiert wird, hat die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin vor der Verwendung unzureichend geprüfter Muttermilch von Spenderinnen gewarnt (Bührer et al. 2014). Ausdrücklich ausgenommen von dieser Warnung sind die an wenigen Kinderkliniken in Deutschland etablierten Frauenmilchsammelstellen, die durch umfassende Kontrollen sichere Spendermilch besonders für Risikoneugeborene zur Verfügung stellen können, ohne dass für die Empfänger zusätzliche Kosten entstehen. Vorschläge für hygienisch sichere Spendermilch unter Berücksichtigung der Empfehlungen verschiedener Länder: Lediglich für MuttermilchMuttermilchSpendermilch NeonatologieSpendermilch aus Milchbanken (SpendermilchSpendermilch Frauenmilchspende) gibt es eine Empfehlung des National Institute for Health and Clinical Excellence des NHS (National Institute for Health and Clinical Excellence, 2010). Hiernach darf rohe Muttermilch nicht > 105 KbE/ml Gesamtlast enthalten, für Enterobakterien und S. aureus muss dieser Wert unter 104 KbE/ml liegen. Für pasteurisierte Milch darf ein Wert von 10 KbE/ml nicht überschritten werden. In der Schweiz wird Spendermilch grundsätzlich pasteurisiert (Frischknecht et al. 2010). Das kann unter dem Aspekt der Notwendigkeit der Stimulierung der frühen Immunantwort (früher als Hygienehypothese bezeichnet) für die immunologische Reifung nicht vorteilhaft sein (Kramer et al. 2013a). Springer et al. (1998) vertreten die Auffassung, dass Muttermilch ab > 105 KbE/ml verworfen werden soll. Sofern es sich dabei nur um physiologische Flora handelt, gibt es keinen Anhaltspunkt, dass dadurch Infektionen verursacht werden, so dass die Milch nach unserer Auffassung verabreicht werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass selbst hygienisch vorbildlich gewonnene Frauenmilch (nach Anleitung durch Stillberaterin, Brusthygiene, Abpumpen der ersten Milchportion) mit 104–105 KbE KNS/ml kontaminiert war (eigene Untersuchungen). Beim Nachweis potenziell pathogener Erreger (z. B. betahämolysierende Streptokokken, Enterobakterien, Pneumokokken, gramnegativer Bakterien einschließlich Nonfermenter) wird z. T. Nichtfreigabe zur Spende, z. T. Pasteurisierung vor der Spende empfohlen. Das Vorkommen von S. aureus wird in der Schweizer Leitlinie toleriert (Frischknecht et al. 2010). Wegen des Risikos der Toxinbildung sollte nach unserer Auffassung ab 102 KbE S. aureus/ml die Milch nicht zur Spende verwendet werden, da evtl. vorhandene Toxine durch den Pasteurisierungsvorgang nicht inaktiviert werden. Mit MRSA kontaminierte Muttermilch ist zu verwerfen. Nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung wurden in der Abteilung für Neonatologie/Pädiatrische Intensivmedizin der Universitätsmedizin Greifswald für Spendermilch folgende Grenzwerte festgelegt: • Bei Vorkommen von ≥ 102 KbE/ml potentiell pathogener Erreger (s. o.) und bei Nachweis von MRE Spendermilch verwerfen, weil durch Pasteurisierung nicht alle Erreger mit Sicherheit inaktiviert werden. • Bei Vorkommen von ≤ 102 KbE/ml potentiell pathogener Erreger Pasteurisierung möglich (ärztliche Anordnung). Hygienische Anforderungen an die Gewinnung und Zubereitung von Muttermilch Wird Muttermilch abgepumpt, kann es zu bakterieller Kontamination mit nachfolgender Infektion kommen (Donowitz et al. 1981; Gras-Le Guen et al. 2003; Keim et al. 2013). Aber auch von intrinsischer Kontamination kann eine Gefährdung ausgehen (s. o.). Diese kann mit Pasteurisieren der Muttermilch reduziert werden. Einfluss der Pasteurisierung auf die Muttermilch: Für die MuttermilchPasteurisierungQualität abgepumpter Muttermilch und die Stabilität ihrer Inhaltsstoffe sind die Art der Gewinnung, die verwendeten Sammelbehälter (sofern die Muttermilch umgefüllt wird), die Lagertemperatur, aber vor allem der Einfluss der Pasteurisierung entscheidend (Lawrence 2001; Tully, Jones und Tully 2001). Während die in Muttermilch enthaltenen Lipasen sehr thermolabil sind und durch Holder-Pasteurisierung inaktiviert werden (Tully, Jones und Tully 2001), war Milch nach High-Temperature Short-Time (HTST)-Pasteurisierung (15 s auf 72 °C) High-Temperature Short-Time Pasteurisierungdurch eine Lipaseaktivität und ein Proteinmuster gekennzeichnet, die unbehandelter Muttermilch am ähnlichsten waren. Ebenso blieben Lactoferrin, IgA, IgG, Insulin und Wachstumsfaktoren sowie die antioxidative Kapazität besser erhalten (Baro et al. 2011). Dabei wurde jeweils nicht nur untersucht, inwieweit die Integrität, sondern auch inwieweit die biologische und immunologische Aktivität der Proteine erhalten blieb. Die Ergebnisse sprechen dafür, Muttermilch thermisch möglichst kurz zu behandeln. Andererseits wurde festgestellt, dass die bakterizide Aktivität von Muttermilch umso mehr abnimmt, je höher die Temperatur bei der Pasteurisierung war und dass auch unpasteurisierte Muttermilch bei Lagerung bei 4 °C deutlich an bakterizider Kapazität verliert (Virex 2006). Sowohl die mittels Holder- als auch die mittels HTST-Methode pasteurisierte Milch verlor durch die Lagerung im Kühlschrank jedoch nicht weiter an bakterizider Aktivität. Somit war letztlich der Unterschied in der bakteriziden Aktivität zwischen pasteurisierter und unbehandelter Milch nicht mehr so groß. Eine MuttermilchVirex IVWeiterentwicklung der HTST ist die Kurzzeithitzebehandlung mit dem Gerät Virex IV (Virex 2006). Hierbei werden Muttermilchproben mit einem Volumen von 15–50 ml mittels Heißluft auf eine Maximaltemperatur von 60–62 °C erhitzt und diese für 5 s gehalten. Anschließend erfolgt die rasche Abkühlung mittels Kühlwasser. Der gesamte Behandlungsprozess einer Probe dauert 90 s. Hiermit soll CMV sicher inaktiviert werden. Inwieweit das für bakterielle Kontamination zutrifft, ist nicht angegeben. Mit demMuttermilchDiscover Mikrowellengerät Discover (CEM GmbH, Kamp-Lintfort, Deutschland) wurde durch 85 °C mit einer Zeitdauer bis zum Erreichen der Solltemperatur von 2:45 min (Energieeintrag 100 Watt) und nachfolgender Haltezeit von 5 min für die Testorganismen S. aureus, E. coli, E. faecium und E. cloacae eine sicherere Abtötung als mit der Holder Pasteurisierung erreicht, verbunden mit einer Zeitersparnis, da die einzelne Probe inklusive Aufwärm- und Abkühlphase nur für 12:45 min im Gerät behandelt werden muss (Virex 2006). Es ist zu vermuten, dass die Milch zugleich schonender behandelt wird. Muttermilch für das eigene Kind Für die Gabe von Muttermilch bei stationär behandelten Neugeborenen sind folgende Rahmenbedingungen schriftlich festzulegen: • Aufklärung der Mutter über Notwendigkeit und Vorteile des Stillens, • Infektionsanamnese der Mutter (s. o.), • Abklärung von Drogenkonsum, Rauchen und Pharmakotherapie (Kramer 2013a), • Beratung zur konsequenten Einhaltung der Brusthygiene – Fingernägel kurz und sauber halten, möglichst keine künstlichen oder gegelten Fingernägel, Händewaschen vor dem Stillen, vor und nach dem Stillen Brüste mit lauwarmem Leitungswasser abspülen, danach Brustwarzen mit Einmal-Papierwaschlappen oder Kleenex vorsichtig abtrocknen (Frottee-Waschlappen reizt die Haut), zur Vermeidung einer Austrocknung oder Reizung keine Seife, kein Antiseptikum und keine Brustwarzensalbe benutzen. Gewinnung mittels Pumpset Die Gewinnung und Aufbewahrung der MuttermilchMuttermilchMilchgewinnung sowie die Aufbereitung von Pumpset, Milchflaschen und Sauger (stationär und in der Häuslichkeit) sollte in einer SOP festgelegt werden. Milchgewinnung: Die ersten Milchtropfen werden ausgestrichen und verworfen, weil sie stärker mit Bakterien belastet sind. Danach wird der Pumpaufsatz mittig aufgesetzt. Das Gerät wird zunächst mit geringstem Sog bedient, der nachfolgend bei Bedarf gesteigert wird. Aufbereitung des Pumpsets: Die Mutter ist durch das Pflegepersonal in die Handhabung des Pumpsets einzuweisen. Der Grund, warum nachfolgend geringe Unterschiede zwischen dem Vorgehen in der Häuslichkeit und in der Klinik gemacht werden, ist darin zu sehen, dass die Klinik aufgrund ihrer Verantwortung für die Patientensicherheit vermeidbare Infektionsrisiken ausschalten muss, weil sie bei dadurch verursachten Infektionen u. U. haftet. Zwar kann Trinkwasser auch in der Häuslichkeit. kontaminiert sein, z. B. P. aeruginosa, aber das liegt außerhalb der Verantwortung des Krankenhauses. Als weitere Besonderheit ist im Krankenhaus das Kontaminationsrisiko durch nosokomiale Pathogene nicht vergleichbar mit der häuslichen Situation. • Vor dem Abpumpen wird eine Händedesinfektion durchgeführt. • Danach wird die Brust mit Leitungswasser von Trinkwasserqualität (in der Häuslichkeit Wasser vor Benutzung etwa 5 min ablaufen lassen) oder – wenn diese bei Gewinnung im Krankenhaus nicht gewährleistet werden kann – mit steril filtriertem Wasser (endständiger Sterilfilter am Wasserauslass) abgespült (Daeschlein et al. 2007) oder mit Kompressen, die mit sterilem Aqua dest. getränkt sind, gereinigt und vorsichtig abgetrocknet (s. o.). • In der Häuslichkeit wird das Pumpset nach jeder Verwendung gemäß Herstellerangaben gereinigt, getrocknet und trocken gelagert. In der Klinik werden entweder Einmalsets verwendet oder die milchführenden Teile (Pump- und Schraubaufsatz) in einer Transportbox zur Aufbereitung (RDG) in die ZSVA gegeben. Der Schlauch zur Pumpe (falls nicht Einmalmaterial) wird gemäß Herstellerangabe nach jedem Benutzerwechsel analog aufbereitet. Bei Verwendung für Sammelmilch ist das Pumpset abschließend zu sterilisieren. Die aufbereiteten Teile werden staubsicher und trocken gelagert. Die Geräteaußenflächen werden einer Wischdesinfektion unterzogen. Jährlich wird die Funktion technisch überprüft. Umgang mit Milchflaschen und -verschlüssen. JedeMuttermilchMilchflasche NeonatologieMilchflaschen und -verschlüsse Milchflasche ist mit Namen, Datum und Uhrzeit zu versehen. Bei Abpumpen in der Häuslichkeit werden der Mutter Einwegplastikmilchflaschen und mit dem Namen des Kindes vorbedruckte Etiketten mitgegeben. Werden in der Klinik Mehrwegmilchflaschen verwendet, sind sie im RDG bei 93 °C aufzubereiten, bei Verwendung zur Milchspende nachfolgend zu sterilisieren und anschließend in geschlossenen Behältern trocken zu lagern. Zum Verschließen der Milchflaschen werden in der Klinik sterilisierte Deckel oder Einwegmaterial eingesetzt. Bei Benutzung der Deckel ist die Innenseite kontaminationssicher abzulegen und nicht mit den Händen zu berühren. Personal, das mit Muttermilch arbeitet (z. B. Aufziehen in Spritzen zur Verabreichung über eine Sonde) soll zusätzlich zur Händedesinfektion saubere Einmalhandschuhe tragen. Aufbewahrung der Muttermilch: Beim Transport von MuttermilchMuttermilchAufbewahrung darf die Kühlkette nicht unterbrochen werden. • Frisch gewonnene Muttermilch ist unverzüglich bei Temperaturen zwischen +4 und +6 °C für max. 36 h zu lagern. Ist abzusehen, dass sie nicht innerhalb von 36 h verbraucht wird (bei Milchüberschuss), ist sie bei Temperaturen zwischen −18 bis −40 °C einzufrieren. Die Lagerfrist eingefrorener Milch soll 6 Monate nicht übersteigen, da bei längerer Lagerung eine Hydrolyse der Lipide einsetzt, die sich in leicht seifigem Geschmack der Milch bemerkbar macht (Berkow, Freed und Hamosh 1984). • Für den Transport zur Klinik verwenden die Eltern eine Kühltasche. Bei Ankunft in der Klinik wird die Milch sofort im Kühlschrank bzw. in einem Tiefkühlfach gelagert. Vor Entnahme der Flaschen aus der Kühltasche ist eine Händedesinfektion durchzuführen. • Die Temperaturen der Kühlschränke bzw. Tiefkühlschränke sind kontinuierlich zu messen, eine Alarmierung bei einer Temperaturabweichung muss sichergestellt sein. Bei Abweichungen von der Solltemperatur ist der technische Dienst zu informieren. • Glas- oder Einwegflaschen werden verschlossen mit sterilisiertem Deckel im Kühlschrank gelagert oder eingefroren. Für Portionen unter 20 ml abgefüllte Spritzen werden mit sterilem Stopfen verschlossen und zusätzlich in einer Plastiktüte verpackt. • In der Klinik sollte die Einhaltung der Kühlkette halbjährlich mikrobiologisch überprüft werden. Dazu wird parallel je eine Probe (0,5–1 ml) unpasteurisierter Milch in der Milchküche und erneut auf der Station vor Verabreichung derselben Portion entnommen und die KbE-Anzahl beider Proben verglichen. • Es empfiehlt sich, für die Mutter den Ablauf zur Milchgewinnung in einem Merkblatt zusammenzufassen (Muster in Kramer et al. 2013a). Verarbeitung von Muttermilch: Grundsätzlich ist zuerst frisch abgepumpte Milch zu verwenden. Gekühlte MuttermilchMuttermilchVerarbeitung ist unmittelbar vor Verabreichung im Thermoblock (wasserfrei) zu erwärmen. Erwärmte Reste sind zu verwerfen. Tiefgefrorene Muttermilch wird in einem Babykostwärmer aufgetaut. Aufgetaute Muttermilch ist im Kühlschrank zu lagern und innerhalb von 24 h zu verbrauchen. Für den Umgang mit Muttermilch bei Frühgeborenen empfiehlt sich die Aushändigung eines Merkblatts (Muster in Kramer et al. 2013a). Zu Hause sollte Muttermilch schonend bei Zimmertemperatur aufgetaut werden. Bei Zimmertemperatur aufgetaute Muttermilch ist nur maximal 4 Stunden aufzubewahren. Pasteurisierung: Wurde die ärztliche Entscheidung zur Pasteurisierung der Muttermilch getroffen, richtet sich die Geräteauswahl nach dem beabsichtigten Wirkungsspektrum, d. h. erforderliche Wirksamkeit nur gegen CMV oder auch gegen resistentere Erreger (s. o.). Frauenmilchspende Voraussetzungen: Für die FrauenmilchspendeFrauenmilchspende Spendermilch muss die Aufklärung, Einwilligung und Anamnese der Spenderin vorliegen. Ausschlusskriterien sind: • Erkrankung durch HTLV-1, HIV, HBV/HCV oder Lues sowie CMV-IgM-positive Frauen • Schutzimpfung mit Lebendimpfstoff für die Dauer des Erregerübergangs in die Muttermilch • Erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten • Erhalt von Blutprodukten sowie Tattoo/permanent Make-up oder Piercing innerhalb der letzten 6 Monate • Drogen, Nikotin, Alkohol, übermäßiger Koffeingenuss, vegane Ernährung • Galaktosämie • Chronische Erkrankungen, erhöhte Werte für ASAT und ALAT • Einnahme von Medikamenten, die in die Muttermilch übergehen • Frauen > 6. Laktationsmonat Die serologischen, laborchemischen und mikrobiologischen Kontrollen erfolgen vor der Erstzulassung zur Frauenmilchspende und nach Beginn der Spende erneut nach 2 Monaten. Die Erziehungsberechtigten des Empfängerkinds müssen vor der Verabreichung der Spendermilch nach erfolgter Aufklärung ihre Einwilligung erteilen. Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Frauenmilchspende sind in einem Ablaufschema in Kramer et al. (2013a) zusammengefasst. Anforderungen an die Gewinnung, Verarbeitung und Verabreichung: Für den Gesamtablauf ist ein HACCP-Konzept FrauenmilchspendeHygienemaßnahmen SpendermilchWeiterverarbeitungmit den Schwerpunkten Personalhygiene, Aufbereitung von Material, Geräten und Flächen, Gewinnung und Weiterverarbeitung von Muttermilch zu erarbeiten (Kramer et al. 2013a). Spendermilch ist nach Möglichkeit in der Klinik zu gewinnen, da das hygienische Risiko in häuslicher Umgebung einschließlich der Einhaltung der Kühlkette nicht kalkulierbar ist. So war beim Vergleich der Kontamination zu Hause oder im Krankenhaus gewonnener Milch erstere höher kontaminiert (Serra et al. 2013). Jede abgepumpte Spendermilch ist mikrobiologisch zu untersuchen. Dazu können vor dem Tieffrieren 2 ml mit steriler Spritze entnommen werden. Alternativ kann ein Ausstrich direkt in der Milchküche gemacht werden. Die Probe ist identifizierungssicher zu kennzeichnen (Chargennummer, Name der Spenderin, Datum, Uhrzeit, Mengenangabe, Datum der Abgabe). Die Dokumentation einschließlich des Hinweises „serologische Befunde vorhanden, freigegeben“ ist 10 Jahre aufzubewahren. Kleine Mengen werden nicht in Einzeldosen mittels steriler Einmalspritzen ausgegeben, sondern als Gesamtmenge innerhalb der max. Lagerfrist von 36 h aus der Flasche entnommen und für jedes Kind unmittelbar vor der geplanten Applikation einzeln portioniert. Hierbei sind folgende Maßnahmen einzuhalten: • Wischdesinfektion der Arbeitsfläche • Händedesinfektion • Bereitstellung der Materialien (sterile Spritze, steriler Verschlussstopfen, Milchflasche, steriler Verschlussdeckel) • aseptische Entnahme mit steriler mit Name des Kindes, Datum und Uhrzeit beschrifteter Spritze. Danach wird die Flasche mit einem neuen sterilen Deckel wieder verschlossen und kühl gelagert. Anforderungen an die Milchküche Mitarbeiter: Gemäß IfSG ist vor Milchküche MilchkücheAnforderungenTätigkeitsaufnahme eine aktenkundigen Belehrung durch das Gesundheitsamt erforderlich. Im Abstand von 2 Jahren ist die Belehrung durch den Arbeitgeber zu wiederholen und der Nachweis zu dokumentieren. Unbefugten ist der Zutritt in den reinen Bereich der Milchküche nicht zu gestatten. Bauliche Voraussetzungen: Der Milchküchebauliche Anforderungenreine und der unreine Raum werden zweckmäßigerweise durch ein Durchreichefenster verbunden, da der reine Raum der Milchküche nur über eine vorgelagerte Personalschleuse betreten werden sollte. Für die Mitarbeiter ist in räumlicher Nähe eine separate Toilette vorzuhalten. Wände, Fußboden, Schränke sowie sämtliche Ablage- und Arbeitsflächen sind glatt und wischdesinfizierbar auszulegen. Wasserarmaturen sind im reinen Bereich mit Sterilfiltern auszustatten. Der Waschplatz befindet sich im unreinen Bereich und ist mit Spendern für Waschlotion, Händedesinfektionsmittel und Einmalhandtüchern einschließlich Abwurf für gebrauchte Handtücher auszustatten. Im reinen Bereich ist mindestens ein Spender für die Händedesinfektion zu installieren. Desinfektion: Gebrauchte MilchkücheDesinfektion DesinfektionMilchkücheFlaschen/Geschirr werden im unreinen Arbeitsraum angeliefert, nach Entleerung von Nahrungsresten und Entfernung von Aufklebern vorgespült und in den Geschirrspüler für Flaschen bzw. in die separate Geschirrspülmaschine einsortiert. Flaschenbürsten sind nach Benutzung zu verwerfen oder aufzubereiten. Nach Beendigung der Desinfektion werden nach vorheriger hygienischer Händedesinfektion und Anlegen von neuen Einmalhandschuhen sowie Mund-, Nasen- und Haarschutz die Flaschen bzw. das Geschirr entnommen. Falls keine Einmalflaschen verwendet werden, werden für die Milchspende vorgesehene Flaschen nach der Verpackung sterilisiert und in geschlossenen Schränken gelagert. Arbeitsflächen werden zu Dienstbeginn und am Dienstende, Fußböden nur am Dienstende desinfiziert. Nach jedem abgeschlossenen Arbeitsgang erfolgt eine Zwischendesinfektion. Verschüttete Nahrung, Pulver a. Ä. sind unverzüglich mit einem Einmaltuch aufzunehmen. Anschließend erfolgt die Wischdesinfektion der Arbeitsfläche. Fahrbare Wagen werden zu Arbeitsbeginn auf der Lagerfläche und den Handkontaktflächen wischdesinfiziert. Vor dem Abstellen von keimarmen Behältern oder Material wird eine erneute Desinfektion durchgeführt. Bei Schränken werden die Handkontaktflächen täglich, der übrige Schrank monatlich desinfiziert. Abfallbehälter werden täglich entleert und wischdesinfiziert. Griffflächen von Kühl- und Gefrierschränken werden täglich, die Innenfächer bei sichtbaren Kontaminationen und bei jedem Wechsel der Patientenzugehörigkeit desinfizierend gereinigt. Monatlich erfolgt eine vollflächige desinfizierende Reinigung. Herdplatten und Griffflächen des Kochherds werden nach jeder Benutzung, die übrigen Flächen monatlich desinfizierend gereinigt. Waagen werden nach jeder Benutzung desinfizierend gereinigt. Der Pasteurisator und das Auftaugerät werden nach Gebrauch desinfizierend gereinigt und staubfrei abgedeckt. Die Aufbereitung des Pasteurisators (Reinigung und Desinfektion) erfolgt gemäß Herstellerangaben. Der Pasteurisator sollte halbjährlich überprüft werden, z. B. mittels Prüfkörper (Flasche mit etwa 107 KbE Enteroccocus faecium/ml in 100 ml physiologischer Kochsalzlösung). Das Kühlgerät wird täglich vollflächig desinfizierend gereinigt. Kühltaschen, Transport- und Lagerungsbehälter werden nach jeder Benutzung vollflächig desinfizierend gereinigt, anschließend im reinen Arbeitsraum gelagert und an das Stromnetz angeschlossen. Verarbeitung von Spendermilch: SpendermilchSpendermilchVerarbeitung ist getrennt von Muttermilch zu lagern, um Verwechslungen auszuschließen. Sammlung und Lagerung von Spendermilch erfolgt in Glas- oder Plastikflaschen aus Polypropylen; Gefrierbeutel sind aus hygienischer Sicht ungeeignet. Einmal aufgetaute Milch darf nicht erneut tief gefroren werden. Nicht verwendete Restmenge aufgetauter Spendermilch kann 24 h gekühlt gelagert werden. Nach anschließender Pasteurisierung ist die weitere Verwendung für 24 h möglich. QM: Die halbjährliche Umgebungsuntersuchung des reinen Arbeitsraums und die Überwachung der Mitarbeiter sind ein wichtiger Baustein der Qualitätssicherung der Hygiene. 5.13.10 Kinderkrankheiten Einige Kinderkrankheitenim Krankenhaus behandelte Kinder (z. B. Mitarbeiter, Besucher) sind gegen klassische Kinderkrankheiten nicht immun. Oft sind diese Krankheiten bereits während der Inkubationszeit hoch kontagiös. Als Hilfe für die Praxis werden einige Aspekte dieser Thematik in Tab. 5.24 aufgeführt. Tab. 5.24 Orientierende Hinweise zu Kinderkrankheiten (Auswahl) für das Hygienefachpersonal (Garner 1996; Musher et al. 2003; Richardson et al. 2001; RKI 2001; Siegel 2002; Weinstock et al. 2004)Pneumonie, bakterielleKinderKeuchhustenPertussisBordetella pertussisEpstein-Barr-VirusPfeiffer-DrüsenfieberMononukleose, infektiöseKissing DiseaseInfluenzaMasernParotitis epidemicaMumpsMeningokokkenMeningitisNeisseria meningitidisNorovirusParvovirus B19RingelrötelnHydrops fetalisaplastische Krise, transienteKrupp-HustenRespiratory Syncytial VirusHumanes MetapneumovirusRotavirenWindpockenVarizellenHerpes ZosterVaricella-Zoster-Virus Erreger Erkrankung Inkubationszeit Ansteckungsweg Dauer der Kontagiosiät Isolierung1 Bakterielle Pneumonie Pneumonie 3–5 d Tröpfcheninfektion Bis 24 h nach Beginn einer klinisch wirksamen Antibiotikatherapie EinzelzimmerKittel, Handschuhe (Sekrete), MMS bei engem Kontakt (< 1,5 m) Bordetella pertussis Keuchhusten (Pertussis) 7–20 d (meist < 10 d) Tröpfcheninfektion Beginnt am Ende der Inkubationszeit, erreicht ihren Höhepunkt während der ersten beiden Wochen der Erkrankung (Stadium catarrhale) und klingt dann allmählich ab (insgesamt etwa 3 Wochen).Durch eine Antibiotikatherapie verkürzt sich die Dauer der Ansteckungsfähigkeit auf etwa 5 d nach Beginn der Therapie. Einzelzimmer, KontaktisolierungMNS bei engem Kontakt (< 1,5 m)Im Einzelfall Postexpositionsprophylaxe mit Makroliden Auch immune Menschen können B. pertussis übertragen! Epstein-Barr-Virus Pfeiffer-Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose) 4–7 Wochen Tröpfcheninfektion enger Kontakt (Kissing Disease) Bei EBV-Ausscheidern lebenslang (Speichel, Zervixsekret). StandardhygieneAuf Station Kontakt mit Kindern vermeiden, bei denen ein Immundefekt vorliegt (z. B. Wiskott-Aldrich-Syndrom, Severe Combined Immunodeficieny, HIV-Infektion). Influenzavirus Influenza 1–3 d Überwiegend durch Tröpfchen, (> 5 µm), nach einzelnen Publikationen auch aerogenKontakt der Hände zu kontaminierten Oberflächen und anschließendem Hand-Mund/Hand-Nasen-Kontakt Beginnt < 24 h vor Auftreten der klinischen Symptomatik und besteht danach gewöhnlich für 3–5 d.Kleinkinder und Immunsupprimierte können das Virus früher und für längere Zeit (> 1 Woche) ausscheiden.Bei Verbleib im Krankenhaus aus anderen Gründen: PCR einmal pro Woche wiederholen bis negativ. Einzelzimmer, Kittel, Handschuhe (Sekrete), MNS bei engem Kontakt (< 1,5 m). Masernvirus Masern 8–10 d bis zu den Prodromi14 d bis zum Exanthem AerogenTröpfcheninfektion 5 d vor bis 7 d nach Auftreten des Exanthems Einzelzimmer mit Schleuse (Es darf nur jeweils eine von beiden Türen geöffnet werden.)Unterdruckbelüftung (falls vorhanden) Mumpsvirus Parotitis epidemica 12–25 d Tröpfcheninfektion (Speichel) 7 d vor bis 9 d nach Auftreten der Parotisschwellung Einzelzimmer, Kontaktisolierung (Zusammenlegung mit zweimal geimpften, immungesunden Kindern möglich) Neisseria meningitidis Meningokokkenmeningitis, Meningokokkensepsis 1–4(–10) d Tröpfcheninfektion Bis 48 h nach Beginn einer wirksamen i. v. antibakteriellen TherapiePenicillintherapie führt vermutlich nur zur Suppression, aber nicht zur Eradikation der nasopharyngealen Meningokokkenbesiedlung (Rifampicin zusetzen!) EinzelzimmerKittel, Handschuhe (Sekrete), MNS bei engem Kontakt (< 1,5 m)Bei ausgedehnten Hautläsionen im Anschluss protektive Isolierung wie bei VerbrühungspatientenUmgebungsprophylaxe mit Rifampicin oder Ciprofloxacin! Norovirus Gastroenteritis 10–50 h Fäkal-oral oder durch Bildung virushaltiger Aerosole während des Erbrechens Meist 7–14 d, in Ausnahmefällen aber auch mehrere Wochen.Bei Verbleib im Krankenhaus aus anderen Gründen: PCR einmal pro Woche wiederholen bis negativ. Einzelzimmer oder KohortenisolierungHändedesinfektionsmittel mit noroviruzider Wirksamkeit, Kittel, Handschuhe, MNSWindeln sofort entsorgen, viruzide Umgebungsdesinfektion Parvovirus B19 Ringelröteln, Hydrops fetalis, transiente aplastische Krise (Anämie) 4–28 d TröpfcheninfektionBlut(produkte)Hohe Tenazität! 2 d vor Ausbruch des Exanthems am größten.Bis zum Ende der klinischen Erkrankung. Einzelzimmer v. a. für immunsupprimierte Kinder oder Kinder mit aplastischer Krise bei angeborenen HämatopathienHandschuhe, Kittel Respiratory Syncytial VirusAnalog: HMPV Krupp-Husten, Bronchitis, Pneumonie 2–5 d Tröpfcheninfektion (auch über Gegenstände!) Immunkompetente Kinder: 7 dImmungeschwächte Patienten: bis mehrere Wochen.Bei Verbleib im Krankenhaus aus anderen Gründen: Antigentest einmal pro Woche wiederholen bis negativ. Einzelzimmer oder KohortenisolierungKittel, Handschuhe, MNS Rotavirus Gastroenteritis 1–3 d Fäkal-oral Bis zum Ende der klinischen Symptomatik, mindestens jedoch 1 Woche.Bei Verbleib im Krankenhaus aus anderen Gründen: Antigentest einmal pro Woche wiederholen bis negativ. Einzelzimmer oder Kohortenisolierung.Kittel, Handschuhe, Windeln sofort entsorgen, viruzide Umgebungsdesinfektion Varicella-Zoster Virus1 Windpocken (Varizellen), Herpes Zoster 14–21 d AerogenTröpfcheninfektion 3 d vor Ausbruch des Exanthems bis etwa 7 d nach Auftreten der ersten Bläschen (alle Läsionen verkrustet).Abwehrgeschwächte Patienten mit protrahierten Varizellen sind kontagiös, solange neue Läsionen auftraten bzw. bis alle Läsionen verkrustet sind. Einzelzimmer mit Schleuse (es darf nur jeweils eine von beiden Türen geöffnet werden), falls vorhanden: Unterdruckbelüftung. Das „Auslüften“ in der Schleuse ist obsolet. 1 Prophylaxe nach Exposition durch Inkubationsimpfung (nur immunkompetente Kinder!) oder Aciclovir und ggf. Hyperimmunglobulin VZV; Inkubationsimpfung (nur immunkompetente Kinder!) oder Standardimmunglobulin (0,5 g/kg einmalig). Prinzipiell sollte dem Behandlungsteam der eigene Immun-/Immunisierungsstatus bekannt sein (betriebsärztliche Untersuchung). Das gilt in pädiatrischen Behandlungseinheiten für Masern, Mumps, Röteln, Diphtherie, Tetanus, Varizellen, Parvovirus B19, EBV und CMV sowie für HIV, Hepatitis A, B und C und für Tbc (GT10). 5.14 HNO-Heilkunde Horst Luckhaupt und Axel Kramer Auch in der HNO-Heilkunde basiert die Infektionsprävention auf dem konsequenten Einhalten der Basishygiene ergänzt durch fachspezifische Besonderheiten. 5.14.1 Risiko für NI Operationen: Bei sauber-kontaminierten OPs ohne PAP betrug die Inzidenz von SSI in der Krebschirurgie Infektionen, nosokomialeHals-Nasen-Ohren-Heilkunde Surgical Site InfectionsHals-Nasen-Ohren-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeOperationenim Kopf-Hals-Bereich 30–80 % (Penela et al. 2001). Aber auch bei adäquater PAP betrug die Inzidenz bis 40 % (Velanovich 1991). Als Risikofaktoren wurden männliches Geschlecht, vorangegangene Chemotherapie, präoperative Hospitalisierungsdauer, hypopharyngeale Lokalisation und Tracheostoma nach Laryngektomie identifiziert (Penela et al. 2005). Nach Strumektomie und Stapedektomie ist die SSI-Rate sehr niedrig und konnte nach Einführung einer Surveillance bis auf Null gesenkt werden (Preyer et al. 2005). Weitere Möglichkeiten für SSI sind Septumabszess nach rhinochirurgischen Eingriffen und Ohrmuschel-Perichondritis nach Ohr-OP. In den 90er-Jahren wurde die Häufigkeit mit 0,5–0,9 % angegeben (Schu 1992). Nach länger liegender vorderer oder hinterer Nasentamponade kann über die Tuba Eustachii eine Otitis media acuta entstehen. Auf Intensivstationen werden bei Intubation, nasotracheale, Infektionsrisiko Sonde, nasogastrale, InfektionsrisikoPatienten mit nasotrachealer Intubation und nasogastralen Sonden gelegentlich nosokomiale Sinusitiden beobachtet. Hier sollte ein Erregernachweis, z. B. durch endoskopisch gewonnenen Abstrich aus dem mittleren Nasengang oder Punktion geeigneten Materials aus der Kieferhöhle, angestrebt werden. Neben typischen Erregern wie S. pneumoniae, H. influenzae und M. catarrhalis muss auch mit gramnegativen Bakterien, Anaerobiern und selten mit Pilzen gerechnet werden (Luckhaupt, Hildmann und Opferkuch 1996). Die Therapie umfasst abschwellende Maßnahmen und eine gezielte antibakterielle und/oder antimykotische Behandlung bei therapierefraktärem Verlauf oder Komplikationen, ggf. auch operative Eingriffe an den Nasennebenhöhlen. Lokale Infektionen des Tracheostomas sind häufig das Resultat permanenter Sekretexposition, u. U. aber auch der Unverträglichkeit des Materials. Bei der Endoskopie können Endoskopie, HNOErreger durch das Endoskop eingebracht werden, wenn sich nach dessen Einsatz keine sichere Aufbereitung anschließt. Darüber hinaus können auch ordnungsgemäß aufbereitete Endoskope über das Personal, die Umgebung oder vom Patienten kontaminiert und zu einer Kontaminationsquelle werden, wenn die Grundsätze der Basishygiene nicht eingehalten werden. Das Infektionsrisiko hängt von Art und Ausmaß der Gewebetraumatisierung, der lokalen und systemischen Abwehrlage des Patienten und vom Erreger ab. Wird bei endoskopisch gestützten OPs die Schleimhautbarriere durchbrochen, erhöht sich das Infektionsrisiko mit der Invasivität des Eingriffs (Hosemann und Draf 2013). Selbst bei rhino-neurochirurgischen Eingriffen mit breitflächiger Eröffnung der Dura wurden die Rate intrakranieller Infektionen mit 1,6 % und die infektionsbedingte Mortalität mit 0,125 % angegeben, waren also vergleichbar mit nicht endoskopischen transkraniellen Eingriffen (Kassam et al 2010). 5.14.2 Erregerspektrum Im Vestibulum nasi Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeErregerspektrumi dominieren als Erreger von NI S. aureus (selten auch MRSA), gefolgt von S. pneumoniae und anderen Streptokokken, C. albicans, gramnegativen Erregern wie Klebsiella spp., E. coli, Proteus spp., H. influenzae und P. aeruginosa sowie Vertretern der Standortflora wie Bacteroides spp. und Corynebacterium spp. (Toda 2006). 2003 wurde das Creutzfeldt-Jakob-Prion-Protein (PrPSc) bei Verstorbenen mit sporadischer CJD im Riechepithel nachgewiesen (Zanusso et al. 2003), sodass in der KRINKO-BfArM-Empfehlung (2012a) olfaktorisches Epithel bei chirurgischen HNO-Eingriffen als Risikogewebe definiert wurde. Nachweise mittels Bürstenzytologien deuten darauf hin, dass eine weitere Risikoabklärung nötig ist (Orrú et al. 2014) In der Mundhöhle überwiegen aerobe Organismen, während im subgingivalen Raum Anaerobier wie Actinomyceten, Fusobakterien ud Peptostreptokokken siedeln. An viralen Erregern sind im oberen Respirationstrakt insbesondere Rhino-, Corona-, Coxsackie A-, Influenza A-, RS-, Adeno- und Parainfluenza-, aber auch Enteroviren relevant (Nicholson et al. 1997, Chonmaitree et al. 2008). Die Nasennebenhöhlen und der Larynx sind trotz der Erregerdichte und -vielfalt in den angrenzenden Biotopen physiologisch nicht kolonisiert (Abou-Hamad et al. 2009). 5.14.3 Prävention von NI/SSI Bezüglich der Risikofaktoren und Anforderungen der Hygiene an HNO-chirurgische OPs gelten die gleichen Grundsätze wie bei chirurgischen Eingriffen in anderen Fachdisziplinen (Kap. 5.5). Zur PAP Kap. 2.10.7. Präoperatives Screening auf MRE Patienten, Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeMRE-Screening MRE-ScreeningHals-Nasen-Ohren-Heilkundebei denen Risikofaktoren für die Kolonisation mit MRSA oder MRGN vorliegen, sollten nach Empfehlungen der KRINKO zeitnah vor elektiven Eingriffen identifiziert und mikrobiologisch untersucht werden, sofern sich durch die genannten Erreger eine zusätzliche Gefährdung ergeben würde (KRINKO 2012c, 2014). Das ambulante Screening auf MRSA wird bei Risikopatienten (Kap. 3.7.4) seit 2012 vergütet (trifft nicht für MRGN zu); allerdings nicht für diagnostische Endoskopien. Wahl des Antiseptikums Unbefriedigend Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeAntiseptik AntiseptikHals-Nasen-Ohren-Heilkundeist die Datenlage zum Einsatz von Antiseptika in der HNO-Heilkunde (Müller 2008). Eine Reihe von OPs findet in kolonisierten Bereichen statt, z. B. Adenotomien, Tonsillektomien, Nasen- und Nasennebenhöhlen-Eingriffe. Damit verbunden kommt es zu transienter Bakteriämie z. B. während und nach Tonsillektomie. Ein wirksames Antiseptikum zur Anwendung auf Schleimhäuten vor diagnostischen und operativen Eingriffen ist OCT (Kap. 2.2), das OctenidinHNO-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeOctenidinauch zur MRSA-Sanierung im Vestibulum nasi eingesetzt wird (Hübner et al. 2009). Polihexanid, ebenfalls PolihexanidHals-Nasen-Ohren-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundePolihexanidein zugelassenes Schleimhautantiseptikum, ist im Unterschied zu OCT ≤ 0,005 % knorpelverträglich (Hübner und Kramer 2010), allerdings ist es OCT in vitro in der Wirksamkeit deutlich unterlegen (Koburger et al. 2010). Für beide Antiseptika liegen keine Untersuchungen zum Einfluss auf die SSI-Rate vor. Unabhängig davon hat sich Polihexanid im Fachgebiet der HNO als Wundantiseptikum bei schlecht heilenden oder chronischen Wunden z. B. nach großen tumorchirurgischen Eingriffen mit Wundheilungsstörungen bewährt. Auch bei Weichteilphlegmonen und Osteomyelitis (z. B. radiogene Unterkieferosteomyelitis) ist Polihexanid verträglich und wirksam. • Die Anwendung von OCT ist am Trommelfell ist kontraindiziert (Müller 2008). • Die Anwendung von CHX und Polyhexanid am Mittelohr (z. B. chronische Otitis media) ist wegen möglicher ototoxischer Effekte kontraindiziert. Die Anwendung von CHX inChlorhexidinHNO-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeChlorhexidin der Mundhöhle sollte wegen der zytotoxischen und mutagenen Potenz sowie der Induktion prämaligner Veränderungen auf 14 d begrenzt werden (Müller 2008). Hinzu kommt das Risiko der Anaphylaxie. OCT ist identisch wirksam zur Mundhöhlenantiseptik (Welk et al. in rev.), aber ohne die für CHX relevanten toxischen Risiken. Ein aussichtsreiches hoch wirksames, gut schleimhautverträgliches Antiseptikum, für das kein neurotoxisches Risiko bekannt ist, ist die NatriumhypochloritHNO-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeNatriumhypochloritKombination von Natriumhypochlorit mit hypochloriger Säure (Kap. 2.2). Durch kombinierte Anwendung von Antibiotika und sinonasale Spülung mit der Hypochlorit-Lösung, die mehrfach täglich durchgeführt werden muss, da Hypochlorit vermutlich keine remanente Wirkung besitzt, konnte eine MRSA-Osteitis im Bereich der Schädelbasis saniert werden (Küster et al. in rev.). Eine vernachlässigbare Rolle (unter Beachtung der Kontraindikation, Kap. 2.2) im HNO-Gebiet spielt PVP-Iod. Nur bei Schnitt- und Stichverletzungen mit HIV-, HBV-, HCV-Gefährdung (Kap. 5.29.4) sowie Tierbissen ist die Povidon-IodHNO-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundePVP-IodKombination von PVP-Iod mit Alkohol indiziert (Kramer et al. 2010d). Versorgung von Tracheostomata Besondere Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeTracheostomaversorgung Tracheostomaversorgungklinische Bedeutung kommt dem sachgerechten Umgang mit Tracheostomata zu. Das gilt sowohl für Patienten mit temporärer als auch für solche mit permanenter Tracheostomie und nach Laryngektomie. Die Tracheostomie ist ein invasiver Eingriff, der die Trachealschleimhaut in ihrer Abwehrfunktion beeinträchtigt; klinische Bedeutung kommt dem möglichen Sekretstau zu. Alle Manipulationen am Tracheostoma sind unter aseptischen Bedingungen durchzuführen. Die Stomawunde ist insbesondere in den ersten Tagen nach Tracheostomie infektionsgefährdet. Bei Patienten mit frischem Tracheostoma wird der Verband nach Händedesinfektion mit einer Pinzette entfernt, falls erforderlich, wird abgesaugt, die Luftröhrenkanüle entfernt und z. B. in desinfizierter Nierenschale abgelegt. Nach erneuter Händedesinfektion und Überziehen steriler Handschuhe erfolgt die Reinigung der Wundränder (z. B. mit OCT- oder Polihexanid-basierten Antiseptika). Nach Einsetzen einer neuen Trachealkanüle wird eine sterile Schlitzkompresse untergelegt und die Kanüle fixiert. Die Pneumonie ist die häufigste NI bei Patienten nach Laryngektomie und tritt insbesondere in den ersten Wochen nach der OP auf. Sie kann zuverlässig durch spezielle Hygienemaßnahmen beim Absaugen und bei der Befeuchtung der Atemluft verhindert oder zumindest in der Häufigkeit ihres Auftretens deutlich gesenkt werden (Schu 1992). Aufbereitung fachspezifischer Medizinprodukte Gemäß MedizinprodukteaufbereitungHNO-Heilkunde Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeMedizinprodukteaufbereitungMedizinproduktebetreiberverordnung (2014) ist der Hersteller von MP verpflichtet, den Aufbereitungsprozess auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Prozessvalidierung im Detail vorzugeben. Leider bestehen diesbezüglich weltweit z. T. erhebliche Defizite von Seiten der Hersteller (Kap. 6.1). Risikoklassifizierung HNO-Ärzte in Praxis und Klinik müssen beachten, dass mit Krankheitserregern kontaminierte MP eine Infektionsquelle im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen sein können. Das gilt insbesondere für semikritische und kritische MP (Kap. 2.9.5, Tab. 5.25 ). Trotz der einfachen Aufbereitbarkeit waren bei einer Analyse von Otoskopen unmittelbar vor der Anwendung am Patienten 90 % der Griffe mikrobiell kontaminiert, davon 45 % mit S. aureus und 10 % mit MRSA (Cohen et al. 1997). Das verdeutlicht, dass auch MP semikritisch A validiert aufbereitet werden müssen. Tab. 5.25 Risikoklassifikation typischer in der HNO genutzter MP Semikritisch A Semikritisch B Kritisch A Kritisch B KehlkopfspiegelMundspatelNasenspekulaPinzettenStarre und flexible Optiken ohne ArbeitskanalWatteträger Griff für KehlkopfspiegelNasensaugerOhrzängelchenSpeicheldrüsenkatheterTonsillensaugerTubenkatheterZerstäuber (für Kehlkopf)Starre Optiken mit Arbeitskanal Drahtschlingen für NasenchirurgieElevatoriumMeißelMetallhammerParazentesemesserRaspatoriumRaspelRund-, SichelmesserScharfe LöffelSeptummesserTonsillenschlinger Hammerkopf-StanzeKnochenzangenKnorpelquetschzangeKonchotomMP für KoniotomieMP für MikrolaryngoskopieMP für TracheotomieMundsperrerNasenschere, -zangeOhrhandstück mit FräseOhrschlingenSpeichelgangschereTonsillenabszesszangeTonsillenkompressoriumTonsillenschnürerWundsperrer (nach Stasche und Hartwig-Bade 2010) Räumliche Anforderungen Das räumliche Umfeld muss die ordnungsgemäße Aufbereitung ermöglichen. Alle Oberflächen im Untersuchungsraum müssen nass zu reinigen und desinfizierbar sein. Die Untersuchungsräume müssen eine ausreichende Bewegungsfreiheit gewährleisten, um Kreuzkontaminationen zwischen unreinen und reinen Zonen im Bereich der Aufbereitung oder zwischen dem Patienten und seinem Umfeld zu vermeiden. Sofern für die Aufbereitung der Endoskope eine ausreichende Arbeitsfläche vorhanden ist, die eine Trennung der unreinen bzw. reinen Zone ermöglicht (KRINKO 2012a), kann die Aufbereitung im Sprechzimmer erfolgen. Zur manuellen Aufbereitung ist ein doppeltes Spülbecken zu empfehlen, um eine aerogene Rekontamination bei der Schlussspülung auf der reinen Seite zu vermeiden (Sissoko et al. 2005). Aufbereitung von Laryngoskopen und starren Endoskopen Gemäß KRINKO-BfArM-Empfehlung (2012) ist Laryngoskope, Aufbereitung Endoskopie, HNOEndoskope, starre, Aufbereitung Endoskopie, HNOLaryngoskope, Aufbereitung Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeEndoskope, starre, Aufbereitung Hals-Nasen-Ohren-HeilkundeLaryngoskope, Aufbereitungsowohl die maschinelle als auch die manuelle Aufbereitung statthaft, auch wenn im Hinblick auf den geringeren Zeit- und Personalaufwand und insbesondere wegen der einfacheren Standardisierung die maschinelle Aufbereitung State of the Art ist. Validierung: Während die Validierung der maschinellen Aufbereitung oft vom Hersteller durchgeführt wird (DGKH 2011, 2014), muss die Validierung einer manuellen Aufbereitung mit jedem Teilschritt vom Anwender selbst oder im Auftrag von ihm vorgenommen werden. Für die Desinfektion sollen nur vom VAH zertifizierte Instrumentendesinfektionsmittel eingesetzt werden, deren Effektivität und Materialverträglichkeit für das jeweilige MP nachgewiesen ist. Sinngemäß gilt Gleiches für die vorausgehende Reinigung und die Schlussspülung, d. h. der Gesamtprozess muss in seinen Einzelschritten definiert, validiert und in einer SOP festgelegt werden. Die SOP muss ausdrücklich alle kritischen Verfahrensschritte benennen. Diese werden periodisch geprüft, um die anhaltende Wirksamkeit zu belegen (Kramer et al. 2015). Einmal jährlich muss die Aufbereitungsqualität jedes Endoskops überprüft werden. Sind die mikrobiologischen Befunde zu beanstanden, erfolgt eine Nachkontrolle. Die Reinigung als erster Aufbereitungsschritt muss mit nicht fixierenden Mitteln vorgenommen werden; andernfalls kann am MP koaguliertes Eiweiß die Desinfektionswirkung infrage stellen (RKI 2013c). Aus diesem Grund wird der Einsatz von Glutaral und Peressigsäure nicht zur Vorreinigung und Reinigung empfohlen (Kampf, Fliss und Martiny 2014). Das Instrumentendesinfektionsmittel muss bakterizid einschließlich Mykobakterien, fungizid und viruzid wirken. Sofern das Riechepithel penetriert wird oder Gewebeproben aus der Regio olfactoria entnommen werden, wird zusätzlich Wirksamkeit gegen Prionen als notwendig angesehen (KRINKO und BfArM 2012). Die manuelle Aufbereitung erfolgt unter Beachtung des Personalschutzes (Handschuhe, ggf. Schutzkittel und Augenschutz) und der Herstellerangaben in vier (bis fünf) Schritten (Kramer et al. 2015): 1. Manuelle Vorreinigung/Reinigung: Unmittelbar nach Beendigung der Untersuchung wird das Einführungsteil z. B. mit wasserfeuchter Kompresse abgewischt, um grobe Verunreinigungen zu entfernen und ein Antrocknen organischer Materialien zu vermeiden. Danach wird das Endoskop mit Leitungswasser gespült und z. B. mit flusenfreiem Einmaltuch getrocknet. Dadurch soll eine Verdünnung des Desinfektionsmittels im zweiten Schritt verhindert werden. 2. Sofern das Riechepithel im Verlauf der Endoskopie definitiv penetriert wurde, ist nach der Vorreinigung als Zwischenschritt ein Einlegen in ein prionwirksames Mittel vorzunehmen, z. B. in 6 molare Lösung von GdSCN für 15 min (Boldt et al. 2014). 3. Desinfektion: Das gereinigte Endoskop wird in die Desinfektionsmittellösung eingestellt (Auswahl des viruziden Mittels, Konzentration und Einwirkzeit nach Herstellerangaben). Dafür sind passende Einsätze zu verwenden. Das Instrumentarium muss vollständig benetzt sein (außer Okular mit Stutzen zur Lichtzufuhr). Es dürfen keine Hohlräume oder Luftblasen bestehen. Der Griffteil des Endoskops wird mit dem gleichen Desinfektionsmittel, das zur Tauchdesinfektion benutzt wird, desinfizierend nass gereinigt. Die Desinfektionsmittellösung bzw. die Einsätze sind arbeitstäglich und zusätzlich bei sichtbarer Kontamination zu wechseln bzw. desinfizierend zu reinigen. 4. Schlussspülung: Nach der Desinfektion wird das Endoskop gründlich mit Leitungswasser gespült. Da die hierfür erforderliche Trinkwasserqualität ohne fortlaufende mikrobiologische Überwachung nicht sichergestellt werden kann, wird empfohlen, für die Spülung mithilfe endständiger Sterilfilter am Wasserauslass filtriertes Wasser zu verwenden (KRINKO und BfArM 2012) 5. Trocknung/Lagerung: Abschließend werden der Außenmantel des Endoskops mit frischem Einmaltuch abgetrocknet und die Sauberkeit und Unversehrtheit des MP visuell überprüft. Bis zur nächsten Anwendung wird das Endoskop trocken und staubgeschützt gelagert. Hohlinstrumente aus der HNO-Praxis sollen generell nicht durch alleiniges Einlegen in Desinfektionslösung aufbereitet werden. Die Innenaufbereitung im RDG mit Spülanschluss gewährleistet die erforderliche Sicherheit. Flexible und starre Endoskope mit Manipulations- und/oder mit Luftinsufflationskanal können aber auch manuell aufbereitet werden, weil der Lumendurchmesser das manuelle Durchspülen erlaubt (Kap. 5.17.3). Endoskope mit mehreren ineinander schiebbaren Röhren und eingeschobener Hopkins-Optik müssen vor der Aufbereitung komplett zerlegt werden, weil nur so alle inneren und äußeren Oberflächen der Reinigung und Desinfektion zugänglich sind (Weidenfeller und Reick 2010). Bei der Reinigung von Geräten mit Lichtleitern im Ultraschallbad entstehen irreparable Schäden. Die gelegentlich beschriebene Praxis, Laryngoskope nach Gebrauch lediglich mit alkoholgetränkten Kompressen abzuwischen, ist abzulehnen. Sofern Laryngoskope zwischen den Einsätzen nur einer Wischdesinfektion unterzogen wurden (Call et al. 2009) waren sie in 22 % und vor der Anwendung (durch zwischenzeitige Kontamination) in 86 % mit kritischen Pathogenen kontaminiert (Lowman, Venter und Scribante 2013). Aufbereitung der HNO-Behandlungseinheit Wasserführende Teile derHals-Nasen-Ohren-HeilkundeBehandlungseinheit, Aufbereitung HNO-Behandlungseinheit sind anfällig für Biofilmbildung (Kap. 6.6.1). Bei Neuanschaffung empfiehlt sich der Verzicht auf Wasserinstallation und als Alternative ein mobiles Ohrspülgerät. Andernfalls sollten Ohrspülungen mit steril filtriertem Wasser durchgeführt werden. Bakteriendichte Filter sind heute Standard bei den Absaugeinrichtungen der Behandlungseinheiten. Die Stirnlampe für die HNO-Untersuchung und Lichtleiter werden täglich wischdesinfiziert. Die Behandlungseinheit wird täglich und zusätzlich bei sichtbarer Kontamination mit einem vom Hersteller empfohlenen Flächendesinfektionsmittel der desinfizierenden Reinigung unterzogen (Weidenfeller und Reick 2010). 5.14.4 Künftige Herausforderungen Die hygienischen Standards sind offensichtlich in der Lage, die Rate bekannt gewordener Infektionen gering zu halten. Das entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, hygienische Voraussetzungen fortlaufend in die Behandlungsabläufe zu integrieren. Gerade in Funktionsbereichen mit hoher Dichte an Eingriffen und hohem Patientendurchsatz wie in der HNO kommt der Prozessoptimierung unter Einbeziehung von Hygiene und Patientensicherheit eine entscheidende Bedeutung zu (Kramer et al. 2015). Die Notwendigkeit hierfür wird durch eine orientierende Auswertung des Hygienestatus in überwiegend ambulant tätigen HNO-Praxen verdeutlicht. Im Ergebnis wurden z. T. gravierende Mängel bei der Realisierung der Händehygiene angegeben. Auch im Hinblick auf die Rahmenbedingungen der Aufbereitung von MP wurden Defizite deutlich, was sich mit Berichten aus der Literatur deckt (BMG 2008, Fuchs 2010, Heudorf 2011). In jeder operativ tätigen Einrichtung ist aufgrundlage des absolvierten Curriculums bis 2016 ein hygienebeauftragter Arzt zu benennen (IfSG 2011). Das betrifft jedoch nicht Einrichtungen, in denen ausschließlich diagnostische HNO-Untersuchungen durchgeführt werden. Für operativ tätige Einrichtungen ist die prospektive klinische Überwachung (Surveillance) von SSI verpflichtend. Es empfiehlt sich, zur Erfüllung der Vorgabe eine repräsentative „Markeroperation“ auszuwählen (KRINKO 2001). Ebenso sind das Auftreten spezieller Krankheitserreger sowie Art und Umfang des Antibiotikaverbrauchs fortlaufend aufzuzeichnen, zu bewerten und mindestens 10 Jahre aufzubewahren. Auch wenn NI in der HNO-Heilkunde eine vergleichsweise geringe Rolle spielen, ist ein konsequentes Hygienemanagement in HNO-Praxis und -Klinik unverzichtbarer Bestandteil zur Gewährleistung der Patientensicherheit. 5.15 Ophthalmologie Wolfgang Behrens-Baumann, Uwe Pleyer, Axel Kramer und Stefan Clemens 5.15.1 Risikofaktoren für NI Nach OphthalmologieInfektionsrisiko Infektionen, nosokomialeOphthalmologieder Art der Entstehung ist zwischen SSI und ohne chirurgischen Eingriff entstandenen NI zu unterscheiden. Bei ersteren ist ein Infektionsrisiko bei intraokular eingebrachten Wirkstoffen (Makuladegeneration, -ödem, Uveitis u. a.) in der refraktiven Chirurgie (LASIK, PRK, Crosslinking, IOL) sowie bei additiv ins Auge eingeführten Hilfsmitteln (u. a. Glaukomdrainagen) gegeben. Allgemeine Risikokonstellationen sind unvollständiger Lidschluss, das trockene Auge, Vitaminmangel, Innervations- und Durchblutungsstörungen, Bindehautdehiszenzen, Fistulationen, im Auge befindliche Fremdkörper, Träger weicher Kontaktlinsen, Diabetes mellitus, Immunsuppression, Früh- und Neugeborene, hohes Alter, Malnutrition sowie exogen auf das intakte Auge übertragbare Infektionen (Seewoodhary und Stevens 1999). Hauptüberträger exogener NI sind unzureichend oder nicht desinfizierte Hände, insbesondere die ungeschützte Hand des Untersuchers, fehlender MNS, kontaminierte Untersuchungsgeräte (z. B. Kontakttonometer), Ophthalmika und intraoperativ eingesetzte MP (z. B. Silikonschläuche für Phakoemulsifikations- und Vitrektomiegeräte), aber auch Mitpatienten und Besucher. Bei Diabetes mellitus ist das SSI-Risiko für alle intraokulären Eingriffe 2- bis 3-fach höher (Tolentino et al. 1984). 5.15.2 Mikroflora des Auges Konjunktivalsekretproben sind Auge AugeMikroflorapräoperativ in hohem Prozentsatz positiv (Schumacher 1993), wobei in 46–75 % der Proben potenziell pathogene Erreger nachweisbar sind (Tab. 5.26 ). Von über 65 in der Konjunktivalflora nachgewiesenen Bakterienarten dominieren grampositive Bakterien wie KNS, Propionibacterium- und Corynebacterium-Spezies sowie Angehörige der Gattungen Peptostreptococcus, Streptococcus und Actinomyces. Unter den gramnegativen Bakterien herrschen Vertreter der Gattungen Neisseria und Haemophilus und aus der Familie der Enterobacteriaceae Proteus spp. vor (Boltze et al. 1990, Schumacher 1993). Tab. 5.26 Mikrobiologische Befunde präoperativer Bindehautabstriche Positiver Abstrich Anteil am Erregerspektrum Literatur 51 % KNS (40 %), S. aureus (4 %), E. coli, Enterokokken, S. faecalis, vergrünende Streptokokken (je 1 %), Korynebakterien (3 %) Behrens-Baumann, Dobrinski und Zimmermann (1988) 62 % KNS (62 %), S. aureus (14 %), gramnegative Bakterien (9 %) Bialasiewicz und Welt (1991) 75 % KNS (66 %), S. aureus (9 %), Anaerobier (11 %) Boes et al. (1992) 76 % KNS (90 %), P. acnes (62 %), Korynebakterien (18 %), Peptostreptokokken (3 %) Doyle et al. (1995) Typische Hautflora (Cogen et al. 2008) wird nach Inzisionen trotz Antiseptik in bis zu 15 % festgestellt. Aus oberflächlichen Schichten lassen sich vor allem S. epidermidis, aus den tiefen Koryne- und Propionibakterien nachweisen (Osato 1996). In rund 50 % der tiefen Hautschichten und Haarfollikel ist S. aureus nachweisbar. Die Besiedlung der Konjunktiva mit Pilzen nimmt im Laufe des Lebens zu (Hemmeke 1960), wobei Umwelteinflüsse von Bedeutung sind (z. B. bei Landwirten). Die Entnahmetechnik und ob vorher Antibiotika appliziert worden waren, spielen für das Ergebnis der Abstrichuntersuchung eine entscheidende Rolle (Ta et al 2002). Die Tränenflüssigkeit enthält AugeTränenflüssigkeit Tränenflüssigkeitzu einem Drittel der Proteinfraktion Lysozym. Weitere Komponenten sind Laktoferrin, Coeruloplasmin, β-Lysin, Komplement, Faktoren des alternativen Wegs und Muzine. Im Rahmen der spezifischen zellgebundenen Abwehr sind antigenpräsentierende Zellen, Makrophagen und Langerhans-Zellen in Funktion. Auch Antikörper gegen Viren sind in der Tränenflüssigkeit nachweisbar. Die Bindehaut besitzt eine stark auf Entzündungsreize reagierende Vaskularisation mit einem zusätzlichen spezifischen schleimhautassoziierten Abwehrsystem. Hinzu kommen die Lymphgefäße im Gegensatz zum Augeninneren, das keine Lymphgefäße und -gewebe besitzt. Außerdem verfügt die Bindehaut über unspezifische und spezifische Abwehrmechanismen. In den USA betrug die Häufigkeit der nosokomialen Konjunktivitis bei Neugeborenen auf der ITS 5 % (Haas et al. 2005). Bei erwachsenen ITS-Patienten wurden als Risikofaktoren für die Entstehung einer nosokomialen Konjunktivitis Personalmangel, nasogastrische Sonde, Beatmung und wiederholte Bronchoskopie identifiziert (Halwani et al. 2006). Zum Verständnis der Infektionswege ist die Kenntnis des anatomischen und funktionellen Aufbaus von Lidern, Tränenorganen und Hornhaut erforderlich. 5.15.3 Typisch ophthalmologische NI Etwa 0,3 % aller NI ereignen sich in der Augenheilkunde (Peacock 1997). Vorderabschnittinfektionen In Vorderabschnittinfektionen AugeVorderabschnittinfektionen OphthalmologieVorderabschnittinfektionender Ätiologie der Vorderabschnittinfektionen hat ein Erregerwandel stattgefunden, der im Gesamtkonzept der antiinfektiösen Maßnahmen zu berücksichtigen ist. So sind neben dem bisher bekannten Erregerspektrum (Kap. 5.15.6) zunehmend MRSA (Walvick und Khan 2013) und andere MRE relevant. Blepharitis Die Lidhaut Blepharitis VorderabschnittinfektionenBlepharitis AugeBlepharitis OphthalmologieBlepharitishat durch ihre Trockenheit, den Säuremantel und die Sezernierung von Fett eine mikrobiostatische Wirkung. Staphylokokken, Streptokokken und Candida spp. können gehemmt werden, gramnegative Bakterien werden weniger beeinflusst (Bialasiewicz 1991). Erworbene Blepharitiden können als Sekundärinfektionen bei Konjunktivitiden oder Infektionen des Auges selbst oder auch bei dermatologischen Erkrankungen wie Rosazea vorkommen. Nekrotisierende Blepharitiden kommen vor bei Mukormykosen oder Pseudomonasinfektionen bei Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr und nach längerem Krankenhausaufenthalt. Häufiger sind Infektionen durch Staphylokokken. Eine differenzierende Einteilung hat McCulley 1982 und 2000 vorgestellt. Konjunktivitis Die Konjunktivitis VorderabschnittinfektionenKonjunktivitis AugeKonjunktivitis OphthalmologieKonjunktivitismeisten NI treten als Konjunktivitis auf (Wang et al. 2006). Bei Intensivneonaten wurde eine nosokomiale Konjunktivitis in 5–38 % beobachtet. Dominierende Erreger waren CNS, S. aureus, Klebsiella spp., E. coli, S. marcescens, P. aeruginosa und Enterobacter spp. (Chen und Starr 2008; Haas et al. 2005). Risikofaktoren waren geringes Geburtsgewicht und Kontamination des Auges durch respiratorische Sekrete. Während vor 20–30 Jahren S. pneumoniae, C. diphtheriae und Moraxella spp. dominierten, stehen derzeit in Abhängigkeit von Alter und geographischen Einflüssen andere Erreger im Vordergrund (Tab. 5.27 ). In absteigender Reihenfolge werden folgende Stämme bei der Konjunktivitis gefunden: KNS in 22 %, S. aureus in 19 %, Streptokokken, Pneumokokken, H. influenzae und P. aeruginosa in jeweils 9 % (Tab. 5.27). Tab. 5.27 Erreger von VorderabschnittinfektionenVorderabschnittinfektionenErregerspektrum Infektion Ätiologie Konjunktivitis Membranös β-hämolysierende Streptokokken, N. gonorrhoeae Pseudomembranös N. menigitidis, S. pneumoniae, P. aeruginosa, E. coli, S. aureus Ulzerierend, nekrotisierend, hämorrhagisch Viren Follikulär Staphylokokken, Korynebakterien, Haemophilus, Streptokokken, Proteus spp., Chlamydien, HSV-1, Adenoviren Granulomatös Mykobakterien, Pilze Keratitis S. aureus, P. aeruginosa, P. mirabilis, E. coli, HSV, Adenoviren, Pilze, Acanthamaeba spp. (nach Kramer et al. 1997) HSV 2 kann durch den Geburtskanal der klinisch inapparent infizierten Mutter übertragen werden und neben Augeninfektionen zu schweren systemischen Infektionen führen, was eine Indikation zur Sektio sein kann (Riley 1998). Die Infektion des ersten Auges kann auf das unversehrte zweite Auge übergreifen. An reizfrei persistierenden fakultativ pathogenen Erregern kommen derzeit vor allem S. epidermidis und andere Staphylokokkenstämme infrage, die in der Ätiologie sog. endogener Infektionen dominieren. Die genitookulare Chlamydieninfektion (15 Serotypen) führt beim Neugeborenen zur Ophthalmia neonatorumOphthalmia neonatorum. Bei Kindern und Erwachsenen verursachen Chlamydien eine follikuläre Konjunktivitis, selten auch eine akute Hornhautinfiltration. Unbehandelt kann es durch chronische Umbauprozesse an der Konjunktiva mit sekundärer Einwirkung auf die Hornhaut zu anhaltenden Sehstörungen kommen (Behrens-Baumann et al. 2007). Epithelläsion der Hornhaut Kontaktinfektionen können durch Mikroläsionen (nachweisbar durch Anfärbung mit Fluoreszein) begünstigt werden. Das gilt für Bakterien, Pilze nach Verletzungen mit organischem Material und Herpesviren. Im Stadium der Vermehrung werden die Mechanismen der Resistenz und Immunabwehr mobilisiert (z. B. IgA in der Tränenflüssigkeit, Lysozym, weitere Immunglobuline, zellvermittelte Abwehr, Opsonierung, Thiocyanat-H2O2-Peroxidase-Systeme, Lysierung und Komplementkaskade), sodass sich die Infektion im Allgemeinen nicht manifestiert. Keratitis KeratitidenKeratitis VorderabschnittinfektionenKeratitis AugeKeratitis OphthalmologieKeratitis werden in erster Linie bei vorher symptomlosen Intensivpatienten als exogene Infektion bei Septikämie gefunden. Die Häufigkeit von Neuinfektionen liegt bei intubierten Patienten bei 1–3 %. Tritt eine Infektion des Respirationstrakts hinzu, kann die Häufigkeit auf 14 % ansteigen. Ein besonderer Risikofaktor ist der Lagophthalmus mit Benetzungsstörung und Risiko zur Entstehung eines Ulcus corneae. KeratitisErregerspektrumHaupterreger sind S. aureus, Pneumokokken, P. aeruginosa, S. marcescens und Moraxella spp. Pilzinfektionen durch F. solani, Aspergillus und Candida spp. sind wesentlich seltener (Kap. 5.15.6). Keratokonjunktivis epidemica (KCE): Zu den Keratokonjunktivitis epidemicaexogen auftretenden NI zählt die KCE, die in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit durch Adenoviren der Subtypen 8, 11, 19 und 37 verursacht wird und deren epidemische Ausbreitung durch Isolierung unterbunden werden muss (Kap. 3.4.2). Sie wird direkt (Kontakt und Tröpfchen) aber auch indirekt über kontaminierte Gegenstände wie Tonometer, Tropfpipetten oder Handtücher übertragen (Meyer-Rüsenberg et al. 2011; Pleyer und Birnbaum 2015). Die Abwehrmechanismen unterscheiden sich auf den einzelnen Stufen der Erregerinvasion (Kap. 5.15.3). Die Inkubationszeit beträgt 2–12 d. Ansteckungsgefahr besteht vermutlich schon vor Auftreten klinischer Symptome. In der Tränenflüssigkeit bleibt das Adenovirus bis zu 4 Wochen nachweisbar (Meldepflicht!). Bei Keratokonjunktivitis epidemicaIsolierung IsolierungKeratokonjunktivitis epidemicastationärem Aufenthalt von Patienten mit Keratokonjunktivitis epidemica müssen diese durch Einzelunterbringung oder Kohortenisolierung räumlich separiert werden, sofern aus medizinischer Indikation keine sofortige Entlassung möglich ist. Bei epidemischem Auftreten kann die vorübergehende Schließung einer Station oder Praxis notwendig werden. Bei Kontakt mit Patienten oder infiziertem Material sind Schutzkittel und Handschuhe zu tragen. Nach Ablegen der Handschuhe muss die Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Mittel durchgeführt werden. In der Isoliereinheit ist die laufende viruzide Desinfektion insbesondere aller Kontaktflächen zu gewährleisten (Kap. 2.11). Neuaufnahmen sind erst nach Schlussdesinfektion vorzunehmen (Kap. 2.4). Bei der KCE gilt die Grundregel, dass das Auge infektiös ist, so lange es tränt. Mykotische Keratitis: Eine generelle KeratitismykotischeDisposition für Mykosen besteht bei Therapie mit Kortikosteroiden und Antibiotika, bei vorbestehenden Augenerkrankungen und bei reduzierter Immunabwehr, z. B. beim Diabetes mellitus (Behrens-Baumann 1999). Richtungsweisend sind prominente Infiltrate des Epithels und landkartenartige Infiltrationen in der Oberfläche der Hornhaut. Kommt es zu einem Hypopyon, ist dieses zäh und pyramiden-oder zapfenförmig zusammenhängend (Behrens-Baumann, 1999, Behrens-Baumann et al., 2010). SSI Keratitis: Mit Surgical Site InfectionsKeratitis KeratitisSSIzunehmender Zahl refraktiver Hornhauteingriffe (Laser in situ keratomileusis, Lasik, Photorefraktive Keratektomie, PRK) hat das Risiko der infektiösen Keratitis zugenommen (Linke, Richard und Katz 2011; Viestenz und Behrens-Baumann 2007) (Inzidenz bakterieller Infektion 1/1 000–1/5 000). Interessant ist das z. T. ungewöhnliche Erregerspektrum bei diesen Patienten; unter 116 Keratitiden befanden sich atypische Mykobakterien (28 %), gefolgt von Staphylokokken (20 %). Als Ursache wurden kontaminierte Instrumente und Kontaktlinsen vermutet (Donnenfeld et al. 2005) • Für Keratoplastiken kommt Keratoplastik KeratitisKeratoplastikdas kolonisierte Epithel als Infektionsquelle in Betracht. Bei der Hornhautspende muss vor allem die Übertragung von Virusinfektionen, insbesondere von HIV, aber auch von HBV, HCV, CMV und Prionen mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Die Seroprävalenz für HIV 1 liegt bei Hornhautspendern in den USA bei 0,3–0,84 % (Ortiz und Aaberg 1991). Wegen der möglichen Serokonversion nach einer Latenz von bis zu 2 Jahren und der Seroreversion mit zumindest vorübergehendem Fehlen serologischer Nachweismöglichkeiten kann es keine absolute Sicherheit für den Ausschluss infizierter Spender geben (Dubord et al. 2013). Ist der Spender CMV-positiv, sind zumindest Empfänger mit Immunsuppression und Abwehrschwäche von der Spende auszuschließen (Bredehorn-Meyer, Duncker und Armitage 2009). • Keratoprothesen werden Keratoprothese KeratitisKeratoprotheseals letzte Möglichkeit bei schweren Vorschäden in Betracht gezogen – sie weisen die höchste Rate von infektiöser Keratitis auf (13,6 % bei 125 Eingriffen); eine oft eingesetzte Vancomycinprävention führte häufiger zu Keratomykosen (Kim, Yu und Aldave 2013). Kontaktlinsenassoziierte Keratitis: Kontaktlinsen können bereits beim Anpassvorgang kontaminiert sein (Kramer et al. 1995). Vor allem aber kommt es durch unzureichende Hygiene im Umgang mit bevorzugt weichen Kontaktlinsen zu Infektionen mit Bakterien, Amöben und Fusarien. Durch das Tragen weicher Kontaktlinsen werden Veränderungen der Sensibilität und Mikrotraumen mit erhöhter Infektionsanfälligkeit hervorgerufen. Sofern Keratitiskontaktlinsen-assoziierteKeratitiden bei Kontaktlinsenträgern bei der Anpassung erworben worden sind, handelt es sich um eine NI. Materialspezifische Faktoren sind bedeutsam; die Inzidenz kontaktlinsenassoziierter mikrobieller Keratitis wird für Linsen mit verlängerter Tragezeit (Silikon) mit 21/100 000 angegeben und bei Tageslinsen mit 4/100 000 (damit ca. 20-fach erhöht gegenüber „Brille“; Cheng et al. 2004). Häufigste Erreger sind Pseudomonas spp., Serratia spp., Streptokokken, Corynebakterien sowie Akanthamöben und Pilze (Kramer et al. 1995). Postoperative Keratitis: Sie betrifft Keratitispostoperativevor allem Infektionen durch Tropfflaschen nach Katarakt- oder Glaukom-OP und Keratoplastiken. Postoperative Hornhautinfektionen aufgrund von Fadenlockerungen sind aktuellen Untersuchungen zufolge rückläufig; das wird sich aufgrund der deutlich zunehmenden Zahl lamellärer Eingriffe (DMEK) ohne jegliche Naht weiter vermindern. Intraokuläre Infektionen Die Endophthalmitis lässt AugeEndophthalmitis OphthalmologieEndophthalmitis AugeInfektionen, intraokuläre Endophthalmitis EndophthalmitisÄtiologiesich auf vier wesentliche Ursachen zurückführen: • Postoperative Endophthalmitis nach intraokularen Eingriffen (exogen) • Posttraumatische Endophthalmitis nach perforierenden Verletzungen (exogen) • Fortgeleitete Lokalinfektion z. B. als Sickerkisseninfektion oder nach Keratitis (exogen) • Septisch – metastatisch besonders bei eingeschränkter Immunantwort (endogen). Die Möglichkeit der Infektion des Augeninneren ist grundsätzlich bei jedem Bulbus eröffnenden Eingriff gegeben. Die anatomischen Voraussetzungen für die Infektionsabwehr des Augeninneren sind gekennzeichnet durch große Kompartimente ohne Vaskularisation mit der Möglichkeit der Einnistung von Erregern ohne die sonst folgende lokale Abwehrreaktion am Ort der Infektionsausbreitung. Bei geringer Zellzahl von Erregern ist eine Eindämmung durch eingewanderte Immunzellen über die dann herabgesetzte Blut-Retina-Schranke möglich. Kommt es zu größeren Ansammlungen von Erregern, stellt der avaskuläre Glaskörper ein Hindernis für die Infektionsabwehr dar. Gleiche Grundsätze bestehen für die ebenfalls avaskuläre Linse, deren Besiedlung einen Kapseldefekt voraussetzt. Abgesehen von herantransportierten Immunfaktoren besitzt das Pigmentepithel Phagozytosefunktion. Die EndophthalmitisErregerspektrumErregerpopulation entstammt nach vorausgehender Kataraktoperation zu 90 % der betreffenden Konjunktivalflora (Binder 1999). In folgender absteigender Reihenfolge wurden als Erreger KNS (S. epidermidis), S. aureus, Bacillus spp., S. faecalis, S. viridans, Peptostreptokokken, M. morganii, Candida spp., A. fumigatus, Bacteroides spp., E. coli, Moraxella und Alternaria spp., Corynebakterien und P. acnes gefunden. Bei Endophthalmitis nach Kataraktoperation dominierten KNS. Insgesamt EndophthalmitisEpidemiologiedifferieren die epidemiologischen Daten zur Endophthalmitisrate nach Vitrektomie zwischen 0,05 und 1 % (Strmen et al. 1997, Kattan et al. 1991), Katarakt OP einschließlich Keratoplastik zwischen 0,01 % und 0,3 % mit z. T. abfallender Inzidenz seit 2002 (Gower et al. 2013, Fintak et al. 2008, Zell et al. 2000, Schmitz et al. 1999, Norregaard et al. 1997, Kattan et al. 1991, Christy und Lall 1973, Allen et al. 1964). Modifizierte und kombinierte Eingriffe sowie zusätzliche Therapie mit 5-Fluorouracil (Wolner et al. 1991) weisen eine deutlich höhere Inzidenz auf (Aaberg et al. 1998; Kattan et al. 1991): • nach sekundärer Linsenimplantation 0,3 bzw. 0,366 %, • nach kombinierter penetretierender Keratoplastik und Kataraktchirurgie 0,194 %, • nach intrakapsulärer Kataraktextraktion mit/ohne Linsenimplantation 0,093 %, • nach extrakapsulärer Katarakt-OP mit/ohne Linsenimplantation 0,072–0,1 % (Stark et al. 1983), • nach Kataraktchirurgie mit/ohne Linssenimplantation ohne Aufschlüsselung 0,082 %, • nach intravitrealer Injektion 0,019–1,4 % (0,049 %; McCannel 2011), • bei Glaukomchirurgie 0,061 %–0,124 %, bei ungedeckter Filtration bis 9 % (Allen et al. 1964), • bei komb. Trabekulektomie und Kataraktchirurgie 0,114 %, • bei perforierender Verletzung 0,9 % (Reich et al. 1981), bei bis zur Vitrektomie verbleibende Fremdkörper 2–13 % (Bialasiewicz 1991; Brinton et al. 1984; Jonas et al. 2000). Die höchste Prävalenz der postoperativen EndophthalmitisEndophthalmitispostoperative EndophthalmitisSurgical Site Infection wird mit 5,4 % nach Keratoprothesenimplantation (Boston Typ) mitgeteilt (v. a. grampositive Bakterien, auffällig zunehmend gramnegative Bakterien und Pilze). Risikofaktoren sind veränderte Kommensalen und vernarbende Bindehauterkrankungen (Steven-Johnson Syndrom, Pemphigoid). Weitere Aufschlüsselungen zu Infektionen des Vorderabschnitts und zu intraokulären Infektionen Kap. 5.15.3. In Abhängigkeit von der OP ergeben sich unterschiedliche intraokulare Infektionsraten. Im Rahmen der Katarakt-OP ist stets mit einer Kontamination des Augeninneren durch Erreger aus der Umgebung des Auges und der Bindehaut zu rechnen. Forster et al. (1989) konnten nach einfacher Katarakt-OP in 51 % der Fälle und nach zusätzlicher Kunstlinsenimplantation in 76 % der Fälle in der Vorderkammer Bakterien nachweisen. Die ESCRS-Studie zum EndophthalmitisErregerspektrumAuftreten der Endophthalmitis lieferte einen repräsentativen Überblick zur Erregerverteilung nach 13 698 Kataraktoperationen (Barry et al. 2007; Endophthalmitis Study Group 2007). Ursächliche Erreger waren Staphylokokken, Streptokokken, P. acnes, E. coli, Salmonella spp., Shigella spp. und Gemella haemolysans. Die Visusprognose war bei Patienten mit Streptokokken ungünstiger als bei Patienten mit Staphylokokken. Nach Netzhautplombeninfektionen kann im Plombenbett eine lokalisierte Infektion mit Durchwanderung ins Augeninnere und resultierender Endophthalmitis entstehen. Bei schmerzärmer verlaufender Endophthalmitis sind eher Anaerobier, weniger virulente Bakterien wie S. epidermidis oder Pilze die Ursache. S. epidermidis und Propionibakterien haben eine längere Inkubationszeit, P. aeruginosa führt innerhalb kürzester Zeit durch Elastasen und Endotoxine zur Denaturierung des Glaskörpers und zur Retinanekrose. Membranbestandteile von Erregern können zu einer protrahierten toxischen Einwirkung auf die Gewebe des Augeninneren führen, besonders nach Infektionen mit gramnegativen Erregern. Eine weitere bedeutsame Ursache der Erregerverschleppung sind Viskoelastika, die während der Katarakt-OP als transparente Platzhalter verwendet werden und deren Sterilisation hohe gerätetechnische Anforderungen stellt (Roy et al. 1997). In der ESCRS-Studie wurde ermittelt, dass bei Implantation einer Silikon-Intraokularlinse das Infektionsrisiko 3-mal höher und bei Clear-Cornea-Inzision 6-mal höher war als nach korneoskleralem Tunnel (Endophthalmitis Study Group 2007). Auch MRSA können gelegentlich zu einer Endophthalmitis nach Katarakt-OP führen. Ambulante Patienten sind weit weniger mit MRSA kolonisiert. Streptokokken treten vor allem bei chronischer Bronchitis als Risikoerreger auf. Bei Atopikern sind es mehr Staphylokokken. Nach refraktiven chirurgischen Eingriffen mit Lappenbildung der Hornhaut (Flap) kann es zur infektiösen Endophthalmitis mit Einschmelzung und ggf. Durchwanderungsendophthalmitis kommen (Viestenz und Behrens-Baumann 2007). Die Erreger können aus dem Konjunktivalsack, der Lidkante, den Wimpern, den eingesetzten Instrumenten, den Schwämmen zur Medikamentenapplikation und vom Chirurgen kommen. Beteiligt sind vor allem S. aureus und S. epidermidis (Varssano et al. 2009). Auch Pilze oder Mykobakterien können in die Interface-Lamelle gelangen und dort eine Infektion hervorrufen. Bei diesen Erregern kommt es auch bei rein medikamentöser Abheilung der Hornhaut zu stärkeren Trübungen und Sehbeeinträchtigungen (Chang, Jain und Azar 2004). Risikofaktoren: Gesicherte/vermuteteEndophthalmitisRisikofaktoren Risiken für die Entstehung der Endophthalmitis nach Katarakt-OP sind ein komplizierter OP-Verlauf mit Ruptur der Hinterkapsel (Garat et al. 2005; Montan et al., 2002, Montan et al., 2002), Diabetes mellitus (Ciulla et al. 2002), hohes Lebensalter > 85 Jahre (West et al. 2005), temporale Inzision (Ciulla, Starr und Masket 2002; Taban et al. 2005; West et al. 2005), Glaskörpereinklemmung im Wundspalt, dehiszente Naht, exponierte Lidränder mit Exprimat der Meibom-Drüsen, Kontakt der Zilien mit der intraokularen Linse, verlängerte OP-Dauer und Erregerverschleppung aus der Umgebung (Behrens-Baumann 2008). Da als Erreger nach intravitrealer Injektion signifikant häufiger Streptokokken-Stämme gefunden wurden als bei Katarakt-Endophthalmitis, könnte das auf eine Tröpfchen-Transmission aus dem Nasen-Rachen-Raum des behandelnden Arztes hinweisen. Daher ist das Tragen eines dicht sitzenden MNS sowie eine Reduktion der Gespräche mit dem Patienten während der Injektion auf ein Minimum zu beschränken (DOG Stellungnahme 2013). Das Risiko der Erblindung oder des Augenverlusts durch eine Endophthalmitis nach Katarakt-OP beträgt 10–20 %. Orientierendes Sehen von 0,05 oder mehr wird nur in etwa 50 % der behandelten Fälle, Lesefähigkeit nur in etwa 33 % erreicht (Zell et al. 2008). Therapie: Infektionen EndophthalmitisTherapiedes Augeninneren nach Trauma, OP oder metastatisch bei immunkompromittierten Patienten erfordern neben der lokalen und systemischen antibakteriellen Therapie zumindest eine Probennahme zur mikrobiologischen Untersuchung mit Entfernung von toxischem Exsudat und Erregern (Assadian und Kramer 2014). Die von Erregern und Abwehrzellen freigesetzten Substanzen haben ein hohes Destruktionspotenzial, das frühzeitig auf die Netzhaut einwirken kann. Antibiotika müssen als Basistherapie intraokular verabreicht werden. Zu beachten ist die bei Entzündung um rund 40 % verkürzte Verweildauer intravitreal injizierter Antibiotika, die experimentell zwischen 5 und 14 h lag; Aphakie und Zustand nach Vitrektomie verkürzen die Zeiten entscheidend (Shaarway et al. 1995). Am Kaninchenauge betrug die Clearance von Amphotericin B für infizierte Augen 8,6 d, für aphake Augen 4,7 d und für aphake, vitrektomierte Augen 1,4 d (Doft et al. 1985). Das freie Zirkulationsvolumen für intraokular applizierte oder durch die Blut-Kammerwasser-Schranke herangeführte Antibiotika wird durch Vitrektomie gewährleistet und ermöglicht das Erreichen des Wirkspiegels in allen Nischen, insbesondere in der Ziliarregion. