Hintergrund und Fragestellung: Im Rahmen der pandemischen Ausbreitung von SARS-CoV-2
ist das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) in öffentlichen Räumen ein wesentlicher
Bestandteil der Hygienemaßnahmen zur Viruseindämmung [1]. Aktuell gängige MNS sind
die zum Selbstschutz geeignete FFP2-Maske, die chirurgische MNS sowie die im außerklinischen
Bereich häufig genutzte Stoffmaske ("community mask"). Mit zunehmender Anwendung in
der breiten Bevölkerung werden mögliche Risiken durch das Tragen von Masken in der
Laien- und Fachpresse diskutiert [2, 3, 4]. Auswirkungen der genannten Maskentypen
auf physiologische Parameter (Blutgase, Vitalparameter) und das subjektive Belastungsempfinden
sind unter Alltags- oder Arbeitsbelastung bislang - insbesondere bei Risikogruppen
- nicht systematisch untersucht.
Eine US-amerikanische Forschergruppe hat den Einfluss von chirurgischem MNS bei Patienten
mit fortgeschrittener COPD auf Sauerstoffsättigung (SpO2) und dem Kohlenstoffdioxidanteil
am Ende der Ausatmung (endtiales CO2, ETCO2) untersucht. Der endtidale CO2-Messwert
entspricht beim Lungengesunden annähernd, mit einer geringen Differenz von etwa 3-5
mmHg, dem arteriellen Kohlenstoffdioxid-Partialdruck (paCO2), wie er in einer Blutgasanalyse
bestimmt wird.
Methoden und Ergebnisse: Endtidales CO2 (ETCO2) und Sauerstoffsättigung (SpO2) wurden
bei 15 Männern mit z. T. fortgeschrittener COPD (Durchschnittsalter 71,6 Jahre, FEV1
44,0 ± 22,2 %) im Rahmen eines 6-Minuten-Gehtest mit Tragen eines chirurgischen MNS
gemessen und mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen. In Ruhe ergaben sich zunächst
vor der Belastungsuntersuchung, nach 5 und 30 Minuten bei Patienten mit COPD in Bezug
auf ETCO2 oder SpO2 keine signifikanten Unterschiede zur gesunden Kontrollgruppe (▶Tab.
1). Im Rahmen des 6-Minuten-Gehtests zeigten Patienten mit schwergradiger COPD erwartungsgemäß
einen Abfall des SpO2 (-2,28 ± 7,3 %). Bei zwei Patienten bestand die Indikationen
zur Langzeitsauerstofftherapie. Nach Belastung waren bei Patienten mit COPD keine
signifikanten Änderungen nachweisbar. Insbesondere ergaben sich keine Hinweise auf
eine CO2-Retention bei Tragen eines chirurgischen MNS.
HR (× min-1)
RR (× min-1)
SpO2 (%)
ETCO2 (mmHg)
pO2 (mm Hg)
pCO2 (mmHg)
Gesundes Hauspersonal (N = 15)
Basiswerte ohne Maske in Raumluft
72,5 ± 10,0 (61 bis 88)
17,2 ± 2,5 (13 bis 21)
97,5 ± 1,2 (95 bis 100)
36,2 ± 2,3
(31 bis 40)
NP
NP
Änderung ab Ausgangswert
Chirurgische Maske nach 5 min Pause
0,50 ± 3,8
(-5,0 bis 6,0)
0,52 ± 0,5
(0 bis 2,0)
-0,28 ± 0,7
(-1 bis 1)
1,06 ± 1,1
(0,8 bis 2,5)
NP
NP
Chirurgische Maske nach 30 min Pause
-0,64 ± 5,4
(-9,0 bis 10,0)
1,13 ± 1,4
(-1,0 bis 3,0)
0,10 ± 0,6
(-1 bis 1)
0,75 ± 1,0
(0,6 bis 2,1)
NP
NP
Menschen mit schwerer COPD (N = 15)
Basiswerte ohne Maske in Raumluft
86,0 ± 9,8
(72 bis 103)
20,5 ± 5,4
(12 bis 35)
91,3 ± 5,8
(89 bis 97)
36,1 ± 3,3
(29,7 bis 43,6)
77,2 ± 15,1
(54,4 bis 99,6)
38,9 ± 5,6
(30,6 bis 50,2)