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass durch intraokulare Entzündung und Vitrektomie die Schrankenfunktion für systemisch applizierte Antibiotika deutlich reduziert wurde (Meredith et al. 1996). Die Indikation zur interventionellen Therapie nach intraokularen Eingriffen oder Verletzungen ist gegeben, wenn ein nicht adäquater postoperativer Reizzustand mit stärkeren Schmerzen und starker Rötung des Auges beobachtet wird. Hinzu kommt ein rasch progredienter Befund mit Verlust des Rotreflexes innerhalb von Stunden. Je nach Pathogenität der Erreger ist die Prognose für die Wiedererlangung einer verwertbaren Sehschärfe von ≥ 0,2 unterschiedlich. Nach Infektion mit CNS und gramnegativen Erregern erreichten etwa ⅔, mit Enterokokken und der Streptokokken nur etwa ¼ die gleiche Sehschärfe (Kreutzer 2005). Bei aufgehobenem Einblick in den Augenhintergrund ermöglicht die echografische Untersuchung die Darstellung einer Verdickung der Netzhaut und Aderhaut als unmittelbares Zeichen der segmentalen oder totalen Beteiligung der Augenrückwand (Clemens, Kroll und Meyer-Rüsenberg 1988). Elektrophysiologische Methoden vermögen lediglich eine Alles- oder Nichts-Antwort zu geben. Die Gabe von Antiinfektiva sollte nach zu erwartendem Spektrum und Direktabstrich auf mehreren Wegen, insbesondere intravitreal, erfolgen. Kortikoide reduzieren den Reizzustand und verbessern das funktionelle Resultat. Andere Manifestationen von NI Weitere Manifestationen können die Tränensäcke/-drüsen (Dakryozystitis, Dakryoadenitis), die Uvea (Uveitis) und die Orbita (Orbitalphlegmone) betreffen, während eine Entzündung des Augenlids (Blepharitis) fast nie nosokomial ist. Durch Echoviren (Subtypen 19K, 11A, 11/B) wurden bei Kindern in Russland fünf nosokomiale Uveitis-Ausbrüche verursacht (Lashkevich et al. 2005). Eine nosokomiale durch Viren (CMV) oder Parasiten (T. gondii) verursachte Uveitis kann v. a. bei immunkompromittierten Personen z. B. nach Knochenmark-, Stammzelltransplantation oder nach Transfusion eintreten (Chung et al. 2007, Fricker-Hidalgo et al. 2009). 5.15.4 Infektionspräventive Maßnahmen im Rahmen der OP Hauptquelle für SSI in der Ophthalmologie ist die endogene Flora des Patienten (Kap. 5.15.6). Das OphthalmologieInfektionsprävention, intraoperativeVerhalten des OP-Teams unterscheidet sich nicht von dem in anderen operativen Fächern. Nach Abszessspaltung oder OP bei Endophthalmitis muss die OP-Einheit im infrage kommenden Kontaminationsbereich desinfiziert werden. In Abhängigkeit von der RLTA ist zu gewährleisten, dass es intraoperativ nicht zur Austrocknung am Auge kommt. Das Risiko für eine Endophthalmitis scheint durch Wimpernschneiden nicht reduziert zu werden (Behrens-Baumann et al. 2003). Das OP-Feld wird mit einem Lochtuch (low performance) abgedeckt. Durch Abdecken der Lidkanten mit Wimpern und Ausführungsgängen der Meibom-Drüsen mit Inzisionsfolie nach Antiseptik wird vermutlich ein zusätzlicher Schutz erreicht (Behrens-Baumann und Kramer 2002; Pervanidi und Sonntag 1982). Außerdem wird die bei der OP störende Anwesenheit von Wimpern im Arbeitsgebiet vermieden. • Die präoperative Untersuchung auf Disposition zur bakteriellen Kontamination durch Blepharitis, Rosazea, Neurodermitis, trockenes Auge und Verschluss des Tränensacks ist empfehlenswert. • Die präoperative Spülung der Tränenwege hat keinen Einfluss auf die Kontamination von Kammerwasseraspirat. Wird sie unmittelbar vor dem Eingriff durchgeführt, werden sogar vermehrt Erreger aus dem Tränen – in den Bindehautsack gespült (Behrens-Baumann et al. 2003). Zur Erzielung präoperativer Erregerarmut kann die Lidkorrektur mit Wiederherstellung der Kongruenz zwischen Tarsus, Lidkante und Bulbus dienen. Der Irrigations- und Wischeffekt der Tränenflüssigkeit und der Lider kann so zur Wiederherstellung ausreichender Benetzung und zu vollständigem Lidschluss führen. Im Fall eines trockenen Auges bei OP an der Hornhaut kann durch temporären Verschluss der Tränenpünktchen ein vorzeitiger Abfluss der Tränenflüssigkeit über die Tränenpumpe vermieden werden. Ist es zu einem Verschluss im Bereich der Tränenkanälchen ohne Sackbeteiligung gekommen, ist nicht mit erhöhter Infektionsgefahr zu rechnen, vorausgesetzt, eine Canaliculitis durch Aktinomyzeten konnte ausgeschlossen werden. Ist es zu einem Verschluss innerhalb des Tränensacks gekommen, sollte vor intraokularer OP eine Dakryocystorhinostomie in Erwägung gezogen werden. Obwohl die temporäre Diathermieverödung der Tränenpünktchen in Gebrauch ist, steht der Nachweis aus, ob dadurch eine Erregerreduktion erreichbar ist. Bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand und der Zumutbarkeit einer intraokularen OP kann ein temporärer Verschluss mit einem Kanälchenstopfen oder einer Naht durchgeführt werden. Bei Dakryophlegmone sollte zunächst konservativ lokal antiinfektiv und systemisch antibiotisch behandelt werden, bis ein spontaner Rückgang erfolgt oder eine Abszessspaltung möglich wird. Lidabszesse können mit Spaltung, Einlegen einer kleinen Lasche und begleitend lokal und systemisch antimikrobiell behandelt werden. Zur Therapie eines destruierenden Hornhautprozesses mit und ohne Infektion kann die Keratoplastik à chaud gerechnet werden (Stübiger et al. 1995, Behrens-Baumann 1984). Sie dient der Stabilisierung des Auges, der Exzision der Infektion und der Verbesserung der Möglichkeiten der antiinfektiven Therapie. Patienten mit Keratokonjunktivitis epidemica und anderen Augeninfektionen mit vermutlich hoher Kontagiosität und/oder hochvirulenten Erregern sollten von frisch operierten sowie von Patienten in Vorbereitung auf die OP separiert werden (in jedem Fall bei Kolonisation oder Infektion durch MRE). 5.15.5 Fachspezifische Besonderheiten der Sterilisation und Desinfektion Ophthalmologisches MedizinprodukteaufbereitungOphthalmologie InstrumentenaufbereitungOphthalmologie OphthalmologieMedizinprodukteaufbereitung OphthalmologieInstrumentenaufbereitungInstrumentarium ist aus Gründen der Effizienz und des Personalschutzes soweit wie möglich einem maschinellen Reinigungs-Desinfektionsverfahren zuzuführen. Für die zur manuellen Aufbereitung verbleibenden Materialien (z. B. spezielle Einführungsdrähte oder Schnüre, Spezialbürsten) wird nach vorsichtiger(!) Vorreinigung im Ultraschallbad eine Oberflächenreinigung vorgenommen. Bei manueller Aufbereitung ist zu beachten, dass der Gesamtprozess validiert wird, bestehend aus Vorreinigung, chemischer Desinfektion mit viruzider Wirkung und Schlussspülung mit sterilem Wasser zur Entfernung von Rückständen. Im Interesse des Funktionserhalts des empfindlichen ophthalmologischen Instrumentariums empfiehlt es sich, den Aufbereitungsprozess einschließlich der Sterilisation als Substerilisation in der Verantwortung ophthalmologisch Erfahrener zu belassen und nicht in die allgemeine ZSVA auszulagern. Grundsätzlich muss bei der Aufbereitung von MP mit direktem Kontakt zum Auge ein viruzide Wirksamkeit gewährleistet sein. Die Aufbereitung ophthalmologischer Untersuchungs- und OP-Geräte erfolgt materialabhängig unterschiedlich (Lakkis et al. 2007). Aufgrund unterschiedlicher Herstellerempfehlungen können nachfolgend nur allgemeine Grundsätze aufgeführt werden: • Metallinstrumente sind nicht in jedem Fall dampfsterilisierbar, da Oberflächenvergütungen oder Entspiegelungen ihre Funktion einbüßen können. Eine Alternative für homogene Metallwerkstoffe ist die Heißluftsterilisation. Schiötz-Tonometer aus Ganzmetall können hitzedesinfiziert werden. • Funktionsansätze wie Diathermie für intraokulare Anwendung und Lichtkabel sowie Ophthalmoskopierlupen aus Kunststoff mit Oberflächenvergütung müssen meist mit Formaldehyd oder Ethylenoxid sterilisiert werden. • Phakoemulsifikationsansätze können meist dampfsterilisiert werden. • Mikroskopadapter für die indirekte Ophthalmoskopie müssen wegen der Nähe zum OP-Feld sterilisiert werden oder können in eine sterile Kunststoffumhüllung eingepasst werden. Wegen des Risikos von CJD bzw. vCJD ist als erster Aufbereitungsschritt die alkalische Reinigung (pH ≥10) erforderlich. Nach Neutralisierung und Desinfektion (möglichst im RDG) ist eine Dampfsterilisation bei 134 °C für mindestens 5 min erforderlich (Kap. 3.3.2). • Zur Desinfektion von Tonometer-Messkörpern sowie Laser- und Diagnostikkontaktgläser sind Aldehyde wegen der Eiweißfixierung keine Alternative für Sauerstoffabspalter, wohl aber Methoden mit Luftimpuls-Tonometrie oder transpalpebraler Messung, sofern die ausreichende Messgenauigkeit gegeben ist. Beim Tonometer Typ Tonopen XL ist der Tonometerkopf mit einer Einwegschutzkappe geschützt, die nach jedem Patienten gewechselt wird. Einweg-Tonometerköpfe sind aus wirtschaftlichen Gründen keine Alternative. • Ein Übertragungsrisiko besteht auch für Kontaktgläser bei der intraokularen Untersuchung. Für nicht dampfsterilisierbare Kontaktgläser werden zur Desinfektion NaOH oder NaOCl empfohlen. Hierbei ist ein aufwendiges Neutralisierungsverfahren unumgänglich. Wichtig ist als 1. Schritt die Reinigung direkt nach der Anwendung (Iffenecker und Ruef 2002). • Gonioskope werden unter Leitungswasser abgespült, müssen ebenfalls viruzid desinfiziert, z. B. mit 1 % (10 000 ppm) NaOCl-Lösung ≥ 10 min (Hawksworth 2012), danach steril abgespült und vor Gebrauch getrocknet werden. Koeppe-, Goniotomie- oder BIOM-Linsen aus Kunststoff werden in Ethylenoxid sterilisiert. Formaldehyd erfordert etwas höhere Temperaturen und kann die Oberflächen beschädigen. Zur Vermeidung der Kontamination von Augentropfflaschen ist zunächst die Händedesinfektion durchzuführen. Der Kontakt der Tropfflasche mit den Zilien muss vermieden werden. Das Ektropionieren des Unterlids durch die Pflegekraft soll mittels Tupfer erfolgen. Anschließend soll der Patient seine Tränenpünktchen für > 2 min digital verschließen, damit das Medikament am Auge verbleibt und nicht durch die Tränennasengänge abtransportiert wird (Behrens-Baumann und Pleyer 2007; Fraunfelder 1976) – „Augentropfen statt Nasentropfen“. Jeder Patient bekommt seine eigene Tropfflasche (Kap. 5.15.5). Es sind die Verwendungsfrist und Lagerungsvorschrift einzuhalten. Viruzide Desinfektion von Tonometer-Messkörpern sowie Laser- und Dianostikgläsern mit einem apparativen Verfahren Maren Eggers Tonometer-MesskörperDiagnostikkontaktgläser, Aufbereitung Tonometer-Messkörper, Aufbereitung OphthalmologieDiagnostikkontaktgläser, Aufbereitung OphthalmologieTonometer-Messkörper, Aufbereitung oder Laser- und Diagnostikkontaktgläser können Adenoviren, die Ursache der hoch kontagiösen Keratokonjunktivits epidemica sind, übertragen (Meyer-Rüsenberg et al. 2011; Pleyer und Birnbaum 2015; RKI 2010). Um das Risiko einer NI in Augenkliniken und Arztpraxen zu vermeiden, sollen die empfindlichen Messinstrumente viruzid desinfiziert werden. Das Abspülen der Messinstrumente unter fließendem Wasser stellt keine Alternative dar, da von künstlich mit Adenovirus-kontaminierten Tonometer-Messkörpern (8,00 TCID50/ml, d. h. umgerechnet ca. 100 Mio. Adenoviren pro Messkörper) nach 1-minütigem Spülen mit Wasser noch 11 500 Adenoviren (ca. 4 TCID50/ml) rückgewonnen werden konnten (unveröff. Daten). Ein thermisches Desinfektionsverfahren würde die thermolabilen Tonometer oder die reflexmindernden Beschichtungen der Kontaktgläser beschädigen und kann deshalb nicht angewandt werden. Die Tonometer aus thermolabilen Materialien (z. B. vom Hersteller Haag-Streit) und Kontaktgläser sind wegen der mangelnden Materialverträglichkeit des thermischen Desinfektionsverfahrens daher chemisch ohne Hitzeeinwirkung zu desinfizieren. Aber auch bei chemischer Desinfektion ist bzgl. der Materialverträglichkeit bei Plexi- oder Acrylglas („organisches“ Glas) und bei Kitten größte Sorgfalt geboten. Plexiglas kann eintrüben oder zu Rissbildung neigen. Sowohl Tonometer-Messkörper als auch Kontaktgläser besitzen Kittverbindungen, die quellen können, wenn die Produkte länger als 15 min in der Flüssigkeit liegen. Diese Materialbeeinflussung wird durch hohe Anteile an Lösungsmitteln und/oder nichtionischen Tensiden in Desinfektions- oder Reinigungsmitteln begünstigt. Auch ein manuelles Desinfektionsverfahren mit schnell wirkenden alkoholischen Desinfektionsmitteln scheidet aus, da diese die Materialien in kurzer Zeit beschädigen und außerdem in ihrer viruziden Wirkung unsicher sind. Zur Desinfektion der empfindlichen ophthalmologischen Instrumente sollten daher wässrige Desinfektionsmittellösungen in niedriger Anwendungskonzentration mit möglichst kurzen Einwirkzeiten verwendet werden, die das volle viruzide Wirkspektrum besitzen. Dabei sind das vom Hersteller vorgegebene Mischungsverhältnis und die Einwirkzeit der Desinfektionslösung exakt einzuhalten. Nach der Desinfektion ist die gründliche Spülung mit Wasser erforderlich, um jegliches Risiko eines versehentlichen Kontakts des Auges mit Desinfektionsmittelresten auszuschließen. Derzeit werden Tonometer-Messkörper sowie Laser- und Diagnostikkontaktgläser nach Verfahrensanweisungen, die von den Kliniken in Zusammenarbeit mit den Herstellern erarbeitet worden sind, manuell desinfiziert. Solche Verfahrensanweisungen sehen in der Regel vor, dass die MP nach einer Reinigung unter fließendem Wasser im Tauchverfahren (Einlegen in ein mit Desinfektionslösung gefülltes Gefäß) desinfiziert werden. Hierbei muss das Personal darauf achten, dass die Einwirkzeit entsprechend den Herstellervorgaben der Desinfektionslösung für die Tonometer-Messkörper oder das Kontaktglas eingehalten wird. Verbleiben die zu desinfizierenden MP zu kurz in der Lösung, ist die Wirkung nicht sicher. Liegen sie zu lange in der Lösung, weil z. B. während der Desinfektion schnell noch andere Arbeiten erledigt werden müssen, können die empfindlichen Produkte beschädigt werden. Ein apparatives Aufbereitungsverfahren, wie es z. B. mit dem TonoCleanTM-Gerät (Entwicklung RS-Medizintechnik GmbH, Grassau; Vertrieb: Dieter Mann GmbH, Mainaschaff) gewährleistet ist, bietet wegen der standardisierten Durchführung eine höhere Sicherheit als die manuelle Aufbereitung. Hierbei wird der Aufbereitungsprozess Mikroprozessor gesteuert automatisiert. Der Prozess ist wie bei der manuellen Desinfektion in Reinigung (1 min Spülung mit sterilem Wasser plus 10 s Trocknung), Desinfektion (z. B. für 5 min mit 2 % Sekusept aktiv) und einer anschließenden Endspülung (1 min Spülung mit sterilem Wasser plus 10 s Trocknung) gegliedert. Bei Untersuchungen mit Tonometer-Messkörpern sowie Kontaktgläsern, die künstlich mit 107–108 Adenoviren kontaminiert wurden, konnten in allen Versuchen keine Restviren auf den Prüfkörpern mehr nachgewiesen werden (unveröff. Daten). 5.15.6 Antiseptik Indikationen: Die OphthalmologieAntiseptik AugeAntiseptik AntiseptikOphthalmologie AntiseptikAugeprophylaktische Anwendung von Antiseptika am Auge ist indiziert • Präoperativ periorbital und konjunktival, ggf. zusätzlich intraoperativ • Zur Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum • Bei akzidenteller Erregerkontamination des Auges • Zur Konjunktivitis- und Keratitisprophylaxe bei Intensivtherapiepatienten • Zur antiseptischen Spülung von Spenderbulbi • Bei Kolonisation mit MRE (speziell MRSA) • Ggf. zur Prophylaxe okulärer Infektionen bei epidemiologischer Situation. Präoperative Antiseptik von Konjunktiva und Kornea Aufgrund praktisch regelmäßig positiver mikrobiologischer Befunde am Auge ist eine präoperative Kultur entbehrlich, da in jedem Fall eine präoperative Antiseptik durchgeführt werden muss. Aktuell ist PVP-Iod 5 % Mittel OphthalmologiePVP-Iod Povidon-IodAugenantiseptik, präoperative AugePVP-Iod AntiseptikKonjunktiva und Kornea Konjunktiva, Antiseptik, präoperative Kornea, Antiseptik, präoperativeder Wahl zur präoperativen Augenantiseptik. Die Wischantiseptik des OP-Gebiets bietet sich zur präoperativen Erregerreduktion an. Anfang der 1980er-Jahre wurde PVP-Iod zur risikoarmen präoperativen Augenantiseptik eingeführt (Isenberg et al. 1985; Wille 1982). Durch präoperative Antiseptik mit PVP-Iod wird die Anzahl der Bakterien um 90–99 % reduziert bzw. eine Reduktion der Anzahl positiver Abstriche mit Staphylokokken von 30 % auf 10 % und für P. acnes von 23 % auf 1,9 % erreicht. Dieser Effekt war auch am Ende der OP nachweisbar (Binder et al. 1998 und 1999). Die Effektivität war der kombinierten Gabe von Polymyxin-B-Sulfat, Neomycinsulfat und Gentamicin überlegen. Durch PVP-Iod 5 % konnten präoperativ alle gramnegativen Erreger ausgeschaltet werden (Boes et al. 1992). Auch durch 1-prozentige und 1,25-prozentige PVP-Iod-Lösung wird die Bakterienzahl auf der Konjunktiva signifikant gesenkt. 1,25-prozentige PVP-Iod-Lösung ist bei bakterieller Konjunktivitis auch therapeutisch wirksam (Behrens-Baumann und Kramer 2002). Bei positiven Bindehautabstrichen konnte durch 5-prozentiges PVP-Iod (gemäß DAC 1992) eine Reduktion der Erreger innerhalb 2 min bei 87 % der Patienten mit einer durchschnittlichen Herabsetzung der Erregeranzahl von 102–104 auf 101–103 nachgewiesen werden (Maeck, Eckardt und Höller et al. 1990). Vergleichbare Ergebnisse erzielten Apt, Isenberg und Yoshimori et al. (1984) mit 5-prozentigem PVP-Iod. Unter dem Aspekt der Verträglichkeit gibt es Hinweise, dass sogar 10-prozentige PVP-Iod-Lösung nur mit geringer kornealer Toxizität einhergeht. Andererseits ist bereits bei Vorderkammereintritt einer 5-prozentigen PVP-Iod-Lösung mit Nebenwirkungen zu rechnen. Tierexperimentell wird die Heilung von Hautwunden bereits durch 2-prozentiges PVP-Iod signifikant verzögert, während es 1,25-prozentig vom empfindlichen Nasoziliarepithel bzw. 1-prozentig von adultem Knorpelgewebe toleriert wird, ohne dass die Wirksamkeit in vitro bei diesen Verdünnungen selbst bei hoher Eiweiß- und Blutbelastung eingeschränkt ist (Behrens-Baumann et al. 2003). Da bereits mit 1,25-prozentigem PVP-Iod eine signifikante Reduktion der Konjunktivalflora erreichbar ist, dürfte dieser Konzentration aufgrund der In-vitro-Befunde zur Wirksamkeit und besseren Verträglichkeit im Vergleich zu höher konzentrierten Lösungen der Vorzug zu geben sein, was jedoch der epidemiologischen Überprüfung bedarf. Bohigian (1999) konnte in einer retrospektiven Auswertung bei insgesamt 19 269 Katarakt-Extraktionen zeigen, dass nach Einführung der Antiseptik mit 5-prozentigem PVP-Iod die Endophthalmitisinzidenz tendenziell von 0,08 % auf 0,03 % sank. Durch 5 % PVP-Iod konnte die Endophthalmitisinzidenz im Vergleich zur Kontrollgruppe (Silber-Protein-Lösung) signifikant gesenkt werden (Speaker und Menikoff 1991). Wird PVP-Iod 10-prozentig eingesetzt, wird die von der WHO für die Schilddrüsengefährdung definierte kritische Schwelle der Iodurie überschritten, was anamnestisch zu beachten ist. Bei 1,25-prozentiger Konzentration ist anhand der Iodurie keine Schilddrüsengefährdung gegeben (Razavi et al. 2013). Zur Applikation bietet sich die Wischantiseptik des OP-Gebiets an. Als Alternative kommt Polihexanid in OphthalmologiePolihexanid PolihexanidAugenantiseptik, präoperative AugePolihexanidBetracht. Im Neuen Rezeptur-Formularium des DAC sind Polihexanid-Augentropfen 0,02 %, NRF 15.25, und Polihexanid-Augenbad 0,04 %, NRF 15.26, enthalten. Polihexanid wird schon länger zur Therapie der Akanthamöbenkeratitis eingesetzt und ist bezüglich Zytotoxizität, Irritation und Remanenz 2,5 % PVP-Iod überlegen (Hübner und Kramer 2010; Kramer und Behrens-Baumann 1997). 0,04-prozentig war Polihexanid analog wirksam wie 1,25 % PVP-Iod, jedoch mit später einsetzender, dafür aber länger anhaltender Wirkung, sodass selbst 24 h postoperativ kein Erregernachweis gelang; die Verträglichkeit unterschied sich nicht von PVP-Iod (Hansmann, Kramer und Ohgke 2005). Bei Polihexanid ist der im Vergleich zu PVP-Iod langsamere Wirkeintritt (geeignetes Applikationsregime) zu beachten. Allerdings fehlt bisher eine vergleichende Untersuchung zur Endophthalmitisrate im Vergleich PVP-Iod 5 % und Polihexanid 0,02 %. Mit Gentamicin haltiger Salbe wurde keine Erregerfreiheit nach 24 h erreicht (Hansmann et al. 2004). Kontaktlinsenträger müssen präoperativ als bakteriell kolonisiert betrachtet werden, da sich auf der Kontaktlinse leicht Biofilme bilden (Erie et al. 1993; Kramer et al. 1995, Bourcier et al. 2003, Pleyer und Behrens-Baumann 2007, Patel et al. 2008, Rändler et al. 2010). Ein wesentlicher Grund hierfür ist die unzureichende mikrobiozide Wirksamkeit einiger Kontaktlinsenpflegemittel (Hildebrandt et al. 2012). Daher ist die Herausnahme der Linse mindestens 24 h vor der OP mit mehrfacher Reinigung und Antiseptik des Bindehautsacks zu empfehlen. Antiseptik vor intravitrealer operativer Medikamenteneingabe (IVOM) Da die Infektionsrate AntiseptikMedikamentengabe, intravitreale operative AugeMedikamentengabe, intravitreale operative OphthalmologieMedikamentengabe, intravitreale operativedurch topische Antibiotikagabe nicht verringert wird, ist sie wegen des Risikos der Resistenzentwicklung entbehrlich (DOG Stellungnahme, Hoerauf et al. 2013). Das konnte in einer neueren Studie mit Einschluss von 117 171 Patienten bestätigt werden (Storey et al. 2014). Eine Studie der DRCR.net-Studiengruppe weist auf die alleinige Bedeutung der aseptischen Bedingungen während des Eingriffs mit antiseptischer Behandlung der Lidhaut, Abkleben der Lider und Wimpern und Bindehautsack-Spülung mit 5-prozentiger PVP-Iod-Lösung hin. Durch die Antiseptik mit PVP-Iod wird sowohl die bakterielle Kontamination von Injektionskanülen nach intravitrealer Injektion deutlich gesenkt, als auch eine signifikante Reduktion der Bakterien in der Bindehaut erreicht, ohne dass detektierbare Mengen von Iod in die Vorderkammer gelangen (Hansmann et al. 2007). Bei aktiver bakterieller Blepharitis oder Konjunktivitis sollte die intravitreale Behandlung zurückgestellt werden und unmittelbar eine Behandlung der Lid- und Bindehautproblematik erfolgen, bevor die IVOM-Therapie beginnt. In diesen Fällen sollten neben Lidrandhygiene und antiseptischer auch eine antibiotische Therapie erfolgen. Inwieweit die Durchführung einer Parazentese zu einer Erhöhung des Infektionsrisikos führt, wurde bislang nicht systematisch untersucht. Präoperative topische Antibiotikaprophylaxe Nur Antibiotikaprophylaxe, präoperativeAuge AugeAntibiotikaprophylaxe, präoperative OphthalmologieAntibiotikaprophylaxe, präoperativefür PVP-Iod ist der Herabsetzung der Endophthalmitisinzidenz gesichert (Ciulla, Starr und Masket 2002). Im Unterschied dazu sind die Ergebnisse zur topischen Applikation von Antibiotika widersprüchlich, sodass von der FDA keine topische Medikation zur Prophylaxe der Endophthalmitis zugelassen ist. Im Ergebnis eines Reviews kommt Tan (2007) zu der Schlussfolgerung, dass allein durch topische Antibiotika die Rate der Endophthalmitis nicht signifikant reduziert werden kann und keine Reduktion der Flora im Konjunktivalsack nachweisbar ist (Grzybowski 2014). Ebenso hatte die topische Anwendung von Antibiotika keinen zusätzlichen Einfluss auf die Wirksamkeit von 5-prozentigem PVP-Iod bezüglich der Reduktion der Konjunktivalflora (Halachmi-Eyal et al. 2009; Moss, Sanislo und Ta 2009). Trotzdem wurden in den USA von 91 % der Chirurgen vor Katarakt-OP topische Antibiotika mit Überwiegen (81 %) der 4. Generations-Fluorchinolone eingesetzt (Chang et al. 2007). In Anbetracht der Risiken der Resistenzentwicklung kann beim aktuellen Wissensstand die präoperative topische Antibiose nicht empfohlen werden. Präoperative periorbitale Hautantiseptik Auswahlkriterium Hautantiseptikperiorbitale präoperative AugeHautantiseptik, periorbitale OphthalmologieHautantiseptik, periorbitalefür Hautantiseptika ist die Augenreizwirkung, da Präparatreste ins Auge gelangen können. Mittel der Wahl ist 10 % PVP-Iod, wobei als Einwirkungszeit 10 min einzuhalten ist, da es sich im Bereich der Stirn um talgdrüsenreiche Haut handelt. Bei Kontraindikationen für Iodophore ist auf ein alkoholisches Hautantiseptikum mit reduziertem Ethanolgehalt (z. B. Hospidermin) auszuweichen. Ungeeignet sind Präparate mit CHX > 0,05 %. Unter Berücksichtigung von Befunden zur Irritationspotenz sind auch Hautantiseptika mit Hexetidin, Cetylpyridiniumchlorid und OCT (> 0,05 %) nicht am Auge anzuwenden, bevor diese Anwendung nicht abgesichert ist. Antibiotika sind in diesem Bereich einschließlich des Lidrands wegen mangelhafter Wirksamkeit ungeeignet. Credé-Prophylaxe Die Credé-ProphylaxeCredé-Prophylaxe ist nach wie vor als indiziert anzusehen und dient in erster Linie der Vermeidung der Ophthalmia neonatorum durch den ggf. mit Chlamydien oder weitaus seltener mit Gonokokken infizierten Geburtskanal. In Deutschland beträgt die Gonokokkenprävalenz etwa 0,1 %. Die Durchseuchung der Mütter mit Chlamydien beträgt 2–11 %. Als weitere Erreger kommen Streptokokken der Viridans-Gruppe und der Gruppe B, S. aureus, E. coli, Haemophilus spp., Mykoplasmen, Pseudomonas und Klebsiella spp. sowie Herpes-simplex-Viren infrage (Kramer et al. 2002). Dieses breite Wirkungsspektrum wird durch PVP-Iod komplett abgedeckt. Wegen der lokalen Reizwirkung und fehlender Wirksamkeit gegen Chlamydien wird anstelle von 1-prozentiger Silber-Nitrat-Lösung 1,25-prozentige PVP-Iod-Lösung empfohlen (Assadian et al. 2002; Isenberg, Apt und Wood 1995; Isenberg et al. 1985). Die Schilddrüsenfunktion wird nicht beeinträchtigt (Richter et al. 2006). Auch wenn die Credé-Prophylaxe seit 1992 in Deutschland nicht mehr vorgeschrieben ist, gelangte eine Kommission beim BGA zu der Auffassung, dass die Credé-Prophylaxe der Gonoblenorrhö trotz der Gegenargumente wie chemische Konjunktivitis durch die Lokalanwendung, Schmerzreaktion des Säuglings und mögliche Prophylaxeversager weiterhin zu empfehlen sei (Hoyme 1993), da der Schaden einer Gonoblenorrhö im Einzelfall beträchtlich ist und zur Erblindung führen kann. Die zur Verfügung stehenden Methoden des Screenings auf Infektion mit N. gonorrhoeae sind lückenhaft, da der Erregernachweis oft misslingt und die Infektion blande verläuft. Durch die Credé-Prophylaxe ist die Gonoblenorrhö in den Industrieländern auf < 0,04 % zurückgegangen. Ohne die Prophylaxe beträgt die Übertragung von der Mutter auf das Kind etwa 30 %, mit Prophylaxe wird sie mit hoher Sicherheit verhindert. 1994 wurde erneut vom BGA empfohlen, weiterhin eine Reinigung beider Augen des Neugeborenen mit Instillation eines Antiseptikums vorzunehmen. 1-prozentige Silbernitratlösung sollte allerdings nur so lange verwendet werden, bis eine andere Substanz mit besserer Verträglichkeit bei zumindest gleichem Empfindlichkeitsspektrum verfügbar ist (Kramer et al. 1995; Tietze 1994). 1969 wurden in den USA wegen des in 10 % durch 1-prozentiges Silbernitrat aufgetretenen Argentumkatarrhs als Ersatz Erythromycin und Tetracyclin empfohlen. In Deutschland wurden diese Ausweichpräparate wegen des Riskos der Resistenzentwicklung abgelehnt. Die Credé-Prophylaxe wurde 1989 von den CDC Atlanta erneut mit 0,5-prozentiger Erythromycin- oder 1-prozentiger Tetracyclin-Augensalbe empfohlen. Beide haben u. U. jedoch keinen Effekt auf die Gonoblenorrhö, sodass Silbernitrat die sicherere Alternative ist. Die Prophylaxe mit 1-prozentigem Silbernitrat erfasst jedoch nicht sicher die Chlamydieninfektion. Die Kommission „Infektion in der perinatalen Medizin“ der deutschen Gesellschaft für Perinatalmedizin hat unter dem Eindruck der Chlamydieninfektion und deren Einflussmöglichkeiten auf die Schwangerschaft empfohlen, bei Nachweis von Chlamydien in einem Schwangerschaftsscreening ab der 14. Woche eine systemische Erythromycintherapie einzuleiten (Hoyme und Bialasiewicz 1992). Diese Untersuchung kann auch auf Gonokokken erweitert werden. Prophylaxe der Konjunktivitis und Keratitis Bei KeratitisProphylaxe KonjunktivitisProphylaxeIntensivtherapiepatienten besteht insbesondere bei beeinträchtigtem Lidschluss und Infektion des Respirationstrakts das Risiko einer Konjunktivitis und Keratitis. Als Konsequenz wird ein Screening zur früheren Identifikation empfohlen (McHugh et al. 2008). Ein weiterer Risikofaktor ist der LagophthalmusLagophthalmus mit Störung der Benetzung und Entstehung eines Ulkus. Zur Vermeidung der Hornhautaustrocknung mit dem Risiko der Ulkusbildung werden bei beeinträchtigtem Lidschluss die Augen mit Klebebändern, Salben, Uhrglasverband oder – bei Patienten mit Fazialisparese – mittels Tarsorrhaphie oder alternativ durch Injektion von Botulinustoxin verschlossen. Hornhautspendermaterial Das AugeHornhautspendermaterial OphthalmologieHornhautspendermaterial Hornhautspendermaterial, Antiseptik AntiseptikHornhautspendermaterialRisiko einer Transplantatinfektion mit Transplantatabstoßung ist bei Keratoplastik < 1 %, kann aber bei foudroyantem Verlauf zum Verlust des Auges führen (Robert, Adenis und Pleyer 2005). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit von Überwachungsuntersuchungen zumindest bei Anhalt für eine Infektion (Ritter et al. 1990). Bei Keratoplastiken kann aus Gründen der zytotoxischen Wirkung antimikrobieller Substanzen keine komplette Erregerfreiheit des Spendermaterials erreicht werden. Positive Kulturen von Spenderaugen fanden sich zwischen 12 und 100 % (Bredehorn-Meyer, Duncker und Armitage 2009; Pardos und Gallaher 1982; Pollack, Locatcher-Khorazo und Gutierrez 1967; Schimmelpfennig und Hürzeler 1977; Semenitz 1983; Zirm, Reich und Glawogger 1967). Ausgehend von der Entnahme des Spendermaterials wurde im frischen Abradat in 80 % eine Kontamination festgestellt, davon in 16 % als Mischinfektionen. P. aeruginosa war der am häufigsten isolierte Erreger (Ritter et al. 1990). Weder das Alter der Spender noch der Entnahmezeitpunkt der Bulbi post mortem hatten einen Einfluss auf die Kontamination. Mit zunehmendem Aufenthalt der Spender im Krankenhaus nahm der Anteil gramnegativer Bakterien zu. Beatmete Spenderpatienten waren deutlich stärker mit gramnegativen Erregern besiedelt (Sugar und Liff 1980). Nach Sepsis des Spenders soll das Risiko der postoperativen Endophthalmitis erhöht sein (Keates et al. 1977). Bei Besiedlung der Spenderhornhaut mit Pilzen kann es zu schweren Infektionen des Empfängers kommen (Behrens-Baumann 1999; Pflugfelder, Flynn und Zwickley 1988). Auch die Übertragung von CJD wurde tierexperimentell nachgewiesen (Tateishi 1985). Sowohl im Hornhautepithel als auch in Retina, Sehnerv, Iris, Glaskörper und Linse wurden Prionen nachgewiesen (Wadsworth 2001). Somit ist die Übertragbarkeit theoretisch auch über Biometriesonden und Tonometer gegeben. Die Übertragung über eine Keratoplastik wurde postuliert (Metha, Osborne und Bloom 2004). Die antiseptische Entnahme der Bulbi beinhaltet folgende Schritte (Bredehorn-Meyer, Duncker und Armitage 2009; Wilhelm, Bredehorn und Kramer 2002; Wilhelm et al., Wilhelm et al., 2001): 1. Initialer Bindehautabstrich zur mikrobiologischen Diagnostik 2. Vor Entnahme Tropfen des Spenderfornix mit 0,5 % PVP-Iod-Augentropfen (1 min) 3. Abwaschen des OP-Gebiets mit 10 % PVP-Iod-Lösung und Abdecken (Lochtuch) 4. Aseptische Entnahme der Spenderbulbi und Lagerung in sterilen Transportgefäßen 5. 5 min Tauchen der Spenderaugen in 0,5 % PVP-Iod-Lösung und Abspülen mit steriler NaCl-Lösung, BSS oder Nährmedium wie für die Konservierung 6. Aseptisches Präparieren und Umlagern der Transplantate unter Sterilwerkbank 7. Einbringen der Transplantate in Kulturmedium mit Antibiotika- bzw. Antimykotikazusatz und Lagerung für mind. 7 d im Brutschrank bei +37 °C 8. Nach Umlagerung der Transplantate in Dextran haltiges Kulturmedium zwecks Entquellung 9. Mediumprobe zur mikrobiologischen Untersuchung (48-h-Befund abwarten). Perioperative und intraoperative Antibiotikaprophylaxe BeiAntibiotikaprophylaxe, perioperativeAuge AugeAntibiotikaprophylaxe, perioperative OphthalmologieAntibiotikaprophylaxe, perioperativeAuge aseptischen intra- und extraokulären Eingriffen ist eine systemische Antibiotikaprophylaxe unüblich. Nach penetrierender Verletzung wird prophylaktisch ein systemisches Antibiotikum gegeben, z. B. Cefuroxim oder Moxifloxacin (Behrens-Baumann, Frank und Neß 2010). Durch die lokale Applikation von Antibiotika ist eine Senkung der Endophthalmitisrate nach Katarakt-OP nicht erreichbar. Die Ergebnisse der ESCRS-Studie (Endophthalmy Study Group 2007) und des Schwedischen Kataraktregisters erbrachten keinen Vorteil der präoperativen lokalen Applikation von Antibiotika zur Prävention der postoperativen Endophthalmitis (Endophthalmy Study Group 2007; Friling et al. 2013). Nach der ESCRS-Studie (Barry et al. 2007) scheint eine Cefuroxim-Gabe in die Vorderkammer am Ende nach Katarakt-OP eine Reduzierung der Endophthalmitisrate zu bewirken. Zu der Studie hat es mehrfach Kritik gegeben (Behrens-Baumann 2011), z. B. die nicht geklärte hohe Endophthalmitisrate der Kontrollgruppe von 0,326 %. Die Diskussion über pro und contra zur Vorderkammer-Antibiose nach Katarakt-OP ist nicht abschließend geklärt und auch nicht deren mögliche Auswirkung zur Resistenzentwicklung. Lokale antiinfektive Therapie Superfizielle Ophthalmologieantiinfektive Therapie, lokale Augeantiinfektive Therapie, lokaleBlepharitis, bakterielle, virale, mykotische oder protozoische Konjunktivitis, Keratitis bzw. Keratokonjunktivitis, Tränenganginfektion und chronische bakterielle Entzündungen der Anophthalmushöhle sollten mit Antiseptika oder nicht resorbierbaren Antibiotika (sog. Lokalantibiotika) behandelt werden, weil durch lokale Applikation höhere Konzentrationen als bei systemischer Gabe erzielt werden. Bei intraokularer Beteiligung (z. B. Lid- und Orbitalphlegmone, Endophthalmitis), Risiko der Metastasierung auf dem Blut-Lymph-Weg (z. B. Dakryoadenitis und -zystitis) sowie auf topische Therapie nicht ansprechende Konjunktivitis der Anophthalmushöhle und Blepharitis müssen zusätzlich antimikrobielle Chemotherapeutika oral oder parenteral eingesetzt werden (Behrens-Baumann, Frank und Neß 2010; Kramer, Assadian und Pleyer 2014). Da die therapeutische Antiseptik kein hygienisches Anliegen ist, soll der Hinweis genügen, dass bei superfizieller Infektion mit wenigen Ausnahmen die lokale Anwendung von Chemotherapeutika wegen des Resistenzdrucks auf Bakterien kontraindiziert ist. Da Antiseptika in ihrer Wirksamkeit Lokalantibiotika in vitro überlegen sind, hat sich ihr therapeutischer Einsatz bereits zur MRSA-Sanierung sowie zur Therapie der Akanthamöbenkeratitis und z. T. der Behandlung der KCE etabliert. Eingesetzt werden 1,25 PVP-Iod oder 0,02 % Polihexanid (Kramer, Assadian und Pleyer 2014). Zur Durchführung der mikrobiologischen Diagnostik wird auf Assadian und Kramer (2014) verwiesen. 5.15.7 QM der Infektionsprävention In jeder operativ tätigen Einrichtung ist bis zum Jahr 2016 (abhängig vom Bundesland ggf. früher) ein Hygienebeauftragter Arzt zu benennen (IfSG 2011). Dieser muss einen 40-stündigen Grundkurs für Hygienebeauftragte Ärzte als Lehrgang oder als E-Learning-Curriculum absolviert haben. Das betrifft jedoch nicht Einrichtungen, in denen ausschließlich diagnostische Untersuchungen durchgeführt werden. In einem Hygieneplan (Kap. 7.1, Kap. 7.2, Kap. 8.2) sind die Maßnahmen entsprechend den Besonderheiten der Einrichtung im Detail festzulegen. Der Hygieneplan muss den Beschäftigten bei Einstellung aktenkundig bekannt gemacht und erläutert werden. Bei Veränderungen im Aufgabenbereich und Einführung neuer Arbeitsmittel oder -verfahren ist der Hygieneplan anzupassen. Die Unterweisung in den Hygieneplan muss regelmäßig – mindestens jährlich – wiederholt und dokumentiert werden (IfSG 2011). Für Arzthelferinnen im Bereich „Ambulantes Operieren in der Augenheilkunde“ wurde ein Fortbildungscurriculum geschaffen, das 12 h Hygiene einschließlich der Surveillance von NI beinhaltet (BÄK 2004). Entsprechend § 23 IfSG sind Leiter von stationären Einrichtungen sowie von Einrichtungen für ambulantes Operieren verpflichtet, definierte Infektionen sowie Krankheitserreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen fortlaufend in gesonderter Niederschrift aufzuzeichnen und zu bewerten. Aufgrund der üblicherweise kurzen postoperativen Verweildauer stationär behandelter ophthalmologischer Patienten bzw. bei ambulanter OP erfordert die Realisierung einer Surveillance von SSI die Zusammenarbeit mit dem weiterbehandelnden Arzt oder die Befragung der Patienten über Post oder Telefon möglichst unter Verwendung standardisierter Fragebögen zu möglichen postoperativen Komplikationen (Kap. 7.2). 5.15.8 Standard zur Augenpflege bei Krankenhauspatienten A. Kramer, S. Ryll und W. Behrens-Baumann Eine Augenpflege AugenpflegeIndikationenAugenpflege muss bei folgenden Situationen durchgeführt werden: • Mangelhafter oder fehlender Lidschluss, um eine Austrocknung des Auges mit nachfolgender Infektion (Keratitis, Konjunktivitis) zu verhindern. Durch die Augenpflege muss der Zustand der permanenten physiologischen Nachbenetzung ersatzweise aufrechterhalten werden. • Zum Entfernen von schleimigem Tränensekret oder äußeren Verkrustungen an den Lidrändern. Bei Kontaktlinsenträgern und Augenprothesen müssen spezielle Anforderungen berücksichtigt werden (s. u.). Zur Festlegung erforderlicher Maßnahmen ist der Pflegestatus durch das Pflegepersonal zu erheben, ggf. der behandelnde Arzt zu konsultieren bzw. ein augenärztliches Konsil anzufordern und der Patient über die erforderlichen Pflegemaßnahmen zu informieren. Sowohl der anfangs erhobene Pflegestatus als auch die durchgeführten Maßnahmen sind in der Pflegedokumentation festzuhalten. Durchführung Nach Händedesinfektion AugenpflegeDurchführungsind sterile Kompressen bzw. Tupfer, sterile 0,89-prozentige NaCl-Lösung und ggf. 1-prozentige wässrige sterile PVP-Iod-Lösung (z. B. Betaisodona-Lösung 1 : 10 verdünnt), lokal verträglicher sind PVP-Iod-Augentropfen 1,25-prozentig gemäß DAC (NRF 15.13) auf desinfizierter Arbeitsfläche (Tablett oder Spritzenwagen) bereitzustellen. Die desinfizierte Hand muss komplett abgetrocknet sein, damit anhaftende Alkoholreste nicht in das Auge gelangen und eine Augenreizung verursachen können. Die Händedesinfektion muss zwischenzeitlich wiederholt werden, wenn es zu einer Kontamination gekommen sein kann. Fehlender Lidschluss bei Intensivtherapiepatienten oder Bewusstlosigkeit Sofern AugenpflegeLidschluss, fehlender AugeLidschluss, fehlenderbeide Augen betroffen sind und der Patient bei Bewusstsein ist, kann zur Gewährleistung des Lichteinfalls, des orientierenden Sehens und zur Kontrolle der feuchten Beschlagbildung der sog. Uhrglasverband angelegt werden, um die Austrocknung der Kornea mit dem Risiko einer Ulkusentstehung zu vermeiden. Hierzu wird eine Plexiglaskalotte zirkulär mit Pflaster fixiert. Das Uhrglas muss beschlagen sein (feuchte Kammer), ansonsten ist das Pflaster undicht. Zuvor ist das Auge mit isoosmolarer 1,25 % PVP-Iod-Lösung zu benetzen, um einer Infektion vorzubeugen. Wegen der mit dem Aufkleben des Klebebands verbundenen Hautreizung sollte der Verband maximal zweimal täglich geöffnet werden, um Antiseptika zu applizieren. Der Verband ist täglich 1- bis 2-mal bzw. bei Sekretanreicherung öfter zu wechseln. Nach feuchter und anschließend trockener Reinigung der Lidränder ist vor dem Anlegen des neuen Verbands die sterile PVP-Iod-Lösung zu applizieren. Wegen des Risikos einer Pflasterreizung ist zumindest bei einseitigem Lidschlussdefekt oder bewusstlosen Patienten anstelle des Uhrglasverbands folgendes Vorgehen zu bevorzugen: Beide Augenlider werden nach vorheriger Reinigung mit steriler 1,25-prozentiger PVP-Iod-Lösung mit einer mit steriler NaCl-Lösung getränkten sterilen Kompresse komplett abgedeckt und so belassen. Bei empfindlicher Haut sollte die Fixierung mit einem schonenden Pflaster oder zusätzlicher Stoffbinde vorgenommen werden. Alternativ kann auch durch Pflasterzug vom Ober- zum Unterlid ein Lidschluss erreicht werden. Im Unterschied zum Uhrglasverband hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass das Pflegepersonal jederzeit die Pupillenweite und -reaktion prüfen kann, ohne dass Salben stören und die Haut gereizt ist. Die Applikation von Bepanthen®-Augensalbe bei komatösen Patienten ist jederzeit als zusätzliche Maßnahme zur Benetzung für Zeiträume von Stunden geeignet. Bei wachen und bewusstseinseingeschränkten Patienten ist Corneregel® (Dexpanthenol) zu empfehlen, da es nicht zur Sichtbehinderung führt. Da bei lang dauernden Operationen im nicht ophthalmologischen Bereich die Augen z. T. ebenfalls mit Klebebändern abgeklebt werden, sollte auch hier die antiseptische Prophylaxe erwogen werden. Behinderter Lidschluss nach Trauma Abgesondertes AugenpflegeLidschluss, behinderter AugeLidschluss, behinderterSekret ist mehrmals täglich zunächst bei zugehaltenem Auge mit befeuchteten Kompressen (sterile 0,89-prozentige NaCl-Lösung) entfernen, danach mit Tupfer Augenlider spreizen und das Auge vom äußeren zum inneren Augenwinkel mit angefeuchtetem Watteträger ohne Hornhautberührung auswischen, ggf. Salbenreste in gleicher Weise entfernen, abschließend physiologische NaCl-Lösung (oder bei Infektionsverdacht sterile 1,25-prozentige PVP-Iod-Lösung) in das Auge einträufeln und zur Entfernung restlicher Schleimflocken mit ca. 1 ml physiologischer NaCl-Lösung nachspülen. Sofern erneut Augensalbe appliziert wird, soll diese nicht unmittelbar aus dem Kühlschrank entnommen werden, sondern sich auf Zimmertemperatur erwärmt haben. Zur raschen Erwärmung kann die Salbe in ihrer Umverpackung kurzfristig auf einen Heizkörper gelegt werden. Ein „Anwärmen“ durch Mitführen der Salbe in der Kitteltasche ist wegen des Risikos der Kontamination der Außenverpackung problematisch, weil sich dadurch bei der Applikation ein Kontaminationsrisiko ergeben kann. Applikation von Ophthalmika Zum AugenpflegeOphthalmika AugeOphthalmikaEinbringen verordneter Augensalbe ist das untere Augenlid mit einer Minikompresse, die zur Vermeidung einer Kontamination zwischen eigenem Finger und Unterlid gelegt wird, herunterzuziehen und die Salbe mit sterilem Watteträger aufzubringen (oder Salbenstrang in den Bindehautsack so einbringen, dass der Salbenstrang selbstständig abreißt). Auf keinen Fall darf mit der Augenflora kontaminierte Salbe in die Tube zurückgezogen werden! Verordnete Augentropfen sind so in den Bindehautsack einzuträufeln, dass weder ein Kontakt der Austrittsöffnung mit dem Auge oder den Wimpern des Patienten noch mit den Fingern des Pflegepersonals zustande kommt, um eine Kontamination zu vermeiden. Kontaktlinsenträger Sofern AugenpflegeKontaktlinsen AugeKontaktlinsen Kontaktlinsender Patient nicht in der Lage ist, die Aufbereitung seiner Kontaktlinsen selbst vorzunehmen, sind Kontaktlinsen aus Haftungsgründen vom Patienten selbst und nur, wenn das nicht möglich ist, vom Pflegepersonal herauszunehmen und dürfen während der Zeitdauer der Unfähigkeit des Patienten zur Aufbereitung nicht getragen werden. Zur Entfernung weicher Kontaktlinsen werden diese nach Spreizung der Lider vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger abgehoben und in die patienteneigene Kontaktlinsen-Aufbewahrungslösung bzw. in physiologische NaCl-Lösung eingelegt. Dort verbleiben sie solange, bis der Patient wieder zur selbstständigen Aufbereitung in der Lage ist. Gegebenenfalls können die entnommenen Kontaktlinsen einem Angehörigen übergeben werden, sofern dieser sich für die Aufbereitung und Lagerung als kompetent erklärt (ist zu dokumentieren!). Wird die Kontaktlinse therapeutisch verordnet, z. B. bei trophischen Hornhauterkrankungen oder lamellierender Hornhautverletzung, muss der Augenarzt die Kontaktlinse einsetzen und wieder entfernen. Formstabile Linsen werden durch die Pflegekraft in der Weise herausgenommen, dass die Linse vom Unterlid aus schräg gegen das Oberlid gedrückt wird und dadurch vor die Lider zu liegen kommt. Umgang mit Augenprothesen (Glasauge) Nach AugenpflegeAugenprothese AugenpflegeGlasauge AugeProthese Glasaugeder Körperwäsche ist der Patienten aufsetzen bzw. sein Kopf im Bett zur Seite zu drehen, danach hygienische Händedesinfektion, zum Entfernen der Augenprothese (1-mal täglich) das Unterlid herabziehen und mit speziellem Glasstäbchen die Augenprothese heraushebeln (sofern das vom Pflegepersonal noch nie durchgeführt worden ist, sollte zur ersten Entnahme möglichst ein Augenarzt hinzugezogen werden), die Augenprothese mit sterilem dest. Wasser oder steriler physiologischer NaCl-Lösung abspülen, da Leitungswasser u. U. bakteriell kontaminiert ist, evtl. anhaftende Rückstände sind mit weichem sterilem Tupfer bzw. Kompresse zu entfernen. Zum Wiedereinsetzen das Oberlid hochziehen, Augenhöhle mit einem mit sterilem dest. Wasser getränkten Watteträger (notfalls Tupfer) vorsichtig auswischen, um Sekretreste zu entfernen, dann die Prothese vom äußeren Lidrand in die Augenhöhle gleiten lassen, dabei muss die spitze Seite zur Nase zeigen. Bei eitriger Sekretion in der Augenhöhle ist der Arzt zur Festlegung der antiseptischen Therapie zu informieren. Bei schriftlichem Einverständnis der Angehörigen kann die tägliche Reinigung der Augenprothese von diesen übernommen werden. 5.16 Weaningzentrum Ralf Ewert, Christian Warnke und Uta Helmstädt 5.16.1 Charakterisierung von Weaningpatienten und deren infektiologischen Besonderheiten Die maschinelle Beatmung spielt eine zentrale Rolle in der modernen Intensivmedizin, wobei die Zahl der Patienten mit längeren Beatmungszeiten seit Jahren steigt. Hintergrund ist u. a. die verbesserte medizinische Versorgung von multimorbiden und älteren Patienten. Daraus resultiert Weaning WeaningInfektionsrisikoein immer größerer Teil an Patienten, bei dem die Entwöhnung von der Beatmung oft schwierig ist (sog. Weaningprobleme). Etwa 7–10 % der Intensivpatienten mit einer länger als 3 Wochen dauernden Beatmung erfüllen die Kriterien einer prolongierten Entwöhnung (Aboussouan, Lattin und Kline 2008), die als Notwendigkeit von mehr als 3 Weaningversuchen oder einer Weaningdauer von mehr als 7 d definiert ist (Boles et al. 2007). Diese Patienten binden umfangreiche apparative und personelle Ressourcen einer Intensivstation. Zur optimierten Versorgung der Patienten mit prolongiertem Weaning haben sich weltweit sog. Weaningzentren etabliert (Schönhofer, Pfeifer und Köhler 2010). Zu strukturellen, personellen und inhaltlichen Aspekten solcher Zentren wurde in Deutschland eine S2-Leitlinie verabschiedet (Schönhofer et al. 2014). Folgende Merkmale bestimmen das erhöhte Infektionsrisiko für Weaningpatienten: • Durchschnittsalter > 60 Jahre, lange Krankenhausliegedauer, häufig vorheriger Aufenthalt in verschiedenen medizinischen Einrichtungen mit mehrfacher Antibiotikatherapie (infektiologisch Hochrisikopatienten) • Hoher Versorgungsgrad mit Kathetern und WeaningInfektionsrisikoSonden (ZVK, Dialysekatheter, Drainage, Magensonde, Harnblasenkatheter) und lange Verweildauer der Katheter • Lange Beatmungsdauer: Patienten sind bei der Übernahme meist > 30 d beatmet, mit zunehmender Beatmungsdauer steigt die Rate beatmungsassoziierter Komplikationen wie Pneumonie und Sepsis • Erhöhte Aspirationsgefahr bei Schluckstörung durch Dekonditionierung, pharyngeale Desensibilisierung (Sekret, Magensonde) und/oder Trachealkanüle • Hohe Komorbidität: Etwa 28 % der Patienten sind bei Aufnahme dialysepflichtig, verbunden mit mehrfach erhöhter Letalität. Aufgrund des langen Intensivaufenthalts sind Weaningpatienten oft hochgradig in Ihrer Muskelkraft/Mobilität eingeschränkt (ICU Aquired Weakness). Auch neuropsychiatrische Probleme (Delir, exazerbierte Demenz, Depression, Post-ICU-Syndrom) sind auf Weaningstationen häufig. So ist eine nachhaltige Beatmungsentwöhnung eng mit der Wiederherstellung der muskulären Funktion verbunden (Rekonditionierung). Hier stellt die notwendige intensive Physiotherapie mit oft engem körperlichem Kontakt zwischen Patient und Therapeuten sowie die notwendige Gangschule, ggf. am Beatmungsgerät, eine hygienische Herausforderung dar. Insbesondere darf es trotz evtl. vorhandener Besiedlung mit MRE nicht zu einer reduzierten Personalpräsenz im Zimmer kommen. In einer deutschen Untersuchung wurde interessanterweise angegeben, dass die Letalität langzeitbeatmeter Patienten trotz des häufigen Nachweises von Erregerisolaten (und auch bei radiologischen Infiltraten) nicht erhöht ist (Barchfeld et al. 2008). 5.16.2 Eingangsisolierung, Screening und Surveillance Vor der Übernahme eines Patienten wird das Vorhandensein von isolationspflichtigen Erregern beim Zuweiser erfragt (Überleitungsbogen). Bei allen WeaningzentrumEingangsisolierungPatienten wird bei der Aufnahme eine Eingangsisolierung im Einzelzimmer in Verbindung mit einem MRSA-, VRE- und MRGN-Screening bei festgelegten Risiken durchgeführt: • Zum MRSA-ScreeningMRSA-ScreeningWeaningzentrum werden ein beidseitiger Nasenabstrich sowie ein Abstrich einer Wunde mit hoher Besiedelungswahrscheinlichkeit inkl. PEG/Tracheostoma eingesandt. • Das VRE-ScreeningVRE-ScreeningWeaningzentrum erfolgt mittels Rektalabstrich. Zusätzlich werden bei Aufnahme Trachealsekret und Urin auf Erreger und Resistenz untersucht. • Beim MRGN-ScreeningMRGN-ScreeningWeaningzentrum ist die Probenahme abhängig vom vermuteten Erreger. Bis zum Ausschluss einer Kolonisation/Infektion mit MRSA/VRE und fehlendem Hinweis auf eine Kolonisation/Infektion mit MRGN (negative PCR reicht bei MRSA aus) ist das Zimmer nur mit Schutzkittel, Handschuhen, MNS und Kopfbedeckung zu betreten. Der Patient darf das Zimmer nur unter strenger Indikationsstellung und Wahrung der üblichen Schutzmaßnahmen verlassen. Während des gesamten Aufenthalts auf der Weaningstation erfolgt routinemäßig bei jedem Patienten ein wöchentliches kulturelles MRSA-Screening aus den Nasenvorhöfen, Trachealsekret, Perineum und evtl. vorhandenen Wunden. Zusätzlich werden Urin und Trachealsekret auf Erreger/Resistenz untersucht. Diese Form der Erregersurveillance ist nicht unumstritten. Allerdings liegen keine Studien zu Langzeitintensivpatienten vor. Da die Patienten oft antibiotisch vorbehandelt sind, kann es hilfreich sein, das Resistenzmuster kolonisierender Erreger zu kennen, um die kalkulierte Antibiotikatherapie anzupassen. Antibiotika werden nicht bei alleinigem kulturellem Nachweis eines Erregers gegeben, sondern nur bei einer nachgewiesenen Infektion. 5.16.3 Prävention im Vordergrund stehender nosokomialer Infektionen Wichtige Bausteine derWeaningInfektionsprävention Infektionen, nosokomialeWeaning primären bzw. sekundären Prävention von Infektionen sind: • die konsequente Erfassung des Erregerspektrums der Patienten, • die Einhaltung des Maßnahmenbündels bei der Isolierung sowie • die sinnvolle Antibiotikastrategie (nach Empfehlung der Klinik) bei der Behandlung von Infektionen. Weitere Maßnahmen dienen der Reduktion spezieller Infektionen (Kap. 4). Atemwegsinfektionen: Maßnahmen zur Vermeidung von Atemweginfektionen sind besonders bei langzeitbeatmeten Patienten essenziell. Neben den üblichen Verfahrensweisen (zweimalige Mundhöhlenantiseptik bei allen Patienten, antiseptische Nasen- und Rachenpflege bei mit MRE kolonisierten Patienten in der Früh- und Spätschicht, WeaningAtemwegsinfektionen AtemwegsinfektionenWeaning, Präventionnachts nur bei Bedarf zur Gewährleistung der Nachtruhe, antiseptische Tracheostomapflege) sollen nur bei klinischem Bedarf endotracheale Absaugungen mit geschlossenem System oder sterilem Katheter und sterilen Handschuhen vorgenommen werden (Kap. 5.9.5). Alle Anteile des Medikamentenverneblers sind alle 24 h sowie bei jedem Patientenwechsel aufzubereiten, sofern nicht vom Hersteller aufgrund einer bakteriendichten Trennfläche zwischen Medikamentenreservoir und Inspirationsschenkel eine längere Verwendungsdauer deklariert ist. Die Inspirationsluft wird nicht routinemäßig aktiv angefeuchtet. Der Wechsel von HME-Filter, Absaugungen sowie Schlauchverlängerung („Gänsegurgel“) erfolgt nach Vorgaben des Herstellers. Beatmungsschläuche werden nur bei sichtbarer Verunreinigung gewechselt. Ein weiterer Bestandteil der Prophylaxe ist die gezielte Schluckdiagnostik. Wir führen diese routinemäßig als FEES (Fiberendoscopic Evaluation of SwallowingFiberendoscopic Evaluation of Swallowing) als transnasale Laryngoskopie mit flexiblem Videolaryngoskop ohne Arbeitskanal durch. Während Sensibilität und Motorik zuverlässig mit hoher Sensitivität und Spezifität erfassbar sind, spielt gerade bei Weaningpatienten die von Tag zu Tag wechselnde Vigilanz eine wichtige Rolle. Hier darf man sich nicht allein auf das gute Ergebnis einer Schluckdiagnostik verlassen. Bei nachgewiesener Dysphagie erfolgt die Anlage einer PEG. Durch konsequentes Vorgehen beim Schlucktraining können Aspirationen deutlich reduziert werden. Katheter-assoziierte Blutstrominfektionen: Sofern zentralvenöse ZugängeBlutstrominfektion, gefäßkatheterassoziierteWeaning, Prävention WeaningBlutstrominfektionen, gefäßkatheter-assoziierte, Prävention unverzichtbar sind, ist streng darauf zu achten, Katheter mit möglichst wenigen Lumina zu verwenden. Um stehende Flüssigkeiten in ungenutzten Lumina zu vermeiden, erfolgt eine kontinuierliche Spülung mit NaCl mit einer Laufrate von 10 ml/h. Eine strikte Händehygiene sowie das Tragen von Handschuhen bei Manipulationen am Katheter sind selbstverständlich. Nach jeder Benutzung eines Dreiwegehahns ist dieser mit einem neuen sterilen Kombistopper zu verschließen. Der Beatmungsschlauch soll so gelagert werden, dass er keinen Kontakt zum Katheter hat. Bei Diskonnektionen des Beatmungssystems ist unbedingt darauf zu achten, dass kein Sekret auf den venösen Zugang tropft. Hier ist zusätzliches Einschlagen des Katheters in ein kleines Tuch hilfreich. Falls keine Transparentverbände eingesetzt werden, muss bei nicht vorhandener Compliance des Patienten zur Beurteilung der Einstichstelle täglich der Verband gewechselt werden. Zur Infektionsprävention hat sich beim Verbandwechsel die Applikation octenidinhaltiger alkoholischer Hautantiseptika als wirksam erwiesen (Dettenkofer et al. 2002). Dialysekatheter: Dialysekatheter sind für die Hämodialyse reserviert und dürfen nur in Notfallsituationen artfremd verwendet werden. Wenn möglich, sollten sie nicht in der V. femoralis liegen. Der aseptische Verbandwechsel entspricht den üblichen Kautelen. Zusätzlich ist es hilfreich, nicht benutzte Dialysekatheter durch Einschlagen in sterile Mullkompressen zu schützen. Zur Verhinderung einer Biofilmbildung eignen sich antibakterielle Locklösungen (Kap. 5.19.2). Harnwegsinfektionen: Eine Harnwegsinfektionen, katheter-assoziierteWeaning, Prävention WeaningHarnwegsinfektionen, katheterassoziierte, Präventionweitere wichtige Infektionsquelle bei intensivmedizinisch betreuten Patienten sind Harnweginfektionen. Hier ist vor allem regelmäßig zu evaluieren, ob der Katheter noch benötigt wird. Bei anhaltender Harninkontinenz ist vor allem bei Männern vor der Überleitung in die ambulante Pflege zu prüfen, ob für die dauerhafte Pflege ein Blasenfistelkatheter angelegt werden kann. Die Pflege erfolgt nach üblichen Standards (Kap. 5.12.7). Wundinfektionen: Sie bedürfen des Surgical Site InfectionsWeaning, Prävention WeaningSurgical Site Infection, Präventionspeziellen Managements und sind häufig nur in enger Kooperation mit chirurgisch tätigen Kollegen zu beherrschen. Wenn möglich, sollte das Wundsekret über Drainagen abgeleitet werden. Bei ausgedehnten, tiefen Wunden bevorzugen wir Vakuumverbände, die durch die Saugeinrichtung die Mobilität der Patienten gelegentlich einschränken. 5.16.4 Ausstattung Räumlichkeiten: Bei der Planung eines Weaningzentrums sollte der Krankenhaushygieniker einbezogen werden. Die Anforderungen entsprechen im Wesentlichen denen einer Intensivstation, wobei größerer Platzbedarf besteht (Toilette im Zimmer, Duschmöglichkeit, Weaningzentrumbauliche Anforderungenauch wenn der Patient nur im Pflegestuhl mobilisiert und noch beatmet ist). Wasserhähne an Waschbecken mit direktem Patientenkontakt sollen ohne Handkontakt zu betätigen sein. Der Wasserstrahl ist neben den Siphon gerichtet, um Verspritzen von erregerhaltigem Wasser zu vermeiden, die Siphonabdeckung ist nach oben gewölbt und es sind endständige Sterilfilter am Wasserauslass installiert. Es sollten möglichst mehrere Einzelzimmer für die Isolierung vorhanden sein. Lagerflächen außerhalb der Zimmer müssen ausreichend vorhanden sein, da im Vergleich zu Intensivstationen deutlich mehr Mobilisierungshilfen benötigt werden (Pflegestühle, Stehbrett, Balancetrainer, Trainingsgeräte). Apparative Ausstattung: Die WeaningzentrumAusstattung, apparativePrävalenz von Problemerregern ist bei Patienten einer Weaningstation im Vergleich zu einer Intensivstation in der Akutversorgung deutlich höher. Daher sollten medizinisch-technische Geräte, die bauartbedingt oft schlecht desinfizierbar sind (Ultraschall-, EKG-, Physiotherapiegeräte), zur ausschließlichen Verwendung auf der Weaningstation vorgesehen werden. Die Forderung der alleinigen Anwendung trifft für alle Geräte zu, da eine erhebliche Zahl der Patienten mit MRE besiedelt bzw. infiziert ist und trotz Einhaltung aller Hygienemaßnahmen bei der Ausleihe von Hilfsmitteln oder medizinischen Geräten von anderen Stationen die Gefahr der Erregerausbreitung nicht ausgeschlossen werden kann. Auf der Weaningstation selbst wird eine solche Ausbreitung durch strikte Anwendung aller Hygienemaßnahmen einschließlich der Verwendung von vollständig desinfizierbaren Hilfsmitteln, einer patientengebundenen Medizintechnik (Monitoring ambulant/stationär ist identisch, individuelles PDMS [Patientendaten-Managementsystem] mit elektronischer Patientenakte) und die räumliche Abtrennung von Patienten mit Problemerregern minimiert. Für Computer sind ein integrierter Touchscreen sowie eine wisch- oder besser tauchdesinfizierbare Tastatur zu gewährleisten. Verbrauchsmaterialien sollten nur in kleinen Mengen im Patientenzimmer vorgehalten werden, um Verwurf bei Kontamination vorzubeugen (Modulsystems ist günstig). Desinfektion: Desinfektionsmittelspender WeaningzentrumDesinfektion DesinfektionWeaningzentrummüssen mindestens an allen Arbeitsflächen sowie am Eingang und Ausgang des Zimmers vorhanden und bequem für alle Mitarbeiter mit dem Ellenbogen erreichbar sein. Die tägliche Flächendesinfektion aller Betten, Arbeitsflächen, sämtlicher Griffe und aller Pflege- und Hilfsmittel ist notwendig zur Unterbrechung von Infektionsketten. 5.16.5 Anforderungen an das Personal Entsprechend den Besonderheiten der zu versorgenden Patienten muss ausreichend geschultes und motiviertes Personal vorhanden sein. Regelmäßige Schulungen des Personals und die ständige Kommunikation im Team (hierzu gehören alle Mitarbeiter aus der Pflege, dem Arztbereich, der Physiotherapie u. a.) sowie mit den Hilfsdiensten auf der Station (Administration, Reinigung, Modulversorgung) zu infektiologischen Besonderheiten der Patienten sind unverzichtbarer Bestandteil der täglichen Arbeit. Einzelzimmerpflege WeaningzentrumPersonal, Anforderungenoder Mehrbettpflege mit Umkehrisolation bei Intensivpatienten kann nur mit ausreichendem Personal durchgeführt werden. Die Barrierepflege in einem Patientenzimmer bedeutet eine enorme zeitliche Belastung (durch Schutzkleidungswechsel) für das Personal. Daher führt jeder Personalmangel zu Defiziten bei der Durchsetzung des Hygieneregimes. Die in diesem Zusammenhang vom Kostenträger hinterfragten wirtschaftlichen Kennzahlen lassen sich nicht oder nur unzureichend von der Intensivmedizin auf den therapeutischen Aufwand bei der Entwöhnung langzeitbeatmeter Patienten übertragen (Schönhofer et al. 2008). Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens von pneumologischen Weaningzentren u. a. die apparativen und personellen Mindestanforderungen explizit benannt (WeanNet-Erhebungsbogen). 5.16.6 Fazit Es steht außer Frage, dass hygienische und infektiologische Probleme eng mit dem klinischen Zustand der Patienten zusammenhängen. Der Umfang hängt vom Patienten, seiner Grunderkrankungen und der Gesamtkonstitution ab, wird jedoch auch durch zahlreiche intensivmedizinische Maßnahmen beeinflusst. Angefangen vom Lagerungsmanagement über die Sedierung bis hin zur Medikation und Ernährung existieren mehrere direkte und indirekte Faktoren mit Auswirkungen auf die Konstitution des Patienten. Zu den einzelnen Sachverhalten existieren verschiedene Empfehlungen, die mit eigenen Erfahrungen untersetzt und an die speziellen Gegebenheiten angepasst werden müssen. Erst durch praktisches Umsetzen werden die Grenzen sichtbar und es sind eigene Strategien zur lokal angepassten Umsetzung gefragt. So müssen auch für weniger typische Verrichtungen auf einer Intensivstation die Regeln der Infektionsvermeidung eingehalten werden. Wir verwenden dazu sehr erfolgreich das therapeutische Puppenspiel. Früher konnten wir die Puppen aus dem Fundus unserer Therapeutin auf unserer Weaningstation nur bei nicht mit Problemerregern kolonisierten oder infizierten Patienten einsetzen. Jetzt sind wir dazu übergegangen, die Puppen bei besiedelten oder infizierten Patienten direkt im Zimmer mit ihnen zusammen anzufertigen (und auch dort zu belassen) und haben somit die psychologischen Ansätze mit den Aspekten der Entwicklung der Feinmotorik verbunden. Diese Aspekte sind auch bei verschiedenen anderen Gesellschaftsspielen von Belang, wobei die verwendeten Materialien desinfizierbar sein müssen (teilweise kann man sie selbst gummieren, um das zu erreichen). Die Umsetzung ethischer und medizinisch-qualitativer Anforderungen beim Betreiben einer Weaningstation spiegeln sich nicht zuletzt auch in der Einhaltung hygienischer Standards wider. Diese sind unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Entwöhnung von langzeitbeatmeten Patienten, die in spezialisierten Zentren sehr erfolgreich ist (Barchfeld et al. 2014; Oehmichen et al. 2013). 5.17 Internistische Endoskopie Ottmar Leiß und Heike Martiny The endoscopist tends to see the hole of the patient but not the whole patient and tends to see the whole instrument but not the hole of the instrument – dieses Wortspiel bringt das Dilemma bei der Endoskopie auf den Punkt. Die Betrachtung des „ganzen“ Patienten, d. h. die Endoskopie, internistischeBerücksichtigung von Alter, Abwehrlage, vorliegenden Begleiterkrankungen usw., wurde bei den infektionsbegünstigenden Faktoren im Rahmen endoskopischer Untersuchungen (Kap. 4.6.1) erörtert. Auf den zweiten Aspekt, die konstruktiven Besonderheiten von Endoskopen und die daraus resultierenden Probleme bei der Aufbereitung, wird nachfolgend eingegangen. Die detaillierte Erörterung konstruktiver Besonderheiten des komplexen Medizinprodukts Endoskop erscheint vor allem aus zwei Gründen geboten: • Die Übertragung von Infektionserregern durch semikritische Instrumente wie flexible Endoskope ist die häufigste Device-assoziierte Infektionsübertragung und Ursache von Ausbrüchen (Rutala und Weber 2013). • Die meisten Übertragungen von Infektionserregern bei endoskopischen Untersuchungen erfolgen nicht von Patient zu Patient/Personal, sondern durch ein nicht korrekt aufbereitetes Endoskop oder endoskopisches Zusatzinstrumentarium (Leiß 2002; Kovaleva et al. 2013; Nelson und Muscarella 2006). 5.17.1 Das Endoskop als komplexes Medizinprodukt Zum Endoskope, flexible Endoskope, flexibleAufbauschematischen Aufbau eines flexiblen Endoskops Abb. 5.5 . Da sich die Kanalsysteme eines flexiblen Endoskops der direkten Betrachtung entziehen, können sowohl das Ausmaß einer Kontamination (Anreicherung mit Mikroorganismen) nach erfolgter Untersuchung als auch der Effekt der Reinigung und Desinfektion (Abreicherung von Mikroorganismen) nicht direkt beurteilt werden. In Untersuchungen zur Beurteilung der Effizienz des Reinigungsschritts werden daher dünne, mit Schafsblut und mit einem Prüforganismus kontaminierte PTFE-Schläuche mit Durchmesser und Länge entsprechend dem Instrumentierkanal eines flexiblen Endoskops verwendet (DIN EN ISO 15.883–4 2009; DIN ISO/TS 15.883–5: 2006; Zühlsdorf, Floss und Martiny 2004; Zühlsdorf et al. 2002). Vor der Durchspülung der PTFE-Schläuche mit NaCl-Lösung wird die Reinigungsleistung visuell beurteilt und nach anschließender Befüllung mit Nähragar die bestehende mikrobielle Belastung kulturell analysiert. Die alleinige Überprüfung der Reinigungsleistung erfolgt mithilfe von mit Schafblut kontaminierten PTFE-Schläuchen und anschließender Proteinbestimmung (DGKH et al. 2011). Beide Verfahren sind jedoch nur zur Überprüfung maschineller Aufbereitungsverfahren zu verwenden. Abb. 5.5 Schematische Darstellung des Kanalsystems eines flexiblen Endoskope, flexibleEndoskops (Olympus) [V218] Konstruktive Besonderheiten flexibler Endoskope wie die Zugänglichkeit der Instrumentierkanäle haben Einfluss auf die Effizienz der Reinigung (Dietze et al. 2001). Scheinbar marginale technische Änderungen am Endoskop, z. B. der Kappe des Biopsiekanals, können mit der Reinigung, der Desinfektion oder der Trocknung interferieren und Ursache von NI-Ausbrüchen sein (Kirschke et al. 2003). Das Design von Konnektoren, die ein flexibles Endoskop an ein RDG für Endoskope (RDG-E) ankoppeln, kann die Aufbereitung verbessern und die Versagerquote reduzieren (Ishino, Ido und Sugano 2003). Konstruktionstechnische Besonderheiten von Seitblickduodeno-skopen (Albarran-Hebel) erschweren Reinigung und Desinfektion und sind Ursache für gehäufte Infektionen bei endoskopisch-retrograder Cholangio-Pankreatikografie (ERCP) (Kovaleva et al. 2013) und Ausbrüchen mit Carbapenem-restistenten Enterobacteriaceae (z. T. mit Todesfolge) (Muscarella 2014). Prinzipiell kann ein Endoskop sowohl manuell als auch maschinell hygienisch korrekt aufbereitet werden (Bader et al. 2002; Bradley und Babb 1995; Fraser et al. 1993). Die maschinelle Aufbereitung ist wegen der deutlich einfacheren Validierbarkeit des Prozesses zu bevorzugen (Bader et al. 2002; KRINKO 2012a). 5.17.2 Bioburden Experimentelle Untersuchungen haben Daten zur mikrobiologischen Belastung (Bioburden) flexibler EndoskopeEndoskope, flexiblemikrobielle Belastung nach der Untersuchung, ergeben. Gastroskope: Unmittelbar Gastroskope, Bioburden Endoskope, flexibleGastroskopenach der Gastroskopie von Patienten mit H. pylori-Gastritis ließ sich mittels PCR aus Spüllösungen des Absaug- und Instrumentierkanals in 61 % (Fantry 1995) und bei 42 % kulturell (Nürnberg et al. 2003) H. pylori nachweisen. Chu, McAlister und Antonoplos (1998) konnten in Spüllösungen aus dem Instrumentierkanal von Gastroskopen unmittelbar nach Anwendung einen Bioburden von 7 × 109 KbE feststellen. Zühlsdorf, Floss und Martiny (2004) sowie Zühlsdorf et al. (2002) haben den Reinigungseffekt kommerzieller Reiniger in RDG-E getestet. Bei den nach Herstellerangaben angewandten Prozessparametern war der Reinigungseffekt mancher Reinigungsprozesse unzulänglich. Nach Gastroskopien von 17 HBsAg-positiven Patienten wurden in 5 Arbeitskanälen 6,5 × 104 bis 1,3 × 106 Viruskopien/Kanal, in 3 Luftkanälen 2,5 × 103 bis 2,8 × 104 Viruskopien/Kanal und in einem Wasserkanal 2,5 × 103 Viruskopien/Kanal gefunden und zwar trotz Vorreinigung mit 200 ml Reinigungslösung (Ishino, Ido und Sugano 2005). Koloskope: Die Koloskope, Bioburden Endoskope, flexibleKoloskopemikrobielle Belastung von Koloskopen ist ungleich höher. Da 1 g Stuhl 1012–1014 Mikroorganismen enthält, stellt der mit Stuhlresten kontaminierte Instrumentierkanal eines Koloskops erhöhte Anforderungen an die Aufbereitung. Zwar kann das Bioburden von flexiblen Endoskopen durch alleinige manuelle Reinigung um 4 log-Stufen, d. h. um 99,99 % reduziert werden (Alfa, Degagne und Olson 1999; Chu, McAlister und Antonoplos 1998), dies ist jedoch bei einem durch Stuhl kontaminierten Endoskop unzureichend. Nur ein koordiniertes und aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von Reinigung, Spülung und nachfolgender Desinfektion kann die Kontamination so drastisch reduzieren (Alfa et al. 2012b) bzw. komplett beseitigen, dass von dem Koloskop keine Gefahr der Übertragung von Infektionserregern auf den nächsten Patienten ausgeht. 5.17.3 Anforderungen an die Aufbereitung flexibler Endoskope Bei MedizinprodukteaufbereitungEndoskope, flexible Endoskope, flexibleAufbereitungder Aufbereitung eines Endoskops muss immer davon ausgegangen werden, dass eine Kontamination mit einem Krankheitserreger stattgefunden hat. Nach der Reinigung flexibler Endoskope sind deshalb Desinfektionsmittel anzuwenden, die gegen alle durch Endoskope übertragbaren Mikroorganismen wirksam sind. Anforderung an Reinigung und Reinigungslösungen Die wichtigste Anforderung an die Reinigung ist, dass ReinigungEndoskope Endoskope, flexibleReinigungunmittelbar nach Gebrauch eines flexiblen Endoskops eine Spülung der Instrumentierkanäle mit einer Reinigungslösung erfolgt („bedside cleaning“), um das Antrocknen von Sekreten oder Blut zu vermeiden und die Vorraussetzungen zur Ausbildung eines Biofilms zu minimieren (Roberts 2013). Wegen der Bedeutung des Reinigungsschrittes bei der Aufbereitung von Medizinprodukten empfiehlt die 2012 überarbeitete KRINKO-BfArM-Empfehlung in der Anlage 8 eine Spülung des Instrumentierkanals von Endoskopen unmittelbar nach der Nutzung mit 200 ml Reinigungslösung, die australische Leitlinie zur Endoskopaufbereitung empfiehlt eine Spülung mit 250 ml Reinigungslösung (GESA 2011). Andere Leitlinien machen diesbezüglich keine Aussagen. Anforderung an die Reinigungslösung: Zur Vorreinigung und Reinigung flexibler Endoskope können Lösungen oberflächenaktiver Substanzen (Tenside) oder enzymatische Reiniger verwendet werden. Kombiniert reinigende und desinfizierende Lösungen dürfen nur verwendet werden, wenn eine fixierende Wirksamkeit ausgeschlossen werden kann (Alvarado und Reichelderfer 2000; Beilenhoff et al. 2008; KRINKO und BfArm 2012; Zühlsdorf, Floss und Martiny 2004; Zühlsdorf et al. 2002). Fixierende Wirkungen sind sowohl von Glutaraldehyd (Glutaral) als auch von peressigsäurehaltigen Produkten und Alkoholen beschrieben (Kampf, Bloß und Martiny 2004; Prior et al. 2004). Die Reinigungslösung sollte zudem nicht schäumend sein. Das Ziel des Reinigungsschritts, die möglichst rückstandsfreie Entfernung organischen Materials und chemischer Substanzen, konnte in Untersuchungen mit radioaktiv markierten kontaminierten Medizinprodukten nicht erreicht werden (Roth et al. 1999). Eine vergleichende Untersuchung mit verschiedenen Reinigern bezüglich Effizienz, Reproduzierbarkeit und Standardisierbarkeit des Reinigungsschritts bei Aufbereitung von Endoskopen im RDG-E ergab, dass die Effizienz des Reinigungsschritts im RDG-E nicht ohne Optimierung der jeweiligen Prozessparameter erreichbar ist (Zühlsdorf, Floss und Martiny 2004; Zühlsdorf et al. 2002). Bei unzureichender Reinigung sind Wirksamkeit und Effektivität der nachfolgenden Desinfektion nicht gewährleistet – nur was sauber ist, kann auch desinfiziert werden (Chafour et al. 1999; Vickery, Pajkos und Cossart 2000). Weil die Reinigung inkl. Bürstenreinigung der Kanäle auch bei nachfolgender maschineller Aufbereitung in einem Reinigungs-Desinfektions-Gerät für Endoskope (RDG-E) manuell erfolgt und hierbei Fehler auftreten können und um die Effizienz des Reinigungsschritts (Alfa et al. 2013; DGKH et al. 2011) während der Aufbereitung überprüfen zu können, haben Alfa et al. (2012a) als gerätelose Alternative einen Rapid Use Scope Test (RUST) entwickelt. Dieser Teststreifen zeigt in 3 Feldern das Vorhandensein von Protein-, Kohlenhydrat- und Hämoglobinresten oberhalb eines bestimmten Grenzwerts mittels Farbumschlag an und hat in Schulungen des Personals und als interne Qualitätskontrolle des Reinigungsschrittes eine hohe Akzeptanz gezeigt (Alfa et al. 2012a). Anforderungen an Desinfektionsmittel für Endoskope Ein Endoskope, flexibleDesinfektion DesinfektionEndoskope, flexible DesinfektionsmittelEndoskope, flexibleflexibles Endoskop besteht aus vielen unterschiedlichen thermolabilen Materialien. Nach Rutala und Weber (1999) sollte ein ideales Desinfektionsmittel für Endoskope ein breites Wirkspektrum haben, schnell wirken, für Personal und nachfolgend untersuchte Patienten nicht toxisch und frei von Nebenwirkungen, materialschonend, nicht korrosiv, umweltfreundlich und leicht abbaubar sein (Tab. 5.28 ). Die europäische Gesellschaft für gastroenterologische Endoskopie (Beilenhoff et al. 2008), amerikanische Experten (Rutala und Weber 2008) sowie andere Autoren (Kovaleva et al. 2013; Park et al. 2013) haben Empfehlungen für die Auswahl eines Desinfektionsmittels publiziert. Tab. 5.28 Anforderungen an ein ideales Desinfektionsmittel zur Desinfektion flexibler Endoskope Geforderte Eigenschaft Spezifikation Hohe Effizienz Sollte viruzid, bakterizid, tuberkulozid und fungizid sein Wirksamkeit Sollte in der Lage sein, eine Desinfektion schnell zu erreichen Materialverträglichkeit Auch nach mehrfacher Anwendung nur vernachlässigbare Veränderungen in Aussehen oder Funktion, keine schädigenden Wirkungen für Metall (Korrosivität), Gummi, Plastik oder andere Materialien Fehlende Toxizität Keine Gesundheitsrisiken für Anwender und Patienten, umweltverträglich Geruchlosigkeit Keine Geruchsbelästigung Keine Färbbarkeit Keine Verfärbung von Haut, Schutzkittel, MP und Arbeitsflächen Eiweißfehler Kein Wirkungsverlust bei Kontamination mit organischem Material Monitoring Möglichkeit eines Monitorings der minimalen effektiven Konzentrationen mit einfachen Verfahren bei Wirkstoffen mit begrenzter Stabilität wie PES Benutzerfreundlichkeit Einfach anwendbar ohne aufwendiges Training Nutzungszeit Sollte bei manueller Anwendung wiederholt und über einen längeren Zeitraum genutzt werden können Haltbarkeit Sollte vor Anwendung lange und ohne Wirkungsverlust gelagert werden können Entsorgung Sollte ohne spezielle Maßnahmen (wie z. B. vorherige Neutralisation oder Sammlung in Spezialgefäßen) entsorgbar sein (nach Rutala und Weber 1999) Bei der Aufbereitung flexibler Endoskope ist in vielen Ländern nach wie vor Glutaral das am häufigsten verwendete Desinfektionsmittel (Kovaleva 2013; Nelson und Muscarella 2006), während z. B. in Frankreich (aufgrund ministerieller Regelung) Peressigsäure dominiert (Leiß et al. 2008). Die derzeit zur Aufbereitung flexibler Endoskope verwendeten Desinfektionsmittel haben gewisse Limitationen und Nebenwirkungen, die der Anwender kennen und berücksichtigen sollte. Den Vorteilen von GlutaralGlutaralEndoskope, flexible Endoskope, flexibleGlutaral bezüglich seines breiten Wirkspektrums und seiner Materialverträglichkeit stehen allergische und toxische Nebenwirkungen gegenüber. Nach Desinfektion mit Glutaral müssen Desinfektionsmittelreste abgespült werden, um allergische Komplikationen wie Pharyngitis, blutige Diarrhöen und Bauchkrämpfe zu vermeiden (Leiß 2002; Kovaleva et al. 2013). Als thermolabile Instrumente können flexible Endoskope keiner großen Hitze und metallhaltiges endoskopisches Zusatzinstrumentarium keinen korrodierenden, materialschädigenden Desinfektionsmitteln ausgesetzt werden. Oxidationsmittel haben korrodierende Eigenschaften und sind für metallhaltige Instrumente nicht geeignet. Quaternäre Ammoniumverbindungen haben bei Raumtemperatur Wirkungslücken insbesondere gegen gramnegative Bakterien, M. tuberculosis und hydrophile Viren und sind für die Endoskopaufbereitung nicht empfehlenswert (Kovaleva et al. 2013; Leiß 2003; Park et al. 2013). Die sorgfältige Zubereitung der Reinigungs- und Desinfektionsmittellösungen und Einhaltung der Wechselintervalle muss beachtet werden. Ein Biofilm in Endoskopkanälen kann die Reinigung und Desinfektion beeinträchtigen (Kovaleva et al. 2013; Roberts 2013). Ein Vorteil enzymatischer Reiniger bezüglich des Abbaus/der Beseitigung von Biofilmen ist nicht belegt. Da Mikroorganismen im Biofilm vor der Einwirkung von Desinfektionsmitteln geschützt sind, können sie im Biofilm überleben und nachfolgend Infektionen verursachen (Kovaleva, Degener und van der Mei 2010). Deshalb ist eine gesicherte Reinigung unabdingbar. Anforderungen an RDG-E Die Aufbereitung im geschlossenen System des RDG-E reduziert die Desinfektionsmittelbelastung für das Personal und die zeitliche Bindung des Personals, erleichtert die Aufbereitung, standardisiert das Aufbereitungsverfahren und erlaubt sowohl eine rückverfolgende Dokumentation der Aufbereitung als auch einen validierbaren Aufbereitungsprozess. Anforderungen an RDG-EReinigungs-Desinfektions-GeräteEndoskope, flexible Endoskope, flexibleRDG-E (DGKH et al. 2011; ESGE 2000; Höller et al. 2009) beinhalten einen integrierten Dichtheitstest, die Aufbereitung des Wassers zur Schlussspülung (z. B. thermische Desinfektion, Sterilfiltration) und wählbare Programme mit detaillierter Fehlermeldung. Da RDG-E kontaminiert sein können, z. B. mit Pseudomonaden, beinhalten Anforderungen an normkonforme RDG-E auch Programmschritte zur Desinfektion des RDG-E selbst, bei denen alle möglicherweise kontaminierten RDG-E-Bereiche desinfiziert werden. Ferner sind folgende Kriterien für die RDG-E-Auswahl von Bedeutung: • Unabhängigkeit des RDG-E vom Fabrikat/Hersteller der eingesetzten Endoskope • Unabhängigkeit des RDG-E vom Hersteller der eingesetzten Chemie • Erfüllung der Anforderungen der DIN ISO/TS 15883–5; die Wirksamkeit soll gemäß Norm im Gesamtprozess (Reinigung und Desinfektion) 9 log-Stufen betragen • Einzelkanalprüfung • Keine Totstrecken in der Überwachung der Endoskopkanäle Die Validierung und die erforderlichen erneuten Leistungsqualifikationen des Aufbereitungsprozesses in einem RDG-E umfassen neben mikrobiologischen bzw. chemischen Untersuchungen auch verschiedene physikalischen Messungen, mit denen die Erfüllung der gestellten Anforderungen gesichert werden kann (DGKH et al. 2011). Qualität des Schlussspülwassers Ein Endoskope, flexibleSpülwasser WassersicherheitEndoskope, flexiblelange vernachlässigter und im internationalen Vergleich unterschiedlich gehandhabter Aspekt (Leiß et al. 2002) betrifft die hygienischen Anforderungen an das zur Schlussspülung zwecks Entfernung von Desinfektionsmittelrückständen verwendete Wasser (Leiß et al. 2002; Muscarella 2002). Es muss in einem definierten Volumen frei von Krankheitserregern sein. RDG-E, in denen das zur Schlussspülung verwendete Wasser durch Erhitzen desinfiziert und anschließend gekühlt wird, sind zu bevorzugen (Bader et al. 2002; Höller et al. 2009). Bei Verwendung von Leitungswasser, z. B. im Rahmen der manuellen Endoskopaufbereitung, kann eine Rekontamination eintreten. Entsprechend fordern europäische Leitlinien zur Endoskopaufbereitung (Beilenhoff et al. 2008) und die Empfehlung der KRINKO und BfArM (2012) steriles oder sterilfiltriertes Wasser zur Schlussspülung, während amerikanische Leitlinien zur Endoskopaufbereitung (ASGE et al. 2011) auch Trinkwasser zur Schlussspülung erlauben. 5.17.4 Prävention der Erregerübertragung in der Endoskopie Die Endoskopie, internistischeInfektionspräventionentscheidenden Maßnahmen zur Infektionsprävention in der Endoskopie sind die Händehygiene (Santos et al. 2013) und die hygienisch korrekte Aufbereitung von Endoskopen und endoskopischem Zusatzinstrumentarium. Die hygienisch korrekte Aufbereitung komplexer MP wie flexibler Endoskope ist nicht durch eine einzelne Maßnahme erreichbar. Der Prozess der Abreicherung von Mikroorganismen beinhaltet ein aufeinander abgestimmtes mehrstufiges Verfahren, das bei der Aufbereitung flexibler Endoskope i. d. R. aus den Teilschritten Vorreinigung, Reinigung, Zwischenspülung, Desinfektion, Schlussspülung und Trocknung besteht. Das Endoskop darf – wie andere MP – nur von Personen angewandt und aufbereitet werden, welche die dafür erforderliche Ausbildung, die Kenntnisse und Erfahrungen haben. Die Aufbereitung muss mit einem validierten Verfahren erfolgen, die angewandten Verfahrensweisen müssen dokumentiert (KRINKO und BfArM 2012a) und z. B. im Hygieneplan festgehalten werden. Die Einhaltung der Empfehlungen der KRINKO und des BfArM (2012) und gastroenterologischer Fachgesellschaften (ASGE et al. 2011; Beilenhoff et al. 2008; GESA 2014) zur Aufbereitung von Endoskopen liegen in der direkten Verantwortung aller in der Endoskopie Tätigen. Das ist nur durch Teamarbeit in enger Kooperation von Endoskopiepersonal, endoskopierenden Ärzten und dem Hygienefachpersonal erreichbar. Praxis der Aufbereitung und Qualitätssicherung Vorreinigung: Unmittelbar im Endoskopie, internistischeMedizinprodukteaufbereitung MedizinprodukteaufbereitungEndoskopie, internistischeAnschluss an die endoskopische Untersuchung muss eine Vorreinigung (mehrfaches Durchsaugen sämtlicher Kanäle mit Reinigungslösung, Abwischen des Außenmantels des Endoskops mit feuchtem, flusenfreiem Einwegtuch) erfolgen, noch während das Endoskop an die Lichtquelle und die Absaugpumpe angeschlossen ist („bedside cleaning“). Hierdurch soll ein Antrocknen von organischem Material und chemischen Rückständen im Kanalsystem oder an Außenteilen des Endoskops vermieden werden. Beim Transport des Endoskops vom Unetrsuchungsraum in den Aufbereitungsraum kann eine Kontamination des Umfelds durch Verwendung entsprechender (abgedeckter) Transportsysteme verhindert werden. Alle weiteren Aufbereitungsschritte erfolgen räumlich getrennt vom Untersuchungsraum in der unreinen Zone des separaten Aufbereitungsraums. Alle Reinigungsschritte sind unter der Flüssigkeitsoberfläche im Reinigungsbecken durchzuführen, um Spritzeffekte mit kontaminierten Flüssigkeiten zu vermeiden. Die Reinigung des Endoskope, flexibleReinigungEndoskops und aller zugänglichen Endoskopkanäle ist unabdingbarer Bestandteil der korrekten Aufbereitung. Die manuelle Reinigung der Kanäle des Endoskops mit einer desinfizierten, dem Kanaldurchmesser entsprechenden Reinigungsbürste ist derzeit grundsätzlich noch immer durchzuführen, auch bei nachfolgender Aufbereitung im RDG-E (KRINKO und BfArM 2012). Die verwendeten Reinigungsbürsten werden nach jeder Benutzung im Ultraschallbad gereinigt und anschließend desinfiziert oder Einmal-Reinigungsbürsten verwendet. Durch die manuelle Bürstenreinigung der Endoskopkanäle kann die Koloniezahl um bis zu 4 log-Stufen reduziert werden (Alfa, Degagne und Olson 1999; Chu, McAlister und Antonoplos 1998). Für die manuelle Desinfektion sind Endoskope, flexibleDesinfektion DesinfektionsmittelEndoskope, flexiblezertifizierte Desinfektionsmittel einzusetzen, die z. B. in der Liste des VAH (2014) aufgeführt sind. Prinzipiell ist sowohl bei manuellen als auch bei maschinellen Verfahren die Anwendung der viruziden Konzentration bzw. eines viruziden Verfahrens erforderlich (RKI 2007b; VAH 2014). Für die maschinelle Aufbereitung steht derzeit keine Liste mit zertifizierten Desinfektionsmitteln zur Verfügung. Es sind daher nur Reinigungs- und Desinfektionsmittel zu verwenden, deren Eignung und Wirksamkeit in Gutachten der Präparate- bzw. RDG-E-Hersteller nachgewiesen wurde. Da Rückstände von Desinfektionsmitteln im Endoskop beim nächsten Patienten chemische Irritationen und allergische Schleimhautreaktionen (Lippenschwellung, Pharynxödem, hämorrhagische Kolitis u. a.) auslösen können, muss die Desinfektionsmittellösung durch intensives Nachspülen der Kanäle und des Außenmantels des Endoskops sorgfältig entfernt werden (Leiß 2002; Kovaleva et al. 2013; KRINKO und BfArM 2012). Inzwischen gibt es eine Methode zum Nachweis von Glutaral auf aufbereiteten Endokopen (Emmrich et al., 2014a, Emmrich et al., 2014b). Im Anhang der KRINKO-BfArM-Empfehlung (KRINKO und BfArM 2012, Anl. 8) sind Checklisten angeführt, die eine korrekte Durchführung des Aufbereitungsprozesses sicherstellen helfen. Aufbewahrung und Transport flexibler Endoskope Endoskope Endoskope, flexibleAufbewahrungsollten, entsprechend den Herstellerangaben, vorzugsweise hängend in einem geschlossenen Endoskopschrank arbeitsplatznah aufbewahrt werden. Eine Aufbewahrung eines korrekt aufbereiteten Endoskops von 7–14 d gilt als sicher (ASGE et al. 2011; KRINKO und BfArM 2012). Bislang ist nicht erwiesen, dass nach nachweislich sachgemäßer Aufbereitung überhaupt eine Wiederverkeimung auftritt (Lee und Park 2013). Zu endoskopischen Untersuchungen außerhalb der Endoskopieabteilung (z. B. auf Intensivstation) sollte das Endoskop kontaminationsgeschützt in geschlossenen Behältnissen (Wanne mit Abdeckung) oder in keimarmen Tüchern eingeschlagen transportiert werden. Aufbereitung des endoskopischen Zusatzinstrumentariums Endoskopisches ZusatzinstrumentariumEndoskopie, internistischeAufbereitung Zusatzinstrumentarium muss ebenfalls korrekt aufbereitet werden. Optikspülflasche und Anschlussschlauch sind nach MedizinprodukteaufbereitungOptikspülflasche MedizinprodukteaufbereitungAnschlussschlauchGebrauch zu leeren, arbeitstäglich zu desinfizieren, besser zu sterilisieren und anschließend trocken und kontaminationsgeschützt zu lagern. Die Optikspülflasche ist bei Benutzung mit sterilem Wasser zu füllen (Bader et al. 2000; KRINKO und BfArM 2012). Absaugsysteme einschließlich Adapter und Schlauchverbindungen müssen arbeitstäglich gereinigt und desinfiziert werden und sind zwischen den Arbeitstagen trocken und kontaminationsgeschützt aufzubewahren. Eine Aufbereitung von Biopsiezangen und Polypektomieschlingen ist zwar grundsätzlich möglich, stellt jedoch hohe MedizinprodukteaufbereitungBiopsiezangen MedizinprodukteaufbereitungPolypektomieschlingenAnforderungen an den Prozess (Alfa et al. 2006; Andrieu et al. 1995; Roth et al. 1999). Bei der Bürstenreinigung wiederaufbereitbarer Biopsiezangen muss sorgsam vorgegangen werden, um Verletzungen und Infektionen (z. B. durch HCV) zu vermeiden. Es wird empfohlen, schnittfeste Handschuhe zu tragen. Bei der Reinigung von endoskopischem Zusatzinstrumentarium in einem Ultraschallbad sollten die Branchen der Biopsiezangen durch spezielle Clips offen gehalten werden (Jung et al. 2003). Für eine Desinfektion von Biopsiezangen und Polypektomieschlingen muss der Hersteller des RDG-E die Eignung seines Geräts hierfür formal durch die Typprüfung belegt haben. Trotz fehlender Belege erfolgt in der Praxis eine Desinfektion von Biopsiezangen meist parallel zur Desinfektion flexibler Endoskope im RDG-E. Eine alleinige Desinfektion von Biopsiezangen ist zudem unzureichend (Bronowicki et al. 1997), als die Mukosa penetrierende Instrumente sind Biopsiezangen und Polypektomieschlingen zu sterilisieren (KRINKO 2012). Mit einem standardisierten Vorgehen konnte in einer Studie eine korrekte Aufbereitung von Biopsiezangen nachgewiesen werden (Jung et al. 2003). Zur Sterilisation sind nachweislich wirksame (validierte) Verfahren für thermostabile bzw. thermolabile Instrumente unter Beachtung der Herstellerangaben sowie nationaler und internationaler Richtlinien zu wählen. Sterilisierte Instrumente sollen geschützt vor Staub, Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen sowie vor Sonnenbestrahlung und mechanischer Beanspruchung gelagert werden (z. B. in geschlossenem Schrank). In vielen Endoskopieeinheiten wird inzwischen aus Kostengründen und um eine zeitliche Bindung des Personals zu reduzieren, die Verwendung von Einmalzangen und Einmalschlingen präferiert. Reinigungsbürsten für die MedizinprodukteaufbereitungReinigungsbürstenEndoskopkanäle können nach Reinigung im Ultraschallbad anschließend – parallel zur Desinfektion flexibler Endoskope – im RDG-E desinfiziert werden. • Injektionsnadeln (z. B. zur Sklerosierungsbehandlung von Ösophagusvarizen oder zur Unterspritzung blutender Läsionen) sind wegen des hohen Verletzungs- und Infektionsrisikos nur als Einmalprodukt einzusetzen (KRINKO und BfArM 2012). • Endoskopisches Zusatzinstrumentarium, das bei therapeutischen Eingriffen an Gallengängen oder Pankreasgang verwendet wird, muss steril sein. Da mit Wasser oder Kontrastmittel gefüllte Ballons nicht sicher sterilisiert werden können, sind Ballonkatheter für solche Eingriffe nach Gebraauch nicht aufzubereiten und nicht wiederzuverwenden (KRINKO und BfArM 2012). Qualitätssicherung der Endoskopaufbereitung Da QualitätssicherungEndoskopaufbereitung Endoskopie, internistischeQualitätssicherung Endoskopaufbereitungdie Aufbereitung flexibler Endoskope ein mehrstufiges Verfahren der Abreicherung ist und die Einzelschritte, insbesondere bei der manuellen Aufbereitung, nur unter sehr hohem Aufwand validierbar sind, sind mikrobiologische Kontrollen der Ergebnisqualität unabdingbar (Beilenhoff et al. 2007; Buss et al. 2008; DGKH et al. 2010; GESA 2011; Kovaleva 2013; Kovaleva et al. 2009; KRINKO und BfArM 2012; Merighi et al. 1996). Multizentrische Untersuchungen belegen, dass die hygienische Aufbereitung von Endoskopen in fast der Hälfte der Fälle nicht den Empfehlungen gastroenterologischer Fachgesellschaften entsprach (Cronmiller et al. 1999; Kaczmarek et al. 1992; Orsi et al. 1997) und infolge fehlerhafter und/oder nie überprüfter Aufbereitungsverfahren kontaminierte Geräte zum Einsatz kamen (Corne et al. 2005; DiazGranados et al. 2009; Srinivasan et al. 2003). Um Schwachstellen der Aufbereitung zu erkennen und beseitigen zu können und als interne Qualitätskontrolle der Gesamtaufbereitung, sind mikrobiologische Kontrollen in allen Endoskopieeinheiten in Klinik und Praxis zu etablieren (Beilenhoff et al. 2007; Buss et al. 2008; DGKH et al. 2010; Kovaleva et al. 2009; KRINKO und BfArM 2012; Merighi et al. 1996). Auch typgeprüfte RDG-E sollen mikrobiologisch überprüft werden. Außerdem wird nach verfahrenseingreifenden Reparaturen eine Überprüfung mit kontaminierten Dummies empfohlen. Die Anforderungen an RDG-E sind in den letzten Jahren gestiegen (z. B. Einzelkanalüberprüfung zur Sicherung der Durchspülbarkeit aller Kanäle). Eine maschinelle Endoskopaufbereitung, die alle Teilaspekte des komplexen, aufeinander abgestimmten Aufbereitungsverfahrens überprüft und eine fehlerfreie Aufbereitung sicherstellt, ist realisierbar (DGKH et al. 2011; Zühlsdorf und Kampf 2006). Da noch nicht in allen Endoskopie-Einheiten maschinelle Aufbereitungsverfahren, die diesen modernen Anforderungen gerecht werden, zur Verfügung stehen und auch hier devicebedingte Fehler (z. B. Perforation des Endoskopiekanals mit Kontamination des Endoskopinnenraums, Konnektionsprobleme), die zu einem fehlerhaften Aufbereitungsergebnis führen können, nicht ausgeschlossen werden können, soll die Aufbereitung flexibler Endoskope durch mikrobiologische Kontrollen überprüft werden (Beilenhoff et al. 2007; Buss et al. 2008; DGKH et al. 2010; GESA 2011; Kovaleva et al. 2009; KRINKO und BfArM 2012; Merighi et al. 1996). Heudorf et al. (2004) haben bei der infektionshygienischen Überwachung von Endoskopieeinheiten festgestellt, dass insbesondere in kleineren Praxen im Vergleich zu Krankenhäusern relevante Hygienemängel zutage traten. Dazu gehörten das Fehlen eines Ultraschallbads zur Aufbereitung der Zusatzinstrumente, keine arbeitstägliche Aufbereitung der Optikspülflasche bzw. keine Befüllung mit sterilem Wasser. Die Sterilisation der Zusatzinstrumente war nicht sichergestellt, da z. B. kein Sterilisator vorhanden war oder eine mikrobiologische Testung fehlte. Bei einer Überprüfung 10 Jahre später hatten sich Struktur- und Prozessqualität der Endoskop-Aufbereitung verbessert (Jager et al. 2014). Zur Gewährleistung des internen Qualitätsmanagements in der Endoskopie müssen Kenntnisse zur hygienischen Aufbereitung flexibler Endoskope, Verhaltensmaßnahmen zur Verhinderung nosokomialer Infektionen und zur Vermeidung desinfektionsmittelbedingter gesundheitlicher Schäden sowie Maßnahmen zum Selbstschutz vor Infektionen durch regelmäßige Schulungen des Endoskopiepersonals aktualisiert werden. Die Umsetzung in die tägliche Praxis ist Aufgabe des gesamten Teams. Hygienisch korrektes Verhalten sollte integraler Bestandteil eines professionellen Selbstverständnisses aller in der Endoskopie Tätigen sein. Darüber hinaus können durch externe Qualitätssicherungsmaßnahmen eine flächendeckende Implementierung von Leitlinien zur Endoskopaufbereitung und eine drastische Verringerung der mikrobiologischen Beanstandungsquote aufbereiteter Endoskope erreicht werden. So konnte die in der HYGEA-Studie beschriebene Beanstandungsquote von knapp 50 % (Bader et al. 2002) durch die Qualitätssicherungsvereinbarung von 2002 im Rahmen der Einführung der Vorsorgekoloskopie, die das Erbringen von Koloskopien an fachliche Qualifikationen des Untersuchers und an den Nachweis der korrekten Endoskopaufbereitung gekoppelt hat, sukzessive auf inzwischen unter 5 % gesenkt werden (Fröhlich, Leiß und Muller 2013; Fröhlich, Muller und Leiß 2009). 5.17.5 Maßnahmen zum Schutz des Endoskopiepersonal Alle PersonalschutzEndoskopie, internistische Endoskopie, internistischePersonalschutzMitarbeiter der Endoskopie-Abteilung sollten gegen Hepatitis B geimpft sein. Zur Vermeidung einer Übertragung von Infektionserregern von Patienten auf Endoskopiepersonal müssen allgemeine Schutzmaßnahmen (Händehygiene, Schutzkittel, Handschuhe, MNS) strikt eingehalten werden. Bezüglich empfohlener Maßnahmen zum Schutz des in Endoskopieabteilungen arbeitenden Personals siehe Tab. 5.29 (Leiß, Exner und Niebel 1995). Tab. 5.29 Schutzmaßnahmen für das in Endoskopie-Abteilungen arbeitende Personal Vor Aufnahme der Tätigkeit: • Serologische Untersuchungen auf Hepatitis A, B, C und HIV (zur Dokumentation des Ausgangsstatus bei evtl. späterer berufsbedingter Erkrankung) • Aktive Immunisierung gegen Hepatitis B • 13-C-Harnstoff-Atemtest zur Überprüfung einer H.-pylori-Besiedlung der Magenschleimhaut • QuantiFERON-TB-Test • Allergologische Anamnese, ggf. Lungenfunktionsprüfung Während der Tätigkeit: • Einhalten der Basishygienemaßnahmen • Vermeiden gesundheitlicher Schäden durch Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel – Vermeiden von Hautkontakt: Schutzhandschuhe, Schutzbrille bei Aufbereitung von Endoskopen – Vermeiden des Einatmens von Desinfektionsmitteldämpfen: Bevorzugung geschlossener Systeme (RDG-E), bei manueller Aufbereitung Wannen mit Desinfektionsmittellösung stets abdecken, Aufbereitungsraum muss gut lüftbar sein • Regelmäßige Fortbildungen in hygienischen Fragen und Schulung in technischen Aspekten der Endoskopaufbereitung gemäß KRINKO-Empfehlung: – Vermeiden risikoreicher Praktiken bei der Instrumenten-(Zangen-)Reinigung – Keine Wiederaufbereitung von Injektionsnadeln und Papillotomen – Klare Vorgaben zum Vorgehen bei akzidentellen Verletzungen • Regelmäßige gesundheitliche Kontrolluntersuchungen: – Kontrolle des HBs-Antikörpertiters, ggf. Auffrischimpfung – Bei Oberbauchbeschwerden H.-pylori-Diagnostik, bei positivem Befund Eradikationstherapie – Bei Kontaktekzem/-dermatitis oder asthmatischen Beschwerden fachärztliche Kontrollen, ggf. Kontrollen zur Glutaralbelastung der Raumluft und Minimierung, ggf. Arbeitsplatzwechsel (nach Leiß, Exner und Niebel 1995) • Chirurgische Masken schützen nicht vor der Inhalation von mikroorganismenhaltigem Aerosol. • Bei Bronchoskopien von Patienten mit offener Lungentuberkulose sollten FFP-2-Masken getragen werden. 5.18 Geriatrie Rüdiger Thiesemann Die Versorgung geriatrischer Patienten erfolgt in Deutschland in der Hausarztpraxis, in Facharztpraxen, in nicht spezialisierten Krankenhausabteilungen, in Spezialabteilungen für Geriatrie und in den Einrichtungen der ambulanten und stationären Altenhilfe. 5.18.1 Definitionen Geriatrische Medizin: Geriatrische Medizin Geriatrie GeriatrieDefinitionist eine medizinische Spezialdisziplin, die sich mit den körperlichen, mentalen, funktionellen und sozialen Bedingungen der akuten, chronischen, rehabilitativen und präventiven Behandlung und Pflege – auch am Lebensende – befasst. Die Patienten werden mit einem hohen Grad von Vulnerabilität und aktiven Mehrfacherkrankungen assoziiert, was einen ganzheitlichen Behandlungsansatz erfordert. Die Erkrankungen im Alter können sich unterschiedlich präsentieren und sind oft sehr schwierig zu diagnostizieren. Das Ansprechen auf die Behandlung erfolgt verzögert, und es besteht regelmäßig Bedarf für soziale Unterstützung. Daher überschreitet die geriatrische Medizin die organmedizinisch orientierte Medizin und bietet zusätzliche Therapieangebote in einer multidisziplinären Team-Umgebung mit dem Hauptziel der Optimierung des funktionellen Status der Person und der Verbesserung der Lebensqualität und Autonomie. Geriatrische Medizin ist nicht spezifisch altersdefiniert, sie behandelt jedoch die typische Morbidität älterer Patienten. Die meisten Patienten sind über 65 Lebensjahre alt. Die Gesundheitsprobleme, die durch Geriatrie als eine Spezialdisziplin am besten angegangen werden können, werden in der Altersklasse > 80 Jahren viel häufiger (European Union Geriatric Medicine Society 2008). Geriatrischer Patient: Folgende Geriatrische PatientenDefinitionMerkmale kennzeichnen den geriatrischen Patienten in besonderem Maße (Bundesministerium für Familie und Senioren 1993; Zentraleuropäische Arbeitsgemeinschaft gerontologisch/geriatrischer Gesellschaften 1990): • Biologisch höheres Alter, • Multimorbidität, • Gefährdung durch altersbedingte Funktionseinschränkung einerseits und Erkrankung andererseits sowie Vorliegen eines Handlungsbedarfs, der über den kurativ-medizinischen Bereich hinausgeht und insbesondere rehabilitative, somatopsychische und psychosoziale Aspekte zu berücksichtigen hat. Zum funktionellen Status geriatrischer Patient gehören insbesondere die Fähigkeiten/Aktivitäten des täglichen Lebens (Essen, An- und Auskleiden, Selbstversorgung u. a.). Hygienerelevant sind dabei: • das Erkennen des Handlungsbedarfs in der eigenen Körperhygiene (Hirnleistung, Riech-/Sehfähigkeit, sensible Perzeption), • ausreichende motorische Fähigkeiten zur Durchführung der Hygienemaßnahmen (ausreichende Kraft in Armen und Händen, ausreichende Feinmotorik, stabile Rumpfmuskulatur, Erreichbarkeit der Füße), • Die erforderlichen Umgebungsbedingungen zur Durchführung der Hygiene wie Einkaufmöglichkeit für Körperpflegemittel. 5.18.2 Immunologie und Infektionsanfälligkeit im Alter Infektionsanfälligkeit Das Vorhandensein mehrerer Erkrankungen und Krankheitsfolgen und die Immunoseneszenz prädisponieren ältere Menschen für Infektionserkrankungen; einige Erkrankungen führen selbst zu Superinfektionen durch bakterielle und virale Erreger. Die sogenannte ImmunoseneszenzImmunoseneszenz ist nicht als globale reduzierte Immunität, sondern als Dysregulation der Geriatrische PatientenImmunoseneszenz Geriatrische PatientenInfektionsanfälligkeitImmunantwort auf mehreren Ebenen zu bezeichnen. Einige Immunfunktionen sind erhöht, andere herabgesetzt. So ist die Produktion von Zytokinen und Zelloberflächenbestandteilen in einigen Funktionen reduziert (IL-2, IL-3, IL-2 Rezeptor und CD 28 sowie GM-CSF, MIF), andere sind erhöht (CRP, Interleukin 1 und 6 sowie TNF-alpha). Nachgewiesen sind ferner eine verminderte Aktivität der natürlichen Killerzellen, eine Reduktion der Hautreaktionen vom verzögerten Typ und eine Abnahme der Bildung von IgM und IgG (Buttmann und Wiendl, 2010; McElhaney et al., 2012; Peter und Berchtold, 1996). Die Expression von IgG und IgA ist abhängig von zahlreichen modulierenden Kofaktoren gesteigert. Polymorphkernige Granulozyten zeigen ein chemotaktisches reduziertes Migrationsverhalten und eine verminderte mikrobielle Phagozytose. Obwohl die Immunoseneszenz unzweifelhaft existiert, ist die klinische Rolle dieses Phänomens bei der Entwicklung der Prädisposition für Infektionserkrankungen weiterhin unklar, da der Versuch der Klärung in multizentrischen Studien oft gegenläufige bzw. nicht eindeutige Befunde erbrachte (Castle, 2000). Auch die Zusammenhänge mit Umweltfaktoren (Su, Aw und Palmer, 2013), zellulärer Immunkompetenz, Ernährung und Alter (Maijo et al., 2014) sind uneindeutig. Von 2 129 systematischen Studien zur altersbezogenen Infektionsanfälligkeit wurden lediglich 23 Studien im deutschen Sprachraum veröffentlicht. Die behandelten Entitäten umfassen Pneumonien, infizierte Knie-Arthroplastien, epidurale Neurolysen, primär operativen Ellenbogenersatz bei Frakturen, Decubital-Ulcera, vasculäre Komplikationen bei i. v. Drogenabhängigen, zahnmedizinische Foci, Divertikulitis, Komplikation von zementlosen Hüftendoprothesen oder Marknägeln, Inhalationstraumata, eitrige Sakroiliitis, Prostatitis und fokale Spinalerkrankung. Aus diesen hochspezialisierten Einzelthemen lassen sich keine wegweisenden Ableitungen zur Infektionsprävention durch Primärprävention ableiten. Manifestationsformen von Infektionen im Alter Infektionen sind bei geriatrischen Patienten schwieriger zu diagnostizieren und zu behandeln als bei jüngeren. Die Anamnese und der körperliche Befund sind gekennzeichnet durch mehrere Besonderheiten, die am Beispiel der HarnwegsinfektionHarnwegsinfektionengeriatrische Patienten Geriatrische PatientenHarnwegsinfektionen (HWI) aufgezeigt werden: • Oligosymptomatik (Werner 2000) • Verminderter bis fehlender Flankenschmerz/Dysurie (Gleckmann et al. 1982; Juthani-Mehta et al. 2009) • Fehlendes Fieber bei mindestens 11 % und reduzierte Basistemperatur bei weiteren 47 % (Castle et al. 1991) • Keine Erhöhung der Entzündungszeichen, insbesondere fehlende Leukozytose (Tunkel und Kaye 1994), • Allotope Erstmanifestation: Das Leitsymptom entspricht NICHT dem klassischen Lehrbuchsymptom „Dysurie“, sondern zeigt sich als Verwirrtheit, Inappetenz oder auch Husten (Barkham, Martin und Eykyn 1996; Werner 2000). Aspekte zur Diagnostik und Therapie von Infektionen im Alter am Beispiel von HWI: einem der häufigsten Infektions- und Hygieneprobleme bei geriatrischen Patienten. Mehr als ¾ der Klinikantibiogramme aus Urinisolaten stammen von Patienten > 60 Jahre (Thiesemann 2004), sodass dieser Patientengruppe wegen des häufigen Auftretens, der klinischen Relevanz der Grunderkrankung, des klinischen Outcomes und aus Kostengründen besondere Bedeutung zukommt. HWI verlängern die Verweildauer im Krankenhaus um 1–4 d und verursachen z. B. in den USA zusätzliche Kosten von 500–600 Dollar pro Patient (Jarvis 1996a). Bei 5–23 % der gebrechlichen älteren Patienten führt eine HWI mit Bakteriämie zum Tod (Nicolle, Strausbaugh und Garibaldi 1996). Die Mikrobiologie bei Geriatrische PatientenErregerspektrum HWI HarnwegsinfektionenErregerspektrum Geriatriegeriatrischen Patienten scheint sich bei HWI signifikant zu unterscheiden. Klebsiellen werden ebenso wie P. aeruginosa, Proteus spp. und KNS häufiger als in anderen Kohorten/Settings gefunden. Dabei wurden die absoluten und relativen Häufigkeiten von neun verschiedenen uropathogenen Erregern in einem rein geriatrischen Krankenhaus mit denen anderer Autoren/Settings verglichen (Thiesemann et al. 2009). Das gehäufte Vorkommen von Klebsiellen im geriatrischen Krankenhaus bzw. in den Isolaten von geriatrischen Urinkulturen ist noch nicht abschließend geklärt. Eine Hypothese verbindet die Themenkomplexe „Stuhlinkontinenz und mangelnde Alltags-Selbstpflege-Fähigkeiten bei geriatrischen Patienten“ und die Bedingungen der Abnahmetechniken der Urinproben. Es besteht die Frage, inwieweit die funktionellen Einschränkungen geriatrischer Patienten zu Kontaminationen beitragen. Ansätze zu interdisziplinären Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von nosokomialen HWI geriatrischer Patienten (Thiesemann 2004) sind formuliert, aber in Deutschland nicht weiterverfolgt worden. Die gemeinsame Konsultation von Infektiologen und Geriatern reduzierte die Verschreibungsfrequenz von Antibiotika um 21 % (Bonnal et al. 2008). Dies setzt jedoch die Differenzierung zwischen asymptomatischer Bakteriurie, unterer und oberer HWI sowie eine Therapiefreiheit im ärztlichen Dienst voraus. Einer der bedeutendsten Risikofaktoren HarnwegsinfektionenRisikofaktoren Geriatrie Geriatrische PatientenRisikofaktoren HWI für Zystitis, Pyelonephritis, Bakteriämie und Urosepsis ist das Vorhandensein eines transurethralen Dauerkatheters (Bundesgesundheitsministerium, 1999), der schnellstmöglich entfernt werden sollte. Die Forderung leitet sich aus dem Risikoprofil und den Komplikationen ab. Tal et al. (2005) beschrieben hohe Sterblichkeitsquoten bei geriatrischen Patienten, die an HWI litten, bei Klebsiellen-HWI von 30,8 %, bei Proteus-HWI von 62,5 % sowie bei Staphylokokken-HWI von 31,3 %. Signifikant mit dem letalen Ausgang assoziiert waren • der Gebrauch eines Dauerkatheters, • der funktionelle Status, • das Vorhandensein einer Urininkontinenz, • die Anzahl der Diagnosen und die Verweildauer. Nicht signifikant war der Zusammenhang mit den Variablen Alter, Geschlecht, Pflegeheimzuweisung, Nachweis eines bestimmten Erregers und Diabetes als Komorbidität. Die in früheren Leitlinien erhofften Fortschritte bei Katheter-assoziierten HWI (Tenke et al. 2008) sind leider ausgeblieben (Tenke et al. 2012). Antibiotikatherapie im Alter DieGeriatrische PatientenAntibiotikatherapie Antibiotikatherapiegeriatrische Patienten Anwendung von Pharmaka bei älteren Patienten setzt diese einem – im Vergleich zu jüngeren Patienten – höheren Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) aus (Wehling, Burkhardt und Frölich, 2011). Diese lösen ihrerseits Kaskadeneffekte aus, die ggf. weitere Behandlungen begründen (C. difficile – Enteritis, Durchfall, Exsikkose → Verwirrtheit → Delir → kardiovaskuläre/neurologische Erkrankungen, Sturz, Fraktur → Pflegebedürftigkeit, Tod). Die Ursachen hierfür sind u. a. die Verminderung des intravasalen Volumens, die herabgesetzte renale Clearance, eine erhöhte Wirksamkeit lipophiler Substanzen sowie Interaktionen mehrerer Pharmaka. Bei der Einnahme von fünf bis sechs Pharmaka hatte sich das Risiko einer UAW verdoppelt, bei mehr als acht Präparaten sogar verdreifacht (Field et al. 2001). Daher bedarf es im Alter einer besonders engen Indikationsstellung von Pharmaka, insbesondere von Antibiotika. Die Anwendungen von Schulungsprogrammen auf Personal- und Einrichtungsebene geben erste Hinweise auf eine erfreuliche Verminderung von Clostridien-Infektionen, z. B. durch Antibiotika-Stewardship-Programme (Feazel et al. 2014); daher ist es ratsam, die Methoden der Infektionsprävention bei geriatrischen Patienten/Syndromen stringent einzusetzen (Wald, 2012). Die Anwendung von Antibiotika ist immer wieder als zu aktualisierendes Thema präsent (Wagenlehner et al. 2008). In eigenen Untersuchungen (Thiesemann, von Schoenfeld und Orth 2007) zeigten die Kombinationen der fünf häufigsten Erreger mit den fünf häufigsten Wirkstoffen bei mehr als der Hälfte der möglichen Therapieentscheidungen in der Geriatrie eine deutlich eingeschränkte antibiotisch zu erwartende Wirksamkeit (Resistenzquote > 10 %, gemäß Infectious Diseases Society of America dann nicht mehr empfohlen). • Für eine Antibiotikatherapie ist zwingend eine absolut sauber entnommene Urinprobe erforderlich. • Bei Rezidiv-Infektionen von betagten Männern wird die Mitbehandlung durch einen Urologen empfohlen. • Bei pathologischem Restharn ist eine Infektionssanierung ohne suffiziente Ableitung nicht möglich. 5.18.3 Infektionen in der stationären Altenpflege Das Management von Infektionen in der stationären AltenpflegeInfektionen, nosokomialeAltenpflege, stationäre GeriatrieAltenpflege, stationäre Altenpflege, stationäre Altenpflege, stationäreInfektionsrisiko ist ein enormes Problem, da nur wenige der in Heimen tätigen Ärzte eine geriatrische Ausbildung aufweisen. Insgesamt sind in Deutschland nur 2 087 Geriater tätig (Bundesverband Geriatrie, Weißbuch Geriatrie, 2010); das entspricht 0,66 % aller von der Bundesärztekammer gelisteten Ärzte. Zu dem quantitativen Problem kommen die o. g. Besonderheiten der geriatrischen Symptomatik (Oligosymptomatik usw.). Die Problemlage ist so hoch komplex, dass die Infectious Diseases Society of America eine eigene Leitlinie (High et al. 2009) für den Umgang in Pflegeheimen erstellt hat, deren Wiedergabe den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würde. Analog hat die KRINKO schon 2005 eine Empfehlung zur Infektionsprävention in Heimen herausgegeben (Kap. 7.6.4). Als Orientierungshilfe für diesen Bereich seien folgenden Aspekte aufgelistet: Die MRSA-Prävalenzen im Pflegeheimen betragen in Deutschland bei steigender Tendenz zwischen 1,1 % bis 2,4 % (Anonymous 2009), in US-amerikanischen Pflegeheimen bis zu 10 % (O'Fallon et al. 2009). Als Präventionsmaßnahmen werden ein kontrollierter Umgang mit Antibiotika und eine intensivierte hygienische Händedesinfektion als Basismaßnahme empfohlen (Kap. 2.1). Es ist davon auszugehen, dass die von Pittet et al., 2000, Pittet, 2010 beschriebenen Ziele/Vorzüge der Händedesinfektion auch für Pflegeheimbewohner gelten. Über Altenpflege, stationäreIsolierung IsolierungAltenpflege, stationäredie Notwendigkeit von Isolierungsmaßnahmen im Pflegeheimsektor herrscht vielerorts Unkenntnis und Verunsicherung. Während die Empfehlung der KRINKO (2005) explizit festhält, dass Einzelzimmer sind nicht generell erforderlich sind, sind die Heimträger durch konkurrierende Rechtsordnungen (Heimrecht, SGB XI, Qualitätsmanagement usw.) manchmal zu strikterem Verfahren angehalten. Die fehlende Kenntnis und Aufklärung von Angehörigen hat bei einer Gutachtenpatientin der Verfasser zu dem Missstand geführt, dass sie sich in der eigenen Wohnung jedes Mal „MRSA“-üblich eingekleidet hat (mit MNS, Kittel und Haube), bevor sie ihrem betagten Ehemann das Frühstück in das Pflegezimmer der Wohnung gebracht hat. Dieser war zwei Wochen zuvor aus einem Krankenhaus entlassen worden und die ambulante Pflegedienstmitarbeiterin hatte die 89-jährige Ehefrau dann „geschult“. 5.18.4 Multiresistente Erreger bei geriatrischen Patienten Es Geriatrische PatientenMRE Multiresistente Erregergeriatrische Patientengelten grundsätzlichen die gleichen Regeln für den Umgang mit innerklinischen MRSA-Konstellationen wie bei nicht geriatrischen Patienten (Kap. 3.7.3). Eigene Untersuchungen aller Isolate aus einem 300-Betten-Krankenhaus und einer geriatrischen Klinik zeigte nur eine geringe Anzahl von MRE sowohl in interdisziplinären (Thiesemann, von Schoenfeld und Orth 2007) als auch in rein geriatrischen Erhebungen (Thiesemann, Walter und Fusgen 2009). In einer Untersuchung an der ehemaligen Geriatrischen Universitätsklinik der Universität Witten-Herdecke wurde festgestellt, dass der prozentuale Anteil von MRSA-positiven Patienten bei 6,7 % lag. Das entspricht einem altersunabhängigen Durchschnitt und dem Durchschnitt bei Intensivpatienten (Lucet et al. 2003). Im Allgemeinen werden geriatrische Patienten u. a. aufgrund von Multimorbidität, häufigerem Vorkommen chronischer Wunden, eingeschränkter Fähigkeit zur Körperhygiene (Daeschlein et al. 2006) und höherer Hospitalisierungsraten in höherem Maße als MRSA-Träger vermutet (Johnston und Bryce 2009). Unbeantwortet ist die Frage, warum trotz des Vorhandenseins einschlägiger Risikofaktoren kein höherer Anteil an MRSA-Trägern unter den alten Patienten festzustellen ist. Zu vermuten ist, dass der Übertragungsweg eine nicht unerhebliche Rolle bezüglich der Verbreitung spielt. Bezogen auf geriatrische Patienten müssen insbesondere die Übertragungswege kritisch erfasst werden. Die MRSA-Sanierung (Kap. 2.2) bleibt ein zunehmendes Problem, da sie erhebliche negative Auswirkungen auf die Arbeit mit geriatrischen Patienten und Rehabilitanden hat (Just et al. 2005). Für geriatrische Rehakliniken sind daher Adaptationen empfohlen worden (Elkeles und Just 2006). Für die klinische Praxis ist zu beachten, dass seit 2009 der Nachweis von MRSA aus Blutkulturen und Liquor nach § 7 IfSG an das Gesundheitsamt meldepflichtig ist. 5.18.5 Infektionsprävention bei geriatrischen Patienten Komplementär Geriatrische PatientenInfektionspräventionzu den allgemein empfohlenen Maßnahmen sind folgende „pflegebasierte“ Empfehlungen zur Erkennung und Minimierung von Infektionen in Praxis und Klinik umzusetzen. Diagnostik Anamnese (Befragung des Patienten, seiner Angehörigen und des Hausarztes): • Kommt der Patient aus Einrichtungen mit hohem Risiko für das Vorliegen einer Besiedelung mit MRE (Dialysepraxen, Infektionsabteilung usw.)? • Wie oft und welche antibiotischen Therapien wurden in den letzten drei Monaten durchgeführt? • Wann wurden intrakorporale Fremdkörper (Dauerkatheter, Venülen, ZVK usw.) entfernt bzw. liegen sie noch? Körperlicher Befund: • Gibt es Zeichen für ein erhöhtes Reinfektionsrisiko (unverheilte Wunden, Hämatome, Zustand nach Phlebitis-Läsionen, Zeichen der Malnutrition, Gewichtsabnahme > 5 % vom Ausgangsgewicht)? • Gibt es (zusätzlich zu a) weitere potenzielle Infektionsherde, wie kariöse Zähne und Parodontitis, Furunkulel (insbesondere bei Diabetikern) oder Onychomykosen? • Geriatrischer Funktionsstatus (Auswahl in Hinblick auf Hygiene). Ist der Patient in der Lage – Hautpflege selbst durchzuführen, – Nagelpflege selbst durchzuführen (→ Inspektion auf Speise-/Stuhlrestverschmutzungen), – seine Nahrungsaufnahme selbst vollständig durchzuführen, – sein Essen unbehindert zu aufzunehmen oder liegt eine unerkannte Schluckstörung vor (Eisenstadt 2012) und – seine Ausscheidungsfunktionen selbst vollständig durchzuführen (einschließlich der Hygienemaßnahmen) oder liegt eine Inkontinenz vor? Maßnahmen Folgende Maßnahmen verbessern nachweislich die Funktion, vermindern das Risiko der Pflegeheimeinweisung und mindern das Mortalitätsrisiko (Bachmann et al. 2010): • Bei auffälligen Befunde aus der Anamnese ist die sorgsame Überwachung/Watchful Waiting des Betagten zu organisieren. • Bei Auffälligkeiten im körperlichen Befund ist der behandelnde Arzt hinzuziehen und eine Sanierung anzustreben (inkl. Facharzt, Zahnarzt usw.). Bei Malnutrition ist die Ergänzung der Nahrung durch Nährstoff-Supplemente durchzuführen (seit 2004 verordnungsfähig). • Ist im geriatrischen Funktionsstatus eine Verschlechterung festzustellen, kann eine geriatrische Akutbehandlung, eine akutmedizinische Frührehabilitation (OPS 8–550.1 via Hausarzteinweisung) oder eine geriatrische Rehabilitation (via Bewilligung der Kostenträger) erwogen werden. Eine geriatrische Rehabilitation ist seit 2009 auch für pflegebedürftige Betagte möglich. Das Wirkungsfeld der Hygienemaßnahmen ist im Krankenhaus, Arztpraxis und anderen Settings an der Schnittstelle von körperlicher Hygiene, geriatrischen Funktionsstörungen und abzuwendenden Infektionserkrankungen anzusiedeln. Durch konsequente Anwendung der Hygienemaßnahmen kann das Eintreten von Krankheiten bei geriatrischen Patienten erfolgreich verzögert/vermieden werden. Empfohlen Geriatrische PatientenImpfungen Schutzimpfungengeriatrische Patientenwerden (Kwetkat und Pleetz 2013; Reuben et al. 2014; STIKO 2013) – auch bei älteren Patienten – folgende Impfungen: • Hepatitis B vor Dialysebehandlung und bei negativen Hepatitisantikörpern • Pneumokokken • Influenza jährlich (Menschen in Altenheimen) • Meningokokken (Serogruppen A, C, W135, Y); (Personen mit engen Kontakten in Gemeinschaftseinrichtungen mit haushaltsähnlichem Charakter) Zu bedenken sind auch bei Impfungen bestimmte Wechselwirkungen mit der Pharmakotherapie. Amerikanische Geriater beschreiben z. B. bei der Behandlung mit oralen Antikoagulanzien (Warfarin) eine Minderung der International Normalized Ratio (INR) durch Grippevakzine (Reuben et al. 2014). Eine Darstellung der differenzialtherapeutischen Implikationen und der spezifischen Anwendungen bei Senioren würde den Rahmen des Kapitels bei weitem überschreiten. Für weiterführende Inhalte zur Vakzination im Alter wird verwiesen auf Aspinall et al. (2007), Crawford, O'Hanlon A und McGee (2011), Derhovanessian und Pawelec (2012), Grubeck-Loebenstein (2010), Kelly und Newall (2008), Kovaiou, Herndler-Brandstetter und Grubeck-Loebenstein (2007), Newall und Dehollain (2014), Schmitz und Wubker (2011), Sung al. (2014), Weinberger et al. (2013), Wang et al. (2013) sowie insbesondere auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (2013). Weiterführende Inhalte der allgemeinen Geriatrie sind bei Füsgen und Anlauf (2000) und Halter et al. (2009) zu finden. 5.18.6 Mund- und Zahnpflege Thomas Kocher und Axel Kramer Als Beispiel für die Infektionsprävention durch Gewährleistung der persönlichen Hygiene wurde Geriatrische PatientenZahnpflege Geriatrische PatientenMundpflege Zahnpflegegeriatrische Patienten Mundpflegegeriatrische Patientendie Mundhöhlenhygiene ausgewählt, weil durch die orale Mikroflora hervorgerufene parodontale Entzündungen die Allgemeingesundheit durch Verstärkung der systemischen Entzündung, durch hämatogene Streuung oder durch Aspiration in die Lunge beeinflussen können. Ein strukturiertes Mundhygienesystem mit regelmäßigem Zähneputzen und regelmäßiger Prothesenpflege ist eine Voraussetzung für die Karies-, Gingivitis- und Parodontitisprophylaxe sowie zur Vermeidung einer Prothesenstomatitis mit Erhalt der physiologischen Mundhöhlenflora. Dadurch wird dem Risiko von Infektionen in der Mundhöhle einschließlich davon ausgehender weiterer Infektionen (z. B. Endokarditis, Pneumonie bei apparativer Beatmung) entgegengewirkt. Plaquestatus: Da körperlicheGeriatrische PatientenPlaquestatus Plaquestatus, geriatrische Patienten oder geistige Behinderung im fortgeschrittenen Lebensalter die regelmäßige suffiziente mechanische Plaqueentfernung und Mundhöhlenhygiene erschweren, überrascht es nicht, dass bei Erhebung des Plaqueindexes in einem Altenheim (n = 212) im Mittel aller Zähne folgender Befund erhoben wurde: keine sichtbare Plaque in 1 %, dünner Plaquefilm in 18 %, mäßige Plaque Geriatrische PatientenPlaquestatusder gesamten Zahnoberfläche in 39 % und dicke Plaque unter Einbeziehung des Interdentalraum in 42 %. Auf Prothesen ergab sich ein ähnliches Bild: keine sichtbare Plaque in 11 %, dünner Plaquefilm in 28 %, mäßige Plaque in 31 % und dicke Plaque in 29 % (Kramer A, unveröff.). Epidemiologische Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen oraler Gesundheit und Pneumonien bei älteren Menschen hin, die sich in ambulanter oder stationärer medizinischer Pflege und in Pflegeinstitutionen befinden (Azarpzhoo und Leake 2006). Sogar von Senioren, die selbstständig in häuslicher Umgebung lebten, wurden 13 % innerhalb von 10 Jahren stationär wegen einer Pneumonie behandelt. Etwa 22 % des Krankheitsgeschehens kann unabhängig von anderen Störvariablen durch hohe Plaquewerte und eingeschränkte Körperbeweglichkeit erklärt werden. Allein diese Daten belegen, dass die Präventionsmöglichkeit eine verbesserte Mundhygiene bietet (Juthani-Mehta et al. 2013). Eine professionelle Zahn-, Mund- und Prothesenpflege durch das Pflegepersonal scheint auch die Häufigkeit respiratorischer Infektionen und die Mortalität durch Pneumonien bei geriatrischen Patienten zu reduzieren (Abe et al. 2006; Fanello et al. 2006). Bei japanischen Senioren konnten durch einfache professionelle Zahn- und Prothesenreinigung das Pneumonierisiko und die Mortalität durch Pneumonien deutlich gesenkt werden. Bei bezahnten Senioren mussten 12 Personen behandelt werden, um einen Fall von Pneumonie zu vermeiden (Yoneyma et al. 2002). In einer weiteren japanischen Präventionsstudie in einem Altersheim verstarben in der Testgruppe innerhalb eines Jahres 5 %, in der Kontrollgruppe 17 % der Probanden an einer erworbenen Pneumonie (Adachi et al. 2007). Bei beatmeten Patienten auf Intensivstationen ist die erworbene Pneumonie eine häufige Komplikation. Bei diesen schwer erkrankten Patienten konnte jedoch durch alleiniges Zahnbürsten die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation oder die Mortalitätsrate nicht verringert werden. Auch hatte eine elektrischen Zahnbürste im Vergleich zu Handzahnbürsten keinen Vorteil (Alhazzani et al. 2013). Bei diesen Patienten ist die Antiseptik der gesamten Mundhöhle mittels Spülung oder Gel z. B. auf Basis von CHX oder OCT wichtiger als die mechanischen Reinigung (Kap. 4.4.5). Durch tägliche Applikation von 0,2-prozentigem CHX-Gel wurde die Rate der VAP im Vergleich zur Standardprozedur um bis zu 40 %gesenkt, allerdings konnte kein Einfluss auf die Mortalität oder die Liegedauer belegt werden (Shi et al. 2013). Zähneputzen mit einer Chlorhexidinspülung ist bei beatmeten Patienten derzeit als die beste orale Hygienemöglichkeit anzusehen (Roberts et al. 2011). Zurzeit wird heftig diskutiert, ob sich als Folge einer chronischen Parodontitis das Risiko für koronare Herzerkrankung und Schlaganfall erhöht (Bahekar et al. 2007; Humprey et al. 2008). Bisherige Beobachtungsstudien unterstützen die Assoziation zwischen Parodontal- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen unabhängig von bekannten Einflussfaktoren. Allerdings ist unklar, ob Parodontalerkrankungen kausal mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen. Erst kürzlich wurde das orale Gesundheitsverhalten (Zähneputzen) mit dem Risiko für kardiovaskuläre Mortalität in Verbindung gebracht und gezeigt, dass die Mortalitätsrate unabhängig von weiteren Faktoren umso geringer ist, je häufiger die Zähne geputzt werden (de Oliveira, Watt und Hamer 2010). In einer 3-jährigen Beobachtungsstudie reduzierte ein verbesserter klinischer Parodontalstatus die periopathogene Erregerlast und die Progression der Intimamediadicke, die als ein Ersatzparameter für arteriosklerotische Veränderungen angesehen wird (Desvarieux et al. 2005; Matthias et al. 2007). Obwohl eine Parodontalbehandlung die systemische Entzündung reduziert und die endotheliale Dysfunktion verbessert, gibt es bisher keinen Hinweis, dass eine Parodontalbehandlung die Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermindert (Lockhart et al. 2012). Es sind randomisierte Therapiestudien notwendig, um den Einfluss oraler Interventionen auf die kardiale Gesundheit festzustellen. Bei eingeschränkter Fähigkeit zur Mundhygiene wird die Anwendung einer antiseptischen Mundspüllösung zur Plaquehemmung (Karies- und Gingivitisprophylaxe) empfohlen (Clavero et al. 2003; Pitten, Rosin M und Kramer 2001). Wichtig ist, dass auch Prothesen und die orale Prothesen tragende Mukosa gereinigt werden. Zur Reduktion von Plaque und Gingivitis ist für die längerfristige bzw. Daueranwendung Meridol® (Arweiler, Neutschil und Reich 2001; Brecx et al. 1990; Brecx, Netuschil und Hoffmann 2003) geeignet. Da bei bestimmten, für den Alkoholabbau relevanten genetischen Polymorphismen möglicherweise schon die regelmäßige Anwendung ethanolhaltiger Mundspüllösungen ein Risikofaktor für die Krebsentwicklung im Aerodigestivtrakt ist (Ahrens et al. 2014), empfiehlt sich bei der seltenen ADH-7 bzw. bei auffälliger Alkoholintoleranz die Anwendung alkoholfreier Mundwässer. In dem Mundhöhlenantiseptikum Listerine® ist der Ethanolgehalt mit 21,6 % bzw. 26,9 % deutlich höher als z. B. in Bier und Wein. Für Personen, die nur niedrigprozentige Spirituosen bzw. selten oder nicht Alkohol trinken, ergibt sich bei täglicher Anwendung eines derartigen Mundwassers eine deutlich höhere lokale Ethanolexposition als durch gelegentlichen Alkoholgenuss, sodass auch dieser Aspekt in die Risikobewertung einzubeziehen ist. Bei schmerzhaften, akuten Gingivitiden kann kurzfristig eine 0,12- bis 0,2-prozentige CHX-Lösung eingesetzt werden (Clavero et al. 2003; Lang et al. 1998; Lucas und Lucas 1999; Montiel-Company und Almerich-Silla 2002; Zhang, Kashket und Lingstrom 2002). Allerdings sollen chlorhexidinhaltige Präparate aus toxikologischen Gründen nicht länger als 2 Wochen angewandt werden (Splieth und Kramer 2000). 5.19 Dialyse Matthias Girndt Die Therapie des terminalen Nierenversagens erfolgt in unterschiedlichen organisatorischen Formen. Die Mehrzahl der Patienten wird in ambulanten Hämodialyseeinrichtungen i. d. R. 3-mal wöchentlich behandelt. Etwa 5 % der Patienten, die auf ein dauerhaftes Nierenersatzverfahren angewiesen sind, werden mittels Peritonealdialyse behandelt. Während die chronische Hämodialyse in > 90 % als Zentrumsdialyse und nur noch selten als Heimhämodialyse durchgeführt wird, erfolgt die Peritonealdialyse meistens als Heimbehandlung in Eigenregie des Patienten. Daneben erfolgen Dialysebehandlungen unter stationären Bedingungen, hier sind v. a. die intermittierenden und kontinuierlichen Behandlungsverfahren in der Intensivmedizin zu berücksichtigen. Da der Verlust der Nierenfunktion zur schwerwiegenden Funktionseinschränkung des Immunsystems mit gestörter Abwehr gegen bakterielle und virale Erreger führt (Vanholder et al. 1996), sind Nierenkranke eine infektiologische Risikogruppe. Alle Dialyseverfahren führen zu erhöhten Anforderungen an die Hygieneprozesse mit Bezug auf den Einzelpatienten, da ein großvolumiger Zugang zum Gefäßsystem oder zum Peritoneum benötigt wird. Außerdem führt die extrakorporale Blutreinigung durch Blutspritzer und Kontaminationen zur Transmissionsgefahr zwischen den Patienten einer Behandlungseinrichtung. 5.19.1 Planung einer Dialyseeinheit Bauliche Voraussetzungen An eine Hämodialyseeinrichtung ergeben sich aus den funktionellen Abläufen zahlreiche bauliche Anforderungen. Die Wandflächen und Fußböden der Behandlungsräume sollen glatt, Dialysebauliche Planung DialyseZentrumsdialyseflüssigkeitsdicht, abwaschbar und desinfizierbar sein. Auch die Einrichtungsgegenstände im Behandlungsraum müssen zu reinigen und zu desinfizieren sein, weil jederzeit mit einer Kontamination durch Blutspritzer oder Körperflüssigkeiten zu rechnen ist. Viele Voraussetzungen für die technische Ausgestaltung von Dialyseräumen sind durch Normen des Arbeitsschutzes geregelt (TRBA 250). Die Raumplanung muss Anforderungen an Isolierung und Kohortierung von Dialysepatienten vorsehen, die mit Erregern wie MRSA, VRE oder MRGN kolonisiert sind. Für Heimdialyseverfahren (HeimhämodialyseDialyseHeimdialyse, Peritonealdialyse) gibt es keine formalisierten Hygienevorschriften. Die Patienten sollten sich jedoch einen sauberen, ausreichend großen Platz in ihrem Wohnumfeld einrichten, der gut staubfrei gehalten und desinfizierend gereinigt werden kann. Besondere Anforderungen an die Beschaffenheit von Wänden oder Böden werden nicht gestellt. Bereitstellung von Dialyseflüssigkeiten Hämodialyseeinheiten benötigen eine Wasseraufbereitungsanlage mit Umkehrosmose zur Herstellung von deionisiertem Wasser, das über eine Ringleitung zu den Behandlungsplätzen geführt DialyseDialyseflüssigkeitenwird. Sowohl die Wasseraufbereitung als auch die Ringleitung mit allen Komponenten müssen desinfizierbar sein. Offene DialyseWasseraufbereitungsanlageFlüssigkeitsspeicher sind ungeeignet. Die Leitungen sollten totraumfrei sein und einen möglichst geringen Querschnitt aufweisen, um hohe Flussraten zu erreichen. In der Regel sind die Dialysemaschinen heute mit Wasservorfiltern ausgestattet, die eine ultrareine Wasserqualität gewährleisten. Dennoch ist eine regelmäßige, mindestens halbjährliche mikrobiologische Überwachung der wasserführenden Systeme erforderlich, um rechtzeitig einer Biofilmbildung entgegen wirken zu können (Tab. 5.30 ). Zwar führt die gefürchtete Bildung eines BiofilmsDialyseBiofilm BiofilmDialyse in den Wasserleitungen nicht mehr unmittelbar zu einer Belastung des Patienten, z. B. mit Endotoxin, die Filtersysteme sind hinsichtlich ihrer Standzeiten jedoch auf mikrobiologisch einwandfreies Reinwasser ausgelegt. Tab. 5.30 Mikrobiologische Analyse des Reinwassers zur DialyseDialyseReinwasser, Analyse Entnahmebedingungen Grenzwerte • Probenmenge 0,2 ml • Kulturmedium Caseinpepton-Glukose-Fleischextrakt-Agar • Kultivierungstemperatur 22 ± 2 °C • Ablesung: nach 3 und 7 d • Maximale Anzahl KbE 102/ml • Kein Nachweis von Pseudomonas spp. • Kein Nachweis von Coliformen • Endotoxingehalt ≤ 0,25 IE/ml Neben deionisiertem Wasser benötigt die Dialysemaschine Säure- und Bikarbonatkonzentrat zur Herstellung der Dialyseflüssigkeit. Die Verteilung von Säurekonzentrat kann über zentrale Ringleitungssysteme ähnlich den Reinwasserleitungen erfolgen und ist mikrobiologisch eher unkritisch. Alternativ können Konzentratkanister verwendet werden. Stand der Technik für die Bikarbonatversorgung ist heute die Verwendung von Trockenkonzentrat in Einmalgebinden an der einzelnen Dialysemaschine, um eine Verkeimung zu verhindern. Kritische Stellen der Flüssigkeitsversorgung sind die Konnektoren zwischen Ringleitungssystemen und Dialysemaschinen. Sie sollten möglichst selten geöffnet werden, ein häufiger Standortwechsel der Geräte ist ungünstig. Dennoch ist das mitunter gerade im Bereich der Intensivmedizin unvermeidlich. Dann ist auf die ausreichende Sprühdesinfektion der Konnektoren vor dem Anschluss zu achten. Für den Einzelplatzeinsatz sowie für die Heimdialyse werden mobile Kleinosmosegeräte verwendet, die an das Trinkwassernetz angeschlossen werden. Auch diese Geräte müssen regelmäßig desinfiziert und mikrobiologisch überwacht werden. Organisatorische Voraussetzungen Die Verantwortung für die Hygiene in einer Dialyseeinrichtung liegt beim Betreiber. Dieser muss sicherstellen, dass die Qualifikationsanforderungen an das Personal gemäß Landeshygieneverordnung erfüllt werden und alle Mitarbeiter regelmäßig in Hygienefragen aktenkundig unterwiesen werden. Ein Dialysezentrum benötigt einen DialyseHygieneplanHygieneplan, hierfür besteht eine gesetzliche Verpflichtung aus dem IfSG. Der Hygieneplan legt die Verantwortlichkeiten und die Durchführung von Hygienemaßnahmen in der Einrichtung verbindlich fest. Die Dialysematerialien (Kanülen, Schläuche, Dialysatoren) sind Einmalmaterial, eine Wiederverwendung auch für den gleichen Patienten ist abzulehnen. 5.19.2 Praktischer Betrieb einer Dialyseeinheit Allgemeine Hygienemaßnahmen Patientenbehandlung Die Hygiene verfolgt bei der Nierenersatztherapie drei Schutzziele: • Der einzelne Dialysepatient soll ohne Infektionskomplikationen behandelt werden. • Im Behandlungszentrum muss eine endemische Ausbreitung von Krankheitserregern verhindert werden. • Die Mitarbeiter einer Einrichtung sind im Sinne des Arbeitsschutzes vor berufsbedingten Erkrankungen zu schützen. Basishygienemaßnahmen Folgende Maßnahmen DialyseBasishygienemaßnahmensind die Basis für eine hygienisch einwandfreie Nierenersatztherapie und immer und unabhängig von zusätzlichen, besonderen Risiken (Infektionspatienten) anzuwenden: • Hygienische Händedesinfektion vor/nach jedem Patientenkontakt oder nach Kontakt mit infektionsgefährdendem Material • Tragen von Einmalhandschuhen und Schutzkitteln bei jeder Maßnahme am Patienten, bei der die Möglichkeit des Kontakts mit Blut oder Körpersekreten besteht • Wechsel der Handschuhe vor jedem neuen Patienten • Reinigung und Desinfektion aller Geräte, Maschinen und patientennahen Oberflächen nach jeder Behandlungsschicht • Minimierung der gemeinsamen Benutzung von Gerätschaften (Stauschläuche, Blutdruckmanschetten usw.) für verschiedene Patienten. Überragende Bedeutung kommt der Händehygiene zu, da die Hände der Pflegenden die meisten infektiösen Erreger übertragen. Hygieneinformationen für den Patienten Die DialyseHygieneinformationen für PatientenPatienten sind über hygienisches Verhalten innerhalb und außerhalb des Behandlungszentrums zu instruieren. In der Regel erfolgt auch eine Schulung der Partner des Patienten. Dazu gehören die regelrechte persönliche Hygiene, adäquates Verhalten während der Behandlung, Händedesinfektion bei evtl. Toilettenbesuchen usw. Heimdialyse- und Peritonealdialysepatienten werden umfangreich geschult, um die spezifischen Prozeduren während der Behandlung selbst zu erlernen. Dialysezugang Die DialyseZugangHämodialyse wird meist über eine operativ angelegte arteriovenöse Fistel (Shunt) aus körpereigenen Gefäßen (V. cephalica auf A. radialis am Unterarm, V. cephalica auf A. brachialis in der Ellenbeuge) durchgeführt. Die Punktion erfolgt mit zwei großlumigen (15–17 G, Außendurchmesser 1,4–1,8 mm) Kanülen. Bei Patienten mit ungünstigen Gefäßverhältnissen können arteriovenöse Kunststoffinterponate oder zentralvenöse Dialysekatheter verwendet werden. Infektiologisch sind die nativen Fisteln vorzuziehen. Sind zentralvenöse Katheter unvermeidbar, sollen sie mit einem langen s. c. Tunnel durch die Haut ausgeführt werden, um die Erregeraszension entlang des Plastikmaterials zu erschweren. Ungetunnelte Katheter sind nur für eine kurze Verweilzeit von 1–2 Wochen geeignet. Der Blutfluss während der Dialysebehandlung beträgt 200–400 ml/min. Bei jeder Shuntpunktion ist auf hygienisch einwandfreies Arbeiten zu achten. Unverzichtbare Hygienemaßnahmen bei Verwendung von Dialyseshunts • Händedesinfektion durch das DialyseHygienemaßnahmen, ShuntsPflegepersonal • Verwendung nichtsteriler Einmalhandschuhe • Großflächige Hautantiseptik am Shuntarm unter Beachtung der erforderlichen Einwirkzeiten • Nach Kanülenentfernung Abdrücken der Punktionsstelle mit sterilen Kompressen • Desinfektion der Abdrückhilfen nach jedem Gebrauch • Keine Verwendung von Hautsalben im Shuntbereich. Shuntinfektionen gehören zu den häufigen ShuntinfektionDialyseund schwerwiegenden Komplikationen beim chronisch Nierenkranken. Bei dauerhaft verwendeten zentralvenösen Kathetern sind die Infektionsrisiken erheblich höher als bei nativen Fisteln. Während bei nativen Fisteln mit 0,5–0,8 Infektionen pro 1 000 Dialysen zu rechnen ist, liegt die Infektionsrate bei DialyseShuntinfektionengetunnelten ZVK bei ca. 4–5/1 000 Dialysen (Taylor et al. 2004). Bereits bei der Katheteranlage müssen Fehler vermieden werden. Dialysekatheter sollten, soweit es die Gefäßverhältnisse zulassen, an der oberen Körperhälfte angelegt werden, Femoralkatheter sind nur im Ausnahmefall akzeptabel (3: Zaleski et al. 1999). Hygienemaßnahmen: Bei der Katheteranlage sollen Kopfhaube, MNS, langärmeliger, steriler Kittel sowie sterile Handschuhe getragen werden. Die Einstichstelle muss großflächig antiseptisch benetzt und das Umfeld mit einem sterilen Tuch abgedeckt werden (KRINKO 2002c). Die DialyseKatheteranlageKatheteraustrittsstelle soll steril verbunden werden. In der Regel sind nach jeder Dialyse Verbandswechsel zu empfehlen, bei Transparentverbänden und sauberer Austrittstelle ist ein Verbandswechsel alle 5–7 d akzeptabel. Von der routinemäßigen Anwendung antiseptischer Salben ist abzuraten. Konnektion: Beim Anschluss der Dialysemaschine an einen ZVK ist größte Sorgfalt vonnöten. Offene Konnektoren dürfen nicht mit der Hand berührt werden (Non-touch-Technik). Wichtig ist auch, dass die großlumigen Katheter ausschließlich für die Dialysebehandlung, nicht aber für evtl. Infusionen zu verwenden sind. Hygienemaßnahmen bei der Konnektion am Dialysekatheter • Händedesinfektion durch das DialyseKatheterkonnektionPflegepersonal • Verwendung nichtsteriler Einmalhandschuhe • Verwendung eines MNS durch die Pflegekraft • Patient soll das Gesicht abwenden und nicht sprechen. • Sprühdesinfektion der Konnektoren, Einwirkzeiten beachten! • Beim Abstöpseln sind Blutreste am Konnektor mit Desinfektionsmittel und sterilen Kompressen zu entfernen • Bei Nichtbenutzen wird der Katheter gegen mechanische Belastung geschützt verbunden. Diskonnektion: Um eine Thrombosierung des Katheters zwischen den Dialysen zu vermeiden, wird das Lumen nach Abschluss der Behandlung häufig mit verdünnter Heparinlösung gefüllt. Diese hat allerdings keine antimikrobielle Wirksamkeit, sodass mikrobielles Wachstum und Biofilmbildung im Inneren des Katheters möglich sind. Inzwischen liegen zahlreiche Studien vor, die einen Vorteil antibakteriell wirkender Locklösungen belegen (Jaffer et al. 2008). Die Verwendung ausschließlich von Heparin zur Throomboaseprävention im Dialysekatheter ist nicht mehr als Standard anzusehen. Antibiotikalösungen sind aufgrund der konsekutiv auftretenden Resistenzen abzulehnen. Verwendet werden können konzentrierte Zitratlösungen (30- oder 45-prozentig) sowie Taurolidin-Zitratlösungen. Für letztere ist die Evidenz hinsichtlich der Verhinderung bakterieller Infektionen besser (Zhao et al. 2014). Hoch dosierte Zitratlösungen müssen aufgrund der Gefahr schwerwiegender kardialer Arrhythmien von fachkundigem Personal streng nach Herstellervorschrift angewandt werden, weisen gegenüber Taurolidin aber einen Kostenvorteil auf. Zu beachten ist, dass die Bildung von bakteriellem Biofilm in den Kathetern trotz der Reduktion von septischen Komplikationen wohl auch durch Locklösungen nicht sicher verhindert werden kann (Betjes und van Agteren 2004). Daher bleibt die optimale hygienische Handhabung der Katheter die wichtigste Maßnahme. Parenteralia-Gabe und POC-Diagnostik Relativ DialyseMedikamentengabe, parenterale Arzneimittelparenterale, Dialysehäufig werden während oder am Ende einer Dialyse parenterale Medikamente verabreicht (Heparin, Erythropoetin, Eisen). Es hat sich aus Kostengründen etabliert, hierfür Medikamente aus Multidose-Gebinden zu verwenden. Das ist akzeptabel, sofern die Vorbereitung der Parenteralia aus Durchstechampullen an einem sauberen desinfizierten Arbeitsplatz erfolgt, an dem ein Kontakt mit bereits am Patienten angewandten Kanülen, Dialysatoren, Schlauchsystemen oder anderen potenziell kontaminierten Gegenständen ausgeschlossen ist. Es ist strikt darauf zu achten, dass parenteral zu applizierende Medikamente zunächst am Parenteraliaplatz in geeigneten Spritzen aliquotiert und diese dann auf die Behandlungsplätze verteilt und umgehend angewandt werden. Keinesfalls darf die Multidose-Ampulle von einem zum anderen Patienten im Dialyseraum kreisen. Dialysezentren Point-of-Care-Diagnostik DialysePoint-of-Care-Diagnostikführen häufig Point-of-Care-Diagnostik (POC-Diagnostik), vor allem Blutzuckermessungen oder Blutgasanalytik/Ionometrie, aus Blutproben durch. Bei der Blutzuckermessung besteht eine Kontaminationsgefahr durch Messgeräte, Lanzetten oder Teststäbchen. Einmalmaterialien müssen sofort nach Einsatz in sichere Abfallbehälter entsorgt werden. Der Einsatz von Blutzuckermessgeräten, die von einem Patienten zum anderen durch das Dialysezentrum kreisen, ist kritisch zu bewerten. Hier ist eine Wisch- oder Sprühdesinfektion beim Wechsel von einem Patienten zum nächsten erforderlich. Der Säure-Base-Analysator steht i. d. R. an einer zentralen Stelle im Dialysezentrum. Die Blutproben müssen dorthin gebracht, gemessen und dann fachgerecht entsorgt werden. Die Pflegekraft muss vor Verlassen des Messplatzes die Handschuhe ausziehen und darf erst nach Händedesinfektion in den Behandlungsbereich zurückkehren. Für die Vorbereitung von Multidose-Medikamenten und die POC-Diagnostik sind in einem Dialysezentrum detaillierte Verfahrensanweisungen, die Bestandteile der Hygieneplans sind, zu erstellen. Problemerreger im Dialysezentrum Bei Dialysepatienten, die mit sog. DialyseProblemerregerProblemerregern besiedelt sind, müssen im Dialysezentrum in unterschiedlicher Abstufung zusätzliche Hygienemaßnahmen durchgeführt werden (Tab. 5.31 ). Hierzu kann eine Separierung von kolonisierten/infizierten Patienten gehören. Im ambulanten Dialysezentrum unterscheidet man die organisatorische, die räumliche und die zonale Separierung: Tab. 5.31 Schutzmaßnahmen bei Problemerregern in der DialyseVancomycin-resistente ErregerDialyseHepatitis-B-VirusDialyseHepatitis-C-VirusDialyseNorovirenDialyseMethicillin-resistenter Staphylococcus aureusDialyseHuman Immunodeficiency VirusDialyseESBL-BildnerDialyseClostridium difficileDialyseDialyseProblemerreger Erreger Routinescreening Separierung Eigene Maschine Hepatitis-B-Virus Jährlich1 Ja Ja Hepatitis-C-Virus Jährlich1 Nein Ja HIV Bei Eintritt in ein Dialyseprogramm2 Nein Ja MRSA Risikopatienten3 Ja, evtl. zonal Nein VRE Nein Bei besonderem Transmissionsrisiko4 Nein MRGN Nein Bei besonderem Transmissionsrisiko4 Nein C. difficile Nein Bei besonderem Transmissionsrisiko4 Nein Norovirus Nein Ja Nein 1 Evtl. zusätzlich nach Urlaubsdialysen in Endemiegebieten 2 Individuelles Einverständnis des Patienten erforderlich. 