Änderung ab Ausgangswert
Chirurgische Maske nach 5 min Pause
-1,83 ± 4,1
(-8,0 bis 5,0)
-0,12 ± 3,8
(-6,0 bis 4,0)
0,35 ± 1,4
(-1,0 bis 3,0)
-1,67 ± 3,9
(-12,0 bis 6,0)
NP
NP
Chirurgische Maske nach 30 min Pause und vor 6MWT
-2,13 ± 6,4
(-14,0 bis 8,0)
1,03 ± 5,0
(-7,0 bis 9,0)
0,87 ± 2,1
(-2,0 bis 5,0)
-1,63 ± 4,3
(-10,0 bis 4,0)
NP
NP
Chirurgische Maske nach 30 min Pause und nach 6MWT
11,00 ± 12,0
(-3,0 bis 39,0)
3,30 ± 6,2
(-3,0 bis 18,0)
-2,28 ± 7,3
(-19,0 bis 5,0)
-0,14 ± 5,6
(-9,0 bis 7,0)
-4,6 ± 13,9
(-15,9 bis 27,8)
0,97 ± 2,4
(-2,8 bis 5,3)
Kommentar von Prof. Dr. med. Martin Kohlhäufl
Studie für Identifizierung von Risikopatienten zu klein
Bei Patienten mit COPD konnte in Ruhe und im Rahmen eines 6-Mintuen-Gehtests mit chirurgischem
Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) keine relevante CO 2-Retention nachgewiesen werden.
Eine Identifizierung von COPD-Risikogruppen, auf die das Tragen einer Maske im Alltag
besonders nachteilige Auswirkungen hätte, ist auf Basis dieser Studie mit kleiner
Probandenzahl nicht möglich. Weitere Untersuchungen mit Stratifizierung nach COPD-Schweregrad
an größeren Probandenkollektiven sind erforderlich. Weiter können Gesundheitsrisiken
durch das längerfristige Tragen von Masken können nicht ausgeschlossen werden. Dennoch
erscheint es für Personen mit COPD sinnvoll, zum Beispiel FFP2-Masken mit Vorsicht
zu verwenden, da bei diesen unter Maskeneinwirkung klinisch bedeutsame Veränderungen
der pO2- und pCO 2-Werte beschrieben sind [3]. Bei gesunden Probanden korrelierten
Symptome (z. B. Dyspnoe, Kopfschmerzen, Hitzegefühl, Schwindel) [5] bei kurzfristig
hoher Arbeitsbelastung unter gängigen im Krankenhaus eingesetzten Maskentypen über
alle MNS hinweg nicht mit der Höhe des belastungsbedingten CO 2-Anstiegs oder SpO2-Abfalls,
sondern mit dem Anstieg von Atem- und Herzfrequenz. Insbesondere weniger trainierte
Personen (starker Herzfrequenzanstieg) scheinen unter allen Maskentypen, vor allem
unter der FFP2-Maske, bereits bei geringerer Belastung Symptome zu entwickeln. Ein
klinisch relevanter Einfluss von MNS auf Blutgase und Vitalparameter konnte bei gesunden
Probanden nicht nachgewiesen werden. Die maskenspezifischen absoluten Differenzen
für PtcCO 2/SpO2 waren gering (maximal 4,3 mmHg/ −1,54 % unter FFP2-Maske). Generell
ist ein kritisches Maß für eine klinisch bedeutsame Hyperkapnie/Hypoxie interindividuell
sehr verschieden und vom jeweiligen Ausgangswert abhängig. Generell sind Bewusstseinsveränderungen
bei Gesunden erst ab PaCO 2-Werten > 60 mmHg zu erwarten, wobei bereits geringere
Anstiege des PaCO 2 über eine zerebrale Vasodilatation Kopfschmerzen verursachen können.
Originalie
Samannan R, Holt G, Calderon-Candelario R et al. Effect of Face Masks on Gas Exchange
in Healthy Persons and Patients with COPD. Ann Am Thorac Soc. 2020; https://doi.org/10.1513/AnnalsATS.202007-812RL
Prof. Dr. med. Martin Kohlhäufl
Lungenpraxis
Eltinger Str. 51
71229 Stuttgart-Leonberg
praxis@kohlhaeufl.com