3 Nach Risikodefinition analog KBV Vergütungsvereinbarung 4 z. B. bei aktiver Durchfallerkrankung, mangelnder Kooperation des Patienten hinsichtlich hygienischen Verhaltens • Die organisatorische Separierung erfolgt Separierungorganisatorische DialyseSeparierung der Patientendurch Behandlung kolonisierter und nicht kolonisierter Patienten zu unterschiedlichen Zeiten oder in unterschiedlichen Behandlungsschichten. • Die räumliche Separierung bezeichnet Separierungräumlichedie Behandlung in einem in der Regel durch eine Tür abgetrennten Raum. • Der Begriff der zonalen Separierung wurde für Separierungzonaledie Behandlung MRSA-kolonisierter Patienten in der ambulanten Dialyse zusätzlich als Erweiterung der durch die Richtlinien der KRINKO vorgegebenen Separierungskategorien eingeführt (Deutsche Gesellschaft für Nephrologie 2006). Er beschreibt die Abgrenzung innerhalb eines Behandlungsraums z. B. durch eine mobile Trennwand. Bei Betreten des zonal abgegrenzten Bereichs sind alle Maßnahmen wie bei Betreten eines Isolierzimmers (Händedesinfektion, Handschuhe, Schutzkittel, MNS) zu treffen. Bei der zonalen Trennung ist auf ausreichende Größe des abgetrennten Bereichs zu achten, um darin die notwendigen hygienischen Arbeitsprozesse durchführen zu können. Virushepatitis Infektionsrisiken: Die chronischen DialyseHepatitis-B-Virus DialyseHepatitis-C-Virus Hepatitis-B-VirusDialyse Hepatitis-C-VirusDialyseVirushepatitiden B und C spielen heute in Deutschland in der Dialyse keine zahlenmäßig große Rolle mehr. Es wird geschätzt, dass etwa 1 % aller Dialysepatienten an einer chronisch replizierenden Hepatitis B leidet, die Prävalenz der Hepatitis C liegt bei etwa 2,4 % (Frei und Schober-Halstenberg 2007). Diese niedrigen Zahlen sind das Ergebnis einer fortgesetzten präventiven Anstrengung. In der Frühzeit der Dialyse kam es zu endemischen Ausbrüchen in Dialysezentren. Die Prävalenz der Hepatitis B lag 1980 bei > 12 %. Die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten mit einem Therapieverfahren, bei dem sehr häufig Blutspritzer auftreten, schafft ideale Bedingungen für die nosokomiale Transmission von Hepatitiden. Hinzu kommt, dass der Abwehrdefekt der chronisch Nierenkranken meistens die Ausheilung der Hepatitis-B-Infektion verhindert. Die kontinuierliche Aufrechterhaltung optimaler Hygienemaßnahmen gegen die viralen Hepatitiden ist auch wegen der hohen Prävalenz der Infektion in anderen Weltregionen erforderlich. Durch Urlaubsdialysen im Ausland oder ausländische Dialysepatienten werden Viren in deutsche Dialysezentren eingeschleppt. Hepatitis B und C weisen unterschiedliches Infektionsrisiko auf. Die Kopienzahl im Blut und damit die Infektiosität von Blutspritzern ist bei der Hepatitis B mindestens 10 Mal höher als bei der Hepatitis C. Daher wird eine Abstufung der gesonderten Hygienemaßnahmen für Träger der Hepatitis B und der Hepatitis C empfohlen. Screening: Ausgangspunkt der Präventionsbemühungen für blutübertragene Erreger ist die Erkennung chronisch infizierter Patienten. Bei Eintritt in ein Dialyseprogramm soll ein Patient daher auf Hepatitis B und C getestet werden (Tab. 5.32 ). Jährliche Verlaufskontrollen helfen, eventuelle Serokonversionen zu erkennen. Wegen des Immundefekts chronisch Nierenkranker führt eine Hepatitisinfektion nicht zwangsläufig zu einer klinisch symptomatischen Hepatitis. Oft wird die Erkrankung nur serologisch diagnostiziert. Zum Screening reicht die Untersuchung auf HBsAg aus. Ein HBV-DNA-Nachweis ist lediglich zur Steuerung einer evtl. Therapie der Infektion erforderlich. Moderne Anti-HCV-Assays weisen eine hohe Sensitivität auf und reichen in Deutschland als Routinescreening für die Infektion aus. Es kommen bis zu 1 % falsch negative serologische Befunde vor, in diesen Fällen kann das Virus nur durch HCV-RNA-Nachweis diagnostiziert werden. Tab. 5.32 Durchführung des Hepatitis-Screenings Eingangsuntersuchung Jährliche Kontrolle Urlaubsrückkehrer∗ HBsAg + + - Anti-HBs + + – Anti-HBc + + – HBV-DNA Nur zur Steuerung einer evtl. Therapie – + Anti-HCV + + – HCV-RNA Nur wenn Anti-HCV positiv – + Anti-HIV + – – ∗ Nach Dialyse in Endemiegebieten. Eine PCR-Diagnostik als Routinemaßnahme ist nur in Hochprävalenzgebieten sinnvoll. Ein generelles PCR-basiertes Screening wird allgemein dann empfohlen, wenn die Hintergrundpopulation eine so hohe HCV-Prävalenz (etwa ab 5 %) aufweist, dass die Entdeckung okkulter Infektionen mehr nützt als falsch positive Befunde schaden. Das ist in Deutschland nicht der Fall, da die Prävalenz der HCV-Infektion in der Allgemeinbevölkerung auf 0,3 % (Poethko-Müller et al. 2013) geschätzt wird. Bei Urlaubsrückkehrern, die in Hochprävalenzgebieten (z. B. Mittelmeerraum) dialysiert haben, ist eine HBV- und HCV-PCR sinnvoll. Die serologischen Tests sprechen hier nicht rasch genug an, um eine frische Infektion zu detektieren. Hygienemaßnahmen: Als Basis des Hepatitisschutzes müssen die Standardhygienemaßnahmen umgesetzt werden. Grundsätzlich würde das ausreichen, um nosokomiale Infektionen nahezu vollständig zu verhindern (Jadoul, Cornu und van Ypersele 1998). Allerdings ist die dauerhafte Adhärenz des Personals zu Hygieneregeln erfahrungsgemäß in kaum mehr als 50 % der Fälle gegeben (Arenas et al., 2005). Um dennoch eine ausreichende infektiologische Sicherheit zu garantieren, werden bei der Dialyse von Patienten mit viralen Hepatitiden zusätzliche Präventionsmaßnahmen empfohlen. Infizierte sollen mit individuell zugewiesenen Dialysemaschinen behandelt werden, um eine akzidentelle Transmission von einem Patienten zum nächsten über Blutspritzer an der Oberfläche der Geräte verhindern. Das Ziel der separaten Dialysemaschine ist dabei nicht, die Übertragung durch das Geräteinnere, durch Schlauchsysteme und Ventile des hydraulischen Systems zu verhindern. Dieses Risiko ist ausgesprochen gering, da durch eine intakte Dialysemembran keine infektiösen Viruspartikel ins Dialysat übertreten können. Selbst bei Membranruptur und Kontamination der Dialysatseite würden die Viren in den Abwasserteil der Maschine gelangen, eine Infektion des nächsten Patienten wäre höchst unwahrscheinlich. Aufgrund der hohen Infektiosität und der Umweltresistenz vor allem von HBV wird zusätzlich eine Behandlung der Patienten in separaten Räumen, getrennt von für die Infektion anfälligen Patienten, empfohlen (Deutsche Gesellschaft für Nephrologie 2006). Diese Räume können nach desinfizierender Reinigung der patientennahen Oberflächen in der nächsten Schicht wieder für nicht infizierte Patienten genutzt werden. Rückführung von Dialysegeräten: Eine Rückführung von Dialysegeräten aus der Hepatitis-Nutzung in den Routinebetrieb ist möglich. Hierzu ist eine gründliche, über das normale Maß hinausgehende desinfizierende Oberflächenreinigung erforderlich, die Routinedesinfektion der Hydraulik ist ausreichend wirksam, eine ohnehin unwahrscheinliche Virustransmission zu verhindern. Um größtmöglicheHepatitis-B-VirusDialysegeräte, Rückführung Hepatitis-C-VirusDialysegeräte, Rückführung Sorgfalt bei der Oberflächendesinfektion zu erreichen, sollte eine Rückführung als ein definierter Prozess verstanden werden, für den ein Mitarbeiter der Dialyseeinrichtung persönlich verantwortlich zeichnet. Hepatitis-B-Impfung: Die ImpfungHepatitis-B-VirusImpfung sollte spätestens bei Eintritt in ein Dialyseprogramm für alle Patienten Standard sein. Aufgrund besserer Ansprechraten in früheren Stadien der Niereninsuffizienz wird i. d. R. bereits ab einer GFR < 25 ml/min geimpft. Wegen des deutlich reduzierten Ansprechens nierenkranker Patienten wird mit doppelter Impfstoffdosis und erweiterten Impfschemata vakziniert. Dennoch entwickeln 20–30 % der Patienten keine Seroprotektion. Für diese ist die Einhaltung der Hygienemaßnahmen von besonderer Bedeutung. HIV Die Human Immunodeficiency VirusDialyse DialyseHuman Immunodeficiency VirusPrävalenz HIV-infizierter Patienten ist in deutschen Dialyseeinrichtungen sehr gering. Die meisten Dialysezentren haben hiermit keine Erfahrung. Die hygienischen Risiken sind im Vergleich mit den Virushepatitiden als geringer einzustufen. Die Kopienzahl im Blut ist niedriger, die Umweltresistenz des Erregers geringer. In Deutschland wird derzeit noch häufig die Verwendung separater Dialysemaschinen für HIV-infizierte Patienten favorisiert, ein separater Raum ist nicht erforderlich. Die Empfehlungen der amerikanischen Centers for Disease Control (2001) sehen selbst die Maschinentrennung nicht mehr vor. Grundsätzlich reichen Standardhygienemaßnahmen aus, um eine nosokomiale Übertragung zu verhindern. MRSA Die Prävalenz Methicillin-resistenter Staphylococcus aureusDialyse DialyseMethicillin-resistenter Staphylococcus aureusder MRSA-Kolonisierung von Dialysepatienten beträgt 2–12 % (Lederer, Riedelsdorf und Schiffl 2007). Da im Dialysezentrum eine nosokomiale Verbreitung erfolgen kann, sind präventive Maßnahmen unverzichtbar. Das ist umso wichtiger, als Staphylokokken zu den häufigsten Erregern bakterieller Infektionen bei chronisch Nierenkranken gehören und Infektionen des Gefäßzugangs ein besonderes Gefahrenpotenzial darstellen. Screening: Ein Routinescreening Methicillin-resistenter Staphylococcus aureusScreeneingDialyse DialyseMRSA-Screeningauf MRSA wird nicht empfohlen. Aufgrund der Abrechenbarkeit der Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich als Screeningindikation die Aufnahme von Patienten nach stationärem Aufenthalt etabliert, sofern eine positive MRSA-Anamnese oder besondere Risikofaktoren (Antibiotikatherapie, Katheter, Wunden usw.) vorliegen. Ein Routinescreening des Dialysepersonals wird nicht durchgeführt. Ein regelmäßig wiederholtes Screening von Patienten im Dialyseprogramm wird nicht empfohlen, zumal hierfür aufgrund des ambulanten Charakters der Therapie keine sinnvollen Intervalle zu definieren wären. Wird in einem Dialysezentrum bei mehr als 2 Patienten im zeitlichen Zusammenhang eine MRSA-Kolonisation festgestellt, sollten alle Patienten und das medizinische Personal der Behandlungseinheit untersucht werden, um mögliche nosokomiale Transmissionswege aufzudecken. Maßnahmen bei Kolonisation: Da die Dialyse meistens nicht unter stationären Krankenhausbedingungen stattfindet, sind hinsichtlich des Umgangs mit MRSA-besiedelten Patienten Besonderheiten zu beachten. Im Gegensatz zum stationär behandelten Krankenhauspatienten ist das (infektiologische) Umfeld von Dialysepatienten außerhalb der Dialyse nicht kontrollierbar. Der Patient kann zwischen zwei Dialysen in anderen medizinischen Einrichtungen MRSA akquirieren; viele Patienten leben in Alten- und Pflegeheimen und sind dort potenziell gefährdet. Die wichtigste Maßnahme zur Prävention einer Verbreitung von MRSA ist die optimale Einhaltung der Standardhygiene mit dem Schwerpunkt der Händedesinfektion. Zusätzlich ist die Übertragung via Aerosol, Staub oder Oberflächen von gemeinsam genutzten Gerätschaften durch geeignete Maßnahmen zu unterbrechen. Hygienemaßnahmen bei MRSA-kolonisierten oder -infizierten Patienten • Räumliche, zonale oder organisatorische Trennung von anderen Dialysepatienten • Separate Dialysemaschine nicht erforderlich • Strikte Einhaltung der Standardhygienemaßnahmen • Patientenbezogener Schutzkittel, MNS für das Personal • Gut erreichbarer Dialyseplatz ohne Durchquerung des ganzen Dialysezentrums • Eradikation anstreben • Keine Restriktionen beim Patiententransport zur Dialyse, sofern nicht aus anderen Gründen ein qualifizierter Krankentransport erforderlich ist (dann Beachtung der entsprechenden regulatorischen Vorgaben) • Normale Sozialkontakte außerhalb der Dialyse. Sanierung: Grundsätzlich ist auch beim Dialysepatienten eine Sanierung der MRSA-Besiedlung möglich und anzustreben (Lederer, Riedelsdorf und Schiffl 2007). Sie wird aber durch die Tatsache erschwert, dass viel Eigeninitiative des Patienten erforderlich ist. Die 3-mal tägliche Applikation antiseptischer Nasensalbe kann vom Patienten selbst vorgenommen werden, ebenso die antiseptische Körperwaschung. Allerdings werden diese Maßnahmen derzeit nicht von den Kostenträgern bezahlt. Andere multiresistente Erreger VRE und MRGN erlangen zunehmend epidemiologische Bedeutung in Dialysezentren. Hinzu kommen Gastroenteritiden durch C. difficile, die bei Dialysepatienten vor allem wegen des häufigen Einsatzes von Antibiotika oft zu beobachten sind. Die Weiterverbreitung kann fäkal-oral erfolgen. VRE: Es wird Vancomycin-resistente ErregerDialyse DialyseVancomycin-resistente Erregerkein Screening unauffälliger ambulanter Dialysepatienten auf VRE empfohlen. Somit wird auch die Kolonisation in vielen Fällen nicht festgestellt. Ein Übertragungsrisiko im Dialysezentrum besteht bei Durchfallerkrankungen oder VRE-infizierten Wunden. In diesen Fällen sind spezielle Hygienemaßnahmen, die in Art und Umfang denen bei MRSA-Kolonisation entsprechen, erforderlich. Neben der akribisch durchgeführten Standardhygiene erfolgt eine räumliche oder organisatorische Separierung bei der Dialyse. Außerdem muss bei übertragungsgefährdeten Tätigkeiten am Patienten ein MNS getragen werden. Auch eine zonale Separation wie für MRSA-Patienten ist adäquat. Die Separationsmaßnahmen können beendet werden, sobald kein Durchfall mehr vorliegt bzw. die infizierte Wunde kein Verbreitungsrisiko mehr darstellt. Da eine Sanierung enteral VRE-kolonisierter Patienten kaum möglich ist, besteht bei asymptomatischen Patienten keine Indikation für rektale Kontrollabstriche. MRGN: Es gibt Multiresistente gramnegative ErregerDialyse DialyseMultiresistente gramnegative Erregerbisher wenig Evidenz oder regulatorische Vorgaben für den Umgang mit MRGN-kolonisierten Patienten in der ambulanten Dialyse. Eine Unterscheidung zwischen 3MRGN und den wesentlich problematischeren 4MRGN scheint analog zum Vorgehen bei der stationären Krankenhausbehandlung plausibel. • Bei Kolonisation mit 3MRGN und erhöhtem Übertragungsrisiko (Durchfall, HWI bei Katheterpatienten, infizierte, nicht dicht verbundene Wunden) sind besondere Hygienemaßnahmen (Separierung, Kittelpflege) zu fordern. In allen anderen Fällen kommen bei Patienten, die mit 3MRGN kolonisiert sind, Standardhygienemaßnahmen zum Einsatz. • Bei der Kolonisation oder Infektion mit 4MRGN scheint hingegen eine Vorgehensweise analog zu MRSA sinnvoll, nur dass bei der Kolonisation bisher keine Eradikation möglich ist. Clostridium difficile: Bei Patienten, die an einer Kolitis mit C. difficile leiden, ist ähnlich zu verfahren, wie bei Patienten, die mit VRE besiedelt sind. Solange Durchfälle bestehen, sind zusätzliche Hygienemaßnahmen sinnvoll und ist eine Separation zur Dialysebehandlung zu empfehlen. Clostridium difficileDialyse DialyseClostridium difficileSobald die klinische Symptomatik abklingt, verringert sich das Transmissionsrisiko bei Patienten mit normaler Körperhygiene deutlich. Daher können Isolierungsmaßnahmen aufgehoben werden, obwohl die Erregerelimination noch nicht nachgewiesen wurde. Bei allen Erregern, die den Darm kolonisieren, besteht im Rahmen der ambulanten Dialyse nur ein geringes Übertragungsrisiko, wenn sich der Patient an seinem Dialyseplatz befindet. Hingegen kann durch die sequenzielle Nutzung der Toiletten durch kolonisierte und nicht kolonisierte Patienten ein sehr hohes Übertragungsrisiko bestehen. Diesem Risiko ist durch geeignete Desinfektionsstrategien zu begegnen. Hochkontagiöse Erreger Im Zusammenhang mit der ambulanten Dialysebehandlung kommen Infektionen mit Noroviren oder Influenza vor, die aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr besondere hygienische Maßnahmen erfordern. Patienten mit akuten Durchfallerkrankungen sollten insbesondere in der typischen Jahreszeit (Wintermonate) in separaten Räumen dialysiert werden. Ergibt die Diagnostik eine Norovirusinfektion, müssen die besonderen Hygienemaßnahmen bis mindestens 2 d nach Abklingen der Symptomatik beibehalten werden. BeiNorovirenDialyse DialyseNorovirus einer Noroviruserkrankung reicht die zonale Trennung nicht aus, sondern ist ein separater Raum (Einzelzimmer oder Kohortenisolierung) erforderlich. Vor Betreten des Raums sind in jedem Fall patienten- oder kohortenbezogen Schutzkittel und Handschuhe anzulegen, bei Tätigkeiten mit Gefahr der Aerosolbildung (Patienten mit Erbrechen, beim Betten oder bei der Körperpflege), zusätzlich MNS. Der Patient kann nicht die Gemeinschaftstoilette einer Dialyseeinrichtung aufsuchen und benötigt, falls keine separate Toilette verfügbar ist, einen Toilettenstuhl im Isolierzimmer. Zum Schutz vor Noroviren muss die Händedesinfektion mit viruziden Desinfektionsmitteln erfolgen. Raum und Dialysemaschine können nach der desinfizierenden Reinigung mit viruziden Mitteln wieder für nicht infizierte Dialysepatienten verwendet werden. Bei akuten Erkältungskrankheiten mit typischer Symptomatik werden üblicherweise nur allgemeine Schutzmaßnahmen angewandt (hygienisches Husten, Abstand halten zum Infizierten, hygienische Entsorgung von Einmaltaschentüchern). Bei epidemischem Auftreten der Influenza kann Influenza-A-Virus (H1N1)Dialyse DialyseInfluenza-A-Viruses hingegen erforderlich werden, dass sich Patienten bereits vor Eintreten in eine Dialyseeinrichtung als erkrankt identifizieren, damit ihnen ein separater Dialyseplatz zugewiesen werden kann. Kontakte zu anderen Patienten sind möglichst zu vermeiden, eine Kohortenisolierung ist möglich. Besondere Schutzmaßnahmen umfassen den patientenbezogenen Schutzkittel, MNS und Handschuhe. Separate Dialysegeräte sind nicht erforderlich. Dialysepatienten sollten jährlich gegen Influenza geimpft werden. 5.19.3 Dialysegeräte Auf- und Abrüsten, Abfallmanagement: Alle DialysegeräteDialyseAuf- und Abrüsten der Geräte werden mit Schlauchsystemen und Filtern ausgestattet, die zur einmaligen Verwendung konzipiert sind. Die steril verpackten Schlauchsysteme werden vor Eintreffen des Patienten an das Dialysegerät gesteckt und mit Kochsalzlösung gefüllt. Fertig aufgerüstete trockene Systeme müssen innerhalb von 12 h angewandt werden, befüllte Systeme innerhalb von 1 h. Andernfalls müssen Schlauchsysteme und Filter verworfen werden. Bei Geräten für die ambulante intermittierende Hämodialyse wird die Dialysierflüssigkeit meist in einem hydraulischen System im Innern der Maschine aus Reinwasser und Salzkonzentraten zubereitet. Diese Systeme müssen nach Herstellervorgaben in regelmäßigen Abständen gespült bzw. desinfiziert werden. Hierzu kommen Heißdesinfektion oder chemische Desinfektion in Betracht. Entscheidend für die hygienische Sicherheit der Dialysemaschine ist die adäquate Oberflächendesinfektion. Blutspritzer und Verunreinigungen an der Oberfläche, an Schaltern und Bedienelementen, an Blutpumpen oder Anbauteilen stellen ein hohes Risiko für die Behandlung nachfolgender Patienten dar. Schon bei der technischen Konzeption von Dialysegeräten ist auf eine für Reinigung und Desinfektion geeignete Gestaltung zu achten. Im Alltagsbetrieb sind regelmäßige Desinfektionen unter Beachtung der Einwirkzeit essenziell für die Sicherheit der Behandlung. Eine Erregerübertragung über die äußeren Oberflächen von Dialysemaschinen ist weitaus wahrscheinlicher als eine Transmission über eine Kontamination der hydraulischen Systeme im Inneren. Letztere ist eher theoretischer Natur und nahezu zu vernachlässigen. Nach Abschluss einer Dialysebehandlung verbleiben in den Schlauchsystemen und Filtern kleine Mengen an Blut (< 1 ml pro Behandlung bei adäquater Durchführung). Beim Abrüsten der Dialysemaschine müssen die Schlauchsysteme daher an den Enden verschlossen oder das arterielle und venöse Ende dicht miteinander verbunden werden, damit keine Flüssigkeit auslaufen kann. Die Einmalmaterialien sind am Dialyseplatz in dichte Abfallbehälter zu verpacken. Hierbei kann es sich um reißfeste Abfallsäcke, besser um feste Abfallcontainer handeln. Diese werden verschlossen aus dem Dialyseraum zu einer zentralen Abfallsammelstelle gebracht. Die Dialysekanülen werden separat in stichfesten Sicherheitseinwegbehältern DialyseAbfallmanagementgesammelt und entsorgt. Die sicher verpackten Abfälle werden ohne zusätzliche Behandlung im Hausmüll entsorgt, eine stoffliche Weiterverwertung ist jedoch nicht möglich. Zuordnung zum Patienten: ÜblicherweiseDialysePatientenzuordnung der Geräte erfolgt keine feste Zuordnung von Dialysemaschinen zu einzelnen Patienten. Die Patienten sollten jedoch vorzugsweise immer an den gleichen Maschinen behandelt werden, um die Rotation der Geräte zu begrenzen. Für jede Behandlungssitzung sollte dokumentiert werden, welche Maschine beim Patienten zum Einsatz kam. In der Infektionsdialyse ist eine Zuordnung der Geräte entweder zum Patienten oder zu Patientenkohorten mit gleicher Infektionsproblematik erforderlich. 5.19.4 Dialyse in der Intensivmedizin In IntensivstationDialyse DialyseIntensivmedizinder Intensivmedizin werden neben den auch für die ambulante Hämodialyse eingesetzten Dialysemaschinen mit interner Dialysatzubereitung auch Geräte für die kontinuierliche Dialyse und Hämofiltration eingesetzt. Diese unterscheiden sich vor allem im Fehlen eines eingebauten Flüssigkeitsproportioniersystems. Sie beziehen die Dialysier- oder Substituatlösungen aus steril verpackten Flüssigkeitsbeuteln. Alle Flüssigkeit führenden Komponenten sind aus Einmalmaterial und nach Gebrauch zu entsorgen. Besonderes Augenmerk ist auf die desinfizierende Reinigung der Geräteoberflächen zu legen. Intensivpatienten werden überwiegend über zentralvenöse Katheter dialysiert. Die Hygienemaßnahmen unterscheiden sich nicht von denen bei Patienten in der ambulanten Dauerdialyse, sind jedoch unter den Bedingungen der Intensivmedizin häufig nicht leicht umzusetzen. Zur Behandlung des akuten Nierenversagens werden temporäre Katheter in der V. jugularis verwendet, die nicht über einen langen Subkutantunnel verfügen (Shaldon-Katheter). Die üblichen Maßnahmen zur Pflege zentralvenöser Katheter gemäß RKI-Richtlinie (KRINKO 2002) spielen für die sehr großkalibrigen, 2- bis 3-lumigen Katheter eine besondere Rolle. Auch auf Intensivstationen werden Patienten mit Virushepatitiden oder Problemerregern dialysiert. Hinsichtlich MRSA, VRE oder MRGN sind die Behandlungs- und Hygienerichtlinien für die stationäre Therapie einzuhalten, zusätzliche Maßgaben für die Dialyse sind nicht erforderlich. Nicht immer liegt vor Einsatz einer Dialyse auf der Intensivstation das serologische Hepatitisprofil des Patienten vor. Im Zweifelsfall sollten daher die Standardhygienemaßnahmen besonders sorgfältig beachtet werden. Die Dialysegeräte müssen vor Einsatz bei anderen Patienten besonders gründlich oberflächendesinfiziert werden, analog wie bei der Geräterückführung in der ambulanten Dialyse. Grundsätzlich ist eine feste individuelle Zuweisung der Geräte nicht erforderlich und oft auch nicht praktikabel. 5.19.5 Peritonealdialyse Die Peritonealdialyse DialysePeritonealdialysePeritonealdialyse wird über einen operativ ins Peritoneum implantierten Kunststoffkatheter (15 Ch., 5 mm Außendurchmesser) durchgeführt. Der Anschluss der Dialysatbeutel erfolgt über spezielle Konnektoren, die eine Kontamination erschweren. Über den Katheter werden 3- bis 5-mal täglich 1,5–2,5 l Dialysat in die Bauchhöhle eingefüllt und wieder entleert. Die Dialyse wird mit steril und pyrogenfrei verpackten Fertiglösungen durchgeführt. Der Anwender muss sich vor dem Einsatz von der Unversehrtheit der Verpackung überzeugen, ansonsten liegt die Hygieneverantwortung hierfür beim Hersteller. Hygienisch kritisch sind bei diesem Verfahren die Konnektionsvorgänge zwischen Dialysatbeutel und Peritonealkatheter. Der Peritonealdialysepatient erlernt die hygienische Handhabung der Konnektoren im Rahmen einer ausführlichen Schulung. Zum Beutelwechsel ist ein sauberer, zugfreier und ausreichend großer Platz erforderlich. Die Verwendung eines MNS durch den Patienten ist zwar nicht evidenzbasiert, jedoch sinnvoll geübte Praxis zur Vermeidung von Aerosolkontaminationen. Nach Händedesinfektion erfolgt eine Konnektion in „Non-touch-Technik“. Es stehen verschiedene patentierte Konnektionssysteme zur Verfügung, die eine Kontamination des Katheterlumens erschweren sollen. Tatsächlich konnte mit den modernen Anschlussverfahren die Peritonitisrate deutlich gesenkt werden. Alternativ zur intermittierenden Peritonealdialyse, bei der der Patient 3–5 Beutelwechsel pro Tag durchführt (jeweils 1 Anschluss und 1 Abschluss eines über Y-Stück verbundenen Systems aus leerem Ablaufbeutel und gefülltem Dialysatbeutel), kann die automatisierte Peritonealdialyse durchgeführt werden. Hierzu erfolgt einmal täglich vor der Nachtruhe ein Anschluss an ein automatisiertes Cyclergerät, das über Nacht Dialysierflüssigkeit ins Peritoneum hinein und wieder herauspumpt. Am Morgen diskonnektiert der Patient das System und lässt seinen Peritonealkather bis zum nächsten Abend verschlossen. Durch die verminderte Zahl der Konnektionsvorgänge ist dieses Verfahren hygienisch etwas einfacher zu handhaben. 5.20 Dermatologie und Venerologie Harald Löffler und Axel Kramer Betrachtet man die Krankenhaushygiene unter dem Gesichtspunkt der Dermatologie, fallen einige Besonderheiten auf. Im Gegensatz zu anderen Organsystemen steht die Haut – und damit auch die infizierte Haut – in direktem Kontakt zur Umgebung. Hygienemaßnahmen sind daher nicht nur zur Therapie infizierter Areale, sondern insbesondere auch zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen in der Dermatologie von höchster Relevanz. Da zudem die Mitarbeiter mit der mikrobiellen Besiedelung ihrer eigenen Haut relevant zur Verbreitung von NI beitragen, ist die Vermeidung und Reduktion einer transienten Besiedlung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer guten Hautqualität von essenzieller Bedeutung. Infektiöse Dermatosen sind ohne Barrierepflege ein Infektionsrisiko für die Umgebung. In der DermatochirurgieDermatologieSurgical Site Infection Surgical Site InfectionsDermatologie ist die Prävention von SSI ein zusätzliches Präventionsanliegen. Die SSI-Raten betragen 0,7 % nach mikroskopisch kontrollierter Chirurgie, 1,5 % nach dermatologisch-onkochirurgischen Eingriffen, 7,6 % nach Laser Skin Resurfacing (LSR) mit CO2-Laser und 8,7 % nach Hauttransplantationen (Bellman et al. 1998; Kulichová et al. 2013; Manuskiatti et al. 1999; Mühlstädt und Kulichová 2009). Das führt insbesondere in angloamerikanisch Ländern nicht selten dazu, dass prophylaktisch topische Antibiotika auf die Wunde aufgetragen werden. Da eine Metaanalyse zeigen konnte, dass dieses Vorgehen keinen Vorteil bringt, soltle das Aufbringen antibiotischer Salben auf die primär verschlossene Wunde unterbleiben (Saco et al. 2014). 5.20.1 Mikrobielle Besiedelung der Haut Wir unterscheiden Hautzwischen der dauerhaften normalen Standortflora (residente Flora), der meist kurzfristigeren Kontamination mit anderen Erregern (transiente Flora) und der Infektionsflora. Residente Flora Die Standortflora sichert das mikroökologische Gleichgewicht innerhalb der episomatischen Biotope und schützt nach erfolgter Kontamination vor der Kolonisation durch transiente Mikroorganismen bzw. durch Krankheitserreger. Die HautStandortflora HautFloraresidente Wechselbeziehung Mensch-Standortflora-Umwelt hat eine elementare Funktion für den Erhalt des Gleichgewichts von physiologischer Besiedlung und Abwehr der ständig auf Haut, Schleimhaut bzw. Wunden gelangenden transienten Organismen. Nur so war es dem Menschen in seiner Evolution möglich, als „Gast“ in einer mikrobiellen Umwelt mit dieser zu koexistieren. Die residente Flora existiert in einem physiologischen Gleichgewicht mit dem Gesamtorganismus in Form eines MutualismusMutualismus (Cogen, Nizet und Gallo 2008): • Bakterien und Pilze nutzen die Körperflüssigkeiten und -oberflächen, z. B. Hautschuppen, als Nahrung und Habitat. Sie finden in ausreichendem Maße Aminosäuren, Fette, Eiweiße sowie Mineralstoffe und profitieren vom feuchtwarmen Milieu mancher Körperregionen. • Der Organismus profitiert von dieser Symbiose, da das Immunsystem regelmäßig stimuliert wird, Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen direkt genutzt werden und durch die bestehende Kolonisation mit residenten Bakterien die Neuansiedelung von Pathogenen erschwert wird. Die physiologische Flora besteht vor allem aus KNS (wie S. epidermidis), Streptokokken und Propionibakterien sowie aus Corynebakterien (Tab. 5.33 ) und findet sich in besonders großer Dichte am Kopf, in den Intertrigines und anogenital (Jarvis 1996b). Hat sich eine stabile residente Flora ausgebildet, ändern auch Hygienemaßnahmen wie Waschung oder Desinfektion nur kurzfristig etwas an der Zusammensetzung. Innerhalb weniger Stunden stellt sich i. d. R. wieder eine komplette Rekolonisierung ein. Tab. 5.33 Häufigkeit und Pathogenität der Standortflora der Haut Spezies Vorkommen Pathogenität Staphylococcus aureus Gelegentlich Hoch Staphylococcus epidermidis Häufig Gering Staphylococcus warneri Gelegentlich Gering Streptococcus pyogenes Gelegentlich Hoch Streptococcus mitis Häufig Gering Propionibacterium acnes Häufig Gering, für SSI relevant Corynebacterium spp. Häufig Gering Actinetobacter johnsonii Häufig Gering Pseudomonas aeruginosa Gelegentlich Gering Pityrosporum (Malassezia spp.) Häufig Gering (nach Cogen, Nizet und Gallo 2008) Bei eingeschränkter Immunabwehr, z. B. bei Intensivtherapie, immunsuppressiver Therapie, Diabetes mellitus, großen operativen Eingriffen oder konsumierenden Erkrankungen, kann sich die Zusammensetzung der Standortflora verändern und die Eubiose in eine Dysbiose mit Vermehrung potenziell pathogener Erreger übergehen. Transiente Flora Die nicht zur Standortflora gehörenden Organismen werden in ihrer Gesamtheit als transiente FloraHautFloratransiente bezeichnet. Zusammensetzung: Die transiente Hautflora ist einem ständigen Wechsel unterworfen, wobei nicht immer eine Unterscheidung zwischen residenter und transienter Flora möglich sowie individuell unterschiedlich ist, was bei langfristiger Kolonisierung mit S. aureus deutlich wird. Noble (Noble 1981) hat hierfür den Terminus temporär residente Flora eingeführt. Die transiente Flora besteht aus pathogenen oder apathogenen Erregern, die nur kurzfristig auf der Haut verweilen, weil sie i. d. R. nicht über längere Zeit auf Haut oder Schleimhäuten überleben können. Selten können sie länger als ein paar Stunden auf der Haut nachgewiesen werden. Findet sich dennoch über einen längeren Zeitraum eine Besiedlung mit Pathogenen, spricht man von Trägern (Carriern). Häufige transiente Organismen sind S. aureus (mit Hauptreservoir in der Nasenhöhle), S. pyogenes, E. coli, P. aeruginosa, Proteus, Clostridium und Candida spp. (Dohmen 2006). Auch ein paar wenige Viren wie humane Papillomaviren oder HSV können aufgrund ihrer Fähigkeit zur Adhäsion ebenfalls kurzfristig an der Hautoberfläche anhaften. Die Anzahl der transienten Erreger auf der Haut kann aus unterschiedlichen Gründen zunehmen. In Gesundheitseinrichtungen kann ein verändertes Erregerspektrum in der Umgebung zu einem veränderten Spektrum auf der Haut führen. Daneben tragen endogene Faktoren wie Erkrankungen (Diabetes mellitus, hämatologische Erkrankungen, Tumorleiden, Vitaminmangelzustände, Alkoholismus) sowie iatrogene Gründe (Immunsuppression, Antibiotikatherapie) zur veränderten Hautflora bei (Elsner 2006). Aber auch die Veränderungen der Hautstruktur mit ihrer immunologischen Funktion kann dazu führen, dass sich die Zusammensetzung der Flora ändert. Die Übergänge von einer veränderten Flora bei noch normaler Haut (z. B. bei Atopikern) zu einer pathologisch veränderten Flora bei erkrankter Haut (z. B. bei manifester atopischer Dermatitis) sind dabei fließend. Hautabwehr: Abgesehen von HautAbwehrder Möglichkeit der Weiterverbreitung ist die transiente Flora zunächst nicht gefährlich für den Organismus, weil das antimikrobielle Bollwerk der Haut – die „körpereigene Hygiene“ –, solange es intakt ist, eine Infektion verhindert. In den obersten Schichten der Epidermis befindet sich ein komplexes Abwehrsystem des Körpers. Neben dem physiologischen pH-Wert und den Hautoberflächenlipiden besteht es zunächst aus einer von Keratinozyten und interzellulären Lipiden gebildeten hocheffektiven Wasserpermeabilitätsbarriere (Jensen und Proksch 2009; Proksch, Brandner und Jensen 2008), die auf physikalischer und chemischer Basis die Invasion von Mikroorganismen verhindert (Boguniewicz und Leung 2010). Durch die regelmäßige Abschilferung der oberflächlichen Squamae wird die ständige Erneuerung dieser Barriere sichergestellt. Auf chemischer Basis wird die Haut (und die Schleimhäute) bereits an der Oberfläche durch antimikrobielle Substanzen, z. B. durch sekretorisches IgA und Lysozym auf den Schleimhäuten oder Sphingosin, Dermcidin und antimikrobielle Proteine auf der Haut, geschützt (Schittek et al. 2008). Keratinozyten sind essenziell für die unspezifische Abwehr. In die Haut eingedrungene pathogenassoziierte molekulare Muster (Pathogen-associated Molecular Patterns, PAMPs) binden an Toll-like-Rezeptoren der Keratinozyten. Dadurch wird das evolutionär sehr alte angeborene Abwehrsystem aktiviert, das direkt über die Produktion verschiedener antimikrobiell wirksamer Substanzen (z. B. Defensine) zur Infektionsabwehr beiträgt. Außerdem produzieren aktivierte Keratinozyten einen Zytokincocktail (u. a. IL-1, IL-6, IL-8 und TNFα), der das „antigenspezifische erworbene Immunsystem“ (Antigen-specific Acquired Immunity) aktiviert und moduliert (Schröder 2010; Terhorst et al. 2010). Infektionsflora Unter der HautInfektionsfloraInfektionsflora wird das Vorkommen von Krankheitserregern in episomatischen Biotopen verstanden, die ihr Habitat in bestehenden klinisch manifesten Infektionen des Wirtsorganismus (z. B. Abszess, Panaritium, Paronychie, infiziertes Ekzem, eitriger Schnupfen, Angina) haben. 5.20.2 Hygieneaspekte dermatologischer Erkrankungen Neben HautErkrankungen Dermatosenden Besonderheiten spezifisch dermatologischer Infektionserkrankungen gilt es, die besondere Situation dermatologischer Stationen zu berücksichtigen. Hier liegt häufig ein gemischtes Patientengut vor: • Patienten mit konservativen entzündlichen, aber nicht infektiösen (wohl aber kontaminierten) Hautaffektionen wie Psoriasis, Neurodermitis, • Patienten nach OP (septisch wie aseptisch) und • Patienten mit dermatologischen Infektionserkrankungen. Bei mangelnder Hygiene ist die Gefahr einer Erregerverschleppung mit nachfolgender NI aufgrund der häufig hohen mikrobiellen Belastung dermatologischer Infektionskrankheiten mit offen daliegenden Erregern hoch. Von besonderer Bedeutung sind hierbei asymptomatische Träger von MRE. Deren Habitat an der Körperoberfläche sind neben dem Nasenvorhof intertriginöse Areale, chronische Wunden und Hauterkrankungen mit gestörter Barriere (z. B. Ekzem). Zum Schutz der Weiterverbreitung sind suffiziente Hygienemaßnahmen von höchster Relevanz (Tab. 5.34 )HautHygienemaßnahmen bei Dermatosen DermatosenHygienemaßnahmen. Tab. 5.34 Infektionsprophylaxe bei relevanten dermatologischen Erkrankungen mit PatientenkontaktHerpes ZosterInfektionsprophylaxeVarizellenInfektionsprophylaxeStreptokokkenPyodermie, InfektionsprophylaxeStaphylokokkenPyodermie, InfektionsprophylaxeSkabiesInfektionsprophylaxePediculus capitisInfektionsprophylaxeParvovirus B19InfektionsprophylaxeMethicillin-resistenter Staphylococcus aureusInfektionsprophylaxe, HautMolluscum-contagiosum-Virus, InfektionsprophylaxeLymphogranuloma inguinale, InfektionsprophylaxeImpetigo contagiosa, InfektionsprophylaxeGonorrhö, InfektionsprophylaxeErysipeloid, InfektionsprophylaxeHerpes-simplex-VirusInfektionsprophylaxe Erkrankung Einzel-/Kohortenpflege MNS Schutzhandschuhe Schutzkittel X oder -schürze (X) Schlussdesinfektion Meldepflicht Dermatomykosen, Erysipeloid, Erythema infectiosum, Gonorrhö, Lymphogranuloma inguinale – – X (X) – – HSV-Infektion X6 – – – – – Impetigo contagiosa X7 X8 X (X) – X3 Lues – – – – – X5 MRSA-Kolonisation/-Infektion x X X X X X4 Molluscum contagiosum – – X (X) – – Pediculosis capitis – – – – – X1 Skabies X2 – – – – X3 Staphylokokkenpyodermie X6 (X) X (X) – – Streptokokkenpyodermie X6 (X) X (X) – – Varizellen X X X X – X1, ∗ Zoster9 – – X – – – 1 Keine ärztliche Meldepflicht, Meldepflicht der Erkrankung mit personenbezogenen Angaben für die Leitung von Ausbildungseinrichtungen 2 Wechsel der Leib- und Bettwäsche 1- bis 2-mal täglich 3 Keine ärztliche Meldepflicht, Meldepflicht des Verdachts einer Erkrankung mit personenbezogenen Angaben für die Leitung von Ausbildungseinrichtungen 4 Das gehäufte Auftreten von NI, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, ist dem Gesundheitsamt innerhalb von 3 d als Ausbruch zu melden. 5 Meldung einer akuten Infektion durch Laborleiter 6 Keine gemeinsame Unterbringung mit Patienten mit Immunschwäche, generalisiertem Ekzem, großflächigen Hautdefekten oder ausgedehnten Verbrennungen 7 Bis 48 h nach wirksamer Therapie 8 Bei Scharlach sowie großflächigen Haut- und Wundinfektionen 9 Nicht verkrustete Hautläsionen beim Zoster sind mit sterilem Verband vollständig abzudecken. Kein Kontakt zu Immunsupprimierten! Die Kontamination von Externa (insbesondere in von mehreren Patienten verwendeten Behältern) muss wegen des Risikos der Erregervermehrung durch geeignete Maßnahmen (eigene Externagebinde für jeden Patienten, Aufbewahrung außerhalb der Patientenzimmer, Entnahme nur mit Einmalartikeln z. B. Holzspatel) verhindert werden. Pilzerkrankungen: Eine gewisse Besiedlung mit Pilzen ist beim Menschen normal. Das kann auch potenzielle Pathogene wie Candida spp. betreffen. Bei gesunden Menschen kann man im Genitalbereich und CandidaHaut Mykosen, Haut DermatosenPilzeim Gastrointestinaltrakt regelmäßig Candida spp. nachweisen, ohne dass dem eine pathologische Bedeutung zukommt (Jarvis 1996b). Selbst intertriginös können Candida spp. isoliert werden, ohne dass eine Infektion vorliegt. Die Übertragung von Candida spp. auf immunsupprimierte Patienten kann eine schwerwiegende generalisierte Infektion zur Folge haben, sodass neben Einhaltung der Basishygiene identifizierte Carrier von Risikopatienten separiert und zumindest die Hautoberfläche behandelt werden sollte. Die TineaTinea (oberflächliche Infektion der Haut mit Dermatophyten) spielt im Krankenhaus eine eher untergeordnete TrichophytieRolle, allerdings kommen tiefe pustulöse Formen vor (tiefe Trichophytie), die sich gern als Mischinfektion präsentieren (Ameen 2010; Marcoux et al. 2009). Regelmäßig kommt die Fragestellung der Relevanz einer Pilzinfektion im geplanten OP-Gebiet auf: • Bei oberflächlicher Tinea ohne klinisch apparente bakterielle Superinfektion reichen normale peri- und intraoperative Hygienemaßnahmen aus, da keine systemische Infektion durch Dermatophyten zu befürchten ist. • Bei einer ekzematösen Reaktion kann eine Superinfektion mit Bakterien angenommen werden, sodass eine präoperative topische und ggf. auch systemische antimikrobielle Therapie initiiert werden muss. Viruserkrankungen: Bei DermatosenviralePatienten mit massiv gestörter Hautbarriere können Viren lebensgefährliche Superinfektionen verursachen, z. B. das Eczema herpeticatum Eczema herpeticatumbei Patienten mit atopischem Ekzem, aber auch das (nicht gefährliche) Eczema molluscatumEczema molluscatum (Boguniewicz und Leung 2010). Eine Distanzierung von Personen mit floriden dermatologisch relevanten Viruserkrankungen von Risikopatienten mit gestörter kutaner Barriere ist ebenso notwendig wie die gewissenhafte Händehygiene. Bakterielle Superinfektion: Viele Dermatosen BakterienDermatosen Dermatosenbakteriellesind bakteriell superinfiziert. Das Spektrum reicht von einer klinisch irrelevanten Besiedlung (z. B. bei Psoriasis) über die massiv besiedelte, aber für den Patienten meist ungefährliche, Superinfektion von chronischen Ulzera bis zur hochinfektiösen Impetigo oder superinfizierten Ekzemen (Plettenberg und Meigel 2004). Insbesondere schwere Ekzemerkrankungen (wie bei atopischer Dermatitis) neigen aufgrund ihrer Barriereschädigung schnell zu einer massiven Superinfektion, sodass von ihnen die Gefahr einer Weiterverbreitung ausgeht (Baker 2006; Boguniewicz und Leung 2010). Vor und nach jedem Patientenkontakt ist eine Händedesinfektion erforderlich (Kap. 2.1). Bei Infektionen mit Erregern, die sich nicht auf der Körperoberfläche befinden bzw. nur über Blut oder Körperflüssigkeiten übertragen werden, bedarf es keiner verschärften Hygienemaßnahmen. Leider findet sich aus Unkenntnis bei Syphilispatienten gelegentlich ein Schild: „Betreten des Patientenzimmers nur nach Rücksprache mit dem Pflegepersonal“. 5.20.3 Dermatologische Aspekte der Händehygiene Waschen der Hände Die DermatologieHändehygiene HändehygieneDermatologieHändehygiene ist ein Kernelement zur Infektionsprävention und verdient besondere Beachtung (Boyce und Pittet 2002). Allgemein verbindet man mit dem Säubern der Hände das Händewaschen. Die transiente Flora lässt sich durch das Waschen jedoch lediglich um 2–3 log10-Stufen reduzieren. Das gilt auch für Bakteriensporen (Weber et al. 2003). Da die Wirksamkeit antimikrobieller Seifen bei der oft kurzen Waschdauer kaum besser ist als die von einfachen Seifen (Weber et al. 2003), reicht im klinischen Alltag die Anwendung einfacher Seifen zur Händewaschung aus. Die residente Flora lässt sich selbst durch minutenlanges Waschen kaum reduzieren, sodass die Händewaschung im Krankenhaus eine Ausnahme sein sollte. Ihr Sinn liegt in der Entfernung einer sichtbaren Verschmutzung. Die Indikationen zur Händewaschung sind deutlich seltener als im Allgemeinen angenommen: Vor Arbeitsbeginn, nach Arbeitsende sowie nach Toilettenbesuch ist die Händewaschung sinnvoll. In allen anderen klinischen Situationen, in denen eine Maßnahme zur Händehygiene erforderlich ist, ist wegen besserer Wirksamkeit und Hautverträglichkeit eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen (Kampf und Kramer 2004). Häufiges Händewaschen kann zu trockener Haut führen und schädigt die Hautbarrierefunktion. Dadurch verliert die Haut kontinuierlich Fette sowie wasserbindende Faktoren; umgekehrt können Schadstoffe leichter durch die Epidermis eindringen. Aus der häufig sichtbar trockenen Haut kann sich langsam ein klinisch manifestes irritatives Handekzem entwickeln (Kramer et al. 2003; Löffler, Effendy und Happle 2000). Da die Risiko-Nutzen-Bewertung sehr zuungunsten der Händewaschung ausfällt, ist diese lediglich bei einer Kontamination mit bakteriellen Sporenbildnern wie C. difficile als zweiter Schritt nach der Händedesinfektion sinnvoll, weil Bakteriensporen gegenüber Alkohol eine natürliche Resistenz aufweisen und in Gegenwart von Alkoholen gern sporulieren. Hygienische Händedesinfektion Im Gegensatz zur DermatologieHändedesinfektion, hygienische Händedesinfektion, hygienischeDermatologieHändewaschung werden Bakterien, Hefepilze wie Candida spp. oder Rhodotorula spp. sowie behüllte Viren durch die alkoholischen Händedesinfektionsmittel innerhalb der deklarierten Einwirkungszeit praktisch vollständig abgetötet (Kap. 2.1). Händedesinfektionsmittel sind meist deutlich besser verträglich als waschaktive Substanzen zur Händewaschung (Löffler et al. 2007). Selbst bei intensiver, häufiger Händedesinfektion wird die Hautbarriere nur minimal beeinträchtigt und die Hautfeuchtigkeit nur geringfügig reduziert (Kramer, Bernig und Kampf 2002). Das liegt auch am Zusatz von Hautpflegestoffen, die üblicherweise in Händedesinfektionsmitteln vorhanden sind. Kontaktekzeme aufgrund von Allergien gegenüber Inhaltsstoffen aus Händedesinfektionsmitteln sind extrem selten (Löffler et al. 2012). Entgegen ihres Rufs ist das irritative Potenzial alkoholischer Händedesinfektionsmitteln sehr gering. Handekzeme durch Hygienemaßnahmen Hygienemaßnahmen HändehygieneHandekzemegehören zu den Risikofaktoren für beruflich verursachte Handekzeme, sodass die Krankenpflege und verwandte Gebiete unter die Risikoberufe für den Erwerb von Berufsdermatosen fallen (Ibler et al. 2012a). Ein Großteil der Pflegekräfte hält traditionell raue und schuppige Hände für normal in seinem Beruf und realisiert nicht, dass sie erstes Zeichen eines beginnenden Handekzems sein können (Abb. 5.6 ). In einer Fragebogenstudie der Deutschen Kontaktallergiegruppe berichteten > 70 % der Pflegekräfte über irritative Hautveränderungen innerhalb eines Jahres, 46 % empfanden diese als beeinträchtigend für ihren Alltag (Stutz et al. 2008). Abb. 5.6 Das interdigitale EkzeminterdigitalesEkzem als klinische Erstmanifestation einer irritativen Schädigung durch Feuchtarbeit und (falsche) Händehygiene [P044] Die meisten Pflegekräfte halten die alkoholische Händedesinfektion noch immer für schädlicher für ihre Haut als die Händewaschung (Stutz et al. 2008). Alkoholische Präparate sind jedoch im Vergleich zur Händewaschung erheblich hautschonender, da sie die kutane Barriere (gemessen am transepidermalen Wasserverlust) sowie die kutane Feuchtigkeit (gemessen durch Korneometrie) weniger beeinträchtigen (Löffler et al. 2007). Interessanterweise kann die Applikation von Alkoholen nach einer Händewaschung sogar die Irritation durch die Waschung mit Detergenzien vermindern, was an der zusätzlichen Entfernung von auf der Haut verbliebenen Detergenzienmonomeren liegen dürfte. Dennoch vermuten viele Anwender, dass Händedesinfektionsmittel ihre Haut schädigen. Das liegt häufig an den brennenden Sensationen, die Alkohole auf vorgeschädigter Haut verursachen, da sie die Schmerzrezeptoren der Haut reizen. Reflektorisch wird gern die alkoholische Händedesinfektion für die Hautprobleme verantwortlich gemacht (es brennt ja nur beim Alkohol) und es wird die Desinfektion zugunsten der Waschung vernachlässigt. Diese brennt dann zwar nicht mehr auf der Haut, beschleunigt jedoch die Hautschädigung (Lübbe et al. 2000). Es beginnt ein Circulus vitiosus, an dessen Ende ein manifestes Handekzem (Abb. 5.7 ) sowie im schlimmsten Fall die Berufsunfähigkeit stehen kann (Löffler et al. 2007; Stutz et al. 2008). Abb. 5.7 Ein beruflich verursachtes irritatives EkzemirritativesHandekzem durch Feuchtarbeit bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Hautschutzes und der Hautpflege [P044] Das Brennen beim Händedesinfizieren ist ein wichtiges Warnsignal für eine gestörte Hautbarriere. In der Konsequenz müssen hautschädigende Tätigkeiten (Waschen, Arbeiten unter Okklusion, Kontakt mit Seifen, direkter Hautkontakt mit reizenden Flächendesinfektionsmitteln) gemieden und die Applikation von Hautschutz- und Hautpflegepräparate intensiviert werden. Von manchen Anwendern wird alkoholischen Händedesinfektionsmitteln eine sensibilisierende Wirkung zugeschrieben. Bei 50 Mitarbeitern, die aufgrund des Verdachts einer Unverträglichkeit gegen ein alkoholisches Händedesinfektionsmittel allergologisch getestet wurden, konnte eine Sensibilisierung gegen einen Alkohol ausgeschlossen werden. Allerdings wurde eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Hilfsstoff Cetearyloctanoat nachgewiesen (Stutz et al. 2008). Bei Routine-Epikutantestungen gegen Propan-2-ol wurden ungewöhnlich viele positive Testreaktionen gesehen. Diese als eine echte Allergie anzusehen, widerspricht sämtlicher praktischer Erfahrungen der guten Verträglichkeit im Dauereinsatz im Gesundheitsdienst. Eine verstärkte Hautreaktion auf Propan-2-ol unter artifiziell okklusiven Bedingungen (wie bei der Epikutantestung) ist jedoch bei Personen mit einer Defizienz der Alkoholdehydrogenase denkbar (Garcia-Gavin et al. 2011; Löffler et al. 2012). Um diese okklusiven Bedingungen im medizinischen Alltag auszuschließen, muss nach der Händedesinfektion der applizierte Alkohol vollständig verdampfen können, bevor Handschuhe angezogen werden. Die Aufrechterhaltung einer suffizienten Hautbarriere ist nicht nur für den kosmetischen und funktionellen Aspekt von Relevanz. Bereits kleinste Risse bzw. Mikrotraumen können zum Erregerreservoir werden (Forrester et al. 1998; Lammers 1978) und Erreger verbreiten. Zudem weisen ekzematöse Hände eine stärkere Besiedlung mit Pathogenen auf als gesunde Hände und sind damit ein Risikofaktor für NI (Dave et al. 1994; Larson 1999; Wang et al. 2001). Die Vermittlung dieser Erkenntnisse ist eine wichtige Aufgabe in der Ausbildung aller Mitarbeiter im Gesundheitsdienst und sollte in einem Ausbildungscurriculum enthalten sein (Löffler et al. 2006). Hygiene und Hautpflege sowie Hautschutz Der richtige Umgang mit potenziell irritativen Substanzen im Gesundheitsdienst kann Hautschäden vermeiden. Zudem sind für die Aufrechterhaltung einer intakten Hautbarriere der Hautschutz und eine suffiziente Hautpflege eminent wichtig. Hautpflege HändehygieneHautschutzund Hautschutz sind in den Arbeitsalltag zu integrieren und können (richtig durchgeführt) die Hände schützen (Berndt et al. 2001), ohne Desinfektionsmaßnahmen zu beeinträchtigen (Harnoss et al. 2014). Dazu sollten Hautschutzpläne erarbeitet werden, die über die zur Verfügung HautSchutz HautPflegestehenden Produkte und deren Anwendung informieren (Fartasch 2009; Technische Regel für Gefahrstoffe 401 2008). Für die verwendeten Präparate sollten ein Wirksamkeitsnachweis sowie Informationen über die Anwendungsgebiete vorliegen (Fartasch et al. 2008). Hautschutzpräparate sollten vor Arbeitsbeginn und nach jeder längeren Arbeitspause aufgetragen werden, wodurch die Austrocknung und Barriereschädigung der Haut durch Feuchtarbeit verringert werden soll. Nach der Arbeit sollen Hautpflegecremes helfen, die Regeneration der Haut zu beschleunigen. Da manche Hautpflegecremes durch deren Inhaltsstoffe eine Penetration von Irritanzien unterstützen können, sollten diese Pflegecremes vorzugsweise nach der Arbeit aufgetragen werden (Fartasch et al. 2008). Bei einer klinisch manifesten Irritation der Haut müssen die Mitarbeiter einem Dermatologen oder Arbeitsmediziner vorgestellt werden, damit dieser ggf. ein Hautarztverfahren mit Meldung an den Unfallversicherungsträger einleiten kann (Skudlik et al. 2008). Maßnahmen der sekundären und tertiären Prävention zeigen auch bei Mitarbeitern im Gesundheitsdienst eine hohe Effektivität (Ibler et al. 2012b). 5.20.4 Antiseptische Indikationen Eine Vielzahl von AntiseptikDermatologie DermatologieAntiseptikDermatosen weist eine veränderte Hautflora mit erhöhter Infektionsanfälligkeit der Haut auf. So können S. aureus und Malassezia spp. beim atopischen Ekzem als Trigger an der Entzündung beteiligt sein (Bielnska-Warezak und Nowicki 2005; Roll et al. 2004; Takahata et al. 2007b). Auch die Psoriasis ist mit einer Dysbiose assoziiert (Solntseva et al. 2000; Takahata et al. 2007a). Inwieweit eine Beeinflussung der Erkrankungsschwere bei Dermatosen mit veränderter Hautflora durch präventive Antiseptik möglich ist, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. Durch mit Silber ausgerüstete Textilien konnte die Erkrankungsschwere bei atopischer Dermatitis reduziert werden (Gauger et al. 2003; Jünger et al. 2006; Kramer et al. 2006). Tierexperimentell konnte bei Mäusen mit genetisch bedingter hoher Rate ekzematöser Läsionen ähnlich der Situation bei atopischer Dermatitis durch chlorhexidinhaltige Salben eine signifikante Sanierung S.-aureus-kolonisierter Ekzeme nachgewiesen werden (Kondo et al. 2006). Der therapeutische Einsatz von Antiseptika ist indiziert bei mikrobiellen und viralen Dermatitiden, sofern es sich um eine lokalisierte Manifestation handelt, die der externen antiseptischen Therapie zugängig ist. Typische Erkrankungen sind Dermatomykosen, Pyodermien, leichte Formen der Staphylokokkenimpetigo, leichte bis mittelschwere Formen der Acne papulopustulosa, Follikulitis, Erythrasma und Herpes labialis. In einer prospektiven Studie erwies sich die Behandlung mit OCT bei leicht bis mittelschwer verlaufender Akne als Alternative zur Antibiotikaanwendung (Mayr-Kanhauser, Kranke und Aberer 2008). Auch Nagelinfektionen durch Pseudomonas spp. wurden erfolgreich mit octenidinhaltiger Lösung therapiert (Rigopoulos et al. 2009). Tierexperimentell wurde durch die zweimal wöchentliche Anwendung eines Shampoos mit 3 % CHX über 3 Wochen eine erhöhte Malasseziakolonisation mit Hautschäden und Pruritus beherrscht (Jasmin et al. 2003). Die Grundlagen für die Anwendung von Antiseptika bei infizierten Wunden sind in einer Expertenempfehlung zusammengefasst (Dissemond et al. 2009). Bei chronischen Ulcera cruris hat die antiseptische Begleittherapie mit polihexanidgetränkten Auflagen maßgeblich zum Therapieerfolg beigetragen. Voraussetzung für die antiseptische Therapie ist deren Integration in einen überwachten klinischen Behandlungspfad (Roth und Kramer 2009). Bei neoplastischen Ulzera bestätigte sich die antiseptische Effektivität von OCT (Sopata et al. 2008). Bei bestimmten Infektionen kann nach chirurgischer Intervention (z. B. Furunkel, Bulla repens, Molluscum contagiosum) durch nachfolgende Antiseptik die Heilung unterstützt werden. Antiseptika sind nicht indiziert bei Infektionen des oberen und tieferen Koriums (Furunkel/Karbunkel, Erysipel, Phlegmone, Abszesse, Hidradenitis) sowie bei Infektionen durch Mykobakterien, Borrelien oder Bartonellen (Höger 1998). 5.20.5 Peri- und postoperative Antibiotikaprophylaxe bei Laser Skin Resurfacing (LSR) Durch Laser Skin Resurfacing Antibiotikaprophylaxe, perioperativeLaser Skin Resurfacing Laser Skin ResurfacingAntibiotikaprophylaxeLSR entsteht quasi eine oberflächliche Verbrennung 2. Grades mit der Risiko der SSI. Bei LSR mit nichtfraktioniertem Laser wurden Infektionsraten von 1,1–7,6 %, bei fraktioniertem Laser von 0,3–2,0 % beobachtet. Als Erreger dominieren HSV-1, gefolgt von P. aeruginosa, S. aureus, S. epidermidis und seltener Candida spp. (Kramer 2014). Präoperativ empfiehlt sich die Identifikation nasaler Träger von S. aureus bzw. von MRSA, um bei Kolonisierung zunächst die antiseptische Sanierung vorzunehmen. Mittel der Wahl ist Mupirocin. Bei Mupirocinresistenz kommt alternativ OCT-Nasensalbe in Betracht (Hübner et al. 2009). Bei beginnender oder florider HSV-1-Infektion sind laserchirurgische Eingriffe kontraindiziert. Zur Verhinderung einer Aktivierung von HSV-1-Infektionen wird für Patienten mit rezidivierenden HSV-Infektionen im Gesichtsbereich sowie bei ablativer Behandlung des gesamten Gesichts eine antivirale Prophylaxe, die 1 d präoperativ beginnt und bis 5–7 d postoperativ dauert, empfohlen (Metelitsa und Alster 2010). Bei hohem Infektionsrisiko, z. B. bei Immunsuppression und hohem Endokarditisrisiko, sowie bei Ganzgesicht- und Regional-LSR ist eine antibakterielle PAP indiziert (Kramer 2014; Ross et al. 1998). Bei ersten Anzeichen einer SSI sind polihexanidhaltige Antiseptika bzw. Wundauflagen das Mittel der Wahl (Kramer et al. 2013c). 5.21 Rehabilitationseinrichtungen Georg Daeschlein, Thomas Platz, Thomas Kiefer-Trendelenburg und Axel Kramer Die RehabilitationseinrichtungenZielsetzung der rehabilitativen Medizin besteht darin, Patienten so weit wie möglich in einen körperlichen, psychischen und sozialen Zustand, der dem vor der Erkrankung möglichst nahe kommt, zu versetzen. Dabei konzentrieren sich alle Rehabilitationsmaßnahmen auf die Förderung der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen (Beruf, Familie, Gesellschaft). Dadurch wird der Patient – wenn auch ggf. nur eingeschränkt – befähigt, sein Leben in der Gesellschaft trotz einer erkrankungsbedingten Behinderung selbstbestimmt fortzuführen. Als Novum wurde dieses biopsychosoziale Modell von Krankheit und Gesundheit auf das theoretische Fundament der international konsentierten Klassifikation der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) gestellt, das die Dimensionen Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivität, Teilhabe und sogenannte Kontextfaktoren berücksichtigt, um ein umfassend ganzheitlich angelegtes interdisziplinäres Rehabilitationskonzept zu verfolgen. Die Begrifflichkeiten der ICF haben Eingang in das SGB V und das SGB IX gefunden. Die Behandlung in einer (Früh-)Rehabilitationseinrichtung erfolgt häufig nach einem Akutereignis im Rahmen einer Krankenhausbehandlung (Frührehabilitation) oder einer Anschlussrehabilitation (AR/AHB) sowie auch später im Rahmen eines allgemeinen Antragsverfahrens. Rehabilitation nach akutmedizinischer Behandlung. Ein kontinuierlich wachsender Anteil der (Früh-)Rehabilitationsleistungen erfolgt direkt nach der primären akutmedizinischen Behandlung. RehabilitationseinrichtungenPatienten nach akutmedizinischer BehandlungAus hygienischer Sicht von besonderer Bedeutung sind dabei Patienten, die aus stationären Akutbehandlungseinrichtungen (ITS, Wachstation) mit besonderem Risikopotenzial (hohe Prävalenz mit Problemerregern) direkt in (Früh-)Rehabilitations-Kliniken verlegt werden, wie es z. B. bei der neurologischen Frührehabilitation (sog. Phase B) oft der Fall ist. Da bei diesen noch schwerkranken Patienten auch in der Frührehabilitationseinrichtung eine akutmedizinische Versorgung erforderlich ist, müssen solche Frührehabilitationskliniken mit eigenen Intensivtherapieeinheiten ausgestattet sein. Neben der akutmedizinischen Versorgung einschließlich eines Weanings bei beatmeten Patienten erfolgen hier möglichst frühzeitig parallel Frührehabilitationsmaßnahmen mit dem Ziel der funktionellen Förderung. Eine ähnliche Situation zeigt sich in der Onkologie. Insbesondere nach einer Hochdosischemotherapie mit allogener Blutstammzelltransplantation können viele medizinisch anspruchsvolle und pflegerisch aufwendige Patienten schon kurz nach der Transplantation im Zuge einer AHB rehabilitiert werden. Infolge der malignen Erkrankung, der Hochdosischemotherapie, der Immunsuppression und des mitunter langen und anstrengenden Krankenhausaufenthalts (oft auf einer Intensivstation) zeichnen sich diese Rehabilitanden durch ausgeprägte Immunschwäche aus, die sie zu einem Hochrisikoklientel für infektiöse Komplikationen macht. Zusätzlich sind vor allem diese Patienten wegen der Abwehrschwäche und dem vorherigen langen Krankenhausaufenthalt Hochrisikopatienten für eine Besiedlung mit MRE. MRE-Problematik: Die Problematik der RehabilitationseinrichtungenMRE Multiresistente ErregerRehabilitationseinrichtungenzunehmenden Verbreitung von MRE betrifft auch die Einrichtungen der Frührehabilitation und der weiterführenden Rehabilitation. Wichtig sind sowohl MRSA mit derzeit stagnierender Inzidenz als auch die deutlich im Anstieg begriffenen MRGN. Damit werden auch die (Früh-)Rehabilitationskliniken vor neue Aufgaben gestellt, die ein risikoadaptiertes Screening auf MRE, interdisziplinäres Handeln und ein hohes Maß an standardisierten Abläufen präventiver Maßnahmen in Diagnostik, Therapie und Pflege notwendig machen. Da die z. T. einschneidenden Maßnahmen zur Prävention von MRE wesentlich für den (Früh-)Rehabilitationserfolg der Patienten sind, erscheint es notwendig, auch die Präventionsstrategie in (Früh-)Rehabilitationseinrichtungen auf der Basis von Prävalenzuntersuchungen zu untermauern. Woltering et al. (2008) ermittelten in Rehabilitationseinrichtungen eine MRSA-Prävalenz von 1,2 %. Dabei ist jedoch unklar, inwieweit diese Zahlen z. B. auf onkologische immunsupprimierte Patienten mit langem Krankenhausaufenthalt oder kardiologische Patienten übertragbar sind. In einer Pilotstudie wurde in einer Rehabilitationseinrichtung in Hessen (80 % kardiologische, 20 % orthopädische Rehabilitanden) eine MRE-Prävalenz von 12,7 % ermittelt, davon 0,9 % MRSA, 5,7 % VRE und 1,4 % Escherichia coli 3 MRGN (Hofmann et al. 2013). Heudorf et al. (2013) konnten in kardiologisch (und orthopädisch) ausgerichteten Reha-Einrichtungen (68 Patienten) keinen MRSA nachweisen, während die Prävalenz von ESBL (MRGN) mit 14,7 % hoch war. Als Risikofaktoren für eine nasale Kolonisation mit S. aureus konnten bei Altenheimbewohnern COPD, chronische Bronchitis, Apoplex, Diabetes mellitus, antibiotische Therapie bis zu 3 Monate zurückliegend und Pflegestufe 2 identifiziert werden (Daeschlein et al. 2006). 5.21.1 Bauliche Besonderheiten Räumlichkeiten Einrichtungen der Frührehabilitation und weiterführenden Rehabilitation unterscheiden sich in baulicher Hinsicht in einigen wesentlichen Punkten von Rehabilitationseinrichtungenbauliche AnforderungenKrankenhäusern der Akutversorgung. Raumgröße: Als Besonderheiten RehabilitationseinrichtungenRaumgrößegelten der durch Transport-, Mobilisations- und Therapiehilfen (Lifter, Rollstuhl, Stehbrett) sowie durch die personalintensive Therapie (besonders Physiotherapie) und den Besucherverkehr hohe Platzbedarf in den Patientenzimmern und Therapieräumen. Zusätzlich kommen Räume für spezielle Therapien, u. a. Bewegungsbäder, Ergo-, Logopädie-, Physio-, Sport- und physikalische Therapieangebote für Einzel- und Gruppentherapie hinzu. Daher sollte bereits bei der Planung der (Früh-)Rehabilitationseinrichtungen und insbesondere bei geplanten Umbaumaßnahmen rechtzeitig ein Krankenhaushygieniker hinzugezogen werden, der seine Empfehlungen mit den Behörden abstimmt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft medizinisch-beruflicher Rehabilitationszentren empfiehlt eine Mindestgröße von 20 m2 für Einbett- und 30 m2 für Zweibettzimmer. Die Grundsätze RehabilitationseinrichtungenWassersicherheit WassersicherheitRehabilitationseinrichtungender Wassersicherheit (Kap. 6.6) sind insbesondere bei immunsupprimierten Patienten (nach Transplantation) und bei Patienten mit erheblicher Bewegungseinschränkung, eingeschränkter Wahrnehmung und Schädigung mehrerer Organsysteme, z. B. bei Wachkomapatienten, zu beachten. Hierzu gehören kontaktlose Wasserhähne an Waschbecken und die Aerosolvermeidung durch Fernhalten des Wasserstrahls vom Ablauf, endständige Filter an patientennahen Zapfstellen und die Verwendung spülrandloser WCs zur Eindämmung der Aerosolbildung beim Spülvorgang (Engelhart et al. 2014). Bei Patienten mit Immunsuppression (z. B. neutropene Patienten in der onkologischen Rehabilitation) sind wischdesinfizierbare Böden wünschenswert, aber nicht zwingend notwendig. Zum RehabilitationseinrichtungenAusstattungRehabilitationskonzept gehört – speziell in der weiterführenden Rehabilitation – auch die Ausstattung der Patientenzimmer und Therapieräume. Hierbei wird das Ambiente anders als in Akutkliniken und Frührehabilitationseinrichtungen weitgehend dem häuslichen Milieu angepasst. Es finden sich z. B. häufig Fenstervorhänge, die bei richtiger Aufbereitung kein Risiko darstellen (Daeschlein, Weber und Kramer 2004). Durch die Auswahl des Mobiliars und die Raumgestaltung kann das rein funktionale Ambiente, z. B. der Eindruck eines „Maschinenraums“ einer Intensiveinheit, in Akutbehandlungseinheiten einer Frührehabilitationseinrichtung weitgehend vermieden werden. Vielerorts werden für Möbel, Türen und Geländer versiegelte Holzoberflächen oder Holzimitate vorgezogen. Die therapeutisch begründeten Abweichungen von der in Krankenhäusern üblichen Raumplanung und -ausstattung sind vor allem bei der Isolierung eine Herausforderung für die Hygieneüberwachung. 5.21.2 Personelle Voraussetzungen, Berufskleidung und Organisation der Patientenbetreuung Das Rehabilitationseinrichtungenpersonelle Anforderungen(Früh-)Rehabilitationskonzept basiert wesentlich auf multidisziplinärer Zusammenarbeit aller Beteiligten. Anders als in Nicht-Rehabilitations-Bereichen bedeutet die erheblich höhere Anzahl von medizinischem und nicht medizinischem Personal eine wesentlich größere Kontaktfrequenz zu potenziell kontaminierten Flächen (Hände, Gegenstände, Tisch- und Stuhlflächen). Außerdem kommt es in verschiedenen Bereichen der (Früh-)Rehabilitation zu vermehrtem intensiverem Kontakt zwischen Patient und Personal, z. B. bei der ggf. sehr körpernahen therapeutischen Pflege und Physiotherapie mit dem damit verbundenen erhöhten Risiko der Weiterverbreitung potenzieller Pathogene. Besucher werden anders als im Akutkrankenhaus so weit wie möglich in therapeutische und betreuende Abläufe einbezogen. Dieser Umstand sowie die in der weiterführenden Rehabilitation teilweise bewusst zivil gehaltene Kleiderordnung auf den Stationen muss in die Planungen für die Überwachung und im Ausbruchfall berücksichtigt werden. Die Gewährleistung des vergleichsweise höheren Personalbedarfs besonders in der neurologischen Rehabilitation und Frührehabilitation ist auch für die Realisierung der Präventionsmaßnahmen eine wichtige Voraussetzung (Tauch 2011). Hygienemaßnahmen: Dem RehabilitationseinrichtungenHygienemaßnahmen RehabilitationseinrichtungenBerufskleidung BerufskleidungRehabilitationseinrichtungenErregertransfer aufgrund des engen und z. T. langdauernden Patientenkontakts der Gesundheits- und Krankenpfleger sowie der therapeutischen Berufsgruppen kann durch folgende Maßnahmen begegnet werden: • Inkraftsetzung, Schulung und Überwachung von Hygienebasismaßnahmen (z. B. hygienische Händedesinfektion vor und nach jedem Patienten sowie nach Kontamination; kein Tragen von Armbanduhren oder Schmuck; Regelung der Berufskleidung inkl. deren Aufbereitung) • Verfahrensanweisungen (VA), die das Hygiene-relevante Verhalten für alle Beteiligten und die verschiedenen möglichen Situationen transparent regeln und deren regelmäßige Vermittlung und Supervision durch Hygienefachkräfte • Information des Behandlungsteams über infektiöse und/oder kritisch kolonisierte Patienten (insbesondere MRE, C. difficile, Noroviren, Virusgrippe), damit spezielle Maßnahmen wie Wechsel der Berufskleidung, Anlegen von MNS gemäß VA patientenbezogen adäquat umgesetzt werden können. Es empfiehlt sich, Therapieräume in Abhängigkeit vom MRE-Trägerstatus der Patienten zu nutzen, um bei Wechsel zwischen MRE mit unterschiedlichen Übertragungsmöglichkeiten bzw. unterschiedlicher Kontagiosität eine Zwischendesinfektion durchführen zu können. Alternativ können bestimmte Räume und Therapiebereiche für Patienten mit vergleichbaren MRE ausgewiesen werden. Für Rehabilitationskliniken soll mindestens ein Arzt (möglichst mit oberärztlicher Qualifikation) als Hygienebeauftragter berufen und für die Teilnahme an einem Ausbildungskurs für Hygienebeauftragte (in der Regel 40 h) freigestellt werden (KRINKO 2009). Eine ausgebildete Hygienefachkraft unterstützt ihn bei der Umsetzung des Hygienemanagements. 5.21.3 Risikofaktoren für die Verbreitung von Problemerregern Krankheitsbedingtes Infektionsrisiko: In den meisten reinen Reha-Kliniken (AHB) finden sich selten Patienten mit entsprechendem Risikoprofil. So ist In Rehabilitationseinrichtungen RehabilitationseinrichtungenInfektionsrisikofür orthopädische Erkrankungen mit geringer Frequenz stattgehabter Eingriffe und seltenem Aufenthalt in Intensivabteilungen ist mit einer geringeren Infektionsgefährdung zu rechnen. Im Gegensatz dazu finden sich gefährdete Patienten regelmäßig in Kliniken, die Anschlussrehabilitationen wegen gastroenterologischer bzw. gastroenterologisch-onkologischer, vor allem aber wegen hämato-onkologischer Krankheitsbilder durchführen. Daher sollte das Hygienemanagement in solchen Einrichtungen diesem Umstand Rechnung tragen. Dringend zu fordern ist zudem die Intensivierung von Untersuchungen zur Prävalenz von MRE bei Patienten in der Rehabilitation und besonders bei o. g. Krankheitsbildern. Auch Patienten in der neurologischen Frührehabilitation speziell der Phasen B und C (weiterführende Rehabilitation im Anschluss an die Phase B) sind besonders infektionsgefährdet, weil meist komplexe Schädigungen verschiedener Organsysteme vorliegen: • Eine Schädigung des ZNS führt nicht nur zu motorischen Defiziten, sondern beeinträchtigt reflektorisch und immunologisch die Infektionsabwehr. • Das gleichzeitige Vorliegen weiterer Risikofaktoren (z. B. Katheter, hämodynamische Störungen, Adipositas, Diabetes mellitus) oder einen kolonisierten Dekubitus bedeutet eine zusätzliche Infektionsgefährdung. • Wirbelsäulenverletzungen bzw. -erkrankungen mit den verschiedensten Formen von Querschnittlähmungen sind aufgrund der herabgesetzten Aktivität und Mobilität, einer evtl. vorliegenden Schluckstörung oder Beeinträchtigung der Atemmuskulatur, der häufigeren neurogene Blasenfunktionsstörung sowie einer Mastdarmlähmung ein unabhängiger Risikofaktor, sodass die NI Prävalenz mit 21,8 % signifikant höher war als bei Rehabilitationspatienten der gleichen Kliniken ohne diesen Risikofaktor (4,3 %). • Ein Harnblasenkatheter ist ein zusätzlicher unabhängiger Risikofaktor (Girarda et al. 2008). • Fast alle Patienten der neurologischen Frührehabilitation haben außerdem zuvor auf einer ITS Antibiotika erhalten, wodurch das Risiko des Eintrags resistenter Klone steigt (Santus et al. 2005). Je mehr Organe eines Patienten betroffen sind (z. B. Nierenversagen, Atemwegsinfektion, Blasenkatheter, lange Intensivbetreuung, komplexe chirurgische Therapien), desto höher ist das Risiko für eine NI. Infektionswege: Das Hygienemanagement RehabilitationseinrichtungenInfektionswegemuss folgende Infektionsmöglichkeiten berücksichtigen: • NI aufgrund direkter Übertragung durch das medizinisches Personal (viele und intensive Kontakte) bei diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen • NI durch Umgebungskontaminationen (Vernebler, wasserführende Anlagen, kontaminierte Lebensmittel) • Eingeschleppte Infektion durch Besucher (Virusgrippe, gastrointestinale Infektionen) In (Früh-)Reha-Kliniken sind folgende RehabilitationseinrichtungenErregerreservoirepotenzielle Erregerreservoire zu beachten: • Sanitäre Anlagen (Abläufe, Duschen, Waschbecken), • Vernebler, • Wannen, speziell Therapiewannen, • Salbentöpfe, Cremetuben, Therapiegeräte, Gymnastikhilfsmittel. (Früh-)Reha-Patienten mit Ulcus cruris, Dekubitus, PEG-Eintrittsstellen, Trachealkanülen und HWK sind typischerweise mit nosokomialer Flora der Therapieeinrichtungen, die sie durchlaufen haben, besiedelt („Hausflora“). Kolonisationsspektrum: Es gibt RehabilitationseinrichtungenErregerspektrumkeine typischen Reha-Pathogene, allerdings bestimmt die Art der Rehabilitation, welche Erreger zu erwarten sind. So dominiert bei Patienten mit Querschnittsymptomatik und Harnblasenlähmung typischerweise die Urogenitalflora mit meist mehr als drei Spezies (u. a. Enterobakterien, Enterokokken). Zu den häufigsten Erregern gehören P. aeruginosa, K. pneumoniae, E. coli, S. marcescens, P. mirabilis, S. epidermidis, Enterococcus spp. und S. aureus einschließlich MRSA. Pilze spielen eine untergeordnete Rolle, solange keine zusätzliche Abwehrschwäche (z. B. T-Zelldefekte oder Tumoren) vorliegt. Die Rangfolge der Spezies in > 1 400 Proben (Rachen- und Wundabstriche, Urin, Trachealkanülen, PEG) bei 270 Patienten der neurologischen Frührehabilitation aus drei Rehakliniken in Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist in Tab. 5.35 zusammengefasst, wobei MRE häufig bereits bei Aufnahme eingeschleppt werden (mitgebrachte Kolonisation). Tab. 5.35 Erregerprävalenz in drei Rehabilitationseinheiten der neurologischen Frührehabilitation (Daeschlein et al., unveröff.) Rang Erregerspecies Prozent 1 Pseudomonas aeruginosa 64,2 2 Klebsiella pneumoniae ssp. pneumoniae 9,2 3 Enterococcus spp. 6,5 4 Escherichia coli 5,7 5 KNS 3,4 6 MRSA 2,6 7 Acinetobacter baumannii 2,3 8 Enterobacter spp. 2,3 9 Klebsiella oxytoca 1,9 10 Serratia spp. 1,5 Das Kolonisationsspektrum zeigt vor allem bei (Früh-)Reha-Patienten mit langer Liegedauer (Frührehabilitation, onkologische Rehabilitation) einige Besonderheiten. Vereinfachend kann man davon ausgehen, dass mit zunehmender Liegedauer vermehrt mit dem Umgebungserreger P. aeruginosa gerechnet werden muss (Tab. 5.36 ). Das gilt vor allem für chronische Wunden (Dekubitus, Tracheostoma), die spätestens nach einigen Wochen mit diesem Erreger besiedelt sind und bei Fehlen geeigneter Gegenmaßnahmen mit Biofilmbildung einhergehen. Typisch sind zudem respiratorische Infektionen, meistens Tracheobronchitiden, HWI und Blutstrominfektionen (Bakteriämie, Sepsis, oft mit Gefäßkathetern assoziiert). Auch Liquorableitungen (z. B. ventrikuloperitoneale Shunts) können zum Ausgangspunkt von NI werden. Tab. 5.36 Typische mikrobielle Kolonisation in der neurologischen Frührehabilitation Lokalisation Bemerkungen Spezies Rachenabstrich Wichtig für MRSA-Screening; bei liegender Trachealkanüle i. d. Regel gleiches Erregerspektrum P. aeruginosa, K. pneumoniae ssp. pneumoniae, E. coli Trachealkanüle Wichtiges unterschätztes Erregerreservoir; meist massenhafte Besiedlung mit tief reichendem Biofilm P. aeruginosa, S. aureus, K. pneumoniae ssp. pneumoniae PEG Entgeht leicht dem Screening, da nicht als Wunde realisiert P. aeruginosa, S. aureus, MRSA Urin/Urethra Bei hochpositivem DK-/SPBK-Urine Urethra meist ebenfalls positiv P. aeruginosa, K. pneumonie ssp. pneumoniae, K. oxytoca, E. coli, P. mirabilis, diverse Enterokokken, wichtigstes Reservoir für 3 und 4 MRGN Dekubitalulkus Nach wenigen Liegetagen adaptiert sich die nosokomiale Flora, vorzugsweise gramnegative Fäkalkeime (Nähe urogenitale Kontamination, Stuhlflora) E. coli, P. aeruginosa, K. pneumoniae spp. pneumoniae, S. aureus, Enterokokken (Früh-)Rehabilitationspatienten mit bei Wunden (Stoma, Ulcus decubitus, PEG) sind in der Regel innerhalb weniger Tage bis Wochen nosokomial besiedelt. In der neurologischen Frührehabilitation lag diese Rate bereits nach 1 Woche Liegezeit an mindestens einer Lokalisation bei 100 %. Durch diese hohe Kolonisationsrate besteht das Risiko der Verbreitung von Erregern mit speziellen Resistenzen, nicht jedoch zwingend auch eine erhöhte Infektionsinzidenz. Symptomatik: Für den klinisch tätigen Kollegen stellen NI in der neurologischen Frührehabilitation mit Wachkomapatienten oft eine besondere Herausforderung dar, weil bei neurologisch schwerstgeschädigten Patienten • klassische Infektionszeichen unzuverlässig sind bzw. fehlen (Gefahr der Fehldiagnose „zentral“ bedingtes Fieber), • infektiologische Laboruntersuchungen unspezifisch bzw. negativ ausfallen (fehlende Leukozytose, fehlender oder permanenter CRP-Anstieg), • NI oft nur anhand sekundärer Infektionszeichen diagnostiziert werden (Unruhe, Tachykardie, Änderung der Wundsymptome, z. B. veränderte Sekretion). Die Diagnose einer NI wird hauptsächlich über die klinische Verlaufsbeobachtung unter Berücksichtigung besonderer Kriterien wie Tachykardie und vermehrte Unruhe der Patienten gestellt. 5.21.4 Krankenhaushygienische Überwachung und Organisation Hygienisches Ziel ist die rehabilitationsgerechte Infektionsprävention. RehabilitationseinrichtungenInfektionspräventionHierzu dienen insbesondere • die Stellung geeigneten Personals (HFK, HBA, Krankenhaushygieniker, Infektiologe), • die Erarbeitung von an die (Früh-)Rehabilitation adaptierten Hygieneplänen mit umsetzbaren (verständlichen, kommunizierbaren, schnell verfügbaren, gelebten und aktualisierten) Verfahrensanweisungen, • die an den Kenntnissen der lokalen Bedingungen und Möglichkeiten orientierte Erarbeitung einer die verschiedenen Abteilungen berücksichtigenden Risikobewertung als Grundlage der Maßnahmenfestlegung und Überwachung, • die Umsetzung und regelmäßige Kommunikation der im IfSG geforderten Surveillance auf der mindestens 2 × im Jahr tagenden Hygienekommission, • regelmäßige Schulungen zu den Themen Infektionsschutz, Epidemiologie, Prävention, Antiseptik, Wundmanagement, • Aufbau einer Antibiotic Stewardship für alle beteiligten Stationen und Ambulanzen, • Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen bei Auftreten von MRE und bei Ausbrüchen von NI, • tägliche „in time“ Befundübermittlung relevanter MRE an das Hygieneteam und ggf. an den Infektiologen, damit ggf. Sofortmaßnahmen eingeleitet werden können (z. B. bei 4 MRGN-Nachweis), bevor es zur Ausbreitung kommt. Screening Für die meisten (Früh-)Reha-Kliniken liegen bislang keine ausreichenden Daten zur Prävalenz und klinischen Relevanz von MRE vor. Eine kleinere Studie ergab in 3 Rehabilitationskliniken unterschiedlichen Profils eine MRSA-Prävalenz von 1,2 %, MRE-ScreeningRehabilitationseinrichtungen RehabilitationseinrichtungenMRE-Screening MRSA-ScreeningRehabilitationseinrichtungen RehabilitationseinrichtungenMRSA-Screeningwobei es sich überwiegend um Kolonisationen handelte (Woltering et al. 2008). Die Autoren ziehen die Schlussfolgerung, dass ein generelles MRSA-Screening nicht sinnvoll erscheint, empfehlen dieses aber für definierte Risikogruppen (z. B. Hämodialysepatienten, bekannte MRSA-Infektion innerhalb der letzten 6 Monate). Auch die Autoren eines Positionspapiers zum Umgang mit MRSA in der stationären Rehabilitation sprechen sich gegen ein generelles MRSA-Screening aus (Eichhorn, Barth und Christiansen 2008), empfehlen dieses aber bei Vorliegen der von der KRINKO definierten Risikofaktoren (2014). Im Unterschied dazu empfahlen Manian et al. (2002) nach den Erfahrungen eines MRSA-Ausbruchs ein generelles Aufnahmescreening außer bei Aufnahme direkt aus dem häuslichen Milieu; allerdings war die MRSA-Rate in dieser US-Studie hoch, wobei die Autoren einen signifikanten Anstieg der MRSA-Besiedelung von 5 % (1987–1988) auf 12 % (1999–2000) feststellten. Aus eigenen Erfahrungen erscheint uns ein generelles MRE-Aufnahmescreening einschließlich rückverlegter Patienten nur bei Patienten in der neurologischen Frührehabilitation sinnvoll, die ein erhöhtes Risiko für eine MRE-Kolonisation haben. Die Spezifizierung dieser Gruppe ist regional gemäß der jeweils erhobenen Resistenzstatistiken zu definieren und umfasst typischerweise Patienten, die von einer Intensivstation in die Frührehabilitation verlegt, aus einem Pflegheim aufgenommen oder aus sonstigen Einrichtungen und Ländern mit einer höheren Prävalenzrate von MRE-Kolonisation aufgenommen werden (Tab. 5.37 ). Tab. 5.37 Bewährtes risikoadaptiertes Screening in einem neurologischen Rehabilitationszentrum MRSA-Screening Bei Neuro-Akut-Patienten und Querschnittgelähmten (Akut- und Reha-Patienten) mit Ausnahme der sog. Checkpatienten, die für eine Nacht aufgenommen werden Bei Vorliegen von mindestens einem der folgenden Risikofaktoren: MRSA-Anamnese ohne zwischenzeitlichen sachgerechten Nachweis des Nichtmehrvorliegens einer MRSA-Kolonisation Chronische Wunde Dekubitus Grad 3 oder 4 Verlegung aus einem Krankenhaus, wenn dort während des stationären Aufenthalts eine mindestens siebentägige Behandlung auf einer Intensivstation (inkl. Weaning-Station) durchgeführt wurde Aufnahme aus einem Pflegeheim Kein Screening erfolgt Für Stationen, die keine Neuro-Akut-Patienten behandeln Bei Vorlage eines gültigen MRE-Überleitbogens, aus dem keine MRSA-Kolonisation hervorgeht 3MRGN-Screening Bei endemischer Situation wird bei Patienten mit bekanntem positiven 3MRGN-Status auf Anordnung des Arztes eine Kontrolluntersuchung vom Ort der bekannten Besiedlung veranlasst, jedoch nicht häufiger als wöchentlich. Bei mehrfachem Nachweis im Verlauf werden die Intervalle angepasst. Beim mehrfachen Nicht-Nachweiswird auf weitere Kontrollen verzichtet. 4MRGN-Screening Bei Patienten mit Kontakt zu 4MRGN-positiven Patienten, die im selben Zimmer gepflegt wurden Bei neu aufgenommen Patienten, bei denen in der Anamnese eine Kolonisation oder Infektion mit 4MRGN bekannt ist Bei Patienten mit kürzlichem Kontakt zum Gesundheitssystem in Ländern mit endemischem Auftreten (z. B. arabische und asiatische Länder). Kein Screening erfolgt Bei Vorliegen eines aussagekräftigen negativen mikrobiologischen Befundes: mindestens einer Stuhlprobe oder eines Rektalabstrichs oder eines Abstrichs vom Ort der vormaligen Kolonisation, bei chronischen Wunden auch von der Wunde, bei P. aeruginosa und Acinetobacter baumannii auch Trachealsekreat oder Rachenabstrich. Bei diesem Screening werden neben MRSA besonders die häufig vorkommenden multiresistenten Pseudomonaden- und Acinetobacterstämme entdeckt. Außerdem werden auch eingeschleppte Problemerreger frühzeitig erkannt, sodass Präventivmaßnahmen, z. B. eine Isolierung (4MRGN, MRSA, VRE), möglich sind. Zudem wird die Resistenzlage kontinuierlich erfasst (Resistenzmonitoring), wodurch die kalkulierte antibiotische Chemotherapie fortlaufend aktualisiert werden kann. Alle Patienten mit Risiko für eine Besiedelung oder Infektion mit 4 MRGN werden mit einer Stuhlprobe, ggf. alternativ einem Rektalabstrich und – falls vorliegend – einem Abstrich aus chronischen Wunden bzw. dem Ort einer vormaligen Kolonisation sowie bei V. a. P. aeruginosa oder Acinetobacter baumannii auch Trachealsekreat oder Rachenabstrich (Patienten ohne Trachealkanüle) gescreent und bis zum Vorliegen der Ergebnisse isoliert. Bei MRSA-, VRE- und 4 MRGN-Nachweis sind Mitpatienten im Zimmer sowie Patienten mit stattgehabtem Kontakt (z. B. Spaziergang, Warten vor Untersuchung) in den vergangenen 2 d ebenfalls auf diese Erreger zu untersuchen. Wird eine Häufung nachgewiesen, werden auch die Mitarbeiter untersucht. Wegbereiter eines vermeidbaren „stillen“ Eintrags von Problemerregern sind u. a. fehlende oder unvollständige Übermittlung wichtiger Infektionsdaten (Abstrichlokalisation, Art der Probe, Datum der Untersuchung, Erregerart, Besiedlungsstatus, Resistenzbesonderheiten, Therapiestrategie, medikamentöse und antibiotisch/antiseptische Vorbehandlung durchgeführte Hygienemaßnahmen) des Patienten bei Aufnahme und Verlegung. Für folgende Tätigkeiten sind geeignete Organisationsformen zu entwickeln: • Dokumentation von nosokomialen Infektions- und Kolonisationsbefunden, • bei Direktverlegung Anlegen des Überleitungsbogens (Hygieneepikrise) für jeden Patienten seitens der einweisenden Klinik, • aktualisierte Antibiotika-Richtlinie. Surveillance Die RehabilitationseinrichtungenSurveillance SurveillanceRehabilitationseinrichtungenSurveillance von NI wird vom Hygienefachpersonal nach einem zuvor gemeinsam mit der Hygienekommission abgestimmten Konzept durchgeführt. Die Durchführung eines Basisprogramms für ein mikrobiologisches Monitoring im Ausbruchfall oder temporär in besonderen Risikobereichen wie der neurologischen Frührehabilitation empfiehlt sich • bei Patientenaufnahme, • alle 14 d z. B. bei intensivpflichtigen Patienten der neurologischen Frührehabilitation, • am Tag der Verlegung. Je früher eine (noch) klinisch inapparente oder apparente NI bzw. deren Vorstufe, die Kolonisation, diagnostiziert wird, desto bessere Chancen bestehen für eine effektive Therapie und desto geringer sind die Folgekosten. Anhand der Erreger- und Resistenzstatistik mit Trendbeobachtung wird eine abteilungsbezogene kalkulierte antibiotische Chemotherapie möglich. Außerdem wird das Infektionsrisiko für einzelne Patienten sowie für die Abteilungen besser einschätzbar und mit anderen Einrichtungen vergleichbar (interne und externe Qualitätskontrolle). Ob und wie lange ein mikrobiologisches patientenbezogenes Monitoring weiter geführt wird, muss vom Team im Rahmen der laufenden Risikobewertung auch unter Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Relation entschieden werden. Für das mikrobiologische Monitoring im Verlauf hat sich nach unseren Erfahrungen die Untersuchung von Trachealsekret und Urin, ggf. von Wunden, bewährt, beim initialen Screening ergänzt durch Nasenvorhof- und Rachenabstrich (z. B. MRSA). Bei Kolonisation oder Infektion mit relevanten Erregern kann zur weiteren Risikoeinschätzung ein Perianal- oder Rektalabstrich durchgeführt werden, wodurch Carrier frühzeitig erkannt werden können. Typische 3MRGN und 4MRGN finden sich häufig zunächst beim Urinscreening oder im Rahmen der HWI-Diagnostik. Ergibt sich beim Monitoring ein relevanter Erregernachweis, ist die zeitnahe (digital, telefonisch oder per Fax) Übermittlung des Befunds (unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen) durch das mikrobiologische Labor Voraussetzung für die rasche Reaktionsmöglichkeit des Klinikers. Jetzt kann entschieden werden, ob und welche Weiteruntersuchung erfolgen soll, z. B. Ausdifferenzierung, Typisierung, Resistenzbestimmung, Therapie. Wie beim Kliniker ist auch auf der Laborseite klinisch-mikrobiologische Erfahrung Voraussetzung für die erfolgreiche Kooperation. Dazu gehört, dass die Surveillance-Diagnostik anders als die Infektionsdiagnostik auf die Belange einer schnellen sowie kompetenten und zielführenden Resistenzbestimmung zugeschnitten wird. Ohne eine solche Abstimmung wird die Surveillancediagnostik zur Kostenfalle. Die Definitionen des NRZ für NI gelten auch in Rehabilitationskliniken. Die Ergebnisse sollen zeitnah mit dem Hygienebeauftragten Arzt, der Klinikleitung und mit den behandelnden Ärzten der jeweiligen Abteilung und mindestens einmal jährlich in der Hygienekommission diskutiert werden (§ 23 IfSG). Konsequenzen aus diesen Daten sind dem Behandlungsteam mitzuteilen. Wenn neue Strategien zur Infektionsprävention eingeführt oder die Compliance bei der Umsetzung bereits definierter Maßnahmen verbessert werden soll, ist dies von der Krankenhausleitung zu überprüfen. Infektionsprävention Antibiotika: Die Regelung der RehabilitationseinrichtungenInfektionsprävention RehabilitationseinrichtungenAntibiotikatherapie AntibiotikatherapieRehabilitationseinrichtungenVerwendung von Antibiotika in Form einer Richtlinie für die Einrichtung ist ein wichtiger Standard der modernen Infektionstherapie. Die Empfehlung muss für jede Einrichtung gezielt und mit kompetenter Begleitung erstellt werden und kann nicht aus anderen (Früh-)Reha-Einrichtungen oder Akutkliniken übernommen werden, da sich die Empfehlungen nach aktueller Resistenzlage und Prävalenzsituation nosokomialer und nicht nosokomialer Infektionserreger richten. Isolierung: Die Notwendigkeit einerRehabilitationseinrichtungenIsolierung IsolierungRehabilitationseinrichtungen Patientenisolierung ist von denn behandelnden Ärzten in Zusammenarbeit mit der HFK und dem HBA (bzw. gemäß VA) zu entscheiden. Oft sind die Räumlichkeiten in (Früh-)Reha-Kliniken hierfür weder geplant noch praktisch nutzbar. In solchen Fällen muss größtmögliche Sicherheit bei vertretbarem Aufwand gewährleistet werden, d. h. die bestehenden Baulichkeiten werden, soweit es geht, zur Umsetzung der Distanzierungsmaßnahmen genutzt. Allerdings müssen dann Umbauten beraten werden, wenn nach Expertise der Beteiligten keine räumliche Isolierung möglich wird, was aktuell unter den Gesichtspunkten der globalen Ausbreitung von hochresistenten gramnegativen Stäbchenbakterien (vor allem 4 MRGN) besonders wichtig wird. Basierend auf einrichtungsspezifischen Vorgaben der Hygienekommission entscheidet der behandelnde Arzt über die Schutzmaßnahmen, angepasst für jeden Patienten: • Isolierung/Kohortierung ist notwendig, wenn mit starker aerogener Verbreitung zu rechnen ist, z. B. bei MRSA oder 3- oder 4-MRGN-Kolonisation auf ausgedehnten Hautläsionen, bei Patienten mit Tracheostoma und/oder Tracheobronchitis oder anderen respiratorischer Infektionen mit diesen Erregern bzw. deren Mitbeteiligung. • Patienten mit 4 MRGN und VRE werden grundsätzlich isoliert. • Patienten mit 3 MRGN werden dann isoliert, wenn der Kontakt mit Patienten mit besonderem Infektionsrisiko verhindert werden muss. • Das Verlassen des Einzelzimmers ist möglich, wenn Hautläsionen/offene Wunden sicher verbunden sind, das Tracheostoma oder der Zugang zur PEG-Sonde abgedeckt ist, geschlossene Harnableitungssysteme genutzt werden, kein Durchfall besteht und der Patient kooperativ ist und selbst die hygienische Händedesinfektion durchführen kann oder eine Händedesinfektion durch das Pflegepersonal zulässt. Beim Nachweis von MRE in (Früh-)Reha-Einrichtungen gilt: Rehabilitation geht vor Patientenisolierung. Die Isolierung sowie die weiteren Schutzmaßnahmen dürfen den (Früh-)Reha-Erfolg nicht nachhaltig negativ beeinflussen. Es ist ein Kompromiss anzustreben, um das (Früh-)Reha-Konzept nicht zu gefährden, aber Ausbrüche zu verhindern, die die (Früh-)Rehabilitation erheblich gefährden können. Unterstützende Maßnahmen: • Räumlichkeiten zur RehabilitationseinrichtungenInfektionspräventionUnterbringung von Patienten mit MRE (MRSA/MRGN/VRE/sonstige Erreger mit speziellen Resistenzen) sollen ohne Teppichböden und ohne textilbezogene Sitzgelegenheiten ausgestattet sein, um die tägliche Flächendesinfektion zu ermöglichen. Das gilt sowohl für Kolonisation als auch für Infektion. • Diagnostische und therapeutische Maßnahmen sollten, soweit vertretbar, mindestens in den ersten Tagen nach Bekanntwerden der Besiedlung und Start der Sanierungsmaßnahmen im Zimmer des Rehabilitanden durchgeführt werden. • Schutzkittel sollen bei der Behandlungspflege des nicht oder wenig bekleideten bzw. bei Tätigkeiten im unmittelbaren Bettbereich getragen werden. • MNS sollte bei der Behandlungspflege und wenn der Patient nasal/tracheal besiedelt/infiziert ist und Auswurf hat oder hustet, angelegt werden. • Technische Hilfsmittel wie Rollstühle, Lifter usw. sind grundsätzlich nach Inanspruchnahme an den Kontaktflächen einer Wischdesinfektion zu unterziehen. • Nach Teilnahme an Gruppentherapien sind die Kontaktflächen/benutzten Gegenstände einer Wischdesinfektion zu unterziehen. Gleiches gilt nach Nutzung des Stationsbads (umgehende Wischdesinfektion von Dusche, Wanne, Hocker, Boden und Spritzbereich). • Wäsche und Textilien werden im Zimmer des Rehabilitanden gesammelt und einem Desinfektionswaschverfahren unterzogen. Das gilt auch für persönliche Wäsche, wenn sie in der Einrichtung gewaschen wird. • Essgeschirr geht auf direktem Weg in die Geschirrspülmaschine und wird bei mindestens 65 °C gespült. • MRSA-haltige Sekrete und Ausscheidungen werden auf direktem Weg im Steckbecken-RDG (oder in der Toilette) entsorgt. Das gilt auch für andere MRE. • Abfall wird im Zimmer gesammelt und im geschlossenen Kunststoffsack auf direktem Weg in den Container entsorgt. • Die Patienten selbst (sowie besuchende Angehörige) sind, soweit möglich, über ihre MRE-Problematik aufzuklären, in besonderem Maß über die Notwendigkeit der regelmäßigen Händedesinfektion vor Verlassen des Zimmers, über die Benutzung von Einmalpapiertüchern bei nasaler Besiedelung und das Abdecken von Tracheostoma, Trachealkanüle, Wunden, Katheter/Sonden. Besonders problematisch gestaltet sich die Eradizierung der MRE (für MRSA Kap. 3.7) bei Patienten mit Carrierstatus im Darm. Die Gefahr liegt in der Verbreitungsmöglichkeit bei inkontinenten Patienten, bei Durchfall und bei Patienten ohne ausreichende Compliance. Sorgsame täglich mehrfache antiseptische Pflege besonders der Perianal- und Urogenitalregion bei Einhaltung der Grundsätze der Händedesinfektion sind die wichtigsten Schutzmaßnahmen. Bei Kolonisation mit VRE ist eine probiotische Therapie mit Lactobacillus rhamnosus GG (LGG) erfolgversprechend (Heineman et al. 2012; Manley et al. 2007; Szachta, Ignys und Cichy 2011; Kap. 5.3.5). Allerdings konnte in einem Setting mit hohem antibiotischen Selektionsdruck durch Gabe von Probiotika bei der Aufnahme die Akquisition multiresistenter Enterokokken nicht beeinflusst werden (de Regt et al. 2010). Bei Einzelerkrankungen/Kolonisation durch MRE und bei Ausbrüchen sind vom Ausbruchteam parallel zur Ursachenklärung ohne Zeitverzug in Ergänzung zur Basishygiene Isolierungsmaßnahmen und ggf. Kohortenisolierung festzulegen (Holländer et al. 2001), wobei bereits die strikte Einhaltung der Händehygiene effektiv ist (Flynn et al. 2005). Zur Prävention von C. difficile-Infektionen wird auf die Richtlinie der Public Health Agency Canada (2013) verwiesen. Bei mit verschiedenen MRE an mehreren Lokalisationen besiedelten Patienten ist es häufig schwierig, bei Auftreten von Infektionszeichen die richtige Entscheidung zur Therapie und zum Start von Präventionsmaßnahmen zu treffen. Hier können die Monitoringvorbefunde in der klinischen und mikrobiologischen Verlaufsbeobachtung weiterhelfen, besonders wenn sich ein Erregerwechsel zeigt. In der Rehabilitationsmedizin und speziell in Einrichtungen mit schwer beeinträchtigten Patienten (z. B. neurologische Frührehabilitation) ist das Zusammenwirken des Teams mit der HFK, dem HBa, Hygieniker und Mikrobiologen Voraussetzung für eine effektive Infektionsprävention und damit sekundär auch mit für den (Früh-)Rehabilitationserfolg. Diesem Umstand muss personell Rechnung getragen werden. 5.22 Radiologie und Nuklearmedizin Gerhard Kirsch 5.22.1 Strahlenrisiken und Infektionsrisiken In der Radiologie, der Strahlentherapie und der Nuklearmedizin sind der Infektions- und der Strahlenschutz gleichermaßen zu realisieren. Genehmigungspflichtige bautechnische Voraussetzungen, Gerätetechnik, Qualitätskontrollen, standardisierte Untersuchungsabläufe und fachkundiges Personal sichern den Strahlenschutz. Die mittlere Strahlenbelastungjährliche Strahlenbelastung der Bevölkerung in der BRD beträgt 4 mSv (Bundesamt für Strahlenschutz, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung 2012). Knapp die Hälfte (1,8 mSv) ist auf die Anwendung ionisierender Strahlung in der Medizin zurückzuführen. Bei etwa 150 Millionen Untersuchungen pro Jahr erhält jede Person etwa 2 Röntgenaufnahmen und jede Zehnte ein CT (Tendenz bei Schnittbildverfahren deutlich ansteigend). Vom prophylaktischen Ansatz ähneln sich StrahlenbelastungALARA-Prinzip ALARA-PrinzipStrahlenschutzStrahlenschutz und Hygiene. Das ALARA-Prinzip (ALARA = As Low As Reasonably Achievable) zur Minimierung der Strahlenbelastung mit vertretbarem Aufwand findet sein hygienisches Pendant bei der Keimzahlreduktion durch die Multibarrierenstrategie. Allerdings wird hygienischen Risiken im Routinebetrieb geringere Aufmerksamkeit gewidmet als dem Strahlenschutz, weil die einfach nachweisbare ionisierende Strahlung einen höheren Warncharakter gegenüber der schwerer nachweisbaren oder nur vermuteten Infektiosität besitzt. Das Gros der nichtinvasiven radiologischen und nuklearmedizinischen Untersuchungen ist mit einem geringen Strahlen- und Infektionsrisiko behaftet. Zunehmend werden jedoch invasive Verfahren mit höherem Infektionsrisiko durchgeführt. Durch die vermehrte Anwendung von Röntgenverfahren in den operativen Fächern wird die Koordinierung von Hygiene und Strahlenschutz für breite Kreise relevant. In modernen OP- und Behandlungsräumen mehrerer klinischer Disziplinen gehören ortsfeste oder mobile Röntgeneinrichtungen zur Grundausstattung. Hier wird das Infektionsrisiko überwiegend durch die Eingriffsart bestimmt. Intraoperativer Ultraschall und Radionuklid-Sondenmessungen werden zunehmend zur Lokalisation von Tumoren und Wächterlymphknoten eingesetzt. Strahlentherapie und Nuklearmedizin betreiben eigene Therapiestationen. In der stationären Strahlentherapie überwiegen ältere, immungeschwächte Patienten mit schweren Krankheitsbildern und langen Verweilzeiten. Zur Infektionsgefährdung in der RadiologieRadiologieInfektionsrisiko tragen folgende Faktoren bei: • Hohe Untersuchungszahlen, Patienten aus allen Fachrichtungen • Häufig fehlende Trennung von stationären und ambulanten Patienten • Breites Untersuchungsspektrum am gleichen Arbeitsplatz • Häufig fehlende Informationen zum Infektionsrisiko • Häufige Injektionen von Kontrastmitteln und Radiopharmaka • Häufig WC-Nutzung (Blasenentleerung) im Untersuchungsablauf • Kontakt bei Patientenuntersuchung, -lagerung und bei Eingriffen In den Richtlinien des RKI werden radiologische Einrichtungen in Bereiche mit mittlerem Infektionsrisiko eingestuft. Hygienemaßnahmen: Durch Anwendung von BasisRadiologieBasishygienemaßnahmenhygienemaßnahmen (Händehygiene, PSA, desinfizierende Reinigung der Patientenumgebung, sichere Injektionstechnik, regelkonforme Handhabung von MP) lassen sich in der Radiologie Infektionsrisiken einfach und weitgehend reduzieren. Sinnvoll hat sich die Integration der Hygienemaßnahmen in die für alle (häufigen) Untersuchungen und Therapieverfahren leitlinienbasiert erstellten SAA erwiesen. Optimierte Untersuchungsabläufe (kurze Wege und Wartezeiten) sind meist auch unter hygienischen Aspekten vorteilhaft. Der Händedesinfektion kommt die größte Bedeutung zu (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2008). Sie soll in der Radiologie immer vor und nach infektionsgefährdenden Tätigkeiten, direktem Patientenkontakt, nach Handschuhablegen, Toilettenbenutzung und Naseputzen erfolgen. Die ausreichende Anzahl von Desinfektionsmittelspendern an den richtigen Stellen der Untersuchungsräume und Schleusen ist hierfür begünstigend, die Vorbildwirkung durch leitende Ärzte, MTA und Pflegepersonal eine weitere wesentliche Voraussetzung. Handschuhe sollen auch bei kleinen invasiven Handlungen (Blutentnahmen, Legen von Venenkathetern) regelhaft getragen werden. Die Desinfektion angelegter Handschuhe anstelle des zeitaufwendigen Handschuhwechselns ist unter günstigen Voraussetzungen (fehlende Hinweise auf vorliegende Infektion, handschuhkompatible Desinfektionsmittel) vertretbar (Pitten und Kramer 2001). Ein breiter Impfschutz der Mitarbeiter, besonders gegen Hepatitis B, ist anzustreben. Problemerreger: Krankenhausinformationssysteme RadiologieProblemkeimeerlauben mit der Online-Untersuchungsanforderung Einsicht in Anamnese und Vorbefunde und ermöglichen mit einem „Cave“-Feld (Information bei Infektionsgefährdung), die Untersuchungsbedingungen aus hygienischer Sicht zu optimieren (Gruppierung). Bei radiologischen Untersuchungen von Patienten mit bekannten oder vermuteten krankenhaushygienisch bedeutsamen Infektionen bzw. Erregern müssen die Maßnahmen der Standardhygiene mit besondere Sorgfalt eingehalten und gezielt durch spezielle Vorsichtsmaßnahmen erweitert werden. Besiedlungen mit MRSA und anderen MRE haben zugenommen, somit auch Methicillin-resistenter Staphylococcus aureusRadiologie RadiologieMRSA Multiresistente ErregerRadiologie RadiologieMREradiologische Untersuchungen dieser Patienten. Zur Infektionsverhütung tragen bei (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2009): • Direkttransport zum/vom Untersuchungsraum, Kontaktreduktion, • Folienabdeckung von Liegen und Untersuchungstisch, Schutzkittel, • ggf. MNS für Patient und Personal, • technische Assistenz ggf. getrennt für Patient und Gerät, • Desinfektion der Kontaktflächen, • Inraum-Entsorgung (erregerdichter Abfallsack). Zusätzliche Maßnahmen zur Infektionsverhütung bei offener Lungen-Tbc sind (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2006): • die Untersuchung möglichst zu Schichtende, • ein MNS für den Patient, • eine FFP-2-Maske für das Personal im Untersuchungsraum, • bei Klimaanlage das Umschalten auf Unterdruck im Untersuchungsraum, • Raumbelüftung nach der Untersuchung und Flächendesinfektion. 5.22.2 Infektionsprophylaxe in der diagnostischen Radiologie Konventionelles Röntgen: Die Röntgen, konventionelles, Infektionsprophylaxe RadiologieRöntgen, konventionelleshäufigsten Röntgenuntersuchungen erfolgen am Skelett (30 %), am Thorax (11 %) und im Zahnbereich (39 %) (1: Bundesamt für Strahlenschutz, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung 2012). Im Untersuchungsablauf kommt es zum Kontakt der Personalhände mit der Patientenkörperoberfläche, mit Lagerungshilfen, Bedienelementen der Röntgenapparate, Filmkassetten, Türklinken und PC-Tastaturen. Die hygienische Händedesinfektion ist die entscheidende Maßnahme zum Vermeiden von Kreuzinfektionen. Schutzhandschuhe sind bei Infektionsgefährdung angezeigt. Eine gezielte Apparatedesinfektion ist nach Kontamination mit Sekreten, Exkreten und Blut erforderlich. Ein direkter Kontakt des Patienten mit dem Untersuchungsgerät ist durch Papierabdeckung, bei Hautläsionen durch folienbeschichtete Einmaltücher zu vermeiden. Zahnfilme erfordern Handschuhschutz bei oraler Platzierung und Nachbehandlung. Röntgenuntersuchungen von Gastrointestinal- und Harntrakt (2 %) werden nach Kontrastmittelapplikation (KM) durchgeführt. Die rektale KM-Applikation (Einwegkatheter/-applikatoren) erfordert Vorkehrungen (Stuhlabgang) und eine gründliche Desinfektion/Säuberung von Arbeitsflächen und WC. Untersuchungsliegen und Lagerungshilfen werden überwiegend durch Einwegabdeckungen vor Verschmutzung geschützt, ebenso Filmkassetten bei der Röntgenaufnahme am Patientenbett. KM-Darstellungen von Körperhohlräumen werden durch Einwegkatheter und -materialien im Arbeitsablauf erheblich vereinfacht und minimieren Infektionsrisiken. Intravenös (händisch) applizierte KM bei der Urografie werden direkt vor der Untersuchung aufgezogen und als Einmaldosis verwendet. CT, MRT: Aus Magnetresonanztomografie, Infektionsprophylaxe Computertomografie, Infektionsprophylaxe RadiologieMagnetresonanztomografie RadiologieComputertomografiehygienischer Sicht bieten die Großgeräte durch desinfizierbare glatte Vollverkleidungen und Lagerungstische kaum Probleme. Werden Kontrastmittel durch Injektoren über intravenöse Zugänge automatisiert zum Untersuchungsablauf appliziert, kann es durch unzureichende Händehygiene, Verwendung offener KM-Nachfüllsysteme, lange KM-Standzeiten, unsachgemäßen Umgang mit Mehrdosisflaschen und KM-Rückflussen zur Infektionsgefährdung kommen. Kontrastmittelinjektoren: Bei Kolbenspritzeninjektoren werden mit einem Medium (KM, NaCl) gefüllte Kolben (Fertigspritzen 50–125 ml: single dose oder aus Großgebinden befüllbare 200-ml-Leerkolben: potenzielles Kontaminationsrisiko, verstärkt bei Multi-Dosing) eingesetzt. Die RadiologieKontrastmittelinjektoren Kontrastmittelinjektoren, InfektionsprophylaxeMedien werden dem Patienten über ein Schlauchsystem injiziert. Bei Rollenpumpeninjektoren werden Medienbehälter (gängige KM-Gebindegrößen) auf das System aufgesteckt. Eine integrierte Pumpe injiziert die Medien über ein zweiteiliges Schlauchsystem. Der Patientenschlauch wird nach jedem Patienten ausgetauscht (Multi-Dosing). Die rasante Entwicklung der CT- und MR-Scanner führt zu kürzeren Untersuchungszeiten, sodass Rüstzeiten, Aufwand und Fehleranfälligkeit ökonomische und sicherheitsrelevante Faktoren werden. Hier besitzen Rollenpumpensystem Vorteile. KM-Flaschen sind nach dem AMG Eindosisbehälter. Restbestände sind nach der Untersuchung eines Patienten zu entsorgen. Ist das verwendete KM-Applikationssystem als MP für eine Mehrfachverwendung zugelassen, kann der Inhalt einer KM-Flasche für mehrere Patienten unter Beachtung der hygienischen Kautelen und der Zeitgrenze verwendet werden (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2013). 5.22.3 Infektionsprophylaxe in der interventionellen Radiologie Invasive Radiologieinterventionellediagnostische und therapeutische Verfahren unter Sichtkontrolle im Röntgen und CT haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Damit ergeben sich höhere Ansprüche an Hygienestandards und Strahlenschutz. Mit zunehmender Dauer und Komplexität der Eingriffe nehmen Strahlenbelastung und Infektionsgefährdung zu. Interventionelle Verfahren mit Gefäßfreilegung, Implantation von Stents, Prothesen, Filtern und Embolisaten sowie bildgesteuerte Biopsien verlangen chirurgische Händedesinfektionen, sterile Schutzkleidung, Kopfbedeckung, MNS, bei zu erwartenden Blutspritzern Schutzschirm oder Schutzbrille sowie adäquate Patienten- und Apparatepräparation. Bei direktem perkutanem Gefäßzugang (Punktion) ist eine hygienische Händedesinfektion ausreichend. Gefäßkatheter und Materialien sind erst kurz vor Nutzung der Sterilverpackung zu entnehmen. Gefäßzugänge sollten nur so lange wie unbedingt nötig belassen werden. Bei KM-Applikationen sind Eindosisbehälter die hygienisch sicherste Variante. 5.22.4 Infektionsprophylaxe und Strahlenschutz in der Nuklearmedizin Belange der Hygiene sind in der NuklearmedizinRadiologieNuklearmedizin, Hygieneplan Nuklearmedizin, Hygieneplan eng verbunden mit dem Strahlenschutz. Das findet Ausdruck in Arbeits- und Verhaltensinstruktionen in diesen Arbeitsbereichen, die beide Aufgaben berücksichtigen müssen (Muster für einen Hygieneplan Tab. 5.38 ). Tab. 5.38 Hygieneplan (Beispiel, Kurzform) Bereich Nuklearmedizin Was Kommentar (Wann/Womit/Wie/Wer) Wann Womit Wie Wer Personal Zugang Kontrollbereich Dienstbeginn, Pausen, …/Einschleusen, Kleiderwechsel, …/Registrierung per Kontaminationsmessung, Zugangscode/Mitarbeiter, Gäste, Handwerker überwacht, ggf. Dosimeter, Strahlenschutzbeauftragter Einschleusen Zugang zum Kontrollbereich/Privatkleidung und Handschmuck ablegen, Händedesinfektion, Berufs- bzw. Bereichskleidung, Schuhwechsel, Dosimeter/Kontaminationsmessung/Personal, ReinigungsfirmaSchutzkleidung zusätzlich bei vermutlicher Kontamination, Nahrungszubereitung, im Labor + bei Gästen, ggf. Hautschutz Ausschleusen Kontaminationsmessung, Dienstkleidung ablegen, Container, Händedesinfektion, ggf. Hautpflege Händereinigung Nach Verschmutzung und WC/Abspülen, Waschlotion-Wandspender, Einmalhandtücher/Patienten, Personal, Reinigungsfirma Händedesinfektion Vor/nach invasiven Maßnahmen (Injektion, Punktion), nach Kontakt (Patient, Blut, Urin), Naseputzen, ggf. WC, vor Bereichswechsel/Wandspender/Einreiben von 3 ml, ca. 30 s/Personal, Reinigungsfirma Händedekontamination Hände – nach Radiopharmakonkontamination/Spülen/ggf. Bürsten/Kontrollmessung/ggf. Kleider/Schuhwechsel/Dokumentation, Personal, Reinigungsfirma Handschuhe Bei Injektionen, Patientenkörperkontakt, Blut, Körperflüssigkeiten, Laborarbeiten/Flächendesinfektion, Flächendekontamination, Abfallentsorgung, Reinigung/Personal, Reinigungsfirma. Feste Schutzhandschuhe bei Reinigung und Desinfektion Patient Hautantiseptik Vor Injektion und Blutentnahme/Wischen, ca. 15 s RITH-Station N Einwegtaschen-/-kontakttücher, Klinik-Handtücher-Lappen, Plastikbeutel für Wechselunterwäsche, ggf. Vorlagen, Einwegstecklaken/PflegepersonalPatientenaufklärung (Strahlenhygiene) bei Aufnahme, Verhaltensplan bei Entlassung/Arzt Aktivitätszubereitung Händedesinfektion, Handschuhe, AP-Teilauslage mit saugfähigem Einwegpapier, -Folie (RJ, Hochaktivität, Generatoreluierung), Radiopharmakazubereitung nach Anleitung PC-Programm Invivo: RPh-Verwaltung, Kurzanleitungen, Archiv Einzelzubereitung, Abschirmung, Aluschale, Beschriftung Kontrolle: Identität, Charge, Verfall, Restmengenaufbewahrung für QC, Dokumentation Aktivitätstransport Vor Injektion/Konuskappe, Einwegschale, Abschirmung, Einzeldosis, Label mit Abfüllzeit/Durchreiche/ggf. Rückmessung, Kanülencontainer/MTR Aktivitätsinjektion Applikationsplatz/Einwegschale, Spritzenabschirmung/Hautantiseptik/Identitätskontrolle, ggf. kalte Punktion/Antiseptik/Dokumentation Ort, Zeit, Para, kein Recapping, Einwegcontainer/Arzt Patient – Strahlenhygiene Getränke-Diureseförderung, Anhalten zur Miktion, Separierung in Warteflächen aktiv – inaktiv, Verhaltensaufklärung, Windelwechsel bei Säuglingen/Arzt, MTR Abfall Sammeln im Labor, Trennen, Kanülenbox, Einwegbeutel, Bleiabschirmung, tägl. Leerung → Abklingraum/Messung vor Freigabe, MTR/Physiker Wäsche Liegen: Wechsel tägl. oder bei Kontamination, Einwegmaterial/PersonalBettwäsche → Plastiksack, Aktivitätskontrolle, ggf. Abklingschrank, s. Messanleitung Inventar/Flächen Abteilung/Station Reinigungsplan/desinfizierende Reinigung/WC kalk- und fettlösender Sanitärreiniger/Abfolge nach Kontamination: Aufenthalt, Untersuchung, Patienten, Labore, Sanitär/Platten-Freimessung/ggf. Abklingen/Waschmaschine/Abfallentsorgung Reinigungsfirma Waschbecken Türklinken/tägl., bei Kontamination, Wischdesinfektion, Reinigungsfirma, MTR Toiletten Brille, Deckel Druckpistole tägl., bei Kontamination, Wischdesinfektion, Reinigungsfirma, MTR bei Bedarf zusätzlich 1–2/Dienst (Aktivitätskontamination, Urin, Schwachstelle!) Lagerungstische Ablagen/tägl., vor/nach Nutzung, Wischdesinfektion, Abdeckung mit Einwegmaterial, Kontaminationsmessung bei Verdacht/MTR Gammakameras Wischdesinfektion Flächen (Exhalation!) bei Patientenwechsel, Einwegtücher/MTR Geräte/Bedienflächen Reinigung nach Herstelleranweisung, Desinfektion vor Nutzung, Kontakt, täglich–wöchentlich/MTR Grundlagen, Hinweise SOP Hygiene, SOP Strahlenschutz, bei Unklarheiten, Mängeln → Doku → Hygienearzt, Strahlenschutzbeauftragte Hygiene- und Strahlenschutzmaßnahmen: Initiales Spülen der Hände unter RadionuklidKontaminationfließendem Wasser und Kontaminationskontrollen sind Erstmaßnahmen bei Verdacht auf Radionuklidkontamination noch vor der Händedesinfektion, die eine Kontamination auf der Haut verteilen würde. Radionuklidinhalationen vor Lungenwegszintigrafie sind mit Einweginhalationssystemen (Exhalationsfilter) möglichst an Exhausterboxen durchzuführen, um Aktivitätskontaminationen und Infektionsgefährdung (Hustenreiz) zu verringern. Intraartikuläre und intrathekale Radiopharmakaapplikationen vor RadionuklidInhalationenRadiosynoviorthesen und Liquorraumszintigrafien verlangen aseptische Arbeitsbedingungen mit vorausgehender Hautantiseptik (KRINKO 2011). Besondere Bedeutung für den Strahlen- und Infektionsschutz des Patienten kommt optimierten Arbeitsabläufen zu. Wegen der erforderlichen Radiopharmakonanreicherung in den Targetorganen sind nach Injektion häufig längere Wartezeiten erforderlich. Illustrierte Darstellungen der Untersuchungsabläufe unterstützen die Patientenaufklärung. Diureseförderndes Trinken und mehrfache Miktionen sind Bestandteile vieler Untersuchungsabläufe. Sie erfordern leicht zugängliche „gepflegte Sanitäreinrichtungen“ und eine für den Patienten nachvollziehbare Erklärung (Aktivitätsausscheidung im Urin) des geforderten „betont hygienischen“ Verhaltens (Vermeiden von Urinkontamination an Händen und Unterwäsche, gründliches Händewaschen) auch noch für die ersten Stunden nach Beendigung der Untersuchung. • Die periodische Weiterbildung des Personals und die kritische Analyse von Strahlenschutz und Hygiene sind qualitätssichernde Aufgaben in nuklearmedizinischen Einrichtungen. • Schwachstellen sind die in vielen Einrichtungen „ausgelagerten“ Reinigungsarbeiten (Reinigungsfirmen, Arbeitskräftefluktuation). Hier sind detaillierte Arbeitsinstruktionen und Kontrollen besonders wichtig. Radiopharmakaanwendung: Bei der Radiopharmaka RadiologieRadiopharmakaAnwendung und Qualitätssicherung radioaktiver Arzneimittel sind neben Strahlenschutz und Hygiene Verordnungen des AMG und des MPG gleichermaßen zu beachten. Bei der Anwendung offener Radionuklide wird der Arbeitsablauf durch die Kontaminationsmöglichkeit prävalent vom Strahlenschutz bestimmt. Kontaminationen von Haut, Gegenständen und Messgeräten führen nicht nur zu vermehrter Strahlenexposition, sondern können sich als Fehlerquellen in der Diagnostik auswirken. Die meisten Radiopharmaka werden i. v. appliziert. Der Kontaminationsvermeidung bei Radiopharmakainjektion (undichte Spritzen-Kanülen-Verbindung, Blutaktivität an benutzten Tupfern, kontaminierte Spritzen und Transportbehältnisse) ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Neben gebrauchsfertigen Arzneimitteln werden in der Nuklearmedizin vorwiegend kurzlebige Radiopharmaka angewandt, die bei Bedarf im „aktiven“ radiochemischen Labor mithilfe von Markierungsbestecken hergestellt werden. Diese nach Arzneimittelrecht zugelassenen Markierungskits („Technetium-Kits“) enthalten fertige Reagenziensätze in lyophilisierter Form. Durch Zugabe des aus einem sterilen Radionuklidgenerator gewonnenen Radiotracers erhält man ein applikationsfertiges Radiopharmakon, das ggf. chromatografisch auf radiochemische Reinheit zu überprüfen ist (bei Antikörpermarkierung, Markierung unter Erwärmung; Kits mit geringer Reduktionsmittelmenge und bei Abweichung von der Markierungsvorschrift). 99mTc ist das Technetium RadiologieTechnetiumam häufigsten angewandte gebrauchsfertige Radiopharmakon und gleichzeitig Tracer für die Markierungskits. Es wird täglich aus dem Molybdän/Technetium-Generator (Nutzungsdauer 2–3 Wochen) in abgeschirmte Teilvakuum-Durchstechflaschen eluiert und steht (bei Kühllagerung ca. 8 h) zur Pharmakonmarkierung zur Verfügung. Die Markierungsanleitungen beschreiben Prozedere, Markierungsbedingungen, Aktivitäts- und Substanzmengen, Qualitätsparameter, Verwendungsdauer und Lagerungsbedingungen. Eluierung und Präparation erfordern aus Strahlenschutzgründen sorgfältiges rasches Handeln hinter bleiglasgeschützten Arbeitsflächen bei Beachtung hygienischer Prinzipien (Händedesinfektion, Handschuhe, Durchstichflächendesinfektion mit Steriltupfer, steriler Konusverschluss bei Aktivitätsmessung/Spritzentransport, Einwegtransportschale, Abschirmung, Beschriftung). Weitere Radiopharmaka sind radioaktiv markierte körpereigene (Blut-)Bestandteile und Markierungen mit kurzlebigen (z. B. am Zyklotron) hergestellten Positronenstrahlern für die PET. Hier ist der Anwender für den Gesamtprozess und die Qualitätssicherung verantwortlich, die er gemäß den Anforderungen des Arzneimittelrechts durchzuführen hat. Radionuklidtherapie: Für die meisten Radionuklidtherapien sind in Deutschland kurze stationäre Radionuklidtherapie, Infektionsprophylaxe RadiologieRadionuklidtherapieAufenthalte in speziell ausgestatteten Radionuklidtherapiestationen vorgeschrieben. Schilddrüsenfunktionsstörungen und -malignome stellen das Hauptkontingent. Sie werden mit Radioiod, einem Beta-Gamma-Strahler, behandelt. Die sorgfältige Sammlung und Lagerung von Stuhl, Urin und Sekreten in geschlossenen, überwachten Abklinganlagen, dekontaminierende Säuberungen von Sanitäranlagen und Einrichtungen sowie Kontaminationskontrollen sind gleichsam antiinfektiös ausgerichtet, ebenso wie die Minimierung von Direktkontakten zwischen Personal und Patienten. Nach eigenen Erfahrungen bei etwa 10 000 Radioiodtherapien beträgt die während des stationären Aufenthalts erworbene Infektionsrate (nasopharyngeal und bronchopulmonal) etwa 2–3 %. 5.23 Physiotherapie Frank-Albert Pitten, Axel Kramer und Anett Reißhauer 5.23.1 Allgemeine Hygienemaßnahmen Patienten Physiotherapie PhysiotherapieBasishygienemaßnahmenmit hoher Infektionsgefährdung sollten – sofern das möglich ist – nicht in der physiotherapeutischen Abteilung, sondern im Patientenzimmer physiotherapeutisch behandelt werden. Gleiches gilt für isolierte Patienten. Meist besteht bei isolationspflichtigen Patienten die Situation ausgeprägter Funktionsdefizite, wie im Falle der Frührehabilitation, und dabei ein besonders hoher Bedarf an physikalischen Therapiemaßnahmen. Sowohl der überweisende Arzt als auch der Physiotherapeut müssen unter Beachtung dieses Grundsatzes über die Durchführbarkeit der physiotherapeutischen Maßnahme im Krankenzimmer oder in einer Therapieabteilung entscheiden. Es empfiehlt sich, in der Hygieneordnung infektiologische Ausschlusskriterien bzw. spezielle Schutzmaßnahmen festzulegen (Tab. 5.39 ). In der Physiotherapieabteilung ist aufgrund des Patientendurchgangs das Risiko für Kreuzinfektionen zu berücksichtigen, zumal sich Patienten aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen begegnen. Tab. 5.39 Beispiele für Entscheidung bettseitiger Physiotherapie bzw. für Indikationseinschränkungen bei physiotherapeutischen Maßnahmen aufgrund lokaler oder systemischer Infektionen Beispiel Indikationseinschränkung Meldepflichtige Erkrankungen nach IfSG, sofern hohes Übertragungsrisiko Nur bettseitige Physiotherapie Infektion oder Besiedlung mit MRE, sofern Übertragung zu befürchten Wundinfektion Keine Balneotherapie, keine Lokaltherapie (z. B. Elektrotherapie) im Wundgebiet Manifeste Fußpilzerkrankung Keine Balneotherapie Für die Mitarbeiter einer Physiotherapieabteilung soll kurzärmlige Bereichskleidung zur Verfügung gestellt werden; der tägliche Wechsel ist selbstverständlich, ein mehrfacher täglicher Wechsel ist zu ermöglichen. 5.23.2 Hygienemaßnahmen bei Physiotherapie im Trockenbereich Alle PhysiotherapieHygienemaßnahmen, Trockenbereichzur äußerlichen Anwendung am Patienten bestimmte Geräte und Hilfsmittel müssen desinfizierbar sein und vor ihrem Einsatz gereinigt und im Bereich der Kontaktstellen desinfiziert werden. Eine Ausnahme von diesem Grundprinzip kann nur gemacht werden, wenn sichergestellt ist, dass das Hilfsmittel (z. B. Inhaliergerät oder Wärme- oder Kälteträger) ausschließlich an einem Patienten angewendet wird. Die desinfizierende Reinigung von Liegen, Matten, Massagebänken, Lagerungsmaterialien usw. ist täglich ausreichend, wenn für jeden Patienten eine frische Textil- oder Vliesauflage zur Verfügung gestellt wird. Voraussetzung sind leicht zu reinigende, desinfektionsmittelbeständige Materialien; naturholzbelassene Gegenstände sind ungeeignet. Aus dem gleichen Grund sowie aus allergologischen Gesichtspunkten sind textile Fußbodenbeläge ungeeignet. Sofern Vorhänge zum Separieren von Raumeinheiten eingesetzt werden, müssen sie im Desinfektionswaschverfahren aufbereitbar sein. Massage und Krankengymnastik: Verbände PhysiotherapieKrankengymnastik PhysiotherapieMassage Krankengymnastik, Hygienemaßnahmen Massage, Hygienemaßnahmensollten nicht abgenommen werden. Beim Ablegen von Gipsschalen oder Prothesen ist Vorsicht geboten. Sollten Wundverbände durchfeuchtet sein, gilt Handschuhpflicht und anschließende Flächendesinfektion. Falls unbeabsichtigt eine Wunde freigelegt wird, ist die sofortige Wundversorgung auf der Herkunftsstation des Patienten zu gewährleisten und die geplante physiotherapeutische Maßnahme bis zur Neuversorgung auszusetzen. Neben jeder Patientenliege ist ein Desinfektionsmittelspender erforderlich, um die Händedesinfektion zu gewährleisten. Elektrotherapie: Elektroden, PhysiotherapieElektrotherapie Elektrotherapie, HygienemaßnahmenSchallköpfe und sonstige Gegenstände, die direkten Kontakt mit der Haut des Patienten haben, sind nach jeder Anwendung zu desinfizieren und am Ende des Arbeitstags mit sauberen Textilien abzudecken. Diese sind mindestens wöchentlich im Desinfektionswaschverfahren aufzubereiten. Bei Verzicht auf textile Abdeckung ist vor Inbetriebnahme am folgenden Tag eine alkoholische Wischdesinfektion der Patientenkontaktflächen vorzunehmen werden. Zur Befestigung der Elektroden werden für gewöhnlich Einwegpapierklebeblättchen verwendet. Sollten andere Materialien zur Anwendung kommen, sind diese in geeigneter Weise zu desinfizieren. Werden Ulzera mit der Galvanisationsmethode behandelt, sind zur Abdeckung sterile Materialien (z. B. Mullkompressen) zum Einmalgebrauch einzusetzen. Inhalationstherapie: Nur wenn PhysiotherapieInhalationstherapie Inhalationstherapie, Hygienemaßnahmensichergestellt ist, dass ein Gerät nur von einem Patienten benutzt wird, ist es vertretbar, von einem Mundstückwechsel vor jeder neuen Anwendung abzusehen. Das Mundstück sollte dann mindestens 2mal/d und das Inhalat nach Angaben des Geräteherstellers gewechselt werden. Zur Zubereitung des Inhalats muss steriles Aqua dest. verwendet werden. Das Inhalat selbst braucht nicht steril zu sein, muss aber die Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs in der aktuellen Fassung erfüllen, muss also < 102 Bakterien und Pilze/ml, < 101 Enterobakterien und < 101 andere gramnegative Bakterien/ml sowie keine P. aeruginosa, S. aureus oder Legionellen in 100 ml enthalten. Inhalieren verschiedene Patienten (nacheinander) am selben Gerät, sind für jeden Patienten ein desinfiziertes Mundstück (je nach System auch ein aufbereiteter Schlauch) und frisch zubereitete Inhalatlösung bereitzustellen. Inhalationsgeräte, die von mehreren Patienten genutzt werden, sollten im Akutkrankenhaus keine Anwendung mehr finden. Die für die Inhalation verwendete Druckluft muss die im Europäischen Arzneibuch aufgeführten Anforderungen erfüllen, d. h. < 10 KbE/m3, Freisein von Krankheitserregern und sichtbaren Feststoffverunreinigungen (orientierende Prüfung durch Aufleiten der Druckluft auf weißes Papier ≥ 10 s) mit einem Ölgehalt < 0,1 mg/m3. Vorsicht ist bei Patienten mit chronischen Atemwegerkrankungen geboten: Für Mukoviszidosepatienten ist belegt, dass bei gemeinsamem Aufenthalt in geschlossenen Räumen gehäuft Kreuzinfektionen mit Pseudomonaden auftreten können (Botzenhart und Junger 1992). Besondere Beachtung verdienen die von Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung verwendeten Mikroinhaliergeräte zur Applikation von β-Sympathomimetika oder Kortikosteroiden. Die vielfach ohne Verpackung in Jacken-, Hand- oder Hosentasche mitgeführten Geräte werden nur selten desinfiziert (z. B. abgekocht), sodass eine gefährliche Erregerquelle entstehen kann. Eine auch wiederholte Anleitung der Patienten ist notwendig. An die Inhalationstherapie sind bei diesen Patienten hohe Hygieneanforderungen zu stellen. So konnten bei stationär behandelten Intensivtherapiepatienten mehrere Fälle pulmonaler Candidosen nach Inhalation von Glukokortikoiden aus einem mit Candida besiedelten Spacer aufgeklärt werden. Auch andere Geräte, die zur häuslichen Inhalationstherapie verwendet werden, z. B. mechanische Vernebler, werden aus Unkenntnis über diese Risiken vielfach nicht effektiv gereinigt und desinfiziert (Kober, Werner und Kramer 1996). 5.23.3 Hydrotherapie Infektionsrisiken im Badewasser Bei PhysiotherapieHydrotherapie HydrotherapieHygienemaßnahmenInfektionsrisiken ist zwischen Erkrankungen, die durch Erreger im BadewasserBadewasserInfektionsrisiko (Tab. 5.40 ), und Erkrankungen, die über den Feuchtbereich außerhalb des Badewassers übertragen werden, zu unterscheiden. Tab. 5.40 Durch Badewasser übertragbare InfektionenBadewasserInfektionsrisiko Erreger Krankheitsbild Adenoviren Keratoconjunctivitis epidemica, fieberhafte Infekte Echo-, Coxsackie-, Rota-, Picornaviren, Noroviren Konjunktivitis, Nasopharyngitis, fieberhafte Infekte (insbesondere bei Kindern), Gastroenteritiden P. aeruginosa Otitis externa, Pyodermie, Whirlpool-Dermatitis S. aureus, C. trachomatis Pyodermie, Schwimmbadkonjunktivitis L. pneumophila (Warmwasserbereich, Whirlpool oder Dusche) Legionellose, Pontiac-Fieber Enterokokken, Salmonellen und andere Enterobakterien gastrointestinale Infektionen (geringe Wahrscheinlichkeit, da hohe Infektionsdosis) Atypische Mykobakterien (z. B. M. marinum) Hautulzerationen Cryptosporidien und Giardia intestinalis Gastroenteritiden Grundsätzlich sollten infektiöse Patienten sowie Patienten mit offenen Wunden nicht in Schwimm-, Therapie- oder Bewegungsbecken behandelt werden. • Ein höheres Risiko zur Entwicklung schwerer Otitiden besteht für Diabetiker nach Exposition mit Pseudomonaden. Exner (1983) fand in 49 von 147 Krankenhausbewegungsbädern (18 %) Pseudomonaden. • Durch atypische Mykobakterien können im Bereich von Bagatellverletzungen granulomatöse, ggf. zentral ulzerierende Effloreszenzen entstehen (Schwimmbadgranulom). • Augeninfektionen durch H. influenzae, Herpesviren oder Acanthamöben im Badewasser sind als Rarität anzusehen. • Für die Übertragung von AIDS spielt Badewasser, das den o. g. physikalisch-chemischen Vorgaben entspricht, keine Rolle, da HIV unter diesen Bedingungen inaktiviert werden. • S. aureus kann sich über längere Zeit im unzureichend gechlorten Badewasser halten, Exner und Thofern (1981) konnten S. aureus in Krankenhausbädern in 6,8 % der Badewasserproben nachweisen. Vor dem Hintergrund der Zunahme von MRSA kommt daher der einwandfreien Aufbereitung und Durchströmung des Badebeckens erhebliche Bedeutung zu. • Da Cryptosporidien und Giardia nicht durch die im Badewasser zulässigen Chlorkonzentrationen abgetötet werden, kommt der Vermeidung einer fäkalen Verunreinigung durch inkontinente Badegäste neben einer guten Durchströmung ebenso Bedeutung zu. Zur Herabsetzung des Infektionsrisikos in Warmsprudelbecken und Unterwassermassagewannen fordert die DIN 19643 einen Mindestchlorgehalt von 0,7 mg/l im Reinwasser. Infektionsrisiken im Feuchtbereich Außerhalb PhysiotherapieFeuchtbereich, Infektionsrisikodes Badewassers sind Fußmykosen und Plantarwarzen die häufigsten erworbenen Infektionen (Tab. 5.41 ). Sowohl Personal als auch Patienten können durch konsequentes Tragen von Badeschuhen im gesamten Feuchtbereich das Infektionsrisiko deutlich vermindern. Eine Badeschuhpflicht sollte Bestandteil jeder Nutzungsordnung für Therapie- oder Bewegungsbecken sein. Tab. 5.41 Im Feuchtbereich übertragbare Infektionen Erreger Krankheitsbild Papillomaviren, Molluscum-contagiosum-Virus Plantar-, Dellwarzen Pseudomonaden, Staphylo- und Streptokokken Lokalinfektionen, Pyodermien L. pneumophila (Duschaerosol) Legionellose, Pontiac-Fieber Dermatophyten (Trichophyton, Epidermophyton spp.) Fußmykosen T. vaginalis (auf Sitzbänken) Möglicherweise Urogenitalinfektionen (Vaginalinfektionen) Patienten mit offensichtlichen Dermatomykosen, Plantar- oder Dellwarzenbefall sollten bis zur Sanierung nicht in hydrotherapeutischen Bereichen versorgt werden. Die Wirksamkeit fest installierter FußdesinfektionsmittelspenderFußdesinfektionsmittelspender ist fraglich, weil durch die von den Füßen abgesprühten Pilze gerade in diesem Bereich die Infektionsgefahr deutlich erhöht und die für eine effektive Desinfektion erforderliche Einwirkungszeit nur selten eingehalten wird (Effendy und Schirrmeister 1985). Vielmehr sind das sorgfältige Abtrocknen insbesondere der Interdigitalräume und ggf. die Anwendung von Hautcremes präventiv wirksam. Die Verpflichtung zur täglichen Flächendesinfektion bleibt davon unberührt. Neben Kontaminationen mit Pseudomonaden, Staphylo- und Streptokokken können auf Sitzgelegenheiten Trichomonaden eine Rolle spielen: Eine Frau mit florider Trichomonadeninfektion kann den Sitz mit Vaginalsekret kontaminieren und die Erreger an weitere Frauen oder Männer weitergeben (Krieger und Kimmig 1995). Daher ist die Sitzfläche grundsätzlich mit einem patientengebundenem Handtuch zu bedecken. Infektionsprävention Für HydrotherapieInfektionspräventionden Nassbereich muss der Hygieneplan Forderungen enthalten, deren patientenrelevanter Anteil gut sichtbar z. B. in Umkleidekabinen oder im Wartezimmer ausgelegt werden soll; Piktogramme erleichtern die Verständlichkeit, auf mehrsprachige Versionen ist zu achten. Sofern es dem Patienten möglich ist, sollte er vor Beginn hydrotherapeutischer Maßnahmen auf der Krankenstation oder in der Bäderabteilung duschen. Er sollte ferner auf die Verwendung hautfreundlicher Waschlotionen hingewiesen werden, da ansonsten im Verlauf einer Behandlung mit täglich 1–2 Wasseranwendungen ein Austrocknen der Haut, verbunden mit erhöhter Infektionsanfälligkeit, resultieren kann. Bis zum Betreten des Bads sind eigene Bade- oder Turnschuhe zu tragen. Von der Badeabteilung wird jedem Patienten ein eigenes Handtuch zur Verfügung gestellt; das Mitbringen der Handtücher vom Krankenzimmer ist mit dem Risiko der Erregerverschleppung verbunden. Bei Unterwassermassage und anderen hydrotherapeutischen Maßnahmen mit dem Risiko eines Eintrags von Haaren in das Therapiewasser sollten Badekappen zur Verfügung gestellt werden. Badewannen für Unterwasser-Druckstrahlmassage, hydroelektrische Therapie, Moor- oder Pelosebäder sind nach jeder Behandlung mit einem Desinfektionsreiniger zu reinigen und am Ende des Tags mit einem VAH-gelisteten Flächendesinfektionsmittel zu desinfizieren. Bei erhöhter Infektionsgefährdung (ärztliche Entscheidung) ist u. U. eine Zwischendesinfektion nach der Patientenbehandlung erforderlich. So konnten wir nach Benutzung durch verhaltensgestörte Kinder eine massive Kontamination des Wassers im Therapiebecken mit gramnegativen Darmbakterien nachweisen, verursacht durch unkontrollierte, nicht bemerkte Badewasserverunreinigung. Anforderungen an die Wasserqualität von Schwimm-, Bade- und Therapiebecken: Nach Steuer (1971) gibt ein WassersicherheitSchwimmbecken WassersicherheitTherapiebeckengesunder Badender nach vorherigem Duschen bei einem Bad ca. 3 × 108 Mikroorganismen ins Wasser ab. Pro Badegast werden durchschnittlich 30–50 ml Urin ins Badewasser abgegeben (Exner 1978; Tilkes 1995). In medizinischen Badeabteilungen ist zu berücksichtigen, dass es insbesondere bei neurologischen Patienten zu unwillkürlichen Urin- und Kotabgängen ins Wasser kommen kann. Bei begleitend bestehender Inkontinenz für Stuhl und Harn ist die Indikation für eine Krankengymnastik im Bewegungsbecken ohnehin kritisch zu sehen. Nur wenn diese nicht durch andere Therapiemaßnahmen ersetzt werden kann, sollte sie als Therapiemittel mit entsprechender Vorkehrung in Form von speziellen Badehosen zur Anwendung kommen Gemäß § 37 IfSG muss Schwimm- oder Badebeckenwasser in öffentlichen Bädern gesundheitlich unbedenklich sein. Die hygienisch-mikrobiologischen, physikalischen und chemischen Anforderungen sind in DIN 19643 formuliert. Es werden folgende Wasserarten unterschieden: • Füllwasser = dem Füllwasseröffentlichen Trinkwassersystem zur Erst- und Nachfüllung entnommenes Trinkwasser • Beckenwasser = das BeckenwasserWasser im Becken • Rohwasser = das Rohwasserder Aufbereitung zugeführte Beckenwasser • Reinwasser = aufbereitetes ReinwasserWasser nach Filtration, Zugabe von Desinfektionswirkstoffen und Füllwasser vor seinem Eintritt ins Becken • Filtrat = Wasser Filtratnach Filtration und vor Zugabe des Desinfektionsmittels. Für Coliforme und E. coli gelten im BadewasserBadewasserbakterielle Belastung die Grenzwerte wie im Trinkwasser. Zusätzlich ist für P. aeruginosa ein Grenzwert von 0/100 ml und für L. pneumophila von 100 ml/ml vorgeschrieben. Für Reinwasser gelten für die Koloniezahl (max. 20/ml bei 20 °C und 36 °C) und für L. pneumophila (kein Nachweis in 100 ml) höhere Anforderungen (DIN 19643). Die wichtigsten Parameter mit Indikatorfunktion für die Belastung des Wassers mit organischen Verunreinigungen sind in Tab. 5.42 zusammengefasst (weiterer Details s. DIN 19643). Bei hoher organischer Belastung des BeckenwassersBeckenwasserChlorgehalt sinkt durch Chlorzehrung der Anteil des antimikrobiell wirksamen freien Chlors bei gleichzeitiger Zunahme der Konzentration an organischen Chlorverbindungen, die teilweise im Verdacht stehen, kanzerogen zu sein. Der Richtwert der DIN für Trihalogenmethan (gemessen als Chloroform) wird in öffentlichen Bädern häufig überschritten und kann wahrscheinlich erst nach Erweiterung der Badewasseraufbereitungsschritte Flockung, Filtration und Desinfektion um eine Oxidationsstufe und anschließende Aktivkornkohlefilterung sicher erzielt werden (Schössner und Koch 1995). Tab. 5.42 Physikalisch-chemische Parameter (Auswahl) des Badewassers Parameter Reinwasser Beckenwasser NCV-Konzentration über der Konzentration des Füllwassers Nicht definiert 20 mg/l Oxidierbarkeit Mn VII → Mn II über dem Wert des Füllwassers als 02 0 mg/l 0,75 mg/l pH-Wert 6,5–7,6 6,5–7,6 Freies Chlor ≥ 0,3 mg/l 0,3–0,6 mg/l Gebundenes Chlor ≤ 0,2 mg/l ≤ 0,2 mg/l Trihalogenmethan Nicht definiert ≤ 0,02 mg/l (nach DIN 19643) [W921] Für Therapiebecken wird eine Verfahrenskombination von Ozonung und Aktivkornkohlefilterung empfohlen. Ein wichtiger Parameter für die Beantwortung der Frage, ob dem Badewasser unter Berücksichtigung der aktuellen Belastung mit organischen Verunreinigungen genügend Desinfektionsmittel zugesetzt wurde, ist die Bestimmung des Redoxpotentials. Die Mindesthöhe ist abhängig vom Konzentrationsverhältnis des Oxidationsmittels (Chlor) zum Reduktionsmittel (Verunreinigung) und ist unter Berücksichtigung des aktuellen pH-Werts in DIN 19643 festgelegt. Auch Wasser für Wannenbäder muss den mikrobiologischen Kriterien der DIN 19643 entsprechen. Nach jeder Patientenbehandlung ist das Wasser abzulassen und eine Reinigung und Desinfektion der Therapiewanne vorzunehmen. Wasseraufbereitungsanlagen mit kontinuierlichem Umlauf von Badewasser sind aus hygienischen und psychologischen Gründen abzulehnen. Je nach Ausstattung ist das Volumen des stagnierenden Restwassers im Zulauf bzw. in der Mischbatterie der Wanne unterschiedlich groß. Da das Restwasser massiv verkeimen kann, sollte das Physiotherapie-Personal dieses Volumen kennen und (insbesondere nach Wochenenden oder Feiertagen!) vor dem Einlassen des eigentlichen Badewassers ablaufen lassen. Peloidtherapie: Da PhysiotherapiePeloidtherapie Peloidtherapie, Infektionspräventiondie natürlichen Ressourcen insbesondere hochwertiger Peloide begrenzt sind, wird vielerorts „abgebadeter“ Torf nach mehr als 5jähriger Lagerung und Zusatz von Frischtorf wiederverwendet. Dagegen ist hygienisch nichts einzuwenden, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass Krankheitserreger, die durch das Moorbad in den Torf gelangt sind, in nennenswerter Zahl über diesen Zeitraum infektiös bleiben. Allerdings muss bei der Lagerung Schädlingsbefall und mikrobielle Besiedlung aus der Umgebung verhindert werden. Vor dem Einsatz bereits verwendeten organischen Materials muss eine hygienisch-mikrobiologische Kontrolle erfolgen. Soll Fango mehrfach verwendet werden, wird er nach Gebrauch gesammelt und über Nacht in einem Rührwerk bei 140 °C (trockene Heißluft) gelagert. Bei vorübergehender Nichtbenutzung kann er auch bei 50–60 °C auf Blechen aufbewahrt werden; regelmäßige (z. B. halbjährliche) Hygienekontrollen sind erforderlich (Botzenhart und Junger 1992). Tretbecken: Tretbeckenwasser PhysiotherapieTretbecken Tretbecken, Hygienemaßnahmenwird im Allgemeinen täglich abgelassen und nach sorgfältiger Reinigung und Desinfektion des Beckens am Folgetag frisch eingefüllt. Bei Patienten mit Dermatomykosen oder Wundverbänden im Fuß- und Unterschenkelbereich besteht für diese Therapieform wegen des Infektionsrisikos (für sie und andere) eine Kontraindikation. Das Problem der Verkeimung stagnierenden Restwassers ist auch beim Auffüllen des Tretbeckens zu beachten. Sauna: Aufgrund Sauna, Hygienemaßnahmendes Schwitzens mit Verdünnung des Säurefilms ist von erhöhter Infektionsempfänglichkeit der Haut auszugehen. Daher ist für die Sauna eine spezielle Hygieneordnung zu erarbeiten. Darin ist zu fordern, dass alle Oberflächen innerhalb und außerhalb der Saunakabine mindestens täglich desinfiziert werden. Eine Ausstattung mit naturbelassenem Holz ist im Krankenhausbereich abzulehnen. Jeder Saunabenutzer erhält 2 Badetücher, von denen eins der Vor- und Nachreinigung dient und außerhalb der Saunakabine verbleibt, während das andere in der Saunakabine als Auflage verwendet wird, um den direkten Hautkontakt zu vermeiden. Das direkte Sitzen oder Liegen auf Saunarosten ist strikt abzulehnen. Das Saunatauchbecken wird täglich geleert und vor Neufüllung gereinigt; pro Besucher werden mindestens 60 l Frischwasser zugesetzt. Das Beckenwasser wird laufend desinfiziert, eine Aufbereitung, wie sie für das Wasser von Badebecken vorgeschrieben wird, ist nicht erforderlich (DIN 19643). An dieser Stelle sei bemerkt, dass die Anwendung von Sauna im Bereich eines Akutkrankenhauses eine Rarität darstellt. Im Bereich stationärer Rehabilitation ist diese Form der Hydrotherapie noch möglich; nicht nur wegen der hygienischen Fragestellungen ist eine Anwendung nur nach strenger ärztlicher Anordnung anzuraten. 5.23.4 Physikalische Therapie im stationären Bereich Bei Tätigkeit des Personals der PhysiotherapiePhysiotherapiestationäre in anderen Abteilungen ist die Hygieneordnung der jeweiligen Abteilung einzuhalten. Im Rahmen des QM ist darauf zu achten, dass im Einarbeitungskonzept der Physiotherapeuten und Masseure die Hygienevorschriften aller Abteilungen eines Krankenhauses vermittelt werden, so dass auch bei kurzfristigem Wechsel des Einsatzortes Klarheit über die Hygienemaßnahmen besteht. Zu den Arbeitsvorschriften gehören die hygienische Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt sowie ggf. das Tragen von Schutzkleidung, die vor der Rückkehr in die Physiotherapie-Abteilung abgelegt wird. Handelt es sich um infektiologische Risikobereiche, müssen eventuell mitgeführte Therapiemittel noch vor Ort desinfiziert werden. Andernfalls ist der Transport in geeigneter Schutzverpackung vorzunehmen und die Desinfektion vor der Weiterverwendung in der Abteilung für Physiotherapie zu gewährleisten. Nach der Versorgung von Patienten in stationären Bereichen ohne besondere Risikosituationen ist bei möglichem Sekretkontakt a. Ä. vor der Therapie des nächsten Patienten dennoch ein außerplanmäßiger Wäschewechsel problemlos zu ermöglichen. Günstig ist dabei, wenn die Physiotherapeuten die Poolwäsche der Stationen nutzen können. 5.23.5 Qualitätssicherung Für PhysiotherapieQualitätssicherung QualitätssicherungPhysiotherapiephysikalisch-therapeutische Abteilungen ist ein Hygieneplan zu erstellen (Steuer et al. 1999). Dieser Hygieneplan ist verbindlich, sollte im Qualitätshandbuch hinterlegt sein, Bestandteil jedes Einarbeitungskonzeptes sein und vor allem regelmäßig überprüft werden. Ein Physiotherapeut jeder Abteilung sollte als Hygienebeauftragter ernannt werden, regelmäßig an den zentralen berufsgruppenübergreifenden Schulungen teilnehmen und das Wissen an die Arbeitsgruppen weitergeben. Im QM sind die zeitlichen Abstände der vorzunehmenden Kontrolluntersuchungen festzuschreiben. Die Untersuchungsdaten sind entsprechend zu archivieren und zu kontrollieren. Durch die hohe Belastung der Haut der Physiotherapeuten sind Hautschutzmaßnahmen in Seminaren zu vermitteln, Hautschutzpläne sind ebenso Bestandteil der Einarbeitungskonzepte neuer Mitarbeiter. Aus eigener Erfahrung empfiehlt sich mindesten einmal jährlich, z. B. im Rahmen routinemäßiger Teambesprechungen, eine Kontrolle der Händedesinfektion mit Visualisierung der Verschmutzung in Zusammenarbeit mit der Krankenhaushygiene. Diese Situation ist für die Mitarbeiter eindrucksvoll, meist überraschend und sehr lehrreich. Folgende Kontrolluntersuchungen sind durchzuführen bzw. zu empfehlen: Rein- und Beckenwasser monatlich physikalisch-chemisch und mikrobiologisch (DIN 19643 und DIN 38402), Duschen, Inhaliergerät (Abstriche vom Mundstück, Überprüfung des Inhalts) und Druckluft halbjährlich. Darüber hinaus ist das Wasser von Bewegungsbecken durch den Betreiber zweimal täglich zu beproben. Einmal jährlich empfiehlt sich die Begehung der Abteilung durch den Hygienebeauftragten der Abteilung Physiotherapie gemeinsam mit dem Krankenhaushygieniker und der HFK. 5.24 Zahnarztpraxis Axel Kramer und Rajko Lippert 2006 wurde die Empfehlung der KRINKO zu den Anforderungen an die Hygiene in der Zahnmedizin aktualisiert. Zur Spezifizierung der Hygieneanforderungen in der Zahnmedizin wird seit 1989 der Hygieneleitfaden des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) fortlaufend aktualisiert. Weitere für die Zahnarztpraxis relevante Empfehlungen der KRINKO betreffen die Händehygiene (2015), die Aufbereitung von MP (2012), die Reinigung und Desinfektion von Flächen (2004), die Anforderungen an Hygienebekleidung und persönliche Schutzausrüstung (2007) sowie die medizinische Versorgung immunsupprimierter Patienten (2010). Unabhängig davon sind die sich durch das IfSG (2011) ergebenden Verpflichtungen (z. B. Hygieneplan, Meldepflicht), die Forderungen des MPG (2013) (Kap. 2.9), des Arbeitsschutzgesetzes (2013), der Gefahrstoff-VO (2013), der Biostoff-VO (2013) (Kap. 5.29), der Trinkwasser-VO (2013) (Kap. 6.6) und der BGW (2014) (Kap. 5.29) einzuhalten. Beim Vergleich der Analysen zum Hygienestatus in Zahnarztpraxen, die seit 2003 durchgeführt wurden, ist eine durchgreifende Verbesserung sowohl im Hygieneverhalten als auch in der Ausstattung mit Hygienetechnik feststellbar (Bachfeld 2009; Handrup 2011; Kramer et al. 2008b; Meyer et al. 2010). Diese positive Entwicklung dürfte maßgeblich auf die Empfehlungen der KRINKO und die Initiativen der Zahnärztekammern zur Umsetzung dieser Empfehlungen zurückzuführen sein. Trotzdem besteht in bestimmten Bereichen noch Optimierungspotenzial (Kramer und Ryll 2010). 5.24.1 Infektionsgefahren und Übertragungswege Hygienemaßnahmen sind bei der vertragszahnärztlichen Versorgung ein unerlässlicher Bestandteil des einrichtungsinternen QMs zum Schutz von Patienten und Mitarbeitern (Richtlinie des GBA 2006). Infektionsgefahren: In ZahnarztpraxisInfektionsgefahrender Zahnmedizin bestehen Infektionsgefahren durch den Kontakt des Behandlungsteams und der Instrumente mit der Mundhöhlenflora des ZahnarztpraxisAerosolbildungPatienten, durch die Verletzung der Schleimhautbarriere, durch direkten Kontakt mit Blut sowie durch aufwendig zu dekontaminierende zahnärztliche MP. Außerdem kommt es während der Behandlung zur Aerosolbildung mit Verwirbelung der Mikroflora des Patienten mit der Atemluft des Praxisteams und dem Sprühnebel der gekühlten Übertragungsinstrumente (Barben, Kuehni und Schmid 2009, Cristina et al. 2009). Diese Aerosolwolke breitet sich konzentriert etwa 80 cm vor und seitlich vom Patienten und mit einer Reichweite von bis zu 1,5 m aus (Hilger 1998). Zur Aerosolbildung kommt es auch bei Verwendung von Pulver-Wasserstrahl- und Ultraschallgeräten zur Zahnsteinentfernung. Die im Aerosol befindlichen Mikroorganismen können abhängig von der Partikel- oder Tröpfchengröße bis zu mehreren Stunden in der Raumluft schweben (Blachere et al. 2009; Yang, Elankumaran und Marr 2011). Durch Absaugtechnik lässt sich die Erregerbelastung deutlich reduzieren (Hilger 2007). Durch das Aerosol, aber auch durch direkten Kontakt, können patientennahe Flächen kontaminiert werden, sodass bei nicht durchgeführter Desinfektion von hier aus eine Weiterverbreitung möglich ist. Als Infektionsquellen kommen auch der Zahnarzt und sein Team in Betracht. Übertragungswege: Von Bedeutung ZahnarztpraxisÜbertragungswegesind • die direkte Übertragung Patient/Personal und Personal/Patient via Blut, Speichel u. a. potenziell infektiöse Sekrete und • die indirekte Übertragung z. B. über kontaminierte MP, Abformmaterialien, herausnehmbare zahnmedizinische Versorgungen bzw. Werkstücke, Aerosolbildung von kontaminiertem Wasser aus der Dentaleinheit (Kumar et al. 2010), Abfälle und Kontaktflächen. Zu den durch Blut übertragbaren Erregern gehören vor allem HBV, HCV und HIV (Younai et al. 2010). Überwiegend durch direkten und indirekten Kontakt werden z. B. HSV, Staphylokokken, Streptokokken, M. tuberculosis, Pseudomonaden, Legionellen und respiratorische Viren übertragen (Cleveland, Robison und Panlilio 2009; Feller et al. 2009; Heim 2003). Selbstverständlich können auch MRE in der Mundhöhle auftreten, z. B. MRSA, VRE, multiresistente Streptokokken sowie unter den 3MRGN und 4MRGN vor allem P. aeruginosa, aber auch Klebsiella spp., E. coli, Proteus spp. und Serratia spp. Die Gefährdungsanalyse der Kontaminationsquellen ist schwierig, weil kaum diesbezügliche epidemiologische Studien vorliegen (Podbielski 2007) und sich der Nachweis hygienisch richtigen Verhaltens im Vergleich zu hygienisch falschem Verhalten aus ethischen Gründen verbietet. Hinzu kommt der zeitliche Abstand zwischen Kontamination und ggf. nachfolgender Infektion. Schließlich kann nicht mit vertretbarem Aufwand überprüft werden, ob Patienten in der Zahnarztpraxis z. B. MRE akquiriert haben. Deshalb beruhen die nachfolgenden Empfehlungen auf deren Nutzen-Risiko-Bewertung und auf Analogieschlüssen zu in anderen Bereichen sich als effektiv erwiesenen Maßnahmen. 5.24.2 Infektionspräventive Maßnahmen Multibarrierenstrategie Unter MultibarrierenstrategieZahnarztpraxisMultibarrierenstrategie Multibarrierenstrategie ZahnarztpraxisInfektionsprävention wird die Zusammenführung der infektionspräventiven Maßnahmen zu einer aufeinander abgestimmten Strategie verstanden. Die erforderlichen Standards sollten in SOPs, die im Team erarbeitet und abgestimmt werden, festgeschrieben werden. Nur so kann durch die gemeinsame Analyse eine Identifikation aller Beteiligten erreicht werden. Dabei ist die Fehleranalyse nur ein Teilaspekt. Anamnese zu Infektionsrisiken Durch gezielte, regelmäßig aktualisierte Anamnese können Infektionsrisiken vor der zahnärztlichen Behandlung erfasst und daraus für den Infektionsschutz relevante Maßnahmen abgeleitet werden. Erfragt werden vor allem: • Infektiöser Status, z. B. MRE, Virushepatitis, HIV, Tbc, sonstige Infektionskrankheiten, gastrointestinale Beschwerden • Aktuelle Erkrankungen, z. B. Exantheme (Masern, Röteln, Ringelröteln), Ikterus, chronischer Husten, Nachtschweiß (Hinweis auf Tbc, Legionärskrankheit, Pertussis) • Medikamenteneinnahme einschließlich Schmerz- und Schlafmitteln (Unverträglichkeit kann ein Hinweis auf eine Hepatitis sein) • Intoleranzen und Allergien (z. B. Alkohol, Latex, Antibiotika, CHX) • Ulzera und Erosionen/Beläge in Mundhöhle und Vestibulum nasi (Candida, HSV, A-Streptokokken, Haarzunge, Diphtherie, HPV, VZV) • Abklärung des CJD-Risikos • Vor Kurzem durchgeführte Piercings und Tätowierungen • Immunsuppression, Versorgung mit Endoprothesen (Kap. 4.9), Endokarditisrisiko Patienten, deren Anamnese auf ein erhöhtes Kolonisations- bzw. Infektionsrisiko für Personal und andere Patienten schließen lässt, sollten – abgesehen von Notfällen – so einbestellt werden, dass die patientennahe Flächendesinfektion und ggf. die Aufbereitung von MP unmittelbar im Anschluss an die Behandlung erfolgen kann, ohne den organisatorischen Ablauf der Praxis zu stören. Das ZahnarztpraxisMRE Multiresistente ErregerZahnarztpraxisneue IfSG schreibt verpflichtend vor, dass der Trägerstatus eines Patienten mit kritischen Pathogenen und insbesondere mit MRE einschließlich Handlungsempfehlungen in sog. Überleitungsbögen dokumentiert wird. Dadurch wird die Information über infektiöse Risiken in wünschenswerter Weise verbessert, da ein Screening auf MRE in zahnärztlichen Praxen weder realisierbar noch bei Einhaltung des Multibarrierensystems der Basishygiene erforderlich ist. Für die Effektivität des Multibarrierensystems spricht u. a., dass die nasopharyngeale MSSA Besiedlung mit etwa 30 % bei in der Zahnarztpraxis Tätigen nicht höher ist als in der Gesamtbevölkerung und die bisher durch MRSA anerkannten Berufskrankheiten (BK) in keinem Fall in einer zahnärztlichen Praxis erworben wurden. Selbst bei der ungeschützten Pflege stationär versorgter MRSA-Patienten besteht nur ein geringes Übertragungsrisiko von MRSA auf das Personal (Tübbicke et al. 2012), d. h. die Empfänglichkeit gesunder Personen ist offenbar gering. Da bisher auch keine anderen MRE in Zahnarztpraxen BK verursacht haben, ist auch hier von einer geringen Übertragungswahrscheinlichkeit auf das Praxisteam auszugehen. Jeder Patient soll so behandelt werden, als wäre er infektiös, weil Infektionsrisiken trotz sorgfältiger Anamnese unerkannt bleiben können. Grundsätzlich bieten die Maßnahmen der Basishygiene und des Arbeitsschutzes ausreichenden Schutz für Personal und Patienten. Elektive zahnärztliche Behandlungen von Patienten, die sich in der akuten Phase einer Infektionskrankheit, z. B. Masern, Keratoconjunctivitis epidemica, befinden, sollten verschoben werden. Die Behandlung von Patienten mit hochkontagiösen lebensbedrohlichen Krankheitserregern oder mit CJD/vCJD sollte spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben (Heudorf et al. 2006). Mundhöhlenantiseptik Wirkung: Durch die SchleimhautantiseptikMundhöhlenantiseptik ZahnarztpraxisMundhöhlenantiseptik • wird die Mikroflora im Speichel und auf der Schleimhaut um etwa 1,5–2,5 log10 reduziert (Assadian und Kramer 2008; Pitten, Splieth und Kramer 2000), • sinkt die Anzahl von Mikroorganismen in dentalen Aerosolen (Fine et al. 1993) und • wird die behandlungsassoziierten Bakteriämie bei Sulkusspülung verringert (Fine et al. 1996; MacFarlane, Ferguson und Mulgrew 1984; Rahn et al. 1994; Scopp und Orvieto 1971; Yamalik, Yucetas und Abbasoglu 1992). Allerdings wird die klinische Bedeutung der Bakteriämie kontrovers diskutiert (Pitten, Rosin und Kramer 2001). Für die MundhöhlenantiseptikIndikationenAbleitung von Indikationsempfehlungen zur Mundhöhlenantiseptik reicht die Studienlage nicht aus. Das betrifft Auswirkungen auf die Infektionsrate post extractionem ebenso wie nach chirurgischen Eingriffen in der Mundhöhle z. B. vor Tumorresektion. Beschrieben ist die Reduktion postoperativer Komplikationen insbesondere in Form von Wundheilungsstörungen bei Anwendung von PVP-Iod (Redleaf und Bauer 1994) und von Listerine® (Zambon et al. 1989). Obwohl SSI in der Mundhöhle selten auftreten, wird vor elektiven zahnärztlich- bzw. oralchirurgischen Eingriffen, bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen mit nachfolgendem speicheldichtem Wundverschluss und bei Patienten mit erhöhter Infektionsanfälligkeit eine professionelle Zahnreinigung mit Sanierung kariöser Läsionen, Gingivitis und parodontaler Taschen sowie direkt vor dem Eingriff eine Schleimhautantiseptik unter spezieller Berücksichtigung des Sulcus gingivae empfohlen (Assadian und Kramer 2008; DAHZ 2014; KRINKO 2006). Vor intraoraler Injektion ist aus den gleichen präventiven Überlegungen wie bei der Hautantiseptik eine Antiseptik im Injektionsbereich mit einem Schleimhautantiseptikum bzw. Oberflächenanästhetikum mit nachgewiesener antiseptischer Wirksamkeit (Kramer et al. 1994) als indiziert anzusehen (Pitten, Rosin und Kramer 2001). Auch bei Patienten mit anamnestisch gesichertem Endokarditisrisiko empfiehlt sich vor zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen eine PAP mit präoperativer Mundhöhlenantiseptik zu kombinieren, da die Antibiotikagabe keinen vollständigen Schutz vor Bakteriämien bietet und nicht alle Spezies erfasst (American Dental Association 1991; Bender und Barkan 1989; Pitten, Rosin und Kramer 2001). Die Schleimhautantiseptik ersetzt nicht die indizierte PAP (DAHZ 2014; Naber et al. 2007; Nkenke 2007). Eine Übersicht über Wirkstoffe und Präparate gibt das Dental Vademekum (2009). Bevorzugt werden in der Mundhöhle CHX, OCT und etherische Öle eingesetzt (Kap. 2.2.5). Da CHXMundhöhlenantiseptikChlorhexidin ChlorhexidinMundhöhlenantiseptik und OCTMundhöhlenantiseptikOctenidin Octenidin in ihrer antiseptischen und Plaque hemmenden Wirksamkeit gleichwertig sind (Welk et al. in rev.), CHX aus toxikologischer Sicht jedoch Nachteile gegenüber OCT aufweist (Kap. 2.2.5), ist CHX nur noch zur Therapie der Gingivitis zu empfehlen, da die Eignung von OCT für diese Indikation bisher nicht untersucht ist. Antibiotikaprophylaxe Die PAP wird unabhängig vom zu erwartenden Ausmaß der Bakteriämie als indiziert angesehen (Naber et al. 2007, Nkenke 2007; Kap. 2.10.6): • in der zahnärztlichen Implantologie, • bei Augmentationen, • bei der orthognathen Chirurgie und • bei Patienten mit stark erhöhtem oder erhöhtem Risiko für eine infektiöse Endokarditis bzw. mit hohem Risiko für einen lebensbedrohlichen Verlauf vor dentalen Risikoeingriffen. Bei Schrittmacher- oder AICD-Trägern, nach aortokoronarem Bypass und bei isoliertem Vorhofseptumdefekt wird die Prophylaxe nicht mehr empfohlen (Naber et al. 2007). Ein hohes Bakteriämierisiko besteht Antibiotikaprophylaxe, perioperativeZahnarztpraxis ZahnarztpraxisAntibiotikaprophylaxe, perioperative ZahnarztpraxisBakteriämierisikobei Manipulationen an der Gingiva und der periapikalen Zahnregion, bei Perforation der oralen Mukosa, Wurzelspitzenresektion, intraligamentärer Anästhesie, Zahnentfernung oder Hemisektion, parodontaler Intervention inkl. Parodontalchirurgie, subgingivaler Antibiotikaeinlage, Sondierung, Scaling und Wurzelglättung, Implantation, Reimplantation eines ausgeschlagenen Zahns, Wurzelkanalbehandlung und professioneller Zahnreinigung von Zähnen und Implantaten, die mit Blutung verbunden sind. Ein niedriges Bakteriämierisiko besteht bei prothetischen Maßnahmen, Infiltrations- und Leitungsanästhesie, Präparation für Stiftaufbauten, Anlegen von Kofferdam, Entfernung von Nahtmaterial, Platzierung kieferorthopädischer Bänder (nicht Brackets), Eingliederung und Anpassung herausnehmbarer kieferorthopädischer Hilfsmittel, Abdrucknahme, Fluoridierung und Anfertigung von Röntgenbildern. Ein stark erhöhtes Endokarditisrisiko ist gegeben bei Zustand nach prothetischem Herzklappenersatz und bakterieller Endokarditis, kongenital-zyanotischem Herzfehler sowie Gefäßendoprothesen im Bereich der Aorta und pulmonalen Gefäße. Ein erhöhtes Endokarditisrisiko besteht bei angeborenem und erworbenem Herzklappenfehler, sonstigen kardialen Fehlbildungen, hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie und Mitralklappenprolaps bzw. myxomatös veränderter Mitralklappe mit Mitralinsuffizienz. Zur Prophylaxe bei Endokarditisrisiko wird einmalig bzw. bei stark erhöhtem Risiko ein 2. Mal 6 h postoperativ ein vorzugsweise Streptokokken der Viridansgruppe erfassendes Antibiotikum (Amoxicillin bzw. bei Penicillinallergie Clindamycin) verabreicht. Die Infektion eines künstlichen Gelenks durch Zahnbehandlung oder Zahnentzündung tritt äußerst selten auf, sodass das Risiko-Nutzen-Verhältnis einer Antibiotikaprophylaxe (Nawrath, Walther und Robra 2009) bei zahnärztlichen Behandlungen nicht eindeutig identifiziert werden konnte. Daher wird bei diesen Patienten eine PAP nicht als indiziert angesehen (Berbari et al. 2010). Trotzdem empfehlen Bundeszahnärztekammer und DAHZ (2011) bei Patienten mit Hüftgelenktotalendoprothesen (Hüft-TEP) nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt z. B. in der ersten Phase nach Implantation der Endoprothese, bei vorausgegangener Infektion eines künstlichen Gelenks oder gelockerter TEP sowie bei bestimmten Allgemeinerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Immunsuppression, Diabetes mellitus, HIV-Infektion, Malignomen und Hämophilie 30–60 min vor invasiven Eingriffen in der Mundhöhle, die mit erhöhter Bakteriämie verbunden sind, eine Antibiotikaprophylaxe. Da es sich bei dieser Empfehlung um die offizielle Stellungnahme der zuständigen Körperschaft handelt, kann bei Nichtbefolgung der Empfehlung im Fall der nachfolgenden Infektion des Implantats ein Haftungsanspruch geltend gemacht werden, solange die Sachlage nicht eindeutig geklärt ist. Grundsatz der Nonkontamination und Händehygiene Nonkontamination: Bei der Behandlung soll die Kontaminationsgefahr durch gezieltes VerhaltenNonkontamination, Zahnarztpraxis ZahnarztpraxisNonkontamination reduziert werden. Dazu gehören das Tragen von Handschuhen, MNS, Schutzbrille und ggf. einer Kopfbedeckung sowie ggf. eines Schutzes über der Berufskleidung. Weitere erforderliche Barrieremaßnahmen sind z. B. • die Verwendung von Kofferdam, • die Verwendung von Instrumenten bei intraoralen Tätigkeiten anstelle der Hände, • der Schutz von Instrumenten durch abgedeckte Lagerung oder in Behältnissen/Schränken, • die Abdeckung nicht benötigter oder schwierig desinfizierbarer Flächen, • die räumliche Trennung der direkten zahnärztlichen Behandlung von anderen Arbeitsbereichen, • eine effektive Absaugtechnik und • die unfallsichere Entsorgung von Abfall. BerufskleidungBerufskleidungZahnarztpraxis ZahnarztpraxisBerufskleidung sollte kurzärmlig sein, damit der Unterarm in die Händedesinfektion einbezogen werden kann. Sie muss bei sichtbarer Verschmutzung sofort, mindestens aber jeden zweiten Tag gewechselt werden. Händehygiene: Die HändehygieneZahnarztpraxis ZahnarztpraxisHändehygieneHändehygiene gehört zu den wichtigsten Maßnahmen der Infektionsprävention (Kap. 2.1). Für die Händewaschung sind verträgliche flüssige Hautreinigungsmittel auszuwählen. Hautschutz und -pflege sind im Hautschutzplan festzulegen, der als Bestandteil des Hygieneplans geführt werden kann. Wasserhähne müssen ohne Handberührung bedienbar sein. Zur Händetrocknung sind ausschließlich Handtücher (Textil oder Papier) zum Einmalgebrauch zu verwenden. Die Hände werden vor Arbeitsbeginn, bei Verschmutzung, nach Toilettenbenutzung, vor Essenpausen und bei Arbeitsende gewaschen. Die hygienische Händedesinfektion ist vor jeder Behandlung, vor aseptischen Tätigkeiten, bei Handschuhwechsel bzw. Ablegen von Handschuhen, nach Behandlungsende und nach Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien bzw. Flächen/Gegenständen erforderlich. Vor zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen wird eine chirurgische Händedesinfektion durchgeführt. Personalschutz Schutzhandschuhe sind indiziertSchutzhandschuheZahnarztpraxis ZahnarztpraxisSchutzhandschuhe PersonalschutzZahnarztpraxis ZahnarztpraxisPersonalschutz, wenn die Möglichkeit des Kontakts mit Körperflüssigkeiten besteht, d. h. für die Patientenbehandlung, oder bei Kontaminationsrisiko, z. B. zur Aufbereitung kontaminierter MP. Als Schutz vor Kontamination müssen bei jeder zahnärztlichen Behandlung generell nichtsterile medizinische Schutzhandschuhe getragen werden. Diese sind nach jedem Patienten zu wechseln, ebenso beim Wechseln der Tätigkeit oder beim Verlassen des Behandlungszimmers. Ist sicher davon auszugehen, dass die Integrität des Handschuhs erhalten geblieben ist, kann bei Weiterbehandlung desselben Patienten unter der Voraussetzung der Durchführung der Desinfektion der behandschuhten Hand mit einem viruziden Händedesinfektionsmittel und nachgewiesener Desinfizierbarkeit des Handschuhtyps auf den Wechsel verzichtet werden (Pitten und Kramer 2001). Ferner sind Handschuhe zu tragen, wenn mit Körperflüssigkeiten oder Sekreten kontaminierte Oberflächen berührt werden. Schutzhandschuhe können bei Vorliegen blutübertragbarer Infektionskrankheiten des Zahnarztes (HBV, HCV, HIV) auch zum Patientenschutz beitragen. Gesichert ist die Übertragung von HIV bei der Behandlung auf mindestens 5 Patienten. Bei allen Betroffenen wurden blutige Eingriffe vorgenommen. Zur vermuteten Zeit der Übertragung hatte der Zahnarzt Hautläsionen an den Händen (Bel und Curran 1992; CDC 1991). Bei Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten müssen Schutzhandschuhe getragen werden, die gegenüber den verwendeten Reinigungs-bzw. Desinfektionsmitteln beständig sind. Für zahnärztlich-chirurgische Eingriffe mit nachfolgendem speicheldichtem Wundverschluss sind sterile Handschuhe zu tragen. Für die Zahnextraktion ist kein Unterschied in der SSI-Rate in Abhängigkeit davon belegt, ob nichtsterile oder sterile Handschuhe getragen wurden (Cheung et al. 2001). Da die Materialqualität steriler Handschuhe oft besser ist (z. B. geringeres Perforationsrisiko), kann ihre Verwendung das Übertragungsrisiko von Mikroorganismen der Hände ins Wundgebiet und ebenso eine Kontamination der Haut der Behandler mit Blut oder Körperflüssigkeiten des Patienten minimieren. Mund-Nasen-Schutz: Der MNS (mehrlagig, nach DIN EN 149) ist Mund-Nasen-SchutzZahnarztpraxis ZahnarztpraxisMund-Nasen-Schutzein MP, das die Übertragung von Tröpfchen von der Mund- und Nasenschleimhaut des Personals auf die Patienten (und umgekehrt) wirkungsvoll verhindern kann. Zudem werden Mund und Nase des Personals durch den MNS vor (unbewussten) Berührungen mit kontaminierten Hände/Handschuhen geschützt. Der MNS sollte der Nase z. B. durch Metallstreifen anformbar sein und so angelegt werden, dass er an den Rändern der Haut dicht anliegt. Einmal vom Gesicht abgezogen, wird er verworfen. Ein Herunter- und wieder Hochstreifen des MNS unterläuft jede Schutzwirkung, die der MNS vor dieser Aktion hatte. Augenschutz: Das AugenschutzZahnarztpraxis ZahnarztpraxisAugenschutzTragen einer Schutzbrille schützt die Augen vor direkter Kontamination, was z. B. für Herpes- und Adenoviren sowie MRE mit der Fähigkeit zur nachfolgenden Besiedlung des Auges (z. B. MRSA, Pseudomonas spp.) besonders relevant ist, aber auch vor Augenverletzungen z. B. durch hochtourig entfernte Restaurationen und Füllungen. Der Augenschutz soll die Augen auch seitlich abdecken. Er ist nach sichtbarer Kontamination und zumindest täglich zu reinigen und zu desinfizieren. Schutzkleidung: Wenn die SchutzkleidungZahnarztpraxis ZahnarztpraxisSchutzkleidungBerufsbekleidung bei der Behandlung kontaminiert werden kann, muss über der Berufskleidung eine zumindest die Körpervorderseite bedeckende Schutzkleidung getragen werden. Bei umfangreichen chirurgischen Behandlungen sind ein steriler langärmliger Schutzkittel, ein dicht sitzender MNS und eine das Kopfhaar umschließende Kopfbedeckung anzulegen. Der Patient soll zum Schutz seiner Bekleidung vor Verschmutzung und Kontamination einen Patientenumhang tragen. Geeignet sind Einmalumhänge (DAHZ 2014). Die Freizeitbekleidung des Personals darf in der Umkleide nicht zusammen mit der Berufsbekleidung gelagert werden, um einen Erregertransfer zu verhindern. Sofern bei der Behandlung ein Infektionsschutz erforderlich ist, muss über die Berufskleidung ein frischer langärmliger Schutzkittel angelegt werden. Das kann bei der Behandlung immunsupprimierter Patienten, bei bekannter Infektion oder Kolonisation des Patienten mit MRE und anderen Problemerregern oder bei erwarteter massiver Kontamination relevant werden. Bei Bewohnern von Pflegeeinrichtungen sollte stets von einer Kolonisation ausgegangen werden. Im letzteren Fall genügt ein die Körpervorderseite bedeckender Schutz. Bei einem bekannten MRE-Träger sind ergänzend zur Basishygiene folgende Maßnahmen zu empfehlen: • Anlegen von Schutzkittel, Gesichtsschild und OP-Mütze • Durchführen einer antiseptischen Mundspülung vor Behandlungsbeginn • Einbestellen des Patienten möglichst zum Abschluss des Behandlungstags, um eine Flächendesinfektion in etwa 2 m Umkreis organisatorisch zu gewährleisten Impfprophylaxe: Die SchutzimpfungenZahnarztpraxis ImpfprophylaxeZahnarztpraxis ZahnarztpraxisImpfprophylaxeMitarbeiter sind insbesondere bei Neueinstellung über die für sie infrage kommenden Impfungen aufzuklären und bestätigen die Aufklärung sowie ihr Einverständnis mit bzw. ggf. ihre Ablehnung der jeweiligen Impfung durch Unterschrift (Kap. 2.12.1). Alle Angehörigen der Zahnarztpraxis sollten die Impfungen nach den Empfehlungen der STIKO (2014) sowie gemäß § 15(4) BioStoffV (2013) und § 3(1) ArbSchG (2013) in Anspruch nehmen. Das betrifft nicht nur die impfpräventablen Kinderkrankheiten, Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis, sondern gilt auch für die jährliche Grippeschutzimpfung. Hierdurch konnten Erkrankungsfälle durch H1N1 trotz höherer Viruslast in Rachenabstrichen durch den Kontakt mit Patienten signifikant herabgesetzt werden (Chu et al. 2012). Durch die Verlagerung der Pertussis aufgrund fehlenden Impfschutzes in das Erwachsenenalter steigt die Gefährdung für Ungeimpfte, sodass seit 2007 wiederholt Übertragungen bei medizinischem Personal beobachtet wurden (Daskalaki et al. 2007; Wicker und Rose 2010; Zivna et al. 2007). Der Erfolg der Grundimmunisierung gegen Hepatitis B ist regelmäßig zu überprüfen. Arbeitsmedizinische Vorsorge: Bei Vorsorge, arbeitsmedizinischeZahnarztpraxis ZahnarztpraxisVorsorge, arbeitsmedizinischeAufnahme der beruflichen Tätigkeit in einer Zahnarztpraxis, in regelmäßigen Abständen und am Ende der Tätigkeit ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge durchzuführen (ArbMedVV 2013) (Kap. 5.29.3). Die Nachfolgeuntersuchungen haben gemäß Jugendschutzgesetz bei unter 17-Jährigen jährlich, in allen anderen Fällen alle drei Jahre zu erfolgen (Zahnärztekammer Berlin). Gemäß Mutterschutzgesetz dürfen werdende oder stillende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie Gesundheits- oder erhöhten Unfallgefahren ausgesetzt sind (Kap. 5.29). Beschäftigungsbeschränkungen: Da Übertragungen BeschäftigungsbeschränkungenZahnarztpraxis ZahnarztpraxisBeschäftigungsbeschränkungenvon HBV und in sehr seltenen Fällen von HCV und HIV durch im Gesundheitswesen Beschäftigte auf Patienten dokumentiert sind, ist bei HBV-, HCV- und HIV-Infizierten zu prüfen, ob übertragungsträchtige Tätigkeiten weiter ausgeübt werden dürfen (Gerlich 2007; KRINKO 2006; Rabenau et al. 2012; Williams 2009). Vor der Entscheidung, ob ein Virusträger Einschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit hinnehmen muss, sollte ein Expertengremium gehört werden. Verfahrensvorschläge finden sich in den Empfehlungen der DVV (Gerlich 2007; Rabenau et al. 2012). Zum Schutz der Patienten und ihres Umfelds sind bei Patienten, die von Virusträgern behandelt wurden, ggf. Untersuchungen zur Rückverfolgung zu veranlassen (KRINKO 2006). Akut erkrankte Zahnärzte und Teammitglieder sollen keine Patienten behandeln. Ausnahmen sind – nach Abwägung der Umstände – Infektionen, bei denen der Betreffende arbeitsfähig ist und durch Schutzmaßnahmen das Übertragungsrisiko minimiert werden kann (KRINKO 2006). Informationen zu den wichtigsten Infektionskrankheiten enthalten die Ratgeber/Merkblätter des RKI. Auch Gesundheitsämter geben Auskunft. Die Beurteilung, ob die Beschäftigung im Rahmen der bisherigen Tätigkeit auch während einer Erkrankung weiterhin möglich ist oder ggf. Beschäftigungsbeschränkungen einzuhalten sind, obliegt im Zweifelsfall dem behandelnden Arzt oder Betriebsarzt. Gemäß § 31 IfSG kann die zuständige Behörde die Berufsausübung ganz oder teilweise untersagen, wenn die Gefahr der Weiterverbreitung von Infektionserregern besteht. Sofortmaßnahmen nach akzidenteller Kontamination und Postexpositionsprophylaxe: Bei einer Stich- oder SchnittverletzungPostexpositionsprophylaxeZahnarztpraxis ZahnarztpraxisPostexpositionsprophylaxe ist der Blutfluss anzuregen, um mit dem Blut ggf. infektiöses Material abzutransportieren. Danach ist die Verletzung mit einem mit Antiseptikum getränkten Tupfer abzudecken, der fortlaufend für mindestens 10 min benetzt wird. Anschließend müssen Schnittwunden offen bleiben und mit einer mit Antiseptikum getränkten Wundauflage versorgt werden. Mittel der Wahl ist Betaseptic®, eine Kombination von PVP-Iod und Ethanol/Propan-2-ol, weil die Wirkstoffe durch die Haut permeieren, wodurch auch in die Tiefe gelangte Erreger noch erfasst werden können (DAIG 2008). Abhängig von der Art der Verletzung erfolgt die weitere Versorgung durch einen für die Behandlung berufsbedingter Verletzungen zugelassenen Durchgangsarzt (D-Arzt). Dieser entscheidet gemeinsam mit dem Patienten über Maßnahmen zur Postexpositionsprophylaxe (DAHZ 2014). Führt eine Verletzung in der Zahnarztpraxis zur Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 d, ist die Berufsgenossenschaft in Kenntnis zu setzen. Das Unfallgeschehen ist zu dokumentieren (Kap. 5.29.4). Klare Arbeitsabläufe und umsichtiges Arbeiten tragen zur Vermeidung von Verletzungen bei. Aufbereitung von Medizinprodukten Gesetzliche Vorgaben Die MedizinprodukteaufbereitungZahnarztpraxis ZahnarztpraxisMedizinprodukteaufbereitungAufbereitung von MP gilt als voll beherrschbares Risiko. Für die korrekte Aufbereitung ist der Betreiber verantwortlich. Er muss das QM mit Festlegung aller Aufbereitungsschritte, der Verantwortlichkeit und der Dokumentation definieren. Verantwortlich für den Infektionsschutz ist eine Person mit zahnärztlicher Approbation, auch wenn einzelne Hygienemaßnahmen an Mitarbeiter delegiert werden können (KRINKO 2006). Eine ordnungsgemäße Aufbereitung wird vermutet, wenn die KRINKO-BfArM-Empfehlung (KRINKO 2012) zu den Anforderungen an die Hygiene bei der MP-Aufbereitung beachtet wird. Der Praxisinhaber muss die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Aufbereitung einschließlich Instandhaltung und Freigabe der aufbereiteten MP unter Berücksichtigung der Mitarbeiterqualifikation namentlich festlegen. Mit der Aufbereitung dürfen nur Mitarbeiter betraut werden, die aufgrund ihrer Ausbildung und Tätigkeit über die notwendige Sachkenntnis verfügen. Das ist im Allgemeinen bei zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA), Zahnarzthelferinnen und stomatologischem Pflegepersonal der Fall. Die in § 4 MPBetreibV (2014) geforderte Sachkenntnis muss durch kontinuierliche Fortbildung untermauert sein. Mitarbeiter ohne abgeschlossene Ausbildung zur ZFA, Zahnarzthelferin oder stomatologischer Pflegefachkraft dürfen nicht mit der Aufbereitung und Freigabe von MP ab kritisch B betraut werden (KRINKO 2006), sofern die Sachkunde nicht in geeigneter Form, z. B. durch den Erwerb der Sach-kunde zur Aufbereitung von MP in der zahnärztlichen Praxis, nachgewiesen werden kann. Das für die Aufbereitung ausgewählte Personal muss vom Praxisinhaber in seinen Verantwortungsbereich eingewiesen werden. Es ist zu beachten, dass veränderte Arbeitsbedingungen, neue Verfahren und wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Einführung neuer MP die ständige Anpassung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Personals erforderlich machen. Alle Unterweisungen sind schriftlich zu dokumentieren. Einstufung und Aufbereitung entsprechend der Einstufung Für die Einstufung der MP (Tab. 5.43 ) in unkritische, semikritische und kritische MP, die Festlegung der Art und die Durchführung der Aufbereitung ist der Betreiber unter Berücksichtigung der Herstellerangaben verantwortlich (Kap. 2.9). Sie richtet sich nach der mit dem MP durchzuführenden Behandlung. Besteht die Gefahr, dass die Schleimhautbarriere verletzt wird, soll die Einstufung in kritisch A bzw. B erfolgen. Bei Zweifeln an der Einstufung ist das MP der höheren, kritischeren Risikostufe zuzuordnen (DAHZ 2014). Zur differenzierten Bewertung zahnärztlicher MP-Gruppen mit Hinweisen zur Aufbereitung siehe DAHZ (2014). Tab. 5.43 Einstufung und Aufbereitung von MP in der Zahnarztpraxis Einstufung Beschreibung Reinigung/Desinfektion Aufbereitungsverfahren Unkritisch Kontakt nur mit intakter Haut (z. B. Messinstrumente, äußere Teile des Gesichtsbogens, Kofferdamzange und dergleichen) Ja, keine Vorreinigung erforderlich Manuell nach SOP möglich; empfohlen: maschinell – thermisch (RDG) Semikritisch A MP im Kontakt mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut für nichtinvasive, allgemeine, präventive, restaurative oder kieferorthopädische Maßnahmen Ja, Vorreinigung optional Manuell nach SOP möglich; empfohlen: validiertes Verfahren maschinell – thermisch (RDG) Semikritisch B Rotierende oder oszillierende MP und deren Übertragungsinstrumente mit Kontakt zu Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut für nichtinvasive, allgemeine, präventive, restaurative oder kieferorthopädische Maßnahmen Ja, Vorreinigung unmittelbar nach Anwendung Manuell nach SOP möglich, abschließend Dampfdesinfektion erforderlich (unverpackt im Dampfsterilisator); empfohlen: validiertes Verfahren maschinell – thermisch (RDG) Kritisch A MP für invasive, die Haut oder Schleimhaut durchdringende chirurgische, parodontologische oder endodontische Maßnahmen Ja, Vorreinigung optional Manuell nach SOP möglich; empfohlen: validiertes Verfahren maschinell – thermisch (RDG), anschließend Dampfsterilisation im verpackten Zustand (Sterilisationszyklus N ausreichend) Kritisch B Rotierende oder oszillierende MP und deren Übertragungsinstrumente, für die Haut oder Schleimhaut durchdringende chirurgische, parodontologische oder endodontische Maßnahmen Ja, Vorreinigung unmittelbar nach Anwendung Manuell nach SOP möglich; empfohlen: validiertes Verfahren maschinell – thermisch (RDG), anschließend Sterilisation im verpackten Zustand (Sterilisationszyklus B, falls Sterilisationszyklus S, nur unter Berücksichtigung von Herstellerangaben möglich) Kritisch C Thermolabile MP, die nicht dampfsterilisierbar sind; werden i. d. R. nicht in der Zahnarztpraxis eingesetzt Ja, Vorreinigung unmittelbar nach Anwendung Aufbereitung nur in Einrichtungen mit extern zertifiziertem QM nach DIN EN ISO 13485 (nach KRINKO 2006) Manuelle Aufbereitung: Zur ReinigungZahnarztpraxisMedizinprodukteaufbereitung, manuelle, Desinfektion, Spülung und Trocknung von MP sind sowohl manuelle als auch maschinelle Verfahren zugelassen. Bei manueller Aufbereitung müssen die Reinigung und die Desinfektion nach einer SOP mit auf ihre Wirksamkeit geprüften, auf das MP abgestimmten Mitteln und Verfahren durchgeführt werden. Die SOPs müssen die kritischen Verfahrensschritte benennen; im Rahmen periodischer Prüfungen soll für diese die Wirksamkeit der Maßnahmen belegt werden. Aus Gründen der besseren Standardisierbarkeit und des Arbeitsschutzes sind validierte maschinelle Verfahren zu bevorzugen (BfArM 2012; KRINKO 2012a). Sterilisationsgeräte und RDGs müssen validiert sein, und es ist ein Konzept für Routineprüfungen zu erstellen. Der für die Aufbereitung Verantwortliche muss unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers schriftlich festlegen, mit welchen Verfahren (in allen Einzelschritten) und unter welchen Bedingungen (z. B. Räume, Arbeitsmittel, Qualifikation des Personals) seine MP aufbereitet und gelagert werden. Hinsichtlich der Aufbereitung von MP, die bei an CJD oder vCJD Erkrankten oder Krankheitsverdächtigen angewandt wurden, sind zusätzliche Anforderungen einzuhalten. Es ist wichtig, sich bereits vor der Anschaffung eines MPs über den Aufbereitungsprozess zu informierten, um die Durchführbarkeit zu gewährleisten. Leider sind nach wie vor unvollständige Angaben von Herstellern anzutreffen (Azizi et al. 2012). Bei unvollständigen und/oder nicht plausiblen Angaben in der Gebrauchsanweisung ist vom Hersteller eine Vervollständigung, Präzisierung und/oder Korrektur der Angaben anzufordern. Sofern von den Herstellerangaben zur Aufbereitung abgewichen wird, muss das begründet und dokumentiert werden. Bei der Reinigung ist durch Auswahl der Reinigungsmittel bzw. durch die Verfahrensführung sicherzustellen, dass es nicht zu einer Fixierung von Rückständen kommt. Aus diesem Grund wird der Einsatz von Glutaral- und Peressigsäure zur Vorreinigung und Reinigung nicht empfohlen (Kampf, Fliss und Martiny 2014). Eine alkalische Reinigung zeichnet sich durch eine hohe Wirksamkeit aus, kann jedoch auch zu Materialveränderungen führen. Dieser Aspekt sollte bei der Anschaffung von Instrumenten berücksichtigt werden. SOP: Voraussetzung für die manuelle Aufbereitung ist die Festlegung der Aufbereitung in einer SOP mit zugelassenen, auf das MP abgestimmten Mitteln und Verfahren unter Einhaltung des Arbeitsschutzes. In dieser SOP zur manuellen Aufbereitung sind folgende Teilschritte festzulegen (KRINKO 2006): 1. Kontaminationsgeschützter Transport vom Behandlungs- zum Aufbereitungsbereich 2. Entfernung grober organischer Verschmutzungen 3. Auseinandernehmen zerlegbarer Instrumente unter Beachtung des Arbeitsschutzes 4. Sofortiges blasenfreies Einlegen zunächst in Reinigungslösung oder reinigende Desinfektionslösung, ggf. im Ultraschallbad, danach in nicht fixierende Desinfektionsmittellösung, die das Instrument innen und außen vollständig benetzen und bedecken muss (Herstellerangaben zur Materialverträglichkeit beachten), nach Ablauf der Einwirkzeit Schlussspülung mit geeignetem Wasser (Kap. 6.6) und Trocknung 5. Prüfung auf Sauberkeit und Unversehrtheit, Pflege, Instandsetzung, Funktionsprüfung 6. Bei MP semikritisch B abschließende thermische Desinfektion im Dampfsterilisator und, falls erforderlich, Kennzeichnung der Anzahl der Aufbereitungen 7. Dokumentierte Freigabe zur Anwendung bzw. zur staubgeschützten Lagerung (keimarme MP) oder Verpackung, Kennzeichnung und Sterilisation, Freigabe zur Anwendung bzw. zur staubgeschützten Lagerung der verpackten MP (sterile MP). Zwar wird die fehlende Lumenaufbereitung bei manueller Aufbereitung durch die abschließende Dampfsterilisation im unverpackten Zustand kompensiert. Bezüglich der Prionensicherheit ist aber die Aufbereitung im Kombinationsautoklaven mittels Reinigung mit lauwarmem alkalisiertem strömendem Wasser und nachfolgender Dampfdesinfektion bzw. -sterilisation oder im Thermodesinfektor die Methode der Wahl. Maschinelle Aufbereitung: • Unkritische MP werden vorzugsweiseZahnarztpraxisMedizinprodukteaufbereitung, maschinelle der maschinellen Reinigung und Desinfektion im RDG unterzogen. Möglich ist auch ein manuelles Vorgehen nach SOP. • Semikritische MP werden vorzugsweise der maschinellen Reinigung und Desinfektion in einem RDG unterzogen. Ist das nicht im validierten Verfahren möglich, hat daraufhin eine thermische Behandlung (Desinfektion) im unverpackten Zustand im Dampfsterilisator zu erfolgen. • MP kritisch A und B sind nach der Reinigung und Desinfektion im verpackten Zustand im Dampfsterilisator zu sterilisieren. Als Verpackung kommen Dentalkassetten, Sterilisierbehälter, Sterilisationspapier oder versiegelbare Klarsichtbeutel aus Kunststofffolie/Papier in Betracht (DAHZ 2014). Diese Vorgehensweisen treffen auch für die abnehmbaren Teile von Apparaturen zu. Die Behandlungseinheit wird einer manuellen Reinigung und Wischdesinfektion unterzogen. Sterilisatoren sind überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (2012) sowie der Druckgeräteverordnung (2011) und fallen unter die Europäische Richtlinie 97/23/EG über Druckgeräte (2003). Für ihr Betreiben gilt die Betriebssicherheitsverordnung (2011). Der Betreiber und die von ihm beauftragten Bedienpersonen müssen die Druckgeräte in ordnungsgemäßem Zustand erhalten, ordnungsgemäß betreiben und überwachen. Sie sind verantwortlich für sachgemäße Wartung, Instandhaltung und Veranlassung der vorgeschrieben Prüfungen. Bei Neuanschaffung sind ZahnarztpraxisDampfsterilisation DampfsterilisationZahnarztpraxisDampfsterilisatoren auszuwählen, die die sichere Innensterilisation von Hohlkörpern gewährleisten und eine automatische Kontrolle und Dokumentation ermöglichen. Dampf-Kleinsterilisatoren mit Sterilisationszyklus B erfüllen dieses Anforderungsprofil. Bei Dampf-Kleinsterilisatoren mit Sterilisationszyklus S muss die schriftliche Bestätigung des Herstellers über das erreichbare Leistungsspektrum eingeholt werden. Dampf-Kleinsterilisatoren mit Sterilisationszyklus N sind nur für feste, massive MP in unverpacktem Zustand geeignet (Kap. 2.8). Um die Creutzfeldt-Jakob-KrankheitZahnarztpraxis ZahnarztpraxisCreutzfeldt-Jakob-KrankheitÜbertragung von vCJD bzw. CJD zu verhindern, muss der Zahnarzt vor jedem elektiven Eingriff mit Wurzelbehandlung beurteilen, ob ein Risiko für eine vCJD/CJD erkennbar ist (typische klinische Kriterien sind rasch fortschreitende Demenz, kortikale Sehstörungen und Myoklonien) (Kap. 3.3). Bei Patienten, bei denen klinisch ein Verdacht auf CJD/vCJD bzw. ein erhöhtes familiäres Risiko besteht, kann eine Verschiebung des Eingriffs hilfreich für eine präzisere Risikoeinschätzung sein. Sollte eine unaufschiebbare Notfallbehandlung eines solchen Patienten außerhalb spezialisierter Einrichtungen erforderlich werden, sollten – sofern möglich – Einwegmaterialien verwendet werden, die anschließend sicher entsorgt werden müssen. Alle anderen verwendeten MP sind bis zur Klärung der Diagnose in entsprechend gekennzeichneten Behältern so zu verpacken, dass keine Infektionsgefahr von ihnen ausgeht. Bei gesicherter Diagnose sind auch diese MP einer Entsorgung gemäß AS 18 01 03 zuzuführen. Sofern MP mit ZNS-Bestandteilen in Kontakt kommen (Wurzelkanalinstrumente, die keine Einmalinstrumente sind), liegt der Schwerpunkt bei der Aufbereitung potenziell mit Prionen belasteter Instrumente in der dem Sterilisationsprozess vorangehenden Aufbereitung, bei der am Aufbereitungsgut anhaftende Eiweißreste möglichst weitgehend entfernt werden. Für die Aufbereitung gelten folgende Prinzipien (Simon und Pauli 1998, Task Force 2002, Kap. 3.3.3): • Unmittelbar nach Gebrauch erfolgt eine nicht fixierende Vorspülung. • Am effektivsten zur Eiweißentfernung ist nach der Vorspülung im zweiten Schritt die alkalische Vorreinigung im RDG bei pH-Wert ≥ 10. Danach muss neutralisiert werden. Bei Verwendung von Bohrerbädern entfällt die Neutralisierung. • Ab Risikokategorie semikritisch B soll die Aufbereitung im RDG ggf. nach Ultraschallvorreinigung erfolgen. Für kritische MP erfolgt im letzten Schritt die Dampfsterilisation bei 134 °C für mindestens 5 min. Aufbereitung spezieller zahnärztlicher MP Übertragungsinstrumente: Nach jedem Einsatz sind Hand- und Winkelstücke sowie Turbinen außen und innen als mikrobiell kontaminiert zu betrachten (Chin et al. 2009). Trotz technischer Sicherheitsvorkehrungen ist eine Innenkontamination der Mikromotoren und Turbinenkupplungen nicht zu MedizinprodukteaufbereitungÜbertragungsinstrumente ZahnarztpraxisÜbertragungsinstrumente, Aufbereitungvermeiden (DAHZ 2014). Bei unwirksamer Wasserdekontamination in der Behandlungseinheit kann die Kontamination zusätzlich aus dem Kühlwasser der Behandlungseinheit selbst stammen (Barben, Kuehni und Schmid 2009). Nur die Aufbereitung nach jeder Behandlung sorgt für hinreichende Sicherheit, dass in das Innere gelangte Pathogene abgetötet werden und damit als Ursache für eine Infektion ausscheiden. Da für die maschinelle thermische Aufbereitung verschiedene Geräte zur Verfügung stehen, bestimmen die Herstellerangaben zu Leistungsfähigkeit und Kosten die Auswahl. Nur für Übertragungsinstrumente anwendbar ist ein Verfahren, in dem diese zunächst in einer geschlossenen Kammer von außen vorgereinigt werden. Es folgen der Lecktest (30 s), die Spülung der Innenkanäle (pH ≥ 10), Ölung, externe Spülung, Dampfdesinfektion 107 °C (2,5 min), ggf. Sterilisation 134 °C (5 min) und Trocknung. Im herkömmlichen RDG erfolgt der Desinfektionsschritt anstelle von Dampf mit heißem Wasser (93 °C). Im RDG können auch alle übrigen Materialien aufbereitet werden, sofern das die Materialverträglichkeit zulässt. Steht kein Verfahren der apparativen Aufbereitung zur Verfügung, dürfen Hand- und Winkelstücke sowie Turbinen gemäß Herstellerangaben nicht im Tauch- oder Ultraschallbad gereinigt werden. Die manuelle Aufbereitung beginnt mit der Spülung, gefolgt von Außenreinigung, anschließender Wischdesinfektion mittels getränkter Tücher (alkoholbasiertes Instrumentendesinfektionsmittel), Innenpflege ggf. mit Desinfektionsspray, Ölung und entsprechend der Einstufung abschließende Dampfdesinfektion oder Dampfsterilisation (KRINKO 2006). Wurzelkanalaufbereitungsinstrumente: Während MedizinprodukteaufbereitungWurzelkanalaufbereitungsinstrumente Wurzelkanalaufbereitungsinstrumente, Aufbereitung ZahnarztpraxisWurzelkanalaufbereitungsinstrumente, AufbereitungExstirpationsnadeln zur Entfernung von Nervengewebe nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind, können Wurzelkanalinstrumente mehrfach (Häufigkeit gemäß Herstellerangabe) aufbereitet werden. Sie werden zuerst manuell vorgereinigt und dann üblicherweise im Bohrerbad desinfiziert. Sofern handelsübliche Bohrerbäder einen pH-Wert ≥ 10 aufweisen, erfüllen sie die Anforderungen an die alkalische Aufbereitung. Für Wurzelkanalinstrumente kommt nach manueller Vorreinigung idealerweise die Aufbereitung im RDG oder die weitere manuelle Aufbereitung mit einem alkalischen Reiniger bzw. mit Guanidinthiocyanat infrage. Letzteres wurde sowohl von rostfreiem Edelstahl als auch von Nickeltitan toleriert (Bachfeld 2009; Boldt et al. 2014; Kramer und Ryll 2010). Als präventiver Grundsatz muss die Aufbereitung eine Verbreitung unerkannter Prionkrankheiten ausschließen. Daher ist Einweginstrumenten aus hygienischen und wirtschaftlichen Gründen der Vorzug zu geben. Absaugung: Wird die ZahnarztpraxisAbsaugkanüle, Aufbereitung Absaugkanüle, Aufbereitung MedizinprodukteaufbereitungAbsaugkanüleAbsaugkanüle durch angesaugtes Weichgewebe verschlossen, kann kontaminierte Flüssigkeit aus dem Absaugschlauch zurück in die Mundhöhle gelangen. Gleiches ist möglich, wenn der Absaugschlauch bei geringer Saugleistung oberhalb des Patienten geführt wird. Daher muss bei allen Behandlungen darauf geachtet werden, dass ein Rückfluss in den Mund durch die Haltung von Sauger und Saugschlauch verhindert wird. Zur Vermeidung werden refluxsichere Absaugkanülen empfohlen, und die Saugwirkung sollte erst einige Sekunden nach dem Zurückhängen in den Instrumentenköcher automatisch abschalten. Die Absaugung muss aufgrund gesetzlicher Anforderungen – wie z. B. die Indirekteinleiterverordnung – über eine Abscheidevorrichtung für Amalgam verfügen (DAHZ 2014). Das Betreiben des Amalgamabscheiders ist anzeigepflichtig. Wasserführende Systeme: Die Zahnarztpraxiswasserführende Systeme, Aufbereitung WassersicherheitZahnarztpraxis MedizinprodukteaufbereitungWassereinheit, zahnmedizinischemikrobiologische Qualität des Wassers in den wasserführenden Teilen zahnärztlicher Einheiten ist sowohl für die konservierende als auch insbesondere für die chirurgische Behandlung relevant, weil die Patienten und das zahnmedizinische Personal dem aus der Wasserkühlung der Übertragungsinstrumente entstehenden Aerosol ausgesetzt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Behandlungseinheiten durch langes, enges Schlauchmaterial und längere Stagnation des Wasserflusses besonders anfällig für eine Biofilmbildung sind (Walker und Marsh 2007; Walker et al., 2000, Walker et al., 2004). Sind Patient und Behandler gesund, ist das Risiko einer Erkrankung durch die Kontamination des Kühl- und Spülwassers gering, sofern keine massive Kontamination mit Legionella spp. vorliegt (Oppenheim et al. 1987). Trotzdem sieht es der Grundsatz der Infektionsprävention vor, ausschließlich mikrobiologisch unbedenkliches Wasser zu verwenden, weil dadurch das Risiko eventueller gesundheitlicher Schäden verringert wird, sog. Vorsorgeprinzip (Hennighausen 2001; Pederson et al. 2002), zumal die Infektionsanfälligkeit bei einzelnen Patienten aufgrund einer eingeschränkten Immunabwehr erhöht sein kann. Der letale Ausgang einer Legionärskrankheit bei einer Seniorin, die durch eine mit LegionellenLegionella pneumophilaZahnarztpraxis ZahnarztpraxisLegionellen kontaminierte Dentaleinheit erworben wurde, unterstreicht die Notwendigkeit der Primärprävention durch Gewährleistung der Trinkwasserqualität in Dentaleinheiten (Ricci et al. 2010). Bereits 1985 stellten Fotos et al. fest, dass der Titer von Legionellen-Antikörpern beim Personal einer Zahnklinik mit zunehmender Expositionszeit (= Arbeitszeit) anstieg. Reinthaler, Mascher und Stunzner (1988) bestätigten, dass zahnärztliches Personal ein erhöhtes Risiko für Legionelleninfektionen besitzt. Eine Studie von Napoli et al. (2007) ergab, dass für zahnmedizinisches Personal nach wie vor die Gefahr einer Legionellose besteht. Die Autoren bezeichnen diese Gefahr als „Berufsrisiko“. Der bedeutendste und häufigste Vertreter der Legionellen ist L. pneumophila. Die Infektion mit dieser Legionellenart kann das Pontiac-Fieber oder die Legionellose auslösen. Die Feststellung sowie der Verdacht auf eine durch Wasser übertragene Infektion muss eine außerplanmäßige Nachuntersuchung zur Konsequenz haben (IfSG 2011). Wasser in Dentaleinheiten muss Trinkwasserqualität haben und mindestens jährlich mikrobiologisch überprüft werden (Trinkwasser-VO 2014). Vor dem täglichen Betrieb ist das Durchspülen aller Instrumente (Hand- und Winkelstücke, Turbine, Speibecken, Wasserzulauf, Mundspülbechereinlauf, Multifunktionsspritze) für mindestens 2 min mit gleichzeitigem Funktionstest durchzuführen, ebenfalls das Durchspülen der Einheit für mindestens 20 s nach jedem Patienten (KRINKO 2006). Zur Kontrolle der Durchführung der vom Hersteller vorgegebenen Maßnahmen zur Prävention der Biofilmentstehung (z. B. mittels Purgen) empfiehlt sich die Führung eines Wartungsbuchs (Kramer et al. 2012d). Damit wird der Forderung der WHO zur Erstellung eines Wassersicherheitsplans Rechnung getragen (Dyck, Exner und Kramer 2007). Bei umfangreichen zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen und zahnärztlicher Behandlung von Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko soll zur Kühlung sterile Spülflüssigkeit benutzt werden. Übertragungsinstrumente und Kühlsysteme sollen mit rückschlagsicheren Ventilen und die Einheiten mit Desinfektionsanlagen ausgerüstet sein oder nachgerüstet werden (KRINKO 2006). Vor der Neuanschaffung von Dentaleinheiten ist durch den Hersteller zu bestätigen, dass die verwendeten Materialien keine Biofilmbildung begünstigen, d. h. die Prüfung nach DVGW bestanden haben (Kap. 6.6). Sofern eine Biofilmbildung stattgefunden hat, muss die Einheit saniert werden. Bei der Auswahl der Sanierungsverfahren muss beachtet werden, dass nicht alle als wirksam deklarierten Verfahren in praxi wirksam sind (Kramer et al. 2012a, b). Abformlöffel, zahntechnische Werkstücke und Wasserbäder: Die Reinigung von Abformlöffeln erfolgt unmittelbar nach ZahnarztpraxisAbformlöffel, Aufbereitung Abformlöffel, Aufbereitung ZahnarztpraxisWerkstücke, zahntechnische, Aufbereitung MedizinprodukteaufbereitungAbformlöffelEntnahme aus dem Mund durch Abspülen unter fließendem, kaltem Leitungswasser (DAHZ 2014). Sie soll in der Praxis erfolgen. Ebenso sind aus dem Labor eintreffende Werkstücke und Restaurationen zu reinigen und zu desinfizieren. Beide Seiten haben eine schriftliche Regelung zum Hygienemanagement zur Vermeidung einer Erregerverschleppung zwischen Praxis und zahntechnischem Labor zu treffen und diese Vereinbarung in regelmäßigen Abständen auf ihre Einhaltung zu prüfen. Zur Desinfektion von Abformlöffeln oder zahntechnischen Werkstücken sind Instrumentendesinfektionsmittel aus der VAH-Liste mit zusätzlich deklarierter Wirksamkeit gegen M. tuberculosis und mit begrenzt viruzider Wirksamkeit auszuwählen. Bei Verdacht auf eine Infektion der Mundhöhle durch unbehüllte Viren (z. B. Herpangina und Hand-, Fuß- und Munderkrankung durch Coxsackieviren) sind viruzide Mittel einzusetzen. Das Desinfektionsmittel darf die Abformung nicht verfälschen. Wasserbäder zur Temperierung von Wachsplatten oder Abformmaterialien sind nach jedem Patienten zu erneuern, wenn eine Kontamination mit Speichel oder Blut erfolgte. Der Wasserbehälter ist vor erneuter Befüllung zu desinfizieren (KRINKO 2006). Röntgen: Kontaminierte ZahnarztpraxisRöntgengeräte, AufbereitungTeile der Röntgeneinrichtung sind nach jedem Patienten zu desinfizieren. Die Schutzhüllen enoraler Röntgenfilme bzw. Röntgenfolien werden nach Entnahme aus der Mundhöhle desinfizierend abgewischt bzw. die Schutzhülle wird mit Handschuhen abgezogen und entsorgt. Flächendesinfektion Im ZahnarztpraxisFlächendesinfektion FlächendesinfektionZahnarztpraxisVerlauf zahnärztlicher Behandlungen werden die Flächen im Behandlungsraum durch manuellen Kontakt und durch Aerosole kontaminiert. Die Beseitigung sichtbarer Verunreinigungen erfolgt mit einem mit Desinfektionsmittel getränktem Einwegtuch oder Zellstoff mit anschließender Wischdesinfektion (VAH-Liste). Der Einsatz von Aldehyden ist wegen der Gesundheitsgefährdung abzulehnen (Kap. 2.7). Bei großflächiger Anwendung von QAV kommt es zur Anreicherung auf Flächen. Es gibt Hinweise darauf, dass sich von den Flächen Reste als Staub ablösen und eingeatmet werden können. Da QAV zytotoxisch und für das Surfactant der Lunge kritisch sind, sollten ausschließlich auf QAV-Basis formulierte Desinfektionsmittel nicht großflächig eingesetzt werden (z. B. nicht zur Fußbodendesinfektion) (Kramer, Below und Assadian 2012c). Eine Sprühapplikation ist wegen inhalativer Gefährdung nur für schlecht zugängliche Flächen zu wählen. Bei jeder Desinfektion sind die vom Hersteller angegebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten (Kap. 2.5). Nach jeder Behandlung sind folgende patientennahe Oberflächen zu desinfizieren: • Zahnarzt-, Assistenzelement, medizinisch-technische Geräte und Einrichtungsgegenstände im Bereich der Patientenversorgung, Griffe der OP-Leuchte, • Absauganlage (Schläuche, Kupplung, Köcher) im Griffbereich, • gezielt bei sichtbarer Kontamination mit Blut, Speichel oder anderen potenziell infektiösen Sekreten oder Exkreten oder bei besonderer Risikosituation auch auf patientenfernen Flächen (einschließlich Fußboden). Für die Durchführung der Wischdesinfektion ist zu beachten, dass die zu desinfizierende Fläche vollständig benetzt wird. Für Fußböden im Behandlungsraum empfiehlt sich am Ende des Arbeitstags eine desinfizierende Reinigung, weil dadurch eine wenn auch nur ungezielte Inaktivierung ansonsten möglicherweise auf der Fläche sich anreichernder MRE u. a. Problemerreger erreicht wird. Für Flächen außerhalb der Behandlungsräume ist die Reinigung ausreichend. Aufbereitung von Berufs- und Schutzkleidung Zur Gewährleistung hygienisch einwandfreier Wäschequalität muss in Gesundheitseinrichtungen anfallende Berufs- und Schutzkleidung mit validierten thermischen oder chemothermischen Desinfektionswaschverfahren, nicht aber im Privathaushalt aufbereitet werden (TRBA 250) (Kap. 6.3). Durch Waschen in der Haushaltswaschmaschine kann die mikrobielle Belastung auf der gewaschenen Kleidung aufgrund der nicht definierbaren Haltezeit für die erforderliche Desinfektionstemperatur sogar höher sein als die der unreinen Wäsche vor dem Waschprozess (Hübner et al. 2011c). Berufskleidung, BerufskleidungAufbereitung, Zahnarztpraxis-SchutzkleidungAufbereitung, Zahnarztpraxis ZahnarztpraxisBerufskleidung, Aufbereitung ZahnarztpraxisSchutzkleidung, AufbereitungSchutzkleidung und textile Praxismaterialien (z. B. OP-Abdecktücher) sind in widerstandsfähigen, dichten Behältern (z. B. Plastiksäcke) getrennt nach der Art des Waschverfahrens zu sammeln. Die Aufbereitung kann praxisintern oder extern, thermisch (> 90 °C) oder chemothermisch (Verfahrensauswahl aus VAH-Liste, Durchführung nach Herstellerangaben) erfolgen. Die Lagerung aufbereiteter Wäsche erfolgt sortiert und hygienisch geschützt in Schränken. Abfallentsorgung Spitze/scharfe Gegenstände AbfallentsorgungZahnarztpraxis ZahnarztpraxisAbfallentsorgungkönnen in durchstichsicheren Behälter entsorgt werden. In der Regel bedingen in Zahnarztpraxen anfallende Mengen keine Zuordnung zu Abfallschlüsseln. Ausnahmen gelten für Körperteile (nicht Zähne), Röntgenchemikalien und Amalgamabfälle (Kap. 6.7). Die Entsorgung muss durch ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen durchgeführt und die Abgabe dorthin nachgewiesen werden. Bauliche Voraussetzungen Für die Aufbereitung von MP ist ein eigener Bereich mit Trennung unrein/rein festzulegen (Kap. 9.3). Der Behandlungsbereich ist vom Aufbereitungsbereich zu trennen (DAHZ 2014). Fest installierte MP müssen im Behandlungsraum aufbereitet werden. Die Räume zur Aufbereitung ebenso wie die Behandlungsräume sollten über ausreichend natürliche Lichtquellen und Lüftungsmöglichkeiten verfügen (Kap. 9.7.3). 5.24.3 Infektionsschutz und Antiseptik bei Patienten mit Immunsuppression, Chemo- und Strahlentherapie, Mukoviszidose und Behinderungen Kann bei einem Zahnarztpraxisimmunsupprimierte Patientenhochgradig Immunsupprimierten die zahnärztliche Intervention nicht aufgeschoben werden, bis sich die Infektionsabwehr des Patienten erholt hat, soll die Maßnahme zusammen mit dem behandelnden Arzt geplant werden. Zu dieser Gruppe gehören z. B.: • Patienten mit hochgradiger Neutropenie bei Induktionsbehandlung einer Leukämie oder eines Lymphoms, • Patienten unter intensiver Chemotherapie bei soliden Tumoren oder Strahlentherapie im Kopfbereich, • Patienten unmittelbar vor oder in den ersten 100 d nach Stammzelltransplantation, nach Organtransplantation mit hoch dosierter Gabe von Steroiden oder anderen Immunsuppressiva und • HIV-infizierte Patienten im AIDS-Stadium. Eine ggf. erforderliche PAP soll an die Besiedlung des Patienten mit resistenten Isolaten angepasst werden, sofern diese bekannt sind. Der verantwortliche Arzt muss das mit der Intervention verbundene Risiko abwägen und sich für oder gegen den Einsatz steriler Spüllösungen zur Kühlung rotierender Instrumente entscheiden. Behandlungszentren, die regelhaft hochgradig Immunsupprimierte betreuen, sollten spezielle zahnärztliche Behandlungseinheiten mit sterilem Kühlwasser für die Übertragungsinstrumente vorhalten. Da die Mehrfunktionsspritzen der Behandlungseinheit i. d. R. nicht an sterile Spüllösungen angeschlossen werden können, müssen Behandlungseinheiten, mit denen regelmäßig hochgradig immunsupprimierte Patienten behandelt werden, mit Desinfektionsanlagen für die wasserführenden Systeme ausgestattet sein. Im Wasser der Dentaleinheit vorhandene Pseudomonas spp. finden auf der Schleimhaut und in den Atemwegen immunsupprimierter Patienten günstigere Bedingungen zur dauerhaften Kolonisation mit nachfolgender Infektion als bei Gesunden. Da nosokomiale Ausbrüche durch mit gramnegativen Erregern kontaminierte Pseudomonas aeruginosaZahnarztpraxisMundspüllösungen beschrieben wurden, muss Wasser aus zahnärztlichen Anlagen zur Behandlung hochgradig immunsupprimierter Patienten frei von Pseudomonaden, Kryptosporidien und Legionellen sein (KRINKO 2006). Da bei Patienten mit Mukoviszidose der Zeitpunkt MukoviszidoseInfektionsschutz, Zahnarztpraxis MukoviszidoseAntiseptik, Zahnarztpraxis AntiseptikMukoviszidose, Zahnarztpraxis ZahnarztpraxisMukoviszidose-Patientender Besiedlung mit Pseudomonas spp. für die Langzeitprognose von erheblicher Bedeutung ist, muss vermieden werden, dass der Patient im Verlauf medizinischer Interventionen infiziert wird. Das gilt auch für bereits mit Pseudomonas spp. besiedelte Patienten, da eine Superinfektion durch andere Serotypen möglich ist. Jensen et al. (1997) konnten Pseudomonas-Stämme desselben Genotyps im Kühlwasser einer Dentaleinheit und bei einem an Mukoviszidose erkrankten, zahnärztlich behandelten Patienten nachweisen. • Bei Patienten mit Mukoviszidose muss steriles Kühlwasser zur Anwendung kommen. • Bei Verwendung eines Wasser-Luft-Gemischs aus den Mehrfunktionsspritzen soll eine Isolierung durch Kofferdam erfolgen (DAHZ 2014; Literatur in KRINKO 2006). Bei Altenpflege, stationäreAntiseptik, zahnärztlicheunzureichender Fähigkeit zur Mundhygiene (z. B. Einschränkung der Mundöffnung, Patienten mit eingeschränktem Allgemeinzustand) ist die Mundhöhlenantiseptik eine wichtige ergänzende Maßnahme (Kap. 5.18.6; Splieth und Gottschalk 2003). Bei Krankenhauspatienten oder Pflegeheimbewohnern mit eingeschränkter Fähigkeit zur Mundhygiene sollte die Mundhygiene von geschultem Pflegepersonal übernommen werden. Es sind sowohl Hygienemaßnahmen des herausnehmbaren Zahnersatzes (mechanische Reinigung, Reinigungstabletten, Sichtkontrolle des Zahnersatzes z. B. auf Pilzbesiedlung an weich bleibenden Unterfütterungen) als auch der Mundhöhle (Kontrolle des Prothesenlagers z. B. auf entstehende Druckulzera und ggf. deren medikamentöse Behandlung) und der Zähne zu beachten. Die wichtigsten Maßnahmen zur Mundhygiene sind die mechanische Reinigung der Zähne und der Zunge. Eine leichte Massage des Zahnfleischs und eine antiseptische Mundspülung können unterstützend wirken. Essenziell ist die Mundhöhlenantiseptik bei Mukositisrisiko aufgrund von Immunsuppression, Chemo- oder Strahlentherapie. In diesen Fällen müssen besonders langzeitig verträgliche Antiseptika z. B. auf Basis von Amin- und Zinnfluorid angewendet werden (Pitten et al. 2003, Welk et al. 2007). Ein systematisches Review (Worthington, Clarkson und Eden 2004) und eine Cochrane-Analyse (McGuire et al. 2013) kommen zu der Schlussfolgerung, dass sich bei Patienten mit Kopf- und Halstumoren bei gleichzeitiger Strahlentherapie für CHX keine Indikation zur Mundspülung für die Prävention der Mukositis ableiten lässt. 5.24.4 Qualitätssicherung und Kostenentwicklung Die Verantwortung ZahnarztpraxisQualitätssicherung QualitätssicherungZahnarztpraxisfür die Praxishygiene obliegt dem Inhaber. Er kann Maßnahmen der Praxishygiene je nach Qualifikation an Mitarbeiter delegieren. Für die Beschäftigten muss zur Einsichtnahme ein Hygieneplan ausliegen oder ausgehängt werden. Hygieneplan: Der ZahnarztpraxisHygieneplanMusterhygieneplan der Bundeszahnärztekammer und des DAHZ fasst die relevanten gesetzlichen Bestimmungen zur Hygiene und zum Arbeitsschutz zusammen. Er ist auf die praxisspezifischen Besonderheiten anzupassen, regelmäßig auf Aktualität zu prüfen und bei Bedarf zu ändern. Die Beschäftigten müssen bei Einstellung, Veränderungen im Aufgabenbereich und Einführung neuer Arbeitsmittel oder -verfahren in den Hygieneplan eingewiesen werden. Diese Unterweisung muss regelmäßig – mindestens jährlich (IfSG 2011) – wiederholt und aktenkundig dokumentiert werden. Die Qualitätssicherung der Hygienemaßnahmen in der Praxis hängt entscheidend von der konsequenten und ständigen Umsetzung der im Hygieneplan festgelegten Vorgehensweisen ab. Aufbereitung: Die einfachste und unverzichtbare Prüfung nach Aufbereitung von MP ist deren visuelle Kontrolle. Die Qualität der maschinellen Aufbereitung wird zusätzlich mit der Validierung des Verfahrens durch den Hersteller der Geräte, periodische Wartungen und Leistungsüberprüfungen sichergestellt. Bei der Sterilisation von MP sind die relevanten Prozessparameter möglichst automatisch zu kontrollieren und chargenbezogen aufzuzeichnen. Das Outsourcen der Aufbereitung in eine ZSVA kann in einzelnen Fällen Vorteile bieten (Smith, Creanor und Hurrell 2009) (zur Überwachung der Sterilisation Kap. 2.8). Leider ist die gemäß MPG vom Hersteller verlangte Spezifizierung der Aufbereitung in der Herstellerinformation zum MP vielfach unzureichend, was in einer schottischen Studie für 90 % der MP zutraf (Roebuck et al. 2008). Kosten: Die Kosten zur Gewährleistung der Hygienesicherheit haben sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. So stiegen die Ausgaben in einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis mit zwei Behandlern im Zeitraum von 2006–2010 um etwa 37 %. Die Sachkosten nur für Hygiene stiegen behandlerbezogen von 6 136 € auf 8 890 € und die ebenfalls nur auf Hygienetätigkeit bezogenen Personalausgaben von 4 520 € auf 5 686 €. Die Hygienegesamtkosten betrugen 2010 je Behandler 14 575 € (Reutter 2015). In einer Zahnklinik mit 10 Behandlern ergaben sich für das Jahr 2010 aufgrund der arbeitsteiligen Realisierung von Hygienemaßnahmen niedrigere Hygienesachkosten mit 6 672 € und mit 6 153 € ähnliche Hygienepersonalkosten. Dabei handelte es sich quasi um zehn Zahnärzte einer Gemeinschaftspraxis, wobei jeder Behandler ein eigenes Team sowie räumlich abgetrennte Praxisräume hat, aber die Instrumentenaufbereitung zentral erfolgte. Die Hygienegesamtkosten lagen hier 2010 je Behandler bei 12 825 € (Kianer 2014). In zwei zuvor durchgeführten Analysen wurden deutlich höhere Kosten als in diesen beiden Analysen ermittelt, weil auch nicht direkt hygienerelevante Kosten erfasst und eine sehr schnelle Abnutzung kostenintensiver MP angenommen wurden (Meyer et al. 1998; Nowack et al. 2008). 5.25 Infektionsprävention in der kieferorthopädischen Praxis Tomasz Gedrange 5.25.1 Infektionsrisiken Während in der Literatur die InfektionsrisikenInfektionen, nosokomialeKieferorthopädie KieferorthopädieInfektionsrisiko und die daraus abgeleiteten Hygienemaßnahmen in der zahnärztlichen Praxis beschrieben sind, finden sich keine Untersuchungen, die die Hygiene in kieferorthopädischen Praxen thematisieren. Daher lassen sich die Hygieneanforderungen nur aus dem Vergleich zwischen dem zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungsalltag ableiten. Die Kieferorthopädie unterscheidet sich hinsichtlich der Infektionsrisiken von der allgemeinzahnärztlichen Tätigkeit vor allem durch folgende Gegebenheiten: • Es findet nur in Ausnahmefällen Aerosolbildung am Behandlungsplatz statt. • Bei der kieferorthopädischen Behandlung werden meist keine zahnerhaltenden und/oder chirurgischen Eingriffe durchgeführt, bei denen die Körperintegrität durchdrungen wird. Eine Ausnahme ist der Einsatz so genannter „Miniimplantate“, der entsprechende Hygieneanforderungen stellt (Kap. 5.26.5). • Apparative schwer dekontaminierbare Erregerreservoire wie Kühlwasserleitungs- und Absaugsysteme werden in kieferorthopädischen Praxen selten benutzt und sind weniger zu finden als in allgemeinzahnärztlich oder chirurgisch ausgerichteten Praxen. • Da kieferorthopädische Behandlungen durch den zunehmenden Wandel des Patientenklientels mehr erwachsene Patienten umfasst, vorwiegend aber immer noch bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, sog. Risikopatienten mit unerkannten bzw. ungenannten Krankheiten zu betreuen. • Aufgrund des niedrigen Durchschnittsalters der Patienten ist die Wahrscheinlichkeit geringer, Patienten mit chronisch entzündlichen Prozessen des Zahnhalteapparats und/oder des Mund- und Rachenraums zu behandeln. Außerdem suchen die Patienten bei akuten Infektionen der Zähne, des Zahnhalteapparats und des Mundraums keinen Kieferorthopäden, sondern vielmehr einen Zahnarzt auf. Übertragungsquellen: • Da häufiger Abformungen KieferorthopädieÜbertragungswegefür die Herstellung von Planungs- und Arbeitsmodellen angefertigt werden, besteht eine erhöhte Gefahr der Infektionsübertragung durch Speichelkontamination. Der direkte Kontakt mit Speichel, gefolgt von Nasen-Rachen-Sekreten und seltener Blut, ist bei der kieferorthopädischen Tätigkeit sicher die am häufigsten auftretende Infektionsmöglichkeit. • Noch eher als im allgemeinzahnärztlichen Tätigkeitsfeld sind für den Kieferorthopäden die Finger das „Hauptarbeitsinstrument“. Bedenkt man zusätzlich die im Vergleich zu zahnärztlichen Praxen erhöhte Patientenfrequenz, wird die Bedeutung dieser Kontaktmöglichkeit deutlich. • Eine weitere Übertragungsquelle ist der indirekte Kontakt bei Berührung von kontaminierten Instrumenten, Gegenständen oder Materialien, die sog. Schmierinfektion. • Besonders bei festsitzenden Behandlungsgeräten wie Multiband-Bracketapparaturen kommen häufig Zangen u. Ä. Instrumente auch intraoral zum Einsatz. Solche Behandlungssituationen sind z. B. die Aktivierung eines Drahtelements oder der Wechsel eines Drahtbogens. Die in kieferorthopädischen Praxen häufig durchgeführten Kieferabformungen gehören auch zu dieser Übertragungsmöglichkeit. Dem Infektionsweg über Erreger beladenes Aerosol sowie über kontaminiertes Kühlwasser kommt nur eine untergeordnete Rolle zu, da wassergekühlte rotierende Instrumente in der Kieferorthopädie kaum zum Einsatz kommen. Die Ausnahme sind kleinere Okklusionskorrekturen sowie die Entfernung von Kunststoffresten nach Bracketentfernung. Nicht selten findet man in Praxen nur einen Behandlungsplatz mit Übertragungsinstrumenten (Winkelstücke, Turbinen) ausgestattet. 5.25.2 Anforderungen an die Hygiene in der kieferorthopädischen Praxis Die in der KieferorthopädieKieferorthopädieHygienemaßnahmen und der allgemeinen Zahnmedizin erforderlichen Hygienemaßnahmen sind prinzipiell identisch. Die oben (Kap. 5.25.1) beschriebene nichtinvasive Tätigkeit des Kieferorthopäden macht manche in der Zahnarztpraxis selbstverständlichen Arbeitsschritte in der rein kieferorthopädischen Praxis überflüssig: • Auf Trennwände zwischen den Behandlungsplätzen kann verzichtet werden, da am Behandlungsplatz kein Aerosol entsteht. • Vor der Behandlung ist keine antiseptische Mundspülung erforderlich, da meist weder eine Injektion noch ein chirurgischer Eingriff folgt. Weil jedoch bei einem Großteil der Patienten die Mundhygiene durch eine festsitzende Behandlungsapparatur erschwert ist, können in solchen Fällen Mundhöhlenantiseptika einen Beitrag zur Karies- und Gingivitisprophylaxe leisten. Die Anwendung beschränkt sich allerdings auf das häusliche Umfeld des Patienten. Da die Hand das Hauptarbeitsinstrument des Kieferorthopäden ist, besitzt die Einhaltung der Händehygiene hohen Stellenwert. In der KieferorthopädieKieferorthopädieHandschuhe HändehygieneKieferorthopädie besteht ein großer Teil des Praxisalltags in planender und beratender Tätigkeit. Daher ist die Tragezeit der Handschuhe i. d. R. kürzer als in der allgemeinen Zahnmedizin. Somit ist ein Handschuhwechsel nach einer fixen Zeitspanne nicht sinnvoll. Vielmehr liegt es in der Verantwortung des Kieferorthopäden, aufgrund individueller Gegebenheiten den Zeitpunkt des Handschuhwechsels bedarfsorientiert festzulegen. Handschuhe geeigneter Qualität können nach jeweils erfolgter Desinfektion ggf. weiterverwendet werden. Im Fall einer Kontamination mit Blut oder einer Perforation ist jedoch gemäß KRINKO-Empfehlung ein Handschuhwechsel erforderlich. Instrumentendesinfektion: Für kieferorthopädische Zangen und Basisinstrumentarium ist die sachgerechte Desinfektion ausreichend. Instrumente, die KieferorthopädieInstrumentendesinfektion InstrumentendesinfektionKieferorthopädie MedizinprodukteaufbereitungKieferorthopädie KieferorthopädieMedizinprodukteaufbereitungdie Körperintegrität nicht durchdringen und nicht mit Wunden in Berührung kommen, müssen bei der Anwendung nicht steril sein. Die Art der Aufbereitung ist abhängig vom MP (Tab. 5.44 ). Für jedes aufzubereitende MP bzw. jede aufzubereitende Produktgruppe müssen gemäß RKI-Empfehlung eine Risikobewertung und eine Einstufung vorgenommen werden, aus der hervorgeht, ob, wie oft und mit welchem Verfahren die Aufbereitung durchzuführen ist (Kap. 2.9). Wegen der Validierbarkeit und der Sicherheit der Aufbereitungsqualität ist RDG der Vorzug vor der manuellen Aufbereitung zu geben. Bei der Auswahl des Verfahrens sind die Herstellerangaben zu berücksichtigen, weil bei einem Abweichen die Produkthaftung erlischt. In jedem Falle ist bei der Aufbereitung der MP jedoch entsprechend ihrer Risikobewertung das MPG einzuhalten. Nicht adäquat aufbereitbare MP wie z. B. Bürsten zur Individualprophylaxe aus Naturborsten sind als „Einmalartikel“ zu betrachten. Auch bei Abnutzungserscheinung müssen die Instrumente erneuert werden. Bei der Beschaffung von Instrumentarium ist daher die Aufbereitbarkeit im RDG zu beachten! Tab. 5.44 Aufbereitung kieferorthopädisch relevanter Instrumente Was Wann und Wie Kieferorthopädische Spiegel, Sonden, Pinzetten Vorwiegend im RDG, bei manueller Aufbereitung nach Gebrauch Vorreinigung in Reinigungslösung unter Beachtung des Personalschutzes, danach Einlegen in Instrumentendesinfektionslösung, nach Ablauf der Einwirkungszeit unter fließendem Wasser (Entnahme über endständigen Sterilfilter am Wasserauslass) abspülen, auf Rückstände kontrollieren, nach Trocknung staubgeschützt lagern Kieferorthopädische Zangen Wischdesinfektion mit entsprechender Einwirkzeit, bei Kontamination mit Blut Desinfektion, Steri, Pflegeöl Bänder Nach Anprobe vor Wiedereingliederung Einlegen für 15 min in alkoholbasiertes Instrumentendesinfektionsmittel Hand- und Winkelstücke Nur die Aufbereitung im RDG gibt eine ausreichende Sicherheit, die Innenkontamination auszuschalten, thermische Verfahren mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen Viren und vegetative Erreger sind das Verfahren der Wahl Polierer, Schleifer Vorwiegend im RDG, bei manueller Aufbereitung reinigende Desinfektion im Ultraschallbad unter Verwendung spezieller Desinfektions- und Reinigungsmittel (Beachtung der Herstellerangaben) oder in einem Bohrerbad Abformungen Bei Verunreinigung durch Speisereste, Blut usw. zunächst Abspülen unter kaltem fließendem Wasser; anschließendEinlegen in Reinigungs-Desinfektions-Lösung, aufgrund von Materialproblemen sind hierzu die Angaben der Hersteller von Abformmaterialien zu beachten, nur Einsatz VAH-gelisteter Instrumentendesinfektionsmittel Herausnehmbare kieferorthopädische Geräte Werkstücke und Hilfsmittel dürfen aus dem zahnärztlichen Bereich erst nach Desinfektion im RDG oder mit einem geeigneten Desinfektionsmittel abgegeben werden. Gleiches gilt für die Abgabe aus dem Dentallabor Besondere Behandlungssituationen: In kieferorthopädischen Praxen, in denen spezielle Therapien wie z. B. der Einsatz von Minischrauben oder Implantaten zur Verankerung angewandt werden, müssen die Hygieneanforderungen für einen chirurgischen Eingriff im Oropharynx eingehalten werden (Kap. 5.26.2). Dafür ist die erforderliche Aufbereitungstechnik vorzuhalten, d. h. möglichst RDG und Sterilisator vom Typ B. Sofortmaßnahmen nach Verletzungen mit kontaminierten kieferorthopädischen Materialien, wie z. B. KieferorthopädieVerletzung mit kontaminierten MaterialienStichverletzungen an Draht- oder Bogenmaterialien, dem der Kieferorthopäde bzw. kieferorthopädisch tätige Zahnarzt und dessen Hilfspersonal verstärkt ausgesetzt sind, sind in Verbindung mit einer Risikoanalyse analog wie Nadelstichverletzungen zu versorgen. In kieferorthopädischen Praxen ergibt sich durch das Risiko von Stichverletzungen z. B. mit kontaminiertem Draht ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für Behandler und Personal. Das Team muss über das Vorgehen informiert sein. Es empfiehlt sich, die Erstmaßnahmen nach akzidenteller Kontamination mit dem Team zu trainieren. Über die Notwendigkeit einer Chemoprophylaxe muss abhängig von der jeweiligen Kasuistik entschieden werden. 5.26 Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie Hans-Robert Metelmann, Claudia Metelmann und Axel Kramer Die Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie (MKG-Chirurgie)Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieInfektionsrisiko Surgical Site InfectionsMKG-Chirurgie war ursprünglich als zahnärztliche Chirurgie ein Teilgebiet der Zahnheilkunde und weist dieselben Infektionsquellen, Übertragungswege und antiinfektiösen Schutzmaßnahmen, die durch die mikrobielle Besiedlung des Mund- und Rachenraums gegeben sind, auf (Kramer et al. 2008b). Als Kopf-Hals-Chirurgie mit plastischen OPs und durch die Laseranwendung in der ästhetischen Chirurgie stellt das Fachgebiet spezielle Anforderungen an die Realisierung der antiinfektiösen Multibarrierenstrategie. Einerseits werden Patienten mit hohem NI-Risiko, z. B. Tumor- und Unfallpatienten mit multiplen Vorerkrankungen, langen Eingriffszeiten und langer Krankenhausverweildauer, operiert. Andererseits werden Patienten z. T. ohne medizinische Indikation im Rahmen elektiver ästhetisch-chirurgischer OPs mit ablativem Laser behandelt. Dieser erzeugt bei entsprechender Abtragungstiefe eine oberflächliche Verbrennung 2. Grades mit einem erhöhten SSI-Risiko (Kramer 2014; Metelmann und Hammes 2014) (Tab. 5.45 ). Tab. 5.45 Operationen mit erhöhten Anforderungen an die Infektionsprophylaxe Eingriff Häufige Risikofaktoren Resektion und Rekonstruktion bei Malignomen im Kopf-Hals-Bereich Reduzierter Allgemeinzustand (chronische Alkoholkrankheit, Malnutrition), Immundefizienz (Chemotherapie, Radiotherapie), septischer Eingriff, lange Krankenhausverweildauer, Langzeit-OP Rekonstruktion bei Polytraumata Reduzierter Allgemeinzustand, septische bzw. kontaminierte Wunden, Langzeit-OP, lange Krankenhausverweildauer Verschlussplastik bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten Unreifes Immunsystem (Neugeborene) Korrektur bei kranio-fazialen Fehlbildungen Syndrombilder, reduzierter Allgemeinzustand OP des Kiefergelenks Hohe Infektionsanfälligkeit Ästhetische OPs Elektive Indikation Laseranwendung Hohe Infektionsanfälligkeit 5.26.1 Risikofaktoren für SSI MKG-Eingriffe sind vorMund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieRisikofaktoren für SSI allem durch folgende infektionsbegünstigende Risikofaktoren gekennzeichnet: • OP häufig in bakteriell infizierten Geweben • Zunehmende Ambulantisierung der Behandlung • Schwierige Abdeckung des Gesichts als OP-Gebiet • Ungünstige transnasale oder transorale Positionierung des Beatmungstubus • Intraoperative Integration von Fixturen • Ungedeckte, transkutane Implantation von Halteelementen und Implantaten • Lange OP-Zeiten • Lange Krankenhausliegezeiten • Ggf. Einsatz von Laser. OP häufig in bakteriell infizierten Geweben: Die MKG-Chirurgie muss häufig Behandlungsaufgaben mit erhöhtem Anspruch an die Infektionsprävention lösen. Dazu gehören alle Erkrankungen, die von bakteriellen Infektionen der Kieferknochen ausgehen wie Osteomyelitis, Ostitis, Periostitis, Sequester des Kieferknochens und Alveolitis. Für die Diagnostik und Therapie gibt der Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF Empfehlungen, die auch hygienische Aspekte berücksichtigen. Eine besondere Rolle spielen odontogene Infektionen und Abszesse, die Sinusitis maxillaris, die infizierte Osteoradionekrose und mit derzeit zunehmender Bedeutung die Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrose. Die Prävention von SSI und Hygieneanforderungen bei der Versorgung chronischer und sekundär heilender Wunden werden in speziellen Leitlinien der AWMF behandelt (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF, 2014a, Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF, 2014b). Zum Spektrum mit speziellen Hygienerisiken gehören zudem infektiöse Mundschleimhauterkrankungen und eine Lymphadenitis. Eine besondere Rolle nimmt die zahnärztlich-chirurgische Sanierung vor Herzklappenersatz ein. Ambulantisierung: Die technische Entwicklung in der MKG-Chirurgie gestattet es, Eingriffe immer häufiger und im Interesse des Patienten ambulant durchzuführen. Dabei sind spezielle Hygieneanforderungen zu berücksichtigen (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2010a). Zu hygienisch besonders anspruchsvollen ambulanten OPs, die von einer weitgehenden Elimination der Mikroflora im OP-Feld ausgehen müssen, weil der Erfolg bei lokaler Infektion infrage gestellt ist, gehört die Implantatversorgung zur oralen Rehabilitation im Zusammenhang mit Kopf-Hals-Bestrahlungen. Abdeckung: Die Abdeckung des OP-Felds ist im Gesicht, am Hals und insbesondere unter Einbeziehung der Mundhöhle schwierig, insbesondere wenn der Operateur bei der Planung plastisch-rekonstruktiver Eingriffe oder bei ästhetisch orientierten Eingriffen den Blick auf die Symmetrie des gesamten Gesichts behalten muss. Die Abdeckung des Gesichts an der Stirn-Haar-Grenze oder im Bereich der behaarten Kopfhaut ist ein besonderes Problem, wenn nicht von vornherein das Kopfhaar entfernt wird. Das ist jedoch gerade bei ambulanten Eingriffen unerwünscht und aus infektiologischer Sicht auch nicht erforderlich oder sogar riskant (Kramer et al. 2008c). Problematisch ist nicht zuletzt die Abdeckung im Bereich der vielen Übergänge der äußeren Gesichtshaut zu den Körperhöhlen. Beim arthroskopischen Operieren des Kiefergelenks besteht eine besondere Gefährdung durch die Nähe des OP-Gebiets zur Haargrenze und durch die Notwendigkeit, während der OP mit einer Hand zur Gelenkführung in die Mundhöhle einzugehen. Positionierung des Beatmungstubus: Hier hat die MKG-Chirurgie ein spezielles Problem, weil der Tubus bei Intubationsnarkosen in der Regel intranasal oder intraoral liegt, also häufig mitten im OP-Gebiet. Gelegentlich ist es aus anästhesiologischen Gründen sogar erforderlich, die Zu- und Abluftschläuche im Gesichtsbereich und damit im OP-Gebiet anzuordnen, wenn eine Tubusverlängerung wegen der Totraumbelastung für den Patienten nicht zumutbar ist. Kontaminationsrisiko: Bei vielen operativen Eingriffen müssen Fixturen wie Zahnersatzstücke, kieferorthopädische Geräte oder Drahtschienen in das OP-Feld und speziell in die Mundhöhle integriert werden. Viele dieser Apparaturen sind während der OP mehrfach ein- und auszubauen und dabei zu desinfizieren. Dabei ist auch an das Risiko von Stichverletzungen für das Behandlungsteam zu denken. Zur Befestigung von Ersatzstücken im Gesichtsbereich (Epithesen) oder Kieferbereich (Prothesen) sowie für mandibulo-maxilläre Drahtschlingen bei konservativer Kieferbruchbehandlung kommen vielfach hautperforierende Implantate oder Befestigungsschrauben (OTTEN-Schrauben) zur Anwendung. Sie werden als Halteelemente in die Kieferknochen, die Periorbita oder das Mastoid eingeschraubt. Dadurch stellen sie mindestens in der späteren Anwendungszeit und mitunter schon während der Einheilungsphase eine offene Verbindung durch die Haut- oder Schleimhautoberfläche zum tragenden Knochen her. OP-Dauer: Mit zunehmender OP-Dauer wächst das Infektionsrisiko durch Wundkontamination, Gewebetraumatisierung, zunehmende Beeinträchtigung lokaler und systemischer Abwehrmechanismen infolge von Blutverlust und langer Anästhesie sowie abnehmender Wirksamkeit der initialen antiinfektiösen Maßnahmen (Verrutschen und Durchfeuchten von Abdeckungen, Wirkungsverlust der Antiseptik). Tumor-OPs mit Resektion und Defektdeckung sowie rekonstruktive Eingriffe bei Unfallverletzungen sind Langzeiteingriffe mit bis zu 12 h Dauer. Bei diesen OPs treten zusätzliche Risiken auf, wenn mehrere Behandlungsteams gleichzeitig in verschiedenen Körperregionen des Patienten operieren müssen, z. B. wenn die Entfernung eines Malignoms der Mundhöhle (kontaminierter Eingriff) parallel mit der Hebung eines osteokutanen Beckenlappens (aseptischer Eingriff) zur späteren Defektdeckung erfolgt. Aufenthaltsdauer: Lange Krankenhausliegezeiten, wie sie bei der Behandlung von Unfallverletzten oder Tumorpatienten auftreten, stellen eine zunehmende Schwierigkeit bei der Einhaltung der antiinfektiösen Multibarrierestrategie dar. 5.26.2 Hygienebewusste Operationstechnik Neben den anerkannten Maßnahmen zur Realisierung der antiinfektiösen Multibarrierenstrategie (Distanzierung, Aufbereitung, Desinfektion/Reinigung, Antiseptik, Antibiotic Stewardship, Surveillance, Wassersicherheit, Raumluftqualität) ist die OP-Technik für gute Behandlungsergebnisse entscheidend. Im Vordergrund steht Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieOperationstechnik, hygienebewusstedie Gewebeschonung mit dem wesentlichen Kriterium der Blutperfusion des Gewebes. Seit Langem ist bekannt, dass mikrovaskulär anastomosierte freie Lappentransplantate und Stiellappen mit guter Durchblutung nach ihrer Einpflanzung in Vernarbungsareale oder bestrahlte Gewebe deutlich geringere Wundinfektionsraten als lokale Verschiebelappen zeigen (Metelmann et al. 1990). Zu den schonenden OP-Techniken, die eine gute Gewebedurchblutung gewährleisten, gehören die geringe Traumatisierung der Wundränder (schonendes Greifen von Hautlappen, Haltefäden), eine spannungsarme Wundnaht, die Anlage breitbasiger Hautlappen und die Vermeidung von Austrocknungen oder Überwärmungen im Wundgebiet. Besonders wichtig ist das Vermeiden hyperthermer Schäden beim Setzen von enossären Implantaten und Knochenschrauben durch sich heiß laufende ungekühlte Bohrer. Wärmeschäden können auch bei der flächenwirksamen Elektrokoagulation, bei der Anwendung von CO2-Laser- und Argon-Heißplasma-Geräten sowie durch mehrstündige Einwirkung zu starker OP-Lampen auf sehr dünne Hautlappen (gefürchtete Komplikationen bei der Gesichtshautstraffung/face lift) entstehen. 5.26.3 Distanzierung Die Intention des DistanzierungMKG-Chirurgie Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieDistanzierung Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieInfektionspräventionDistanzierungsprinzips besteht darin, Maßnahmen mit erhöhtem Infektionsrisiko einschließlich erregerbelasteter Vorbereitungsschritte aus dem eigentlichen Eingriff herauszuhalten und in einer möglichst prästationären Vorbereitungsphase durchzuführen. Dadurch wird zwar das Risiko für die Behandler, die diese Maßnahmen in der Regel an einer zahnärztlichen Einheit vornehmen, nicht reduziert. Es wird aber die Infektionsgefährdung des Patienten unter der OP reduziert (Tab. 5.46 ). Tab. 5.46 Beispiele zur Reduzierung des postoperativen Infektionsrisikos im Rahmen der OP-Vorbereitung Zeitpunkt Risikofaktor Beispiele Maßnahmen zur Reduzierung Prästationär zahnärztliche Maßnahmen mit hoher Aerosolbelastung Trennen von Brückenkonstruktionen, Zahnsteinentfernung Mundhöhlenantiseptik septische Maßnahmen Wurzelkanalaufbereitung, Parodontaltherapie Verschluss mit Kofferdamm Maßnahmen, auf die die OP-Einheit technisch nicht vorbereitet ist Füllungsentfernung mit Anfall von Amalgamschlamm, Fräsung und Politur von Kunststoffprothesen Separate Sammlung, Atemschutzmaske Abheilung kleiner Infektionen der Gesichtshaut Furunkel, Herpes, ältere und infizierte Wunden bei elektiven Eingriffen präoperative Sanierung, ansonsten antibiotische Abschirmung Präoperativ Hautflora, Aktivierung latenter Virusinfektionen Laserbehandlung, rekurrierende Herpes-simplex-Infektionsanamnese, Immunsuppression Entfernung von Haaren, Antiseptik, bei Indikation PAP zur Prävention viraler und bakterieller Infektionen Vor Schnitt Entfernung von Haaren Behaarter Kopf Festnähen von Abdecktüchern Durchfeuchtung der Abdeckung Wasserskalpell (Hydrojet) Unterlage wasserdichter Kunststofffolien unter Abdecktücher Sofern der Patient nicht vollständig entkleidet werden muss, sind die bekleideten Partien keimarm zu bedecken, um einen Erregereintrag in den OP-Situs einzuschränken. Die Entfernung von Haaren im OP-Gebiet wird nach Möglichkeit vermieden. Im Bereich der Augenbrauen werden niemals Haarentfernungen vorgenommen. Bei Versorgung von Kopfplatzwunden wird ein haarfreier Hof, bei Gesichtshautstraffungen/face lift mit Inzisionen im behaarten Kopf ein haarfreier Korridor angelegt. Nur bei Bügelschnittführung unterziehen wir den gesamten Kopf einer Rasur. Dabei gilt das Prinzip, die Haut möglichst zu schonen (Clipping anstatt Rasur) (Kramer et al. 2008c). Da das Clipping die Haut nicht alteriert, kann der Zeitpunkt für das Clipping beliebig gewählt werden (Jung et al. in Vorb.). Ein Distanzierungsproblem, das besonders bei Langzeit-OPs, schwieriger Abdeckung des OP-Gebiets und großen Mengen von Spülflüssigkeit, Aerosol oder Blut anfällt, ist das Abrutschen und Durchfeuchten der Abdecktücher. Hier hilft das Festnähen (v. a. am behaarten Kopf) bzw. Festkleben der Tücher oder das Unterlegen einer wasserdichten Folie unter die Abdeckung. Bei Anwendung des fraktionierten Lasers ist zu beachten, dass das Infektionsrisiko durch postoperative exzessive Wundokklusion v. a. für S. aureus und P. aeruginosa erhöht wird (Metelitsa und Alster 2010). Für das Laser Skin Resurfacing (LSR) gibt es bisher keine Empfehlung zur Einordnung als OP oder Eingriff. In Anbetracht des Infektionsrisikos und der überwiegend ästhetisch-chirurgischen Zielsetzung empfiehlt sich die Durchführung unter OP-Bedingungen. Bauliche Maßnahmen unterstützenMund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieRaumklassen RaumklassenMund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie die Distanzierung vor Krankheitserregern. Während sich die baulichen Anforderungen an Einheiten für stationäre und ambulante Operationen nicht unterscheiden, müssen Eingriffsräume nicht als separate Einheit mit Schleusen ausgelegt sein. Während für OP-Einheiten Raumklasse Ib gefordert wird (Kap. 6.4), ist in Eingriffsräumen die Raumklasse II (Fensterlüftung mit Insektenschutzgitter) ausreichend. Da die Übergänge abhängig vom Eingriffsspektrum und der Abwehrlage des Patienten fließend sind, empfiehlt sich bei Neu- oder Umbau die Entscheidung zur Raumklasse in Abstimmung zwischen dem MKG-Fachvertreter und der Hygiene zu treffen. 5.26.4 Anamnestischer Ausschluss von Infektionsrisiken Zur Identifizierung Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieMRSA-Screening MRSA-ScreeningMKG-Chirurgieund präoperativen Sanierung von MRSA-Trägern ist ein risikoadaptiertes MRSA-Screening durchzuführen (Kap. 3.7.4). Vor elektiv ästhetisch chirurgischen OPs empfiehlt sich die Identifikation nasaler S.-aureus-Träger, um bei Kolonisierung zunächst eine antiseptische Sanierung (Kap. 2.2) vorzunehmen (Bode et al. 2010; van Rijen et al. 2008). Bei LSR ist das Screening wegen der erhöhten Infektionsgefährdung mindestens 3 Wochen präoperativ zu empfehlen, um einen ausreichenden Zeitraum für die antiseptische Dekolonisation zur Verfügung zu haben. Gleiches gilt für den Ausschluss einer MRSA-Kolonisation, wenn der Patient z. B. eine chronische Wunde hat. Bisher gibt es in der Literatur keinen Konsens über die Notwendigkeit eines Screenings auf MRGN und VRE. Wegen der besonderen ethischen Situation bei elektiv ästhetisch chirurgischen OPs erscheint das Screening (Rachen- und Rectalabstrich, Wundabstrich bei chronischen Wunden) sinnvoll bei positiver MRE-Anamnese, bei Behandlung auf einer Intensivtherapiestation innerhalb des letzten Jahres, bei kürzlichem Krankenhausaufenthalt mit gemeinsamer Unterbringung mit Patienten, die mit Problemerregern kolonisiert oder infiziert waren, bei Patienten aus Regionen mit hoher Prävalenz (z. B. Indien, Griechenland, Israel, bekannte Ausbruchsregion) bzw. bei einem längeren Aufenthalt in derartigen Regionen. 5.26.5 Antiseptik Eine Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieAntiseptik AntiseptikMKG-Chirurgiesorgfältige mechanische Vorreinigung der Mundhöhle und der Zähne führt am wirkungsvollsten zur Reduktion der Mikroflora. Das gilt insbesondere, wenn auf den Zähnen kieferorthopädische Apparaturen oder Frakturfixationsschienen befestigt wurden oder prothetische Arbeiten festsitzend in die Mundhöhle eingegliedert wurden. Bei operativen Eingriffen durch die Mundhöhle hindurch oder bei kombiniertem extra- und intraoralem Vorgehen muss die Erregerverschleppung in zwei Richtungen verringert werden: • Aus der Mundhöhle in tiefere anatomische Regionen: Das tritt z. B. beim transoralen Zugang zur mittleren Schädelgrube im Rahmen neurochirurgischer Indikationen auf. Eine besondere Gefährdung gilt für OPs an der Rachenhinterwand mit ihrer nahezu regelmäßigen Schleimhautbesiedlung durch S. aureus. • Durch Aerosole aus der Mundhöhle mit Sedimentation auf extraorale Wundflächen. Diese Gefährdung entsteht z. B. regelmäßig im Rahmen von umfangreichen Tumor-OPs, wenn eine Halslymphknotenausräumung zu großen Wundflächen der äußeren Haut geführt hat und im unmittelbar anschließenden OP-Schritt der intraoralen Ausräumung des Primärtumors eine Unterkieferresektion unter Wasserkühlung und Aerosolbildung erfolgt. In Tab. 5.47 sind die wichtigsten Maßnahmen der Antiseptik, wie sie in der Greifswalder MKG-Chirurgie praktiziert werden, zusammengefasst. Tab. 5.47 Maßnahmen zur Unterstützung der Antiseptik im Schleimhautbereich Prinzip Maßnahmen Reduktion der Mikroflora Präoperative Reinigung der Mundhöhle und der Zähne, insbesondere bei Fixturen mit Unterstützung durch die Pflegefachkraft für DentalhygieneChemisch-mechanisches Ausschäumen der Mundhöhle mit 3-prozentiger H2O2-Lösung vor SchnitteröffnungWiederholtes „Fluten“ der Mundhöhle (in Intubationsnarkose!) zur Beginn und während der OP mit Antiseptika1 und Kochsalzlösung Verbesserung der Antiseptikaremanenz Einlegen Antiseptika1-getränkter Kompressen in die Mundhöhle Reduzierung von Aerosolbildungen Träufeln mit antiseptischen Lösungen zur Kühlung und Spülung während des Fräsens von Zahnhartsubstanz und Knochensubstanz (Osteosynthese, Knochenresektionen, Osteotomien, modellierende Eingriffe) Vermeidung des Aerosolniederschlags auf extraoralen Wundflächen Sofortige Rücklagerung von Hautlappen außerhalb der eigentlichen OP-Aktivitäten und Abdeckung mit wasserdichten Folien Verminderung postoperativer Erregerausbreitung Tägliche Spülung der Wundflächen bis zur Nahtentfernung mit Antiseptika1 1 Obwohl OCT und CHX in der antiseptischen Wirksamkeit in der Mundhöhle gleichwertig sind (Welk et al. in rev.), ist der Einsatz von OCT aus toxikologischen Gründen zu präferieren (Kramer et al. 2013c). 5.26.6 Perioperative Antibiotikaprophylaxe Indikationen Grundsätzlich ist bei unkomplizierten Operationen beim Gesunden ohne Risikofaktoren zur Beherrschung der nach chirurgischen Eingriffen in der Mundhöhle in bis zu 86 % nachweisbaren Bakteriämie keine Antibiotikaprophylaxe erforderlich. In der MKG-ChirurgieMund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieAntibiotikaprophylaxe, perioperative Antibiotikaprophylaxe, perioperativeMKG-Chirurgie werden häufig septische Eingriffe in infizierten Geweben oder kontaminierte Eingriffe bei Eröffnung der Schleimhaut des Respirations- oder Gastrointestianaltrakts durchgeführt. Bei einer Reihe von Eingriffen ist unter Berücksichtigung der Schwere des Krankheitsbilds und der operativen Behandlungsplanung im Einzelfall zu klären, ob eine PAP vorausgehen soll (Tab. 5.48 ). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die OP-Technik eine wirksame Antibiotikakonzentration im Wundgebiet erwarten lässt. So sollten z. B. beim osteoplastischen Unterkieferersatz gefäßanastomosierte freie Beckenkamm- oder Skapulatransplantate und keine Knocheninterponate ohne Gefäßanschluss verwendet werden, da ihre Blutperfusion aufrechterhalten ist und damit eine kontinuierliche Antibiotikaanreicherung gewährleistet ist. Freie Knochentransplantate ohne Gefäßanschluss sollten im Sinne einer aseptischen OP immer mit Zugang von extraoral in den Unterkiefer eingefügt werden. Der Kontamination durch die Mundhöhlenflora kann keine kontinuierliche intraossäre PAP entgegenstehen. Tab. 5.48 Einzelfallabwägung für eine PAP Kontaminierte Eingriffe Septische Eingriffe • Zahnentfernung • Parodontal-chirurgische Eingriffe • Zystektomie • Behandlung von Frakturen im zahntragenden Kiefer (offene Frakturen) • Zahnwurzelimplantation • Präprothetische OP • Kieferorthopädische OP mit intraoralem Zugang • OP an Lippen-Kiefer-Gaumenspalten • OP bei kraniofazialen Fehlbildungen • Eröffnung von Logenabszessen • OP bei infizierten Frakturen, Weichteilwunden, Tumoren, Fremdkörpern, Zysten, Zähnen, Lymphknoten • OP entzündlicher Hautkrankheiten • Rekonstruktive Chirurgie mit Dünndarmtransplantaten Ein erhöhtes SSI-Risiko besteht z. B. bei Diabetes mellitus, Hämophilie, hämatologischen Erkrankungen mit Leukopenie oder Leukozytose (z. B. Leukämie), generalisierten Erkrankungen des lymphatischen Systems (z. B. Hodgkin-Lymphom), Zytostatika- oder Kortikosteroidgabe, Strahlentherapie im Kiefer-, Gesichts- oder Halsbereich, Dialyse, AIDS und Zustand nach Organtransplantation. Sinnvoll ist der Einsatz von Antibiotika, die neben Streptokokken auch Staphylokokken erfassen (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF2012a). Durchführung Die Dosierung entspricht der therapeutischen Dosis. Die Prophylaxe wird 30 min–1 h vor dem geplanten Eingriff durchgeführt. Die Applikation des Antibiotikums kann intravenös oder oral erfolgen. Bei oraler Gabe ist die orale Bioverfügbarkeit zu beachten, da zum Zeitpunkt des OP-Beginns ein ausreichender Wirkspiegel im Operationsgebiet gewährleistet sein muss. Bei der MKG-Chirurgie wird durch parenterale PAP von Cefuroxim nach 30 min der maximale Spiegel erreicht; eine Wirksamkeit ist bis zu 4 h gegeben (Alfter et al. 1995). Von der PEG wird bei Patienten ohne Allergie ein Aminopenicillin + Betalaktamasehemmer empfohlen. Bei vermuteter oder gesicherter Allergie sollte die PAP mit Clindamycin begonnen werden. Da die überwiegende Anzahl auch großer MKG-chirurgischer Eingriffe bei ambulanten Patienten in Lokalanästhesie und mit Nervenblockaden durchgeführt wird, ist die parenterale Gabe eines Antibiotikums bei dieser Form der Anästhesie in der Regel nicht notwendig (Tab. 5.49 ). Tab. 5.49 Antibiotika der Wahl für eine PAP (Naber et al. 2007) Situation Antibiotikum Einzeldosis Erwachsene Kinder Orale Einnahme Amoxicillin + Betalaktamasehemmer 2 g p. o. 50 mg/kg p. o. Orale Einnahme nicht möglich Ampicillin + Betalaktamasehemmer 2 g i. v. 50 mg/kg i. v. Penicillin- oder Ampicillinallergie – orale Einnahme Clindamycin 600 mg p. o. 20 mg/kg p. o. Penicillin- oder Ampicillinallergie – orale Einnahme nicht möglich Clindamycin 600 mg i. v. 20 mg/kg i. v. [F820-001] Besondere Indikationen Endokarditisprophylaxe: Besondere Aufmerksamkeit gilt dem erhöhten Endokarditisrisiko. Für EndokarditisprophylaxeMKG-Chirurgie Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieEndokarditisprophylaxedie Effektivität der PAP liegt eine unzureichende Evidenz vor. Dennoch empfiehlt die Leitlinie der American Heart Association eine auf definierte Hochrisikopatienten und -konstellationen beschränkte PAP (Wilson, Taubert und Gewitz 2007). Aktuell orientiert sich die Empfehlung zur Endokarditisprophylaxe mehr an der Frage, welche Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Antibiotikaprophylaxe profitieren werden. Mit dieser Überlegung lässt sich der bisherige Einsatz der Prophylaxe sinnvoll eingrenzen und die Effizienz steigern, ohne Hochrisikopatienten einer möglicherweise vermeidbaren Gefährdung durch Unterlassung auszusetzen. Als Risikopatienten für die Manifestation einer schwer verlaufenden infektiösen Endokarditis gelten Patienten • mit Klappenersatz (mechanische und biologische Prothesen), • mit rekonstruierten Klappen unter Verwendung von alloprothetischem Material in den ersten 6 Monaten nach OP, • nach Endokarditis, • mit angeborenen Herzfehlern, • mit zyanotischen Herzfehlern, die nicht oder palliativ mit systemisch-pulmonalem Shunt operiert sind, • nach operiertem Herzfehler mit Implantation von Conduits (mit oder ohne Klappe) oder residuellen Defekten, d. h. turbulenter Blutströmung im Bereich des prothetischen Materials, • mit operativ oder interventionell unter Verwendung von prothetischem Material behandelten Herzfehlern in den ersten 6 Monaten nach OP sowie • herztransplantierte Patienten, die eine kardiale Valvulopathie entwickeln. Enossäre Implantate und orthognathe chirurgische Eingriffe: Auch bei enossären Implantaten (Dent et al. 1997) und orthognathen chirurgischen Eingriffen (Bentley, Head und Aiello 1999; Escobar und Velasco 2006; Zijderveld et al. 1999) wurde Antibiotikaprophylaxe, perioperativeImplantate, dentale Antibiotikaprophylaxe, perioperativeorthognathe chirurgische Eingriffe Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieOperationen, orthognathe Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieImplantationendas SSI-Risiko durch eine PAP signifikant herabgesetzt, was in Anbetracht einer SSI-Rate von bis zu 7 % relevant ist (Tan, Lo und Zwahlen 2011a). Bei orthognathen Eingriffen ist die Datenlage zur optimalen Dauer der prophylaktischen Antibiotikagabe uneinheitlich. Zum Teil war die fünftägige Antibiotikaprophylaxe der einmaligen Gabe signifikant überlegen, allerdings war die Gruppengröße der RCT mit je 30 Patienten sehr gering (Bentley, Head und Aiello 1999). In einer späteren RCT mit ähnlicher Gruppengröße war bei fünftägiger Gabe lediglich die Morbidität herabgesetzt, nicht aber die SSI-Rate (Ruggles und Hann 1984). Zwischen Single-shot-Gabe und viermaliger Gabe innerhalb von 24 h war kein Unterschied nachweisbar (Baqaina et al. 2004; Kang, Yoo und Yi 2009). In einer retrospektiven Auswertung unter Einschluss von 1 294 Patienten war eine mindestens zweitägige postoperative Antibiotikagabe mit präoperativem Single-shot der alleinigen Single-shot-PAP signifikant überlegen (Maier, Kramer und Heidecke 2012). Zwischen intravenöser und oraler Gabe war kein Unterschied nachweisbar (Danda et al. 2010). In einem nachfolgenden doppelblinden RCT war kein Unterschied zwischen fünftägiger Anwendungsdauer und einmaliger PAP nachweisbar (Chow et al. 2007). In einer Metaanalyse mit Einschluss von 5 RCTs erwies sich die einmalige PAP der verlängerten Gabe als gleichwertig, sodass die Autoren die Schlussfolgerung ableiten, dass eine verlängerte Gabe nur bei besonderen Risiken indiziert ist (Escobar und Velasco 2006). Auch bei Gesichtsfrakturen im Bereich der Orbita war die fünftägige postoperative Antibiotikagabe nicht der einmaligen PAP überlegen (Tan, Lo und Zwahlen 2011b; Wahab, Narayanan und Nathan 2013). Damit spricht die Mehrzahl der Befunde dafür, dass die einmalige PAP analog zur höheren Effektivität der einmaligen PAP in anderen chirurgischen Fachgebieten (Lindeboom, Baas und Kroon 2003) ausreichend ist, sofern keine besondere Gefährdung wie eine bilaterale sagittale Split-Osteotomie vorliegt (Zixa et al. 2013). Erwähnt werden soll, dass in einer prospektiven Studie allerdings ohne Knochenimplantation (n = 28 je Gruppe!) kein signifikanter Einfluss der PAP nachweisbar war (Jansisyanont et al. 2008). Bei oral-chirurgischen Eingriffen an den Speicheldrüsen ist bei gesunden Patienten durch PAP kein Vorteil nachweisbar (Barrier et al. 2009). Laseroperationen: Da durch Laseranwendung eine Antibiotikaprophylaxe, perioperativeLaseroperationen Mund-Kiefer-Gesichts-ChirurgieLaseroperationenHSV-1-Infektion aktiviert werden kann (Kramer 2014), wird für Patienten mit rezidivierender Herpes-simplex-Infektionsanamnese im Gesichtsbereich sowie bei ablativer Behandlung des gesamten Gesichts eine antivirale Prophylaxe empfohlen, die 1 d präoperativ (spätestens 2 h präoperativ) beginnt und (5)10–14 d postoperativ endet (Gilbert 2001; Metelitsa und Alster 2010). Valaciclovir, ein Virustatikum der 2. Generation, ist wegen hoher Sicherheit und besserer Bioverfügbarkeit eine Alternative zu Aciclovir und wird zur Prophylaxe nach LSR in einer Dosierung von 500 mg oral für 10–14 d empfohlen (Chakrabarty et al. 2005). Bei beginnender oder florider HSV-1-Infektion sind laserchirurgische Eingriffe kontraindiziert. Aufgrund der limitierten Studienlage sind die Auffassungen zur antibakteriellen PAP vor Lasertherapie uneinheitlich (Hohenleutner und Hohenleutner 2006). Da die meisten bakteriellen Infektionen innerhalb der ersten 7 d bzw. bei C. albicans bis zu 14 d postoperativ auftreten, schlussfolgern Gaspar et al. (2001), dass eine PAP gegen S. aureus nicht essenziell ist, weil die Infektion durch sorgfältige Wundversorgung und postoperatives tägliches Patientenmonitoring mit bakteriologischem Abstrich rechtzeitig erkannt werden kann. Bei Ganzgesicht- und Regional-LSR wird allerdings eine PAP mit Wirkungsspektrum gegen grampositive Bakterien empfohlen (Ross et al. 1998). Ebenso erscheint die PAP bei Zustand nach bakteriellen Infektionen im Gesichtsbereich sinnvoll. Bei ersten Anzeichen einer SSI sind polihexanidbasierte Antiseptika bzw. Polihexanid-basierte Wundauflagen als Mittel der ersten Wahl anzusehen (Kramer et al. 2013c). 5.27 Transfusionsmedizin Gregor Caspari und Volker Kiefel 5.27.1 Infektionsgefährdung durch Blut und Blutprodukte Aus menschlichem Blut gewonnene Blutkomponenten und Plasmaderivate sind Arzneimittel. Herstellung und Anwendung unterliegen den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung des Transfusionswesens (2009), des Arzneimittelgesetzes (AMG, 2014), der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMVHV, 2006), den Hämotherapie-Richtlinien (2010), den Querschnitts-Leitlinien (2014) sowie weiteren Richt- und Leitlinien. Bei BlutprodukteInfektionsrisikoder Entnahme von Blut können Viren, Bakterien, Protozoen (Arbeitskreis Blut 2009a) und Helminthen, die sich im Spenderblut befinden, in die Blutkonserve gelangen und bei der Transfusion der daraus hergestellten Produkte dem Patienten übertragen werden (Caspari und Gerlich 2010). Es gibt bisher keinen epidemiologischen oder experimentellen Hinweis auf die Übertragbarkeit der CJD durch Bluttransfusion (Arbeitskreis Blut 1998; Heinemann et al. 2007; Zou, Fang und Schonberger 2008). Für die vCJD gibt es experimentelle Übertragungen bei Säugetieren (Bons et al. 2002; Hunter et al. 2002). Auch beim Menschen gilt die Übertragbarkeit durch buffy-coat-haltige Erythrozytenkonzentrate (EK) als gesichert (z. B. Zou, Fang und Schonberger 2008). Der erste Erreger, für den die Übertragbarkeit durch Blut erkannt wurde, war T. pallidum. Historie: Zwischen den 1940er- und 1980er-Jahren standen die Hepatitiserreger im Fokus der Aufmerksamkeit. In den frühen 1980er-Jahren wurde die Übertragbarkeit von HIV durch Blutprodukte und Plasmaderivate nachgewiesen. Durch die Erfahrungen mit HIV VirenÜbertragung durch Blutprodukte BlutprodukteÜbertragung von Viren gilt jetzt auch anderen Viren, die man zuvor nicht beachtet hatte, z. B. Parvovirus B19 (Arbeitskreis Blut 2010b), HAV (Arbeitskreis Blut 2001), HEV (Arbeitskreis Blut 2008a; Caspari 2009; Dreier und Juhl 2014; Huzly et al. 2014), West-Nil-Virus (Arbeitskreis Blut 2012; Paul-Ehrlich-Institut, 2014, Paul-Ehrlich-Institut, 2014; Paul-Ehrlich-Institut 2007) und Chikungunya (Paul-Ehrlich-Institut 2007; Petersen, Stramer und Powers 2010), erhöhte Aufmerksamkeit. Viren Transfusionsbedingte Übertragungen von Viren sind selten, können aber im Einzelfall sowie bei besonderen Patientengruppen (Immunsupprimierte, Schwangere) schwerwiegende Folgen haben. Die Übertragungswahrscheinlichkeit von Viren durch Blut wird, vorbehaltlich Labortestung und Inaktivierung durch zugelassene Methoden, beeinflusst durch • Häufigkeit der Infektion im Spenderkollektiv, • Häufigkeit einer schützenden Immunität beim Blutempfänger, • Dauer der Virämie, • Krankheitszeichen bei Spendern mit Virämie. Transfusionsmedizinisch besonders bedeutsam sind daher Viren, die chronische Infektionen verursachen, bei denen der Spendewillige nicht erkennbar krank ist. Für die Produktion von Plasmaprodukten werden Plasmen von bis zu 50 000 Spendern vereint, wodurch sich das Infektionsrisiko zunächst deutlich erhöht. Die Viren werden bei der Verarbeitung entweder in weiterzuverarbeitendem oder in nicht weiterzuverarbeitendem Material angereichert, wodurch sich die Infektiosität erhöht oder erniedrigt. Die Produktion jedes Plasmaderivats beinhaltet einen oder mehrere Schritte zur Virusinaktivierung, die in Modellen sorgfältig evaluiert werden (Caspari und Gerlich 2010). Dadurch wird das Risiko einer Übertragung stark reduziert; vollständige Sicherheit kann jedoch nicht garantiert werden. Bakterien Bakterien SpenderblutErregerspektrum SpenderblutInfektionsrisikokönnen schon im Spenderblut vorhanden sein, z. B. während der Inkubationszeit einer Infektion, bei klinisch inapparenten oder bereits abgelaufenen Infektionen (Gastroenteritis durch Y. enterocolitica, chronische Osteomyelitis, chronische Brucellose, Syphilis), durch zahnärztliche Eingriffe, Sigmoidoskopie. Alternativ kontaminieren sie das Blut während der Blutspende oder deren Verarbeitung über die Hautflora, kontaminierte Stabilisator- oder Aphereseflüssigkeiten (Heltberg et al. 1993), bei Beschädigung des Beutels, durch Kontamination beim Waschen sowie beim Auftauen oder Anwärmen. • Erythrozytenkonzentrate: Bei der Lagertemperatur von 4 °C können sich nur wenige Bakterien vermehren. Unterbrechungen der Kühlkette ermöglichen aber die Vermehrung weiterer Bakterienspezies. • Thrombozytenkonzentrate: Bei der Lagertemperatur von 22 °C ist mit dem raschen Wachstum zahlreicher Spezies zu rechnen (Blajchman, Goldman und Baeza 2004; Neff, Kelly und Tobias 1999). Eigenblutkonserven sind EigenblutspendeInfektionsrisikogenauso durch eine bakterielle Kontamination gefährdet wie Fremdblutspenden (z. B. Benavides et al. 2003). Schwere Zwischenfälle und Todesfälle durch die bakterielle Kontamination von Blutprodukten sind insgesamt häufiger als solche durch virale Kontamination (Blajchman, Goldman und Baeza 2004; Paul-Ehrlich-Institut 2010). Im Folgenden werden spezielle Aspekte der Hygiene für die Transfusionsmedizin in der Reihenfolge der Herstellung eines Blutprodukts oder Plasmaderivats zusammengefasst. Zu Grundregeln der Desinfektion von Arbeitsflächen und Reinräumen sowie des Schutzes von medizinischem Personal Kapitel 2.5 bzw. Kapitel 2.12. 5.27.2 Identifizierung und Ausschluss infektiöser Spender Als infektiös erkannte Blutspender müssen von der Spende ausgeschlossen werden. Im Zweifel wird der Spender schon bei der anamnestischen Möglichkeit einer transfusionsrelevanten Infektion ausgeschlossen, auch wenn bei diesem Vorgehen der größte Teil der ausgeschlossenen Spender nicht wirklich infektiös ist. Blutspenden mit auffälliger Infektionsdiagnostik dürfen nicht transfundiert werden. Durch BlutspendeAusschluss infektiöser SpenderAnamnese sollen Spendewillige von der Spende ausgeschlossen werden, • die Infektionen mit Erregern haben könnten, auf die die Spende im Labor bisher nicht getestet werden kann (z. B. vCJD) bzw. nicht getestet wird (z. B. Malaria), • die eine frische Infektion mit Erregern haben, die die in der Blutspende verwendeten Labortests erst einige Zeit nach Beginn der Infektiosität des Spenderblutes anzeigen, sowie Spender, • die eine Infektion haben, deren Ausheilung nicht oder nur schwer nachweisbar ist. Die BlutspendeInfektionen, tropischeGefahr der Übertragung tropischer Infektionen, vor allem Malaria, wird dadurch ausgeschlossen, dass alle Tropenheimkehrer so lange nicht zur Spende zugelassen werden, bis sicher ist, dass sie keine Malaria entwickeln werden (6 Monate, bei Auftreten von Fieber länger). Bei diesen und anderen anamnestischen Ausschlüssen wird bewusst in Kauf genommen, dass nur der kleinste Teil der ausgeschlossenen Spender wirklich mit dem Erreger der Malaria infiziert ist – aber anders lässt sich Malariasicherheit von Blut in Deutschland nicht gewährleisten. Personen, die von Frühsommer bis Spätherbst aus Gebieten mit fortlaufender Übertragung des West-Nil-Virus heimkehrenBlutspendeWest-Nil-Virus West-Nil-Virus, werden wegen der Möglichkeit der West-Nil-Virus-Infektion für 4 Wochen von der Spende zurückgestellt (Paul-Ehrlich-Institut, Februar 2007, Paul-Ehrlich-Institut, 2014, Paul-Ehrlich-Institut, 2014). Eine Liste mit den entsprechenden Ländern/Gebieten wird auf der Homepage des PEI jeweils am ersten Arbeitstag eines Monats aktualisiert. Mittlerweile gehört auch das Stadtgebiet von Wien zu den Risikogebieten. Spender aus Endemiegebieten BlutspendeChikungunya-Virus Chikungunya-Virusdes Chikungunya-Virus (Tab. 5.8) werden für 2 Wochen zurückgestellt (Paul-Ehrlich-Institut 2007; Petersen, Stramer und Powers AM 2010). Seit Chikungunya-VirusAusbreitungDezember 2013 breitet sich das Chikungunya-Virus mit rasender Geschwindigkeit in der Karibik aus (817 907 Erkrankungen; 19 371 bestätigte Fälle). Inzwischen hat sich die Infektion auch auf Lateinamerika (218 789 Erkrankungen; 5 056 bestätigte Fälle), Mexiko (1 300 bestätigte Fälle), die USA (2 010 importierte Fälle) und Kanada (320 importierte Fälle) ausgebreitet (alle Angaben PAHO 2015, Stand: 20. Mai 2015). Die meisten Ausschlussgründe sollen die Übertragung von HBV, HCV und HIV verhindern (Tab. 5.50 ). Dem Schutz vor Bakterien dienen Fragen nach kürzlichen Gastroenteritiden, Zahnarztbesuch, Endoskopie (Sigmoidoskopie!) und endoskopisch durchgeführten Operationen, bekannter Tuberkulose und bekannter Osteomyelitis (Hämotherapie-Richtlinien 2010). Tab. 5.50 Ausschlüsse und Rückstellungen von der Blutspende wegen des Risikos der Übertragung von Infektionen (Hämotherapie-Richtlinien 2010) Blutspendezeitlich begrenzt zurückzustellende SpenderBlutspendeAusschlusskriterien Von der Blutspende auszuschließen sind Personen • bei denen eine HIV-1-, HIV-2-, HTLV-1-, HTLV-2- oder HCV-Infektion nachgewiesen wurde, • bei denen eine HBV-Infektion nachgewiesen wurde, es sei denn, die Infektion liegt mehr als 5 Jahre zurück und virologische Kriterien sprechen für eine erloschene Kontagiosität (Kriterien in den Hämotherapie-Richtlinien 2010), • bei denen chronisch persistierende bakterielle Infektionen nachgewiesen wurden wie Bruzellose, Fleckfieber und andere Rickettsiosen, Lepra, Rückfallfieber, Melioidose oder Tularämie, • bei denen Infektionen mit Babesien, Trypanosomen oder Leishmanien nachgewiesen wurden, • mit dem Risiko der Übertragung spongiformer Enzephalopathien (Risiken in den Hämotherapie-Richtlinien 2010), • die Empfänger von Xenotransplantaten sind, • die Drogen konsumieren oder Medikamente missbräuchlich zu sich nehmen (bei i. v. Drogen wegen Nadeltausch und möglicher frischer Infektionen, aber auch wegen möglicher Falschangaben bei der Anamnese), • deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten wie HBV, HCV oder HIV birgt (laut Hämotherapie-Richtlinien: heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern, Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben, männliche und weibliche Prostituierte). • Häftlinge dürfen weiterhin grundsätzlich nicht Blut spenden (das wird aber unter zeitlich befristeten Ausschlüssen aufgeführt). • wegen kurz zurückliegender (und möglicherweise nicht vollständig ausgeheilter) Infektion, • wegen Expositionen, die zu einer frischen und damit für Labortests zunächst nicht erkennbaren Infektion führen können, • nach Impfungen mit unsicherer Impfwirkung (Tollwut), Lebendimpfungen sowie Impfungen, die vorübergehend zu falsch positiven Infektionstests führen können, • wegen besonderer epidemiologischer Situationen (Einreise aus West-Nil-Virus- und Chikungunya-Epidemiegebieten) sowie aus • sonstigen Gründen, bei denen die Verabreichung von Sera tierischen Ursprungs infektiologisch relevant sind. Erkrankungen, nach deren medizinisch dokumentierter Heilung Fristen bis zur nächsten Blutspende einzuhalten sind, sind • Malaria (4 Jahre), • Osteomyelitis (2 Jahre), • Q-Fieber (2 Jahre), • Tuberkulose (2 Jahre), • Infektionen mit S. typhi und S. paratyphi (2 Jahre; wie die Heilung medizinisch dokumentiert werden kann/soll, ist in den Richtlinien nicht beschrieben), • rheumatisches Fieber (2 Jahre nach Abschluss der Behandlung), • Toxoplasmose (6 Monate nach Abklingen der Symptome), • HAV-Infektion (4 Monate nach klinischer Erkrankung oder Nachweis von IgM), • Fieberhafte Erkrankungen und/oder Durchfallerkrankungen unklarer Ursache (4 Wochen), • andere Infektionen (4 Wochen nach Abklingen der Symptome), • unkomplizierte Infekte (1 Woche). Expositionen sind • vorübergehender oder dauernder Aufenthalt in einem Malariagebiet oder einem Gebiet mit höherer HBV-, HCV-, HIV- oder HTLV-Prävalenz, • Intimkontakt mit „Risikopersonen“, • enger Kontakt in häuslicher Lebensgemeinschaft mit Risiko für HBV-, HCV- sowie HAV-Infektionen, • allogene Transplantationen (Dura-mater- und Korneatransplantationen führen wegen TSE-Risiko zur Dauersperre), • Operationen, • Endoskopien, Biopsien und Katheteranwendungen (außer Einmalkathetern), • Empfang von autologen und allogenen Blutkomponenten oder Plasmaderivaten außer Humanalbumin, • alle Maßnahmen, bei denen die Haut oder Schleimhaut mit möglicherweise kontaminierten Gegenständen durchbohrt oder verletzt wurde, also Befestigung von Schmuck, Piercing, Tätowierung, Akupunktur (sofern nicht unter aspetischen Bedingungen mit Einmalnadeln), Verletzungen durch Injektionsnadeln oder Instrumente, • Zahnextraktionen und zahnärztliche Behandlungen. 5.27.3 Testung des Spenderblutes Nicht SpenderblutTestungalle Erkrankungen können durch Anamnese und körperliche Untersuchung ausgeschlossen werden, z. B. die in Südfrankreich (La Rouche et al. 2010; Marchand et al. 2013) und Madeira (Wilder-Smith, et al. 2014) im Jahr 2010 erstmals autochthon aufgetretenen Denguevirusinfektionen sowie autochthone HEV-Infektionen (Caspari 2009; Dreier und Juhl 2014). Jede BlutspendeAnforderungenBlutspende muss eindeutig frei sein von HBs-Antigen, Antikörpern gegen das Core-Antigen von HBV (Anti-HBc), Antikörpern gegen HCV, HIV und T. pallidum sowie in einem HCV- und HIV-1-Nukleinsäure-Amplifikationstest mit definierter Mindestempfindlichkeit (z. B. PCR) negativ sein (Hämotherapie-Richtlinien 2010). Nach der Infektion vergeht einige Zeit, bis die Labortests sie anzeigen kann (sog. diagnostisches Fenster). Sie beträgt für den HBs-Antigen-Test 1–4 Monate, für den HCV-Antikörper-Test der neuesten Generation im Mittel etwa 11 Wochen und für HIV-Antikörpertests 3–4 Wochen (Restrisiko Tab. 5.51 ). Die Länge des diagnostischen Fensters hängt Blutproduktediagnostisches Fensteru. a. von der Infektionsdosis und der Ähnlichkeit des verwendeten Testantikörpers bzw. -antigens mit dem beim Spender vorliegenden Virus ab. Durch die zusätzlich durchzuführenden Nukleinsäure-Amplifikationstests für HCV und HIV verkürzen sich deren serologische Fenster auf 10–14 Tage. Sowohl für die Antikörper- bzw. Antigentests als auch für die Nukleinsäure-Amplifikationstests kann das diagnostische Fenster bei seltenen Virusvarianten deutlich verlängert sein. Spender im diagnostischen Fenster lassen sich, wenn überhaupt, nur durch sorgfältige Anamnese identifizieren. Die Testung auf Anti-HBc dient der Erkennung HBsAg-negativer, sog. okkulter, HBV-Infektionen (Raimondo et al. 2013; Squadrito, Spinella und Raimondo 2014), nicht aber früher HBV-Infektionen im diagnostischen Fenster. Tab. 5.51 Restrisiko der Übertragung von Viruserkrankungen durch Blutprodukte trotz infektionsserologischer Untersuchungen für Deutschland (Pool-Präparate und Präparate, die einem Virusinaktivierungsverfahren unterzogen wurden, sind nicht berücksichtigt) Human Immunodeficiency VirusÜbertragung durch BlutprodukteHepatitis-C-VirusÜbertragung durch BlutprodukteHepatitis-B-VirusÜbertragung durch Blutprodukte Erreger „Diagnostisches Fenster“ Restrisiko HBV 5–8 Wochen Ca. 1 : 400 000 ohne Anti-HBc-Testung Mit PCR weniger Mit Anti-HBc-Testung deutlich geringer HCV Mit PCR ca. 10 Tage < 1 : 10 Mio. HIV Mit PCR ca. 10 Tage < 1 : 10 Mio. Besondere Vorsichtsmaßnahmen erfordert die Blutübertragung bei immuninsuffizienten bzw. immunsupprimierten Patienten, z. B. bei Frühgeborenen oder Patienten nach Knochenmarktransplantation und Schwangeren. Bei diesen Patienten kann eine üblicherweise harmlose CMV-Erstinfektion zu schweren Erkrankungen wie ImmunsuppressionBluttransfusionender interstitiellen Pneumonie führen. Von den Hämotherapie-Richtlinien wird die Anti-CMV-Testung von Blut und die Verwendung von Präparaten Anti-CMV-negativer Spender nicht mehr empfohlen, da die Spender während der Serokonversion Zytomegalievirus, humanesBluttransfusionenzumindest theoretisch besonders infektiös sind. Zelluläre Blutpräparate müssen leukozytendepletiert sein, was zur Verringerung des Risikos einer transfusions-assoziierten CMV-Infektion bei Risikopatienten um ca. 90 % führt (siehe auch Strauss 1999; Arbeitskreis Blut 2010a). Das ist lediglich bei Granulozytenkonzentraten nicht möglich. Die Wahrscheinlichkeit einer Spende im diagnostischen Fenster wird bei sonst gleichen Spendecharakteristika von der Inzidenz der Infektion im jeweiligen Blutspenderkollektiv und der Länge des diagnostischen Fensters bestimmt. Ist die Inzidenz 1 : 100 000 Spender pro Jahr und die Länge des diagnostischen Fensters ein Vierteljahr, beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Spende im diagnostischen Fenster 1 : 400 000. Zu beachten ist: Wenn der Spendeabstand die Länge des diagnostischen Fensters deutlich unterschreitet (z. B. bei der Plasmapheresespende), können durch einen infektiösen Spender mehrere infektiöse Spenden geleistet werden, bevor der Labortest positiv wird. Ein negatives Testergebnis trotz Infektion des Spenders ist sehr selten. Es kann vorkommen bei • seltenen Serotypen und Mutanten des jeweiligen Virus (Humpe, Heermann und Köhler 1993), • Fehlern bei der Testdurchführung und Probenvertauschung bei der Spende bzw. im Labor (Busch et al. 2000) sowie Fehlern bei der Übermittlung der Testergebnisse (Linden 2000), • Spende im diagnostischen Fenster der jeweiligen Infektion (Delwart et al. 2004; Paul-Ehrlich-Institut 2010; Schmidt et al. 2009). Spenden von Erstspendern sind deutlich häufiger infektionsmarkerpositiv als Spenden von Mehrfachspendern (Glück et al. 1998). Die Daten von beiden Gruppen sind jedoch nicht direkt vergleichbar. Während der Erstspender sein ganzes bisheriges Leben Zeit hatte, die Infektion zu erwerben, war der Mehrfachspender bei der letzten Spende vor 3–6 Monaten noch nicht infiziert; ein positiver Infektionsmarker ist also auf eine Infektion in einem sehr viel kürzeren Zeitintervall zurückzuführen. Die Häufigkeit von Infektionsmarkern bei Erstspendern entspricht also der Prävalenz, während die Häufigkeit von Infektionsmarkern bei Mehrfachspendern Ausdruck der Inzidenz ist. Hepatitis-C-Virus: Seit Hepatitis-C-VirusÜbertragung durch Blutprodukte BlutprodukteÜbertragung des Hepatitis-C-VirusEinführung der HCV-PCR in Deutschland 1999 ist bei über 50 Millionen transfundierten Blutpräparaten ein einziger Fall einer Übertragung des Virus durch Blut oder Blutprodukte bekannt geworden (Paul-Ehrlich-Institut 2010). Zu fragen ist allerdings, ob in den Rückverfolgungsverfahren die Möglichkeit einer Infektionsübertragung durch HCV-Antikörper- und -Pool-PCR-negative Präparate (Schüttler et al. 2000) ausreichend berücksichtigt wurde. Seit der Einführung der HIV-PCR wurden 2 HIV-Übertragungen durch Blutpräparate beobachtet (Paul-Ehrlich-Institut 2010). Hepatitis-B-Virus:Die am wenigsten sicheren Daten für die Abschätzung des Restrisikos gibt es für HBV. Erkrankungen des Empfängers durch Transfusionsblut, die den Hepatitis-B-VirusÜbertragung durch Blutprodukte BlutprodukteÜbertragung des Hepatitis-B-VirusKriterien für eine wahrscheinliche oder sichere Übertragung genügen, wurden dem Paul-Ehrlich-Institut bis zur Einführung der Anti-HBc-Testung etwa 2–3 pro Jahr gemeldet, danach 0–1 (Paul-Ehrlich-Institut 2010). Theoretische Berechnungen und Einzelbeobachtungen deuteten auf ein um den Faktor 5–8 höheres Risiko hin (z. B. Glück et al. 1998). Risikoabschätzungen, die die zusätzliche Testung auf Anti-HBc berücksichtigen, sind noch nicht publiziert. Ob HBV-Erkrankungen nicht als transfusionsbedingt erkannt und/oder gemeldet werden, die übertragenen Infektionen ohne klinische Symptome verlaufen oder ob die Hypothesen, auf denen die theoretischen Berechnungen beruhen, falsch sind, lässt sich nur schwer entscheiden. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Da bisher kein Test zum Ausschluss von CJD bzw. vCJD im Blut zur Verfügung steht, Creutzfeldt-Jakob-KrankheitÜbertragung durch Blutprodukte BlutprodukteÜbertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheitsind derzeit folgende Personen als Blutspender auszuschließen: Personen, • bei denen der Verdacht auf eine CJD oder vCJD besteht oder diese bestätigt wurde, • die jemals mit Hypophysenhormonen (z. B. Wachstumshormonen) humanen Ursprungs behandelt wurden, • bei denen in der Familie (Blutsverwandte, nicht aber z. B. Ehefrau) CJD aufgetreten ist, • die Dura-mater- und Korneatransplantate erhalten haben, • die sich im Zeitraum von 1980–1996 ≥ 6 Monate in Großbritannien und/oder Nordirland aufgehalten haben, • die seit dem 1.1.1980 in Großbritannien oder Nordirland operiert wurden oder Bluttransfusionen erhalten haben. Um eine eigenständige Kette von Reinfektionen zu vermeiden, wurden bereits früher in Frankreich und werden seit 2004 in Großbritannien Personen, die eine Bluttransfusion erhalten haben, von der Blutspende ausgeschlossen. Dieser Ausschluss wurde in Deutschland nicht eingeführt, da verschiedene Studien zeigen, dass ein wesentlicher Teil der Blutspender über frühere Transfusionen keine zuverlässige Auskunft geben kann (Caspari et al. 2005a). Noch schwieriger wäre der Ausschluss aller Empfänger von Plasmaderivaten (hierzu gehören auch Passivimpfstoffe wie Tetanus-Immunglobulin), der zudem zu einem immensen Verlust an Blutspendern führen würde. Zum Risiko der Übertragung durch Plasmaderivate siehe Arbeitskreis Blut (2009b). Die Möglichkeit einer iatrogenen Übertragung von vCJD durch kontaminierte chirurgische Instrumente rückt zumindest für Länder mit mehreren Erkrankten in den Brennpunkt des Interesses. 5.27.4 Hygienische Grundregeln für die Blutentnahme Die Blutspende muss aseptisch ohne Kontamination des Konserveninhalts durchgeführt werden. Durch BlutentnahmeHygienemaßnahmendie Verwendung von industriell vorgefertigten, strahlensterilisierten Einweg-Abnahmebeuteln kann das Blut in ein geschlossenes System abgenommen und hierin ohne weitere Öffnung des Systems verarbeitet werden. Die Punktionsstelle ist die einzige Pforte, an der Mikroorganismen, z. B. S. epidermidis, in das geschlossene System BlutentnahmeHautantiseptik HautantiseptikBlutentnahmeeindringen können. Daher ist eine umsichtige Auswahl der Punktionsstelle und der Antiseptika unerlässlich (Kap. 2.2). In Bereichen mit Hautveränderungen (Hauterkrankungen, Vernarbungen) ist von der Punktion abzusehen. Im Ergebnis des Expertenkonsens wurde die Empfehlung gegeben, zur Hautantiseptik eine Kombination aus 2-prozentigem Chlorhexidinglukonat und 70-prozentigem Propan-2-ol anzuwenden und zu beachten, dass das Hautareal mindestens 30 Sekunden benetzt ist. Danach sollte eine Trocknungszeit von 30 Sekunden eingehalten werden (WHO 2010). Die Kombination von 70-prozentigem Propan-2-ol mit OCT dürfte aufgrund der höheren Wirksamkeit von OCT (Koburger et al. 2010) mindestens mit der gleichen Sicherheit verbunden sein. Die bakterielle Belastung des Vollblutes kann durch Ableitung der ersten Blutportion in einen separaten Beutel, aus dem dann die Untersuchungsproben gewonnen werden, deutlich vermindert werden (de Korte et al. 2002). Dieses Verfahren wurde bundesweit als Predonation Sampling eingeführtPredonation Sampling. Um das Risiko der bakteriellen Kontamination nicht zu erhöhen, sollte beim vorzeitigen Versiegen des Blutflusses keine Zweitpunktion mit dem gleichen Beutelsystem vorgenommen werden. Direkt nach erfolgter Abnahme der Spende wird das noch in Herstellung befindliche Produkt verschweißt, um eine Kontamination auszuschließen. Das Personal im Spendebereich BlutentnahmePersonalschutzsoll nach hygienischer Händedesinfektion Schutzhandschuhe anlegen. Diese müssen nicht nach jeder Punktion gewechselt werden, sofern sie unversehrt sind. Vor der Punktion des nächsten Spenders ist in diesem Fall eine Desinfektion der angelegten Handschuhe indiziert (Pitten et al. 1998). Hierzu sind aber nicht alle Einmalhandschuhe gleichermaßen geeignet. Um eine Kontamination durch die Vermehrung der Hautflora in der „feuchten Kammer“ Handschuh zu vermeiden, sollten die Handschuhe etwa halbstündlich gewechselt und jeweils eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden. Bei der isovolämischen Hämodilution (Kap. 5.27.9) ist es üblich, den Blutbeutel an einen bereits liegenden Venenkatheter anzukoppeln. Dieses Vorgehen ist wegen möglicher bakterieller Kontamination der Verbindungsstelle zwischen Katheter und Beutelsystem für die länger zu lagernden Vollblute bzw. die daraus hergestellten Blutprodukte ungeeignet. 5.27.5 Hygienische Grundregeln bei der Blutfraktionierung Die Auftrennung des Blutes in seine Komponenten (Fraktionierung) erfolgt im geschlossenen Abnahmesystem. Für die Hygiene in Herstellungsräumen ist die AMWHV sowie der Annex 1 der EU Guidelines to Good Manufacturing Practice – Medicinal Products for Human and Veterinary Use – Manufacture of Sterile Medicinal Products' von 2008 in der korrigierten Version von 2009 maßgeblich. Erythrozyten, Blutfraktionierung BlutfraktionierungHygienemaßnahmenThrombozyten und Plasma können im geschlossenen System mit mehreren Beuteln steril getrennt und aus dem Primärbeutel in Satellitenbeutel überführt werden. Der einzige Grund für ein eröffnen des Systems ist die Umfüllung des Transfusionsguts in Perfusorspritzen für spezielle Anwendungen in der Pädiatrie. Die Indikation für gewaschene ErythrozytenkonzentrateErythrozytenkonzentratgewaschenes ist sehr selten und wird fast ausschließlich für Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen auf IgA bei IgA-Mangel benötigt (Querschnitts-Leitlinie zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten 2014). Sie werden, ebenso wie die „Austauschkonserven“ für Neugeborene (0-Erythrozyten und AB-Plasma), im funktionell geschlossenen System mittels steril arbeitender Schlauchschweißgeräte hergestellt. Auch die seit 2001 obligatorische starke Verminderung der Leukozyten durch Filterung (LeukozytendepletionLeukozytendepletion) erfolgt im geschlossenen System als Filtration des Vollblutes oder der einzelnen Blutkomponenten. Damit reduziert sich neben dem Risiko einer Immunisierung gegen leukozytäre Antigene des Spenders auch das Risiko einer Übertragung von in Leukozyten vorhandenen Bakterien (z. B. Mettille et al. 2000), Viren (Gong et al. 1994; Rawal et al. 1991) und leukozytengebundenen Prionen (Gregori et al. 2004). 5.27.6 Lagerung von Blutprodukten Die Lagerung von Blut und Blutprodukten darf keine bakterielle Besiedlung der Präparate von außen zulassen. Eine akzidentelle Kontamination der Konserven von außen kann unter geeigneten Umständen zur Verbreitung von Bakterien führen, die schwerwiegende nosokomiale Infektionen auslösen können, z. B. aus dem Labor in das OP-Feld. Erythrozytenkonzentrate: Erythrozytenkonzentrate werden bei Temperaturen von 4 ± 2 °C in erschütterungsfreien, temperaturüberwachten Kühlschränken gelagert. Nur ErythrozytenkonzentratLagerung BlutprodukteLagerung BlutprodukteErythrozytenkonzentratwenige Bakterienspezies können sich bei 4 °C zu hohen Konzentrationen vermehren. Dazu gehört Y. enterocolitica, für die eine Temperatur von 4 °C sogar ein positives Selektionskriterium ist (Arbeitskreis Blut 1999; Blajchman 1998). Nach anfänglicher Adaptationsphase erfolgt eine exponentielle Vermehrung dieser Erreger. Unterbrechungen der Kühlkette verbessern die Vermehrungsbedingungen und ermöglichen die Vermehrung weiterer Bakterienspezies. Deshalb sollte innerhalb von 30 Minuten nach Unterbrechung der Kühlkette entweder mit der Transfusion begonnen oder nicht benötigte Blutkonserven, wenn laut hauseigener Transfusionsordnung zulässig, ins Depot zurückgebracht werden (Petz und Swisher 1989). In vielen Krankenhäusern werden vor größeren Operationen vorsorglich Erythrozytenkonzentrate aus dem Blutdepot in den OP-Saal gebracht und nach der OP nicht benötigte Blutkonserven wieder zurück in das Blutdepot geschickt. Von dort werden die Blutkonserven dann an den nächsten Patienten ausgegeben. Eine Möglichkeit, die bakterielle Kontamination der Blutbeutel von außen zu vermeiden, besteht darin, diese in eine Plastiktüte verpackt vom Blutdepot auszugeben (z. B. alle EK für einen Patienten) und diese Umverpackung bei Rücknahme der Blutkonserven zu vernichten. Thrombozytenkonzentrate: Die Lagertemperatur von Thrombozytenkonzentraten beträgt 22 ± 2 °C. Die Funktion von Thrombozyten würde im Kühlschrank irreversibel geschädigtThrombozytenkonzentrateLagerung BlutprodukteThrombozytenkonzentrat. Durch diese relativ hohe Lagertemperatur sind Thrombozytenkonzentrate hinsichtlich bakterieller Vermehrung besonders gefährdet und ist ihre Lagerdauer auf maximal 4 d, gerechnet ab Mitternacht des Entnahmetags, begrenzt, sofern die Präparate nicht pathogeninaktiviert sind (Arbeitskreis Blut 2008b). Mittlerweile sind Verfahren marktreif, die durch biochemische oder biophysikalische Prozesse in Thrombozytenkonzentraten eine breite Palette von Pathogenen mit unterschiedlicher Wirksamkeit inaktivieren können (Lozano und Cid 2013; Seltsam und Müller 2013). Für jedes einzelne Verfahren ist sorgfältig zu prüfen, ob die durch das Verfahren bedingte mögliche verminderte Wirksamkeit, Neoantigenität und/oder Kanzerogenität das extrem geringe Restrisiko durch die zu verhindernden Infektionen aufwiegen (Kerkhoffs et al. 2010). Daher sind die Empfehlungen des Europarats zur Pathogeninaktivierung diesen Verfahren gegenüber sehr kritisch (Caspari et al. 2005b). Einen möglichen Vorteil bieten diese Verfahren vor allem beim Auftreten neuer Erreger, die durch Anamnese und Labortestung nicht zu erfassen sind und zu hoher Morbidität und Mortalität beim Blutempfänger führen. Die begrenzte Haltbarkeit macht eine Quarantänelagerung von Thrombozytenkonzentraten unmöglich. Frischplasma: Frischplasma wird innerhalb weniger Stunden nach der Blutentnahme tiefgefroren und bei Temperaturen ≤ 30 °C gelagert. Unter diesen FrischplasmaLagerung BlutprodukteFrischplasmaBedingungen scheint ein Bakterienwachstum nahezu ausgeschlossen. Beschreibungen bakterieller Kontaminationen durch Frischplasma einschließlich publizierter Todesfälle sind zitiert bei Montag et al. (1999). Das Plasma muss entweder einem anerkannten Verfahren der Virusinaktivierung unterzogen werden, wofür zurzeit das Solvens-Detergens-Verfahren oder das Methylen-Blau Verfahren infrage kommt, oder 4 Monate quarantänegelagert werden (Arbeitskreis Blut 2003). In diesem Fall muss der Spender frühestens 4 Monate nach der Spende nochmals untersucht werden und müssen die virusserologischen Screeningtests (Anti-HIV, Anti-HCV, HBs-Antigen, HCV-RNA, HIV-RNA, ggf. ALT) unauffällig sein. Industriell hergestellte Plasmafraktionen, z. B. Gerinnungsfaktorenkonzentrate, müssen nach den Vorschriften des Herstellers gelagert und aufbereitet werden. 5.27.7 Sterilitätstestung von Blutkomponenten Da Blutkomponenten nicht sterilisierbar sind, wurde der früher gebrauchte Begriff der Sterilitätstestung durch den Begriff „Mikrobiologische Kontrolle“ ersetzt (Arbeitskreis Blut 2013). Der Nachweis der Keimfreiheit von BlutprodukteSterilitätstestung FrischplasmaSterilitätstestung ErythrozytenkonzentratSterilitätstestung ThrombozytenkonzentratSterilitätstestungBlutkomponenten (Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate; quarantänegelagertes Frischplasma) kann nur stichprobenartig erfolgen. Bei einer Charge aus gepooltem Plasma vieler Spender, das dann wieder in Einzelportionen abgefüllt wird, wie dem Solvens-Detergens-inaktivierten Plasma, ist eine Chargenkontrolle möglich. Die Blutbestandteilkonserven müssen anhand von Stichproben mit geeigneten Methoden auf Abwesenheit von Bakterien und Pilzen getestet werden. Die Stichprobengröße bezieht sich immer auf die monatlich in einer Betriebsstätte durchgeführten Verfahren (Tab. 5.52 ). Tab. 5.52 Probenumfang abhängig von den monatlich in einer Betriebsstätte durchgeführten Verfahren (Arbeitskreis Blut 2013) Probengröße Anzahl der Verfahren N < 400 ≥ 4 Präparate 400 ≤ N < 1 500 1 % von N N ≥ 1 500 0,4 × √N. Die Durchführung einer zweiten Kultur bei positivem Signal wird mit dem neuen Votum des Arbeitskreises Blut verbindlich. Die Differenzierung kann wichtige Hinweise auf den Ursprung der Kontamination geben, z. B.: • Hautflora: mangelnde Antiseptik der Punktionsstelle • Y. enterocolitica: mangelnde Spenderuntersuchung/-anamnese • „Exotische Bakterien“: Verdacht auf Kontamination des Antikoagulanz bzw. der additiven Lösung im Erythrozytenkonzentrat 5.27.8 Thermische Behandlung von Blutprodukten • Gefrorenes Frischplasma (GFP) ist das einzige Standardblutprodukt, das vor der Transfusion möglichst schnell bei maximal 37 °C aufgetaut werden muss. • Thrombozytenkonzentrate sollten grundsätzlich nicht gewärmt werden. • Erythrozytenkonzentrate sind i. d. R. nicht zu erwärmen. Jede Frischplasmagefrorenes, Auftauen Blutproduktethermische BehandlungErwärmung von Blutprodukten erhöht die Vermehrungsmöglichkeit für Bakterien. Das Erwärmen ErythrozytenkonzentratErwärmungvon Erythrozytenkonzentraten ist i. d. R. nicht erforderlich. Ausnahmen sind Massivtransfusionen mit Zufuhr von mehr als 50 ml EK/min bei bereits vor der Transfusion unterkühlten Patienten, Patienten mit einer BlutprodukteErwärmungchronischen Kälteagglutininkrankheit und hochtitrigen Kälteantikörpern, Patienten, die auf den Kältereiz durch gekühltes Blut mit Vasospasmus reagieren, sowie Transfusionen und Austauschtransfusionen bei Neugeborenen (Querschnitts-Leitlinie 2014). Für die Erwärmung dürfen nur zugelassene Blutwärm- und Plasmaauftaugeräte verwendet werden. Diese unterliegen den Vorschriften des Medizinproduktegesetzes (2013). Die Erwärmung von Blut oder Blutbestandteilen mit anderen Hilfsmitteln, z. B. das Eintauchen in heißes Wasser, lässt sich nicht kontrollieren. Sie birgt die Gefahr der Hämolyse bzw. Proteindenaturierung und ist deshalb abzulehnen. In temperaturgeregelten Wasserbädern wird das Transfusionsgut direkt oder durch einen Kunststoffbeutel geschützt in Wasser gelegt. Da das Temperiermedium nicht im geschlossenen System zirkuliert, besteht das Risiko der massiven Anreicherung pathogener Mikroorganismen. Deshalb sind offene Wasserbäder in OP-Einheiten und Stationsräumen abzulehnen. Auch in Laborräumen können von außen durch besiedelte Wasserbäder Hospitalerreger auf die Blutbeutel übertragen und weiterverbreitet werden. Ein Zusatz von Desinfektionsmitteln o. Ä. zum Temperiermedium ist problematisch, da diese Mittel mit den Kunststofffolien der Blutbeutel reagieren können. In Trockenwärmegeräten wird das Transfusionsgut zwischen elektrisch beheizten Metallplatten oder mit warmem Wasser durchströmten Kissen erwärmt. Hierdurch ist die Gefahr einer bakteriellen Kontamination stark vermindert. Einer guten Validierung bedürfen Diathermiegeräte (Mikrowellengeräte), da bei diesen Geräten eine gleichmäßige Temperaturverteilung von vielen Faktoren abhängt. In Durchflusserwärmern wird das Blut während der Transfusion im Transfusionsschlauch erwärmt. Dieser ist entsprechend länger und liegt zwischen Wärmeelementen. Es sind Geräte für normale und hohe Fließgeschwindigkeiten im Handel. 5.27.9 Applikation von Blut- und Blutbestandteilkonserven Vor der Vorbereitung einer Blutkonserve zur Transfusion ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. JedeTransfusionDurchführung BlutprodukteApplikation Transfusion muss über ein steriles Transfusionsbesteck mit Filter erfolgen. Die Standardfilter haben eine Porengröße von 170–230 µm und sind damit für Bakterien durchlässig. Sie sind für die Transfusion von Erythrozyten, Thrombozyten und Plasma geeignet. Die Transfusionsbestecke werden industriell hergestellt und strahlensterilisiert. Sie sind nur zur einmaligen Verwendung deklariert. In den Filtern sammeln sich größere Proteinmengen, die ein idealer Nährboden für Bakterien sind. Deshalb sollen Filter nicht länger als 4 Stunden benutzt werden. Beim Einführen des Einstichdorns des Transfusionsbestecks in den präformierten Stichkanal des Blutbeutels sollte besonders umsichtig vorgegangen werden. Ein Berühren des Einstichdorns mit der äußeren Beuteloberfläche ist zu vermeiden. Wird der Blutbeutel nach Einführen des Dorns geknickt, kann die Spitze des Dorns die Beutelfolie perforieren und so das geschlossene System zerstören. 5.27.10 Autologe Transfusion Für Transfusionautologedie Gewinnung autologen Blutes gibt es neben der ambulanten präoperativen Eigenblutspende und Eigenplasmapherese auch die Möglichkeiten der präoperativen isovolämischen Hämodilution sowie der maschinellen Autotransfusion (Koscielny et al. 1995). Für die präoperative Eigenblutspende und Eigenplasmapherese sowie die Retransfusion autologer Erythrozytenkonzentrate und Plasmen gelten die Abschnitte 5.27.1 bis 5.27.8 in vollem Umfang. Die präoperative Eigenblutspende war in den 1980er und 1990er-Jahren als Schutz vor transfusionsrelevanten EigenblutspendepräoperativeInfektionen von den Patienten nachgefragt. Da jedoch bis heute der eindeutige Nachweis fehlt, dass der Nutzen die Nachteile überwiegt. Sie wird daher nur noch selten angewandt. Patienten, bei denen eine HBV-, HCV- oder HIV-Infektion besteht, sollten von der Eigenblutspende ausgeschlossen werden, da durch sie im Fall einer Verwechslung des Patienten bei der Retransfusion diese schwerwiegenden Infektionen übertragen werden würden. Ist die Spende aus transfusionsmedizinischen Gründen unvermeidlich, z. B. bei sehr seltenen Blutgruppen, soll die Spende getrennt von anderen Spenden gelagert und deutlich als infektiös gekennzeichnet werden. Die Häufigkeit von Verwechslungen, bei denen Blutkonserven einem dafür vorgesehenen Empfänger transfundiert werden, wird auf 1 : 500 und 1 : 30.000 geschätzt. Diese geringere Häufigkeit leitet sich von retrospektiv erfassten, klinisch in Erscheinung getretenen Komplikationen bei bzw. nach i. d. R. AB0-inkompatiblen Transfusionen ab. Bei prospektiver Erfassung z. B. von Blutgruppenveränderungen von Patienten bei aufeinanderfolgenden Proben durch Vertauschung gelangt man eher zu den höheren Schätzwerten. Bei Hämodilution, isovolämische, präoperativeder präoperativen isovolämischen Hämodilution nimmt der Anästhesist dem Patienten unmittelbar vor dem Eingriff Vollblut in einer Menge von 10–20 ml/kg KG ab (Bormann B und von Friedrich 1993). Gleichzeitig werden kontralateral Plasmaexpander infundiert. Der Hämatokrit sinkt auf einen Wert von 25–30 %. So verringert sich der intraoperative Erythrozytenverlust. Wenn das so gewonnene Eigenblut bei Raumtemperatur gelagert wird, können sich Bakterien vermehren. Das sollte vor allem bei Eingriffen, die länger als 4 Stunden dauern, berücksichtigt werden. In der Regel wird das präoperativ gewonnene Vollblut unmittelbar postoperativ retransfundiert. Maschinelle Autotransfusion: Bei der maschinellen Autotransfusion, maschinelleAutotransfusion darf das Wundblut nur aus sog. sterilen OP-Feldern entnommen werden, z. B. bei der Implantation einer totalen Hüftendoprothese oder gefäßchirurgischen Eingriffen. Der Operateur Autotransfusion, maschinellesammelt Wundblut aus dem OP-Feld in ein steriles System. In diesem „cell saver“ werden die Erythrozyten mit isotoner NaCl-Lösung gespült und so von Zellfragmenten und Wundflüssigkeit befreit. Intra- oder postoperativ erfolgt die Retransfusion der gewaschenen autologen Erythrozyten. Detaillierte rechtliche Regelungen finden sich in einer Stellungnahme des Arbeitskreises Blut (2014). Der Plasmaersatz kann mit autologem Plasma der Eigenblutspende bzw. Eigenplasmapherese erfolgen. 5.27.11 Entsorgung von Transfusionsgut Bei der Produktion von Blut- und Blutbestandteilkonserven sowie deren Anwendung entsteht Abfall in Form von Abnahme- und Transfusionssystemen sowie leeren und z. T. gefüllten Blutbeuteln. Das Abfallrecht wurde in den letzten 10 Jahren durch europäische Richtlinien und Transfusionsgut, EntsorgungVerordnungen sowie Bundesgesetze neu gestaltet (Abfallrecht 2013). Die ländereinheitliche Umsetzung des Abfallrechts für medizinische Abfälle dient als Orientierung, gilt aber nur insoweit, als Länder und Kommunen keine anderen Regeln zur Umsetzung treffen. Sie soll die relevanten Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften konkretisieren, ist aber rechtlich nicht verbindlich. die Zuordnung der Abfälle erfolgt zu einzelnen Abfallschlüsseln entsprechend der Abfallverzeichnisverordnung (Pilz und Juditzki 2003; Kap. 6.7). Unter den Abfallschlüssel (AS) 180102 (früher E-Müll) fallen neben Körperteilen und Organen auch teilgefüllte oder gefüllte (verfallene) Blutkonserven. Diese sind am Abfallort gesondert zu erfassen und dürfen nicht mit anderen Abfällen vermischt werden. Sammlung und Transport erfolgen in verbrennbaren, bauartzugelassenen Einwegbehältnissen, die mit dem Entsorgungsunternehmen bzw. der Entsorgungsanlage abzustimmen sind. Die Entsorgung erfolgt in einer zugelassenen Verbrennungsanlage. Alternativ ist die Leerung einzelner Beutel unter Beachtung hygienischer und infektionspräventiver Gesichtspunkte sowie der kommunalen Abwassersatzung in die Kanalisation möglich. Die leeren Blutbeutel sind dann nach AS 180104 einzuordnen. Infektiöse Blutkonserven (AS 180103, früher C-Müll) werden i. d. R. durch Sterilisation zu Abfällen, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen zu stellen sind (AS 180104). Danksagung Für wertvolle Anregungen zu diesem Kapitel danken wir Herrn Professor Axel Kramer. 5.28 Pathologie, Neuropathologie, Rechtsmedizin und Anatomie Stefan Koch, Walter J. Schulz-Schaeffer, Britta Bockholdt und Axel Kramer Waren früher die Infektionsrisiken (z. B. Tuberkulose, Syphilis, Tetanus) für in der Pathologie beschäftigtes Personal fast ausschließlich mit der Obduktionstätigkeit verbunden, ergeben sich heutzutage zusätzlich Risiken bei der Beurteilung von Frischmaterial oder noch nicht vollständig fixierten Zell- und Gewebepräparaten. Durch die Einführung neuer Diagnose- und Therapieverfahren und im Rahmen von Kostenbegrenzung, Verweildauerreduktion und Fallzahlsteigerung sollen die Untersuchungsergebnisse immer kurzfristiger nach Materialentnahme vorliegen. Das darf jedoch nicht zur Vernachlässigung des Arbeits- und Infektionsschutzes führen. Vielmehr ist es erforderlich, die Arbeitsabläufe permanent hinsichtlich der Anforderungen an den Infektionsschutz zu überprüfen. 5.28.1 Infektionsrisiken In PathologieObduktion ObduktionInfektionsrisiko, Neuropathologie, Rechtsmedizin und Anatomie besteht ein Infektionsrisiko für Obduzenten, Sektionsmitarbeiter und Studenten, aber auch für Teilnehmer an autoptischen Befunddemonstrationen, für Personen, die mit dem Leichnam umgehen, wie Bestatter, Krematoriumsmitarbeiter, Einbalsamierer und Angehörige, beim Umgang mit Sektionsasservaten sowie bei chemischen Analysen von Organproben, Blut, Liquor, Urin und Kot. Infektionsgefährdung ist möglich durch Einatmen, Verschlucken, Verletzung, Einbringen in vorbestehende Hautwunden und Aufnahme über Schleimhäute (Augen, Nase, Mund). Risiken gehen von einer Tbk-, HCV-, HBV-, HIV- und Prioninfektion des Leichnams oder entnommener Gewebeproben aus. Erhöhte Vorsichtsmaßnahmen gelten auch bei Meningokokkeninfektion und Infektionen durch MRE. Tuberkulose, Virushepatitis, HIV-Infektion/AIDS: Im Sektionssaal geht die größte InfektionsgefahrTuberkuloseInfektionsgefahr in der Pathologie Hepatitis-B-VirusInfektionsgefahr in der Pathologie Hepatitis-C-VirusInfektionsgefahr in der Pathologie von Tbc aus. Das Personal nachgeordneter Laborbereiche ist deutlich weniger gefährdet. Hauptsächliche Infektionsquelle sind mykobakterienhaltige Aerosole oder Gewebeversprengungen, die besonders beim Abspülen und Aufschneiden von Organen mit ungeeigneten Messern (zu kurze Klingen) und stumpfen Scheren (Spritzgefahr durch kleine Tröpfchen), Sägen von Knochen mit oszillierenden Sägen (Aerosole) sowie Herstellung von Gefrierschnitten (Umherfliegen statisch aufgeladener Gewebepartikel) entstehen können. Neben der inhalativen Aufnahme von Krankheitserregern ist die Infektion über akzidentelle Hautverletzungen bei der Eviszeration des Leichnams, der Bearbeitung von Sputumproben, beim Schneiden einzelner Organe und bei der makroskopischen Untersuchung frischer OP-Präparate möglich. Der gleiche Personenkreis ist durch HBV-, HCV- und HIV-Infektion gefährdet. Eintrittspforten sind Hautschnittverletzungen, Wunden und Stichverletzungen sowie die Augen, z. B. bei Kontamination mit Blut, Körperflüssigkeiten und Spülmedien. 2013 hat es 3 263 HIV-Neuinfektionen in Deutschland gegeben (RKI 2014a). Ende 2013 lebten nach Schätzung des RKI bundesweit etwa 80 000 an AIDS Erkrankte (RKI 2014a). Bisher ist allerdings nur eine berufsbedingte HIV-Infektion eines Pathologen dokumentiert (Johnson et al. 1997), sodass das Berufsrisiko einer HIV-Infektion für Mitarbeiter in der Pathologie als gering einzuschätzen ist (Ruggiero et al. 2009). Während HIV-Antikörper in Leichen und Blutproben jahrelang stabil bleiben können, war die Virusisolierung aus Vollblut nur bis maximal 36 h postmortaler Leichenliegezeit erfolgreich (Püschel et al. 1991). Prionkrankheiten: Die verschiedenen PrionkrankheitenInfektionsgefahr in der PathologieFormen der TSE wie CJD, letale familiäre Insomnie (FFI), das hereditäre Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) und vCJD (Kap. 3.3) sind nach derzeitigem Kenntnisstand nur durch aktives Einbringen des Erregers in den Körper, nicht aber durch soziale und sexuelle Kontakte übertragbar (Rudolph et al. 2001; Simon und Pauli 1998). Für die Gefährdungseinschätzung ist zu beachten, dass bei sporadischen und genetischen Prionkrankheiten nur das ZNS, bei vCJD auch das periphere lymphatische Gewebe hohe Erregermengen enthalten können (Task Force vCJK 2002). Es gibt derzeit keine epidemiologischen Hinweise, dass Pathologen oder mit Autopsiegewebe arbeitende Personen überzufällig häufig an CJD erkrankt sind (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012b). Trotzdem muss bei CJD-Verdachtssektionen ein erhöhter Personenschutz und ein Kontaminationsschutz der Umgebung gewährleistet werden. Für bioptische und autoptische Untersuchungen sollten sämtliche Materialien von Patienten mit ungeklärten Demenzen, insbesondere in Kombination mit Myoklonien, Ataxie und auffälligen EEG-Befunden, als CJD-Verdachtsfälle gelten (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012b; Schulz-Schaeffer et al. 1998). Insbesondere in der Rechtsmedizin bleibt allerdings ein generell erhöhtes Risiko bei Sektionen von Personen mit unbekannter Anamnese und in den Fällen, in denen die Obduktion sehr kurze Zeit nach dem Todeseintritt durchgeführt wird. Meningokokkeninfektionen, SARS, MRGN: Bei Meningokokkeninfektionen besteht bei Autopsien kurz MeningokokkenInfektionsgefahr in der Pathologie SARSInfektionsgefahr, Pathologie Multiresistente gramnegative ErregerInfektionsgefahr, Pathologienach Todeseintritt Ansteckungsgefahr (Healing et al. 1995). Das gilt prinzipiell auch für das schwerere akute Atemnotsyndrom durch Coronaviren (SARS-CoV), obwohl bislang kein Übertragungsfall durch Umgang mit diagnostischen Proben oder bei Autopsien bekannt geworden ist (CDC-SARS Guidance 2005; Marty und Racz 2011). Von längerzeitig beerdigten Verstorbenen geht dagegen keine Infektionsgefahr aus. Das gilt auch für Pest, Cholera, Typhus, Tbc und Pocken, da diese Erreger unter den Bedingungen des Erdgrabs kein Langzeitüberleben zeigen. Eine Ausnahme bildet der Milzbranderreger, der noch nach Jahrzehnten im Boden lebensfähig ist. Auch Salmonellen können bis zu 2 Jahre im Boden infektiös bleiben. Schimmelpilzsporen können bei Exhumierungen ein gesundheitliches Risiko darstellen (Healing et al. 1995), z. B. bei der Untersuchung von Mumien oder anderen postmortal veränderten Leichen. Für MRGN ist die Überlebensfähigkeit nur in vitro bzw. auf Flächen untersucht und kann z. B. für A. baumanii bis zu einem Jahr, für VRE und Klebsiella spp. bis zu 30 Monaten und für EHEC 179 d (untersucht im Boden) betragen (Kramer und Assadian 2014). Insofern ist bei Exhuminierungen innerhalb der ersten 3 Jahre nach dem Begräbnis eine Infektiosität nicht auszuschließen. Vogelgrippe und andere Influenzaarten: DasInfluenzaInfektionsgefahr in der Pathologie Risiko im Umgang mit Gewebeproben oder bei Autopsien von Patienten mit Vogelgrippe oder anderen Influenzaarten ist nicht höher als der Umgang mit daran erkrankten Patienten. Influenzaviren sind empfindlich gegen die üblichen Desinfektionsmittel und überleben üblicherweise bis 2 d in der Umgebung (Kramer et al. 2006). Vogelgrippeviren können in Abhängigkeit von pH-Wert, Feuchtigkeit, Temperatur und Salzgehalt 120–180 d persistieren (Brown et al., 2007, Brown, 1980). Hier stellen Obduktionen zeitnah nach dem Todeseintritt eine Gefährdung dar. 5.28.2 Verletzungsrisiken Bei ObduktionVerletzungsrisikoder Obduktion besteht die Gefahr der Stich- oder Schnittverletzung an scharfkantigen Knochenbrüchen bei Unfallopfern oder Opfern von Tötungsdelikten und an scharfkantigen Gegenständen im Körper des Leichnams. Diese können auf verschiedenste Weise in den Körper eingebracht worden sein: Metallteile im Rahmen von Explosionen, Projektilfragmente, abgebrochene Messerklingen bei Suizid und Tötungsdelikten und im Körper verbliebene MP. Bei letzteren kann es sich um im Körper verbliebene Injektionsnadeln z. B. bei i. v. Drogenabhängigen, die HIV/HBV/HCV-Risikopatienten sind (Hutchins et al. 2001), oder um implantierte MP wie spitzkantige Vena cava (Greenfield)-Filter (Abraham und Greenfield 1995) oder vergleichsweise stromstarke Defibrillatoren (Prahlow et al. 1997) handeln. Das Vorgehen bei der Obduktion birgt Verletzungsgefahren. Scharfkantige Knochenfragmente können z. B. bei Eröffnung des Brustkorbs und des Schädels entstehen oder in Folge von Unfallverletzungen vorliegen. Die Obduzenten sollten bei zu stark gekühlten oder partiell gefrorenen Leichen (Rechtsmedizin) besondere Vorsicht walten lassen. Mit kalten Fingern sind scharfe Kanten meist erst spät spürbar. Die Verletzungsgefahr ist deutlich erhöht. 5.28.3 Gefährdung durch chemische Noxen und radioaktive Strahlen Chemische Risiken gehen von folgenden, häufig verwendeten Stoffen aus: Phenol, Xylol, aromatische Amine, Methacrylate, Aldehyde, Diaminobenzidin, Natriumazid, Nitrite, Bleisalzverbindungen, sublimathaltige Fixanzien, Aceton und Trichlorethylen. Die ObduktionStrahlenexposition StrahlenexpositionObduktionMöglichkeit der Strahlenexposition besteht bei vor dem Tod vorgenommener Radioiodtherapie mit 131I, Afterloadingtherapie mit 125I sowie Schmerztherapie von Skelettmetastasen mit 89Sr (Adrion und Pira 1994). Obwohl die meisten eingesetzten Radionuklide eine Halbwertszeit < 6 h besitzen, empfiehlt sich die Dosimetrie des Leichnams bei entsprechender Anamnese. Bei Überschreitung des 5 × 102-fachen, bei umschlossenen radioaktiven Stoffen des 5 × 103-fachen der Freigrenzen muss die Sektion bei Einhaltung der Schutzvorschriften für beruflich Strahlenexponierte gemäß Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin (BMU 2002) in einem gekennzeichneten Kontrollbereich mit Strahlenschutzvorrichtungen durchgeführt und von einem Strahlenschutzbeauftragten, der nicht Arzt zu sein braucht, beaufsichtigt werden. Leichenkonservierung und Gewebeprozessierung: Es empfiehlt sich, den Anteil von Formaldehyd ObduktionFormaldehydexposition FormaldehydExposition bei Obduktion Leichenkonservierungfür die Gewebepräparation durch Wässerung der Präparate zu reduzieren bzw. zu eliminieren (Kalanjati et al. 2012; Khouri 2012; Koch et al. 2001; Nicholson et al. 2005; Whitehead und Savoia 2008). Alternativ kann über jedem Präpariertisch eine leistungsfähige Absaugung installiert werden (realisiert z. B. im Institut für Anatomie der Universitätsmedizin Greifswald), wodurch der Formaldehydgehalt in den meisten Fällen unter die Nachweisgrenze gesenkt werden kann (Demer et al. 1996). Xylolbehälter für Einbettung und Entparaffinierung müssen entweder geschlossen gehalten oder unter einem Abzug genutzt werden. Es ist obsolet, Xylol zur Reinigung von Equipment im Wärmeofen aufzuheizen. Diese Arbeiten müssen unter einem Abzug erfolgen. Mit Fensterbelüftung oder Ventilatoren gelingt es nicht, die MAK-Werte einzuhalten, was mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden ist. So wurden bei exponierten Studenten mit einer Belastung von 0,5 ppm eine signifikante Herabsetzung des Geruchsvermögens sowie Reizungen von Augen und Rachen sowie Mundtrockenheit beobachtet (Chia et al. 1992; Onyije und Avwioro 2012). Bei einer Exposition zwischen 0,07 und 2,94 ppm traten bei 32/34 Mitarbeitern Reizungen von Augen, Nasen, Rachen und Atemwegen auf, verbunden mit signifikanter Herabsetzung des forcierten exspiratorischen 3 Sekundenwerts (FEV3) (Akbar-Khanzadeh et al. 1994). Als weitere Nebenwirkungen wurden abdominale Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Dermatitis, Sinusitis und Kurzatmigkeit beobachtet. Bei Raumluftmessungen ist zu beachten, dass die Konzentrationen abhängig vom Standort der Personen 2–3fach höher sein können als die mittlere Raumluftkonzentration (Ohmichi et al. 2012). 5.28.4 Hygienemaßnahmen bei Autopsien Basismaßnahmen Der obligatorische PersonenschutzPersonalschutzObduktion ObduktionPersonalschutz umfasst das Tragen von 2 Paar Gummihandschuhen bzw. sicherer von schnittfesten Schutzhandschuhen (Fritzsche et al. 2008), flüssigkeitsdichtem Schutzkittel oder Einwegschürze, beschlagfreier (Schutz-)Brille und MNS als Spritzschutz. Bei ObduktionHygienemaßnahmender Obduktion sollen folgende Grundsätze beachtet werden: • Im Obduktionssaal halten sich nicht mehr Personen als notwendig auf. • Der gemäß Strafprozessordnung berechtigte Kreis anwesender Personen bei gerichtlichen Sektionen (Staatsanwalt, Kriminalbeamte) muss über das Verhalten im Autopsieraum unterrichtet werden. Bei Arbeiten an Leichen durch Nichtmediziner (Foto, Asservierung von Kleiderproben und Fingerabdrücken) gelten die gleichen Hygienevorschriften wie für das Sektionspersonal, d. h. Schutzkleidung, Schutzhandschuhe (Fritzsche et al. 2008; Saternus und Madea 2007) und Händedesinfektion bei Verlassen des Sektionssaals. • Die Obduktion wird so durchgeführt, dass Blutantrocknungen an Leiche, Sektionstisch und Fußbodenflächen vermieden werden. Dazu wird eine ruhig fließende, Spritzwasser und Aerosolbildung vermeidende Tischbewässerung empfohlen. • Zum Schutz vor Schnittverletzungen wird nur unter Sicht und mit scharfen Skalpellen oder Messern präpariert. • Entnommene Organe werden bis zur klinischen Demonstration auf hierfür vorgesehene Tabletts abgelegt. • Gewebeproben zur histologischen Untersuchung sollen nicht in Glasgefäßen asserviert werden. Die Gefäße müssen dicht verschließbar sein und sollen mindestens fünfmal mehr Volumen an Fixierungsflüssigkeit als zu fixierendes Gewebe enthalten. Gegebenenfalls wird die Fixierungsflüssigkeit gewisse Zeit nach der Erstasservierung gewechselt. • Beim Sägen von Schädel und Rückenmarkkanal müssen Aerosole vermieden werden. Das gelingt nur durch Verwendung von Handsägen. Bei Verwendung oszillierender Sägen muss eine FFP2-Maske getragen werden bzw. die oszillierende Säge muss mit einer Absaugvorrichtung ausgestattet sein. Bei Patienten mit Verdacht auf Tbk (unklarer Lungenbefund reicht als Verdacht aus), Virushepatitis, AIDS oder CJD birgt der Einsatz oszillierender Sägen immer eine Gesundheitsgefahr für die Mitarbeiter, auch für jene, die erst später den Sektionssaal betreten. Bei Verwendung von Handbügelsägen zur Schädeleröffnung oder zum Heraustrennen anderer Skelettteile entstehen große, nicht erheblich schwingungsfähige Partikel in geringerer Zahl (Kernbach-Wighton et al. 1998; Saternus und Madea 2007), sodass die Infektionsgefahr gering ist. Die Verwendung oszillierender Sägen erhöht die Menge kleiner schwebefähiger Partikel, die im Umkreis von 6–8 m über viele Stunden nachweisbar waren (Kernbach-Wighton und Saternus 1997) und teilweise bis in die Lungenalveolen eingeatmet werden können. • Nach abgeschlossener Obduktion wird eine Raum- und Flächenreinigung und -des-infektion vorgenommen. Die Instrumentenaufbereitung erfolgt nach den Grundsätzen zur Aufbereitung von MP (Task Force vCJD 2002). Besondere Schutzmaßnahmen bei Verdacht auf Tbc, HIV, HBV, HCV und weitere problematische Infektionserreger Zur Prävention von Verletzungen darf bei der Organentnahme stets nur eine Person mit Sektionsinstrumenten am Leichnam arbeiten. Sofern sich während der Obduktion ein Tbk-Verdacht ergibt, soll auf die klinische Demonstration unfixierter Organe verzichtet werden. Der Sektionssaal ist unmittelbar nach der Obduktion der gründlichen Desinfektion und Reinigung zu unterziehen. Asservate sind mit dem Hinweis der Tbk-Gefährdung zu kennzeichnen. Für die Dauer der Obduktion und des nachfolgenden Aufenthalts im Obduktionssaal müssen alle Anwesende eine partikelfiltrierende Halbmaske gemäß EN 149 der Schutzstufe FFP2 anlegen. Bei Hinweis auf multiresistente Tb-Erreger empfiehlt sich Schutzstufe FFP3 (Kramer et al. 1997; Saternus u. Madea 2007). Zum Schutz nachfolgender Kontaktpersonen sollte bei HIV, analog wie bei Virushepatitis, TSE, SARS, ESBL u. a. meldepflichtigen Infektionserkrankungen, die Leiche als „infektiös“ gekennzeichnet und dem Bestatter in einer Schutzhülle (Leichensack, bodybag) übergeben werden. Besondere Schutzmaßnahmen bei Verdacht auf eine Prionkrankheit Der CJD-Verdacht PrionkrankheitenHygienemaßnahmen, Obduktionist auf dem Probenbegleitschein zu vermerken. Zusätzlich zu den gleichen Vorkehrungen wie bei Verstorbenen mit HIV-Infektion bzw. AIDS werden folgende Schutzmaßnahmen empfohlen (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012b; Meyermann 2011; Mitglieder-Handbuch des Berufsverbandes Deutscher Pathologen e. V.; Schulz-Schaeffer et al., 1998, Schulz-Schaeffer et al., 2006): • Die Obduktion kann prinzipiell in jeder Pathologie/Rechtsmedizin stattfinden. Der Sektionssaal muss ausreichend geräumig sein, sodass die handelnden Personen sich frei und ohne Gefahr akzidenteller Kontamination bewegen können. Nicht benötigte Einrichtungsgegenstände wie der Sektionstischaufsatz werden aus dem Raum entfernt. • Bei der Sektion sind mindestens zwei, besser drei Personen anwesend. Eine Person bleibt sauber, dokumentiert und kann zur Not helfend eingreifen. • Liquorpunktion, Probeexzision, Blutentnahme und Punktion innerer Organe sind unter Einhaltung der persönlichen Schutzmaßnahmen (Gesichtsmaske, Augenschutz, Schnittschutz) unter Verwendung von Einmalmaterialien durchzuführen. • Es wird empfohlen, schnittfeste KEVLAR-Handschuhe (oder Kettenhandschuhe) unter den üblichen Sektionshandschuhen zusätzlich zum obligatorischen Personenschutz zu tragen. • Die Sektion erfolgt als in situ Obduktion auf einem mit Plastikfolien abgedeckten Sektionstisch ohne Verwendung von Wasser und Aufnahme aller Flüssigkeit mit Zellstoff. • Hirn- und ggf. Rückenmarkentnahme erfolgen als letzter Sektionsschritt nach Aufsägen von Schädelkalotte und Wirbelsäule möglichst ohne Verletzung von Hirn und Rückenmark mittels Handsäge. • Verbrauchsmaterialien (Tischabdeckung, Zellstoff, Einmalmaterial) werden nach Obduktion in dichten, nicht wieder zu öffnenden, bruchsicheren Plastiktonnen mit der Kennzeichnung „biohazard“ (6.2) UN 3373 zur Entsorgung durch Verbrennen gegeben (AS 180103). Gemäß der Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes können TSE-haltige Abfälle nur durch Verbrennen entsorgt werden (LAGA 2014). • Die Instrumentenaufbereitung erfolgt durch Einlegen in 2M NaOH-Lösung für 2 mal 30 min mit zwischenzeitlichem Lösungswechsel oder über Nacht mit anschließendem Sattdampfautoklavieren bei 134 °C für 1 h (Prionprogramm). • Der Leichnam wird nach Sektion mit 1–2N NaOH gereinigt; die Abgabe des Leichnams erfolgt im Bodybag mit der Kennzeichnung infektiös. • Personalschutz: Kontaminierte Haut sollte für 5 min mit 1N NaOH gewaschen und danach unter fließendem Wasser abgespült werden. Gleiches gilt für Hautverletzungen mit infektiösen Gegenständen. • Kontaminationen auf Oberflächen und Boden sollen mehrfach mit 2N NaOH gewischt werden, um eine längere Einwirkzeit zu gewährleisten. NaOH kann nicht auf Aluminium- oder Zinkoberflächen verwandt werden. Alternativ kann NaOCl mit einem Gehalt an freiem Chlor von mindestens 20 000 ppm eingesetzt werden (Vorsicht, die Lösung enthält reizende Gase; sie muss immer frisch angesetzt werden). Eine Verwendung des Leichnams zu Lehrzwecken in der Anatomie oder Pathologie verbietet sich genauso wie bei Vorliegen einer offenen Lungentuberkulose. Auf das Einbalsamieren des Leichnams durch invasive Maßnahmen ist zu verzichten. Histologische Untersuchungen: Zunächst Prionkrankheitenhistologische Untersuchungensollten aus einer Großhirnhemisphäre je ein etwa 1 cm dicker Frontalschnitt in Höhe des Corpus mamillare, dem Frontal- und Okzipitalpol sowie ein parasagittaler Schnitt durch eine Kleinhirnhemispäre bei –20 bis –80 °C eingefroren werden. Der Rest wird in 4-prozentigem Formalin fixiert. Proben innerer Organe werden wie üblich in Formaldehydlösung fixiert bzw. tief gefroren. Da durch Formaldehydfixierung keine effektive Gewebedesinfektion erreichbar ist, muss die Fixierungslösung als infektiös angesehen und mit dem Verbrennungsabfall entsorgt werden. Für die Genanalyse werden bei CJD-Verdacht 2 Röhrchen Blut bei –20 °C asserviert. Die Hirnsektion wird nach mindestens zweiwöchiger Formaldehydfixierung vorgenommen. Dabei wird das Gehirn auf einem mit Plastikplanen und Zellstoff (Sandwich-Verfahren) abgedeckten Tisch zerlegt. Die oberste Plastikplane enthält Löcher zur Flüssigkeitsaufnahme durch den darunterliegenden Zellstoff. Nach dem Zuschnitt der Gewebeproben werden die Gewebekapseln für 1 h in konzentrierter 98- bis 100-prozentiger Ameisensäure dekontaminiert und für mindestens 6 h in frischer Formaldehydlösung nachfixiert. Zur verlässlichen Gewebeinfiltration sollen die Histozuschnittblöcke nicht dicker als 3–4 mm sein. Nach Dekontamination des Gewebezuschnitts mit Ameisensäure kann dieser in der Routine aufgearbeitet werden. Unter Beachtung der vorgenannten Vorsichtsmaßnahmen bestehen keine Bedenken gegen Obduktionen bei CJD-Verdacht in normal ausgestatteten Sektionsräumen der Pathologie oder Rechtsmedizin (AWFM 2012). 5.28.5 Biopsiediagnostik Grundsätzliche Hygienemaßnahmen Hauptproblem Biopsiediagnostik, Hygienemaßnahmenist der Umgang mit unfixiertem oder nicht vollständig fixiertem Zell- und Gewebematerial. Bis zur vollständigen Fixierung muss prinzipiell von einer potenziellen Infektionsgefahr des Materials ausgegangen werden. Bei den nachfolgenden Arbeitsschritten Einblocken, Schneiden, Entparaffinieren, Färben und Eindecken besteht keine Infektionsgefahr für HBV, HCV, HIV und nach Vorbehandlung mit Ameisensäure auch nicht für CJD. Ebenso geht von mikroskopischen Dauerpräparaten fixierter Gewebe keine Infektionsgefahr aus. Schutzmaßnahmen: • Tragen von Schutzhandschuhen (auch für MTA) mit Handschuhwechsel bei Defekt und nach Kontakt mit besonders gefährlichem und unfixiertem Material sowie mit angetrocknetem Blut (Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF 2012b) und Schutzkleidung. • Ausstattung des Zuschnittplatzes im Arbeitsbereich mit einer Unterflurabsaugung zur Abführung von Formaldehyddämpfen. • Einsatz funktionsfähiger Instrumente mit scharfen Einwegklingen; Arbeitsplatz mit dekontaminierbarer Oberfläche und dekontaminierbaren Zuschnittflächen; die mehrfache Verwendung z. B. von nicht dekontaminierbaren Korkzuschnittflächen ist nicht akzeptabel. • Vermeidung von Aerosolbildung beim Abspülen von Untersuchungsmaterial und beim Sägen (keine oszillierenden Sägen verwenden!); MNS und Schutzbrille sind obligat. • Beachtung der Verletzungsgefahr durch liegende chirurgische Klammern und Markierungssonden sowie beim Anbringen von Nadelmarkierungen. • Vorzugsweise maschinelle Aufbereitung aller eingesetzten Instrumente und wieder verwendbarer Schalen; desinfizierende Reinigung von Arbeitsplatz, Arbeitsplatten und Pinsel, mit denen Farbmarkierungen angebracht wurden, nach Abschluss des Zuschnitts. Große OP-Präparate von Hohlorganen werden in Formaldehydlösung übersandt. Im Eingangslabor der Pathologie wird das Präparat von dem für den Zuschnitt Verantwortlichen (Ärztin/Arzt) an geeigneter Stelle eröffnet und der Befund beschrieben. Anschließend wird das eröffnete Präparat bis zum Abschluss der Fixierung wieder in das Einsendegefäß gegeben. Präparate, die zur eindeutigen Befundbeurteilung vom Operateur aufgespannt übersandt werden, sollen auf einer festen Schaumstoffplatte aufgenadelt werden. Zur Gewährleistung der erforderlichen Fixierung müssen diese Platten umgedreht auf der Formaldehydoberfläche schwimmen (aufgenadeltes Präparat taucht in Formaldehyd ein). Die Schaumstoffplatten werden anschließend entsorgt. Besondere Schutzmaßnahmen Biopsien bei Verdacht auf CJD: Mit Biopsieproben bei Verdacht auf CJD wird ähnlich verfahren wie mit dem histologischen Zuschnitt bei CJD-Autopsien (Kap. 5.28.4). Ein Vorschlag zum Vorgehen ist bei Wemheuer (2013) zu finden. Ist eine Probe nativ eingegangen, sollte etwas Gewebe für biochemische Analysen eingefroren werden. Gefrierschnittdiagnostik: Bei Verdacht auf HIV-Infektion bzw. AIDS, floride HCV-Infektion und Tbc muss die Notwendigkeit der Gefrierschnittuntersuchung gut begründet und im Vorfeld mit den Untersuchern abgestimmt sein. Der obligatorische Personenschutz muss unbedingt eingehalten werden (Kap. 5.28.4). Das Gefrierschnittgerät muss unmittelbar anschließend der gründlichen Desinfektion mit Abbau und Zerlegung der Schneideeinrichtung unterzogen werden. Eine Gefrierschnittuntersuchung bei Verdacht auf Vorliegen einer Prionkrankheit kann nur an Geräten erfolgen, die ausschließlich für diesen Zweck eingesetzt werden. Diese sind in Forschungseinrichtungen mit Prionschwerpunkt vorhanden. 5.28.6 Versand von Probenmaterial Der Versand infektiöser Materialien und Abfälle sowie Körperteile muss entsprechend den „Recommandations of the United Nations Committee of Experts on the Transport of Dangerous Goods“ erfolgen. Ansteckungsgefährliche Materialien werden in Klasse 6 („toxic and infectious substances“), Division 2 („infectious substances“) eingeordnet und entsprechend deklariert. Das gilt auch für den Postversand von Probenmaterial. Beim Materialtransport sind folgende Grundsätze einzuhalten: • Einsatz bruchsicherer, verschließbarer Proben- bzw. Versandgefäße, die eine eindeutige Patientenzuordnung aufweisen, • Hinweis auf spezielle Gefährdungen (Tbc, HIV, HBV, CJD etc.) auf dem Proben- bzw. Versandgefäß, • Einsatz geschlossener, desinfizierbarer Transportbehälter, • Bei Transport von Frischmaterial Tragen von Handschuhen, Frischmaterial nur persönlich an Mitarbeiter übergeben, damit Weiterverwendung sofort eingeleitet werden kann, • Vorschriftsmäßige Verpackung und Deklaration des Materials beim Versand gemäß EU-Vorschriften. 5.28.7 Abfallentsorgung Entsprechend AbfallentsorgungPathologieder Abfallklassifikation (LAGA 18, 2014) gehören Materialien aus bioptischen und autoptischen Arbeitsbereichen zu Abfällen des Abfallschlüssels (AS) 180102 „Körperteile und Organe, einschließlich Blutbeutel und Blutkonserven“. Diese Materialien müssen bereits am Anfallort getrennt erfasst und der gesonderten Beseitigung (zugelassene Verbrennungsanlage) ohne vorherige Vermischung mit Siedlungsabfällen zugeführt werden. Sie werden in sicher verschlossenen, zur Verbrennung geeigneten, undurchsichtigen (üblicherweise schwarzen), zum Transport zugelassenen Einwegbehältnissen zur Vermeidung von Gasbildung nur begrenzt gelagert und ohne Umfüllen oder Sortieren durch autorisierte Entsorgungsunternehmen transportiert. Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden (AS 180103) werden unmittelbar am Ort ihres Anfallens in reißfesten, feuchtigkeitsbeständigen und dichten Behältnissen (z. B. bauartgeprüfte Gefahrgutverpackung) gesammelt und ohne Umfüllen oder Sortieren in sicher verschlossene Behältnisse als „biohazard“ gekennzeichnet zur zentralen Sammelstelle befördert und in einer zugelassenen Anlage verbrannt. Eine vorherige Desinfektion und nachfolgende Zuordnung zu AS 180104 ist nicht gestattet. Unter diese Klassifikation fallen z. B. folgende Erkrankungen: AIDS-/HIV-Infektion, Virushepatitis, CJD, vCJD, Tbk, Meningitis/Enzephalitis, Lepra, Milzbrand, Pest, Tollwut und Tularämie (LAGA 18, 2014). Infektiöse Körperteile und Organe werden in sicher verschlossenen, zur Verbrennung geeigneten, undurchsichtigen (üblicherweise schwarzen), zum Transport zugelassenen Einwegbehältnissen mit Kennzeichnung AS 180102 und zusätzlicher Gefahrgutkennzeichnung „biohazard“ (UN 3291) transportiert. 5.29 Arbeitsschutz, betriebsärztliche Betreuung Uta Ochmann und Dennis Nowak 5.29.1 Rechtsgrundlagen Arbeitsschutz Gesetzliche Regelungen Rechtsgrundlage ArbeitsschutzRechtsgrundlagenaller gesetzlichen Regelungen ist die Verfassung. Im Art. 2 findet sich das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Regelungen des Europarechts stehen nach Art. 23 des Grundgesetzes (GG) über dem Grundgesetz, müssen jedoch einen dem Grundgesetz gleichwertigen Grundrechtsschutz gewährleisten. Nachgeordnet dienen das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Adressat der Gesetzgebung im Arbeitsschutz ist immer der Unternehmer. Zu den Grundpflichten des Unternehmers gehören die Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für die Erste Hilfe. Den Gesetzen und Verordnungen zum Arbeitsschutz untergeordnet werden auf staatlicher Ebene technische Regeln und Beschlüsse zu biologischen Arbeitsstoffen (TRBA) vom Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) sowie technische Regeln und Beschlüsse zu Gefahrstoffen (TRGS) vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) herausgegeben. Der Arbeitgeber hat nach § 1 ASiG Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, die ihn beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen. Arbeitgeber im ArbeitgeberSinne des ASiG sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personalgesellschaften, die Personen arbeitsrechtlich beschäftigen. Als Betriebe sind geschlossene Einheiten, die durch organisatorische Eigenständigkeit mit eigener Entscheidungscharakteristik geprägt sindBetrieb. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes gelten die Dienststellen als Betriebe. Beschäftigte sind Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 5 (1) des Arbeitsgerichtsgesetzes, Beamte, Richter, Soldaten sowie die in Werkstätten für Behinderte Beschäftigte. BeschäftigteNach der Biostoffverordnung zählen neben den im Arbeitsschutzgesetz genannten Personengruppen auch ausdrücklich Schülerinnen und Schüler, Studierende und sonstige Personen, insbesondere an wissenschaftlichen Einrichtungen und in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes Tätige zu den Beschäftigten. Vorschriften/Regeln der Unfallversicherungsträger Für den ArbeitsschutzArbeitsschutzGesetzgebung Unfallversicherungen existiert in Deutschland eine duale Gesetzgebung. Zusätzlich zum Staat dürfen auch die Unfallversicherungsträger nach § 15 SGB VII Vorschriften und Regeln über Maßnahmen erlassen, die der Arbeitgeber zur Erfüllung der gesetzlichen Forderungen zu treffen hat. Für Krankenhäuser ist meist die Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), für Kliniken in öffentlicher Hand sind die Unfallkassen die zuständigen Träger. Für Unternehmer und Versicherte sind die Vorschriften und Regeln des zuständigen Unfallversicherungsträgers in Ergänzung zur staatlichen Gesetzgebung verbindlich geltendes Recht. Den Unfallversicherungen mit ihrem Spitzenverband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) wird zusammen mit den Krankenkassen in der Sozialgesetzgebung ein erweiterter Präventionsauftrag zugewiesen. Dieser ist durch ein gemeinsames Mitwirken bei der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen sowie bei der betrieblichen Gesundheitsförderung zu erfüllen. Die Integration des Betriebsarztes ist dabei unerlässlich. Die DGUV-Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ ist die Basisvorschrift für die berufsUnfallversicherungenDGUV-Vorschrift 1genossenschaftliche Prävention. Sie enthält die Grundpflichten für Unternehmer und Versicherte sowie Informationen über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes. Zu den in der DGUV-V1 aufgeführten Grundpflichten des Unternehmers gehören die Beurteilung der Arbeitsbedingungen sowie die Dokumentation und die Unterweisung der Versicherten. Die Eigenverantwortung des Unternehmens für den betrieblichen Arbeitsschutz wird durch das neue Konzept der DGUV-V1 gestärkt. Praktische Hilfen zur Umsetzung der DGUV-V1 werden in der DGUV-Regel 100–001 „Grundsätze der Prävention“ gegeben. Die Versicherten sind gemäß DGUV-V1 jährlich über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit aktenkundig zu unterweisen. Die Versicherten werden verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie nach Unterweisung und Weisung des Unternehmers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie für Sicherheit und Gesundheitsschutz derjenigen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen betroffen sind. Die übergeordnet im ASiG verankerte Bestellpflicht von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit wird gleichfalls als Kernelement des betrieblichen Arbeitsschutzes in der DGUV-V1 aufgeführt. Die DGUV-Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ erläutert die Maßnahmen, die UnfallversicherungenDGUV-Vorschrift 2der Unternehmer zur Erfüllung der sich aus dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) ergebenden Pflichten zu treffen hat. Die Aufgabenfelder der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen BetriebsarztAufgabenBetreuung ergeben sich detailliert aus der DGUV-Vorschrift 2; die Grundbetreuung nach vorgegebenen Einsatzzeiten, die betriebsspezifische Betreuung zusätzlich in Abhängigkeit vom Gefährdungspotenzial der Arbeitsplätze. Auf Verlangen des Unfallversicherungsträgers hat der Unternehmer nachzuweisen, dass er seine Pflicht zur Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit erfüllt hat. Betriebsärzte Betriebsarztkönnen als ständig oder zeitweise tätige Kräfte bestellt, eingestellt oder freiberuflich tätig sein. Sie können auch einem überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst angehören, den der Unternehmer verpflichtet hat. Die Einsatzzeit ist die Arbeitszeit, die Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Betrieb mindestens zur Verfügung stehen muss. Nach DGUV-V2 wird die Einsatzzeit für die Grundbetreuung als Summenwert für Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit berechnet. Die Betriebe werden in Abhängigkeit von ihrem Gefährdungsprofil in 3 Gruppen eingeteilt. Krankenhäuser und Kliniken sind der Gruppe 2 zugeordnet, in der 1,5 h/Jahr je Arbeitnehmer notwendig sind. Die Einsatzzeit ist auf Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit aufzuteilen, wobei jedoch pro Seite nicht weniger als 0,2 h/Jahr je Arbeitnehmer angesetzt werden dürfen. Die BGW empfiehlt eine 1 : 1 Verteilung für den Gesundheitsdienst. Der Bedarf an zusätzlicher betriebsspezifischer Betreuung ist vom Unternehmer unter Mithilfe von Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft durch Prüfung aller Arbeitsplätze und Tätigkeiten gemäß DGUV-Vorschrift 2 zu ermitteln. Staatliche Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen VorsorgeArbeitsmedizinische Vorsorge, Verordnung (ArbMedVV) fasst die Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge aus Gefahrstoff-, Biostoff-, Gentechniksicherheits-, Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutz-, Druckluft- und Bildschirmarbeitsverordnung zusammen. Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsschutzes und soll zur Beschäftigungsfähigkeit und Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes beitragen. Untersuchungen nach Röntgen- und Strahlenschutzverordnung (RöV, StrSchV), die als Tätigkeitsvoraussetzung zu veranlassen sind, und Untersuchungen bei Schicht- und Nachtarbeit, die nach Arbeitszeitgesetz den Arbeitnehmern anzubieten sind, sowie Eignungsuntersuchungen wurden nicht in die ArbMedVV integriert. 5.29.2 Betriebsärztliche Betreuung Um als BetriebsarztBetriebsarzt bestellt werden zu können, bedarf es neben der Approbation als Arzt der arbeitsmedizinischen Fachkunde. Die Fachkunde kann als gegeben betrachtet werden bei Fachärzten mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder anderen Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“. Bei der Anwendung seiner arbeitsmedizinischen Fachkunde ist der Betriebsarzt weisungsfrei. Er unterliegt nur seinem ärztlichen Gewissen und muss die gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse beachten. Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und den Fachkräften für Arbeitssicherheit ist im ASiG vorgeschrieben. Aufgaben des Betriebsarztes Die BetriebsarztAufgabenbetriebsärztlichen Aufgaben nach ASiG und DGUV-V2 umfassen die Aufgabenfelder der Grundbetreuung, darunter fallen: • die Unterstützung des Arbeitgebers bei Arbeitsplatzbegehungen, Gefährdungsbeurteilungen, Arbeitsgestaltung, • Untersuchungen von Unfallereignissen und Schwerpunkten arbeitsbedingter Erkrankungen, • die Arbeitnehmerberatung, • die Arbeitgeberberatung und Teilnahme am Arbeitsschutzausschuss, • die regelmäßige eigene Fortbildung. Weitere betriebsspezifische Aufgaben können sich aus den betrieblichen Erfordernissen und der Gefährdungsbeurteilung ergeben. Hierzu zählen Themen wie • Arbeitsmedizinische Vorsorge, • Arbeitsgestaltung zur Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, • Erhalt der individuellen gesundheitlichen Ressourcen im Zusammenhang mit der Arbeit, • Beratung zu Fragen des Arbeitsplatzwechsels und der Eingliederung Leistungsgeminderter und Behinderter in den Arbeitsprozess, • Unterstützung bei der Weiterentwicklung eines Gesundheitsmanagements, • betriebliche Gesundheitsförderung, • Beratung des Arbeitgebers bei grundlegende Veränderungen, wie Einführung neuer Arbeitsstoffe, Errichtung neuer Arbeitsplätze oder Betriebsanlagen, Planung von Umbau oder Neubaumaßnahmen, Änderungen von betrieblichen Abläufen und Prozessen. Die Schnitt- und StichverletzungenBetriebsarzt BetriebsarztNadelstichverletzungenAufgaben des Betriebsarztes bei der Thematik Nadelstichverletzungen sind vor allem in der Beratung zu folgenden Punkten zu sehen: 1. Der Arbeitgeber soll die Sofortmaßnahmen nach Nadelstichverletzungen für alle gefährdeten Mitarbeiter regelmäßig in Unterweisungen erklären und sichtbar aushängen. 2. Die Mitarbeiter sind bei den Unterweisungen und bei den arbeitsmedizinischen Vorsorgen regelmäßig über die Wichtigkeit, eine Nadelstichverletzung zu melden, zu informieren. 3. Der zuständige D-Arzt, bei dem sich der Betroffene nach Nadelstich unverzüglich vorstellen soll, muss bekannt sein. Ein Verweisen an den Betriebsarzt ist nicht sinnvoll, da dieser die Medikamente für eine Postexpositionsprophylaxe nicht vorrätig hat (Kap. 5.29.4). 4. Nach Erstversorgung durch den D-Arzt kann der Betriebsarzt die weiteren von der Berufsgenossenschaft vorgesehenen Kontrolluntersuchungen vornehmen. Die Aufgaben des Betriebsarztes bei Hinweisen auf Drittgefährdung durch Mitarbeiter mit blutübertragbaren Infektionserkrankungen (insbesondere Ausführen von Tätigkeiten mit hoher Übertragungswahrscheinlichkeit in Kombination mit hoher Viruslast) sind wie folgt zu sehen: 1. Prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen die Gefährdung beseitigen können. 2. Wenn eine ggf. auch befristete Änderung der Arbeitstätigkeiten und damit eine Information des Arbeitgebers erforderlich sind, bedarf es der Zustimmung des Betroffenen. Grundsätzlich unterliegt der Betriebsarzt der ärztlichen Schweigepflicht, ein Brechen wäre nach Güterabwägung nach § 34 Strafgesetzbuch möglich. 3. Bei Zustimmung des Betroffenen sollte eine Expertenkommission am Klinikum, bestehend aus ärztlichem Direktor/Pflegedirektion, ggf. Vertreter der Personalabteilung, Hygieniker, Betriebsarzt, Personalrat und ggf. Schwerbehindertenbeauftragtem, nach den Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V. (DVV) über Maßnahmen entscheiden. Bei Nichtzustimmung kann dieses anonym erfolgen. 4. Wenn keine Vorgehensweise und Expertenkommission am Klinikum implementiert sind, sollte der Betriebsarzt dieses initiieren. Weiterhin Eingliederungsmanagement, betrieblichesist der Betriebsarzt am betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) beteiligt. Der Arbeitgeber ist nach SGB IX verpflichtet, Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres > 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, eine betriebliche Wiedereingliederung anzubieten. Er klärt mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich, kann der Betriebsarzt zur Unterstützung für folgende Punkte hinzugezogen werden: • Erstellung eines Fähigkeitsprofils im Hinblick auf zusätzlichen Therapiebedarf • Arbeitsplatzbegehung mit Gefährdungsbeurteilung • Abgleich des Fähigkeitsprofils des Mitarbeiters mit dem Anforderungsprofil am Arbeitsplatz • Erstellung eines Wiedereingliederungsplans • Begleitung des Mitarbeiters bei der Wiedereingliederung und individuelle Anpassung der Belastung und der Arbeitsinhalte • Kooperation mit Sozialleistungsträgern, Integrationsamt und Integrationsfachdiensten • Unterstützung des Betriebs bei der Beschaffung von Arbeitshilfen Betriebsbegehungen zur BetriebsbegehungenBeurteilung der Arbeitsbedingungen und der mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen gehören zu den wichtigsten Aufgaben des Betriebsarztes. Gefährdungsbeurteilung Die GefährdungsbeurteilungGefährdungsbeurteilung ist im betrieblichen Arbeitsschutz von zentraler Bedeutung. Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind alle Arbeitgeber – unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Die Verantwortung für Durchführung und Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen verbleibt beim Unternehmer, auch wenn er andere fachkundige Personen, z. B. Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte, damit beauftragt. Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu aktualisieren. Liegt eine Gefährdung vor, sind Schutzmaßnahmen in folgender Reihenfolge zu treffen („STOP“-Prinzip): • Ersatz des gefährlichen Arbeitsstoffes durch einen ungefährlichen (Substitution = S) • Änderung des Arbeitsverfahrens zum Ausschluss der schädigenden Einwirkung (Technische Schutzmaßnahmen = T) • Änderung der Arbeitsabläufe (Organisatorische Schutzmaßnahmen = O) • Anwendung persönlicher Schutzausrüstungen (Persönliche Schutzmaßnahmen = P) Gefährdungsbeurteilung biologische Arbeitsstoffe Der Gefährdungsbeurteilungbiologische ArbeitsstoffeBegriff biologischer Arbeitsstoff umfasst Mikroorganismen, auch gentechnisch veränderte Mikroorganismen, Zellkulturen, humanpathogene Endoparasiten sowie mit transmissibler, spongiformer Enzephalopathie assoziierte Agenzien (z. B. BSE), die beim Menschen Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen hervorrufen können. Für die Gefährdungsbeurteilung des Infektionsrisikos wurden die biologischen Arbeitsstoffe in Risikogruppen eingeteilt (BioStoffV)Arbeitsstoffe, biologischeRisikogruppen: • Risikogruppe 1: biologische Arbeitsstoffe, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie beim Menschen eine Krankheit verursachen. • Risikogruppe 2: biologische Arbeitsstoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen können. Eine Verbreitung des Stoffs in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist normalerweise möglich. • Risikogruppe 3: biologische Arbeitsstoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können. Die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist normalerweise eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich. • Risikogruppe 4: biologische Arbeitsstoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen. Die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung ist u. U. groß; normalerweise ist eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung nicht möglich. Die Biostoffverordnung Arbeitsstoffe, biologischeBiostoffverordnungBiostoffverordnung fordert bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung, in der Biotechnologie sowie in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes die Festlegung von Schutzmaßnahmen in den Schutzstufen 1–4 in Abhängigkeit von der Tätigkeit, der Risikogruppe der Erreger, der Dauer und Art der Exposition sowie der Übertragungswege. Die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen sind den Anhängen der BioStoffV zu entnehmen. Während Schutzstufe 1 allgemeine Hygienemaßnahmen umfasst, müssen die Maßnahmen der Schutzstufen 2–4 dem steigenden Gefährdungsgrad Rechnung tragen. Sensibilisierende und toxische Wirkungen sind zusätzlich zu berücksichtigen und auch hierfür geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen. Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung ist der Arbeitgeber verpflichtet, Tätigkeiten, bei denen Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen vorkommt, einer Schutzstufe zuzuordnen. Daraus sind die technischen, organisatorischen und persönlichen Sicherheitsmaßnahmen entsprechend der Gefährdung abzuleiten, zu veranlassen und auf Wirksamkeit zu überprüfen. Die Anzeige von gezielten Tätigkeiten mit einem biologischen Arbeitsstoff der Risikogruppen 2, 3 oder 4 bei der zuständigen Behörde obliegt dem Arbeitgeber, ebenso die Aufbewahrung des Verzeichnisses über die Beschäftigten, die gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppen 3 oder 4 ausüben. Die Anzeigepflicht besteht auch für nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppen 3 und 4. Die technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe konkretisieren Arbeitsstoffe, biologischetechnische Regelndie Anforderungen aus der BioStoffV. • Die TRBA 001 gibt einen Überblick über das gesamte Regelwerk. Beachtet der Arbeitgeber die in den TRBA-Regeln gegebenen Empfehlungen, kann er davon ausgehen, dass er die geforderten Schutzziele erreicht. • Grundlegende Maßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen werden in der TRBA 500 ausgeführt. • Die TRBA 250 beinhaltet spezifische Informationen zu biologischen Arbeitsstoffen im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege. • Die TRBA 400 „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“ liefert eine Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung auch anhand von Beispielen. Zusätzlich geben Beschlüsse des Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) Informationen zu spezifischen Themen wie „Kriterien zur Auswahl der PSA bei Gefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe“ oder „Empfehlung spezieller Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch hochpathogene aviäre Influenzaviren (Klassische Geflügelpest, Vogelgrippe)“. Neben der spezifischen Aufgabe der Gefährdungsbeurteilung sind im Rahmen betriebsärztlicher BegehungenBetriebsbegehungenPräventionsschwerpunkte BetriebsarztPräventionsschwerpunkte BetriebsbegehungenKrankenhaus im Krankenhaus folgende Präventionsschwerpunkte besonders zu beachten: • Bauliche und technische Schutzmaßnahmen: leicht erreichbare Handwaschplätze mit fließendem kaltem und warmem Wasser, Händedesinfektionsmittelspender, hautschonende Flüssigseifen, Hautschutz und -pflegemittel, Einmalhandtücher; separate Toiletten für Personal und Patienten (außer bei Bestandschutz); leicht zu reinigende, gegen Reinigungs- und Desinfektionsmittel beständige Oberflächen; Verwendung sicherer medizinischer Instrumente; stich- und bruchsichere Abfallbehälter für Kanülen. • Organisatorische und hygienische Maßnahmen: Einhalten von BeschäftigungsbeschränkungenBeschäftigungsbeschränkungen für Jugendliche, werdende oder stillende Mütter (Jugendarbeitsschutz-, Mutterschutzgesetz, -richtlinienverordnung); getrennte Aufbewahrung von Schutz- und anderer Kleidung; Verzicht auf Schmuck, der die Händedesinfektion behindert. • Persönliche Schutzausrüstungen: Schutzkleidung und sonstige persönliche Schutzausrüstungen, insbesondere dünnwandige, flüssigkeitsdichte, allergenarme Handschuhe in ausreichender Stückzahl; Festlegungen für die regelmäßige Desinfektion, Reinigung und Instandhaltung der Schutzausrüstungen und Arbeitskleidung. • Verhalten bei Unfällen: Sofortmaßnahmen bei Stich- und Schnittverletzungen und Postexpositionsprophylaxe nach sonstigen Infektionskontakten; Dokumentation von Arbeits- und Wegeunfällen einschließlich Nadelstichverletzungen. • Unterrichtung der Versicherten: regelmäßige Unterweisungen zu Fragen des Arbeits-, Gesundheits- und Brandschutzes mit Dokumentation; Vorhandensein von Betriebsanweisungen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen und mit Gefahrstoffen; Vorhandensein von Hygiene- und Hautschutzplänen. Es ist sinnvoll, wenn an den Begehungen in Kliniken ein Vertreter der Pflegedienstleitung, der Krankenhaushygieniker, die Hygienefachkraft (HFK), die Sicherheitsfachkraft, der Betriebsarzt und ein Mitarbeiter der Personalvertretung teilnehmen. Ebenso hat sich im Interesse der Bündelung der Anliegen die parallele Bewertung von Arbeits- und Infektionsschutz nach Arbeitsschutz- und GefahrstoffV sowie IfSG bewährt. Die ArbeitsschutzausschussBildung des Arbeitsschutzausschusses (ASA) ist bei > 20 Beschäftigten erforderlich (ASiG). Der Arbeitsschutzausschuss tritt mindestens 4-mal im Jahr zusammen, um die Anliegen von Arbeitsschutz und Unfallverhütung zu besprechen und den Arbeitgeber zu beraten. Die ständigen Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses sind der Arbeitgeber oder dessen Vertreter, zwei Beauftragte des Betriebsrats, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebsarzt und die Sicherheitsbeauftragten der Einrichtung. Bewertung biologischer Arbeitsstoffe unter Berücksichtigung von GenTG, GefStoffV sowie IfSG Axel Kramer Nach Arbeitsstoffe, biologischeBewertungEinführung der BioStoffV wurde in der Universitätsmedizin Greifswald eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Betriebsärztlicher Dienst, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Amt für Arbeitsschutz und Technische Sicherheit, Unfallkasse M/V und Landesamt für Gesundheit und Soziales) zur Umsetzung der Verordnung gebildet. Als Zielgruppen wurden alle Kliniken und Institute, die Studenten der Medizin, Zahnmedizin und Humanbiologie sowie Pflegeschüler festgelegt und in jeder Einrichtung ein Verantwortlicher für die Gefährdungsbeurteilung bestellt. Um eine Regelung in einem Gesamtdokument zu gewährleisten, wurde eine Parallelbewertung nach Arbeits- und Infektionsschutz gemäß Arbeitsschutz- und GefStoffV sowie IfSG vorgenommen. Jeder Einrichtung wurde eine Checkliste zugeschickt. Im Ergebnis der Begehung durch die o. g. Gruppe wurden die Schutzstufe anhand der Checkliste festgelegt, die Betriebsanweisung erstellt und ggf. bauliche und arbeitsschutzmäßige Änderungen festgelegt. Nachfolgend werden die Inhalte der Checklisten verkürzt widergegeben. Es wurde jeweils zwischen nie, selten und regemäßig durchgeführter Tätigkeit unterschieden. Im Arbeitsbereich durchgeführte Tätigkeiten (getrennte Checklisten für Kliniken und Labore): körperliche, nicht invasive Untersuchungen, Krankenpflege, Untersuchung/Behandlung von Patienten mit übertragbaren Infektionskrankheiten bzw. mit MRE, Infusionen, Blutentnahmen/Injektionen, Wundpflege, transurethraler Katheterismus, Umgang mit Krankenwäsche, Entsorgung klinischer Abfälle, endoskopische Untersuchungen, operative Eingriffe mit geringfügigem bzw. mit regelmäßigem Kontakt zu Blut und/oder anderen Körperflüssigkeiten, Aufbereitung von MP oder Laborgeräten, Entsorgung mikrobiologischer Abfälle, Umgang mit Blut, Blutprodukten und Blutbestandteilen, Tätigkeiten mit Aerosolbildung (z. B. Inhalations-, Beatmungstherapie, Intubation, Absaugung, Endoskopie, Wundverbandwechsel), Umgang mit entnommenen Organen, gentechnisch veränderten Mikroorganismen bzw. mit Mikroorganismen in Reinkultur (Risikogruppe) außer zu diagnostischen Zwecken, Zulassungspflichtige/Anzeigepflichtige Arbeiten. Ferner wurde erfragt, ob in der Vergangenheit Erkrankungen auffällig waren, dem Unfallversicherungsträger tätigkeitsbezogene BK-Verdachtsfälle gemeldet und arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt wurden. Zur Risikoaufklärung der Studenten wird bei der Immatrikulation das Merkblatt „Arbeitsmedizinische Vorsorge und Beratung gemäß ArbMedVV“ ausgehändigt. In der 1. Semesterwoche erfolgt eine vierstündige Einweisung zur BioStoffV, GefStoffV, UVV und zum IfSG mit Scheinvergabe. Im Querschnittsfach Klinische Umweltmedizin werden u. a. Praktika zu krankenhaushygienisch relevanten Arbeitsabläufen durchgeführt. Vor Beginn des 1. Klinischen Jahrs wird die Einführungsvorlesung „Grundlagen des Selbstschutzes und des Patientenschutzes“ mit praktischer Demonstration durchgeführt. Eine abschließende Unterweisung findet vor Antritt des Praktischen Jahrs statt. 5.29.3 Ärztliche Untersuchungen im betrieblichen Setting Einstellungsuntersuchung Die EinstellungsuntersuchungEinstellungsuntersuchung ist eine ärztliche Untersuchung vor der Einstellung. Als personalärztliche Aufgabe gehört sie nicht zu den Aufgaben des Betriebsarztes nach ASiG. Die Veranlassung von Einstellungsuntersuchungen liegt im Ermessen des Arbeitgebers. Er kann den Abschluss des Arbeitsvertrags vom Ergebnis der Einstellungsuntersuchung abhängig machen. Daher ist das Einverständnis des Bewerbers zur Untersuchung faktisch nicht erforderlich. Der Zweck der Einstellungsuntersuchung ist ein anderer als bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Der Arzt hat die Frage der gesundheitlichen Eignung für die vorgesehene Tätigkeit zu beantworten, insbesondere, ob • der allgemeine Gesundheitszustand des Bewerbers eine Arbeitsunfähigkeit unmittelbar oder später erwarten lässt, • die gesundheitliche Eignung für die vorgesehene Tätigkeit in vollem Umfang gegeben ist und • Hinweise auf eine Erkrankung vorliegen, die eine Gefahr für Dritte in sich birgt (z. B. Infektionsgefährdung). Das Fragerecht des Arbeitgebers – und damit der Umfang der ärztlichen Untersuchung – sowie die Auskunftspflicht des Arbeitnehmers sind durch die gültige Rechtsprechung und nach Stellungnahme des Nationalen Ethikrats zum Thema Einstellungsuntersuchungen auf die Klärung folgender Punkte begrenzt: • Liegt eine Krankheit oder Beeinträchtigung des Gesundheitszustands vor, durch die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen eingeschränkt wird? • Liegt eine Krankheit oder Beeinträchtigung des Gesundheitszustands vor, die zu einer Gefährdung Dritter führt? • Ist zum Zeitpunkt des Dienstbeginns oder in den folgenden 6 Monaten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (mehr als 50 Prozent) mit einer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen? Da der Betriebsarzt die Bedingungen am künftigen Arbeitsplatz im Allgemeinen kennt, führt er oft neben der arbeitsmedizinischen Vorsorge auch die Einstellungsuntersuchung durch. Nach ArbMedVV soll eine Verknüpfung von Vorsorge mit Untersuchungen zur Feststellung der Eignung für berufliche Anforderungen nicht erfolgen, es sei denn, betriebliche Gründe erfordern das. Ein Nachteil der Durchführung der Einstellungsuntersuchung durch den Betriebsarzt kann darin bestehen, dass das Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer Schaden nimmt und die Trennung der Fragestellungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bzw. Eignungsuntersuchung schwierig sein kann. Arbeitsmedizinische Vorsorge nach ArbMedVV Die Arbeitsmedizinische Vorsorge (ArbMedVV) Vorsorge, arbeitsmedizinischeVorsorgen werden auf der Grundlage der staatlichen Rechtsvorschrift ArbmedVV und nach Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Im Anhang der ArbMedVV sind die Anlässe (Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischer Arbeiten mit humanpathogenen Organismen, Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen und sonstigen Tätigkeiten, z. B. Tragen von Atemschutzgeräten und Bildschirmarbeit) abschließend aufgeführt. Die für Arbeitsmediziner von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) herausgegebenen Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen haben nur empfehlenden Charakter. Der Arbeitgeber hat mit der Durchführung einen Arzt zu beauftragen, der berechtigt ist, die Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ zu führen. Ist ein Betriebsarzt bestellt, soll der Arbeitgeber diesen mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge beauftragen. Die arbeitsmedizinischen Vorsorgen umfasst: • die Begehung oder Kenntnis des Arbeitsplatzes durch den Arzt, • die arbeitsmedizinische Befragung und ggf. Untersuchung des Beschäftigten, • ggf. das Angebot eines Biomonitorings, • ggf. ein Impfangebot, • die Beurteilung des Gesundheitszustands des Beschäftigten, • die individuelle arbeitsmedizinische Beratung, • eine Dokumentation der Untersuchungsergebnisse, • die Ausstellung einer Bescheinigung für Arbeitgeber und Beschäftigten über die Durchführung der Vorsorge mit Datum für die nächste Vorsorge aber ohne Beurteilung oder Angabe von gesundheitlichen Bedenken, • die Mitteilung an Arbeitgeber bei Anhaltspunkten für unzureichende Schutzmaßnahmen. Die Vorsorgen dienen der ärztlichen Beratung von Beschäftigten zu ihrer individuellen gesundheitlichen Gefährdung, die sie durch ihre Tätigkeit mit besonderen Expositionen oder Belastungen ergeben kann, sowie der Verbesserung des individuellen Arbeitsschutzes. Hierbei ist entscheidend, dass der Betriebsarzt sowohl die Expositionen, die spezifischen Arbeitsbedingungen und Arbeitsabläufe am Arbeitsplatz als auch die gesundheitliche Situation unter Berücksichtigung von Konstitution und Vorerkrankungen des Beschäftigten kennt, damit er eine individuelle Risikobewertung vornehmen kann. Zur Einschätzung des individuellen Risikos des Beschäftigten können Untersuchungen, z. B. Biomonitoring zur Beurteilung der inneren Belastung oder Beanspruchung, sinnvoll sein und werden ggf. dem Beschäftigten angeboten. Impfangebote sind Bestandteil der Vorsorge, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Die Ablehnung von Impfungen hat keine Konsequenz, da in Deutschland keine Impfpflicht besteht. In Abhängigkeit von der Risikobewertung sollte der Betriebsarzt zusammen mit dem Beschäftigten beraten, ob eine Verbesserung von ArbeitsschutzmaßnahmenBetriebsarztArbeitsschutzmaßnahmen notwendig ist und wenn ja, in welcher Form diese sinnvoll umzusetzen wäre. Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist keine Eignungsuntersuchung, der Arbeitgeber wird lediglich informiert, dass die Vorsorge stattgefunden hat, ob zusätzliche Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig sind und wann die nächste Vorsorge erfolgen soll. Hält der Betriebsarzt aufgrund seiner Risikobewertung einen Wechsel des Arbeitsplatzes für notwendig, muss er dieses dem Beschäftigten mitteilen. Eine Mitteilung an den Arbeitgeber ist nur möglich, wenn der Beschäftigte dieser zustimmt. Die arbeitsmedizinischen Vorsorgen sind je nach Gefährdungsbeurteilung als Pflichtvorsorge oder Angebotsvorsorge vorzunehmen. Nähere Hinweise finden sich im Anhang der ArbmedVV und in den arbeitsmedizinischen Regeln (AMR), die die ArbmedVV konkretisieren. Wunschvorsorgen sind dem Beschäftigten zu ermöglichen, wenn der Beschäftigte arbeitsplatzbedingte gesundheitliche Einschränkungen vermutet. Die Vorsorgen sollen während der Arbeitszeit stattfinden. Die Vorsorgen erfolgen vor Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit, während dieser Tätigkeit in definierten Zeitabständen (detaillierte Auflistung AMR 2.1) und anlässlich ihrer Beendigung. Nachgehende Vorsorgen werden den Mitarbeitern nach Beendigung bestimmter Tätigkeiten, bei denen nach längeren Latenzzeiten Gesundheitsstörungen, auftreten können, z. B. nach Expositionen gegenüber krebserzeugenden Stoffen. • Die Entscheidungskriterien für Pflicht- und Angebotsvorsorgen beim Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers und im Abgleich mit dem Anhang zur ArbMedVV. • Die Durchführung der Pflichtvorsorge ist Voraussetzung für die Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung mit der entsprechenden Exposition. Tab. 5.53 fasst die arbeitsmedizinischer Vorsorgen, die abhängig von der Gefährdungsbeurteilung für Beschäftigte in Kliniken infrage kommen können, zsuammen. Tab. 5.53 Liste arbeitsmedizinischer VorsorgenArbeitsmedizinische Vorsorgen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen 1 Tätigkeiten, die den Kriterien der Feuchtarbeit (TRGS 401) entsprechen, betrifft z. B. das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe (regelmäßige tägliche kumulierte Tragedauer zwischen 2 und 4 Stunden Angebotsvorsorge, bei längerer Tragedauer Pflichtvorsorge) 2 Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen oder Zubereitungen der Kategorie 1 oder 2 im Sinne der GefStoffV (Pflichtvorsorge) 3 Tätigkeiten mit im Anhang der ArbmedVV genannten weiteren Gefahrstoffen (Pflichtvorsorge bei Nichteinhaltung der Grenzwerte oder bei Hautresorption, ansonsten Angebotsvorsorge) 4 Tätigkeiten mit einer Exposition mit Gesundheitsgefährdung durch Labortierstaub in Tierhaltungsräumen und -anlagen (Pflichtvorsorge) Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischen Arbeiten mit humanpathogenen Organismen Es wird zwischen gezielten und nicht gezielten Tätigkeiten unterschieden. Um gezielte Tätigkeiten handelt es sich, wenn die biologischen Arbeitsstoffe mindestens der Art nach bekannt sind, die Tätigkeit auf die biologischen Arbeitsstoffe unmittelbar ausgerichtet und die Exposition im Normalfall bekannt oder abschätzbar ist. Bei nicht gezielten Tätigkeiten wird mindestens eine der vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt, das sind in der Praxis mehr als 90 % der Expositionsbereiche. Pflichtvorsorge 1 Gezielte und ungezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 4 2 Gezielte Tätigkeiten mit B. anthracis, B. bacilliformis, B. henselae, B. quintana, B. pertussis, B. burgdorferi, B. burgdorferi sensu lato, B. melitensis, B. pseudomallei (P. pseudomallei), C. pneumoniae, C. psittaci (aviäre Stämme), C. burnetii, F. tularensis 3 Nachfolgend aufgeführten nicht gezielte Tätigkeiten: a In Forschungseinrichtungen oder Laboratorien: regelmäßige Tätigkeiten mit Kontaktmöglichkeit zu infizierten Proben oder Verdachtsproben, zu infizierten Tieren oder krankheitsverdächtigen Tieren bzw. zu erregerhaltigen oder kontaminierten Gegenständen oder Materialien hinsichtlich eines der oben aufgeführten biologischen Arbeitsstoffe b In Tuberkuloseabteilungen und anderen pulmologischen Einrichtungen: Tätigkeiten mit regelmäßigem Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen hinsichtlich M. bovis oder M. tuberculosis; c In Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen: aa Tätigkeiten mit regelmäßigem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen hinsichtlich B. pertussis, Hepatitis-A-Virus (HAV), Masernvirus, Mumpsvirus, Rubivirus bb Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen kann, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung, hinsichtlich Hepatitis-B-Virus (HBV) oder Hepatitis-C-Virus (HCV); dies gilt auch für Bereiche, die der Versorgung oder der Aufrechterhaltung dieser Einrichtungen dienen d In Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Kindern, ausgenommen Einrichtungen ausschließlich zur Betreuung von Kindern: Tätigkeiten mit regelmäßigem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Kindern hinsichtlich Varicella-Zoster-Virus (VZV); Buchstabe c bleibt unberührt e In Einrichtungen ausschließlich zur Betreuung von Menschen: Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen kann, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung, hinsichtlich Hepatitis-A-Virus (HAV), Hepatitis-B-Virus (HBV) oder Hepatitis-C-Virus (HCV) f In Notfall- und Rettungsdiensten und in der Pathologie: Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen kann, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung, hinsichtlich Hepatitis-B-Virus (HBV) oder Hepatitis-C-Virus (HCV) Angebotsvorsorge Gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 2 und 3 und nicht gezielten Tätigkeiten, die der Schutzstufe 2 oder 3 zuzuordnen sind oder für die eine vergleichbare Gefährdung besteht, es sei denn, nach der Gefährdungsbeurteilung ist nicht von einer Infektionsgefährdung auszugehen Tätigkeiten mit Exposition gegenüber sensibilisierend oder toxisch wirkenden biologischen Arbeitsstoffen, für die keine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge vorgesehen ist Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen, in deren Folge mit einer schweren Infektionskrankheit gerechnet werden muss und Maßnahmen der postexpositionellen Prophylaxe möglich sind oder in deren Folge eine Infektion erfolgt ist; Beendigung einer Tätigkeit, bei der eine Pflichtvorsorge zu veranlassen war Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen Bei Gesundheitsgefährdung des Muskel-Skelett-Systems durch Lastenhandhabung beim Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten (Angebotsvorsorge) Tätigkeiten an Bildschirmgeräten Beratung und angemessenen Untersuchung der Augen und des Sehvermögens (Angebotsvorsorge). Eine augenärztliche Untersuchung ist bei Bedarf zu ermöglichen. Wenn normale Sehhilfen für die Arbeit an Bildschirmgeräten nicht geeignet sind, sind spezielle Sehhilfen zur Verfügung zu stellen. Ärztliche Untersuchungen nach anderen Rechtsvorschriften Tätigkeiten mit Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen oder Röntgenstrahlen: Die Röntgenverordnung (RöV) und die Strahlenschutzverordnung (StrSchV) fordern zum Schutz der Gesundheit beruflich strahlenexponierter Personen die arbeitsmedizinische Vorsorge nach der „Richtlinie für die Arbeitsmedizinische Vorsorge beruflich strahlenexponierter Personen StrahlenexpositionVorsorgeuntersuchungen, arbeitsmedizinischedurch ermächtigte Ärzte“. Die Untersuchungen sind von speziell hierfür ermächtigten Ärzten durchzuführen. Die Untersuchungen sind verpflichtend vom Arbeitgeber zu veranlassen. Sie stellen eine Tätigkeitsvoraussetzung dar. Tätigkeiten mit Nachtarbeit: Nach Arbeitszeitgesetz haben Nachtarbeitnehmer das Recht, sich vor Beginn der Beschäftigung Nachtarbeit, Vorsorgeuntersuchungen, arbeitsmedizinischeund danach in regelmäßigen Abständen arbeitsmedizinisch untersuchen und beraten zu lassen. Anhaltspunkte zur Durchführung der Untersuchungen wurden vom Ausschuss Arbeitsmedizin in Zusammenarbeit mit dem Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) erarbeitet. Der Arbeitnehmer soll vom untersuchenden Arzt über allgemeine und individuelle Gesundheitsgefahren und deren Vorbeugung beraten werden. Der Arbeitgeber ist infragen der Einsetzbarkeit von Arbeitnehmern, bei denen Bedenken gegen einen Einsatz bei Nachtarbeit bestehen, vom Betriebsarzt zu beraten. Eine Mitteilung gesundheitlicher Bedenken an den Arbeitgeber erfolgt jedoch nur auf Wunsch des Arbeitnehmers. Eignungsuntersuchungen: Rechtsgrundlagen für EignungsuntersuchungenEignungsuntersuchung können individualrechtliche oder kollektivrechtliche Vereinbarungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag), Vorschriften der Unfallversicherungen oder sonstige Rechtsverordnungen wie Fahrerlaubnisverordnung, Feuerwehrdienstvorschrift, Triebfahrzeugführerscheinverordnung sein. Zusätzlich muss der Arbeitgeber nach ArbSchG prüfen, ob der Beschäftigte über besondere gesundheitliche Eigenschaften verfügen muss, um die maßgeblichen Schutzvorschriften oder angeordneten Schutzmaßnahmen zu erfassen und durchzuführen. Bestehen begründete Zweifel an der Tauglichkeit des Arbeitnehmers, den Anforderungen seines Arbeitsplatzes aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer gerecht zu werden, so kann die dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegende Fürsorgepflicht (§ 241 BGB) einen hinreichenden sachlichen Grund darstellen, ein amtsärztliches Gutachten über die Dienstfähigkeit des Arbeitnehmers einzuholen. Eignungsuntersuchungen müssen der Arbeitsaufgabe angemessen sein. Bislang existieren jedoch keine einheitlichen Regelungen über zu erfüllende branchenspezifische Anforderungen, Untersuchungsumfang oder Bewertung von Untersuchungsergebnissen. Hinweise können evidenzbasierte medizinische Leitlinien und Empfehlungen der Fachgesellschaften geben. 5.29.4 Sofortmaßnahmen nach akzidenteller Kontamination Axel Kramer und Sabine Wicker Infektionsrisiko Von Kontamination, akzidentelleInfektionsrisikodem Risiko einer beruflichen HBV-, HCV- oder HIV-Exposition muss ausgegangen werden bei • Verletzung mit kontaminierten Instrumenten bzw. Injektionsbestecken, • Benetzung offener Wunden, vorgeschädigter Haut bzw. Schleimhäute mit Blut und weiteren infektionsrelevanten Körperflüssigkeiten (z. B. Liquor, Punktatmaterial, Organmaterial, Viruskulturmaterial) sowohl bei bekanntem (Nachweis von HBV, HCV oder HIV) als auch bei unklarem Infektionsstatus der Indexperson. Selbstverständlich können als seltenes Ereignis auch andere Krankheitserreger auf diesem Weg übertragen werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung hängt vor allem von der übertragenen Erregermenge ab. Die Übertragungswahrscheinlichkeit liegt bei einer Nadelstichverletzung für HIV bei ca. 0,3 %, für HBV bei einem ungeimpften Exponierten bei ca. 6–30 % und für HCV bei ca. 1 %. Bei Kontamination offener Wunden und Schleimhaut mit Blut oder anderen infektionsrelevanten Körperflüssigkeiten wird von einem niedrigeren Infektionsrisiko ausgegangen. Schutz vor Kontamination und Verletzungen BeschäftigteKontamination, akzidentelleSchutz, die Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen ausführen, müssen anhand der Betriebsanweisung und der betrieblichen HygienemaßnahmenArbeitsstoffe, biologischeHygienemaßnahmen (Hygieneplan) über die auftretenden Gefahren und über die erforderlichen Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Das gilt auch für Fremdfirmen (Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungspersonal) und sonstige Personen (z. B. Praktikanten). Die Unterweisung ist vor Aufnahme der Tätigkeiten sowie bei maßgeblichen Änderungen der Arbeitsbedingungen, mindestens jedoch jährlich, durchzuführen. Sie muss in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache mündlich, arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogen erfolgen. Inhalt und Zeitpunkt der Unterweisungen sind zu dokumentieren und vom Unterwiesenen durch Unterschrift zu bestätigen (TRBA 250, Abschnitt 7). Das postexpositionelle Handeln muss geübt werden. Die Tätigkeit von Schwangeren in infektionsgefährdeten Bereichen ist nur unter Berücksichtigung des Mutterschutzgesetzes nach Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung möglich. Folgende Maßnahmen tragen zum Schutz vor akzidentellen Verletzungen bei: • Geordnete, durchdachte Arbeitsweise, Arbeitsverfahren sind so zu gestalten, dass das Risiko von Verletzungen und Infektionen verhindert oder zumindest minimiert wird und Expositionen vermieden werden • Bereitstellung bruch- und durchstichsicherer Entsorgungsbehälter für gebrauchte Kanülen u. Ä. am Ort des Umgangs bzw. Mitnahme der Behälter bei jedem entsprechenden Eingriff • Verwendung von sog. Sicherheitsgeräten, in Österreich als medizinische Instrumente mit integrierten Sicherheits- und Schutzmechanismen bezeichnet, gemäß TRBA 250 bzw. österreichischer Nadelstichverordnung (2013) • Bereitstellung und Einsatz von PSA • Anlegen von Schutzhandschuhen vor möglichem Kontakt mit infektiösem Material (gilt auch für Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen) • Benutzung einer seitlich geschlossenen Schutzbrille bei Gefahr von Spritzern infektiösen Materials ins Auge (z. B. bei Bronchoskopie, Entbindung, zahnärztlicher Behandlung). Die Präventionsmaßnahmen sollten in Form eines standardisiertem Behandlungsalgorithmus einschließlich der Verantwortlichkeiten in einer SOP festgelegt und den Beschäftigten jährlich kommuniziert werden, damit im Fall einer akzidentellen Kontamination die Schutzmaßnahmen ohne Zeitverzug durchgeführt werden. Sofortmaßnahmen nach Schnitt- bzw. Stichverletzung Spontaner SofortmaßnahmenSchnitt- und Stichverletzungen Schnitt- und StichverletzungenSofortmaßnahmenverletzungsbedingter Blutfluss ist nicht zu unterbinden, weil dadurch potenziell infektiöses Material ausgespült wird. Gegebenenfalls kann bei Stichverletzung im Bereich der Endphalanx des Fingers durch zentrifugal gerichtete massageartige Pressbewegung unterhalb der Grundphalanx bis zur Grundphalanx die Blutung verstärkt werden. Im Verletzungsbereich selbst sind Manipulationen, insbesondere Quetschen und Ausdrücken direkt im Einstichbereich, zu vermeiden, um keine Erregerverschleppung in tiefere Gewebeschichten zu begünstigen. In den aktuellen Richtlinien der CDC, OSHA und DAIG wird nach der Blutung die Spülung mit Wasser/Seife oder mit einem Antiseptikum (z. B. Betaseptic® oder ein Händedesinfektionsmittel oder Hautantiseptikum auf Basis von Ethanol) empfohlen. Nach Hautexposition (SofortmaßnahmenHautexpositiongeschädigte oder entzündlich veränderte Haut) wird nur gründliches Waschen mit Wasser und Seife empfohlen, danach, falls verfügbar, Abreiben der Hautoberfläche mit großzügiger Einbeziehung des Umfelds um das kontaminierte Areal mit einem mit Hautantiseptikum satt getränkten Tupfer. Spülung: Da keine Schnitt- und StichverletzungenSpülungStudien zur Überlegenheit antiseptisch wirksamer Spülungen vs. nicht antiseptisch wirksamer Spülungen durchführbar sind, beruhen die nachfolgenden Empfehlungen zum Einsatz viruzid wirksamer Hautantiseptika lediglich auf einer Nutzen-Risiko-Bewertung. Zunächst ist festzustellen, dass bei der Spülung von mit Schmutz kontaminierten Traumata die antiseptische Spülung unabhängig vom Wirkstoff der Spülung mit Ringer-Lösung bezüglich der Prävention von SSI signifikant überlegen war (Roth et al. 2007). In Analogie dazu ist davon auszugehen, dass durch viruzid wirksame Spüllösungen mit der gleichzeitigen Fähigkeit der Penetration in die Wunde eine höhere Schutzwirkung bei Kontamination mit HIV, HBV und HCV erreichbar ist als durch Einsatz einer nicht antiseptisch wirksamen Spüllösung. Zur gegen behüllte Viren wirksamen Prophylaxe sind Ethanol basierte Hautantiseptika mit Gehalt an PVP-Iod (z. B. Betaseptic® mit Gehalt von Ethanol/Propan-2-ol je 38,9 % w/w und von PVP-Iod 3,24 %) bei intakter Schilddrüsenfunktion als Mittel der Wahl anzusehen, da bereits der Ethanolgehalt allein gegen HIV wirksam ist (Spire et al. 1984) und die Kombination mit PVP-Iod nicht nur gegen behüllte, sondern sogar gegen unbehüllte Viren, d. h. viruzid, wirksam ist (Sauerbrei u. Wutzler 2010). Abhängig von der Expositionsdauer durchdringen beide Alkohole die Epidermis; Ausdruck der Resorption sind messbare Alkoholblutspiegel nach wiederholter Händedesinfektion (Below et al. 2012; Kramer et al. 2007). Iod gelangt im Unterschied zu Alkoholen auch in die Zelle, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Virusinfektion nach Verletzung noch weiter reduziert wird (Zeligs et al. 1998). Sofern im Erste-Hilfe-Set das viruzide Hautantiseptikum griffbereit zur Verfügung steht, ist bei Stich- und Schnittverletzungen bereits die Sofortspülung mit dem Hautantiseptikum vorzunehmen (Kramer et al. 2010d). Andernfalls ist zuerst mit Wasser zu spülen. Danach empfiehlt es sich, einen mit dem Antiseptikum getränkten Tupfer ≥ 1 min bis 15 min bei zwischenzeitlich erneutem Tränken über dem Einstich zu fixieren bzw. bei Schnittverletzung die Wunde antiseptisch zu spülen. Bei Kontraindikationen für PVP-Iod kommen Händedesinfektionsmittel oder Hautantiseptika auf Ethanolbasis (z. B. AHD 2000, Manorapid Synergy oder Sterillium virugard) in Betracht. Nach verletzungsbedingter Blutung Spülung mit Wasser oder – falls ebenso rasch erreichbar – mit Betaseptic®, abschließend wird Wundantiseptik ebenfalls mit Betaseptic® empfohlen. Sofortmaßnahmen nach Kontamination der Mundhöhle oder des Auges Bei Aufnahme in die Mundhöhle soll das SofortmaßnahmenKontamination Mundhöhleaufgenommene Material sofort möglichst vollständig ausgespien werden. Danach wird empfohlen, die Mundhöhle mehrfach (ca. 4–5-mal) mit Wasser auszuspülen. Jede Portion ist nach etwa 15 s intensiven Hin- und Her-Bewegens in der Mundhöhle auszuspeien (DGAI 2013). Auch in der Mundhöhle wird die PVP-Iod/Alkoholkombination toleriert, sodass auch hier nach intensiver Spülung mit Wasser eine abschließende antiseptische Spülung für 30 s die Sicherheit erhöhen kann. Bei Kontraindikation für PVP-Iod kommt die Mundhöhlenspülung mit dem Schleimhautantiseptikum Octenisept® in Betracht, das begrenzt viruzid, d. h. gegen HIV, HBV und HCV, wirksam ist (Schmitz und Bögel 1988; Schwalbach 1995; Steinmann, 2001, Steinmann, 2008). Bei Kontamination des Auges wird SofortmaßnahmenAugenkontamination AugeSofortmaßnahmen bei Kontaminationdas unverzügliche reichliche Ausspülen des Auges mit Ringer-, Kochsalzlösung oder Wasser empfohlen. Da Alkohole vom Auge nicht toleriert werden, kommt zur antiseptischen Schlussspülung nur wässrige isotone 2,5-prozentige PVP-Iod-Lösung in Betracht (wird in der Universitätsmedizin Greifswald im Erste-Hilfe-Set bereitgestellt). Nach entsprechender Exposition in der Mundhöhle und am Auge wird nach Spülung mit Leitungswasser eine abschließende antiseptische Spülung zur Erhöhung der Sicherheit empfohlen. Unfallmeldung Bei Unfallmeldung Kontamination, akzidentelleUnfallmeldungjeder Exposition gegenüber Blut oder vergleichbar infektiösem Material muss auch bei unklarem Infektionsstatus der Indexperson eine innerbetriebliche Anzeige als Arbeitsunfall erfolgen. Es sollte ein D-Arzt-Bericht für den Unfallversicherungsträger erstellt werden, so lässt sich eine etwaige Infektion frühzeitig diagnostizieren, und es können Ansprüche gegenüber den zuständigen Unfallversicherungsträgern (z. B. Unfallkassen, BGW) geltend gemacht werden. Der DurchgangsarztberichtDurchgangsarztbericht (D-Arzt-Bericht) enthält folgende Angaben: • Name, Geburtsdatum und Berufsgruppe der verunfallten Person • Ort, Datum und Uhrzeit des Arbeitsunfalls sowie Zeitpunkt der Vorstellung beim D-Arzt • Angaben des Versicherten zum Unfallhergang und zur Tätigkeit, bei der der Unfall eingetreten ist • Verhalten des Versicherten nach dem Unfall • Art der Erstversorgung (durch den D-Arzt) • möglichst Art und Schwere der Verletzung (Hautzustand, Tiefe). Postexpositionsprophylaxe Der PostexpositionsprophylaxeD-Arzt PostexpositionsprophylaxeKontamination, akzidentelle Kontamination, akzidentellePostexpositionsprophylaxeD-Arzt legt das weitere Prozedere bzgl. Schutzimpfung (Tetanus- und HBV-Impfschutz), HIV-PEP und serologischer Untersuchungen bei dem Mitarbeiter (Anti-HIV, Anti-HCV, HBV geimpft: Anti-HBs, HBV nicht geimpft: Anti-HBc, ggf. HBsAg, unklarer Impfstatus Anti-HBc und Anti-HBs) im Einverständnis mit dem Betroffenen fest. Auch beim Indexpatienten ist eine Blutuntersuchung auf HCV und HIV und ggf. HBV je nach Impfstatus des Mitarbeiters anzustreben. Die Abschätzung des Infektionsrisikos ist Voraussetzung für die Entscheidung bezüglich des kalkulierten Einsatzes der medikamentösen PEP. Bei späterer Nichtbestätigung eines Risikos wird die PEP unverzüglich beendet. Der Verunfallte sollte darauf hingewiesen werden, dass er bei Verweigerung der Untersuchung bzw. der erforderlichen Maßnahmen ein potenzielles Risiko für eine Eigenerkrankung und damit auch für eine Infektionsübertragung darstellt. Die Ablehnung sollte schriftlich dokumentiert werden. Falls vom Krankenhaus ein Notfalldepot für die zur PEP festgelegten Medikamente eingerichtet wurde, ist der Standort den Mitarbeitern bekannt zu machen. Einrichtungen des Gesundheitswesens sollten einen Zugang zur HIV-PEP über 24 h an 365 Tagen im Jahr gewährleisten! Alle Mitarbeiter müssen über die Sofortmaßnahmen nach akzidentieller Kontamination informiert sein. Ebenso sollten jedoch auch Verletzungen ohne Infektionsgefährdung hausintern registriert (z. B. im Verbandsbuch) bzw. in Abhängigkeit von der Verletzung als Arbeitsunfall gemeldet werden, um Schwachstellen im Arbeitsschutz feststellen zu können. Hieraus abgeleitete Erkenntnisse sollten in der innerbetrieblichen Fortbildung und in Hygieneplänen ihren Niederschlag finden. HIV-PEP: Die PostexpositionsprophylaxeHIV Human Immunodeficiency VirusPostexpositionsprophylaxeEntscheidung zur PEP ist abhängig von der inokulierten infektiösen Blutmenge, der Viruskonzentration und der Expositionsdauer (Tab. 5.54 ). Tab. 5.54 Indikationen für die PEP nach akzidenteller Kontamination (gemäß DGAI 2013) Expositionsereignis Viruslast bei Indexperson > 50 Kopien/ml oder unbekannt < 50 Kopien/ml Massive Inokulation (> 1 ml) von Blut oder anderer (Körper-)Flüssigkeit mit (potenziell) hoher Viruskonzentration Empfehlen Empfehlen (Blutende) Perkutane Stichverletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel; Schnittverletzung mit kontaminiertem Skalpell a. Ä. Empfehlen Anbieten Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel) ohne Blutfluss, Kontakt von Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit Flüssigkeit mit potenziell hoher Viruskonzentration Anbieten Nicht indiziert Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut (z. B. Urin, Speichel); Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonzentration); Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und Speichel Nicht indiziert Nicht indiziert [X337] Zur Einschätzung des Infektionsrisikos sollten nach den Sofortmaßnahmen (Blutung, Spülung, abschließende Antiseptik) folgende Fragen geklärt werden (DGAI 2013): • Wann hat der mögliche Kontakt mit HIV stattgefunden? • Von welcher Indexperson stammt das Material, ist diese nachweislich infiziert bzw. wie wahrscheinlich ist eine HIV-Infektion; bei bekannter Infektion sind folgende Fragen zu klären: Stadium der HIV-Erkrankung (klinische Manifestation, CD4-Zellzahl), aktuelle Viruslast (HIV-RNA-Kopien/ml), bei antiretroviraler Therapie eingesetzte Mittel, Dauer und evtl. Resistenz? • Wie erfolgte die Kontamination (z. B. Hohlraumkanüle, Schleimhautkontakt)? • Wie tief ist die Verletzung, wurden Blutgefäße eröffnet? • Trägt das verletzende Instrument Spuren der Kontamination mit Blut? Die PEP soll so früh wie möglich – im besten Fall innerhalb von 1 h – begonnen werden Die Anhaftung an die Wirtszelle erfolgt innerhalb 2 h, bis zur ersten Übertragung der Virus-RNA wird mit 12 h und bis zur ersten Bildung von Viruspartikeln mit weiteren 12 h gerechnet. Grundlage für die Auswahl der Medikamente ist die jeweils aktuelle Empfehlung der Deutsch-Österreichischen Leitlinie. Experten sollten zu Rate gezogen werden, wenn einer der folgenden Punkte zutrifft: • Der Zeitraum zwischen Exposition und Beginn der PEP ist > 24 h. • Es besteht ein hohes Expositionsrisiko aufgrund massiver Inokulation von virushaltigem Material. • Art und Infektionsgefährdung durch das verursachende Instrument der akzidentellen Verletzung sind unklar. • Eine exponierte Frau ist (vermutlich) schwanger. • Die Index-Person wurde antiretroviral vorbehandelt und eine Resistenz der Viren ist nachgewiesen oder wahrscheinlich. • Erhebliche unerwünschte Wirkungen des initialen Prophylaxeregimes stellen die Durchführung der Prophylaxe infrage oder machen eine Umstellung erforderlich. HCV: Es PostexpositionsprophylaxeHepatitis-C-Virus Hepatitis-C-VirusPostexpositionsprophylaxesteht keine medikamentöse PEP bzw. keine Impfung zur Verfügung. Entscheidend sind daher die Folgeuntersuchungen, um eine etwaige Infektionsübertragung möglichst frühzeitig zu erkennen. Bei HCV-positivem Indexpatienten sollte eine HCV-PCR beim Mitarbeiter nach 2–4 Wochen durchgeführt werden, bei negativem Ergebnis kann die PCR 6–8 Wochen nach Exposition wiederholt werden. Wenn es zu einer HCV-Transmission auf den Mitarbeiter gekommen ist, sollte die Frage der Indikation und der Art der Therapie vor dem Hintergrund der zahlreichen neuen HCV-Therapeutika in Rücksprache mit einem hepatologischen Zentrum erfolgen. HBV: BeiPostexpositionsprophylaxeHepatitis-B-Virus Hepatitis-B-VirusPostexpositionsprophylaxe einer Exposition gegenüber HBV ist eine rasche Prophylaxe erforderlich. Die Maßnahmen richten sich nach dem HBsAg-Status des Indexpatienten (Tab. 5.55 ) und dem Impfschutz des Exponierten (Tab. 5.56 ). Tab. 5.55 Maßnahmen in Abhängigkeit vom HBV-Status des Indexpatienten HBV-Status des Indexpatienten Maßnahmen HBsAg-negativ Da sehr selten auch HBsAg-negative Personen infektiös sein können, sollte bei fehlender oder unvollständiger Impfung die Grundimmunisierung begonnen bzw. komplettiert werden. HBsAg-positiv Tab. 5.56 HBsAg-Status unbekannt umgehend (innerhalb von 48 h) HBsAg beim Indexpatienten bestimmen; falls nicht möglich, wird Indexpatient als HBsAg-positiv eingestuft (Tab. 5.56) Tab. 5.56 Immunprophylaxe in Abhängigkeit vom Impfschutz Aktueller Anti-HBs-Titer (IE/l) des Verletzten Immunisierung HB-Impfstoff HB-Immunglobulin ≥ 100 Nein Nein > 10 bis 99 Ja Nein1 < 10 IE/l oder nicht innerhalb von 48 h zu bestimmen und Anti-HBs war ≥ 100 IE/l zu einem früheren Zeitpunkt Ja Nein und Anti-HBs war nie ≥ 100 IE/l oder unbekannt Ja Ja2 Ungeimpft oder Non-Responder Ja Ja3 1 Sofortige Bestimmung von Anti-HBs 2 Sofortige Bestimmung von HBsAg, Anti-HBc und Anti-HBs und Simultanimpfung ohne Ergebnis abzuwarten 3 Wie unter 2 + 2 weitere Impfstoffdosen gemäß Impfschema [X221-007] Serologischer Ausschluss einer Infektion Direkt PostexpositionsprophylaxeInfektionsausschluss, serologischernach Verletzung sind zum serologischen Ausschluss einer Infektion der Indexperson durch HBV, HCV und HIV folgende Antikörperbestimmungen unter der Voraussetzung des Einverständnisses des Indexpatienten erforderlich: Je nach HBV-Impfstatus des Mitarbeiters Bestimmung von HBsAg-, sowie anti-HCV und anti-HIV. Falls Anti-HCV oder Anti-HIV positiv, ist eine PCR-Testung zur Bestimmung der Viruslast durchzuführen. Als zusätzliches Argument für das Einverständnis zur serologischen Untersuchung kann dem Patienten erklärt werden, dass auch er selbst im Fall einer bisher ihm unbekannten Infektion durch die Zuführung zur Therapie profitieren kann (Himmelreich et al. 2013). Beim Verletzen gilt es, den Ausschluss einer Infektion zu führen (Tab. 5.57 ). Tab. 5.57 Serologische Untersuchungen des Mitarbeiters nach akzidenteller Kontamination Befund des Indexpatienten Umgehende Blutentnahme PCR Kontrollen Antikörperkontrollen HCV positiv oder unbekannt Bestimmung von Anti-HCV HCV-PCR nach 2–4 Wochen, falls negativ, Untersuchung 6–8 Wochen nach Exposition wiederholen Anti-HCV nach 6 Wochen, 3 und 6 Monaten HIV positiv oder unbekannt Bestimmung von Anti-HIV Anti-HIV nach 6 Wochen, 3 und 6 Monaten HBV positiv Tab. 5.56 Anti-HBc, HBsAg, sowie anti-HBs nach 6 Wochen, falls zum Zeitpunkt der Nadelstichverletzung keine ausreichende HBV-Immunität vorlag hat und deswegen eine Boosterimpfung erfolgte Da bei allen infrage kommenden Erregern ein diagnostisches Fenster zu berücksichtigen ist, empfiehlt sich während der Inkubationszeit eine Prävention bei Intimkontakten (besonders Sexualverkehr). Meldung: Bei Verdacht auf PostexpositionsprophylaxeMeldepflicht, serologischeberuflich erworbene Infektion durch HBV, HCV und HIV ist die Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit (BK 3101) an den zuständigen Unfallversicherungsträger erforderlich. Das erfolgt vorzugsweise durch den D-Arzt oder den Betriebsarzt. Nach § 202 SGB VII besteht jedoch eine Meldeverpflichtung für alle Ärzte, die den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit haben und zwar unabhängig von ihrer Funktion. Die Meldepflicht berechtigt trotz ärztlicher Schweigepflicht zur Offenbarung gegenüber dem Unfallversicherungsträger. Versicherte sind vom meldenden Arzt über die Meldung zu unterrichten. Der Verdacht auf akute Virushepatitis ist nach § 6 IfSG namentlich dem Gesundheitsamt zu melden. Zusätzlich ist gemäß § 7 IfSG die nichtnamentliche Meldung des Nachweises von HIV vorzunehmen.

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          Weaning from mechanical ventilation.

          Weaning covers the entire process of liberating the patient from mechanical support and from the endotracheal tube. Many controversial questions remain concerning the best methods for conducting this process. An International Consensus Conference was held in April 2005 to provide recommendations regarding the management of this process. An 11-member international jury answered five pre-defined questions. 1) What is known about the epidemiology of weaning problems? 2) What is the pathophysiology of weaning failure? 3) What is the usual process of initial weaning from the ventilator? 4) Is there a role for different ventilator modes in more difficult weaning? 5) How should patients with prolonged weaning failure be managed? The main recommendations were as follows. 1) Patients should be categorised into three groups based on the difficulty and duration of the weaning process. 2) Weaning should be considered as early as possible. 3) A spontaneous breathing trial is the major diagnostic test to determine whether patients can be successfully extubated. 4) The initial trial should last 30 min and consist of either T-tube breathing or low levels of pressure support. 5) Pressure support or assist-control ventilation modes should be favoured in patients failing an initial trial/trials. 6) Noninvasive ventilation techniques should be considered in selected patients to shorten the duration of intubation but should not be routinely used as a tool for extubation failure.
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            Cyclophosphamide and cisplatin compared with paclitaxel and cisplatin in patients with stage III and stage IV ovarian cancer.

            Chemotherapy combinations that include an alkylating agent and a platinum coordination complex have high response rates in women with advanced ovarian cancer. Such combinations provide long-term control of disease in few patients, however. We compared two combinations, cisplatin and cyclophosphamide and cisplatin and paclitaxel, in women with ovarian cancer. We randomly assigned 410 women with advanced ovarian cancer and residual masses larger than 1 cm after initial surgery to receive cisplatin (75 mg per square meter of body-surface area) with either cyclophosphamide (750 mg per square meter) or paclitaxel (135 mg per square meter over 24 hours). Three hundred eighty-six women met all the eligibility criteria. Known prognostic factors were similar in the two treatment groups. Alopecia, neutropenia, fever, and allergic reactions were reported more frequently in the cisplatin-paclitaxel group. Among 216 women with measurable disease, 73 percent in the cisplatin-paclitaxel group responded to therapy, as compared with 60 percent in the cisplatin-cyclophosphamide group (P = 0.01). The frequency of surgically verified complete response was similar in the two groups. Progression-free survival was significantly longer (P < 0.001) in the cisplatin-paclitaxel group than in the cisplatin-cyclophosphamide group (median, 18 vs. 13 months). Survival was also significantly longer (P < 0.001) in the cisplatin-paclitaxel group (median, 38 vs. 24 months). Incorporating paclitaxel into first-line therapy improves the duration of progression-free survival and of overall survival in women with incompletely resected stage III and stage IV ovarian cancer.
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              Epidemiology and etiology of childhood pneumonia.

              Childhood pneumonia is the leading single cause of mortality in children aged less than 5 years. The incidence in this age group is estimated to be 0.29 episodes per child-year in developing and 0.05 episodes per child-year in developed countries. This translates into about 156 million new episodes each year worldwide, of which 151 million episodes are in the developing world. Most cases occur in India (43 million), China (21 million) and Pakistan (10 million), with additional high numbers in Bangladesh, Indonesia and Nigeria (6 million each). Of all community cases, 7-13% are severe enough to be life-threatening and require hospitalization. Substantial evidence revealed that the leading risk factors contributing to pneumonia incidence are lack of exclusive breastfeeding, undernutrition, indoor air pollution, low birth weight, crowding and lack of measles immunization. Pneumonia is responsible for about 19% of all deaths in children aged less than 5 years, of which more than 70% take place in sub-Saharan Africa and south-east Asia. Although based on limited available evidence, recent studies have identified Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae and respiratory syncytial virus as the main pathogens associated with childhood pneumonia.
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                Krankenhaus- und Praxishygiene
                Krankenhaus- und Praxishygiene
                29 July 2016
                2016
                29 July 2016
                : 337-549
                Article
                B978-3-437-22312-9.00005-6
                10.1016/B978-3-437-22312-9.00005-6
                7152143
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